Licht im Gespräch Alexander Rotsch studierte Architektur an der Bauhaus-Universität in Weimar sowie an der École Nationale Supérieur d’Architecture in Paris. Von 2001 bis 2004 arbeitete er für das Atelier Kress & Adams in Köln, von 2004 bis 2012 war er bei Licht Kunst Licht in Bonn als Teamleiter tätig. Der mehrfach mit nationalen und internationalen Preisen ausgezeichnete Lichtplaner ist seit 2012 bei Arup Deutschland in Berlin und leitet dort seit 2014 die Abteilung für Tagesund Kunstlichtplanung. 3 1 Licht im Gespräch 16 Wie entscheidet sich bei einem globalen Lichtplaner-Team mit mehr als 80 Mitarbeitern, welche Projekte von Berlin aus bearbeitet werden? 4 Foto: Ulrich Rossmann 5 1 Fulton Street Transit Center, New York – Architektur: Grimshaw Architects, James Carpenter Design Associates 2 Amorepacific Headquarter, Seoul – Architektur: David Chipperfield Architects 3 Villa, Mallorca / Beleuchtungskonzept Kupfertreppe – Architektur: Studio Mishin 4 Folkwang Museum, Essen – Architektur: David Chipperfield Architects 5 LLC Library and Learning Center, Wirtschaftsuniversität Wien – Architektur: Zaha Hadid Architects Interdisziplinäres Lichtdesign Das weltweit tätige Planungs- und Beratungsbüro Arup zählt mit rund 13 000 Mitarbeitern zu den ganz großen der Branche. In Deutschland erarbeiten rund 200 Experten an den Standorten Berlin, Frankfurt und Düsseldorf maßgeschneiderte Lösungen – von Fachplanungen einer Disziplin bis hin zu komplexen, interdisziplinären Projekten. So auch bei der deutschen Lighting Design Unit, die im Jahr 2008 in Berlin gegründet wurde. Projekte in Deutschland, Europa und Asien werden zur Zeit von hier aus betreut; aktuell arbeitet das Team auch an der Lichtplanung für die Neue Nationalgalerie von Mies van der Rohe in Berlin, die derzeit von David Chipperfield instandgesetzt wird. Im Gespräch ist Alexander Rotsch (AR), der im Januar 2014 die Leitung des Bereichs Tages- und Kunstlichtplanung bei Arup Deutschland übernommen hat. Foto: Hufton + Crow Foto: James Ewing Foto: Quintin Lake Photography 2 AR: Das richtet sich zum einen danach, wer unser Kunde ist bzw. wo er ansässig ist. Handelt es sich um ein Architekturbüro mit Sitz im deutschsprachigen Raum, wird es in den allermeisten Fällen direkt von uns bearbeitet, meist auch unabhängig vom Projektstandort. Zum anderen definiert sich die Projektverteilung über die Expertise. Das heißt, wenn zu einem Projekt spezielle Kompetenzen hinzugezogen werden müssen, über die das eigene Team aktuell nicht verfügt, oder die Projektgröße mehr Personal erfordert, kann es auch sein, dass wir mit einem international aufgestellten Projektteam arbeiten. Neben den Projekten, für die Sie ausschließlich die Tageslicht- und Kunstlichtbeleuchtung planen, bearbeiten Sie zahlreiche interdisziplinär aufgestellte Projekte... AR: Hier können wir mit unserer Kompetenz in den vielfältigen Disziplinen aufwarten, die wir unter unserem Dach vereinen. Diese interdisziplinäre Arbeitsweise zeichnet uns aus und unterscheidet uns von anderen Mitbewerbern. Wir arbeiten oft sehr eng mit unseren Spezialisten der Fassadenplanung, den Elektroplanern und Steuerungs- und Medientechnikern, der Bauphysik, den Materialexperten und natürlich auch mit der Abteilung Nachhaltigkeit zusammen. Wenn wir gemeinsam an einem Projekt arbeiten, ist das natürlich ideal, und wir können unserem Kunden ein aufeinander abgestimmtes Resultat im Sinne eines ganzheitlichen Designs anbieten. Das heißt, Arup Lighting ist in der Regel zu einem sehr frühen Planungszeitpunkt in die Projekte involviert? AR: Das ist der Idealfall. Bei großen Projekten tritt er auch meist ein, und wir sind sozusagen von der ersten Skizze an mit dabei. Normalerweise werden wir spätestens zu Beginn der Entwurfsphase mit an den Tisch geholt. Wir verstehen Licht als integralen Bestandteil der Architektur, das die räumlichen Ideen unterstreichen soll – je früher wir also bei einem Projekt mit einsteigen dürfen, umso eher können wir den Architekten und Bauherrn in seinen Visionen unterstützen und das Projekt mit unseren Vorschlägen bereichern. Dies gilt insbesondere für die Planung von Tageslicht, die einen relativ großen Einfluss auf die architektonische Gestaltung haben kann: angefangen bei der Ausrichtung des Gebäudes und dessen Kubatur, der Geometrie der Öffnungen sowie deren Lage im Raum bis hin zum