Laetare, Eucharistie, verlorener Sohn

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4. Fastensonntag C,
Laetare, Eucharistie, der verlorene Sohn
Inhalt
Liturgische Texte................................................................................................................................................ 1
Der verlorene Sohn (Johannes Paul II., Enzyklika Dives in misericordia, 30. November 1980) ........................ 3
Umkehr; der verlorene Sohn (Johannes Paul II., Generalaudienz, 17. Februar 1999) ...................................... 6
Eucharistie, Manna, Teilnahme an der himmlischen Liturgie (Johannes Paul II., Generalaudienz, 25. Oktober
2000) .................................................................................................................................................................. 7
Barmherzige Liebe Gottes (Johannes Paul II., Predigt, 21. März 2004) ............................................................ 9
Manna, Eucharistie, Liebe Gottes (Benedikt XVI., Enzyklika Deus caritas est, 25. Dezember 2005) ................ 9
Heiliger Geist: Leben und Freiheit (Benedikt XVI., Predigt, Pfingstvigil, 3. Juni 2006) .................................... 10
Laetare, Quelle der Freude: Eucharistie; Sacramentum caritatis (Benedikt XVI., Angelus, 18. März 2007) ... 13
Gott ist barmherzige Liebe (Benedikt XVI., Angelus, 16. September 2007) .................................................... 14
Die Beziehung zu Gott, die beiden Söhne (Benedikt XVI., Angelus, 14. März 2010) ...................................... 15
Der verlorene Sohn (Benedikt XVI., Sonntag, 12. September 2010) ............................................................... 16
Die Freude Gottes, Gerechtigkeit, Barmherzigkeit, der verlorene Sohn (Franziskus, Angelus, 15. September
2013) ................................................................................................................................................................ 17
Das Gleichnis vom verlorenen Sohn (Don Pierino Galeone) ........................................................................... 18
Catena aurea ................................................................................................................................................... 19
Liturgische Texte
ERÖFFNUNGSVERS, Vgl. Jes 66, 10-11
Freue dich, Stadt Jerusalem! Seid fröhlich zusammen mit ihr, alle, die ihr traurig wart.
Freut euch und trinkt euch satt an der Quelle göttlicher Tröstung.
TAGESGEBET
Herr, unser Gott, du hast in deinem Sohn die Menschheit auf wunderbare Weise mit dir versöhnt.
Gib deinem Volk einen hochherzigen Glauben, damit es mit froher Hingabe dem Osterfest entgegeneilt.
Darum bitten wir durch Jesus Christus.
ERSTE LESUNG, Jos 5, 9a.10-12
In jenen Tagen sagte der Herr zu Josua: Heute habe ich die ägyptische Schande von euch abgewälzt. Als die
Israeliten in Gilgal ihr Lager hatten, feierten sie am Abend des vierzehnten Tages jenes Monats in den
Steppen von Jericho das Pascha. Am Tag nach dem Pascha, genau an diesem Tag, aßen sie ungesäuerte
Brote und geröstetes Getreide aus den Erträgen des Landes. Vom folgenden Tag an, nachdem sie von den
Erträgen des Landes gegessen hatten, blieb das Manna aus; von da an hatten die Israeliten kein Manna
mehr, denn sie aßen in jenem Jahr von der Ernte des Landes Kanaan.
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ANTWORTPSALM, Ps 34 (33), 2-3.4-5.6-7 (R: 9a)
R Kostet und seht, wie gütig der Herr ist! – R
Ich will den Herrn allezeit preisen;
immer sei sein Lob in meinem Mund.
Meine Seele rühme sich des Herrn;
die Armen sollen es hören und sich freuen. - (R)
Verherrlicht mit mir den Herrn,
lasst uns gemeinsam seinen Namen rühmen.
Ich suchte den Herrn, und er hat mich erhört,
er hat mich all meinen Ängsten entrissen. - (R)
Blickt auf zu ihm, so wird euer Gesicht leuchten,
und ihr braucht nicht zu erröten.
Da ist ein Armer; er rief, und der Herr erhörte ihn.
Er half ihm aus all seinen Nöten. - R
ZWEITE LESUNG, 2 Kor 5, 17-21
Brüder! Wenn jemand in Christus ist, dann ist er eine neue Schöpfung: Das Alte ist vergangen, Neues ist
geworden. Aber das alles kommt von Gott, der uns durch Christus mit sich versöhnt und uns den Dienst der
Versöhnung aufgetragen hat. Ja, Gott war es, der in Christus die Welt mit sich versöhnt hat, indem er den
Menschen ihre Verfehlungen nicht anrechnete und uns das Wort von der Versöhnung zur Verkündigung
anvertraute. Wir sind also Gesandte an Christi statt, und Gott ist es, der durch uns mahnt. Wir bitten an
Christi statt: Lasst euch mit Gott versöhnen! Er hat den, der keine Sünde kannte, für uns zur Sünde
gemacht, damit wir in ihm Gerechtigkeit Gottes würden.
RUF VOR DEM EVANGELIUM, Vers: Lk 15, 18
Christus, du ewiges Wort des Vaters, Ehre sei dir! - R
Ich will zu meinem Vater gehen und ihm sagen:
Vater, ich habe mich versündigt gegen den Himmel und gegen dich.
Christus, du ewiges Wort des Vaters, Ehre sei dir!
EVANGELIUM, Lk 15, 1-3.11-32
In jener Zeit kamen alle Zöllner und Sünder zu Jesus, um ihn zu hören. Die Pharisäer und die
Schriftgelehrten empörten sich darüber und sagten: Er gibt sich mit Sündern ab und isst sogar mit ihnen. Da
erzählte er ihnen ein Gleichnis und sagte: Ein Mann hatte zwei Söhne. Der jüngere von ihnen sagte zu
seinem Vater: Vater, gib mir das Erbteil, das mir zusteht. Da teilte der Vater das Vermögen auf. Nach
wenigen Tagen packte der jüngere Sohn alles zusammen und zog in ein fernes Land. Dort führte er ein
zügelloses Leben und verschleuderte sein Vermögen. Als er alles durchgebracht hatte, kam eine große
Hungersnot über das Land, und es ging ihm sehr schlecht. Da ging er zu einem Bürger des Landes und
drängte sich ihm auf; der schickte ihn aufs Feld zum Schweinehüten. Er hätte gern seinen Hunger mit den
Futterschoten gestillt, die die Schweine fraßen; aber niemand gab ihm davon. Da ging er in sich und sagte:
Wie viele Tagelöhner meines Vaters haben mehr als genug zu essen, und ich komme hier vor Hunger um.
Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe mich gegen den Himmel
und gegen dich versündigt. Ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein; mach mich zu einem deiner
Tagelöhner. Dann brach er auf und ging zu seinem Vater. Der Vater sah ihn schon von weitem kommen,
und er hatte Mitleid mit ihm. Er lief dem Sohn entgegen, fiel ihm um den Hals und küsste ihn. Da sagte der
Sohn: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt; ich bin nicht mehr wert, dein
Sohn zu sein. Der Vater aber sagte zu seinen Knechten: Holt schnell das beste Gewand, und zieht es ihm an,
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steckt ihm einen Ring an die Hand, und zieht ihm Schuhe an. Bringt das Mastkalb her, und schlachtet es; wir
wollen essen und fröhlich sein. Denn mein Sohn war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wieder
gefunden worden. Und sie begannen, ein fröhliches Fest zu feiern. Sein älterer Sohn war unterdessen auf
dem Feld. Als er heimging und in die Nähe des Hauses kam, hörte er Musik und Tanz. Da rief er einen der
Knechte und fragte, was das bedeuten solle. Der Knecht antwortete: Dein Bruder ist gekommen, und dein
Vater hat das Mastkalb schlachten lassen, weil er ihn heil und gesund wiederbekommen hat. Da wurde er
zornig und wollte nicht hineingehen. Sein Vater aber kam heraus und redete ihm gut zu. Doch er erwiderte
dem Vater: So viele Jahre schon diene ich dir, und nie habe ich gegen deinen Willen gehandelt; mir aber
hast du nie auch nur einen Ziegenbock geschenkt, damit ich mit meinen Freunden ein Fest feiern konnte.
Kaum aber ist der hier gekommen, dein Sohn, der dein Vermögen mit Dirnen durchgebracht hat, da hast du
für ihn das Mastkalb geschlachtet. Der Vater antwortete ihm: Mein Kind, du bist immer bei mir, und alles,
was mein ist, ist auch dein. Aber jetzt müssen wir uns doch freuen und ein Fest feiern; denn dein Bruder
war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wieder gefunden worden.
GABENGEBET
Herr, unser Gott, in der Freude auf das Osterfestbringen wir unsere Gaben dar.
Hilf uns, gläubig und ehrfürchtig das Opfer zu feiern, das der Welt Heilung schenkt und den Tod
überwindet. Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.
KOMMUNIONVERS
Vgl. Joh 9, 11: Der Herr salbte meine Augen; ich ging hin, wusch mich und wurde sehend
und glaube an Gott.
Vgl. Lk 15, 32: Freue dich, mein Sohn, denn dein Bruder war tot und lebt wieder:
er war verloren und wurde wieder gefunden.
Ps 122 (121), 3-4: Jerusalem, du starke Stadt, dicht gebaut und fest gefügt!
Dorthin ziehen die Stämme hinauf, die Stämme des Herrn, den Namen des Herrn zu preisen.
SCHLUSSGEBET
Allmächtiger Gott, dein ewiges Wort ist das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet.
Heile die Blindheit unseres Herzens, damit wir erkennen, was vor dir recht ist, und dich aufrichtig lieben.
Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.
Der verlorene Sohn (Johannes Paul II., Enzyklika Dives in misericordia, 30.
November 1980)
IV. DAS GLEICHNIS VOM VERLORENEN SOHN
5. Der Vergleich
Schon an der Schwelle zum Neuen Testament wird im Evangelium des heiligen Lukas eine einzigartige
Entsprechung zwischen zwei Beschreibungen des göttlichen Erbarmens hörbar, in der die gesamte
Tradition des Alten Testamentes machtvoll widerhallt. Hier finden die semantischen Inhalte der
differenzierten Terminologie der alttestamentlichen Bücher ihren Niederschlag. Wir sehen Maria, die das
Haus des Zacharias betritt und aus ganzer Seele den Herrn preist für »sein Erbarmen von Geschlecht zu
Geschlecht über denen, die ihn fürchten«. Gleich darauf erwähnt sie Gottes Huld für Israel und rühmt die
Erwählung Israels, »das Erbarmen«, an das er, sein Erwähler, eh und je »denkt«. Später, im selben Haus,
lobpreist bei der Geburt Johannes' des Täufers dessen Vater Zacharias den Gott Israels und verherrlicht
sein »Erbarmen mit unseren Vätern«, und daß er »seines heiligen Bundes gedachte«.
In der Lehre Christi wird das vom Alten Testament übernommene Bild vereinfacht und zugleich
vertieft. Das zeigt sich vielleicht am deutlichsten in der Parabel vom verlorenen Sohn, wo das Wesen des
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göttlichen Erbarmens besonders deutlich aufleuchtet (wenn auch das Wort »Erbarmen« im Urtext nicht
vorkommt). Dazu trägt nicht so sehr, wie in den alttestamentlichen Büchern, die Terminologie bei, sondern
vielmehr die Analogie, der Vergleich, der es möglich macht, das Geheimnis des Erbarmens vollständiger zu
erfassen, das sich wie ein tiefes Drama zwischen der Liebe des Vaters und der Verlorenheit und Sünde des
Sohnes ereignet.
Dieser Sohn, der vom Vater das ihm zustehende Erbteil erhält und von zuhause weggeht, um es in
einem fernen Land mit seinem »zügellosen Leben« zu verschleudern, ist in gewisser Hinsicht der Mensch
aller Zeiten, angefangen von dem, der als erster das Erbteil der Gnade und der Gerechtigkeit des Urstandes
verlor. Die Analogie ist hier sehr weitgespannt. Die Parabel bezieht sich indirekt auf jeden Bruch des
Liebesbundes, auf jeden Verlust der Gnade, auf jede Sünde. In dieser Analogie wird weniger die Untreue
des Volkes Israel hervorgehoben, als dies in der Tradition der Propheten der Fall war, obwohl auch sie
mitgemeint sein kann. Als dieser Sohn »alles durchgebracht hatte, ging es ihm sehr schlecht«, um so mehr
als »in dem Land«, in das er sich nach Verlassen des väterlichen Hauses begeben hatte, »eine große
Hungersnot ausgebrochen war«. In dieser Lage »hätte er gerne seinen Hunger gestillt«, ganz gleich womit,
sogar »mit den Futterschoten, die die Schweine fraßen«, welche er für »einen Bürger des Landes« auf dem
Feld hütete. Aber selbst das wurde ihm verweigert.
Die Analogie verlagert sich eindeutig auf das Innere des Menschen. Das Vermögen, welches der
Sohn vom Vater empfangen hatte, war eine Quelle materieller Güter; aber wichtiger als diese Güter war
seine Würde als Sohn im Haus des Vaters. Die Lage, in der er sich nach dem Verlust der materiellen Güter
vorfand, mußte ihm den Verlust dieser Würde zum Bewußtsein bringen. Früher, als er vom Vater sein
Erbteil verlangte, um fortzugehen, hatte er daran nicht gedacht. Anscheinend denkt er auch jetzt noch nicht
daran, wenn er zu sich selbst sagt: »Wieviele Tagelöhner meines Vaters haben mehr als genug zu essen,
und ich komme hier vor Hunger um«. Er mißt sich mit dem Maß der Güter, die er verloren hat, die er nicht
mehr »besitzt«, während die Tagelöhner im Haus seines Vaters sie »besitzen«. Aus seinen Worten spricht
vor allem seine Ausrichtung auf die materiellen Güter. Nichtsdestoweniger verbirgt sich unter ihrer
Oberfläche das Drama der verlorenen Würde, das Wissen um die leichtsinnig zerstörte Sohnschaft.
So faßt er denn den Entschluß: »Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen und ihm sagen:
Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt. Ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu
sein; mach mich zu einem deiner Tagelöhner«. Diese Worte rücken das Kernproblem vollends ins Licht. Der
materielle Engpaß, in den der verlorene Sohn durch seine Leichtfertigkeit und seine Sünde geraten war,
hatte in ihm den Sinn für seine - jetzt verlorene - Würde zum Reifen gebracht. Sein Entschluß, in das
väterliche Haus zurückzukehren und den Vater um Aufnahme zu bitten - nicht aufgrund der Rechte eines
Sohnes, sondern als Tagelöhner - , scheint äußerlich durch den Hunger und das Elend veranlaßt, in die er
gefallen war; diesen Beweggrund durchdringt jedoch das Wissen um einen viel tieferen Verlust: ein
Tagelöhner im Haus des eigenen Vaters zu sein, ist sicher eine große Demütigung und Schande. Dennoch ist
der verlorene Sohn bereit, diese Demütigung und Schande auf sich zu nehmen. Er ist sich klar darüber, daß
er kein anderes Recht mehr hat als das, im Haus des Vaters Tagelöhner zu sein. Er faßt seinen Entschluß im
vollen Bewußtsein dessen, was er verdient hat und worauf er nach den Normen der Gerechtigkeit noch
Anspruch erheben kann. Gerade diese Überlegung beweist, daß in der Tiefe des Gewissens des verlorenen
Sohnes der Sinn für die verlorene Würde auftaucht, für jene Würde, die dem Verhältnis des Sohnes zum
Vater entspringt. Mit diesem Entschluß macht er sich auf den Weg.
