Planungswerkstatt Sasbachwalden 2005 Baukultur 1 1. Einleitung

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Planungswerkstatt Sasbachwalden 2005
1.
Baukultur
Einleitung
Der Ort Sasbachwalden liegt im mittleren Schwarzwald im Ortenaukreis. Umringt von Weinbergen und
Streuobstwiesen liegt der malerische Ort unweit der Schwarzwaldhochstraße. Das mehrfach
ausgezeichnete ´Blumen – und Weindorf´ liegt am Westhang des Schwarzwaldes und die Gemarkung
reicht von 180 m üNN bis 1160m üNN. Die Ausgestaltung des Ortsbildes durch die gepflegten
Fachwerkhäuser (HIRTH, A.1997: S.108) und die Lage des Ortes zieht die Besucher nach
Sasbachwalden. Wir wollen die Bauweise in früherer Zeit und in der Gegenwart betrachten. Das alte
Fachwerk im Ortskern steht heute unter Denkmalschutz und benötigt Pflege zu dessen Erhalt.
Aufwendige
und
kostspielige
Restaurierungen
und
Sanierungen
sind
von
Nöten.
Eine
Fachwerkbauweise wie damals, ist heute nicht mehr gängig schon wegen der aufwendigen
Balkenkonstruktion, der Dämmung etc. Um an die Bauweise des historischen Stadtkerns
anzuschließen wurde in Sasbachwalden in der Ortsbausatzung vorgegeben wie man hier zu bauen
hat. Nämlich im Fachwerkstil. Statt mit Bohlenbalken wird mit Fachwerkverblendungen gearbeitet, es
gilt genaue Fensterfronten einzuhalten und auch die Farbgebung ist festgelegt. Bei Befragung der
Bürger in dem Neubaugebiet Vorstadt, sowie in der Diskussionsrunde am Schluß unseres Aufenthalts
in Sasbachwalden, konnte man die kontroverse Meinung innerhalb der Gemeinde über die
Ortsbausatzung hören. Die Meinungen reichen von gelungenem Neubau, der sich an den historischen
Kern anbindet, über eine Verfälschung und Verunglimpfung des Fachwerkbaus. Es stellt sich also die
Frage: Handelt es sich um ein echtes Dorfbild oder um einen „Kulissenbau“?
Wir wollen in unserer Ausarbeitung die alte und die neue Bauweise gegenüberstellen und darauf
hinweisen, dass Neubauten und historische Fachwerkbauten durchaus im Einklang stehen können.
Jede Epoche wird von seinem eigenen Baustil geprägt. Warum versucht man also etwas „nach zu
ahmen“?!
In den letzten Jahren wurde der Begriff Baukultur vor allem im Zusammenhang mit der Initiative
Architektur und Baukultur bekannt, die eine Hebung des Niveaus der Baukultur anstrebt. Das Thema
betrifft nicht nur die professionellen Planer, sondern alle Menschen, die mit der gebauten Umwelt
konfrontiert werden. Auch die Verantwortung für die Qualität der gebauten Umwelt liegt nicht allein bei
den
Fachleuten,
sondern
ist
eine
gesamtgesellschaftliche
Verantwortung.
(WWW.WIKIPEDIA.ORG/WIKI/BAUKULTUR). Schließlich stehen die Bauten für die Generation die sie
erschaffen hat. Sie überleben diese Generation in der Regel und geben neue kreative Denkansätze
über Materialeinsatz, Formgebung, Nutzung und Kreativität an die nächste weiter und bilden
zusammen ein Städte – und Landschaftsbild.
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Planungswerkstatt Sasbachwalden 2005
Baukultur
Abb. 1: Sasbachwalden
Quelle: http://www.sasbachwalden.de
2.
