Aus der Thoraxchirurgischen Universitätsklinik Lund, Schweden (Chefarzt: O. Dahlbäck) Die operative Behandlung der Bronchusstumpfinsuffizienz nach Pneumonektomie Von O. DAHLBÄCK und H. SCHÜLLER Trotz verbesserter Operations- und Nahttechnik ist das Risiko einer Bronchusstumpfinsuffizienz nach Pneumonektomie immer noch gegeben. Die Häufigkeit hat zwar in den meisten Statistiken wesentlich abgenommen, die relativ große Anzahl von Publikationen über neue Verschlußmethoden spricht aber dafür, daß die Ideallösung noch nicht gefunden ist. An unserer Klinik haben wir im Laufe der letzten 10 Jahre insgesamt 324 Pneumonektomien unter ungefähr gleichartigen Bedingungen ausgeführt. Die Frequenz der Bronchusfisteln war aber von Jahr zu Jahr variierend. So mußten wir nach anfänglich seltenerem Vorkommen in den Jahren 1962/63 eine vorübergehende Zunahme um mehr als das Doppelte verzeichnen. Insgesamt traten bei den 324 Pneumonektomien in 22 Fällen Bronchusfisteln auf (Tab. 1). Die Verteilung zwischen Karzinom, der Lungentuberkulose und den gutartigen Indikationen ist aus der ersten Tabelle zu entnehmen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Veröffentlichungen haben wir die höchste Quote bei den Karzinomfällen. Auf Diskussionen um die Ätiologie soll nicht näher eingegangen und nur ein paar Beobachtungen bei unseren 22 Fällen erwähnt werden. Dreimal wurde Krebswachstum im Fistelbereich festgestellt, während auch bei kritischer Nachuntersuchung der Operationspräparate histologisch keine Tumorinfiltration im zentralen Bronchusstumpf der entfernten Lungen gefunden werden konnte. Bei 3 Fällen war schon bei der Pneumonektomie kein sicherer freier Rand im Resektionsbereich vorgelegen. In 10 der weiteren 16 Fälle war vor dem Manifestwerden der Fistel klinisch, wie bakteriologisch eine Infektion der Pleurahöhle festgestellt worden. Besonders in den Jahren 1962/63 war in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle Infektion mit Staph. aureus aufgetreten. Ob Hospitalismus als Ursache für das gehäufte Vorkommen in Betracht kommt, verbleibt eine Vermutung. Bei den weiteren Fällen waren möglicherweise fehlerhafte Operationstechnik und primäre Wundheilungsschwäche als Ursache anzunehmen. Inwieweit Suturtechnik und -material als Ursache für die variierende Fistelfrequenz verschiedener Schulen und Autoren anzusehen ist, soll in diesem Zusammenhang nicht erörtert werden (LYNN, RAUCH, STURZENEGGER USW.). Die Schwierigkeit, statistische Schlüsse aus kleineren individuellen Serien zu ziehen, ist hinreichend bekannt. Im weiteren soll nur auf die Behandlung der Bronchusfistel nach Pneumonektomie eingegangen werden. VOSSSCHULTE und STILLER haben bereits 1953 die nach unserer Auffassung wesentlichen Prinzipien mit sofortiger Reoperation, Fisteldeckung und anschließender Thorakoplastik energisch hervorgehoben. Wir wollen nun unsere Erfahrungen mit der aktiven chirurgischen Behandlung zur Diskussion stellen, da eine Reihe späterer Autoren und verschiedene Kollegen im persönlichen Kontakt andere Auffassungen über die Behandlung vertreten. Wenn auch Heilungen nach konservativer Behandlung beschrieben worden sind, so wird doch heute die Drainage und Spülbehandlung kaum mehr empfohlen, da die Mehrzahl der Fistelfälle früher oder später den Folgen der Komplikation erliegen (STURZENEGGER usw.). Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 1 Abbildung Die operative Behandlung der Bronchusstumpfinsuffizienz nach Pneumonektomie 217 Operatives Vorgehen wird daher von mehreren Autoren vorgeschlagen, meist aber erst nach einigen Wochen oder Monaten der Vorbehandlung (MONOD, SZÖTS u. DANIEL USW.). ABRUZPADHI und LYNN be- schrieben Operationsniethoden für Verschließung der Bronchusfistel im Mediastinum. Thorakoplastiken verschiedener Art werden vorgeschlagen (RICHTER U. BERNHARD USW.). Wir selbst empfehlen die unAbb. 