In der Parabel vom verlorenen Sohn wird kein einziges Mal das Wort »Gerechtigkeit« verwendet;
gleiches gilt - im Urtext - für das Wort »Erbarmen«. Aber das Verhältnis der Gerechtigkeit zur Liebe, die sich
als Erbarmen kundtut, ist dem Inhalt der evangelischen Parabel in großer Genauigkeit eingeschrieben. Sie
macht deutlich, daß die Liebe zum Erbarmen wird, wenn es gilt, die - genaue und oft zu enge - Norm der
Gerechtigkeit zu überschreiten. Nachdem der verlorene Sohn das vom Vater erhaltene Vermögen
aufgebraucht hat und ins väterliche Haus zurückgekehrt ist, kann er nur beanspruchen, sich seinen
Lebensunterhalt als Tagelöhner verdienen zu dürfen und eventuell nach und nach zu einem gewissen
materiellen Besitz zu kommen, der in seiner Größe aber vielleicht nie mehr an den heranreichen wird, den
er verschleudert hat. Mehr kann er nicht beanspruchen in der Ordnung der Gerechtigkeit, umso weniger,
als er nicht nur den ihm zustehenden Vermögensanteil vergeudet, sondern durch sein ganzes Verhalten
auch den Vater verletzt und beleidigt hat. Dieses Verhalten, das ihn nach seinem eigenen Urteil die Würde
eines Sohnes gekostet hat, konnte ja dem Vater nicht gleichgültig sein; es mußte ihm Schmerz bereiten und
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ihn in gewisser Hinsicht auch mit hineinziehen. Und doch, letzten Endes ging es um den eigenen Sohn, und
diese Beziehung konnte durch keinerlei Verhalten gestört oder getroffen werden. Der verlorene Sohn ist
sich dessen bewußt, und gerade dieses Wissen läßt ihn den Verlust seiner Würde klar erkennen und den
Platz richtig einschätzen, der ihm im Haus des Vaters noch zustehen konnte.
6. Die Betonung der menschlichen Würde
Dieses klar gezeichnete Bild von der inneren Verfassung des verlorenen Sohnes erlaubt es uns, genau zu
erfassen, worin das göttliche Erbarmen besteht. Zweifellos enthüllt uns die Gestalt des Vaters in dieser
einfachen, aber eindringlichen Analogie Gott als Vater. Das Verhalten des Vaters im Gleichnis, seine ganze
Handlungsweise, in der seine innere Haltung sichtbar wird, läßt uns die einzelnen Linien der
alttestamentlichen Sicht des Erbarmens in einer völlig neuen, ganz einfachen und tiefen Synthese
wiederfinden. Der Vater des verlorenen Sohnes ist seiner Vaterschaft treu, ist der Liebe treu, mit der er seit
jeher seinen Sohn beschenkt hat. Diese Treue kommt im Gleichnis nicht nur in der sofortigen Bereitschaft
zum Ausdruck, mit der er den heimkehrenden Sohn, der das Vermögen verschleudert hat, aufnimmt; sie
kommt noch mehr in der überströmenden, großzügigen Freude über den heimgekehrten Verschwender
zum Ausdruck, deren Ausmaß sogar den Widerspruch und Neid des älteren Bruders hervorruft, der sich nie
vom Vater abgewendet und sein Haus nicht verlassen hatte.
Die Treue des Vaters zu sich selbst - ein von dem alttestamentlichen Ausdruck »hesed« her bereits
bekannter Wesenszug - wird in ergreifender Wärme beschrieben: »Der Vater sah ihn schon von weitem
kommen, und er hatte Mitleid mit ihm. Er lief dem Sohn entgegen, fiel ihm um den Hals und küßte ihn«.
Dieses Tun ist sicher von einer tiefen Zuneigung bestimmt, die auch seine dem Sohn erwiesene
Großzügigkeit erklärt, über die der ältere dann so in Zorn gerät. Die Gründe für diesen bewegten Empfang
liegen jedoch tiefer: der Vater weiß sehr wohl, daß ein grundlegendes Gut gerettet ist - das Mensch-sein
seines Sohnes. Mag dieser auch das Vermögen verschleudert haben, sein Mensch-sein ist heil geblieben. Ja,
es wurde sozusagen wiedergefunden. Das bezeugen die Worte des Vaters an den älteren Sohn: »Jetzt
müssen wir uns doch freuen und ein Fest feiern, denn dein Bruder war tot und lebt wieder; er war verloren
und ist wiedergefunden worden«. Im selben 15. Kapitel des Lukasevangeliums lesen wir das Gleichnis vom
verlorenen Schaf und anschließend von der verlorenen Drachme. Jedesmal wird die gleiche Freude
hervorgehoben, die wir beim verlorenen Sohn finden. Die Treue des Vaters zu sich selbst ist voll und ganz
auf das Mensch - sein, auf die Würde des verlorenen Sohnes ausgerichtet. So erklärt sich vor allem seine
bewegte Freude im Augenblick der Heimkehr.
Man kann also sagen, daß die Liebe zum Sohn, die Liebe, die aus dem Wesen der Vaterschaft fließt,
den Vater in einem bestimmten Sinn dazu verpflichtet, sich um die Würde des Sohnes zu sorgen. Diese
Sorge ist der Maßstab seiner Liebe, wie der heilige Paulus schreibt: »Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist
gütig... Sie sucht nicht ihren Vorteil, läßt sich nicht zum Zorn reizen, trägt das Böse nicht nach... Sie freut
sich an der Wahrheit. ... Sie hofft alles, hält allem stand« und »hört niemals auf«. Das Erbarmen - wie es
Christus im Gleichnis vom verlorenen Sohn darstellt – hat die innere Form jener Liebe, die im Neuen
Testament agápe genannt wird. Solche Liebe ist fähig, sich über jeden verlorenen Sohn zu beugen, über
jedes menschliche Elend, vor allem über das moralische Elend: die Sünde. Wenn das geschieht, fühlt sich
der, dem das Erbarmen zuteil wird, nicht gedemütigt, sondern gleichsam wiedergefunden und
»aufgewertet«. Der Vater läßt ihn in erster Linie spüren, wie groß seine Freude ist, daß er »wiedergefunden
wurde« und »wieder lebt«. Diese Freude weist auf ein unverletztes Gut hin: ein Sohn hört nie auf, in
Wahrheit Sohn seines Vaters zu sein, selbst dann nicht, wenn er sich von ihm trennt; sie weist darüber
hinaus auf ein wiedergefundenes Gut hin: im Fall des verlorenen Sohnes die Rückkehr zur Wahrheit über
sich selbst.
Was sich im Verhältnis des Vaters zum Sohn im Gleichnis Christi ereignet, läßt sich nicht »von
außen her« werten. Unsere Vorurteile in bezug auf das Erbarmen sind größtenteils das Ergebnis einer rein
äußerlichen Wertung. Entsprechend einer solchen Wertung sehen wir manchmal im Erbarmen vor allem ein
Verhältnis der Ungleichheit zwischen dem, der es schenkt, und dem, der es empfängt. Infolgedessen sind
wir bereit, den Schluß zu ziehen, das Erbarmen demütige den, der es empfängt, es verletze die Würde des
Menschen. Das Gleichnis vom verlorenen Sohn beweist uns, daß es in Wirklichkeit anders ist: die Beziehung
des Erbarmens beruht auf der gemeinsamen Erfahrung jenes Gutes, das der Mensch ist, auf der
gemeinsamen Erfahrung der ihm eigenen Würde. Diese gemeinsame Erfahrung führt dazu, daß der
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verlorene Sohn sich und seine Taten in der vollen Wahrheit zu sehen beginnt (dieses Sehen in Wahrheit ist
echte Demut) und seinem Vater gerade dadurch besonders lieb wird, der in so leuchtender Klarheit das
Gute sieht, das dank einer geheimnisvollen Ausstrahlung der Wahrheit und der Liebe geschehen ist, daß er
alle Schandtaten des Sohnes gleichsam vergißt.
Das Gleichnis vom verlorenen Sohn bringt auf einfache, aber tiefe Weise die Wirklichkeit der
Bekehrung zum Ausdruck. Sie ist das konkreteste Zeugnis für das Wirken der Liebe und die Gegenwart des
Erbarmens in der Welt des Menschen. Die wahre und eigentliche Bedeutung von Erbarmen beschränkt sich
nicht auf den - noch so tiefgehenden und mitfühlenden - Blick auf das moralische, physische oder
materielle Übel: das Erbarmen zeigt sich wahrhaft und eigentlich, wenn es wieder aufwertet, fördert und
aus allen Formen des Übels in der Welt und im Menschen das Gute zieht. So betrachtet, stellt es den
Grundinhalt der messianischen Botschaft Christi dar und den eigentlichen Impuls seiner Mission. So wurde
es auch von seinen Jüngern und Anhängern verstanden und geübt. In ihren Herzen und in ihrem Wirken
offenbarte es sich unaufhörlich als ein besonders schöpferischer Erweis der Liebe, die »sich vom Bösen
nicht besiegen läßt, sondern das Böse durch das Gute besiegt«. Das wahre Antlitz des Erbarmens muß sich
immer neu enthüllen. Unsere Zeit bedarf seiner, trotz vielfacher Vorurteile, ganz besonders.
Umkehr; der verlorene Sohn (Johannes Paul II., Generalaudienz, 17.
Februar 1999)
1. Heute beginnt mit der ernsten Zeremonie der Segnung und Austeilung der Asche der Bußweg der
Fastenzeit. In diesem Jahr ist er besonders gekennzeichnet vom Bezug auf das göttliche Erbarmen: Wir
befinden uns nämlich im Gottvater-Jahr, das uns unmittelbar auf das Große Jubiläum des Jahres 2000
vorbereitet.
»Vater, ich habe mich […] gegen dich versündigt« (Lk 15,18). Diese Worte haben in der Fastenzeit eine
besonders ergreifende Wirkung, da es die Zeit ist, in der die kirchliche Gemeinschaft zu tiefer Bekehrung
aufgerufen ist. Wenn die Sünde den Menschen gegenüber Gott verschließt, so öffnet hingegen das
aufrichtige Bekenntnis der Sünden das Gewissen wieder für das regenerierende Wirken der göttlichen
Gnade. Tatsächlich findet der Mensch nicht wieder zur Freundschaft mit Gott, solange nicht von seinen
Lippen und aus seinem Herzen die Worte kommen: »Vater, ich habe gesündigt.« Dieses Bemühen erhält
dann Wirksamkeit durch die Heilsbegegnung, die durch den Tod und die Auferstehung Christi stattfindet.
Im österlichen Geheimnis, Herz der Kirche, erfährt der Büßende das Geschenk der Vergebung seiner Schuld
und die Freude der Wiedergeburt zu unsterblichem Leben.
2. Im Licht dieser außerordentlichen geistlichen Wirklichkeit bekommt das Gleichnis vom verlorenen Sohn,
durch das Jesus uns vom liebevollen Erbarmen des Vaters im Himmel sprechen wollte, unmittelbare
Aussagekraft. Drei Schlüsselmomente gibt es in der Geschichte dieses jungen Mannes, mit dem jeder von
uns sich identifiziert, wenn er der Versuchung erliegt und in Sünde fällt.
Erstes Moment: das Weggehen. Wir entfernen uns von Gott wie jener Sohn vom Vater, wenn wir
vergessen, daß die Güter und Talente, die wir besitzen, uns von Gott als Aufgabe gegeben sind, und sie mit
großer Leichtfertigkeit verschleudern. Sünde ist immer Vergeudung unserer Menschlichkeit, Vergeudung
von überaus kostbaren Werten wie die Personenwürde und das Erbe der göttlichen Gnade.
Zweites Moment ist der Bekehrungsprozeß. Der Mensch, der sich durch die Sünde freiwillig vom
väterlichen Haus entfernt hat, bringt durch die Erkenntnis dessen, was er verloren hat, den entscheidenden
Schritt des In-sich-Gehens zur Reife: »Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen« (Lk 15,18). Die
Gewißheit »Gott ist gut und liebt mich« ist stärker als Scham und Entmutigung: Sie erfüllt das Gefühl der
Schuld und der eigenen Unwürdigkeit mit neuem Licht.
Schließlich kommt als drittes Moment die Heimkehr. Für den Vater ist nur eines wichtig: Sein Sohn
ist heimgekehrt. Die Umarmung mit dem verlorenen Sohn wird zu einem Fest der Vergebung und der
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Freude. Ergreifend ist diese im Evangelium beschriebene Szene, die in allen Einzelheiten die Haltung des
Vaters im Himmel beschreibt, der »voll Erbarmen ist« (vgl. Eph 2,4).
3. Wie viele Menschen aller Zeiten haben in diesem Gleichnis die Grundzüge ihrer persönlichen Geschichte
wiedererkannt! Der Weg, der nach der bitteren Erfahrung der Sünde wieder zum Haus des Vaters führt,
geht durch Gewissenserforschung, Reue und den festen Vorsatz der Umkehr hindurch. Es ist ein innerer
Prozeß, der die Art, die Realität zu beurteilen, verändert, über die eigene Hinfälligkeit Gewißheit verschafft
und den Gläubigen dazu führt, sich an die Arme Gottes anzulehnen. Wenn der Mensch mit Hilfe der Gnade
in seinem geistigen Inneren diese Stationen durchläuft, wächst in ihm das lebendige Bedürfnis, sich selbst
und seine Würde als Sohn in der Umarmung des Vaters wiederzufinden.
So bringt dieses der Tradition der Kirche wichtige Gleichnis auf einfache, aber tiefe Weise die
Wirklichkeit der Bekehrung zum Ausdruck und bietet das konkreteste Zeugnis für das Wirken des
göttlichen Erbarmens in der Welt des Menschen. Die erbarmende Liebe Gottes »wertet wieder auf, fördert
und zieht aus allen Formen des Übels in der Welt und im Menschen das Gute … Sie stellt den Grundinhalt
der messianischen Botschaft Christi dar und den eigentlichen Impuls seiner Mission« (vgl. Dives in
misericordia, 6).
