SII Architektur 5 Peter Zumthor 1 von 34 Die atmosphärische Architektur des Peter Zumthor: unverwechselbare Präsenz von Ort, Licht, Material und Gelassenheit Claudia Schönherr-Heinrich, Berlin T H C I S N A R O V Schülerarbeit: Entwurfsskizzen für einen kleinen Versammlungsraum Peter Zumthor ist einer der bedeutendsten Architekten der Gegenwart. Seine Bauwerke gehen in besonderer Weise mit den Orten um, an denen sie stehen. Sie bieten Räume an, die die Ruhe und Gelassenheit ausstrahlen, die der Baumeister auch bei ihrer Erarbeitung für sich in Anspruch nimmt. Aussagekräftige Materialien, deren sorgfältige Bearbeitung, berührende Lichtsituationen und bestechende Konstruktionen bringen Gebäude hervor, die in ihrer ästhetischen Qualität unverwechselbar sind. Klassenstufe: 11/12 Dauer: 10 Doppelstunden (ohne Klausur) Bereich: Architektur In der vorliegenden Unterrichtseinheit lernen Ihre Schülerinnen und Schüler die wichtigsten Bauwerke Zumthors sowie seine Arbeitsweise kennen. Eine zweiteilige praktische Arbeit bildet die Klammer: Zunächst wird die Atmosphäre eines Ortes erfasst, um am Ende der Einheit in einem Entwurf eines kleinen Versammlungsraumes für diesen Ort Licht, Material und Form zu konkretisieren. RAAbits Kunst Februar 2016 6 von 34 Peter Zumthor Architektur 5 SII Informationen fertigen die Schülerinnen und Schüler perspektivische Skizzen der von ihnen bearbeiteten Gebäude an. Dies dient der Veranschaulichung sowie der Vorbereitung des praktischen Teils der Klausur. Für die vertiefende Internetrecherche sind Adressen beigefügt. Ihre Arbeitsergebnisse präsentieren die Gruppen vor dem Plenum und stellen ihren Mitschülerinnen und Mitschülern zugleich ein Handout zur Verfügung (M 5–M 9). Bündelung: Die Merkmale der Architektur Peter Zumthors In Einzelarbeit vertiefen die Lernenden nun ihre Erkenntnisse und bündeln diese in Stichpunkten. Im Plenum werden die Ergebnisse zusammengetragen, sodass eine solide Vorbereitung auf die Klausur gewährleistet ist (M 10). Praktische Arbeit: Entwurf eines kleinen Versammlungsraumes für den skizzierten Ort Auf Grundlage ihrer zu Beginn der Unterrichtseinheit erstellten Strukturskizzen einer Freifläche entwerfen die Schülerinnen und Schüler ein kleines Gebäude für diese. Hierbei können sie auf ihr Wissen bezüglich der Prinzipien Peter Zumthors zurückgreifen, sich diese noch einmal vor Augen führen und anwenden. In einem Gallery Walk werden alle Ergebnisse gewürdigt und drei ausgewählte Arbeiten ausführlicher besprochen (M 11). Klausur: Text und Zeichnung für einen Architekturführer T H C I S N In der Klausur schreiben die Schülerinnen und Schüler einen Text über ein ausgewähltes Gebäude Peter Zumthors für einen fiktiven Architekturführer. Hierbei müssen sie in präziser Form ihr Wissen darlegen. Eine zweifluchtpunktperspektivische Skizze des Gebäudes bildet den praktischen Teil (M 12). A R O Verlaufsübersicht V Arbeitsschritte Checkliste: Materialien, Vorbereitung 1. Kontemplative Wahrnehmung eines Ortes M 1, Skizzenpapier DIN A4, Pastellkreiden und Kohle, Fixativ bzw. Haarspray, Pinnwandnadeln bzw. Klebestreifen praktische Arbeit und Auswertung Zeitbedarf: 90 Minuten 2. Werkanalyse Kunsthaus Bregenz M 2, M 3 (im Klassensatz kopiert und Seite 2 auf Folie zum Ausfüllen), OHP, Folienstifte Bearbeitung eines Arbeitsblattes in PartnerZeitbedarf: 90 Minuten arbeit und Auswertung im Plenum 3. Leben und Philosophie Peter Zumthors M 2, OHP, M 4 (im Klassensatz kopiert) individuelle Textlektüre und Werkbetrachtung Zeitbedarf: 90 Minuten / Auswertung im Plenum 4. Selbstständige Auseinandersetzung mit vier Bauwerken Peter Zumthors M 2, M 5, OHP, M 6, M 7, M 8, M 9 (jeweils in Gruppengröße kopiert), kopierte Handouts der Schülerinnen und