Stufenbelastungen zur Beurteilung der

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Dtsch. med. Wsdir., 91.Jg.
Stufenbelastungen zur Beurteilung der körperlichen
Leistungsfähigkeit und der Koronarreserve *
Von M. Kaltenbach
Uber die von Kaltenbach und Klepzig entwickelte
Kietterstufe (Abbildung 1) wurde 1962 zum ersten
Mal berichtet. Als besondere Vorteile dieser Belastungsform wurden angegeben (7, 8, 10, 15):
Die Belastung ist eichbar, das heißt in Ïnkp/sec,
mkp/min, Watt oder einem anderen Leistungsmaß
anzugeben.
Die Genauigkeit sOlcher Untersuchungen, gemessen an der Reproduzierbarkeit aufgrund von
Doppelbestimmungen, ist an der Stufe gleich gut wie
am Ergometer.
An der Kietterstufe wird die Muskulatur der
Arme und Beine zur Arbeit herangezogen, hierdurch
kann man eine vorzeitige Ermüdung vermeiden. Es
können Patienten belastet werden, die in ihrer muskulären Leistungsfähigkeit stark reduziert sind; auch
die Untersuchung von Körperbehinderten, zum Beispiel einseitig Beinamputierten, ist möglich.
Bei Ergometerbelastungen schwankt die tatsächliche Leistung je nach dem verwandten Modell
und dessen Eichung, bei der Kietterstufe besteht die
Nacheichung dagegen lediglich in einem Abmessen
der Stufenhöhe und einem Auszählen der Metronomfrequenz.
Gegenüber anderen Stufentests hat die Kletterstufe den Vorteil, daß Arme und Beine für die BeProfessor Dr. F. Hoff zum 70. Geburtstag.
lastung gebraucht werden, daß die Stufenhöhe veränderlich ist, daß sich der Proband während der Belastung nicht umzudrehen braucht und daß durch
einen Höhenanschlag gewährleistet wird, daß der
Untersuchte bei jeder Besteigung sein Körpergewicht
um die volle Stufenhöhe hebt.
Der Platzbedarf und die Kosten sind denkbar
gering.
Aufgrund dieser Vorteile ist ohne weiteres einleuchtend, daß Belastungsuntersuchungen, die nicht
aus besonderen Gründen im Liegen erfolgen müssen,
zum Beispiel intrakardiale Druckmessungen während
Belastung, einfacher an einer Stufe als an einem
Ergometer durchzuführen sind. An unserer Klinik
werden deswegen seit mehreren Jahren vorwiegend
Stufenbelastungen verwendet, auch an der Hegglinschen Klinik in Zürich erfolgen fast alle Routineuntersuchungen an einer Stufe (13).
Die beiden hauptsächlichen Anwendungsgebiete
von Belastungsuntersuchungen sind die Prüfung der
körperlichen Leistungsfähigkeit und die Prüfung der
Koronarreserve.
Körperliche Leistungsfähigkeit als Maßstab der kontraktilen Leistungsreserven des Herzens
Alle wichtigen ergometrischen Leistungsprüfungen können an der Stufe durchgeführt werden. Aus-
I
I
1. Belastung an der Kietterstufe. Jedes Bild entspricht einem Taktschlag des Metronoms, eine Besteigung erfordert vierTaktschläge.
Abb.
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Aus der II. Medizinischen Klinik und Poliklinik der Universität Frankfurt am Main
(Direktor: Prof. Dr. J. Frey)
Kaltenbadi: Stufenbelastungen zur Beurteilung von Leistungsfähigkeit und Koronarreserve
schiaggebend hierfür ist, daß die Reproduzierbarkeit
an der Stufe gleich gut ist wie am Ergometer; bei
Doppelbestimmungen fanden wir gemeinsam mit
Tschirdewahn und Klepzig (5, 15) aufgrund von 158
ml 02/min
3000
STPO
2500
2000
1500
1000
n= 77
y = 154o +268
500
20mkp/sec
15
1P
Abb. 2. 02-Aufnahme in Ruhe und bei Belastung an der
Kietterstufe mit Leistungen zwischen 2 und 17 mkp/sec.