4. Zu Beginn der Fastenzeit ist es wichtig, daß wir unseren Geist bereit machen, in Fülle das Geschenk des
göttlichen Erbarmens zu empfangen. Das Wort Gottes ermahnt uns, uns zu bekehren und an das
Evangelium zu glauben. Die Kirche zeigt uns dafür Gebet, Buße und Fasten sowie großherzige Hilfe an den
Mitmenschen als Mittel, um uns in das Klima wahrer innerer wie auch gemeinschaftlicher Erneuerung zu
begeben. Wir dürfen auf diese Weise die überbordende Fülle der Liebe des Vaters im Himmel erfahren, die
im Ostergeheimnis der ganzen Menschheit in Fülle geschenkt ist. Man könnte sagen, daß die Fastenzeit die
Zeit eines besonderen Entgegenkommens Gottes ist, unsere Sünden zu vergeben und zu verzeihen: die Zeit
der Versöhnung. Sie ist daher eine besonders gnadenvolle Zeit, um mit Gewinn auf das Bußsakrament
zuzugehen.
Liebe Brüder und Schwestern, im Bewußtsein, daß unsere Versöhnung mit Gott durch eine wahre
Bekehrung geschieht, wollen wir den Pilgerweg der Fastenzeit gehen, indem wir den Blick fest auf Christus,
unseren einzigen Erlöser, gerichtet halten.
Die Fastenzeit möge uns helfen, daß wir in uns gehen und mutig von allem ablassen, was uns daran
hindert, dem Evangelium treu zu folgen. Wir wollen vor allem in diesen Tagen das Bild der Umarmung des
Vaters mit dem nach Hause zurückgekehrten Sohn betrachten. Es symbolisiert gut das Thema dieses
Einführungsjahres zum Großen Jubiläum des Jahres 2000. Die versöhnende Umarmung des Vaters mit der
ganzen sündigen Menschheit geschah auf Golgota. Das Kreuz, Zeichen der Liebe Christi, der sich für unser
Heil geopfert hat, möge im Herzen jedes Mannes und jeder Frau unserer Zeit eben dieses Vertrauen
wecken, das den verlorenen Sohn sagen ließ: »Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen und zu ihm
sagen: Vater, ich habe mich gegen dich versündigt!« Er erhielt Vergebung und Freude als Geschenk.
Eucharistie, Manna, Teilnahme an der himmlischen Liturgie (Johannes
Paul II., Generalaudienz, 25. Oktober 2000)
Die Eucharistie macht offen für die Zukunft Gottes
1. »In der irdischen Liturgie nehmen wir vorauskostend an jener himmlischen Liturgie teil« (Sacrosanctum
Concilium, 8; vgl. Gaudium et spes, 38). Diese klaren und bedeutungsvollen Worte des Zweiten
Vatikanischen Konzils zeigen uns eine grundlegende Dimension der Eucharistie auf: ihre Eigenschaft als
»futurae gloriae pignus«, Unterpfand der künftigen Herrlichkeit, gemäß einem schönen Ausdruck der
christlichen Tradition (vgl. Sacrosanctum Concilium, 47). Dieses Sakrament – so merkt der hl. Thomas von
Aquin an – »führt uns nicht sogleich in die Herrlichkeit ein, sondern gibt uns die Kraft, zur Herrlichkeit zu
gelangen. Darum heißt es Wegzehrung« (Summa Th., III, 79, 2, zu 1). Die Gemeinschaft mit Christus, die wir
im Heute als Pilger und Wanderer auf den Straßen der Geschichte erleben, nimmt die höchste Begegnung
7
jenes Tages vorweg, an dem »wir ihm ähnlich sein werden […] denn wir werden ihn sehen, wie er ist« (1
Joh 3,2). Elija, der sich auf seinem Weg durch die Wüste kraftlos unter einem Ginsterstrauch niederließ und
von einem geheimnisvollen Brot gestärkt wurde, damit er den Gipfel der Gottesbegegnung erreichen
konnte (vgl. 1 Kön 19,1–8), ist ein traditionsreiches Symbol für den Weg der Gläubigen, die im
eucharistischen Brot die nötige Kraft finden, um auf das strahlende Ziel der Heiligen Stadt zuzugehen.
2. Dies ist auch der tiefe Sinn des Manna, das Gott in den Steppen des Sinai zum Mahle reicht: die »Speise
der Engel«, die jeden Genuß gewährt und jedem Geschmack entspricht und die Gottes zärtliche Liebe zu
seinen Kindern offenbart (vgl. Weish 16,20–21). Christus selbst wird auf die spirituelle Bedeutung der
Ereignisse des Exodus hinweisen. Er läßt uns in der Eucharistie den zweifachen Geschmack als Speise des
Pilgers und Speise der messianischen Fülle in der Ewigkeit kosten (vgl. Jes 25,6). In Anlehnung an einen
Ausdruck, der der jüdischen Sabbatliturgie gewidmet ist, können wir die Eucharistie als einen
»Vorgeschmack auf die Ewigkeit in der Zeit« bezeichnen (vgl. A. J. Heschel). Ebenso wie Christus im Fleisch
lebte und hierbei dennoch seine Herrlichkeit als Sohn Gottes beibehielt, ist die Eucharistie göttliche und
transzendente Gegenwart, Gemeinschaft mit dem Ewigen und Zeichen des »Ineinanders des irdischen und
himmlischen Gemeinwesens« (Gaudium et spes, 40). Die Eucharistie, als Erinnerung an das Pascha Christi,
überbringt ihrem Wesen nach das Ewige und Unendliche in die Menschheitsgeschichte.
3. Verdeutlicht wird dieser Aspekt, demzufolge die Eucharistie für die Zukunft Gottes offen macht –
obgleich sie in der gegenwärtigen Wirklichkeit verankert bleibt – durch die Worte, die Jesus beim Letzten
Abendmahl über den Kelch mit Wein spricht (vgl. Lk 22,20; 1 Kor 11,25). Markus und Matthäus verweisen
mit den gleichen Worten auf den Bund im Opferblut am Sinai (vgl. Mk 14,24; Mt 26,28; Ex 24,8). Lukas und
Paulus hingegen bekunden die Erfüllung des »neuen Bundes«, den der Prophet Jeremia angekündigt hatte:
»Seht, es werden Tage kommen – Spruch des Herrn –, in denen ich mit dem Haus Israel und dem Haus Juda
einen neuen Bund schließen werde, nicht wie der Bund war, den ich mit ihren Vätern geschlossen habe, als
ich sie bei der Hand nahm, um sie aus Ägypten herauszuführen« (31,31–32). Und Jesus erklärt: »Dieser
Kelch ist der neue Bund in meinem Blut«. Der Begriff »neu« steht im Sprachgebrauch der Bibel
üblicherweise für Fortschritt und endgültige Vollkommenheit.
Wiederum sind es Lukas und Paulus, die betonen, daß die Eucharistie eine Vorwegnahme jenes glorreichen
Lichthorizontes ist, der für das Reich Gottes bezeichnend ist. Vor dem Letzten Abendmahl hatte Jesus
gesagt: »Ich habe mich sehr danach gesehnt, vor meinem Leiden dieses Paschamahl mit euch zu essen.
Denn ich sage euch: Ich werde es nicht mehr essen, bis das Mahl seine Erfüllung findet im Reich Gottes.
Und er nahm den Kelch, sprach das Dankgebet und sagte: Nehmt den Wein, und verteilt ihn untereinander!
Denn ich sage euch: von nun an werde ich nicht mehr von der Frucht des Weinstocks trinken, bis das Reich
Gottes kommt« (Lk 22,15–18). Auch Paulus erinnert ausdrücklich daran, daß das eucharistische Mahl auf
das endgültige Kommen des Herrn hinzielt: »Denn sooft ihr von diesem Brot eßt und aus diesem Kelch
trinkt, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er kommt« (1 Kor 11,26).
4. Johannes, der vierte Evangelist, rühmt diese Ausrichtung der Eucharistie auf die Fülle des Reiches Gottes
in der berühmten Rede über das »Lebensbrot«, die Jesus in der Synagoge von Kafarnaum hält. Das Symbol,
das er als biblischen Bezugspunkt gewählt hat, ist das bereits erwähnte Manna, das Gott dem in der Wüste
pilgernden Volk Israel reicht. Im Zusammenhang mit der Eucharistie erklärt Jesus feierlich: »Wer von
diesem Brot ißt, wird in Ewigkeit leben […] Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben,
und ich werde ihn auferwecken am Letzten Tag […] Dies ist das Brot, das vom Himmel herabgekommen ist.
Mit ihm ist es nicht wie mit dem Brot, das die Väter gegessen haben; sie sind gestorben. Wer aber dieses
Brot ißt, wird leben in Ewigkeit« (Joh 6,51.54.58). In der Sprache des vierten Evangeliums ist das »ewige
Leben« das göttliche Leben selbst, das die Grenzen der Zeit übersteigt. Die Eucharistie ist Gemeinschaft mit
Christus und daher Teilnahme am Leben Gottes, das ewig ist und den Tod überwindet. Deshalb sagt Jesus:
»Es ist aber der Wille dessen, der mich gesandt hat, daß ich keinen von denen, die er mir gegeben hat,
zugrunde gehen lasse, sondern daß ich sie auferwecke am Letzten Tag. Denn es ist der Wille meines Vaters,
daß alle, die den Sohn sehen und an ihn glauben, das ewige Leben haben, und daß ich sie auferwecke am
Letzten Tag« (Joh 6,39–40).
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5. In diesem Licht betrachtet ist – wie Sergej Bulgakov, ein russischer Theologe, es eindrucksvoll formulierte
– »die Liturgie der Himmel auf Erden«. Daher habe ich im Apostolischen Schreiben Dies Domini die Worte
Pauls VI. aufgreifen wollen und die Christen ermahnt, »diese Begegnung, dieses Festmahl [nicht zu]
vernachlässigen, das uns Jesus in seiner Liebe bereitet. Die Vorbereitung soll jedesmal entsprechend würdig
und festlich sein! Es ist der gekreuzigte und auferstandene Christus, der durch die Reihen seiner Jünger
geht, um sie mit sich in die Erneuerung seiner Auferstehung zu führen. Es ist hier auf Erden der Höhepunkt
des Liebesbundes zwischen Gott und seinem Volk: Zeichen und Quelle der christlichen Freude und
Vorbereitung auf das ewige Fest« (Nr. 58; vgl. Gaudete in Domino, Schluß).
Barmherzige Liebe Gottes (Johannes Paul II., Predigt, 21. März 2004)
1. »Wenn also jemand in Christus ist, dann ist er eine neue Schöpfung« (2 Kor 5,17). Mit diesen Worten
des Apostels Paulus läßt sich sehr treffend die Botschaft des heutigen Gottesdienstes mit Seligsprechungen
zusammenfassen. Sie paßt gut zum sogenannten Sonntag »Laetare«, der auf halber Strecke des Weges der
Fastenzeit liegt.
Die Zweite Lesung und das Evangelium bilden gleichsam eine zweistimmige Lobeshymne auf die Liebe
Gottes, des barmherzigen Vaters (vgl. Lk 15,11–32), der uns in Christus versöhnt hat (vgl. 2 Kor 5,17–21).
Eine Hymne, die zum eindringlichen Aufruf wird: »Laßt euch mit Gott versöhnen!« (2 Kor 5,20).
Diese Aufforderung gründet in der Gewißheit, daß der Herr uns liebt. Weil er die Israeliten liebte, führte er
sie nach dem langen Weg des Exodus ins Land Kanaan. Davon haben wir in der Ersten Lesung gehört, die
von tiefer Sehnsucht erfüllt ist. Das Pascha, das sie »am Abend […] in den Steppen von Jericho« feierten
(Jos 5,10), und die ersten drei Monate, die sie im Gelobten Land verbrachten, werden für uns zum
aussagekräftigen Symbol der Treue Gottes, der dem auserwählten Volk nach der traurigen Erfahrung der
Sklaverei seinen Frieden schenkt.
…
Manna, Eucharistie, Liebe Gottes (Benedikt XVI., Enzyklika Deus caritas
est, 25. Dezember 2005)
12. Haben wir bisher überwiegend vom Alten Testament gesprochen, so ist doch immer schon die innere
Durchdringung der beiden Testamente als der einen Schrift des christlichen Glaubens sichtbar geworden.
Das eigentlich Neue des Neuen Testaments sind nicht neue Ideen, sondern die Gestalt Christi selber, der
den Gedanken Fleisch und Blut, einen unerhörten Realismus gibt. Schon im Alten Testament besteht das
biblisch Neue nicht einfach in Gedanken, sondern in dem unerwarteten und in gewisser Hinsicht
unerhörten Handeln Gottes. Dieses Handeln Gottes nimmt seine dramatische Form nun darin an, daß Gott
in Jesus Christus selbst dem ,,verlorenen Schaf’’, der leidenden und verlorenen Menschheit, nachgeht.
Wenn Jesus in seinen Gleichnissen von dem Hirten spricht, der dem verlorenen Schaf nachgeht, von der
Frau, die die Drachme sucht, von dem Vater, der auf den verlorenen Sohn zugeht und ihn umarmt, dann
sind dies alles nicht nur Worte, sondern Auslegungen seines eigenen Seins und Tuns. In seinem Tod am
Kreuz vollzieht sich jene Wende Gottes gegen sich selbst, in der er sich verschenkt, um den Menschen
wieder aufzuheben und zu retten — Liebe in ihrer radikalsten Form. Der Blick auf die durchbohrte Seite
Jesu, von dem Johannes spricht (vgl. 19, 37), begreift, was Ausgangspunkt dieses Schreibens war: ,,Gott ist
Liebe’’ (1 Joh 4, 8). Dort kann diese Wahrheit angeschaut werden.
Und von dort her ist nun zu definieren, was Liebe ist. Von diesem Blick her findet der Christ den Weg seines
Lebens und Liebens.
13. Diesem Akt der Hingabe hat Jesus bleibende Gegenwart verliehen durch die Einsetzung der Eucharistie
während des Letzten Abendmahles. Er antizipiert seinen Tod und seine Auferstehung, indem er schon in
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jener Stunde den Jüngern in Brot und Wein sich selbst gibt, seinen Leib und sein Blut als das neue Manna
(vgl. Joh 6, 31-33). Wenn die antike Welt davon geträumt hatte, daß letztlich die eigentliche Nahrung des
Menschen — das, wovon er als Mensch lebt — der Logos, die ewige Vernunft sei: Nun ist dieser Logos
wirklich Speise für uns geworden — als Liebe. Die Eucharistie zieht uns in den Hingabeakt Jesu hinein. Wir
empfangen nicht nur statisch den inkarnierten Logos, sondern werden in die Dynamik seiner Hingabe
hineingenommen. Das Bild von der Ehe zwischen Gott und Israel wird in einer zuvor nicht auszudenkenden
Weise Wirklichkeit: Aus dem Gegenüber zu Gott wird durch die Gemeinschaft mit der Hingabe Jesu
Gemeinschaft mit seinem Leib und Blut, wird Vereinigung: Die ,,Mystik’’ des Sakraments, die auf dem
Abstieg Gottes zu uns beruht, reicht weiter und führt höher, als jede mystische Aufstiegsbegegnung des
Menschen reichen könnte.
Heiliger Geist: Leben und Freiheit (Benedikt XVI., Predigt, Pfingstvigil, 3.
