Die Schicksalsformel

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Wurzeln
Die Schicksalsformel
Das Geheimnis der vedischen Astrologie
und der indischen Palmblattbibliotheken
A
nders als im Westen sind in Indien Wissenschaft und Religion
keine ausgeprägten Gegensätze. Sie werden vielmehr als zwei
verschiedene, einander ergänzende
Wege auf der Suche nach Wahrheit
und Erleuchtung angesehen. In der
hinduistischen Wissenschaft hängt
das Verständnis der äußeren Wirklichkeit untrennbar vom Verständnis des Göttlichen ab. Die vedische
Astrologie geht davon aus, daß das
Universum ein geschlossenes System darstellt und in seiner Gesamtheit den gleichen Gesetzmäßigkeiten
gehorcht. Bei der Betrachtung eines
beliebigen Teiles dieses geschlossenen Systems muß es daher möglich
sein, auf das Verhalten anderer Teile
dieses Systems zu schließen.
Der Grundsatz „Wie oben,
so unten“ der abendländischen Hermetiker besagt
im Prinzip dasselbe.
Ein Horoskop zeigt nach Auffassung der Jyotir-Astrologen daher bei
entsprechender Berechnung mit exakter Genauigkeit die Verteilung der
Wirklichkeitsbausteine an, aus denen
sich das Leben eines jeden Menschen im einzelnen zusammensetzt.
Das Horoskop läßt also sichtbar werden, welche dieser „Bausteine“ etwa
in Form von Talenten, Neigungen und
Veranlagungen mit in das Leben gebracht werden und welche es noch
durch entsprechende Erfahrungen
zu erwerben gilt. In einem solchen
Horoskop sind Ausgangspunkt und
Finalität eines Lebens vereint. Das
Horoskop, welches für den Zeitpunkt
der Geburt eines Menschen erstellt
wird, beinhaltet aus der Sicht der
Jyotir-Veda also die „Lebensformel“
der betreffenden Person. Die indische Astrologie - einstmals wurde sie
mit Astronomie gleichgesetzt - wird
schon seit mehr als 1.500 Jahren in
der heute bekannten Form ausgeübt.
Sie ist aus der Synthese zweier gro-
von Thomas Ritter
ßer Traditionen entstanden. In Indien
entwickelte sich ursprünglich die im
Purana beschriebene Jyoti - die Wissenschaft der göttlichen Astronomie.
Erste „Untersuchungen der Lichter
am Himmel“ finden sich in den Vedangas. Diese Kommentare sind die
„Glieder der Veden“ und um etwa
400 v. u. Z. zum ersten Male schriftlich niedergelegt worden. Ebenso wie
die frühe westliche Astrologie stellte
auch die Jyoti-Lehre eine Wissenschaft dar, die aus den Disziplinen
Philosophie, Astronomie und Mathematik bestand. Sie verschmolz vor
mehr als 1.500 Jahren mit dem altgriechischen System der Astrologie.
Daher ist die indische Astrologie der
abendländischen auch in vielen Belangen ähnlich. So führte die Verbindung zwischen abendländischem und
indischem Denken zu einer Blüte der
wissenschaftlichen Astrologie, die
bis heute andauert, da die Horoskope
indischer Astrologen von einer bestechenden Präzision sind.
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Wurzeln
Das Schicksal
auf dem Palmblatt
Jedoch bildet das Horoskop nicht die
einzige Variante der Zukunftsschau.
Es gibt noch andere Möglichkeiten,
deren wohl vollkommenste und auch
spektakulärste vor allem in Indien
praktiziert wird - in den geheimnisumwobenen Palmblattbibliotheken.
