Quantenphänomene und Supraleitung Quantumphenomena and

Werbung
Jahrbuch 2003/2004 | Sparn, Günter; Gegenw art, Philipp; Sichelschmidt, Jörg; Coleman, Piers; Custers,
Jeroen; Deppe, Micha; Ferstl, Julia; Geibel, Christoph; Grosche, Friedrich Malte; Neumaier, Karl; Pépin,
Catherine; Steglich, Frank; Tokiw a, Yoshifumi; Trovarelli, Octavio; Voevodin, Vladimir; W ilhelm, Heribert; Yuan,
Huiqiu | Quantenphänomene und Supraleitung
Quantenphänomene und Supraleitung
Quantumphenomena and Superconductivity
Sparn, Günter; Gegenw art, Philipp; Sichelschmidt, Jörg; Coleman, Piers; Custers, Jeroen; Deppe, Micha; Ferstl,
Julia; Geibel, Christoph; Grosche, Friedrich Malte; Neumaier, Karl; Pépin, Catherine; Steglich, Frank; Tokiw a,
Yoshifumi; Trovarelli, Octavio; Voevodin, Vladimir; W ilhelm, Heribert; Yuan, Huiqiu
Max-Planck-Institut für Chemische Physik fester Stoffe, Dresden
Korrespondierender Autor
E-Mail: [email protected]
Zusammenfassung
Die bis heute in der Medizin-, Informations- und Sensortechnik erzielten Entw icklungen beruhen alle auf
Modellen, w elche in der Physik und der Chemie w ohletabliert sind und deren Kenntnisstand die Ergebnisse der
Grundlagenforschung bis zur Mitte des letzten Jahrhunderts w iderspiegelt. Weitere Fortschritte scheinen aber
nur dann möglich zu sein, w enn w ir einen neuen, w eitgehend unbekannten Zustand der kondensierten
Materie verstehen lernen, dessen Eigenschaften sich nicht im Rahmen dieser etablierten Modelle beschreiben
lassen. Dieser neue Zustand w ird durch Quantenphänomene dominiert. Quantenphänomene spielen immer
dort eine Rolle, w o räumliche Dimensionen unter die Wellenlänge des Lichts fallen (Nanotechnologie) oder
extrem starke Korrelationen im Elektronensystem des Festkörpers auftreten (Quanten-Halleffekt, Kolossaler
Magnetw iderstand, Hochtemperatur-Supraleitung). Im Berichtszeitraum haben w ir zw ei herausragende
Entdeckungen gemacht, w elche auch für das Verständnis der Hochtemperatur-Supraleiter von entscheidender
Bedeutung sein könnten. Bei der Beschreibung der Hochtemperatur-Supraleiter geht man bisher davon aus,
dass die Supraleitung durch eine Kopplung der Ladungsträger an magnetische Fluktuationen erzeugt w ird. In
einem zu den Hochtemperatur-Supraleitern verw andten System (CeCu 2 Si2 ) haben w ir erstmals neben
Hinw eisen auf die Existenz eines magnetischen Kopplungsmechanismus auch Hinw eise auf die Existenz eines
völlig
neuartigen
Untersuchungen
Kopplungsmechanismus
der physikalischen
erhalten. Die
Eigenschaften
von
zw eite
Metallen
Entdeckung
nahe
an
stammt
aus
dem für die
detaillierten
Supraleitung
bedeutenden magnetischen quantenkritischen Punkt. Unsere Beobachtungen an der Verbindung YbRh 2 Si2
legen den Schluss nahe, dass die stark w echselw irkenden Ladungsträger nicht mehr als unabhängige
Quasiteilchen aufgefasst w erden können. Vielmehr scheinen in diesem System die nach der bisherigen
Vorstellung extrem langlebigen Quasiteilchen bei Annäherung an einen magnetischen quantenkritischen Punkt
in einen Ladungs- (Strom) und in einen Spinanteil (Magnetismus) zu zerfallen.