Juni 2006)
Jetzt, in dieser Pfingstvigil, fragen wir uns: Wer oder was ist der Heilige Geist? Wie können wir ihn
erkennen? Auf welche Weise gehen wir zu ihm und kommt er zu uns? Was wirkt er? Eine erste Antwort gibt
uns der Pfingsthymnus, mit dem wir die Vesper begonnen haben: »Veni, Creator Spiritus … – Komm,
Schöpfergeist …«. Der Hymnus spielt hier auf die ersten Verse der Bibel an, die in bildlicher Sprache die
Schöpfung des Universums zum Ausdruck bringen. Dort heißt es zunächst, daß über dem Chaos, über der
Urflut, Gottes Geist schwebte. Die Welt, in der wir leben, ist das Werk des Schöpfergeistes. Pfingsten ist
nicht nur der Ursprung der Kirche und somit auf besondere Weise das Fest der Kirche; Pfingsten ist auch ein
Fest der Schöpfung. Die Welt existiert nicht von allein; sie kommt aus Gottes Schöpfergeist, aus Gottes
Schöpferwort. Und daher spiegelt sie auch Gottes Weisheit wider. Diese läßt in ihrer Größe und in der
allumfassenden Logik ihrer Gesetze etwas von Gottes Schöpfergeist erahnen. Sie ruft uns zur Ehrfurcht auf.
Gerade derjenige, der als Christ an den Schöpfergeist glaubt, wird sich der Tatsache bewußt, daß wir die
Welt und die Materie nicht als bloßes Material mißbrauchen dürfen, mit dem wir tun können, was wir
wollen, sondern daß wir die Schöpfung als ein Geschenk betrachten müssen, das uns nicht anvertraut
wurde, damit wir es zerstören, sondern damit es zum Garten Gottes und somit zum Garten des Menschen
werde. Angesichts des vielgestaltigen Mißbrauchs der Erde, den wir heute vor Augen haben, hören wir fast
das Seufzen der Schöpfung, von dem der hl. Paulus spricht (Röm 8,22), und beginnen, die Worte dieses
Apostels zu verstehen, der sagt, daß die ganze Schöpfung sehnsüchtig auf das Offenbarwerden der Söhne
Gottes wartet, um befreit zu werden und ihre Herrlichkeit zu erlangen. Liebe Freunde, wir wollen diese
Söhne Gottes sein, auf die die Schöpfung wartet, und wir können es sein, weil der Herr uns in der Taufe zu
solchen gemacht hat. Ja, die Schöpfung und die Geschichte – sie warten auf uns, warten auf Männer und
Frauen, die wirklich Kinder Gottes sind und sich entsprechend verhalten. Wenn wir auf die Geschichte
blicken, dann sehen wir, wie im Umfeld der Klöster die Schöpfung gedeihen konnte, wie mit dem
Wiedererwachen des Geistes Gottes in den Herzen der Menschen der Glanz des Schöpfergeistes auch auf
die Erde zurückkehrte – eine Herrlichkeit, die von der Barbarei menschlicher Machtgier verdunkelt und
manchmal sogar fast ausgelöscht worden war. Und dann geschieht im Umfeld des Franz von Assisi dasselbe
noch einmal – es geschieht überall dort, wo Gottes Geist die Seelen erreicht, dieser Geist, den unser
Hymnus als Licht, Liebe und Kraft bezeichnet. So haben wir eine erste Antwort gefunden auf die Frage, was
der Heilige Geist ist, was er wirkt und wie wir ihn erkennen können. Er kommt uns entgegen durch die
Schöpfung und ihre Schönheit. Die gute Schöpfung Gottes ist jedoch im Laufe der Menschheitsgeschichte
von einer dicken Schmutzschicht bedeckt worden, die es unmöglich oder zumindest schwierig macht, in ihr
den Abglanz des Schöpfers zu erkennen – auch wenn bei einem Sonnenuntergang am Meer, auf einer
Bergwanderung oder vor einer blühenden Blume in uns immer wieder, fast wie von selbst, das Bewußtsein
der Existenz des Schöpfers erwacht.
Aber der Schöpfergeist kommt uns zu Hilfe. Er ist in die Geschichte eingetreten und spricht so auf neue
Weise zu uns. In Jesus Christus ist Gott Mensch geworden und hat uns sozusagen gestattet, einen Blick in
das Innere Gottes zu werfen. Und dort sehen wir etwas völlig Unerwartetes: In Gott gibt es ein Ich und ein
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Du. Der geheimnisvolle Gott ist keine unendliche Einsamkeit; er ist ein Ereignis der Liebe. Wenn wir beim
Anblick der Schöpfung glauben, den Schöpfergeist, Gott selbst, erahnen zu können, beinahe als
schöpferische Mathematik, als Macht, die die Gesetze der Welt und ihre Ordnung formt und dann
wiederum auch als Schönheit – dann erfahren wir jetzt: Der Schöpfergeist hat ein Herz. Er ist die Liebe. Es
gibt den Sohn, der mit dem Vater spricht. Und beide sind eins im Geist, der sozusagen die Atmosphäre des
Schenkens und des Liebens ist, das aus ihnen einen einzigen Gott macht. Diese Einheit der Liebe, die Gott
ist, ist eine viel erhabenere Einheit als es die Einheit eines kleinsten nicht mehr teilbaren Teilchens sein
könnte. Gerade der dreieinige Gott ist der einzige eine Gott.
Durch Jesus werfen wir sozusagen einen Blick in das Innere Gottes. Johannes hat es in seinem Evangelium
so ausgedrückt: »Niemand hat Gott je gesehen. Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er
hat Kunde gebracht« (Joh 1,18). Aber Jesus hat uns nicht nur in das Innere Gottes blicken lassen; mit ihm ist
Gott auch gewissermaßen aus seinem Inneren heraus- und uns entgegengekommen. Dies geschieht vor
allem in seinem Leben und Leiden, in seinem Tod und seiner Auferstehung, in seinem Wort. Aber Jesus
begnügt sich nicht damit, uns entgegenzukommen. Er will mehr. Er will Einswerdung. Das ist die Bedeutung
der Bilder vom Festmahl und von der Hochzeit. Wir müssen nicht nur etwas von ihm wissen, sondern durch
ihn müssen wir in Gott hineingezogen werden. Dafür muß er sterben und auferstehen. Denn jetzt befindet
stimmten Ort, sondern sein Geist, der Heilige Geist, strömt nunmehr von ihm aus und dringt in unsere
Herzen ein. So vereint er uns mit Jesus und mit dem Vater – mit dem dreieinigen Gott.
Das ist Pfingsten: Jesus, und durch ihn Gott selbst, kommt zu uns und zieht uns in sich hinein. »Er sendet
den Heiligen Geist« – so drückt es die Heilige Schrift aus. Welche Wirkung hat dies? Ich möchte vor allem
zwei Aspekte hervorheben: Der Heilige Geist, durch den Gott zu uns kommt, bringt uns Leben und Freiheit.
Sehen wir uns beide Dinge etwas genauer an. »Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in
Fülle haben«, sagt Jesus im Johannesevangelium (10,10). Leben und Freiheit – das ist das, wonach wir alle
uns sehnen. Aber was ist das – wo und wie finden wir das »Leben«? Ich glaube, daß die allermeisten
Menschen spontan dieselbe Lebensauffassung haben wie der verlorene Sohn im Evangelium. Er hatte sich
sein Erbteil ausbezahlen lassen, und jetzt fühlte er sich frei, wollte endlich ohne die Last der häuslichen
Pflichten leben, er wollte nur leben, all das vom Leben haben, was dieses bieten konnte: es aus vollen
Zügen genießen – leben, nur leben, aus der Fülle des Lebens schöpfen und nichts von dem verpassen, was es
Wertvolles anzubieten hatte. Am Ende fand er sich als Schweinehirt wieder und beneidete sogar diese Tiere
– so leer und nichtssagend war sein Leben geworden. Und als nichtssagend entpuppte sich auch seine
Freiheit. Geschieht das vielleicht nicht auch heute? Wenn man das Leben nur an sich reißen will, dann wird
es immer leerer, immer ärmer; schließlich sucht man leicht Zuflucht in den Drogen, in der großen Illusion.
Und Zweifel kommen auf, ob es letztendlich wirklich gut ist zu leben. Nein, auf diese Weise finden wir das
Leben nicht. Das Wort Jesu über das Leben in Fülle findet sich in der Rede vom Guten Hirten. Es ist ein
Wort, das in einem zweifachen Zusammenhang steht. Über den Hirten sagt Jesus, daß er sein Leben
hingibt: »Niemand entreißt es mir, sondern ich gebe es aus freiem Willen hin« (Joh 10,18). Das Leben findet
man nur, wenn man es hingibt; man findet es nicht, wenn man es an sich reißen will. Das müssen wir von
Christus lernen; und das lehrt uns der Heilige Geist, der reines Geschenk ist, der die Hingabe Gottes ist. Je
mehr man sein Leben für die anderen, für das Gute, hingibt, desto voller strömt der Fluß des Lebens.
Als zweites sagt uns der Herr, daß das Leben hervortritt, wenn man zusammen mit dem Hirten geht, der die
Weide kennt – die Orte, an denen die Quellen des Lebens entspringen. Das Leben finden wir in
Gemeinschaft mit demjenigen, der selbst das Leben ist – in Gemeinschaft mit dem lebendigen Gott, einer
Gemeinschaft, in die uns der Heilige Geist einführt, der im Vesperhymnus »fons vivus«, lebendige Quelle,
genannt wird. Die Weide, auf der die Quellen des Lebens strömen, ist das Wort Gottes, wie wir es in der
Heiligen Schrift finden, im Glauben der Kirche. Die Weide ist Gott selbst. In der Gemeinschaft des Glaubens
lernen wir, ihn durch die Kraft des Heiligen Geistes zu erkennen.
Liebe Freunde, die Bewegungen sind aus dem Durst nach dem wahren Leben entstanden; sie sind in jeder
Hinsicht Bewegungen für das Leben. Wo die wahre Quelle des Lebens nicht mehr strömt, wo man das Leben
nur an sich reißt, anstatt es hinzugeben, dort ist auch das Leben der anderen in Gefahr; dort ist man bereit,
das schutzlose, noch ungeborene Leben auszuschließen, weil es dem eigenen Leben Raum zu nehmen
scheint. Wenn wir das Leben schützen wollen, dann müssen wir vor allem die Quelle des Lebens
wiederfinden; dann muß das Leben selbst in seiner ganzen Schönheit und Erhabenheit wieder zum
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Vorschein kommen; dann müssen wir uns beleben lassen vom Heiligen Geist, der schöpferischen Quelle des
Lebens.
Das Thema der Freiheit ist eben bereits erwähnt worden. Im Aufbruch des verlorenen Sohnes verbinden
sich die Themen des Lebens und der Freiheit miteinander. Er will das Leben, und darum will er vollkommen
frei sein. Frei zu sein bedeutet in dieser Sichtweise, alles tun zu können, was man will, kein Kriterium außerund oberhalb von mir selbst gelten zu lassen, nur meinem Wunsch und meinem Willen zu folgen. Wer so
lebt, wird bald mit demjenigen zusammenstoßen, der auf dieselbe Weise leben will. Die notwendige Folge
dieses egoistischen Freiheitsbegriffes ist die Gewalt, die gegenseitige Zerstörung der Freiheit und des
Lebens. Die Heilige Schrift dagegen verbindet den Freiheitsbegriff mit dem der Kindschaft. Der hl. Paulus
sagt: »Denn ihr habt nicht einen Geist empfangen, der euch zu Sklaven macht, so daß ihr euch immer noch
fürchten müßtet, sondern ihr habt den Geist empfangen, der euch zu Söhnen macht, den Geist, in dem wir
rufen: Abba, Vater!« (Röm 8,15). Was bedeutet das? Der hl. Paulus setzt das Gesellschaftssystem der Antike
voraus, in dem es Sklaven gab, denen nichts gehörte und die daher nicht interessiert waren am richtigen
Ablauf der Dinge. Auf der anderen Seite standen die Söhne, die gleichzeitig Erben waren und daher für den
Erhalt und die gute Verwaltung ihres Besitzes oder für den Erhalt des Staates sorgten. Da sie frei waren,
besaßen sie auch eine Verantwortung. Wenn man vom soziologischen Hintergrund jener Zeit einmal
absieht, gilt noch immer der Grundsatz: Freiheit und Verantwortung gehören zusammen. Die wahre
Freiheit zeigt sich in der Verantwortung, in einer Handlungsweise, die Mitverantwortung trägt für die Welt,
für sich selbst und für die anderen. Frei ist der Sohn, dem die Dinge gehören und der daher nicht zuläßt, daß
sie zerstört werden. Alle weltlichen Verantwortlichkeiten, von denen wir gesprochen haben, sind jedoch nur
Teilverantwortlichkeiten, die einen bestimmten Bereich, einen bestimmten Staat usw. betreffen. Der
Heilige Geist dagegen macht uns zu Söhnen und Töchtern Gottes. Er bezieht uns ein in die
Verantwortlichkeit Gottes selbst für seine Welt, für die gesamte Menschheit. Er lehrt uns, die Welt, den
Nächsten und uns selbst mit den Augen Gottes zu betrachten. Wir tun das Gute nicht wie Sklaven, die nicht
die Freiheit haben, anders zu handeln, sondern wir tun es, weil wir persönliche Verantwortung für die Welt
tragen, weil wir die Wahrheit und das Gute lieben, weil wir Gott lieben und daher auch seine Geschöpfe. Das
ist die wahre Freiheit, zu der der Heilige Geist uns führen will.
Die kirchlichen Bewegungen wollen und müssen Schulen der Freiheit sein, dieser wahren Freiheit. Dort
wollen wir diese wahre Freiheit erlernen, nicht die der Sklaven, die darauf abzielt, für sich selbst ein Stück
vom Kuchen abzuschneiden, der allen gehört, auch wenn dieses Stück anderen dann fehlt. Wir wünschen
uns die wahre und große Freiheit, diejenige der Erben, die Freiheit der Kinder Gottes. In dieser Welt, die so
voll ist von scheinbaren Freiheiten, die die Umwelt und den Menschen zerstören, wollen wir in der Kraft
des Heiligen Geistes zusammen die wahre Freiheit erlernen, Schulen der Freiheit errichten, den anderen
durch unser Leben zeigen, daß wir frei sind, und wie schön es ist, wirklich frei zu sein in der wahren Freiheit
der Kinder Gottes.
