Passivhaus Objektdokumentation Erweiterung Nord des Bayerischen Landtages, München Verantwortlicher Planer Dott. Ing. Nicolò Guariento www.arup.com Arup Deutschland GmbH Die jüngste Erweiterung des Bayerischen Landtages in München wurde mit großem Augenmaß auf dem Gelände des Bayerischen Parlaments zwischen historischen und modernen Bauten integriert. In vier der Obergeschosse des sechsstöckigen Bürogebäudes sind Büros untergebracht. Im obersten Geschoss liegt ein Sitzungssaal, der die doppelte Raumhöhe besitzt. Weitere Informationen zu diesem Gebäude siehe www.passivhausprojekte.de, Projekt-ID: 3962 Besonderheiten: Sonnenkollektoren für die Warmwasserbereitung, FotovoltaikAnlage, Wärmerückgewinnung, Fernwärmenetz U-Wert Außenwand Außenluft 0,140 W/(m²K) PHPP JahresJahres- U-Wert Außenwand Erdreich 0,215 W/(m²K) Heizwärmebedarf U-Wert Dach 0,142 W/(m²K) U-Wert Fenster 0,839 W/(m²K) Wärmerückgewinnung 68 % PHPP Primärenergie Drucktest n50 1 15 kWh/(m²a) 116 kWh/(m²a) 0,13 h-1 1 Kurzbeschreibung der Bauaufgabe Zu knapp bemessener Büroraum und der zusätzliche Bedarf an Konferenzräumen führte zur Auslobung eines Architekturwettbewerbs für einen Erweiterungsbau des Bayerischen Landtags in München. Die Architekten Léon Wohlhage Wernik und das multidisziplinäre Ingenieurteam von Arup nahmen diese Herausforderung an und arbeiteten von Anfang zusammen. Das Ergebnis ist ein gut aufeinander abgestimmter Entwurf, in dem sich architektonischer Ausdruck und Ingenieurdesign zu gegenseitiger Stärke ergänzen. Während die feine Struktur der keramischen Fassadenpaneele eine Relevanz an den Gebäudebestand ist, hebt sich die einfache, kubische Gebäudeform mit ihren über zwei Geschosse hervorstehenden obersten Etagen von der Monumentalität der unmittelbaren Umgebung ab. Die Energiebilanz der Erweiterung Passivhausstandard entspricht. 2 wurde so definiert, dass sie dem Planungsteam Bauherr: Bayerischer Landtag, vertreten durch das Staatliche Bauamt München 2, München Architekt: Léon Wohlhage Wernik Architekten, Berlin Architektur Objektüberwachung: BIP GmbH, München / BM.C Baumanagement GmbH, München TGA-Planer: Arup GmbH, Berlin TGA Elektro: Ing. Büro Koscheinz und Partner,Ruhstorf a.d. Rott Bauphysik & PassivhausPlaner: Arup GmbH, Berlin Tragwerksplanung: Siebenson und Bracher GbR, München Fassadenplanung: Fassadentechnik Scharl, Ehingen 2 3 Ansichtsfotos Nord- und Westfassade (Foto: Arup): Terrakotta-Fassade mit Büro- und Sitzungssaalfenster 3 Südfassade: Anschluss zum bestehenden Gebäude Die Innenaufnahme vom Sitzungssaal. 4 4 Schnittzeichnung Querschnitt durch die Erweiterung Nord des Bayerischen Landtages. Gut erkennbar ist die hohe Kompaktheit des Gebäudes. Die Wärmedämmung wurde komplett allseitig an allen Außenbauteilen angebracht. Der Querschnitt zeigt auch die zwei Untergeschosse, an denen ein Fitness-Bereich bzw. Technikräume untergebracht sind. 5 Grundrisse Grundrisse der Erweiterung Nord des Bayerischen Landtages. Links, das Regelgeschoss mit den Büroräumen , die den Kern vollständig umschließen. Rechts, das oberste Geschoss mit dem Sitzungssaal, der sich auf der Nordseite des Grundrisses verbreitert und auskragt. 