Summary
All developments achieved to date in the fields of medical-, information- and sensor- technology are based on
models w hich are w ell established in physics and chemistry and w hich reflect the state of know ledge of
fundamental research until the middle of the last century. Further progress, how ever, seems to be possible
only if w e learn to understand a new state of condensed matter, w hich can not be described w ithin the
© 2004 Max-Planck-Gesellschaft
w w w .mpg.de
1/6
Jahrbuch 2003/2004 | Sparn, Günter; Gegenw art, Philipp; Sichelschmidt, Jörg; Coleman, Piers; Custers,
Jeroen; Deppe, Micha; Ferstl, Julia; Geibel, Christoph; Grosche, Friedrich Malte; Neumaier, Karl; Pépin,
Catherine; Steglich, Frank; Tokiw a, Yoshifumi; Trovarelli, Octavio; Voevodin, Vladimir; W ilhelm, Heribert; Yuan,
Huiqiu | Quantenphänomene und Supraleitung
context of the established models. This new state is dominated by quantum phenomena. Quantum
phenomena come into play, w hen spatial dimensions become smaller than the w avelength of light (nanotechnology) or w hen extremely strong correlations build up among the electrons of the solid (Quantum Hall
Effect, Collossal Magnetoresistance, High Temperature Superconductivity (HTSC)). Here w e report tw o
outstanding discoveries w hich could be particularly important for the understanding of the HTSC. At the heart
of the description of HTSC lies the assumption that superconductivity is created by coupling the charge carriers
via magnetic fluctuations. In CeCu 2 Si2 , a compound w hose properties are related to those of HTSC, w e not
only have found hints tow ards the existence of a magnetic coupling mechanism but furthermore, for the first
time, have been able to collect evidence for the existence of an additional, completely new coupling
mechanism. The second discovery concerns the physical properties of a strongly correlated electron system
(YbRh 2 Si2 ) in the vicinity of the magnetic quantum critical point. In YbRh 2 Si2 the strongly interacting charge
carriers can not be treated w ithin the concept of w eakly interacting heavy quasi particles, as it is successfully
done in heavy electron metals aw ay from quantum criticality. In contrast to hitherto models, the quasiparticles
in YbRh 2 Si2 seem to disintegrate into a charge part (current) and a spin part (magnetism) w hen approaching
the quantum critical point.
Magnetismus und Supraleitung gehören auch heute noch zu den faszinierendsten Eigenschaften der Materie.
In unserem von vielerlei Technik geprägten Alltag sind beide Phänomene in zahlreichen Anw endungen in der
Medizin-, Computer- und Sensortechnik allgegenw ärtig und - w egen ihres hohen technologischen Potenzials auch unverzichtbar gew orden. Bei ihrer Erforschung eröffnet sich den W issenschaftlern eine extrem komplexe
Welt, die von den Wechselw irkungen der Elektronen eines Festkörpers untereinander sow ie mit den
Atomrümpfen des Kristallgitters geprägt ist. Ein solch komplexes, in sich verw obenes System aus sehr vielen
Teilchen mathematisch exakt zu beschreiben, ist bisher nicht möglich. Sollte es gelingen, w ürde es ungeahnte
Möglichkeiten eröffnen, um Materialien mit gew ünschten Eigenschaften gezielt herzustellen.
Auf dem Weg dahin ist die Erforschung von immer neuen chemischen Verbindungen unverzichtbar. Mit Blick auf
die Entschlüsselung der Natur von Magnetismus und Supraleitung hat sich eine Klasse von Substanzen, die so
genannten
"Schw ere-Fermionen-Verbindungen",
als
besonders
geeignet
und
faszinierend
erw iesen.
Verbindungen mit "Schw eren Fermionen" enthalten Elemente aus der Gruppe der "Seltenen Erden" oder der
"Aktiniden", die in metallischer Umgebung bei Zimmertemperatur lokale magnetische Momente aufw eisen. Die
Wechselw irkung von Leitungselektronen mit diesen lokalen Momenten führt dazu, dass die Bew egung der
Elektronen (Fermionen) behindert w ird, sie somit - bildhaft gesprochen - träge und damit schw er erscheinen.