Versuchen eine Standardabweichung für den Methodenfehier von 5,50/o der erreichten Herzschlagfrequenz sowohl für das Fahrradergometer im Liegen
als auch für die Kletterstufe.
Voraussetzung für den Vergleich verschiedener
Belastungsformen ist die Kenntnis des Wirkungsgrades oder der Sauérstoffaufnahme in Abhängigkeit
von der Leistung. Abbildung 2 zeigt die RegresLeistung
StWenhäfle
na
Watt
4120
39703510 -
36503510-
33 50-
ntp
i
min
so
so
so
5011, 505m 50m,, so cm
/I4fl 9l/mi 84/mi,
iota
IBtr0,io,,irequeflo 120,4-I IS/mi, 112/mi, Ios/n,in
:
______
//Ï7
sec
32003040-
885
sionsgerade der 02-Aufnahme an der Kietterstufe;
der Wirkungsgrad liegt um 200/o. Die physikalische
Leistung hängt bei Stufenbelastungen ab von der Besteigungsgeschwindigkeit, der Stufenhöhe und dem
Gewicht des Probanden. Aus dem in Abbildung 3
wiedergegebenen Diagramm ist die Leistung in
mkp/sec, mkp/min und Watt abzulesen. Wie aus dem
Diagramm ersichtlich, bleibt die Metronomfrequenz
bei 70/min konstant und wird nur bei großer Leistung
erhöht. Mit Hilfe dieser Daten kann man Stufenbe.
lastungen mit allen anderen Belastungsformen vergleichen und zum Beispiel eine Bestimmung der
Arbeitskapazität bei einer Pulsfrequenz von 170/min
(,,working capacity" [13]) vornehmen; auch der von
der Arbeitsgruppe um Reindell benützte Sauerstoffpuls (11) kann bestimmt werden, dabei sind allerdings relativ hohe Leistungen notwendig, wie Abbildung 4 zeigt. Aus dem röntgenologisch bestimmten
Herzvolumen und dem submaximalen Sauerstoffpuls
kann man den Herzvolumenleistungsquotienten nach
Reindell und Mitarbeitern (14) bilden.
Da maximale oder submaximale Leistungen bei
Herzkranken häufig nicht durchführbar sind, weil sie
entweder ärztlich nicht verantwortet werden könnenoder weil der Untersuchte nicht willens ist, sich einer
erschöpfenden körperlichen Anstrengung zu unterziehen, haben wir uns bemüht, die Leistungsreserven
des Herzens aufgrund von Belastungsuntersuchungen
im niedrigen und mittleren Leistungsbereich zu beurteilen. Zunächst wurde geprüft, welches Körpermaß am geeignetsten ist, um die Leistungsfähigkeit
verschieden großer und verschieden schwerer Personen miteinander zu vergleichen. Es zeigte sjch, daß
die Körperoberfläche sich hierfür am besten eignet, ein
Bezug auf das Körpergewicht oder die Körpergröße
erwies sich als weniger zweckmäßig (5, 6). Als Normal-Körperoberfläche gilt 1,73 m°, alle Leistungen
werden hierauf umgerechnet. Um dieselbe Leistung
pro Normal-Körperoberfläche zu erhalten, muß ein
28902730-
2 580-
147 900
02-Puls.
15
Ii&A
24 302 270-
2120-
950-
1510¶655-
15-
ia -
500-
a
'951140-
°E
p.
Bas -
735s80
O
bletterstufe
Stufe ohne Hondgriff
Ergometer im Stehen
Ergometer im Liegen
mL/02/min STPO
5Q0
1000
15b0
2d00
'
2500
--
425-
10
20
30
40
50
50
70
80
90
100
110
20 30 140
150
kg
Gewicht
Abb. 3. 02-Aufnahme, Leistung iii Watt, mkp/min und
mkp/sec bei Belastung an der Kietterstufe in Abhängigkeit von Stufenhöhe, Metronomfrequenz und Körpergewicht.