Indem der Heilige Geist Leben und Freiheit schenkt, schenkt er auch Einheit. Diese drei Gaben sind
voneinander untrennbar. Ich habe bereits zu lange gesprochen; gestattet mir jedoch, noch kurz ein Wort
zur Einheit zu sagen. Um diese zu verstehen, kann uns ein Satz zur Hilfe kommen, der uns auf den ersten
Blick eher von ihr zu entfernen scheint. Jesus sagt zu Nikodemus, der auf seiner Suche nach der Wahrheit in
der Nacht mit seinen Fragen zu ihm kommt: »Der Geist weht, wo er will« (vgl. Joh 3,8). Aber der Wille des
Geistes ist keine Willkür. Er ist der Wille der Wahrheit und des Guten. Daher weht er nicht irgendwoher und
dreht sich mal hierhin und mal dorthin; sein Wehen zerstreut uns nicht, sondern es sammelt uns, weil die
Wahrheit vereint und die Liebe vereint. Der Heilige Geist ist der Geist Jesu Christi, der Geist, der den Vater
mit dem Sohn in der Liebe vereint, die er im einzigen Gott schenkt und empfängt. Er vereint uns so sehr,
daß der hl. Paulus einmal sagen konnte: »Ihr alle seid ›einer‹ in Christus Jesus« (Gal3,28). Der Heilige Geist
treibt uns mit seinem Wehen zu Christus. Der Heilige Geist wirkt leibhaft; er wirkt nicht nur subjektiv, nicht
nur »geistlich«. Zu den Jüngern, die ihn nur für einen »Geist« hielten, sagte der auferstandene Christus:
»Ich bin es selbst. Faßt mich doch an und begreift: Kein Geist – kein Gespenst – hat Fleisch und Knochen,
wie ihr es bei mir seht« (vgl. Lk 24,39). Das gilt für den auferstandenen Christus in jedem Zeitabschnitt der
Geschichte. Der auferstandene Christus ist kein Gespenst, er ist nicht nur ein Geist, ein Gedanke, eine Idee.
Er ist der Fleischgewordene geblieben – derjenige, der unser Fleisch angenommen hat, ist auferstanden –
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und er baut immer weiter seinen Leib auf, macht uns zu seinem Leib. Der Geist weht, wo er will, und sein
Wille ist die Einheit, die zum Leib geworden ist, die Einheit, die der Welt begegnet und sie verändert.
Im Epheserbrief sagt uns der hl. Paulus, daß dieser Leib Christi, der die Kirche ist, Gelenke hat (vgl. 4,16),
und er benennt sie auch: Es sind Apostel, Propheten, Evangelisten, Hirten und Lehrer (vgl. 4,11). Der Geist
ist vielgestaltig in seinen Gaben – das sehen wir hier. Wenn wir auf die Geschichte blicken, wenn wir auf
diese Versammlung hier auf dem Petersplatz blicken – dann werden wir gewahr, daß er immer neue Gaben
hervorruft, dann sehen wir, wie verschieden die Organe sind, die er schafft, und daß er immer wieder von
neuem leibhaft wirkt. Aber in ihm gehören Vielfalt und Einheit zusammen. Er weht, wo er will. Er tut dies
auf unerwartete Weise, an unerwarteten Orten und in Formen, an die man vorher nie gedacht hat. Und mit
welcher Vielfalt und Leibhaftigkeit tut er dies! Und auch hier sind Vielfalt und Einheit voneinander
untrennbar. Er will eure Vielfalt, und er will euch als den einen Leib, vereint mit den dauerhaften
Ordnungen – den Gelenken – der Kirche, mit den Nachfolgern der Apostel und mit dem Nachfolger des hl.
Petrus. Er entbindet uns nicht von der Mühe, zu lernen, wie wir miteinander umgehen sollen; aber er zeigt
uns auch, daß er im Hinblick auf den einen Leib und in der Einheit des einen Leibes wirkt. Und nur so
bekommt die Einheit ihre Kraft und ihre Schönheit. Beteiligt euch am Aufbau des einen Leibes! Die Hirten
werden achtgeben, den Geist nicht auszulöschen (vgl. 1Thess 5,19), und ihr werdet nicht aufhören, eure
Gaben der ganzen Gemeinschaft zu bringen. Noch einmal: Der Heilige Geist weht, wo er will. Aber sein Wille
ist die Einheit. Er führt uns zu Christus, in seinen Leib. Durch Christus – sagt der hl. Paulus – »wird der ganze
Leib zusammengefügt und gefestigt in jedem einzelnen Gelenk. Jedes trägt mit der Kraft, die ihm
zugemessen ist. So wächst der Leib und wird in Liebe aufgebaut« (Eph 4,16).
Der Heilige Geist will die Einheit, er will die Ganzheit. Daher zeigt sich seine Gegenwart letztendlich auch im
missionarischen Eifer. Wer im eigenen Leben etwas Wahres, Schönes und Gutes gefunden hat – den
einzigen wahren Schatz, die wertvolle Perle! –, der sich schnell aufmacht, um es mit allen Menschen zu
teilen, in der Familie und am Arbeitsplatz, in allen Bereichen seines Lebens. Er tut dies ohne jede Furcht,
weil er weiß, daß er zum Sohn gemacht worden ist, ohne jede Anmaßung, weil alles ein Geschenk ist, ohne
Mutlosigkeit, weil der Geist Gottes seinem Handeln vorausgeht in den »Herzen« der Menschen und als
Samenkorn in den unterschiedlichsten Kulturen und Religionen. Er tut dies ohne Grenzen, weil er Bote
einer guten Nachricht für alle Menschen und Völker ist.
Liebe Freunde, ich bitte euch, in noch stärkerem, noch viel stärkerem Umfang Mitarbeiter zu sein am
universalen apostolischen Dienst des Papstes, indem ihr Christus die Türen öffnet. Das ist der beste Dienst
der Kirche an den Menschen und besonders an den Armen, damit das Leben des einzelnen, eine gerechtere
Sozialordnung und das friedliche Zusammenleben der Nationen in Christus den »Eckstein« finden mögen,
auf dem die wahre Zivilisation, die Zivilisation der Liebe, gebaut werden kann. Der Heilige Geist schenkt den
Gläubigen eine höhere Sichtweise von der Welt, vom Leben und von der Geschichte und macht sie zu
Hütern der Hoffnung, die nicht zugrunde gehen läßt.
Bitten wir also Gottvater durch unseren Herrn Jesus Christus in der Gnade des Heiligen Geistes, daß die
Feier des Hochfestes Pfingsten wie ein loderndes Feuer und wie ein heftiger Sturm für das christliche Leben
und für die Sendung der ganzen Kirche sein möge. Ich vertraue die Anliegen eurer Bewegungen und
Gemeinschaften dem Herzen der allerseligsten Jungfrau Maria an, die mit den Aposteln im Abendmahlssaal
anwesend war: Sie möge ihre konkrete Umsetzung erbitten. Auf euch alle rufe ich die Ausgießung der
Gaben des Heiligen Geistes herab, damit auch unsere Zeit ein neues Pfingsten erfahren kann. Amen!
Laetare, Quelle der Freude: Eucharistie; Sacramentum caritatis (Benedikt
XVI., Angelus, 18. März 2007)
Soeben bin ich aus der Jugendstrafvollzugsanstalt »Casal del Marmo« in Rom zurückgekehrt, der ich am
heutigen 4. Fastensonntag einen Besuch abgestattet habe. Dieser Sonntag heißt auf lateinisch »Laetare«,
also »Freue dich«, wie die Anfangsworte des Eröffnungsverses in der Meßliturgie lauten. Heute lädt uns die
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Liturgie zur Freude ein, denn es naht das Osterfest, der Tag von Christi Sieg über Sünde und Tod. Wo aber
liegt die Quelle der christlichen Freude, wenn nicht in der Eucharistie, die Christus uns als geistliche
Nahrung hinterlassen hat, während wir als Pilger auf dieser Erde unterwegs sind? In den Gläubigen aller
Zeiten nährt die Eucharistie jene tiefe Freude, die eins ist mit der Liebe und dem Frieden und die ihren
Ursprung in der Gemeinschaft mit Gott und mit den Brüdern und Schwestern hat.
Am vergangenen Dienstag wurde das Nachsynodale Apostolische Schreiben Sacramentum caritatis
vorgestellt; sein Thema ist die Eucharistie, Quelle und Höhepunkt des Lebens und der Sendung der Kirche.
Ich habe es erarbeitet auf der Grundlage der Ergebnisse der XI. Vollversammlung der Bischofssynode, die
im Oktober 2005 im Vatikan stattgefunden hat. Es ist meine Absicht, bei anderer Gelegenheit auf diesen
wichtigen Text zurückzukommen; schon jetzt möchte ich aber hervorheben, daß er ein Bekenntnis des
Glaubens der Universalkirche an das eucharistische Geheimnis darstellt und an das Zweite Vatikanische
Konzil sowie an das Lehramt meiner verehrten Vorgänger Paul VI. und Johannes Paul II. anknüpft. In diesem
Dokument habe ich unter anderem seine besondere Beziehung zur Enzyklika Deus caritas est herausstellen
wollen: Aus diesem Grund wählte ich den Titel Sacramentum caritatis; es handelt sich um eine schöne
Definition der Eucharistie vom hl. Thomas von Aquin (vgl. Summa Th. III, q. 73, a. 3, ad 3), »Sakrament der
Liebe«. Ja, in der Eucharistie hat Christus uns seine Liebe schenken wollen, die ihn dazu geführt hat, sein
Leben am Kreuz für uns hinzugeben. Beim Letzten Abendmahl, als er den Jüngern die Füße wusch,
hinterließ uns Jesus das Gebot der Liebe: »Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben« (Joh
13,34). Da dies aber nur dann möglich ist, wenn wir mit ihm vereint bleiben, wie die Reben mit dem
Weinstock (vgl. Joh 15,1–8), hat Er beschlossen, durch die Eucharistie persönlich bei uns zu bleiben, damit
wir in Ihm bleiben können. Wenn wir uns also gläubig von seinem Leib und seinem Blut nähren, geht seine
Liebe auf uns über und macht uns unsererseits fähig, das Leben für die Brüder und Schwestern hinzugeben
(vgl. 1 Joh 3,16) und es nicht für uns allein zu beanspruchen. Daraus entspringt die christliche Freude, die
Freude der Liebe und des Geliebtwerdens.
Die »eucharistische Frau« schlechthin ist Maria, das Meisterwerk der Gnade Gottes: Die Liebe Gottes
machte sie untadelig »vor Gott in der Liebe« (vgl. Eph 1,4). Ihr zur Seite hat der Herr den hl. Josef als
Beschützer des Heilands gestellt, und morgen werden wir seinen liturgischen Festtag feiern. Diesen großen
Heiligen, meinen Namenspatron, rufe ich ganz besonders an, damit das Volk Gottes, wenn es das
eucharistische Geheimnis gläubig feiert und lebt, von der Liebe Christi durchdrungen werde und deren
Früchte der Freude und des Friedens unter der ganzen Menschheit verbreite.
Gott ist barmherzige Liebe (Benedikt XVI., Angelus, 16. September 2007)
Heute legt uns die Liturgie das 15. Kapitel des Lukasevangeliums zur Betrachtung vor: einen der
erhabensten und ergreifendsten Abschnitte der ganzen Heiligen Schrift. Mit Freude denken wir daran, daß
in der ganzen Welt, wo auch immer sich die christliche Gemeinde versammelt, um die sonntägliche
Eucharistie zu feiern, an diesem Tag diese Frohe Botschaft der Wahrheit und des Heils erklingt: Gott ist
barmherzige Liebe. Der Evangelist Lukas hat in diesem Kapitel drei Gleichnisse über die göttliche
Barmherzigkeit gesammelt: die beiden kürzeren, die er mit Matthäus und Markus gemeinsam hat, sind die
Gleichnisse vom verlorenen Schaf und von der verlorenen Drachme; das dritte, lange, ausführliche
Gleichnis, das sich nur bei ihm findet, ist das berühmte Gleichnis vom barmherzigen Vater, das gewöhnlich
das »Gleichnis vom verlorenen Sohn« genannt wird. In diesem Abschnitt des Evangeliums ist es so, als
hörte man gleichsam die Stimme Jesu, der uns das Antlitz seines Vaters und unseres Vaters offenbart. Im
Grunde ist er dazu auf die Welt gekommen, um zu uns vom Vater zu sprechen; um ihn uns verlorenen
Söhnen bekanntzumachen und in unseren Herzen die Freude zu wecken ihm zu gehören, die Hoffnung,
Vergebung zu finden und unsere volle Würde zurückerstattet zu bekommen, und den Wunsch, für immer in
seinem Haus zu wohnen, das auch unser Haus ist.
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Jesus erzählte die drei Gleichnisse der Barmherzigkeit, da die Pharisäer und Schriftgelehrten schlecht über
ihn redeten, denn sie sahen, daß er auf die Sünder zuging und sogar mit ihnen aß (vgl. Lk 15,1–3). So
erklärte er mit der für ihn bezeichnenden Sprache, daß Gott nicht will, daß auch nur einer seiner Söhne
verloren gehe, und daß sein Herz vor Freude überfließt, wenn ein Sünder umkehrt. Die wahre Religion
besteht also darin, in Einklang zu kommen mit diesem Herzen, das »reich an Barmherzigkeit« ist und uns
bittet, alle zu lieben, auch die Fernstehenden und die Feinde, und so den himmlischen Vater nachzuahmen,
der die Freiheit eines jeden respektiert und alle mit der unbesiegbaren Kraft seiner Treue an sich zieht. Das
ist der Weg, den Jesus all denen weist, die seine Jünger sein wollen: »Richtet nicht… verurteilt nicht… Erlaßt
einander die Schuld, dann wird auch euch die Schuld erlassen werden. Gebt, dann wird auch euch gegeben
werden… Seid barmherzig, wie es auch euer Vater ist!« (Lk 6,36–38). In diesen Worten finden wir sehr
konkrete Anweisungen für unser alltägliches Verhalten als Gläubige.
In unserer Zeit hat es die Menschheit nötig, daß die Barmherzigkeit Gottes kraftvoll verkündigt und
bezeugt wird. Prophetisch ahnte diese pastorale Dringlichkeit der geliebte Johannes Paul II., der ein großer
Apostel der göttlichen Barmherzigkeit gewesen ist. Dem barmherzigen Vater widmete er seine zweite
Enzyklika, und während seines ganzen Pontifikats machte er sich zum Missionar der Liebe Gottes bei allen
Völkern. Nach den tragischen Ereignissen des 11. September 2001, die den Beginn des dritten Jahrtausends
verdunkelten, forderte er die Christen und die Menschen guten Willens auf zu glauben, daß die
Barmherzigkeit Gottes stärker als alles Böse ist, und daß sich nur im Kreuz Christi das Heil der Welt findet.
Die Jungfrau Maria, Mutter der Barmherzigkeit, die wir gestern als die Schmerzhafte Mutter Gottes zu
Füßen des Kreuzes betrachtet haben, erwirke für uns die Gabe, immer auf die Liebe Gottes zu vertrauen,
und sie helfe uns, barmherzig zu sein wie unser Vater im Himmel.