Identität Sasbachwaldens
Die Einwohner Sasbachwaldens legen sehr viel Wert auf das Erscheinungsbild ihres Dorfes. So
nimmt die Gemeinde bereits seit 1967 an dem Landeswettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“
teil (HIRTH, A. 1997: S. 110). Der Ort verfügt über 2.450 Einwohner, 1.200 Zweitwohnsitze, 2.000
Gästebetten. Haupterwerbszweige sind Tourismus, Weinbau und Erzeugung von Schwarzwälder
Kirschwasser. In den 50er und 60er Jahren kam die Ansiedlung von Sanatorien, Gaststätten und
Hotels dazu. Durch die Lage, den historischen Ortskern und das überdurchschnittliche Engagement
der Bewohner, ihr Dorf durch Blumenschmuck zu verschönern, hat das Dorf einen hohen touristischen
Stellenwert im Schwarzwald und auch überregional erhalten. So wurde Sasbachwalden auch zu recht
ein Ensembledenkmalschutz verliehen, der genau diese Kombination der eindrucksvollen Lage in dem
nach Westen offenem Tal, mit dem wunderschönen Fernblick, den Weinhängen und der
Streuobstwiesen sowie dem historischen sehr gut erhaltenen Fachwerk umfasst.
Die Kulturlandschaft in und um Sasbachwalden ist geprägt vom Weinbau und den Kirschbäumen für
die Schnapsbrennerei. Kulturlandschaft bezeichnet die durch den Menschen geprägte Landschaft.
Wichtige Faktoren so genannte Wirkfaktoren für die Entstehung und Entwicklung der Kulturlandschaft
sind sowohl Beschaffenheit des Naturraums, die ursprüngliche Fauna und Flora, die menschlichen
Einflüsse als auch die daraus resultierenden Wechselwirkungen. In Sasbachwalden wird die
Landschaft stark durch Weinanbau und Obstanbau - vor allem der Kirsche - geprägt. Im Jahr 1347
erfolgte die erste urkundliche Erwähnung. Bereits im Jahr 1601 wurde das Weinrecht verliehen. Einst
galt der Sasbachwaldener als billiger Vesperwein. Heute gedeihen in Sasbachwalden, in Kappelrodeck und Waldulm die Spitzenrotweine der Ortenau (Spätburgunder). In der Ortenau reicht die
Geschichte des Weinbaus bis in das elfte Jahrhundert zurück, als Mönche vom Kloster Allerheiligen
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Baukultur
den Rebenanbau im Renchtal einführten. Damals, wie heute, ist den Winzern bewusst, dass Boden
und Natur die wichtigsten Voraussetzungen für die Herstellung hochwertiger, bekömmlicher Weine
sind. Sie sind seit Jahrhunderten Lebensgrundlage für viele Familien in der Ortenau und werden
deshalb mit besonderer Sorgfalt und großem Können bearbeitet.
Die Lage, die Landschaft und das alte Fachwerk prägen Sasbachwalden. Das Wesen
Sasbachwaldens wird von der vergangenen Lebensweise im mittleren Schwarzwald geprägt und zieht
die Besucher an. Durch die Kombination der Kulturlandschaft, dem steilen Relief und der Großzahl
der erhaltenen Fachwerkbauten erhält Sasbachwalden seine eigene Identität, die es zu erhalten gilt.
(Silke Mayer)
3.
Denkmalschutz
In Sasbachwalden ist der Denkmalschutz allgegenwärtig, so unterliegen nicht nur einzelne Gebäude
den besonderen Bestimmungen des Landesdenkmalamtes Baden-Württemberg, sondern auch das
gesamte Erscheinungsbild des Dorfkerns ist geschützt.
3.1
Kulturdenkmal
Das einzelne Fachwerkhaus in Sasbachwalden steht unter dem Schutz des Kulturdenkmals. Damit
ein Bauwerk diesen Status erhält muss es kulturhistorische Merkmale aufweisen, welche sich in
zeittypischen
Baudetails,
Materialen
und
Konstruktionsweisen
widerspiegeln.