Abb. 4. Sauerstoffpuls (02-Aufnahme pro Herzschlag)
in Ruhe und bei Belastung in verschiedenen Leistungsstufen. Der 02-Puls steigt mit der Sauerstoffaufnahme in abnehmender Steilheit an und liegt bei allen
vier Arbeitsformen in einem engen Bereich, bei der Kietterstufe und der Ergometrie im Liegen geringfügig höher
als bei der Stufe ohne Handgriff und der Ergometrie im
Stehen.
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Nr. 19, 13, Mai 1966
Kaltenbach: Stufenbelastungen zur Beurteilung von Leistungsfähigkeit und Koronarreserve
886
Dtsch. med. Wsthr., 91.Jg.
Tab. 1. Leistungen pro 173 m2 Körperoberfläche, ungerechnet auf andere Körperoberflächen. Beispiel: Gewünscht wird
eine Leistung von 5 mkp/sec/1 73 m2; ein Proband mit einer Körperoberfläche von 2,1 m2 muß hierbei 6,0 mkp/sec leisten,
ein Proband mit einer Körperoberfläche von 1,4 m2 dagegen nur 4,0 mkp/sec
mkp/sec
1,3
1,5
1,4
1,5
1,6
2,3
2,4
2,6
2,8
2,9
3,0
1,7
1,8
1,6
1,7
2,0
2,0
2,1
2,2
2,3
2,4
2,5
2,7
2,8
2,9
1,73
1,8
1,9
2,0
2,1
2,2
2,3
2,4
2,5
3,1
3,3
3,5
3,6
3,8
4,0
4,2
4,3
3,0
3,2
3,5
3,7
3,9
4,0
4,2
4,4
4,6
4,8
5,1
5,3
5,6
5,8
3,8
4,0
4,3
4,6
4,9
5,0
5,2
5,5
5,8
6,0
6,3
6,6
4,5
5,9
5,2
5,6
5,9
6,0
6,2
6,6
7,0
7,3
7,6
8,0
8,3
8,6
6,9.
7,2
5,3
5,7
8,9
9,3
6,0
6,5
6,9
7,4
7,9
8,0
8,3
8,8
9,3
9,7
10,2
10,6
6,8
7,3
7,8
8,3
8,8
9,0
9,4
9,9
10,4
10,9
11,4
12,0
9,7
11,1
12,6
10,1
11,5
13,0
6,1
6,5
6,9
7,0
7,3
7,7
8,1
8,5
7,5
8,7
9,2
9,8
8,3
8,9
9,5
10,2
10,8
10,0
11,0
10,4
11,4
11,0
12,1
11,6
12,8
13,3
14,0
14,6
15,3
15,8
8,1
12,1
12,7
13,3
13,9
14,4
9,0
9,7
10,4
9,8
10,5
11,2
12,0
12,8
13,0
13,5
14,3
11,1
11,8
12,0
12,5
13,2
13,9
14,5
15,2
16,0
16,7
17,3
10,5
11,3
11,3
12,1
13,0
13,9
14,7
15,0
15,6
16,5
17,4
18,2
12,9
13,8
14,0
18,1
14,6
15,4
16,2
17,0
17,8
18,6
19,4
18,7
20,2
15,1
15,8
16,5
17,3
12,1
19,1
20,0
20,8
21,6
65 Manner
HSA
70
50
VÁ.
30
lo
2
mkglsec/l 73 m2
4 mkg/sec/l 73 m2
73 m2
6 rnkglsecll
7 mkg/sec!1
73 m2
8 mkg/sec/1 73m2
hOO-
w200 -
BPS
150±32
EPS
31±23
BPS
229±28
EPS
35±13
BPS
296±47
VI
VJFFflItfl
ri1.
EPS
38±23
BPS
EPS
42±27
332±64
BPS
EPS
362±68
66±30
100 Frauen
HSA
90
-
70
-
50
-
30
10
3 mkg/sec/1 73m2
4 mkg/sec/1 73 m2
5 mkglsecll
73 m2
6
mkg/sec/1 73 m2
7
mkg/sec/1 73 m2
400
««777A
200
VJA
n'p
219±40
pç
26±13
rs
233±46
FPS
30±14
BPS
278±51
EPS
43±23
FA
BPS
320±58
EPS.
