NORDFRANKREICH 15 HÖHEPUNKTE Bailleul Modell einer flämischen Rekonstruktion WANDERFÜHRER Kurz nach Kriegsende beschloss der Gemeinderat um Natalis Dumez einen Wiederaufbau der Stadt, getreu ihrer Geschichte und ihrer räumlichen Anordnung, nach einem Plan des regionalistischen Architekten Louis-Marie Cordonnier. Inspirieren ließ sich das Architekten- und Bauleiterteam von zahlreichen Bauwerken der belgischen Stadt Brügge und folgte den Regeln des traditionellen flämischen Baustils: Die meisten der öffentlichen und privaten Gebäude wurden mit Backsteinen aufgezogen und teils mit Natursteinen aufgefüllt. Fassaden wurden mit Giebeln versehen und rund um vertikale Felder angeordnet. Auch sollte das So sorgen Sie für Ihre Sicherheit und eine angenehme Rundtour: • Die zu besichtigenden Erinnerungsstätten sind Orte der Besinnung. Bitte achten Sie den Ort und respektieren Sie die örtlichen Vorschriften. • Achten Sie während der ganzen Wanderung auf motorisierte Fahrzeuge (Autos, Motorräder…) und überqueren Sie Straßen nur auf Fußgängerüberwegen. 2 städtebauliche Konzept neuen Bedürfnissen gerecht werden: Hauptstraßen wurden verbreitert, das Wasserversorgungssystem ausgebaut, kleine Grünanlagen angelegt, eine öffentliche Badeanstalt errichtet. Obwohl finanzielle Einschränkungen die Architekten während dieser Zeit oft dazu zwangen, ihre ursprünglichen Pläne zu ändern, bleibt der Wiederaufbau von Bailleul jedoch ein Paradebeispiel für die Kreation einer idealen und modernen flämischen Stadt. Belfried und Glockenturm der Saint-Vaast-Kirche P. Morès Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war Bailleul (Belle in Flämisch) berühmt für seine Spinnereien und Textilfabriken, handgefertigte Spitze sowie die Gewächshausproduktion von Obst und Blumen. Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde die Stadt zum Rückzugsposten der alliierten Armeen, die am Frontbogen von Ypern kämpften. Im April 1918, während der Schlacht an der Leie, wurde die Stadt von deutschen Truppen eingenommen und innerhalb weniger Tage durch das Artilleriefeuer beider Lager vollständig zerstört. Grand’ Place 1 CHAB Plan von Bailleul im 16. Jahrhundert – Auszug aus dem De-Wit-Atlas 1698 Vor der kompletten Zerstörung von Bailleul 1918 war der rechteckige Grand’ Place das Zentrum der Stadt. Zahlreiche Geschäfte hatten sich dort angesiedelt: Uhrmacher, Juwelier, Lebensmittelgeschäfte, Schuh- und Hutmacher, Samen- und Getreidehändler, Bäcker, Schneider, Friseur, Fotograf, Eisenwarenhandel, Spielzeuggeschäft ... sowie schätzungsweise zwanzig Cafés und Schenken vor dem Krieg. Ab März 1919 befasste sich die Gemeinde mit einem neuen Raumordnungsplan für die Stadt. Mehrere Projekte wurden vorgestellt, und am 25. März 1920 das von LouisMarie Cordonnier präsentierte Projekt vom Gemeinderat angenommen: Es beruhte auf einem Erhalt der ursprünglichen Einteilung, mit Wiederaufbau der bedeutendsten Monumente und Verbreiterung der Straßen in Richtung des Grand’Place. Die aneinandergereihten, auf das Stadtzentrum konzentrierten Bürgervillen zeigten mit ihren weiß verputzten Fassaden durchbrochen von geraden, rechteckigen Fenstern, vornehmlich den klassischen Architekturstil des 18. Jahrhunderts. Die Architektur betreffend, so fiel die Wahl auf den neoflämischen Stil, inspiriert durch Bauwerke in Brügge. Dieser bei öffentlichen Gebäuden, Privathäusern und sogar diversen Fabrikfassaden angewandte Stil verlieh der Stadt ein vollkommen neues Gesicht. 