Die Zahl der bekannten Schw ere-Fermionen-Verbindungen mit ungew öhnlichen elektrischen und magnetischen
Eigenschaften w ächst beständig. Bis heute hat man fast zw anzig Verbindungen gefunden, die bei
Temperaturen kleiner als 3 Kelvin supraleitend w erden. Diese Eigenschaft, den elektrischen Strom ohne
"Energieverlust" zu tragen, entsteht durch die koordinierte Bew egung zw eier Elektronen, w elche ein so
genanntes Cooper-Paar bilden.
In klassischen Supraleitern entsteht diese Koordination durch die elastische Kopplung der Elektronen an die
Bew egung der Atome im Kristallgitter. Bei Schw ere-Fermionen-Supraleitern vermutet man hingegen, dass die
Bew egung der "Schw eren Elektronen" durch ihre Kopplung an die Bew egung der magnetischen Momente
koordiniert w ird. Doch dieser Mechanismus scheint nicht nur der Supraleitung in Metallen mit schw eren
Fermionen zugrunde zu liegen. Viele Forscher glauben, dass in ihm auch der Schlüssel zum Verständnis der
Hochtemperatursupraleiter zu finden ist, w elche ein hohes technologisches Potenzial besitzen.
Unsere neuen Experimente unterstützen nun die Vorstellung, w onach Schw ere-Fermionen-Supraleitung auf
einen rein elektronischen, d.h., nicht durch Gitterschw ingungen verursachten Paarbildungsmechanismus
© 2004 Max-Planck-Gesellschaft
w w w .mpg.de
2/6
Jahrbuch 2003/2004 | Sparn, Günter; Gegenw art, Philipp; Sichelschmidt, Jörg; Coleman, Piers; Custers,
Jeroen; Deppe, Micha; Ferstl, Julia; Geibel, Christoph; Grosche, Friedrich Malte; Neumaier, Karl; Pépin,
Catherine; Steglich, Frank; Tokiw a, Yoshifumi; Trovarelli, Octavio; Voevodin, Vladimir; W ilhelm, Heribert; Yuan,
Huiqiu | Quantenphänomene und Supraleitung
verursacht
w ird.
Historisch
Kopplungsmechanismus,
da
betrachtet
Untersuchungen
favorisierte
an
einer
man
dafür
Reihe
von
zuerst
einen
Polykristallen,
magnetischen
deren
chemische
Zusammensetzung man nur geringfügig variierte, zum Ergebnis führten, dass sich die Verbindung CeCu 2 Si2
(Ce: Cer, Cu: Kupfer, Si: Silizium) in der Nähe eines magnetischen quanten-kritischen Punktes befindet. Dabei
lässt sich der Abstand zum quantenkritischen Punkt durch Variation externer Parameter, w ie der chemischen
Zusammensetzung, dem Druck oder dem Magnetfeld einstellen. Für Cer-haltige Verbindungen gilt dabei, dass
ein großer Abstand zw ischen den Cer-Atomen den magnetisch geordneten Zustand stabilisiert, w ährend mit
abnehmendem Atomabstand stets ein paramagnetischer Zustand erreicht w erden kann. Experimente unter
Hochdruck hatten bereits gezeigt, dass sich die Supraleitung - ausgehend von einem magnetisch geordneten
Zustand - bei Annäherung an den quantenkritischen Punkt so stabilisiert, w ie es unter Annahme des oben
beschriebenen
Modells
erw artet
w ird.
Unerklärt
blieb
jedoch,
w arum
sich
die
Supraleitung
im
paramagnetischen Bereich nicht w ieder abschw ächt, sondern vielmehr in deutlicher Entfernung zum quantenkritischen Punkt zusätzlich stabilisierte.