53±25
BPS
334±82
EPS
79±41
Abb. 5 a und b. Verhalten der Herzsdilagfrequenz bei Belastung mit Leistungen pro 1,73 m2 Körperoberfläche, getrennt
für Männer und Frauen aufgetragen.
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m2
Kaltenbath: Stufenbelastungen zur Beurteilung von Leistungsfähigkeit und Koronarreserve
Proband mit 2,1 m2 Körperoberfläche beispielsweise
mehr leisten als eine Normalperson, ein Proband mit
nur 1,6 m2 Körperoberfläche dagegen weniger. Anstelle einer einfachen Dreisatzumrechnung können
die für jede Körperoberfläche gültigen Werte aus der
Tabelle 1 entnommen werden. Relativ gleiche Leistungen, das heißt Leistungen pro 1,73 m2 Körperoberfläche, bewirken bei verschieden großen und
verschieden schweren Personen im Mittel einen gleichen Anstrengungsgrad. Man kann also für eine
Leistung von beispielsweise 6 mkp/sec/l,73 m2 Körperoberfläche angeben, wie hoch die Pulsfrequenz
bei einem gesunden Mann oder einer gesunden Frau
ansteigt und wie rasch sie wieder zum Ruhewert zurückkehrt. Bei dementsprechend durchgeführten 500
Arbeitsversuchen an 165 gesunden Frauen und Männern erwies sich, daß das Verhalten der Pulsfrequenz
während und nach Belastung am besten zu beurteilen
ist, wenn man den jeweiligen Ruhepuls als Basislinie benützt. Um einen richtigen Ruhepuls zu erhalten, muß der Proband vor der Untersuchung 20 Minuten entspannt liegen; in dieser Zeit wird die Frequenz
viermal gemessen, der niedrigste Wert gilt als Ruhepuis; falls nach der Belastung ein niedrigerer Wert
als vor der Belastung gemessen wird, gilt dieser als
Ruhewert. Benützt man diesen Ruhepuls als Basislinie, so kann man in jeder Leistungsstufe das Ansteigen der Herzschlagfrequenz und die Rückkehr
zum Ruhewert auftragen; in Abbildung 5 sind solche
Kurven getrennt für Männer und Frauen wiedergegeben.
Aufgetragen sind der Mittelwert und die Standardabweichung für jede der sechs Minuten während und fünf
Minuten nach Belastung. Die Rechtecke symbolisieren die
Belastungspulssumme (BPS), das ist die Summe aller während Belastung über dem Ruhewert liegender Herzschläge,
und die Erholungspulssumme (EPS), das ist die Summe
aller in den ersten fünf Minuten nach Belastung über dem
Ruhewert liegender Herzschläge (9).
Für die Untersuchung der körperlichen Leistungsfähigkeit kommt man bei Herzkranken im allgemeinen mit drei Leistungsstufen aus, nämlich 4 mkp/
sec/173 m2 bei einer hochgradigen Leistungsminderung, zum Beispiel bei einer schweren Mitralstenose,
6 mkp/sec/1 73 m2 bei einer mittelgradigen und
8 mkp/sec/1,73 m2 bei einer geringen Einschränkung
der körperlichen Leistungsfähigkeit. Zum Ausschluß
einer Leistungsminderung bei gesunden Personen
können allerdings wesentlich höhere Leistungen erforderlich sein. Die Aussage über die Leistungsreserven ist grundsätzlich um so sicherer, je höher oder
je näher an der individuellen Leistungsgrenze liegend
die Untersuchung durchgeführt werden konnte. Mit
Hilfe der in Abbildung 5 wiedergegebenen Normalwerte kann man nun in jedem Fall ablesen, ob in der
durchgeführten Leistungsstùfe das Verhalten der
Herzschlagfrequenz auf eine normale oder verminderte Leistungsfähigkeit hindeutet. Die Beurteilung
887
soll sich dabei auf die durchgeführte Leistungsstufe
beschränken, also etwa lauten: Bei einer Leistung
von 6mkp/sec/1,73m2 war, gemessen an der Pulsfrequenz während und nach Belastung, kein Hinweis
auf eine Verminderung der körperlichen Leistungsfähigkeit zu finden. Eine Extrapolation von niedrigen
auf höhere Leistungsstufen ist zwar grundsätzlich
möglich wegen des linearen Anstiegs der Herzschlagfrequenz, ist aber nicht notwendig, da die obigen
Normalwerte auch in niedrigen Leistungsstufen Gültigkeit haben. Eine solche Extrapolation ist auch
immer problematisch, da im Einzelfall nie feststeht,
ob der betreffende Proband überhaupt eine höhere
Belastung tolerieren würde. In der Praxis, zum Beispiel bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit im
Beruf, ist es auch weit wichtiger zu wissen, ob eine
leichte oder mittelschwere Leistung ohne vorzeitige
Ermüdung ausgeführt werden kann, als die Leistungsspitze, also die Höchstleistungsfähigkeit, die im praktischen Leben kaum gebraucht wird, zu kennen.
