Zu Beginn unserer Gottesdienste heißt es: "Bevor wir das Wort

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Lesejahr X / XX.Sonntag
Evangelium: Lk 15,1-3.11-32
Thema: Der barmherzige Vater
Ort/Datum: Sassendorf/Hohengüßbach 18.03.07
Nicht alle in der Geschichte haben sich so gefreut wie der
Vater und der heimgekehrte Sohn. Da war noch einer: der hat
sich alles andere als gefreut. Mürrisch kommt er von seiner
Arbeit heim und denkt über seinen Bruder:
dieser Taugenichts und Faulpelz, hat seinen ganzen Erbteil
verprasst, dem Vater nur Kummer bereitet – und jetzt feiert
der Vater für ihn ein Fest. Für den? Das hat der doch
überhaupt nicht verdient.
Nein, verdient hat er es eigentlich wirklich nicht. Da sind wir
doch ganz auf der Argumentationslinie des älteren Bruders.
Das Verhalten des Vaters widerspricht auch unserem
Gerechtigkeitsempfinden –ist der Vater da nicht ungerecht?
Jesus provoziert mit dieser Geschichte die Pharisäer: sie, die
Frommen identifizieren sich wohl auch eher mit der Rolle des
verantwortungsbewussten und sorgenden, des daheimgebliebenen Bruders und können nicht verstehen, dass Gott
sich mehr sorgt um einen verlorenen Sünder als über 99
Gerechte, wie es in einem Gleichnis unmittelbar vor unserer
Geschichte heißt. Mit seinen Gleichnissen vom verlorenen
Schaf, der verlorenen Drachme und jetzt eben: vom
verlorenen Sohn will Jesus nicht nur provozieren, er will mit
dieser Geschichte sein Gottesbild entwerfen.
Das Gleichnis ist ein Lehrstück über Gott: Jesus will sagen:
der Vater im Himmel, ein barmherziger Vater: so ist Gott.
Und es steht eine Menge darüber drin, wie Gott ist:
Zunächst einmal lässt dieser Gott die freie Wahl: er fleht den
Sohn nicht an, doch dazubleiben, nein: er lässt ihm die
Freiheit, weg zu ziehen, er lässt ihn gewissermaßen
ausprobieren, sein Leben in Ungebundenheit und ohne
seinen Vater zu führen. Ja: Unser Gott ist keiner, der uns am
Zügel hält oder der uns wie Marionetten an seiner führenden
Hand tanzen lässt: Gott lässt auch uns die Freiheit zum
Handeln – er lässt uns auch fortgehen, wenn wir glauben uns
von ihm entfernen zu müssen.
Als der weggelaufene Sohn sich gewissermaßen seine
Hörner abgestoßen hat, erst da merkt er, dass ihm
wesentliches fehlt. Das Bild von den Schweinen (für einen
jüdisch denkenden Menschen sind Schweine Symbol der
Unreinheit) unterstreicht die absolute Entfernung von Gott.
Gottverlassen und elend bereut er und will umkehren. Er will
ja nur ein Tagelöhner, ein einfachster Arbeiter im Haus seines
Vaters werden, weil er seine Sohnschaft verspielt hat.
Da die zweite unerwartete Überraschung: der Vater bleibt
nicht in seinem Haus sitzen und wartet erst einmal die
Entschuldigung des Sohnes ab: Nein, er eilt ihm entgegen,
fällt ihm um den Hals und küsst ihn. Er kommt der
Entschuldigung, die sich der Sohn überlegt hat, zuvor - das
heißt, er hätte ihn auch ohne Entschuldigung einfach so
aufgenommen, weil seine Freude über die Rückkehr größer
ist als ein abwägendes Gerechtigkeitsempfinden. Das
Angebot des Sohnes, ihn zu seinem Tagelöhner zu machen
lässt er gar nicht aussprechen, sondern steckt ihm den Ring
an den Finger als Zeichen: du warst und bleibst mein Sohn –
als wenn nichts gewesen wäre.
Hat er das verdient?
Müssen wir uns bei Gott verabschieden von unseren
Maßstäben, die Gerechtigkeit vor allem nach dem bemessen,
was einer leistet? Muss man sich bei diesem Gott gar nicht
anstrengen? Gottes Gerechtigkeit scheint eine andere zu
sein: sie ist zumindest seiner Barmherzigkeit nachgeordnet.
Er will den Menschen gerecht werden trotz all ihrer Fehler
und Schwächen, will ihm zuvorkommen mit seiner Güte und
Barmherzigkeit. Unvorstellbar eigentlich für unser
menschliches Denken.
Doch so ist Gott, wie Jesus uns ihn verkündet.
Ein Gott mit Gefühl, mit Herz, einer, der alles verzeiht.
Können wir es uns so einfach machen, als aufgeklärt
denkende Menschen. Gott ist kann doch nicht immer lieb
sein.
Wie ist es da zum Beispiel mit der gegenwärtigen Diskussion
um die Freilassung von RAF-Terroristen. Müssen wir da nicht
viel mehr mit den Hinterbliebenen der Opfer fragen: wo ist die
zweite Chance, die man den Tätern in ihrem Leben geben
will, wer hat dies zweite Chance den Opfern gegeben?
Das Gleichnis vom verzeihenden Vater wäre falsch
verstanden, wenn aus reiner Großzügigkeit über alles einfach
der Mantel des Vergessens gelegt werden würde, als ob es
auf Gut und Böse nicht ankäme. Nein, so kann das Gleichnis
nicht gemeint sein: was gut ist, muss gut bleiben und was
böse ist, muss als solches beim Namen genannt werden und
verurteilt werden, sonst könnten wir alles Reden von Werten
und Normen aufgeben.
Für die Barmherzigkeit des Vaters gibt es in unserer
Geschichte ja auch Voraussetzungen: der davongelaufene
Sohn erfährt am Futtertrog der Schweine , was ihm fehlt - er
bereut, was er falsch gemacht hat und will um Vergebung
bitten, er will umkehren. Diese Umkehr eröffnet ihm eine neue
Chance.
Das will uns Jesus von seinem Vatergott sagen: Gott lässt
auch dir alle Freiheiten, er wird dich nie vergessen, auch
wenn du dich einmal abwendest von ihm – und: er wird dich
immer in seine offenen Arme nehmen, wenn du zu ihm
zurückkehrst.
M. Herl
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