Der Durchbruch zum Verständnis dieses Phänomens gelang durch die Herstellung einer Reihe von Einkristallen
der Verbindung CeCu 2 Si2 , bei denen schrittw eise die kleineren Silizium-Atome durch größere GermaniumAtome ersetzt w urden - CeCu 2 (Si1-x Ge x )2 . Durch diese schrittw eise Substitution w ar es möglich, den
unkonventionellen supraleitenden Zustand aufgrund des Effekts der Paarbrechung durch Streuung an
Störstellen kontrolliert zu schw ächen. Mit w achsender Substitution nimmt aber zw angsläufig auch der Abstand
zw ischen den Cer-Atomen zu. Dieser größer w erdende Atomabstand kann durch externen Druck kompensiert
w erden. Auf diese Weise ist man in der Lage, den Einfluss der Paarbrechung auf die Supraleitung unabhängig
von der Entw icklung der Atomabstände zu studieren. Bemerkensw erterw eise ist der supraleitende Zustand für
die Verbindung CeCu 2 Si2 nicht nur bei einem, sondern bei zw ei ganz bestimmten Atomabständen jew eils
besonders stabil. Das führt dazu, dass in Proben mit entsprechend großer Anzahl von Germanium-Störstellen
als Funktion des Drucks (Abstands) zw ei voneinander getrennte
Bereiche
im Phasendiagramm des
Supraleiters auftreten (Abb. 1).
Diese Entdeckung ist besonders faszinierend, w eil sie erstmals Hinw eise dafür liefert, dass nicht nur einer,
sondern zw ei verschiedene, rein elektronische Kopplungsmechanismen für die Supraleitung nebeneinander
existieren
können.
Danach
beruht
die
Supraleitung
bei
großem
Atomabständen
darauf,
dass
die
hochfrequenten Anteile der magnetischen Fluktuationen am magnetischen quantenkritischen Punkt die
Elektronen zu Cooper-Paaren koppeln. Kommen sich die Atome jedoch immer näher, so kann sich ein bisher
fest
gebundenes
Elektron
allmählich
befreien.
Im
vorliegenden
Fall
verläuft
dieser
Prozess
der
Ladungsänderung des Atoms nicht monoton, sondern diskontinuierlich. In der Umgebung dieser sprunghaften
Veränderung, die mit einer Valenzänderung des Cer einhergeht, entstehen Ladungsfluktuationen, w elche
offenbar ebenfalls in der Lage sind, Supraleitung zu erzeugen.
© 2004 Max-Planck-Gesellschaft
w w w .mpg.de
3/6
Jahrbuch 2003/2004 | Sparn, Günter; Gegenw art, Philipp; Sichelschmidt, Jörg; Coleman, Piers; Custers,
Jeroen; Deppe, Micha; Ferstl, Julia; Geibel, Christoph; Grosche, Friedrich Malte; Neumaier, Karl; Pépin,
Catherine; Steglich, Frank; Tokiw a, Yoshifumi; Trovarelli, Octavio; Voevodin, Vladimir; W ilhelm, Heribert; Yuan,
Huiqiu | Quantenphänomene und Supraleitung
Temperatur - Druck Phasendiagramm für zwei Proben des
CeCu2(Si1-x Gex ) 2 mit x = 0,1 und x = 0,23. Der relative Druck Δp
= p - pc(x) bezieht sich auf den Wert pc (x), der nötig ist, in der
jeweiligen Probe den magnetischen quantenkritischen Punkt
einzustellen (x = 0,1: pc = 1,5 GPa; x = 0,23: pc = 2,4 GPa).
Blaue Symbole kennzeichnen die Übergangstemperaturen TN(p) in
den magnetisch geordneten Zustand. Rote und grüne Symbole
kennzeichnen die Übergangstemperaturen Tc(p) in den
supraleitenden Zustand. Im roten Bereich werden Spinfluktuatonen,
im grünen Bereich Ladungsfluktuationen als Ursache für die
Supraleitung vermutet [1].
© Ma x -P la nck -Institut für che m ische P hysik fe ste r Stoffe , G.
Spa rn
Die zw eite Entdeckung gelang im Rahmen einer gründlichen Untersuchung der physikalischen Eigenschaften
jener Substanzen, bei w elchen sich mittels der Variation eines Kontrollparameters w ie z.B. Druck, chemische
Zusammensetzung
oder
Magnetfeld
ein
magnetischer
quantenkritischer
Punkt
einstellen
lässt.