Belastungsuntersuchungen zur Prüfung der Koronarreserve
Für die Erkennung einer Koronarinsuffizienz werden Belastungsuntersuchungen häufig durchgeführt.
Es ist ohne weiteres verständlich, daß eine Minderdurchblutung des Herzens unter Umständen erst unter Belastungsbedingungen, mit einem vermehrten
Substratverbrauch des Herzens, manifest wird; in
Analogie zur Belastungsinsuffizienz kann man von
einer Belastungskoronarinsuffizienz sprechen. Die
prognostische Bedeutung eines pathologischen Ausfalls des Arbeitsversuchs im Elektrokardiogramm
(EKG) ist mehrfach betont worden (1, 16); Mattingly
(12) fand bei katamnestischen Untersuchungen eine
auf das Achtfache erhöhte Infarktrate bei solchen
Patienten.
Vorbedingung für die Belastung von Kranken mit
stenokardischen Beschwerden ist eine sorgfältige
ärztliche Untersuchung. Außerdem muß ein RuheEKG geschrieben werden, um einen frischen Infarkt
ausschließen zu können. Der Patient darf nicht digitalisiert sein, da herzwirksame Glykoside gleiche Veränderungen im Belastungs-EKG bewirken können
wie eine Ischämie. Brustwandableitungen sind für
das Belastungs-EKG genauso unentbehrlich wie für
das Ruhe-EKG, wenn man eine sichere Diagnose
stellen will (4). Als sicher pathologisch im Sinne
eine Ischämiereaktion gilt eine nach Belastung
auftretende Senkung der ST-Strecke um mindestens
0,5 mm (entsprechend 0,05 mV) bei gleichzeitiger
charakteristischer Formänderung der ST-Strecke (abwärts gerichteter, nach oben konvexer oder waagerechter Verlauf).
Für die Treffsicherheit und für die relative Gefahrlosigkeit solcher Untersuchungen ist neben korrekter
EKG-Technjk das Durchführen einer richtigen Be-
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Nr. 19, 13. Mai 1966
Kaltenbach: Stufenbelastungen zur Beurteilung von Leistungsfähigkeit und Koronarreserve
lastung entscheidend. Am gefährlichsten und schiechtesten sind zweifellos Belastungen mit einer undefinierten Leistung, wie sie durch Kniebeugen oder
unkontrolliertes Treppensteigen bewirkt werden;
besonders gefährlich sind diese Belastungen, weil sie
in relativ kurzer Zeit (beim Kniebeugen etwa innerhalb von 20 sec) eine recht große Leistung bewirken
können, so daß eine schwere Myokardhypoxie entsteht, ehe der Patient überhaupt irgendwelche Beschwerden empfindet (3).
Arbeitsversuche für die Erkennung einer Koronarinsuffizienz müssen also unbedingt mit Hilfe einer
genau definierten Belastung durchgeführt werden.