1 Gestielter Perikardlappen auf dem Bronchusstumpf mittelbare Radikaloperation, die wir bei allen 22 Fistelfällen durchgeführt haben. Nach Stellung der klinischen Diagnose, welche in 13 Fällen außerdem noch durch akute Bronchoskopie sichergestellt worden war, erfolgte die Reoperation innerhalb weniger Stunden. Nur 3 der 22 Fälle hatten unsere Klinik beim Zeitpunkt des Fistelauftrittes bereits verlassen und kamen daher erst einige Tage später zur Wiederaufnahme und anschließender Reoperation. Die Bronchusstumpfinsuffizienzen traten in unserem Material zwischen 5 Tagen und 4 W o chen nach der Pneumonektomie auf, im Durchschnitt nach 16½ Tagen. Das Verhältnis zwischen rechter und linker Seite betrug für die 17 Karzinomfälle 11:6, bei den Tuberkulosefällen dagegen 1:4. Das Durchschnittsalter lag bei etwa 60 Jahren. Unser Vorgehen besteht aus folgenden Momenten (Tab. 2): Sofortige Operation, ehe die Infektion der Pleurahöhle sich weiter ausbreitet mit sorgfältiger Ausräumung. Wenn möglich versuchen wir die Reamputation und Resutur des Stumpfes. Bei unseren 22 Fällen war die Auffrischung des Resektionsrandes in 11 Fällen mehr oder weniger möglich, die Resutur ließ sich in über zwei Drittel der Fälle ohne Schwierigkeit durchführen. Zur Deckung des Stumpfes verwenden wir in erster Linie gestielte Perikardlappen (Abb. 1). Falls die Anwendung des Perikards wegen vorausgegangener Resektion oder anderen Gründen nicht möglich ist, verwenden wir Pleuralappen, Vena azygos oder Interkostalmuskulatur. In einigen Fällen hat sich auch freies Fascia-lata-Transplantat bewährt. Die Thorakoplastik wird meist bis zur 8. oder 9. Rippe durchgeführt. Leider haben wir anfänglich die gleichTab. 1 Thoraxchirurgische Klinik, Lund, Schweden 1954-1964 Pneumonektomie Bronchusfistel % Neoplasma Tbc. pulm. Bronchiektasien, usw. 214 94 16 17 5 0 7,9 5 0 Insgesamt 324 22 6,7 Indikation Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. ZINI, 218 O. DAHLBÄCK, H. SCHÜLLER Tab. 2 Behandlungsschema Sofortige Rethorakotomie und Ausräumung der Pleurahöhle Ev. Reamputation und Resutur des Bronchusstumpf Abdeckung mit gestieltem oder freiem Transplantat (vorwiegend Perikard) Thorakoplastik Aktive Dauerdrainage Tracheostomie und ev. Respirator zeitige Plastik in ein paar Fällen nicht vorgenommen und prompt Fistelrezidive und Pleuraempyem erhalten. Ein weiterer wichtiger Punkt für die folgende Behandlung ist nach unserer Auffassung eine ausreichende Pleuradrainage mit aktivem Unterdruck. Im Durchschnitt lassen wir diese 18 Tage postop. liegen, bis die Bronchusfistel sicher verschlossen bleibt und die eitrige Sekretion zurückgegangen ist. Spülungen wurden nur in Ausnahmefällen durchgeführt. U m nun diese umfassende Radikaloperation bei den oft sehr mitgenommenen Patienten durchführen zu können, schließen wir in den meisten Fällen die unmittelbare Tracheostomie an. Bei insgesamt 16 Patienten wurde Beatmung mit dem Engströmrespirator durchgeführt, im Durchschnitt 6 Tage lang (Tab. 3). Verbesserte Kenntnisse der Intensivbehandlung, die Anwendung von Mannitol als Oliguriprophylaxe usw. hatten zur Folge, daß die früher recht hohe Mortalitätsrate in den letzten Jahren wesentlich gesenkt werden konnte. Von den 22 Patienten verstarben 7 innerhalb der ersten 4 Wochen nach der Reoperation. In 4 Fällen war es zu erneutem Aufgehen des Bronchusstumpfes gekommen. Zentrales Krebswachstum und die anfängliche Unterlassung der gleichzeitigen Thorakoplastik müssen dafür als Ursache angenommen werden. 