Landeshauptstadt München Baureferat Kulturreferat Jüdisches Museum München St.-Jakobs-Platz 16 e Ob ra ng er 3 St.-Jakobs-Platz 2 1 Lageplan 1 Jüdisches Museum 2 Jüdische Synagoge 3 Jüdisches Gemeindehaus Seit dem Zweiten Weltkrieg war der St.-Jakobs-Platz eine offene Wunde in der Münchner Innenstadt. Nun ist auf der früheren Brachfläche ein bauliches Ensemble entstanden, das weit mehr bedeutet als nur eine Stadtreparatur. 68 Jahre nach der Zerstörung ihrer Hauptsynagoge an der HerzogMax-Straße kehrte die Israelitische Kultusgemeinde mit dem neuen Jüdischen Zentrum in die Mitte der Stadt zurück. Die am 9. November 2006 der Öffentlichkeit vorgestellte Anlage ist das bislang größte jüdische Neubauprojekt in Europa. Ende 1998 wurde bereits in einer Grundsatzentscheidung des Münchner Stadtrates festgelegt, in Kooperation mit der Israelitischen Kultusgemeinde auch ein dauerhaftes Jüdisches Museum einzurichten. So bot sich zwei Jahre später die Gelegenheit, gemeinsam mit den Neubauten für das Jüdische Zentrum (Synagoge und Gemeindehaus) auch das städtische Jüdische Museum am St.-Jakobs-Platz zu errichten. Mit dem neuen Museumsbau gedenkt München nicht nur seiner historischen Last, die Stadt sieht es auch als wichtige Aufgabe, den kulturellen Dialog mit dem Judentum zu fördern. Der im Jahr 2000 international ausgelobte städtebauliche Ideenwettbewerb blieb ohne eindeutiges Ergebnis. Eine Entscheidung brachte erst ein Jahr später der beschränkte Architekturwettbewerb, zu dem weitere Büros eingeladen worden waren. Die Architekten Wandel, Hoefer, Lorch aus Saarbrücken, die sich durch den Neubau der Synagoge in Dresden empfohlen hatten, trugen den Sieg davon. Sie hatten keine leichte Aufgabe: Auf der lediglich 1,1 Hektar großen Fläche des St.-Jakobs-Platzes waren nicht nur die Hauptsynagoge und das neu gegründete, von der Stadt München getragene Jüdische Museum anzuordnen, sondern auch ein großes Gemeindehaus mit Kindergarten, Grundschule, Sporthalle und Jugendzentrum. Im Oktober 2002 erteilte der Münchner Stadtrat dem Baureferat den Projektauftrag für die Errichtung des Jüdischen Museums auf dem zentralen Grundstück, das die Stadt München für das gesamte Ensemble zur Verfügung stellte. Die Synagoge, das Gemeindehaus und das Museum stellen durch ihre differenzierte Gestaltung eigenständige Baukörper dar. Ihr einheitliches Fassadenmaterial fasst sie auch architektonisch zu einem Ensemble zusammen. 2 Das Jüdische Museum präsentiert seine Funktionsebenen deutlich nach außen: das zum Platz hin offene Erdgeschoss mit Foyer, darüber die geschlossene Fassade für Ausstellungen. 3 Die hinterleuchtete Wand am Eingang wirkt als gestaltbare Informationstafel in den Stadtraum hinaus. 4 Durch die freie Stellung von Synagoge und Museum auf der Fläche zwischen Stadtmuseum, Angerkloster und einer jüngeren Wohnbebauung entstanden unterschiedliche öffentliche Räume, die jetzt als eine Folge von Plätzen, Wegen und Passagen zwischen den Gebäuden erlebt werden. Trotz unterschiedlicher Größe und Gestalt prägt die drei Gebäude nach außen hin ein Material: der Travertin. Diese gemeinsame Hülle aus dem hellen Naturstein sorgt für eine harmonische Erscheinung des Ensembles. Allerdings wurde der Travertin mit unterschiedlichen Oberflächen eingesetzt. Beim Sockel der Synagoge handelt es sich um archaisch wirkende Krustenplatten, bei den Fassaden des Gemeindehauses hingegen um verschieden bearbeitete Platten. Gesägte Platten wiederum verkleiden die fensterlosen Obergeschosse des Museums, wodurch die strengen Konturen des quaderförmigen Baukörpers gesteigert werden. Im Gegensatz zum massiven Sockel der benachbarten Synagoge ist das Erdgeschoss des Museums rundum verglast. Weil sich das Niveau der Platzfläche im Inneren des Gebäudes fortsetzt, wird diese einladende Wirkung noch betont. Dabei handelt es sich aber um mehr als eine Geste, denn im Erdgeschoss sind alle Funktionen untergebracht, die sich an eine breitere Öffentlichkeit und nicht nur an die Museumsbesucher richten. Nach dem Eingang, auf den eine Leuchtwand aufmerksam macht, betritt man ein weitläufiges Foyer, das auch eine Fachbuchhandlung und eine Cafeteria enthält. An der Längswand gegenüber dem »Schaufenster« zum Platz erstreckt sich die Theke des Museums – mit einer Oberfläche in kräftigem Orange, wie es dem grafischen Erscheinungsbild des Museums entspricht. Diese Theke ordnet den Raum, weil neben ihr die Zugänge zu den drei Ausstellungsebenen liegen. Das Gebäude erhebt sich im Bereich eines ehemaligen Zivilschutz-Bunkers, der ursprünglich zum Untergeschoss des Museums umgebaut werden sollte. Aufgrund seiner schlechten Bausubstanz wurden Bunkerdecke und Innenwände abgebrochen. Das neue Untergeschoss nimmt den 265 Quadratmeter großen Bereich der Dauerausstellung »Stimmen_Orte_ Zeiten« auf, der von zahlreichen Archiv- und Serviceräumen umgeben ist. Diese unterirdische Ebene wie auch die beiden Obergeschosse sind durch breite Treppen mit der Eingangsebene verbunden, wobei das einläufig aufsteigende Treppenhaus durch ein Oberlicht im Dach viel Tageslicht erhält. Grundriss 2. Obergeschoss Grundriss Erdgeschoss Der orangefarbene Museumstresen ist Mittelpunkt des Foyers und schafft Orientierung für Kasse und Information. Freigestellte Einrichtungsmöbel strukturieren die Buchhandlung. 