Die Beziehung zu Gott, die beiden Söhne (Benedikt XVI., Angelus, 14. März
2010)
Am heutigen vierten Fastensonntag wird das Evangelium vom Vater und seinen beiden Söhnen verkündigt,
das als Gleichnis vom »verlorenen Sohn« bekannt ist (Lk 15,11–32). Dieser Abschnitt aus dem Evangelium
des hl. Lukas ist ein Höhepunkt der Spiritualität und der Literatur aller Zeiten. Denn was wären unsere
Kultur, die Kunst und unsere Zivilisation im allgemeinen ohne diese Offenbarung eines Gottvaters voll
Erbarmen? Ständig bewegt sie uns, und jedesmal, wenn wir sie hören oder lesen, kann sie uns immer neue
Bedeutungen nahelegen. Der Text aus dem Evangelium besitzt vor allem die Kraft, zu uns von Gott zu
sprechen, uns sein Antlitz, besser noch: sein Herz kennenlernen zu lassen. Nachdem Jesus uns vom
barmherzigen Vater erzählt hat, sind die Dinge nicht mehr so wie vorher, jetzt kennen wir Gott: Er ist unser
Vater, der uns aus Liebe zu uns frei und mit einem Gewissen begabt geschaffen hat, der leidet, wenn wir
uns verirren, und ein Fest feiert, wenn wir zurückkehren. Aus diesem Grund baut sich die Beziehung mit
ihm über eine Geschichte hinweg auf, ähnlich wie dies jedem Kind mit seinen Eltern widerfährt: Anfangs
hängt es von ihnen ab; dann beansprucht es seine Selbständigkeit; und schließlich – wenn eine positive
Entwicklung gegeben ist – gelangt es zu einer reifen Beziehung, die auf Dankbarkeit und echter Liebe
gründet.
In diesen Etappen können wir auch Momente des Wegs des Menschen in der Beziehung zu Gott
erkennen. Es kann da eine Phase geben, die wie die Kindheit ist: eine durch Bedürfnis, durch Abhängigkeit
geprägte Religion. Wenn dann der Mensch allmählich wächst und sich emanzipiert, will er sich von dieser
Unterworfenheit frei machen und frei werden, erwachsen, fähig, sich selbst eine Regel zu geben und
selbständig seine Entscheidungen zu fällen, wobei er auch meint, auf Gott verzichten zu können. Das ist
nun eine heikle Phase, die auch zum Atheismus führen kann, aber selbst dahinter verbirgt sich nicht selten
das Bedürfnis, das wahre Antlitz Gottes zu entdecken. Zu unserem Glück versagt Gott nie seine Treue, und
auch wenn wir uns entfernen und uns verlieren, fährt er fort, uns mit seiner Liebe zu folgen, wobei er
unsere Irrtümer vergibt und innerlich zu unserem Gewissen spricht, um uns zu sich zurückzurufen.
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Im Gleichnis verhalten sich die beiden Söhne auf gegensätzliche Weise: der jüngere geht fort und
fällt immer tiefer, während der ältere zu Hause bleibt, aber auch er hat eine unreife Beziehung zum Vater.
Als nämlich der Bruder zurückkehrt, ist der ältere nicht glücklich, wie dies hingegen der Vater ist, im
Gegenteil, er wird zornig und will nicht ins Haus zurückgehen. Die zwei Söhne stellen die beiden unreifen
Weisen dar, mit Gott in eine Beziehung zu treten: die Auflehnung und die Heuchelei. Beide Formen werden
durch die Erfahrung der Barmherzigkeit überwunden. Allein dadurch, daß wir die Vergebung erfahren und
uns so als Menschen erkennen, die von einer ungeschuldeten Liebe geliebt sind, die größer als unsere
Armseligkeit, aber auch größer als unsere Gerechtigkeit ist, treten wir endlich in eine wirklich kindliche und
freie Beziehung zu Gott.
Liebe Freunde, denken wir über dieses Gleichnis nach. Erkennen wir uns in den beiden Söhnen wieder, und
betrachten wir vor allem das Herz des Vaters. Werfen wir uns in seine Arme und lassen wir uns von seiner
barmherzigen Liebe erneuern. Dabei helfe uns die Jungfrau Maria, »Mater misericordiae«.
Der verlorene Sohn (Benedikt XVI., Sonntag, 12. September 2010)
Im Evangelium des heutigen Sonntags – dem 15. Kapitel des Lukasevangeliums – erzählt Jesus die drei
»Gleichnisse der Barmherzigkeit«. Wenn er »von dem Hirten spricht, der dem verlorenen Schaf nachgeht,
von der Frau, die die Drachme sucht, von dem Vater, der auf den verlorenen Sohn zugeht und ihn umarmt,
dann sind dies alles nicht nur Worte, sondern Auslegungen seines eigenen Seins und Tuns« (Deus caritas
est, 12). Tatsächlich ist der Hirt, der das verlorene Schaf wiederfindet, der Herr selbst, der mit seinem
Kreuz das sündige Sein des Menschen auf sich nimmt, um es zu erlösen. Der verlorene Sohn im dritten
Gleichnis ist ein junger Mann, der von seinem Vater das Erbteil bekommen hatte und »in ein fernes Land
[zog]. Dort führte er ein zügelloses Leben und verschleuderte sein Vermögen« ( Lk 15,13). Als er alles
durchgebracht hatte, war er gezwungen, wie ein Knecht zu arbeiten, und er akzeptierte es sogar, sich an
dem Futter zu sättigen, das für die Tiere bestimmt war. »Da ging er in sich«, sagt das Evangelium ( Lk
15,17). »Die Worte, die er sich für die Heimkehr vorbereitet, lassen uns die Weite seiner inneren Wanderung
erkennen, die er nun durchschreitet … [er begibt sich] ›nach Hause‹, zu sich selber und zum Vater« (Benedikt
XVI., Jesus von Nazareth, Freiburg-Basel-Wien 2007, S. 245). »Ich will aufbrechen und zu meinem Vater
gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt. Ich bin nicht
mehr wert, dein Sohn zu sein« ( Lk 15,18– 19). Der hl. Augustinus schreibt: »Das Wort selbst ist es, das dich
zur Umkehr ruft. Dort ist die Stätte unwandelbarer Ruhe, wo nichts der Liebe entschwindet « (
Bekenntnisse, IV, 11.16). »Der Vater sah ihn schon von weitem kommen und er hatte Mitleid mit ihm. Er
lief dem Sohn entgegen, fiel ihm um den Hals und küßte ihn« (Lk 15,20), und voller Freude ließ er ein Fest
bereiten.
Liebe Freunde, wie sollten wir nicht in unserem Herzen die Gewißheit haben, daß wir, obwohl wir Sünder
sind, von Gott geliebt werden? Er wird nie müde, uns entgegenzukommen, er legt immer als erster den Weg
zurück, der uns von ihm trennt. Das Buch Exodus zeigt uns, wie es Mose mit vertrauensvollem und
wagemutigem Flehen gelang, Gott sozusagen vom Thron des Gerichts zum Thron der Barmherzigkeit
wechseln zu lassen (vgl. 32,7–11.13–14). Die Reue ist das Maß des Glaubens, und dank ihrer kehrt man zur
Wahrheit zurück. Der Apostel Paulus schreibt: »Ich habe Erbarmen gefunden, denn ich wußte in meinem
Unglauben nicht, was ich tat« (1 Tim 1,13).
Wenn wir auf das Gleichnis des Sohnes zurückkommen, der »nach Hause« zurückkehrt, bemerken wir: Als
der ältere Sohn aufgrund der dem Bruder bereiteten festlichen Aufnahme empört auftritt, ist es wiederum
der Vater, der ihm entgegengeht und zu ihm hinauskommt, um ihn anzuflehen: »Mein Kind, du bist immer
bei mir, und alles, was mein ist, ist auch dein« ( Lk 15,31). Nur der Glaube kann den Egoismus in Freude
verwandeln und die rechten Beziehungen zum Nächsten und zu Gott neu anknüpfen. »Aber jetzt müssen wir
uns doch freuen und ein Fest feiern«, sagt der Vater; »denn dein Bruder … war verloren und ist
wiedergefunden worden« ( Lk 15,32).
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Liebe Brüder und Schwestern, am kommenden Donnerstag werde ich mich in das Vereinigte Königreich
begeben, wo ich Kardinal John Henry Newman seligsprechen werde. Ich bitte euch alle, mich auf dieser
Apostolischen Reise mit eurem Gebet zu begleiten. Der Jungfrau Maria, deren heiligsten Namen die Kirche
heute feiert, empfehlen wir unseren Weg der Umkehr zu Gott.
Die Freude Gottes, Gerechtigkeit, Barmherzigkeit, der verlorene Sohn
(Franziskus, Angelus, 15. September 2013)
In der heutigen Liturgie wird das 15. Kapitel des Lukasevangeliums verlesen, das die drei Gleichnisse der
Barmherzigkeit enthält: das Gleichnis vom verlorenen Schaf, jenes vom verlorenen Geldstück und dann das
längste aller Gleichnisse, das charakteristisch für Lukas ist, das Gleichnis vom Vater und den beiden Söhnen,
dem »verlorenen« Sohn und dem Sohn, der sich für »gerecht« hält, der sich »heilig« wähnt. Alle drei
Gleichnisse sprechen von der Freude Gottes. Gott freut sich. Interessant ist das: Gott freut sich!
Und worin besteht die Freude Gottes? Die Freude Gottes ist das Vergeben, die Freude Gottes
besteht darin, zu vergeben! Es ist die Freude eines Hirten, der sein Schaf wiederfindet; die Freude einer
Frau, die ihr Geldstück wiederfindet; es ist die Freude eines Vaters, der den Sohn im Haus aufnimmt, der
verloren war, der wie gestorben war und zum Leben zurückgekehrt ist, der nach Hause zurückgekehrt ist.
Hier ist das ganze Evangelium! Hier! Hier ist das ganze Evangelium, hier ist das ganze Christentum! Aber
aufgepasst, das ist kein Gefühl, das ist kein »Gutmenschentum«!
Im Gegenteil, die Barmherzigkeit ist die wahre Kraft, die den Menschen und die Welt vor dem
»Krebsgeschwür« retten kann, das die Sünde ist, das moralische Übel, das geistliche Übel. Allein die Liebe
erfüllt die Leere, die negativen Abgründe, die das Böse im Herzen und in der Geschichte aufreißt. Allein die
Liebe vermag dies, und das ist die Freude Gottes!
Jesus ist ganz Barmherzigkeit, Jesus ist ganz Liebe: er ist der menschgewordene Gott. Jeder von uns,
jeder von uns ist jenes verlorene Schaf, jenes verlorene Geldstück; jeder von uns ist jener Sohn, der seine
Freiheit vergeudet hat, falschen Götzen, Blendwerken des Glücks, gefolgt ist und alles verloren hat. Doch
Gott vergisst uns nicht, der Vater verlässt uns nie. Er ist ein geduldiger Vater, er erwartet uns immer! Er
respektiert unsere Freiheit, doch er bleibt immer treu. Und wenn wir zu ihm zurückkehren, nimmt er uns in
seinem Haus wie Kinder auf, da er niemals aufhört, auch nicht einen Augenblick, uns voll Liebe zu erwarten.
Und sein Herz feiert ein Fest für jedes Kind, das zurückkehrt. Es feiert ein Fest, weil es eine Freude ist. Gott
hat diese Freude, wenn einer von uns Sündern zu ihm geht und um seine Vergebung bittet.
Was ist die Gefahr? Die Gefahr besteht darin, dass wir uns für gerecht halten und über die anderen
urteilen. Wir urteilen auch über Gott, weil wir denken, dass er die Sünder züchtigen, zum Tod verurteilen
sollte, statt ihnen zu vergeben. Ja, dann laufen wir Gefahr, draußen vor dem Haus des Vaters zu bleiben!
Wie jener ältere Bruder des Gleichnisses, der, statt zufrieden zu sein, weil der Bruder zurückgekehrt ist,
zornig auf den Vater ist, der ihn aufgenommen hat und ein Fest feiert.
Wenn in unserem Herzen keine Barmherzigkeit ist, keine Freude der Vergebung, sind wir nicht in
Gemeinschaft mit Gott, selbst wenn wir alle Gebote befolgen, denn es ist die Liebe, die rettet, nicht allein
die Befolgung der Gebote. Es ist die Liebe zu Gott und zum Nächsten, die alle Gebote erfüllt. Und das ist die
Liebe Gottes, seine Freude: vergeben. Er erwartet uns immer! Vielleicht trägt da jemand in seinem Herzen
etwas Schweres: »Aber ich habe das getan, ich habe jenes getan« Er erwartet dich! Er ist Vater: immer
erwartet er uns!
Wenn wir nach dem Gesetz »Auge um Auge, Zahn um Zahn« leben, dann kommen wir nie aus der
Spirale des Bösen heraus. Der Teufel ist schlau und macht uns vor, dass wir mit unserer menschlichen
Gerechtigkeit uns und die Welt retten können. In Wirklichkeit kann uns allein die Gerechtigkeit Gottes
retten! Und die Gerechtigkeit Gottes hat sich am Kreuz offenbart: das Kreuz ist das Urteil Gottes über uns
alle und über diese Welt. Wie aber urteilt Gott über uns? Indem er sein Leben für uns hingibt! Ja, das ist der
höchste Akt der Gerechtigkeit, der ein für alle Mal den Fürsten dieser Welt besiegt hat; und dieser höchste
Akt der Gerechtigkeit ist gerade auch der höchste Akt der Barmherzigkeit. Jesus ruft uns alle, diesem Weg
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zu folgen: »Seid barmherzig, wie es auch euer Vater ist!« (Lk 6,36). Ich bitte euch um etwas, jetzt. In Stille
wollen wir alle nachdenken, jeder denke an einen Menschen, mit dem wir nicht gut stehen, auf den wir
zornig sind, den wir nicht gern haben. Denken wir an jenen Menschen und beten wir in Stille, in diesem
Augenblick, für diese Person und werden wir barmherzig gegenüber diesem Menschen. Bitten wir nun um
die Fürsprache Mariens, Mutter der Barmherzigkeit.
Das Gleichnis vom verlorenen Sohn (Don Pierino Galeone)
(Predigt vom 2. März 2002)
Es ist unmöglich, dieses Gleichnis Jesu in angemessener Weise zu kommentieren. Es wäre sehr interessant,
über die Haltungen des Vaters gegenüber seinem jüngeren Sohn nachzudenken, der weggeht und
gegenüber seinem älteren Sohn, der zu Hause bleibt. Die Haltungen aus menschlicher, psychologischer,
geistlicher, persönlicher, familiärer Sicht und die Haltung gegenüber dem älteren Sohn.
Wie viel Psychologie hat dieser Vater aus dem Evangelium gehabt! Die beiden Söhne wissen nicht, wie sie
zu Hause leben sollen: der jüngere will von zu Hause weggehen; der ältere weiss nicht gut zurück zu
bleiben, als Sohn im Haus; denn er weiss den heimkehrenden Bruder nicht anzunehmen.
Der sogenannt verlorene Sohn, dem es als Sohn im väterlichen Haus gut ging, wird müde, zu Hause zu sein,
er will weggehen und verschwendet alles, um sich zu vergnügen. Wie gut ist dieser Vater: er gibt dem Sohn,
was ihm zusteht, er lässt ihn gehen, er wartet auf ihn, er nimmt ihn an, er bereitet ihm ein Fest. Jedes Wort
beinhaltet eine Bibliothek von Überlegungen!