3 2 coll. P. Verdru Rathaus und Belfried Belfried, Rathaus und Glockenturm der Saint-Vaast-Kirche vor 1914 Vom 10. bis 13. Jahrhundert bildete sich eine neue Gesellschaftschicht heraus: das Bürgertum. Diese Händler und Unternehmer (vorwiegend Tuchmacher in Bailleul) forderten das Recht auf Selbstverwaltung. So wurden in den Gemeinden, denen der Graf von Flandern die Stadtrechte zugesprochen hatte, Belfriede errichtet. Der Belfried von Bailleul diente in Kriegszeiten außerdem als Beobachtungsposten zur Überwachung von Stadt und Umgebung und war Zeuge der sich wiederholenden Brände und Wiederaufbauten. An diese Funktion erinnert heute die Wetterfahne Melusine, die hoch oben auf dem Belfried thronend über die Stadt wacht. 4 Kirche 1918. tung Saint-Vaast- s ch Ri rt ya Ro s de Rue en des Belfried Rechts, die Ruin IWM Ende März 1918 riss eine deutsche Granate ein Loch in den Belfried und wenige Tage später zerstörten alliierte Batterien das ganze Gebäude, um deutsche Truppen zurückzuschlagen, die in die Stadt eingedrungen waren. Alleine die Mauern des heute denkmalgeschützten gotischen Saals aus dem 13. Jahrhundert blieben bestehen. Der Belfried von unten nach oben: Im Erdgeschoss der gotische Saal, auf der Höhe des Balkons das Büro des Bürgermeisters, darüber der Archivsaal, in dem früher die wertvollen Urkunden aufbewahrt wurden und schließlich, unter dem Wehrgang, die Uhren. Weiter oben das Glockenspiel mit seinen 35 Glocken, das jede Viertelstunde flämische Melodien spielt. Das bemerkenswerteste Element des Rathauses ist die Außentreppe mit der Loggia. Hier verkündeten die Vertreter des Magistrats Verordnungen oder wichtige Veranstaltungen. Etwas weiter oben in einer Nische steht die Statue von Notre-Dame de Foy, Beschützerin von Heim und Herd. Gemeinde Bailleul Über der Ehrentreppe befindet sich ein großes Glasfenster, das zu Öffnungszeiten des Rathauses besichtigt werden kann. Es zeigt die wirtschaftlichen Aktivitäten, die den Wohlstand der Stadt begründeten: Spitze, Töpferware, Leinenspinnerei, Wolltuchweberei sowie regionale Produkte wie Leinen, Weizen, Hopfen, Kartoffeln. Glasfenster über der Ehrentreppe im Rathaus OTI Cœur de Flandre Nach dem Krieg wurde der Architekt Louis-Marie Cordonnier mit dem Wiederaufbau von Rathaus und Belfried beauftragt. Beide wurden 1932 eingeweiht und 2005 in die Welterbeliste der UNESCO aufgenommen. Melusine, Wächterin über Bailleul In 62 Metern Höhe wacht die Sirene Melusine über die Stadt und warnt sie vor Gefahren. Einer Legende aus der Region Poitou zufolge fiel Melusine als junges Mädchen einer Hexerei zum Opfer: Sie verwandelte sich jeden Samstag in ein Wesen halb Frau halb Schlange. Als ihr Ehemann eines Tages ihr Geheimnis entdeckte, schrie sie auf und verschwand. Seitdem kehrte sie bei drohendem Unglück als Geist in das Schloss ihres Mannes zurück, wandelte durch die Gräben und warnte ihn mit klagendem Geschrei vor der annähernden Gefahr. 3 coll. P. Verdru Springbrunnen und Wassertürme Springbrunnen und Jungenschule aus der Sicht des Belfrieds vor 1914 Auf dem Platz der heutigen Wassertürme stand früher eine Jungenschule, die während des Krieges von der britischen Behörde beschlagnahmt und als Militärapotheke eingerichtet wurde. Eines dieser britischen Feldlazarette, n° 53 Casualty Clearing Station, quartierte sich im September 1915 dort ein. Zu jener Zeit stand vor dieser Schule der öffentliche Springbrunnen. Er wurde 1844 angelegt, um das Quellwasser des Mont Noir (Schwarzer Berg) aufzufangen und so dem chronischen Wassermangel der Stadt entgegenzutreten. Acht Säulen versorgten die Einwohner mit ausreichend Wasser. 