Ein
"quantenkritischer Punkt" (QKP) ist erreicht, w enn die magnetische Übergangstemperatur als Funktion des
Kontrollparameters so nahe w ie möglich an den absoluten Temperatur-Nullpunkt (T = 0 K, entsprechend 273,15 °C ) verschoben ist. Hier liegen gleichzeitig sow ohl der magnetisch geordnete als auch der
ungeordnete
Zustand vor. Im Gegensatz
zu klassischen magnetischen Substanzen, w ie
z.B. Eisen
(Übergangstemperatur TC = 744 °C) , w ird der Wechsel zw ischen den beiden Zuständen nicht durch
thermische Fluktuationen, sondern durch "Quanten-Fluktuationen" verursacht. Dieser QKP dominiert die
physikalischen Eigenschaften des Materials nicht nur bei T = 0 K, sondern auch bis zu deutlich höheren
Temperaturen.
In der Kompetenzgruppe Materialentw icklung am MPI-CPFS konnte vor einigen Jahren eine extrem reine
metallische Verbindung aus den Elementen Ytterbium (Yb), Rhodium (Rh) und Silizium (Si), YbRh 2 Si2 ,
synthetisiert w erden, die in idealer Weise geeignet ist, das Verhalten in der Nähe eines QKP zu untersuchen.
In YbRh 2 Si2 tritt magnetische Ordnung erst bei einer sehr niedrigen Temperatur von T = 0.07 K auf. Nun
konnte diese Temperatur w eiter abgesenkt w erden, indem eine kleine Zahl der Silizium-Atome durch
Germanium (Ge) ersetzt w urde. In YbRh 2 (Si0,95 Ge 0,05 )2 taucht die magnetische Ordnung erst unterhalb von T
= 0,02 K auf, w eshalb sich der QKP mit vorher nie erreichter Genauigkeit untersuchen lässt.
An dieser Substanz w urden zw ei komplementäre Eigenschaften in unmittelbarer Nähe des QKP gemessen: die
W ärmekapazität, die Aufschluss über die Masse der "Schw eren Elektronen" gibt, und der elektrische
W iderstand als Maß für die Häufigkeit ihrer gegenseitigen Kollisionen. Nach Abkühlen zu extrem tiefen
© 2004 Max-Planck-Gesellschaft
w w w .mpg.de
4/6
Jahrbuch 2003/2004 | Sparn, Günter; Gegenw art, Philipp; Sichelschmidt, Jörg; Coleman, Piers; Custers,
Jeroen; Deppe, Micha; Ferstl, Julia; Geibel, Christoph; Grosche, Friedrich Malte; Neumaier, Karl; Pépin,
Catherine; Steglich, Frank; Tokiw a, Yoshifumi; Trovarelli, Octavio; Voevodin, Vladimir; W ilhelm, Heribert; Yuan,
Huiqiu | Quantenphänomene und Supraleitung
Temperaturen
unterhalb
von T = 0,02 K w urden kleine Magnetfelder angelegt, mit deren Hilfe der
Mechanismus, der die magnetische Ordnung herstellt, gezielt beeinflusst und unterdrückt w urde. Bei einem
"kritischen" Wert des Magnetfeldes liegt das Material so in unmittelbarer Nähe zum QKP. Beide Messgrößen
zeigten eine dramatische Entw icklung: Einerseits bew egten sich die Elektronen immer langsamer, w urden also
auch immer schw erer, und andererseits kollidierten sie immer häufiger untereinander. Dieses anomale
Verhalten ist in Abbildung 2 als orange eingefärbter Bereich in Abhängigkeit der Temperatur und des
Magnetfelds gezeigt. Nach Aussage der bisher bekannten Theorien sollten die "Schw eren Elektronen" auch am
QKP stabil bleiben. Die Analyse der hier beschriebenen Forschungsergebnisse zeigt jedoch, dass bei
Annäherung an den QKP die Masse der "Schw eren Elektronen" stärker divergiert (unendlich w ächst) als man
aus dem ebenfalls enormen Anstieg der Kollisionsrate erw arten w ürde. Daraus w urde geschlossen, dass die
"Schw eren Elektronen" offenbar in einen magnetischen (Spin-) und einen stromtragenden (Ladungs-) Anteil
auseinanderbrechen.