Die Urschriften der dort aufbewahrten Palmblätter wurden von einer
Gruppe mythischer Wesen verfaßt,
den Rishis, die etwa 5000 v. Chr. gelebt haben sollen. Der Überlieferung
zufolge nutzten die Rishis ihre spirituellen Fähigkeiten dazu, aus der
Akasha-Chronik, dem sogenannten
„Weltgedächtnis“, die Lebensläufe
von mehreren Millionen Menschen
zu lesen und schriftlich auf den getrockneten Blättern der Stechpalme
zu fixieren. Das gesamte Leben dieser Menschen wurde auf den Palmblättern in Alt-Tamil - einer Sprache,
die heutzutage nur noch von wenigen
Eingeweihten beherrscht wird - in eng
geschriebenen Zeichen eingeritzt.
Ein solches Palmblatt überdauert im
Normalfall etwa 800 Jahre. Wenn es
alt und brüchig geworden ist, wird
eine Abschrift des Textes auf einem
neuen Palmblatt angefertigt. Von der
einstigen Urschrift sollen zwölf Kopien existieren, die in ebenso vielen Bibliotheken bewahrt werden. Etwa 10
Prozent der dort archivierten Palmblätter sollen Informationen über das
Schicksal von Nicht-Indern enthalten. Jeder, der erfahren möchte, was
das Schicksal für ihn bereithält, muß
sich aber selbst nach Indien in eine
der Palmblattbibliotheken begeben.
I
m August 1993 besuchte ich zum
ersten Mal den indischen Subkontinent. Da sich alle mir bekannten
Palmblattbibliotheken in Südindien befinden, hatte ich Madras, die
Hauptstadt des indischen Bundesstaates Tamil Nadu, als Ausgangsort
meiner Exkursionen gewählt. Das
Nadi-Reading, welches der Leser R.
V. Ramani in seiner Bibliothek dort
für mich abhielt, dauerte etwa 50 Minuten. Die Basis des Nadi-Readings
ist die Lehre vom Shuka-Nadi. Diese
Lehre beruht auf der Wahrnehmung
von Vergangenheit und Zukunft jenseits unseres herkömmlichen RaumZeit-Begriffes. Darauf aufbauend,
soll das Shuka-Nadi eine lebensberatende Funktion ausfüllen. In der
Palmblattbibliothek von Sri Ramani,
die in ihrem Ursprung auf den Rishi
Kakabujanda zurückgehen soll, lief
das Nadi-Reading nach einem vorgezeichneten Ritual ab. Der Klient gibt
zunächst seinen vollständigen Namen und sein Geburtsdatum an. Das
Orakelhafte der Zeremonie beginnt,
wenn der Besucher dann neun polierte Muscheln über einem Mandala werfen muß, das in einen kleinen
Teppich gestickt ist. Danach sucht
In der Palmblattbibliothek Tanjore
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der Nadi-Reader die im Zentrum des
Mandalas liegenden Muscheln heraus. Ihre Zahl, verbunden mit den
bereits genannten Daten, bildet die
Information für das Auffinden des
persönlichen Palmblattes unter Tausenden von Palmblattmanuskripten.
Sri Ramani gelang es in relativ kurzer Zeit (ca. 5 - 7 Minuten), „mein“
persönliches Palmblatt herauszusuchen. Danach übersetzte er die Texte
des Palmblattes schriftlich ins Englische.