Der mit solchen Untersuchungen nicht besonders
vertraute Arzt hat das Bedürfnis nach einer standardisierten Leistung, welche er einstellen kann, um die
Frage nach einer bestehenden Koronarinsuffizienz
zu klären. Dieses verständliche Bedürfnis ist leider
nicht zu befriedigen, da die Belastung, bei der eine
Koronarinsuffizienz manifest wird oder die Koronarreserve erschöpft ist, individuell sehr verschieden
ist; bei gleichaltrigen Männern kann beispielsweise die erforderliche Leistung zwischen 4 und
12 mkp/sec variieren. Der untersuchende Arzt muß
also in jedem Fall aufgrund seines Befundes angeben,
welche Belastung durchgeführt werden soll. Bisweilen ist es unumgänglich, daß man mehrere Leistungsstufen hintereinander prüft. Lediglich für die Unter-
Dtsch. med. Wschr., 91. Jg.
suchung von offensichtlich gesunden Versuchspersonen, bei denen es sich nur darum handelt, eine
Kororiarinsuffizienz auszuschließen, kann man sich
an gewisse Normen halten. Es muß aber ausdrücklich
betont werden, daß diese Angaben im Einzelfall
häufig nicht verbindlich sind. Entsprechend dem oben
Ausgeführten verwenden wir ebenfalls Leistungen,
die auf die individuelle Körperoberfläche bezogen
sind; die Tabelle 2 enthält entsprechende Angaben.
Tab. 2. Leistungen in Abhängigkeit von Alter und Geschlecht, die bei Belastungsuntersuchungen zum Ausschluß einer Koronarinsuffizienz benützt werden können,
wenn Anamnese und Befund keinen Hinweis auf eine
Koronarerkrankung geben
Leistung in mkp/sec/1,73 m2
Alter in Jahren
20-29
30-39
40-49
50-59
60-69
10
8
9
7
8
6
5,5
5
7
6
Aufgrund der obigen Ausführungen ist es ohne
weiteres verständlich, daß die Kletterstufe für Untersuchungen des Belastungs-EKG besonders gut geeignet Ist. Falls man nicht nur nach der Belastung,
I
K. Ke.
¿
43 J.
Stehen
I
wahrend
vor
Belastung
Belastung
wihrend Belastung
2.
min
¿.
min
vor
Belastung Uegen
V6
Stehen
wiihrend
Belastung
25 mm / sec
1
6. min
mV - 0,5
2
mm
nach
Belastung
cm
Abb. 6. Elektrokardiogramni von einem 43jährigen Mann mit pektanginösen Beschwerden. Im Ruhe-Elektrokardiogramm außer einem lagebedingten QuI kein pathologischer Befund. Während und nach Belastung ausgeprägte Ischämiezeichen über der Herzvorderwand,
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888
Kaltenbach: Stufenbelastungen zur Beurteilung von Leistungsfähigkeit und Koronarreserve
Nr. 19, 13. Mai 1966
889
I
H. Sch.
58 J.
J
Stehen vor Belastung
-Lwährend Betastung
min
1.
y-------------v
2
während Belastung
V2
min
2
V4j
V4
während
Belastung
3.
min
V6
25
vor
mm/sec
1
mV
=
0,5 cm
Belastung
V6
1
min nach Belastung
Abb. 7. 58jähriger Mann mit typischer Angina pectoris. Im Ruhe-Elektrokardiogramm uncharakteristische Störung des
Erregungsrückgangs, während und nach Belastung deutliche Ischämiereaktion (Typ der Vorderwandischämie).
L_----
11
.He.
48 J.
Abb. 8. Elektrokardiogramm
eines 48jährigen Mannes mit
Angina-pectoris-Beschwerden. In
Ruhe geringe Störung des Erregungsrückgangs, nach Belastung Ischämiezeichen am
deutlichsten in Ableitung II, III
und V6 (Typ der Hinterwandischämie).
J
n- nV6-, _________j
I
V2
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JI'
Kaltenbath: Stufenbelastungen zur Beurteilung von Leistungsfähigkeit und Koronarreserve
sondern auch während der Belastung ein EKG registrieren will, geschieht dies in Form einer transthorakalen Ableitung, wobei eine Elektrode am Rükken in Höhe des zweiten Brustwirbelkörpers und
eine Elektrode an der Ableitungsstelle von V4 fixiert
ist. Die Abbildungen 6, 7 und 8 zeigen Beispiele von
pathologischen Belastungs-EKG. Aufgrund der am
stärksten veränderten Ableitungen kann man gewisse Rückschlüsse auf die Lokalisation der Ischämie
ziehen. Eine Ischämie der Vorderwand zeigt in Ableitung I und V4 die stärksten ST-Senkungen, in Ableitung III kann es dabei zu einer gegensinnigen
T-Positivierung kommen. Eine Ischämie der Hinterwand macht die deutlichsten ST-Senkungen in II und!
oder III und V6; in der Ableitung V2 kommt es dabei
nicht selten zu einer gegensinnigen Anhebung der
ST-Strecke und T-Wellen-Uberhöhung, in Ableitung I
können sich ähnliche Verhältnisse zeigen.