Temperatur-Magnetfeld-Phasendiagramm für YbRh2Si2 (links) und
YbRh2(Si0,95Ge0,05) 2 (rechts). In den rot bzw. blau eingefärbten
Bereichen zeigt der elektrische Widerstand stark anomales bzw.
normales metallisches Verhalten [2].
© Ma x -P la nck -Institut für che m ische P hysik fe ste r Stoffe , P .
Ge ge nwa rt
Diese Schlussfolgerung konnte anschließend eindrucksvoll durch die Beobachtung der so genannten
Elektronenspinresonanz (ESR) in YbRh 2 Si2 bestätigt w erden. Die spektroskopische Methode der ESR erlaubt
die Untersuchung elementarer magnetischer Anregungen von Elektronen. Die Eigendrehung der Elektronen,
ihr Spin, verursacht ein magnetisches Moment, das nach außen durch ESR nur dann sichtbar w ird, w enn sich
die Elektronenspins nicht gegenseitig aufheben, also ungepaart auftreten. Da nach bisherigem Verständnis
das Auftreten von "Schw eren Elektronen" in YbRh 2 Si2 direkt mit dem Verschw inden ungepaarter YtterbiumElektronenspins verbunden ist, w urden ESR-Signale zunächst nicht erw artet. Dennoch fand man ausgeprägte
ESR-Spektren, deren W inkel- und Temperaturabhängigkeit die Existenz lokaler, ungepaarter YtterbiumElektronenspins eindeutig belegt (Abb. 3). Die überraschende Präsenz dieser ESR bestätigt die oben
erläuterten
außergew öhnlichen
physikalischen
Eigenschaften
von
YbRh 2 Si2 ,
w onach
die
"Schw eren
Elektronen" am absoluten Temperatur-Nullpunkt in einen magnetischen (Spin-), für die ESR sensitiven, und
einen stromtragenden (Ladungs-) Anteil auseinanderbrechen. Das ESR-Experiment zeigt außerdem, dass der
magnetische Anteil bis zu überraschend hohen Temperaturen sichtbar bleibt.
© 2004 Max-Planck-Gesellschaft
w w w .mpg.de
5/6
Jahrbuch 2003/2004 | Sparn, Günter; Gegenw art, Philipp; Sichelschmidt, Jörg; Coleman, Piers; Custers,
Jeroen; Deppe, Micha; Ferstl, Julia; Geibel, Christoph; Grosche, Friedrich Malte; Neumaier, Karl; Pépin,
Catherine; Steglich, Frank; Tokiw a, Yoshifumi; Trovarelli, Octavio; Voevodin, Vladimir; W ilhelm, Heribert; Yuan,
Huiqiu | Quantenphänomene und Supraleitung
ESR-Spektren eines Einkristalls von YbRh2Si2 bei zwei
representativen Temperaturen T = 1.6 K und T = 5 K. Das
eingeschobene Bild illustriert die extreme Winkelabhängigkeit des
ESR Signals bei Rotation des Kristalls im äußeren Magnetfeld.
Damit kann die Herkunft der Resonanz auf lokale Ytterbiumspins
zurückgeführt werden, welche dem stark von der Raumrichtung
abhängigen kristallelektrischen Feld des YbRh2Si2 ausgesetzt sind
[3].
© Ma x -P la nck -Institut für C he m ische P hysik fe ste r Stoffe , J.
Siche lschm idt
Diese
Entdeckungen
an
Quantenphasenübergänge
anderen
w eiter
Substanzen
zu
zu
entw ickeln,
bestätigen
bleibt
die
und
insbesondere
faszinierende
die
Modelle
Herausforderung
über
für
Experimentatoren und Theoretiker. Denn offenbar bestimmt der quantenkritische Punkt Materialeigenschaften
w ie Magnetismus und Supraleitung nicht nur am absoluten Nullpunkt, sondern abhängig von der Stärke der
Quantenfluktuationen auch bei höheren Temperaturen.
© 2004 Max-Planck-Gesellschaft
w w w .mpg.de
6/6
Herunterladen