Schüler Bearbeitung von Arbeitsblättern in vier Gruppen, individuelle Skizzen und Gruppenprä- Zeitbedarf: 270 Minuten sentation mit Handouts RAAbits Kunst Februar 2016 SII Architektur 5 Peter Zumthor 5. Bündelung der Architekturmerkmale Zumthors 7 von 34 M 10, ggf. M 2, M 5, OHP individuelle Arbeit und Auswertung im Plenum Zeitbedarf: 45 Minuten 6. Entwurf eines kleinen Versammlungsraumes für den skizzierten Ort M 11, Skizzenpapier DIN A4, Zeichenpapier DIN A3, Bleistifte, Buntstifte, schwarze Fineliner, Pinnwandnadeln bzw. Klebestreifen praktische Arbeit, Gallery Walk und BespreZeitbedarf: 315 Minuten chung dreier Ergebnisse im Plenum 7. Klausur M 5, OHP, M 12 (im Klassensatz kopiert), Skizzenpapier DIN A4, Bleistifte, Fineliner mit theoretischem Schwerpunkt und praktiZeitbedarf: 135 Minuten schem Anteil Materialübersicht M1 (Af) Wahrnehmung und Visualisierung eines Ortes M2 (F) Kunsthaus Bregenz, Kapelle Sogn Benedetg und Steilneset-Memorial M3 (Tx/Ab) Ein Lichtkörper am Bodensee: Das Kunsthaus Bregenz M4 (Tx/Bd) Der Architekt Peter Zumthor – ein Poet unter den Architekten M5 (F) Das Kolumba-Museum, die Bruder-Klaus-Kapelle und die Therme in Vals M6 (Ab) Am Ende der Welt: das Steilneset-Memorial in Norwegen M8 V M 10 M 11 M 12 I S N A R O M7 M9 T H C (Ab) Grandios umbauter Raum: das Kolumba-Museum in Köln (Ab) Auf dem Feld: die Bruder-Klaus-Kapelle in Mechernich-Wachendorf (Ab) Baden im Berg: die Therme in Vals (Af) Gebündelt: die Merkmale der Architektur Peter Zumthors (Af) Ein kleiner Versammlungsraum für einen spezifischen Ort: Entwurfsarbeit (Af) Klausur: Text und Skizze für einen Architekturführer Ab: Arbeitsblatt – Af: Aufgabenstellung – Bd: bildliche Darstellung – F: Folie – Tx: Text RAAbits Kunst Februar 2016 8 von 34 M1 Peter Zumthor Architektur 5 SII Wahrnehmung und Visualisierung eines Ortes Fotos: Thinkstock/iStock Der visuelle Eindruck der Umgebung ist nur ein Teil der Wahrheit … Aufgabe 1 Gehen Sie an eine beliebige Freifläche in Ihrem Schulumfeld und lassen Sie sich dort nieder. Nehmen Sie sich Zeit, um diesen Ort möglichst genau wahrzunehmen. Nehmen Sie den Ort wahr. Erkunden Sie natürliche Gegebenheiten wie Boden und Pflanzen, aber auch Formen und Strukturen der umgebenden Gebäude und Verkehrswege (vertikale, horizontale, runde Linien und Formen) sowie die Farbigkeit des Ortes insgesamt und im Einzelnen. Nehmen Sie auch Gerüche, Geräusche und Lichtverhältnisse des Ortes wahr, sodass für Sie ein Gesamteindruck dieses Ortes entsteht. Aufgabe 2 Finden Sie mithilfe von Kohle und farbigen Pastellkreiden eine skizzenhaft-abstrahierte Form, um diesen Ort zu charakterisieren. Zeichnen Sie keine konkreten Formen wie Bäume und Häuser, sondern reduzieren Sie alles Sichtbare und Erlebbare auf Farbflächen und Richtungen, sodass ein atmosphärisches Bild des Ortes entsteht. Arbeiten Sie auf DIN A4. Fertigen Sie mehrere Blockstudien an und wählen Sie diejenige aus, die Ihrer Ansicht nach am aussagekräftigsten ist. Fixieren Sie Ihre Skizze nach der Rückkehr in den Unterrichtsraum nach 45 Minuten. T H C I S N A R O Erläuterungen (M 1) Schreiben Sie vor der Unterrichtsstunde die wichtigsten Aspekte der Aufgabe stichpunktartig an die Tafel. Erläutern Sie dann die Aufgabe anhand der Stichpunkte und zeigen Sie ggf. ein Beispiel. Nach Fertigstellung und Fixierung der Skizzen werden diese im Unterrichtsraum aufgehängt. Lassen Sie nach einer Betrachtungsphase einzelne Schülerinnen und Schüler ihre Wahrnehmungen sowie die Schwierigkeiten bei der Umsetzung in eine abstrahierte Form nennen. Ziel der Besprechung soll ein vertieftes Bewusstsein der Lernenden dafür sein, dass jeder Ort durch Farben, Formen, Richtungen, Lichtverhältnisse und Materialien eine spezifische Atmosphäre