6 Der erste Wasserturm wurde 1882 gegen den Giebel der Saint-Vaast-Kirche errichtet und 1918 bei der Bombardierung von Bailleul zerstört. 1921 wurde auf dem höchsten Punkt der Stadt ein neuer Wasserturm gebaut, um auch die mehrstöckigen Häuser mit Wasser versorgen zu können. Die Architekten sahen sich gezwungen, die Jungenschule zu versetzen. Der zweite Turm kam 1961 hinzu. Sein Wasser kommt aus den Hügeln des Artois, 40 km von Bailleul entfernt. Museum Benoît-De-Puydt Das Museum wurde 1861 dank des Vermächtnisses des reichen Sammlers Benoît De Puydt an seine Geburtsstadt ins Leben gerufen. Sein ganzes Leben lang sammelte dieser neugierige und passionierte Urkundsbeamter Kunstobjekte aus der flämischen Kultur vom 15. bis 19. Jahrhundert. Nachfolgende Schenkungen von Künstlern und Kunstliebhabern verstärkten den besonderen Charme dieses Museums. Während des Ersten Weltkriegs blieb das Museum für das Militär und auserwählte Gäste geöffnet, die ihm nach dem Pariser Musée de Cluny den Beinamen „Le Petit Cluny“ gaben. Im März 1918 verlegten zwei Militärlastwagen einen kleinen Teil der Sammlungen in die Normandie. Museum Benoît-De-Puydt 4 Das Museumsgebäude wurde vollständig zerstört. Nach Schätzungen sind 70 % der Werke verloren gegangen. Jedoch konnte die Sammlung unter Zuhilfenahme der Kriegsentschädigung wieder hergestellt werden. Um die verloren gegangenen Gemälde wieder zum Leben zu erwecken, stellt das Museum Benoît-De-Puydt heute deren 1881 vom damaligen Konservator sorgfältig verfassten Beschreibungen auf Tafeln mit den ursprünglichen Abmessungen der Werke aus. So ist es der Fantasie eines jede Einzelnen überlassen, sich diese „Geistergemälde“ vorzustellen. Place de Bailleul – Gemälde, das Jacob II. Savery dem Jüngeren zugeschrieben wird - um 1620, 1931 mit Mitteln der Kriegsentschädigung erworben Rue du Musée Das Haus Nr. 30 des Historikers Ignace de Coussemacker (18421890) wurde während der Kriegszeit als Kultstätte genutzt. Es ist mit einem Votiv-Giebel verziert und trägt ein Schild mit der Aufschrift: „Dieses Haus ist eines der wenigen Gebäude, die der Zerstörung unserer Stadt 1918 entkommen sind, gelobt sei das anbetungswürdige Herz Jesus Christi“. Seine Architektur unterscheidet sich von den Nachbarhäusern, die aus der Zeit des Wiederaufbaus stammen wie die Nr. 36, dessen ockerfarbene Back- und Natursteinfassade mit Voluten, Pinakeln, Muscheln und Giebel verziert ist. 4 Rue du Musée vor 191 5 coll. P. Verdru Der Saal Marguerite Yourcenar, Nr. 3, wurde 1923 durch den Architekten René Dupire entworfen. Er diente der Pfarrgemeinde Saint-Vaast zunächst als provisorische Kirche, später als Gemeindesaal. Der Saal wurde 1940 durch Bombardierungen schwer beschädigt und nur mit begrenzten Mitteln restauriert. Trotz dieser Verluste blieb die Architektur von herausragender Qualität: Die mittelalterlichen flämischen Merkmale sind präzise und durchdacht. Die Eingänge sind mit Tudorbögen versehen. Detail des Giebels des Hauses Nr. 36, Rue du Musée 8 OTI Cœur de Flandre Saint-Vaast-Kirche 6 Vor dem Krieg war diese Kirche eine hallekerk: Eine Hallenkirche mit drei gleich hohen und breiten, durch Säulen getrennte Schiffe - ein Stil, der ab dem 15. Jahrhundert in Flandern sehr beliebt war. Zu jener Zeit befand sich der öffentliche Garten, Treffpunkt der lokalen Bevölkerung, hinter der Kirche. Während des Wiederaufbaus mussten die Bauarbeiten aufgrund finanzieller