Der ältere Sohn weiss den heimkehrenden Bruder nicht anzunehmen. Ich sage nicht, dass er neidisch war,
aber er beklagt sich beim Vater, er will nicht ins Haus eintreten um zuessen, er bleibt dort, mürrisch,
schmollend, ausserhalb des Hauses.
Die Diener sind bereit, den Ring, die Sandalen, das schönste Kleid zu holen und das Mastkalb zu schlachten.
Die Diener sind gegenüber dem Befehl des Vaters sehr bereit. Was für ein wunderbarer Rahmen: der Vater,
der ein göttliches Fingerspitzengefühl für den Sohn hat, der weggeht und für den Sohn, der bleibt. Dem
Sohn, der weggeht, gibt er, was ihm zusteht und er gibt ihm durch das Fest erneut, was er nötig hat.
Als handelte es sich um eine Geschäftsangelegenheit, löst er sofort das Problem: „Was mein ist, ist auch
dein.“ Er ist sympathisch, dieser Vater! Schau ein wenig, wie er sofort eine Lösung findet: „Begreifst du
nicht? Das Böckchen? Aber alles gehört dir! Mach dir keine Sorgen! Alles gehört dir!“ Was für ein Wunder!
Was für ein Reichtum an Psychologie, an verständiger Vaterschaft, die das Problem löst: „Ein Böckchen?
Aber alles, was mein ist, ist auch dein.“
Das Bild des Papa, der eine aussergewöhnliche Haltung gegenüber dem jüngeren Sohn hat, wird sehr schön
gezeichnet, in leuchtender Weise. Aber seht, es ist nicht etwa wenig, den älteren Sohn zu überzeugen
versuchen, wegen der gerechten Klage, die er erhob, aber ihm fehlte der siebte Sinn, um die Versöhnung
des Bruders zu verstehen und um dem Vater nicht zu missfallen, der dann bekräftigte: „Ach! Feierst du
nicht mit mir? Mein Sohn war tot und lebt wieder, er war verloren und ist wieder gefunden! Auf, feiere mit
deinem Vater.“
Das Gleichnis kommt von der Tatsache her, dass sie sich über Jesus beklagten, denn er war sehr
liebenswürdig mit den Sündern, mit jenen, die fehlten.
Dieser Vater ist gut zu allen, die fehlen: sowohl zu denen, die das Haus verlassen, als auch zu denen, die im
Haus bleiben. Jene, die im Haus bleiben, sind ein wenig neidisch, mürrisch, sie murren, kritisieren den Papa,
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die Mama. Mürrisch! Immer sagen sie: „Aber jenen, nachdem er so viel gemacht hat, liebkost er sogar und
behandelt ihn gut.“ Wie viele Überlegungen!
Wie anders ist Jesus! Stellt euch mal vor: hier ist der himmlische Vater, dann ist hier Jesus, er ist der ältere
Bruder von uns allen ist, von uns Spitzbuben und verlorenen Söhnen. Jesus feiert ein Fest, wenn wir zu
seinem Vater zurückkehren. Er ist nicht wie der ältere Sohn. Nicht nur das, sondern er wurde vom Vater
gesandt, damit wir Sünder, verlorene Söhne, von neuem zum Vater zurückkehren können. Sogar das, was
der Vater zu ihm gesagt hat, ist wahr: „Was mein ist, ist dein und was dein ist, ist mein“. Das hat Jesus
gesagt. Das hat der himmlische Vater gesagt. Sie haben es einander gesagt. Aber Jesus war nicht neidisch,
eifersüchtig. Er hat uns alles geschenkt: er hat sich uns selber geschenkt, seine Mutter, seinen Vater, das
göttliche Leben, das Paradies, er hat sich auch in der Eucharistie, in der Kirche geschenkt! Was für ein
Unterschied!
Wer hat diese Liebe zu uns in Jesus hinein gelegt? Der himmlische Vater! Aber der himmlische Vater hat
diese Liebe in ihn hinein gelegt, weil der Sohn Gottes die Liebe des Vaters ist. Aber es ist auch wahr, dass
Jesus uns seinen Vater gegeben hat, die grosse Freude seines Vaters, darum hat er uns die Versöhnung und
den Frieden gebracht. Welch grosse Freude!
In diesem Moment gebe ich euch Christus, der der Friede ist. Aber dieser Friede, den uns Jesus schenkt, ist
nichts anderes als die Umarmung mit dem himmlischen Vater, die wir in diesem Moment machen müssen,
und natürlich mit allen seinen Söhnen und unseren Brüdern.
Wenn wir verlorene Söhne gewesen sind, kehren wir nicht wieder dorthin zurück, wo die Schweineschoten
waren! Wir dürfen bei der Rückkehr in die Gemeinschaft nicht denken: „Aber da ist jener Bruder, jene
ältere Schwester, die mich nicht annimmt.“ Oder noch schlimmer, wenn man denkt, dass die Mama einen
nicht annimmt. Wir müssen diese beiden Gedanken beseitigen: „Ja, ich kehre zurück, aber wer weiss, die
Mama, der ältere Bruder... Der Vater macht ein Fest, aber...“ Achtung, beseitigt diese Gedanken! Kehrt
sofort um. Wendet euch nicht zurück. Denk daran, Gott Vater glücklich zu machen. Macht euch keine
Sorgen, die Mama denkt wie der Vater!
Catena aurea
(vgl. 24. Sonntag im Jahreskreis C)
In jener Zeit kamen alle Zöllner und Sünder zu Jesus, um ihn zu hören. Die Pharisäer und die
Schriftgelehrten empörten sich darüber und sagten: Er gibt sich mit Sündern ab und ißt sogar mit ihnen.
Christus tat das, weshalb er Fleisch angenommen hatte: Er nahm sich der Sünder an wie ein Arzt der
Kranken. Aber die wahrhaft verleumderischen Pharisäer lohnten diese Güte mit Murren. (Theophylactus)
Daraus können wir ersehen, daß die wahre Gerechtigkeit Mitleid, die falsche jedoch Abweisung an den Tag
legt - wenngleich auch die Gerechten sich mit Recht über die Sünder empören. Aber es ist ein Unterschied,
ob etwas aus Stolz oder aus Eifer für rechtes Verhalten geschieht: Denn wenn auch die Gerechten nach
außen hin durch Zurechtweisung heftig tadeln, so bewahren sie doch Sanftmut durch die Liebe: Sie stellen
die, die sie zurechtweisen, in ihrem Herzen höher als sich selbst. So schützen sie durch die Zurechtweisung
die Untergebenen, und durch die Demut sich selbst. Die hingegen, die wegen ihrer falschen Gerechtigkeit
überheblich werden, verachten alle anderen und lassen sich zu keiner Erbarmung gegen die Schwachen
herab. Und sie werden umso schlimmere Sünder, je weniger sie sich dafür halten. Zu diesen gehörten die
Pharisäer, die den Herrn verurteilten, weil er die Sünder aufnahm. So tadelten sie mit trockenem Herzen
den, der selbst der Quell der Barmherzigkeit ist. Weil sie aber so krank waren, daß sie selbst gar nichts
davon merkten, wollte der himmlische Arzt sie mit milden Mitteln heilen, damit sie erkannten, wie es um
sie steht. (Gregor der Große)
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Da erzählte er ihnen ein Gleichnis und sagte: Wenn einer von euch hundert Schafe hat und eins davon
verliert, läßt er dann nicht die neunundneunzig in der Steppe zurück und geht dem verlorenen nach, bis
er es findet?
Daraus ermesse man die Größe des Reiches unseres Erlösers. Er sagt "Es sind hundert Schafe" und
bezeichnet damit die ganze Menge der ihm gehorchenden geistbegabten Kreaturen. Hundert ist nämlich
eine vollkommene Zahl, aus zehn mal zehn zusammengesetzt. Aber aus diesen Hundert verirrte sich ein
Schaf, nämlich das menschliche Geschlecht, das die Erde bewohnt. (Cyrill)
Denn er ließ die Chöre der Engel im Himmel zurück. Der Mensch aber hatte den Himmel damals verlassen,
als er gesündigt hatte. Und um die vollkommene Anzahl der Schafe im Himmel wiederherzustellen, sucht er
den verlorenen Menschen auf der Erde. (Gregor der Große)
Und wenn er es gefunden hat, nimmt er es voll Freude auf die Schultern, und wenn er nach Hause
kommt, ruft er seine Freunde und Nachbarn zusammen und sagt zu ihnen: Freut euch mit mir; ich habe
mein Schaf wiedergefunden, das verloren war.
Als aber der Hirte das Schaf gefunden hatte, strafte er es nicht: Er führte es nicht mit Gewalt zur Herde
zurück, sondern legte es auf seine Schultern, trug es sanft und brachte es so zur Herde zurück. (Gregor von
Nyssa)
Er legt das Schaf auf seine Schultern, weil er durch die Annahme der menschlichen Natur unsere Sünden
getragen hat. Als er das Schaf gefunden hat, geht er zum Haus zurück, denn unser Hirte kehrte nach der
Erlösung des Menschen ins himmlische Reich zurück. (Gregor von Nyssa)
Und es ist zu bemerken, daß er nicht sagt: Freut euch mit dem gefundenen Schaf! sondern: Freut euch mit
mir! Denn offenbar macht es ihn froh, wenn wir leben. Und wenn wir zum Himmel zurückgeführt werden,
ist seine festliche Freude vollkommen. (Gregor der Große)
Ich sage euch: Ebenso wird auch im Himmel mehr Freude herrschen über einen einzigen Sünder, der
umkehrt, als über neunundneunzig Gerechte, die es nicht nötig haben umzukehren.
Denn meist gehen jene, die sich von keiner Sündenlast beschwert wissen, auf dem Weg der Gerechtigkeit,
sie sind aber auch nicht darum besorgt, nach der himmlischen Heimat zu trachten, und oft bleiben sie faul
und tun keine herausragenden guten Werke, weil sie sich sicher sind, daß sie nichts Schlimmeres getan
haben; dagegen entbrennen nicht selten diejenigen, die wissen, daß sie Unrechtes getan haben, aus dem
Schmerz der Reue darüber in Liebe zu Gott. Und da sie bedenken, daß sie von Gott abgeirrt sind, machen
sie den früheren Schaden durch den nachfolgenden Gewinn wieder gut. Es wird also eine größere Freude
im Himmel sein, denn auch ein Feldherr schätzt in der Schlacht mehr den Soldaten, der nach einer Flucht
wieder zurückkehrt und dem Feind stark zusetzt, als den, der niemals geflohen ist, aber auch nie eine
tapfere Tat vollbracht hat. (Gregor der Große)
Oder wenn eine Frau zehn Drachmen hat und eine davon verliert, zündet sie dann nicht eine Lampe an,
fegt das ganze Haus und sucht unermüdlich, bis sie das Geldstück findet?
Im vorausgehenden Gleichnis, in dem das menschliche Geschlecht als verirrtes Schaf bezeichnet wurde,
lernten wir, daß wir Geschöpfe des höchsten Gottes sind; er hat uns geschaffen, nicht wir uns selbst. Wir
sind die Schafe seiner Weide.vgl. Ps 95 Es schließt sich das nächste Gleichnis an, in dem das menschliche
Geschlecht mit einer Drachme verglichen wird, die verloren geht: dadurch wird gezeigt, daß wir nach
königlichem Bild und Gleichnis geschaffen sind, nämlich nach dem des höchsten Gottes: Denn der
Drachmenmünze ist das Bild des Königs eingeprägt. (Chrysostomus)
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Derjenige, der als der "Hirte" bezeichnet wird, ist auch mit der "Frau" gemeint. Beide Male ist Gott
gemeint: Er selbst und seine Weisheit. (Gregor der Große)
Der Drachme war das Bild eingeprägt. Deshalb hatte die Frau die Drachme damals verloren, als der
Mensch, der nach dem Bild Gottes erschaffen worden war, sich durch die Sünde von der Gottähnlichkeit
entfernt hatte. [...] Die Frau zündet ein Licht an, weil Gottes Weisheit in Menschengestalt erschienen ist.
Die Lampe ist eine Lichtflamme auf einem Ölgefäß; das Licht auf dem Gefäß aber ist die Gottheit im Fleisch:
Nachdem die Lampe entzündet ist, folgt: Sie kehrt das Haus. Denn sobald seine Gottheit durch das Fleisch
aufscheint, wird jedes unserer Gewissen aufgerüttelt: Denn das Wort "kehren" meint nichts anderes als
"reinigen", wie es in anderen Handschriften heißt. Denn wenn der verdorbene Geist nicht vorher durch
heilige Furcht ausgekehrt wird, wird er von seinen eingefahrenen Lastern nicht gereinigt. Nachdem das
Haus ausgekehrt ist, wird die Drachme gefunden. [...] Denn wenn das Gewissen des Menschen aufgerüttelt
wurde, wird im Menschen die Ähnlichkeit mit dem Schöpfer wiederhergestellt. (Gregor der Große)
Aber im eigenen Hause, das heißt in sich selbst und in seinem Gewissen muß man die verlorene Drachme
suchen, das heißt das Bild des Königs. Es ging nicht gänzlich verloren, sondern ist unter dem Unrat
verborgen, welcher die Krankheit der gefallenen Natur bezeichnet. (Gregor von Nyssa)
Und wenn sie es gefunden hat, ruft sie ihre Freundinnen und Nachbarinnen zusammen und sagt: Freut
euch mit mir; ich habe die Drachme wiedergefunden, die ich verloren hatte. Ich sage euch: Ebenso
herrscht auch bei den Engeln Gottes Freude über einen einzigen Sünder, der umkehrt.
Nachdem die Drachme aber gefunden wurde, läßt er die himmlischen Kräfte an seiner Freude teilhaben.
(Gregor von Nazianz)
Weiter sagte Jesus: Ein Mann hatte zwei Söhne.
Lukas stellt drei Gleichnisse hintereinander: Das verlorene Schaf, das wiedergefunden wurde; die verlorene
Drachme, die wiedergefunden wurde; der Sohn, der tot war und wieder zum Leben zurückgekehrt ist; so
werden wir durch ein dreifaches Heilmittel aufgerufen, unsere Sünden zu heilen. Christus trägt dich als Hirt
mit seinem Leib, die Kirche sucht dich als Mutter, Gott nimmt dich auf als Vater. (Ambrosius)
Dieser Mann also hatte zwei Söhne. Das bedeutet: Gott hat zwei Völker, gleichsam zwei Sprosse des
menschlichen Geschlechts: der eine blieb bei der Verehrung des einen Gottes, der andere verließ Gott, bis
dahin, daß er Götzen verehrte. (Augustinus)
Der jüngere von ihnen sagte zu seinem Vater: Vater, gib mir das Erbteil, das mir zusteht. Da teilte der
Vater das Vermögen auf.