detaillierten Fassaden- und Verglasungsaufbau und den Oberflächeneigenschaften im und am Gebäude. Wie ist das Verhältnis von reinen Lichtplanungen und Projekten, bei denen mehrere Disziplinen involviert sind? AR: Bei etwa der Hälfte unserer Projekte handelt es sich um reine Lichtprojekte, bei der anderen sind mehrere Disziplinen beteiligt. Interdisziplinäres Denken ist wichtiger Teil unserer Philosophie. Über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen eröffnet neue Blickwinkel, auch auf die eigene Aufgabe. Es inspiriert und kann letztlich zu besseren Lösungen führen. Arup realisiert weltweit Projekte mit bekannten Architekten. Welches Lichtprojekt hat sich bei Ihnen besonders eingeprägt? AR: Die Tageslichtbeleuchtung in der Fondation Beyeler in Riehen, ein Projekt von Renzo Piano aus dem Jahre 1997, hat mich schon während meiner Studienzeit beeindruckt: Das rund 4000 m² große Glasdach, das mittels außenliegender, festinstallierter Glaslamellen das Tageslicht filtert – und zwar nicht nur in Form einzelner Oberlichter, was häufig der Fall ist. Vielmehr ist das gesamte Dach eine einzige große Tageslichtdecke. ... und ein aktuelles Projekt? AR: Das Fulton Center in New York, einer der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte der Metropole, verbindet 10 Subway Linien und sechs Stationen. Geplant wurde es von Grimshaw Architects, James Carpenter Design Associates und Arup NY. Ein Team aus Architekt, Künstler, Designer und Ingenieur – das interdisziplinäre Zusammenarbeiten an einer gemeinsamen Vision hat auch hier zu einem beeindruckenden Ergebnis geführt. Das sogenannte Sky Reflector-Net ist nach Süden geneigt und bringt das natürliche Licht ins Unterirdische. Es besteht aus rund 1000 rautenförmigen Aluminiumpaneelen, Welche Beleuchtungstrends können Sie derzeitig ausmachen? AR: Zurzeit beschäftigen mich vor allem drei Trends: Der erste ist das nachhaltige Licht – Sustainable Light. Der Fokus liegt darauf, das Licht möglichst energieeffizient zu gestalten. Hier spielt auch die zunehmende Nutzung des Tageslichts als frei verfügbare hochwertige Lichtquelle eine große Rolle. Aber auch kreative Lichtkonzepte, die Licht gezielt dosiert nur dort vorsehen, wo es tatsächlich benötigt wird, können Energie einsparen. Hinzu kommt das Product Life Cycle Management, das in unseren Projekten immer wichtiger wird. Neben der Berücksichtigung der Betriebskosten müssen Fragen zur Instandhaltung und Wartung und zur Entsorgung beantwortet werden können. Der zweite Trend ist nicht ganz neu: das integrative Licht – Integrative Light. Aktuell geht es aber nicht mehr nur darum, die Leuchten in die Architektur zu integrieren, sondern es kommt zu einer Verschmelzung von Baustoffen, Materialien und Medien mit Licht. Raumflächen werden zu leuchtenden Elementen, es gibt akustisch wirksame Leuchten oder leuchtende Akustikelemente, in Bodenbeläge wird Licht integriert, Beton leuchtet, und Fassaden lassen nicht nur eine Transparenz zu, sondern werden bei Bedarf zur Leuchtfläche. Der dritte Trend wird uns noch länger begleiten, ich bezeichne ihn als Responsive Light. Hierbei geht es um sensorgesteuerte intelligente Lichtlösungen und intuitive Lichtsteuerungen. Die Prinzipien interaktiver Lichtinstallationen, die wir hauptsächlich bislang als Lichtkunst erleben können, kommen zunehmend in der Architekturbeleuchtung zum Einsatz. Welche Themen und Aufgabenstellungen werden die Lichtwelt in Zukunft bewegen? AR: Tageslicht. Wir werden nicht umhinkommen, es für Gebäude zu nutzen, um die Anschlußleistung der elektrischen Beleuchtung weiter zu reduzieren. Nachhaltigkeit. In Bezug auf die Planung, aber auch hinsichtlich der Herstellung, des Betriebs, der Wartung und des Recyclings der Lichtlösungen. Ich denke, dass wir auch unsere Gewohnheiten ändern und elektrisches Licht als kostbare Ressource verstehen sollten. Besten Dank für das Gespräch! Das Interview führte Andrea Rayhrer, Stuttgart. Licht im Gespräch die an einer hyperbolischen Stahlseilnetz konstruktion aufgehängt sind und das Licht nach unten lenken. Das Bemerkenswerte daran ist, dass ein unterirdischer Ort, den man normalerweise tageslichtlos erwartet, eine enorme Aufwertung bekommt, indem das dynamisch wechselnde Tageslicht in die Tiefe gelenkt wird und dort spürbar wird. Foto: Arup Modellfoto: David Chipperfield Architects Licht im Gespräch 17