Schwierigkeiten von 1926 bis 1930 unterbrochen werden: Kostenvoranschläge wurden halbiert und die Ambitionen der Architekten Louis-Marie und Louis-Stanislas Gem Cordonnier überarbeitet. Jedoch war die Qualität eind e Ba illeu der Baumaterialen für dieses neuromanischl byzantinische Gebäude in eklektischem Baustil von größter Bedeutung: romanische Kunst in den Tympana, dem Turm, dem Chorhaupt, der Kanzel und dem Hauptaltar, Art déco im Orgelprospekt, ägyptische Kunst in den Kapitellen und Beichtstühlen sowie Mosaikkunst aus Ravenna. Lucien Detrez erstellte das von Camille Deberdt für Skulpturen und von Charles Hollart für Glasfenster ausgeführte ikonografische Programm. Die Fenster im Chorumgang erzählen die Geschichte von Bailleul, das Querhaus die der Heiligen von Flandern. Die Apsiskapelle ist dem heiligen Antonius dem Großen gewidmet. Dieser Heilige wurde in Bailleul als Schutzheiliger und Wunderheiler verehrt. Statue und Glasfenster des heiligen Antonius im Chor der Saint-Vaast-Kirche Becq oi ont N ue du M Ru e de nr. 2 und 4 rue du Collège 10 W i Van Ph ilip pe Ru e Ru e Ru e Ph a ra on de ck 10 é Hi V l ae m yn St -A m an d Sp ine nta Fo t en cid c d'O Ru e St -Ja c Mädc 12 ile m er nt er Bahnhof 11 eÉ Ru Allée R o g Parkplatz Britisches Denkmal 6 3 es qu DUNKERQUE e Ru Place Plichon Tie gh em Rue de Cassel e èg ch Fo Informationstafel ed Ru oll uC al Präsidialgericht e la ed Ru tyl Cor de Spitzenklöppelschule 8 uM ed Ru 9 o it Ben Rue Kriegerdenkmel Fortsetzung zum EPSM (Punkt Nr. 15): +1,1 km 7 Rue Kirche Saint-Vaast Startpunkt: Grand' Place Tourismusbüro du 2 Stunden Rue s on 3 km 5 s ul Fo Ch ar l es du Ru e e llé a u lt Ko de e Ru e A Bailleul - Modell einer flämischen Rekonstruktion Fla h rte Co ub er tin nke r r r er Pi Square Plichon POPERINGE IEPER Moulin Jean 15 EPSM du e e Locr Route d Muet Avenue Che m in me z d'Y pre s e is Ru e Na tal Ru e rs vie u sé Rue des Vi Fra nço is Rabelais uM 4 Du Museum Benoît-De-Puydt Square des Marmitons pringbrunnen und Wassertürme 13 Mediathek S es ar t Roy œ s 1 u rs Grand Place .M eF Ru de Co de e Ru nd mo Ed e 2 r ke ma e s us N o ir es Ru ey c la ne oe chenschule Rue ed Ru es 2 Stadthaus und Belfried u Pa ue l Belleki Mélus ine ndstra e te Bailleul Communal Cemetery and Extension er rri Pe Lil le N E O ete tra x au ev Ch e Ru an Je ès ur Ja S de x au Parc Honoré Declerck RE TIÈ EN LE M LIL AR lds ou Bahnhof 700 meter e Ru s te Po ne n cie l'An 14 R n Ar Rue du G al Cheroutre Ég l i s e Neuve Avenue Rue du Musée de Rue S 0 25 50 75 100 m Der flämische Wiederaufbau AD Die Hauptmerkmale dieser flämischen Architektur sind der gotische Spitzbogenstil, eine starke Präsenz von Treppengiebeln sowie der intensive Gebrauch von lokalem Baumaterial, dem -Marie Porträt von Louis Backstein. Cordonnier N Um allen Gebäuden eine flämische Note zu verleihen, ließen sich die dem Architekten Louis-Marie Cordonnier unterstellten Bauleiter von Häusern benachbarter belgischer Gemeinden wie Brügge oder Ypern inspirieren. Gemeinde Bailleul Obgleich der Erste Weltkrieg ein industrieller Krieg auf weltweiter Ebene war, blieb der Wiederaufbau handwerklich und regional. Der Bürgermeister Natalis Dumez, sein Gemeinderat und die regionalistischen Architekten teilten die Idee einer „flämischen Wiedergeburt“. Und so erblickte ein neues Bailleul das Licht der Welt, flämischer als vor der Zerstörung. Details der Fassade der Mediathek Die Fassaden sind in Felder eingeteilt, entweder geradlinig oder als Kielbogen, durchbrochen