erhält. V Die Skizzen der Lernenden kommen im Rahmen von M 11 erneut zum Einsatz! Erwartungshorizont (M 1) Schülerarbeit: farbige Pastellskizze eines Ortes im Schulumfeld RAAbits Kunst Februar 2016 SII 9 von 34 Peter Zumthor Kunsthaus Bregenz, Kapelle Sogn Benedetg und Steilneset-Memorial b a T H C c d I S N A R O V e Peter Zumthor: a) Kunsthaus Bregenz, Museumsgebäude, 1997; Außenansicht, b) Kunsthaus Bregenz, Innenraum, c) Kapelle Sogn Benedetg, Sumvigt, 1989; Außenansicht, d) Steilneset-Memorial, Vardø, 2011; Innenansicht des Pavillons mit dem Kunstwerk von Louise Bourgois e) Steilneset-Memorial, Außenansicht RAAbits Kunst Februar 2016 Fotos: a) Imago, b) mauritius images/Alamy, c) Adrian Michael/CC-BY-SA30, d) picture alliance/dpa, e) picture alliance/NTB scanpix M2 Architektur 5 10 von 34 Peter Zumthor Architektur 5 SII M 3 Ein Lichtkörper am Bodensee: Das Kunsthaus Bregenz Ort: Bregenz liegt am östlichen Ende des Bodensees auf österreichischer Seite. Das Kunsthaus, bestehend aus einem turmartigen Museumsbau und einem niedrigeren Verwaltungsgebäude mit Café, liegt in unmittelbarer Nähe des Hafens. Planung und Bau: Der Architekt Peter Zumthor wurde vom Land Vorarlberg mit der Planung beauftragt. Das Gebäude wurde von 1990 bis 1997 errichtet. Konstruktion: Das Museumsgebäude besteht aus sechs Geschossen. In den beiden Untergeschossen befinden sich Depots, Werkstatträume sowie WC, das Erdgeschoss beherbergt das Foyer und die drei Obergeschosse dienen als Ausstellungsräume in einem Raumkontinuum. Das Bauwerk besteht aus einem StahlLageplan gerüst sowie zwei Schichten schuppenartig vorgesetzter Glastafeln, die auf Metallkonsolen ruhen. Wasserführende Rohrsysteme verlaufen unsichtbar zwischen den Glasschichten und in den Decken. Die Fassade weist keine Auskragungen auf. T H C I S N A R O V Grundriss 1., 2., 3. OG 4. OG, Schnittebene Oberlicht Schnitt (von Südost) Raumklima: Eine maschinelle Klimatisierung der Räume ist nicht nötig, da der Luftraum zwischen den Glasschichten für Luftaustausch und Wärmeregulierung sorgt. Materialien: Die verwendeten Glasplatten haben alle dieselbe Größe und sind so geätzt, dass sie wie Milchglas wirken, also semitransparent sind. Sie wurden auch für die Decken in den Ausstellungsetagen verwendet. Die Wände im Inneren sind aus Beton, Fußböden und Treppen aus Terrazzo. Die Farbe Grau dominiert. Treppengeländer und Türen sind aus Stahl. Licht: Das Tageslicht wird durch die Glasplatten gefiltert und in die Lichtdecken der Ausstellungsräume gelenkt. Dort ist zusätzlich künstliches Licht eingebaut, das bei Dunkelheit durch die Gebäudehülle fällt und so die innere Gebäudestruktur außen sichtbar macht. Befestigung der Glasplatten RAAbits Kunst Februar 2016 SII Architektur 5 Peter Zumthor 11 von 34 Nehmen Sie in Partnerarbeit anhand der gegebenen Abbildungen und des Textes eine Werkanalyse vor. Tragen Sie beide zu den jeweiligen Aspekten in der Tabelle Ihre Beobachtungen und Erkenntnisse ein, die Sie vorher miteinander abgestimmt haben. Sie haben 45 Minuten Zeit. Aspekte und Fragestellungen Foto: Imago Aufgabe Beobachtungen / Erkenntnisse allgemeine Daten (Architekt, Jahr der Fertigstellung, Standort, Funktion) erster Eindruck (Form, statisch oder dynamisch?, Einbindung in die Umgebung, Gliederung und Materialien der Fassade, Besonderheit des Gebäudes) T H C I S N Materialien, Konstruktion A R O Baukörper (Gesamtform und Elemente), Dimensionen V Blickführung, Bewegung, Rhythmus Fassade (Gestaltung, Materialien, Farbe, Licht, Verhältnis Fassade und Konstruktion) Innenraum (Gliederung, Dimensionen, Lichtverhältnisse, Raumwirkung) Außenraum (Verhältnis zwischen Baukörper und Außenraum, z. B. Entstehung eines Platzes?) RAAbits Kunst Februar 2016