5 Die ungeteilten Obergeschosse werden für Wechselausstellungen genutzt. Jeweils 265 Quadratmeter groß, haben sie keine Fenster, um die Konzentration auf die Ausstellungen zu fördern. Es war ein Glücksfall, dass die Verwaltung des Museums in das nahe Ignaz-Günther-Haus verlegt wurde: Dadurch konnten die beiden Ausstellungsräume jeweils um ein Seitenkabinett erweitert werden. Der Studienraum mit multimedialen Angeboten wie auch die Präsenzbibliothek im zweiten Obergeschoss, die durch Dachlaternen belichtet wird, laden die Besucher dazu ein, ihre Eindrücke zu vertiefen. In den Innenräumen paart sich die funktionale Architektur mit einer zurückhaltenden Poesie. Bei der Ausstattung und beim Ausbau wurden nur wenige Materialien und Farben eingesetzt, die sich durch das ganze Haus ziehen. Zu seinem einheitlichen Charakter trägt nicht zuletzt bei, dass das Fassadenmaterial Travertin auch bei den Steinböden verwendet wurde. So haben die Architekten im Ganzen ein Haus geschaffen, das sich durch Klarheit, Präzision und Eleganz auszeichnet. Der Gründungsdirektor Bernhard Purin setzt sich dafür ein, dass das Museum mehr als ein Ausstellungsort ist: ein Ort an dem Begegnung statt Belehrung stattfindet und an dem man auch weitergehende Informationen erhalten kann. Das Museum als ein »Laboratorium« zu pflegen, nicht nur für Information, sondern ebenso für »Schaulust« zu sorgen. Dies zeigt bereits die neue Dauerausstellung, bei der er wiederum auf eine enzyklopädische und chronologische Darstellung verzichtet hat. Vielmehr werden die Besucher dazu eingeladen, sich eigene Gedanken zu machen, sich selber Fragen zu stellen. Mit dem Wiener Architekten Martin Kohlbauer setzt das Museum auf einen Gestalter, dessen Ausstellungsdesign sich mit dem Raumempfinden der Architekten des Hauses ergänzt: Konzentration auf das Wesentliche, Gestaltung statt Formalismus und – keine Scheu vor dem »leeren« Raum. Die Bibliothek mit Tageslicht von oben lädt zum konzentrierten Studieren ein (oben). Zwei Obergeschosse bieten jeweils einen großen ruhigen Raum für Wechselausstellungen (unten). 6 Der gläserne Windfang des Museums bietet Durchblick zum Gemeindehaus (rechts). Schlicht und dennoch ein Schmuckstück: die helle Treppenanlage lockt die Besucher in die Ausstellungsräume (unten). 7 Titel: Kontrastreiches Spiel des Natursteins: der raue Sockel der Synagoge spiegelt sich im Glas der glatten Museumsfassade. Bauherr Landeshauptstadt München Kulturreferat Entwurfs- und Ausführungsplanung Wandel Hoefer Lorch Architekten, Saarbrücken Baumaßnahme Neubau des Jüdischen Museums München Projektleitung Landeshauptstadt München Baureferat (Hochbau) Uwe Kürschner Projektsteuerung DU-Diederichs, München Raumprogramm Objektüberwachung Baugrube Ingenieurbüro Dr. Schubert, Olching Objektüberwachung Planungsgemeinschaft Objektüberwachung WHL mit CL MAP Tragwerksplanung Sailer Stepan und Partner, München Haustechnik, Kommunikationstechnik und Elektroplanung Ingenieurbüro Konrad Huber, München Lichtplanung Lichtvision, Berlin Ebene –1 Dauerausstellung »Stimmen_Orte_Zeiten – Juden in München« Garderobe, Sanitäranlagen, Museumsdepot, Technikräume Ebene 0 Foyer, Café-Bar und Fachbuchhandlung Ebene 1 Wechselausstellung, Studienraum Ebene 2 Wechselausstellung, Leseraum Standort München - Altstadt Kunst Sharone Lifschitz, London Hauptnutzfläche 1.425 m2 Bruttogeschossfläche 2.583 m2 Bruttorauminhalt 12.660 m3 Beauftragungen durch das Jüdische Museum: Baukosten 13,5 Mio. Euro Ausstellungsarchitektur Architekt Martin Kohlbauer, Wien Baubeginn Juni 2004 Ausstellungsgrafik und Besucherleitsystem A+H Haller, Wien Eröffnung 22. März 2007 Medientechnik Die Werft, München Depotplanung Johannes Baur, München 2 1 0 –1 Herausgeber: Landeshauptstadt München Baureferat Friedenstraße 40 81660 München März 2007 Gestaltung: Guido Hoffmann, Visuelle Gestaltung Redaktion: Aysim Woltmann (Baureferat) Text: Wolfgang Jean Stock Fotos: Roland Halbe Zeichnungen: Florian Lechner Lithografie: Fotolito Longo Druck: Weber Offset Druck GmbH Längsschnitt durch das Haupttreppenhaus