von Fenstern mit Mittelpfeilern (feststehende Steinpfeiler, die eine Fensteröffnung teilen). Andere Merkmale kommen aus der Renaissance oder sogar dem Barock: Volutengiebel, Wechselspiel zwischen Back- und Natursteinen, Dachgauben, reiche Verzierung (Ankereisen, Engelskulpturen, Füllhörner, Blumenund Fruchtguirlanden, Fratzengesichter…). Dank dem Wiederaufbau, der sich auf eine Zeitperiode konzentrierte, besitzt Bailleul seitdem ein Erbgut außergewöhnlichen Reichtums und Harmonie. Architekten Initialprojekt des nnier für rdo Louis-Marie Co von Rathaus au ufb era ed Wi n de und Belfried 12 ADN Diese beiden Häuser sind das Werk des Architekten Jacques Barbotin. Das Haus Nr. 4 lehnt sich an ein altes Haus in Brügge an. Es ist eines der eindruckvollsten des Wiederaufbaus. Seine dreigeteilte Fassade erstreckt sich über knapp 17 Meter. Der Zentralgiebel unterstreicht die Symmetrieachse. Die Verzierung ist von hochwertiger Qualität mit reichlich Motiven: getäfelte Tür, Umrahmung mit vorspringenden Schlusssteinen, barocke Aufschrift, Balkongeländer, Votivnische, Dachfenster mit Kuppellaternen… Kriegerdenkmal 7 8 Das Kriegerdenkmal steht auf dem Platz der ehemaligen Kirche Saint-Amand, einer Jesuitenkapelle aus dem 17. Jahrhundert. Das Denkmal erinnert an die Vernichtung der Stadt, an militärische und zivile Opfer sowie an die Gefallenen des Deutsch-Französischen Krieges von 1870. Der Architekt Barbotin errichtete das Denkmal mit Materialien aus den Ruinen der bedeutenden Bauwerke der Stadt (Belfried, Kirchen Saint-Vaast und Saint-Amand). Eine lebenskräftige, geflügelte Siegesgöttin steigt aus dieser Szene der Verzweiflung empor (Bildhauer Camille Debert). OTI Cœur de Flandre Gemeinde Bailleul Häuser Nr. 2 und 4, Rue du Collège Die 1925 errichtete Schule ist dem Unterricht des Spitzenklöppelns gewidmet. 9 coll. P. Verdru Spitzenklöppelschule Gelber Backstein, Treppengiebel, rautenförmige Fenster, Ankereisen, ausladendes Dach und Rahmenwerk verleihen dem Gebäude einen bemerkenswerten neoflämischen Charakter. Ein Wappenschild aus Naturstein auf der Fassade zeigt eine junge Spitzenklöpplerin bei der Arbeit mit einem Spulrad für Klöppel. Die Aufschrift „Le Retour au Foyer“ bezieht sich auf den Verein, der das Spitzenklöppeln zu neuem Leben erweckte. Einer der Mäzene war der amerikanische Anwalt und Philantrop William Nelson Cromwell (Büste). Detail der Schulfassade mit dem skulptierten Wappen des Vereins „Le Retour au Foyer“ Spitzenklöppelkultur von Bailleul Spitzenklöpplerin aus Bailleul an der Arbeit, Ansichtskarte Anfang des 20. Jahrhunderts Das Spitzenklöppeln ist eine alte Tradition in Bailleul aus dem Jahr 1664. Die vornehmlich gearbeitete Spitze war die Valenciennes-Spitze, eine sehr beständige Spitzenart mit runden oder ewigen Maschen. Nach dem Ersten Weltkrieg nahm der Verein „Le Retour au Foyer“ die Ausbildung zum Klöppeln der ValenciennesSpitze wieder auf und ließ eine Schule bauen. Wettbewerbe wurden organisiert und junge Spitzenklöpplerinnen aus Bailleul wurden zu den besten Lehrlingen Frankreichs. Heutzutage unterrichtet man hauptsächlich das Klöppeln von TorchonSpitze, einer schönen Spitze mit einfachen Mustern und geometrischen Formen. e landr r de F œu OTI C 14 1713 bestätigte der Friede von Utrecht die Angliederung von Ypern und seiner Burggrafschaft an das Haus Österreich, was die Verlegung von Vogtei und Präsidialgericht, dem Gerichtshof für das gesamte „FranzösischFlandern entlang der Küste“ nach Bailleul zur Folge hatte. Das 1776-1777 im Stil des französischen Klassizismus errichtete Gebäude ist das einzige öffentliche Gebäude in Bailleul, das der totalen Zerstörung entkam. 