5 6 Konstruktionsdetails der Passivhaus -Hülle 6.1 Bodenplatte bzw. Kellerwände Um grundsätzlich konstruktiv bedingte Wärmebrücke im unterirdischen Bereich zu vermeiden, wurden die Außenwände der zwei Untergeschosse mit äußerer XPSDämmung ertüchtigt. Aufgrund des reduzierten Raums zwischen Außenwand und Bohrpfahlreihe musste die Dämmstärke im Bereich der Süd- und Nordwände auf 120mm reduziert werden. Als Ausgleichmaßnahme wurden 220mm Wärmedämmung auf den Ost- und Westwänden vorgesehen. Die Bodenplatte wurde nach unten mit 120mm Schaumglas-Dämmung gedämmt. Die beiden obigen Bilder zeigen die Aufbauten der Kellerwände und der Bodenplatte Aufbau der Kellerwände: Nord / Süd 300mm Stahlbeton / Frischbetonverbundsystem / 120mm XPS-Dämmung U-Wert 0,28 W/(m²K) Ost/West 300mm Stahlbeton / Frischbetonverbundsystem / 220mm XPS-Dämmung U-Wert 0,16 W/(m²K) U-Wert 0,35 W/(m²K) Bodenplatte 800mm Stahlbeton / Frischbetonverbundsystem / 120mm SchaumglasDämmung 6 6.2 Außenwände Die hoch gedämmte Fassade besteht aus einer tragenden Betonkonstruktion mit 220mm außen liegender Mineralwolle. Die vorgehängten Terrakotta-Elemente wurden mit thermisch getrennten Befestigungen angebracht. Somit erreicht die opake Gebäudehülle einen U-Wert von 0,14W/m²K. Wärmebrücken an den Terrassenanschlüssen wurden durch Dämmblöcke verhindert und die Durchdringungen an den Hochpunkten der Attika erhielten eine gesonderte Wärmedämmung. In den obigen Abbildungen sind ein typisches, vertikales Fassadendetail mit Fensteranschluss (links), ein Horizontalschnitt des Eckdetails (rechts oben) und die FEM-Analyse der Befestigung der Terrakotta-Paneele (rechts unten) dargestellt. Außen- Terrakotta-Verkleidung; 50 mm Hinterlüftung; 220 mm Mineralwolle; 225 mm wand Stahlbeton; 50mm Gipskarton 7 U-Wert 0,14 W/(m²K) 6.3 Dachkonstruktion Sowohl raumlufttechnische Geräte als auch Photovoltaik-Paneele und Solarkollektoren wurden auf dem Dach installiert. Aus diesem Grund war der Einsatz einer Festdämmung unvermeidbar. Für ihre gute Wärmeleitfähigkeit und reduzierten Kosten wurde eine EPS-Dämmung als Gefälledämmung gewählt. Mit einer von 150mm bis 300mm variierenden Dämmstärke erreicht die Dachkonstruktion einen UWert von 0,14W/m²K. Dach 100 mm Kies, 150mm bis 300mm EPS-Gefälledämmung, 300mm Stahlbeton 8 0,14 W/(m²K) 6.4 Fensterschnitte inkl. Einbauzeichnung Die Fenster bestehen aus einer Kastenkonstruktion mit wärmeschutzbeschichteten Dreifachverglasungen (Ug = 0,6W/m²K) und hochwertigen Holz-Aluminium Rahmen, die teilweise durch die Überlappung der Außendämmung thermisch geschützt werden. Damit erreichen die Rahmenprofile einen Uf-Wert von 1,10W/m²K. Ein äußeres, hinterlüftetes Glaspaneel schützt das in den Fensterzwischenräumen installierte Sonnenschutzsystem. Mit einem g-Wert zwischen 0,11 und 0,45 gewährleisten diese Kastenfenster über das ganze Jahr eine hervorragende Tageslichtausbeute und schließen das Überhitzungsrisiko in den inneren Räumlichkeiten aus. Die Fensterkonstruktionen wurden spezifisch für das Projekt „Erweiterung Nord des Bayerischen Landtages“ von der Firma Schindler Roding herstellt und eingebaut. Die oben gezeigten Bilder stellen ein typisches Fensteranschlussdetail (links) und seine thermische Analyse mittels FEM-Berechnung (mittig) dar. Recht ist ein Detail der realisierten Fassade zu sehen. Daten zum Fenster Fenster Dreifach-Wärmeschutzglas mit Argon-Füllung ; durch Außendämmung thermisch geschützte Alu-Holzfensterrahmen. 9 Uw = 0,84W/(m²K) Ug = 0,60W/(m²K) Uf = 1,10W/(m²K) 7 Beschreibung der luftdichten Hülle; Dokumentation des Drucktestergebnisses Die luftdichte Gebäudehülle wird innenseitig vom Innenputz und von der Stahlbeton Konstruktion der Außenwände sowie des Daches ausgebildet. Die Fugen der Stahlbeton Fertigteilen wurden vor Ort mit Vergussmörtel abgedichtet. Die Fenster- und Oberlichtanschlüsse wurden sorgfältig geplant und mit geeigneten Klebebänder an die Außenwände angedichtet, damit eine kontinuierliche Luftdichtebene geschaffen und die Wärmeverluste durch Undichtigkeiten der Gebäudehülle minimiert werden konnten. Der durchgeführte Blower-Door-Test zeigte eine Luftwechselrate bei 50 Pa von 