In der Abbildung 9 ist das seltene Auftreten einer
sogenannten falsch-positiven Ischämiereaktion. wie-
Dtsch. med. Wschr., 91.Jg.
dergegeben. Es handelt sich úm eine offensichtlich
herzgesunde, nicht digitalisierte, vegetativ stigmatisierte 34jährige Frau. Das Ruhe-EKG zeigt bereits
leichte Endteilveränderungen, nach Belastung sieht
man eine typische Ischämiereaktion. Solche Befunde
bei offensichtlich Herzgesunden hat unseres Wissens
als erster Fleisch (2) publiziert. Er empfahl, zur Erkennung dieser seltenen Reaktionsweise vor jeder Belastung ein Elektrokardiogramm im .Liegen zu registrieren, wobei die Beine aktiv hochgehoben werden.
Infolge dieser ungewohnten Anstrengung kommt es
zu einer vegetativen Umschaltung und damit zur
Manifestation solcher ungewöhnlicher elektrokardiographischer Veränderungen. Wir benützen zum
gleichen Zweck ein im Stehen sofort nach dem Aufstehen geschriebenes Elektrokardiogramm. Auch
hierdurch kommt es zu einer starken vegetativen
Toriusänderung, die solche seltene EKG-Reaktionstypen erkennen läßt; die Abbildung 9 zeigt dies
deutlich,
I
\-__
A. No. 34 J.
V6
Beostung
liegen vor Belastung
L;egen
Stehen
Auf (sofort nach Auf
(sotort
stehen)
Betci mr nach BelaLiegen
Legen 44 min
stung
stung
Abb. 9. Elektrokardiogramm einer herzgesunden 34jährigen Frau. In Ruhe angedeutete Störung des Erregungsrüdcgangs,
die im Stehen (ohne vorausgehende Belastung) sehr deutlich wird und die Kriterien einer pathologischen Isdiämiereaktion erfüllt. Es handelt sich jedoch offensichtlich nicht um die Folge einer koronaren Mangeldurdiblutung, sondern einer
durch das Aufstehen bewirkten vegetativen Umschaltung. Die ST-Senkung nach Belastung ist iii diesem Fall nicht als organisch pathologisch zu bewerten.
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890
Nr. 19, 13. Mai 1966
Die Kietterstufe eignet sich für alle Leistungsprüfungen, welche nicht aus besonderen Gründen im
Liegen erfolgen müssen. Gegenüber der Ergometrie
und anderen Stufentests hat sie erhebliche Vorteile.
Für die Beurteilung der körperlichen Leistungsfähigkeit, als Maß der Leistungsreserve des Herzens, werden Normalwerte für das Verhalten der Herzschlagfrequenz *ährend und nach Belastung bei Leistungen
pro 1,73 m2 Körperoberfläche mitgeteilt, die auch in
niedrigen und mittleren Leistungsstufen eine Leistungsminderung. erkennen lassen, ohne daß maximale oder submaximale Belastungen durchgeführt
werden müssen. Die Durchführung von Arbeitsversuchen an der Kietterstufe zur Erkennung einer
Koronarinsuffizienz mit Hilfe des Elektrokardiogramms während und nach Belastung wird dargelegt
und an einigen Beispielen besprochen.
Literatur
Arbeitsphysioiogie
14
(1951),
369.
Dimond, E. G.:
24 (1961), 736.
Circulation
Fleisch, A. 0.: Cardiologia
(Basel). 40 (1962), 235.
Kaltenbach, M.: Med. Kim.
56 (1961), 1869.
(10) Kiepzig, H., M. Kaltenbach: Z. ärztl. Fortbild. 51
(1962), 677.
(11) Lythoge (1925): zit. nach
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