M
ein Palmblatt enthielt Informationen und genaue Daten über die Vergangenheit,
teilweise sogar aus früheren Inkarnationen, bis hin zur Zukunft sowie
Aussagen über sehr persönliche, ja
intime Angelegenheiten, welche, soweit sie die Vergangenheit betrafen,
auch überprüfbar waren und der
Wahrheit entsprachen. Nach der Zeremonie war ich von der Echtheit des
Nadi-Readings zumindest in diesem
Fall überzeugt. Doch genügte das als
Beweis? Es gab nur einen wirklichen
Beweis - das Palmblatt selbst. Und
so wagte ich das Unmögliche und
bat den Nadi-Reader um mein Palmblatt, es mitnehmen zu dürfen nach
Europa. Solch einer Bitte war meines
Wissens noch niemals stattgegeben
worden. Doch das Unglaubliche geschah. Sri Ramani öffnete erneut die
zu Bündeln zusammengeschnürten
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Manuskripte und übergab mir dieses für mich unschätzbar wertvolle
Palmblatt. Die Fotokopien dieses
Manuskriptes wurden von führenden
Spezialisten Europas für alttamilische Philologie analysiert und geprüft. Die Übersetzung gestaltete sich
jedoch bei weitem langwieriger und
komplizierter als ich angenommen
hatte. Sie nahm mehr als zwei Jahre in Anspruch. Dennoch wurde mir
im Ergebnis mitgeteilt, daß es sich
bei dem Manuskript tatsächlich um
meinen Lebenslauf und nicht etwa
um einen beliebigen religiösen Text
handelt. Ferner nahm das Kernforschungszentrum Rossendorf/Sachsen unabhängig von den Ergebnissen
der Übersetzung eine Altersbestimmung des Palmblattes mittels der C14-Methode vor. Diese Analyse ergab,
daß das untersuchte Palmblatt älter
als 350 Jahre ist. Mit aller gebotenen
Vorsicht möchte ich dies als einen
Beweis dafür werten, daß zumindest
vor 350 Jahren jemand meinen Lebenslauf jedenfalls insoweit kannte,
als er ihn von einem älteren Manuskript kopierte.
In der Palmblattbibliothek
von Bangalore
Später suchte ich eine weitere Palmblattbibliothek in Bangalore, der
Hauptstadt des indischen Bundesstaates Karnataka, auf. Für das Auffinden des Palmblattes bei der Le-
sung genügen hier die Angabe des
Namens und des Geburtsdatums.
Das Palmblatt wird nach seinem
Auffinden dem Besucher durch den
Palmblattleser Gunjur Sachidananda in Englisch vorgelesen. Es ist dem
Klienten freigestellt, die für ihn wichtigen Punkte selbst zu notieren oder
aber das Reading auf Kassette aufzuzeichnen. Die Lesung des Palmblattes untergliedert sich in mehrere Abschnitte. Nach einer astrologischen
Einleitung berichtet Gunjur Sachidananda anhand des Palmblattes zunächst von der Vergangenheit seines
Klienten in diesem Leben. Stimmen
die mitgeteilten Fakten mit der Realität überein, werden die charakterlichen Eigenschaften, Talente und
Fähigkeiten des Klienten sowie die
Aufgaben erläutert, die sich daraus
ergeben, und die für die Gestaltung
der Zukunft des Ratsuchenden wichtig sind. Das künftige Leben des Klienten wird in Abschnitten von jeweils
2 bis 3 Jahren bis hin zum Todestag
geschildert und erläutert. Im Zusammenhang damit werden auch frühere
Leben des Klienten besprochen, aus
welchen bestimmte Erfahrungen und
Ereignisse in die jetzige Inkarnation
hineinwirken. Ein weiteres Kapitel
des Nadi-Readings ist der gesundheitlichen Verfassung des Klienten
sowohl in psychischer als auch in
physischer Hinsicht gewidmet. Danach wird noch einmal gesondert die
Thematik Partnerschaft und Familie
mit allen positiven und auch weniger günstigen Aspekten besprochen.
Zum Abschluß des Nadi-Readings
erhält jeder Klient sein ganz persönliches Mantra, welches er immer
dann sprechen soll, wenn er in Situationen gerät, welche die ganze Kraft
der Persönlichkeit erfordern. Die
Texte meiner Palmblätter in den Bibliotheken von Madras und Bangalore stimmten in ihren Aussagen nicht
nur überein, sondern korrespondierten in dem Sinn miteinander, daß die
Aussagen des Nadi-Readings in Bangalore jene von Madras ergänzten
und umgekehrt.