Du siehst aber, daß das göttliche Erbe den Bittenden gegeben wird; denke nicht, es sei die Schuld des
Vaters, daß er dem jüngeren [seinen Teil] gab: kein Lebensalter ist zu schwach für Gottes Reich, und der
Glaube wird mit den Jahren nicht leichter. (Ambrosius)
Nach wenigen Tagen packte der jüngere Sohn alles zusammen und zog in ein fernes Land. Dort führte er
ein zügelloses Leben und verschleuderte sein Vermögen.
Der jüngere Sohn reiste in ein fernes Land, aber nicht dadurch daß er räumlich von Gott wegging, der
überall ist, sondern durch seinen freien Willen: Denn der Sünder flieht vor Gott, um möglichst weit entfernt
von ihm zu sein. (Chrysostomus)
Wie könnte man nämlich weiter weggehen, als dadurch daß man sich von seiner Heimat nicht durch den
Ort, sondern durch sein Verhalten trennt? Denn wer sich von Christus trennt, ist fern der Heimat und ein
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Bürger der Welt. Zu Recht heißt es, daß derjenige, der die Kirche verläßt, das väterliche Vermögen
verschwendet. (Ambrosius)
Nicht nach vielen Tagen ist es geschehen, daß er alles genommen und in ein fernes Land gereist ist, d. h.
daß er Gott vergessen hat. Das bedeutet, daß nicht lange nach der Erschaffung des Menschengeschlechts
die Seele mit ihrem freiem Willen beschloß, eigenmächtig zu existieren, so als ob sie über ihre Natur
verfügen könnte, den zu verlassen, von dem sie erschaffen worden ist, und auf ihre eigenen Kräfte zu
vertrauen. Diese Kräfte verbrauchte sie umso schneller, je weiter sie sich von dem entfernte, der sie ihr
gegeben hatte [...] Verschwenderisch oder üppig nennt er einen Lebensstil, der in äußerer Pracht schwelgt,
innerlich aber leer ist. (Augustinus)
Als er alles durchgebracht hatte, kam eine große Hungersnot über das Land, und es ging ihm sehr
schlecht.
Der Hunger ist der Mangel am Wort der Wahrheit. (Augustinus)
Es trat aber in jenem Land nicht eine Hungersnot an Nahrung ein, sondern an guten Werken und Tugenden,
was ein noch bedauernswerterer Mangel ist. (Ambrosius)
Da ging er zu einem Bürger des Landes und drängte sich ihm auf; der schickte ihn aufs Feld zum
Schweinehüten.
Die Schweine hüten bedeutet das tun, worüber die unreinen Geister sich freuen. (Beda)
Er hätte gern seinen Hunger mit den Futterschoten gestillt, die die Schweine fraßen; aber niemand gab
ihm davon.
Die Futterschoten sind eine Art Hülsen, die innen leer, aber äußerlich dick sind. Durch sie wird der Leib
nicht genährt, sondern nur gefüllt, so daß sie mehr lästig als nützlich sind. (Ambrosius)
Die Futterschoten also, mit denen er die Schweine fütterte, sind die weltlichen Lehren. Sie sind unfruchtbar
und gehaltlos [...] Als er sich daher zu sättigen wünschte und darin etwas verläßliches und richtiges finden
wollte, das ihn zu einem glücklichen Leben führt, konnte er es nicht finden. (Augustinus)
Da ging er in sich und sagte: Wie viele Tagelöhner meines Vaters haben mehr als genug zu essen, und ich
komme hier vor Hunger um.
Er kehrt wohl zu sich selbst zurück, nachdem er sich selbst verlassen hatte. Denn wer zu Gott zurückkehrt,
kehrt zu sich selbst zurück; und wer von sich von Christus entfernt, der entfernt sich von sich selbst.
(Ambrosius)
Es gibt drei verschiedene Arten von Gehorsam: Entweder wir meiden das Böse aus Angst vor der Strafe dann sind wir Knechte; oder wir halten uns an die Vorschriften, um dafür Lohn zu erlangen - dann sind wir
Tagelöhnern ähnlich; oder wir dienen dem Gesetz um des Guten selbst willen und aus Liebe zu dem, der es
gegeben hat - so sind wir zu Söhnen geworden. (Gregor von Nazianz)
Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe mich gegen den
Himmel und gegen dich versündigt.
Er kehrte aber nicht eher zu seinem früheren Glück zurück, als bis er in sich ging, das Gewicht seines
niederdrückenden Elends fühlte und über die Worte der Umkehr nachdachte. (Gregor von Nyssa)
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Wie barmherzig ist der [Vater], der beleidigt worden ist! Er weigert sich nicht, den väterlichen Namen zu
hören. Dies ist das erste Sündenbekenntnis beim Schöpfer der Welt, dem Herrn der Barmherzigkeit und
dem Richter über die Schuld. Auch wenn Gott alles weiß, wartet er dennoch auf das Bekenntnis aus deinem
Mund: Das ausdrückliche Bekenntnis nämlich gereicht zum Heil, denn es nimmt das Gewicht des Irrtums
hinweg, mit dem sich ein jeder belastet; und wer dem Ankläger mit seinem Bekenntnis zuvor kommt,
entgeht einer schwerwiegenden Anklage. Vergeblich willst du vor dem etwas verbergen, der nicht
getäuscht werden kann. Du kannst ohne Gefahr das preisgeben, wovon du weißt, daß es schon bekannt ist.
Bekenne vielmehr, damit Christus für dich eintritt, die Kirche für dich bittet, das Volk für dich weint; und
befürchte nicht, daß du nicht erhört wirst. Der Fürsprecher verheißt Vergebung, der Beschützer verspricht
Gnade, der Retter sichert dir die Versöhnung durch die väterliche Güte zu. (Ambrosius)
Es ist die Frage, ob die Sünde "gegen den Himmel" dasselbe ist wie "gegen dich", daß also entweder die
Hoheit des Vaters selbst "Himmel" heißt, oder aber: ich habe gesündigt "gegen den Himmel", d.h. gegen die
heiligen Seelen, "gegen dich" aber im Innersten meines Gewissens. (Augustinus)
Oder aber mit der Sünde der Seele gegen den Himmel sind die verlorenen Gaben des Geistes gemeint; oder
aber es heißt: er hätte sich nicht vom Schoß der Mutter Jerusalem, die im Himmel ist, entfernen dürfen.
(Ambrosius)
Ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein; mach mich zu einem deiner Tagelöhner.
Er beansprucht nicht das Recht des Sohnes, daß alles, was dem Vater gehört, auch ihm gehört; er denkt
nicht einmal daran, danach zu verlangen; sondern er wünscht, ein Tagelöhner zu sein, der für Lohn arbeitet;
aber auch das, bekennt er, kann ihm nur durch das väterliche Erbarmen zuteil werden. (Beda)
Dann brach er auf und ging zu seinem Vater. Der Vater sah ihn schon von weitem kommen, und er hatte
Mitleid mit ihm. Er lief dem Sohn entgegen, fiel ihm um den Hals und küßte ihn.
So wollen auch wir es machen. Dabei soll uns die Länge des Weges nicht abschrecken: Denn wenn wir
wollen, können wir schnell und leicht zurückkehren, wenn wir nämlich die Sünde zurücklassen, die uns aus
dem väterlichen Haus herausgeführt hat. (Chrysostomus)
Der Vater spürte seine Umkehr; er wartete nicht auf die Worte seines Bekenntnisses, sondern kam der
Bitte [des Sohnes] zuvor und erwies ihm Barmherzigkeit. (Chrysostomus)
Was bedeutet dieses Geschehen anderes, als daß wir, von unseren Sünden gelähmt, nicht aus eigener Kraft
zu Gott gelangen konnten. Der Mächtige selbst aber stieg herab, um zu den Schwachen zu kommen. Der
Mund wird geküßt, mit dem der Büßer sein von Herzen kommendes Bekenntnis aussprach, das der Vater
freudig empfing. (Chrysostomus)
Er läuft dir also entgegen, weil er hört, was du im geheimen Inneren deines Herzens denkst; und da du noch
weit entfernt bist, läuft er dir entgegen, damit dich nicht jemand aufhält. [...] und er fällt gleichsam im
Gefühl väterlicher Liebe [dem Sohn] um den Hals, um den daniederliegenden aufzuheben und den mit
Sünden beladenen und ins Irdische abgesunkenen wieder zum Himmel hin aufzurichten. (Ambrosius)
Um den Hals fallen, das heißt, in der Umarmung seinen Arm herabzustrecken; dieser Arm ist Jesus Christus.
(Augustinus)
Da sagte der Sohn: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt; ich bin nicht mehr
wert, dein Sohn zu sein.
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[Der Sohn] fügt nicht hinzu, was er vorher überlegt hatte zu sagen: Mach mich zu einem deiner Tagelöhner!
Denn weil er kein Brot hatte, wollte er ein Tagelöhner werden; aber nach dem Kuß des Vaters in seiner
übergroßen Güte wollte er es nicht mehr. (Augustinus)
Der Vater aber sagte zu seinen Knechten: Holt schnell das beste Gewand, und zieht es ihm an, steckt ihm
einen Ring an die Hand, und zieht ihm Schuhe an.
Das beste Kleid ist die Würde, die Adam verlor; die Diener, die es herbeibringen, sind die Verkünder der
Versöhnung. (Augustinus)
Der Ring ist Zeichen des reinen Glaubens und Ausdruck der Wahrheit. (Ambrosius)
Oder der Ring an der Hand ist das Unterpfand des Heiligen Geistes, wegen der Teilhabe an der Gnade, die
durch den Finger treffend bezeichnet wird. (Augustinus)
Oder er läßt ihm den Ring geben [...] als Zeichen der Verlobung und Unterpfand der Hochzeit, in der
Christus sich die Kirche vermählt, wenn die zur Bekehrung bereite Seele sich durch den Ring des Glaubens
mit Christus verbindet. (Augustinus)
Die Schuhe an den Füßen bedeuten die Vorbereitung zur Verkündigung des Evangeliums: [Sie schützen die
Seele,] damit sie nichts Irdisches berühre. (Augustinus)
Bringt das Mastkalb her, und schlachtet es; wir wollen essen und fröhlich sein.
Das gemästete Kalb ist unser Herr Jesus Christus; er wird "Kalb" genannt wegen der Opfergabe seines
unbefleckten Leibes; "gemästet" bedeutet, daß es so groß und so vorzüglich ist, daß es für das Heil der
ganzen Welt ausreichend ist. Aber der Vater brachte nicht selbst das Mastkalb als Opfer dar, sondern
übergab es anderen zur Opferung: denn der Vater ließ zu und der Sohn willigte ein, von den Menschen
gekreuzigt zu werden. (Chrysostomus)
[Laßt uns essen:] wohl das Fleisch des Lammes, weil es das priesterliche Opfer ist, das für die Sünden
dargebracht wurde. Er lädt zur Freude ein, wenn er sagt: Laßt uns fröhlich sein, um zu zeigen, daß die
Speise des Vaters unser Heil und die Erlösung von unseren Sünden die Freude des Vaters ist. (Ambrosius)
Jeder, der zurückkehrt, von seinen Vergehen gereinigt wird und am Mastkalb Anteil erhält, ist ein Grund zur
Freude für den Vater und seine Diener, die Engel und die Priester. (Theophylactus)
Denn mein Sohn war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden. Und sie
begannen, ein fröhliches Fest zu feiern.
Die Heiden werden, wenn sie zum Glauben kommen, durch die Gnade lebendig gemacht; wer aber gefallen
ist, wird durch die Umkehr wieder zum Leben erweckt. (Ambrosius)
Dieses festliche Mahl wird jetzt gefeiert: Die Kirche ist auf dem ganzen Erdkreis verbreitet: Jenes Mastkalb
nämlich wird im Leib und Blut des Herrn dem Vater dargebracht und nährt das ganze Haus. (Augustinus)
Sein älterer Sohn war unterdessen auf dem Feld. Als er heimging und in die Nähe des Hauses kam, hörte
er Musik und Tanz. Da rief er einen der Knechte und fragte, was das bedeuten solle. Der Knecht
antwortete: Dein Bruder ist gekommen, und dein Vater hat das Mastkalb schlachten lassen, weil er ihn
heil und gesund wiederbekommen hat. Da wurde er zornig und wollte nicht hineingehen. Sein Vater aber
kam heraus und redete ihm gut zu.
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Weil die Schriftgelehrten und die Pharisäer über die Aufnahme der Sünder murrten, legte der Erlöser der
Reihe nach drei Gleichnisse dar. In den ersten beiden deutet er an, wie er sich mit den Engeln über das Heil
der Bekehrten freut; in diesem dritten aber zeigt er nicht nur seine Freude und die Freude der Seinigen,
sondern tadelt auch das Murren der Neider. (Beda)
Israel, gleichsam der ältere Bruder, beneidete den jüngeren Sohn, d. h. das Heidenvolk, weil der Vater gütig
gegen ihn gehandelt hat. (Ambrosius)
Er ist auch jetzt noch zornig, und will bis heute nicht eintreten. Wenn also die Gesamtheit der Heidenvölker
eingetreten ist, wird zur rechten Zeit sein Vater herauskommen, damit auch ganz Israel gerettet wird.
(Augustinus)
Doch er erwiderte dem Vater: So viele Jahre schon diene ich dir, und nie habe ich gegen deinen Willen
gehandelt; mir aber hast du nie auch nur einen Ziegenbock geschenkt, damit ich mit meinen Freunden
ein Fest feiern konnte. Kaum aber ist der hier gekommen, dein Sohn, der dein Vermögen mit Dirnen
durchgebracht hat, da hast du für ihn das Mastkalb geschlachtet.
Der unverschämte Sohn gleicht dem Zöllner, der sich selbst rechtfertigt, weil er das Gesetz dem Buchstaben
nach einhält; schonungslos klagt er den Bruder an, daß er das väterliche Vermögen mit Dirnen
verschwendet hat. (Ambrosius)
Die Dirnen aber bedeuten den Aberglauben der Heiden, mit dem er das Vermögen verschwendet: Sie
verließen die Ehe mit dem wahren Gott und trieben in schändlichem Begehren mit dem Dämon Unzucht.
(Augustinus)
Wenn er aber sagt: Du hast für jenen das Mastkalb schlachten lassen, bekennt er, daß Christus gekommen
ist, aber aus Neid will er nicht gerettet werden. (Hieronymus)
Der Vater antwortete ihm: Mein Kind, du bist immer bei mir, und alles, was mein ist, ist auch dein. Aber
jetzt müssen wir uns doch freuen und ein Fest feiern; denn dein Bruder war tot und lebt wieder; er war
verloren und ist wiedergefunden worden.
Der Vater jedoch wies ihn [sc. den älteren Bruder] nicht wie einen Lügner zurück, sondern erachtet dessen
Ausdauer als etwas Gutes und lädt ihn zur Vollkommenheit eines noch höheren und freudigeren Lobpreises
ein. (Augustinus)
Wenn er nämlich aufhört zu beneiden, ist alles sein, indem er entweder als Jude die Sakramente des alten
Bundes oder als Getaufter auch die des neuen Bundes besitzt. (Ambrosius)
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