1920 wurden die beiden rechten während des Krieges beschädigten Felder sowie das Dach restauriert. Britisches Denkmal CHAB Einweihungszeremonie des Denkmals am 7. Juni 1921 10 coll. P. Verdru Präsidialgericht Präsidialgericht um 1919. Im Vordergrund Notwohnungen für die Einwohner von Bailleul in Erwartung des Wiederaufbaus ihrer Häuser 11 Dieses Denkmal wurde auf Ansuchen des Londoner War Office errichtet, zum Andenken an die 25. britische Division, die zwischen 1915 und 1918 unter großen Verlusten dazu beitrug, die Front an den Monts de Flandre zu halten. Auf den Seiten des Denkmals stehen die Namen der Einheiten der Division und der Feldschlachten, an denen sie teilgenommen hatte, in Gedenken an die 13 290 dort gefallenen Männer. Ebenfalls zu sehen, die Wappen Großbritanniens und Bailleuils, Träger des Kriegskreuzes, das der Stadt am 7. Juni 1921 anlässlich der Einweihung des Denkmals verliehen wurde. Mädchenschule und öffentlicher Garten 12 Der öffentliche Garten verdankt seinen Namen Jean Plichon, Abgeordneter des Departements Nord ab 1888. Sein Haus in der Rue Saint-Jacques Nr. 8 wurde während der deutschen Offensive 1918 zerstört. Nach dem Krieg schenkte er das Gelände der Gemeinde, um einen öffentlichen Garten anzulegen. In seiner Einweihungsrede erklärte er, dass die Stadt Bailleul ihren Ruf als „Gartenstadt“ redlich verdient hätte. Heutzutage nennt man sie eher „eine Stadt auf dem Land“. Die frühere Mädchenschule, heute Kindergarten und Grundschule, wurde 1923 von dem Architekten René Dupire gebaut. Gelbe Backsteine, eine Fassade rund um ein reichlich verziertes Zentralgebäude und ein durchbrochener Giebel. Die zahlreichen Fenster tauchen die Klassen in direktes helles Licht. Das Schieferdach verfügt über 22 ebenfalls schiefergedeckte Dachfenster. Tor zum öffentlichen Garten an der Rue Saint-Jacques, 1950er Jahre Verdru coll. P. 16 13 Das Gebäude des Architekten René Dupire wurde schon 1926 bei seiner Fertigstellung als einer der größten Erfolge des Wiederaufbaus bezeichnet. Es steht auf dem Platz, wo vor 1914 Mädchenschule und Internat Les Dames de Saint-Maur standen. Bei ihrem Bau bestand die Jungenschule aus vier unabhängigen Gebäuden rund um einen Garten: Schulgebäude, Badehaus und zwei Wohnhäuser. Das Schulgebäude mit der monumentalen 45 m langen Fassade liegt von der Straße zurückversetzt. Durch ein Licht- und Schattenspiel kommt der gelbe Backstein schön zur Geltung. ur d e Fla n Der vorgerückte zentrale Teil ist mit dem Badehaus verbunden, in dem sich heute die Mediathek der Stadt befindet. Das Badehaus war sowohl den Schülern als auch den Einwohnern der Stadt zugänglich, die selbst über kein eigenes Bad verfügten. Diese Maßnahme unterstreicht das modernistische Bestreben der Gemeinde zu jener Zeit, den Wiederaufbau zur Verbesserung der Volkshygiene zu nutzen. OTI C œ 2 Mediathek e dr Militärfriedhof 14 Der Bailleul Communal Cemetery wurde im Oktober 1914 in der Nähe des Gemeindefriedhofes angelegt, um britischen, französischen und deutschen gefallenen Soldaten eine letzte Ruhestätte zu geben. Nach dem Waffenstillstand 1918 wurden die Gräber der kleinen Soldatenfriedhöfe rund um Bailleul auf diesen Communal Cemetery Extension verlegt und die Holzkreuze durch weiße Stelen ersetzt. Aufgrund der aufeinanderfolgenden Schlachten bei Ypern musste die Krankenhausstadt Bailleul zahlreiche