S
o unterschiedlich die in den
einzelnen Bibliotheken praktizierten Rituale zum Auffinden
der einzelnen Palmblätter auch immer sein mögen - inhaltlich sind die
Lebensläufe äußerst präzise. Soweit
meine nächste Zukunft betroffen war,
welche nunmehr bereits Vergangenheit ist, konnte ich feststellen, daß
all das, was mir das Palmblattorakel
vorausgesagt hatte, auch eintraf. Es
war von einer bedeutenden Veränderung in meinem Leben die Rede
gewesen, einer Hinwendung zu geistigen Werten und der Möglichkeit,
meine Leidenschaft - das „magische
Reisen“ - zum Beruf zu machen. All
dies war mir vorausgesagt, und dennoch war ich wohl am überrasch-
Links:
Palmblattrestaurator
bei der Arbeit
Oben:
Palmblattleser Sri Ramani
Rechts:
Bibliotheksschrank
in Tanjore
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Wurzeln
I
Der Autor Thomas Ritter beim Palmblattleser
testen von allen, als es einfach geschah, denn Voraussagen zu hören
und ihnen zu glauben, das sind zwei
sehr unterschiedliche Dinge. Doch
gerade dies ist wohl Sinn und Zweck
der Palmblattbibliotheken - nämlich
bestimmten Menschen zu bestimmten Zeiten die Aufgaben zu zeigen,
welche sie in ihrem Leben erfüllen
sollen.
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MATRIX3000 Band 40/Juli/August 2007
n den Bibliotheken werden jedoch
nicht nur Voraussagen über die
individuellen Schicksale verschiedener Menschen aufbewahrt. Es existieren auch Palmblattmanuskripte,
deren Inhalt sich mit künftigen gesellschaftlichen, technischen und
wissenschaftlichen Entwicklungen
beschäftigt. Diese Manuskripte werden von den Palmblattlesern allerdings nur selten zu Rate gezogen.
Die Präzision der Aussagen indischer Sterndeuter und Palmblattleser vermag manchen zu dem voreiligen Schluß verleiten, die Zukunft
sei weitgehend vorherbestimmt.
Jedoch hat die Akasha-Chronik nicht
ausschließlich deskriptiven Charakter. Sie gleicht vielmehr einer Art
von virtuellem Speicher, der ständig
Ereignisse aufnimmt, die initialisiert
oder verändert werden. Die AkashaChronik schreibt also den Ablauf der
Ereignisse nicht unausweichlich vor.
Es ist vielmehr möglich, mit ihr und
den Voraussagen aktiv zu arbeiten.
Die Zukunftsdeutungen sind ebenso
wie die Akasha-Chronik selbst Hilfsmittel zur Klärung von Ursachen, die
in der Vergangenheit liegen und sich
in der Gegenwart auswirken oder sich
erst noch möglicherweise in der Zukunft auswirken werden.
Die eigene Zukunft mittels des vedischen Horoskops oder einer Palmblattlesung zu kennen, bedeutet aber
gleichzeitig auch, diese Zukunft beeinflussen zu können. Wenn es so etwas wie ein Geheimnis der vedischen
Astrologie und der Palmblattbiblio-
theken gibt, dann ist es dies: Das Horoskop oder die Palmblattlesung sind
Beschreibungen unseres Lebens.
Leben aber müssen wir unser Leben
selbst jeden Tag aufs Neue. So schreiben wir schließlich das Buch unseres
Schicksals. ■
Buch Thomas Ritter
Thomas Ritter
Die Palmblattbibliotheken
Kopp-Verlag, Rottenburg 2006
ISBN 3-938516-20-8
Das Buch „Die Palmblattbibliotheken“
von Thomas Ritter enthält auch Prophezeiungen für die Zukunft Europas, die
seit Monaten für eine heftige Kontroverse sorgen. Aus Platzgründen können wir
hier nicht detailliert auf die Argumente
der beiden Seiten eingehen. Wir bitten
interessierte Leser, sich direkt an den
Autor bzw. an den Kopp-Verlag zu wenden. Die Redaktion Matrix3000 hofft,
daß sich die ganze Angelegenheit bald
aufklären wird.
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