0,13h-1 10 8 Lüftungskonzept Obwohl das Gebäude mit manuell zu öffnenden Fenstern ausgestattet ist, war man durch den Einsatz einer mechanischen Lüftung doch bestrebt, den Luftwechsel auf ein Minimum zu begrenzen. Die Erweiterung Nord des Bayerischen Landtages verfügt über 5 verschiedene Lüftungsanlagen mit einer Wärmerückgewinnung bis 76% (durchschnittliche Wärmerückgewinnung der RLT-Anlagen = 68%). Die RLT-Einheiten der Anlagen 1, 2 und 3 befinden sich im 2.UG und sind über ein Zu- und Abluftbauwerk direkt nach außen verbunden. Bei der Anlage 1 werden alle Büros über an der Fassade eingebaute Lüftungskanäle erreicht (siehe Schema unten). Die Kanäle der Anlage 2 laufen im zentralen Schacht und erreiche den Sitzungssaal im 4.OG, während die Anlage 3 versorgt den im 1.UG sich befindenden Sauna und Fitness-Bereich. Die Anlage 4 hat separate Ab- und Zuluft-Einheiten. Die Zuluft erfolgt im 2.UG über das Zuluftbauwerk (wie bei den Anlagen 1 bis 3), während die Abluft-Einheit befindet sich auf dem Dach. Diese Anlage versorgt die WC-Räume, Kopierräume und Teeküchen auf die Südost-Seite. Die anderen WC-Räume, Kopierräume und Teeküchen werden von der Anlage 5 versorgt, deren RLT-Einheit für Ab- und Zuluft auf dem Dach sich befindet. Versorgter Bereich Hersteller Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Büro Sitzungssaal Sauna WC / Teeküchen WC / Teeküchen Robatherm Robatherm Robatherm Robatherm Robatherm Technische Parameter Auslegungs_ Elektroeffizienz volumenstrom WRG Wh/m³ m³/h 4000 5500 5300 1130 720 76,0% 74,0% 63,0% 42,0% 65,0% 0,69 0,69 0,69 0,69 0,69 Die Reduzierung des Energieverbrauchs wirkte sich auch auf den Entwurf der Beund Entlüftung aus, z.B. in der Dimensionierung der Schächte und deren Verteilung. Im Untergeschoss wählte man eine einfache horizontale Verteilung mit Steigeschächten hinter der Fassade, wobei auf allen Geschossen jeweils zwei Büroeinheiten über einen Strang versorgt werden. Damit wurden, zusammen mit der Reduzierung der Stränge, niedrige Druckverluste erzielt. Darüber hinaus wurden die Luftauslässe in den jeweiligen Büros mit motorisierten Absperrklappen ausgestattet. Bei Nichtbelegung von Büroräumen regelt sich die Luftzufuhr entsprechend variabel, um einen minimalen regulären Luftwechsel sicherzustellen und auf diese Weise auch den Stromverbrauch zu reduzieren. 11 Lüftungsanlage 1 – Schema 12 Lüftungsanlage 1 – Schema - Auszug 13 Ab- und Zuluft der Anlagen 1, 2 und 3 Abluft-Einheit der Anlage 4 14 9 Heizung Das Gebäude ist an das städtische Fernwärmenetz angeschlossen, das einen günstigen Primärenergiefaktor von 0,36 bietet. Die Heizung wird sowohl durch die Lüftung als auch über die Aktivierung der thermischen Masse der Stahlbetonträger mit integrierten Rohrschlangen betrieben. Dieses System von Röhren zum Transport von Heizwasser ist mittig in den Betonplatten eingebaut. 10 Erneuerbare Energien und Beleuchtung Das Warmwasser wird über Solarpaneele aufbereitet, während 26m² PhotovoltaikPaneele den Stromverbrauch des Gebäudes mit erneuerbarer Elektrizität ausgleichen, um so den Passivhausstandard zu erreichen. Das Beleuchtungskonzept beruht auf einer maximalen Ausnutzung von Tageslicht. Ferner wurden Energieeinsparpotenziale über die Auswahl entsprechender Energiesparlampen eingehalten, die nicht nur den Stromverbrauch, sondern auch die internen Wärmelasten senken. 15 11 PHPP-Berechnungen Auf die oben beschriebene Art und Weise wurde der Passivhausstandard mit 15kWh/m²a Heizwärmebedarf, 116kWh/m²a Primärenergiebedarf und 0,13h-1 Luftwechselrate bei 50Pa Druckunterschied erreicht. 16 12 Baukosten Die Baukosten wurden zur Zeit vom Bauherrn nicht freigegeben. 17