Verwundete versorgen. Ende 1915 wurde dieser erste Militärfriedhof erweitert und auf dem Gelände mehr als 4 500 Kriegsopfer beigesetzt, meist Briten oder Soldaten aus Ländern des Britischen Weltreichs wie Australien, Neuseeland, Kanada und Indien. An der südöstlichen Seite des Friedhofs umgeben zwei imposante Kapellen, die griechischen Tempeln ähneln, den Gedenkstein mit der Aufschrift: Ihre Namen bleiben auf ewig (Their name liveth for ever more). Ein dritter britischer Friedhof Outtersteene Communal Cemetery Extension mit 1 397 Gräbern liegt in einem Weiler von Bailleul. Heutzutage arbeiten viele Gärtner der Commonwealth War Graves Commission das ganze Jahr über an der Unterhaltung dieser von Frühling bis Herbst beblumten Friedhöfen. OT IC œ ur re nd Fla de 18 15 EPSM Die 1863 in einem 45 ha großen Park gebaute psychiatrische Anstalt nahm ursprünglich „unsinnige“ Frauen auf. Gemeinde Bailleul Anfang des 20. Jahrhunderts waren dort rund 1 600 Frauen untergebracht und wurde als eine der schönsten Einrichtungen Europas bezeichnet. Während des Krieges wurden die Patientinnen von 70 Nonnen und weiblichem Personal versorgt. Zentralgebäude der EPSM Die englischen Armeen, die sich in diesem Gebäude einquartierten, profitierten von den Badeinstallationen: Schwimmbad, Badewannen, Duschen… im Tausch gegen Kohle und Seife. Die Wäsche der Truppen wurde in der Anstalt gewaschen und gebügelt. Als Entschädigung für diese Dienste erhielten die Kranken Schokolade, Apfelsinen, Plätzchen, Butter und Eier. Im April 1918 wurde das evakuierte Krankenhaus vollständig zerstört. Der Wiederaufbau begann 1922 und sah mehrere Pavillons vor, rund um ein zentrales Gebäude angeordnet. Zwischen 1926 und 1932 kehrten die ersten Patientinnen zurück in die Anstalt. Erst ab den 1970er Jahren wurden auch männliche Patienten aufgenommen. Die Anstalt besteht auch weiterhin unter ihrem heutigen Namen Établissement Public de Santé Mentale des Flandres (Öffentliche Einrichtung für psychische Gesundheit). Gestaltung des Wanderparcours und Zusammenstellung des Bildmaterials: Hélène SION und Pascal VERDRU (Fremdenverkehrsamt OTI Cœur de Flandre), Gérard LEMAIRE (Historischer und Archäologischer Kreis von Bailleul - CHAB), Marie-Laure PICQUE (Nord Tourisme) und Édouard ROOSE (Nord-Pas de Calais Tourisme). Redaktion Anmerkungen: Hélène SION und Pascal VERDRU (OTI Cœur de Flandre), Gérard LEMAIRE und Éric VANNEUFVILLE (CHAB), Édouard ROOSE (Nord-Pas de Calais Tourisme), Übersetzung: Marion HALLOUET. Konzept und Gestaltung: les Paoïstes - Realisierung: Agence LINÉAL - Kartografie: Géoreflet - Druck: Impression directe Bildnachweise: Umschlag: P. MORÈS, Inhalt: Fremdenverkehrsamt OTI Cœur de Flandre), A. Traisnel Gemeinde Bailleul, Museum BenoîtDe-Puydt - Nachweis Archivunterlagen: ©Imperial War Museum (IWM), Archive des Departements Nord (ADN), Historischer und Archäologischer Kreis von Bailleul (CHAB), Sammlung Pascal VERDRU (coll. P. Verdru). ©Copyright: Nord-Pas de Calais Tourisme und Nord Tourisme - 2016. Jegliche Vervielfältigung, selbst teilweise, ist ohne schriftliche Genehmigung von Nord-Pas de Calais Tourisme und Nord Tourisme untersagt. Gesetzliche Hinterlegung: 1. Semester 2016. Für mehr Information: FREMDENVERKEHRSAMT Cœur de Flandre Tourismusbüro von Bailleul Tel.: +33 (0)3 28 43 81 00 www.montsdeflandre-tourisme.com Setzen Sie Ihren Besuch der „Wege der Erinnerung“ in Nordfrankreich fort www.wegedererinnerung-nordfrankreich.com Laissez-nous vous surprendre ! Cœur de Flandre