1 Pat. verstarb an plötzlich auftretenden Symptomen einer Hirnstammetastase, 1 Pat. an Urämie und 1 Pat. erlag unbeeinflußbarem Kammerflimmern während der Reoperation. Die ersten 5 Todesfälle ereigneten sich vor 1960 unter 8 operierten Fistelfällen, während die folgenden 14 Operationen nur mit 2 Todesfällen belastet wurden. Unter weiteren Komplikationen sind 2 Fälle mit konsekutiven ösophagopleuralen Fisteln zu nennen, einmal auf Grund eines, unter der Thorakoplastik weiterbestehenden Empyems und einmal bedingt durch Einwachsen mediastinaler Krebsmassen in den Ösophagus mit Fistelbildung. Beide Patienten verstarben nach ungefähr 1 Jahr. Der dritte Fall gilt einer eitrigen Myokarditis, die nach ein paar weiteren Wochen zum Tode führte. Geheilt entlassen nach einer durchschnittlichen Behandlungsdauer von 5 Wochen wurden insgesamt 12 Patienten. Die mittlere Überlebensdauer der später Verstorbenen betrug 2½ Jahre. Als Todesursache wurde meist Metastasierung und Herzversagen angegeben. Die Tab. 3 Postop. Behandlung (22 Fälle) Drainage 22 Fälle Tracheostomie 17 Fälle Respirator 15 Fälle Dauer etwa 18 Tage Dauer etwa 20 Tage Dauer etwa 6 Tage Durchschnittliche Behandlungsdauer für geheilte Fälle nach der Reoperation 5 Wochen Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 219 längste Überlebenszeit eines Karzinompat. betrug 6 Jahre bei völliger Arbeitsfähigkeit als Waldarbeiter. Am Leben sind 6 Patienten, die sich, wie laufende Nachuntersuchungen zeigen, im guten Allgemeinzustand befinden. Von den 5 Fällen mit Rezidiv der Bronchusstumpfinsuffizienz nach der Reoperation wurden 4 bereits bei den primären Todesfällen genannt. In 2 Fällen war eine zweite Reoperation mit erneuter Deckung des Stumpfes vorgenommen worden. Beide Pat. verstarben doch wenige Tage später im Herz-Kreislauf-Versagen. Bei dem 5. Rezidivfall handelte es sich um einen 73jährigen Mann, der unmittelbar nach dem erneuten Fistelauftritt abermals reoperiert wurde. Mit einem Fascia-lata-Transplantat konnte völlige Abdichtung erzielt werden. Der Patient lebt jetzt bereits 3 Jahre nach den Operationen völlig beschwerdefrei. Wir sind der Auffassung, daß dem unmittelbaren aktiven chirurgischen Vorgehen bei Bronchusstumpfinsuffizienz der Vorzug zu geben ist. Bei sinngemäßer Operationsmethodik und der Zuhilfenahme technischer Mittel, wie Respirator, sind die Resultate erfolgversprechend, wie wir bei dem 2. Teil unserer Fistelserie nach 1959 sehen konnten. Literatur ABRUZZINI, P . : Chirurgische Behandlung der Fisteln des H a u p t b r o n c h u s nach einer w e g e n Tuberkulose durchgeführten P n e u m o n e k t o m i e . Thoraxchirurgie 10 (1963), 259 L Y N N , R . B . : T h e bronchus stump. J. thorac. Surg. 36 (1958), 70 M O N O D , O . , B . W E Y L : Ü b e r Bronchialfisteln nach L u n genresektion. Thoraxchirurgie 4 (1956) 197 P A D H I , R . K . , R . B . L Y N N : T h e m a n a g e m e n t of b r o n c h o - pleural fistulas. J. thorac. Surg. 39 (1960) 385 RICHTER, W . , A. BERNHARD: Die Behandlung von Pleura- empyemresthöhlen mittels Thorakoplastik u n d ge- stielter Skapulamuskelplombe. Beitr. klin. Chirurgie 207 (1963), 313 STURZENEGGER, H . : D i e Versorgung des Bronchusstumpfes bei der Lungenresektion. Thoraxchirurgie 10 (1963), 655 SZÖTS, J., F. D A N I E L : Die chirurgische Lösung des Problems einer nach tuberkulosehalber erfolgten halbseitigen Lungenoperation entstandenen Bronchusfistel. Z b l . Chirurgie 85 (1960), 402 VOSSSCHULTE, K., H. STILLER: Über die B e d e u t u n g des Pleurahohlraumes bei Störungen u n d Komplikationen nach P n e u m o n e k t o m i e . Thoraxchirurgie 1 (1953-54), 228 Anschrift: Dr. O. Dahlbäck und Dr. H. Schülter, Thoraxkirurg. Kliniken Lasarettet, Lund, Schweden Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Die operative Behandlung der Bronchusstumpfinsuffizienz nach Pneumonektomie