Bei
einem
Fachwerkhaus umfasst es das hölzerne Gerüst, welches einer tragkonstruktiven Logik folgt, sich
fortsetzt über die Schwellen-, Ständer- und Strebenhölzer bis in die sorgfältig ineinander gefügten
Holzverzapfungen. Mit der in Schutznahme des Gebäudes werden anfällige Modernisierungsmaßnahmen für Innen und Außen unter starke Auflagen gesetzt, welche die frühere Originalität des
Gebäudes nicht in Frage stellen dürfen. Diese Bemühungen setzen nicht nur engagierte Eigentümer
voraus, sondern auch fähige Handwerker, die sich mit früheren Bautechniken auskennen um somit
eine qualifizierte Restauration durchführen zu können. Um die finanziellen Belastungen der
Eigentümer zu minimieren und die historischen Gebäude erhalten zu können gibt es Zuschüsse vom
Land und der Gemeinde, „…Denkmalschutz und Denkmalpflege…wird vom Land und im Rahmen der
Leistungsfähigkeit der Gemeinde erfüllt,“(DSCHG-KOMMENTARE, S.25).
3.2
Gesamtanlage
Anders sieht es bei dem Erscheinungsbild des Dorfkerns in Sasbachwalden aus. Hierbei handelt es
sich um eine geschützte Gesamtanlage. Dies bedeutet, dass ein Ensembleschutz für das Gesamtbild
des Dorfes besteht. Die Idee ist es, nicht nur die Geschichte des Landes anhand einzelner Kulturdenkmäler zu zeigen, sondern auch die im ländlichen Raum entstandenen siedlungsgeschichtlichen
Zusammenhänge. In Baden-Württemberg ist das besondere öffentliche Interesse durch den Begriff
Gesamtanlage (PARAGRAPH 19, DENKMALSCHUTZGESETZ) festgelegt. So gilt alles als Schutzgut, was
zum überlieferten Erscheinungsbild der Gesamtanlage gehört, zum Beispiel bebaute und unbebaute
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Planungswerkstatt Sasbachwalden 2005
Baukultur
Flächen, topografische Lage oder die Dorfsilhouette. Das besondere in Sasbachwalden sind die
Einkragungen der Kulturlandschaft bis in das Dorfzentrum. Deshalb wurde zusätzlich zu den
geschützten Häusern ein weit gefasster Grüngürtel als überliefertes Gesamtbild geschützt. In diesem
Bereich und an seinen Rändern obliegt die größte Sorgfaltspflicht der Gemeinde das diese
Grünschneisen nicht verloren gehen. Bis jetzt sind die Flächen noch großteils mit Weinbergen und
Kirschbäumen genutzt, was als Besonderheit in der Ortschaft spürbar ist. Für einen bewussten
Umgang mit dieser Einmaligkeit sorgen fachlich-konservatorische Analysen, welche den historischen
Bestand festhalten. (Matthias Wahl)
4.
Analyse der Bebauung
Als ursprüngliches Straßendorf ist Sasbachwalden ausschließlich durch seine charakteristischen
Fachwerkhäuser geprägt. Eine dichte Bebauung kennzeichnet den Ortskern. Es handelt sich hierbei
um eine Durchmischung von traditionellem, altem Fachwerk und Neubauten, die zur Erhaltung des
einheitlichen Ortsbildes, ebenfalls in Fachwerkoptik, dargestellt sind. Im Folgenden wird eine
Bestandsaufnahme der prägenden Elemente des Ortsbildes gegeben, die einen tieferen Einblick in
das Thema Baukultur geben sollen.
4.1
Historische Bebauung des Ortskerns
Holzverfügbarkeit und klimatische Bedingungen wie die hohen Niederschläge, waren Gründe für die
Entwicklung der historischen Bauweise. Um bei starken Niederschlägen größere Wassermengen
schnell ableiten zu können, entschied man sich für die charakteristischen steilen Giebeldächer bzw.
Satteldächer. Durch die nahe gelegene Holzverfügbarkeit (Schwarzwald) wurde dieser Rohstoff zum
bevorzugten Baumaterial herangezogen. Weitere wichtige Merkmale des originalen Fachwerks sind
das hölzerne Gerüst, welches die tragende Funktion des Gebäudes übernimmt. Schwellen-, Strebenund Ständerhölzer werden hierbei durch ineinander gefügte Holzzapfen miteinander verbunden. Es
gibt nur kleine Fassadenöffnungen als Fenster und Türen, um den Wärmeverlust so gering wie
möglich zu halten. Einige alte Fachwerkhäuser sind in ihren Ausfachungen nicht nur gemauert,
sondern es wurde zusätzlich noch Mörtel und Stroh zur besseren Wärmedämmung beigemischt.
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Baukultur
Abb.2: originalgetreu restauriertes Fachwerkhaus im alten Ortskern von Sasbachwalden
Quelle: eigene Bilder
Abb.3: Das einzelne Gebäude steht unter Denkmalschutz
Abb.4: Traditionelles Fachwerk mit charakteristischem
Quelle: eigene Bilder
Buntsandsteinsockel und steilem Satteldach
Quelle: eigene Bilder
4.2
Bauen nach örtlichen Vorschriften (Bausatzung)
Alle Neubauten werden in Sasbachwalden mit der Optik des ortsüblichen Fachwerkbaus versehen
und sollen sich dadurch harmonisch ins Gesamtbild des Ortes einfügen.
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Planungswerkstatt Sasbachwalden 2005
Baukultur
Zum besseren Verständnis und tieferen Einblick in die ortsübliche Bauweise findet sich im Anhang ein
Auszug der örtlichen Bausatzung. Im Folgenden wird zusammenfassend ein kurzer Überblick über die
kommunalen Bauvorschriften gegeben.
Die maximale Größe der Fensteröffnungen und die Form und Farbgebung der Fenster wie auch Türen
sind genau vorgeschrieben. So ist jeder Neubau mit Sprossenfenstern zu versehen, die Farbwahl
dafür ist einer beigefügten Farbkarte zu entnehmen. Griffe von Haustüren sind ebenfalls genau
definiert, wie auch der Anstrich der Außenwände. Fachwerk, als reine Verblendung oder aber auch als
Konstruktion, muss auf jeden Fall an jeder Fassade sichtbar sein. Hierbei gilt es auch, genau die
vorgegebenen Brettdicke und Breite der Holzbretter einzuhalten. Der Steinsockel kann aus
anstehendem Naturstein sein (ortstypisch: Granit und Buntsandstein) oder muss natursteinfarben
gestrichen sein.
4.3
Bebauung im Neubaugebiet ´Vorstadt´
Die folgenden Bilder zeigen die ortsübliche Neubebauung im Baugebiet Vorstadt. Unter versuchter
Berücksichtigung der Form- und Materialkontinuität werden hier Neubauten in strenger Anlehnung an
das traditionelle Fachwerk gebaut. Allerdings handelt es sich nicht um eine Fachwerkbauweise,
sondern lediglich um ein Imitat dessen als Fassadenverkleidung. Die Bauweise der Häuser entspricht
dem heutigen Stand der Technik (Massivbau). Auch für das ungeschulte Auge sind hier die ´nichttragfähigen´ Holzbretter als Fachwerkverblendung zu erkennen (siehe Abb. 5 + 6). Die sichtbare
Brettdicke der Verblendung muss nach der Ortsbausatzung mindestens 30 mm betragen und die
Breite der Holzlatten muss einer konstruktiven Fachwerkbauweise mit mindestens 12 cm entsprechen.
Abb. 5 + 6.: Neubau im Gebiet Vorstadt mit Fachwerkverblendung; die ´nicht-tragfähige´
Fachwerkverblendung aus Holz fällt hier auch dem ungeschulten Auge auf.
Quelle: eigene Bilder
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Baukultur
Die typischen Merkmale eines traditionellen Fachwerkbaus werden in den Neubauten wieder
aufgenommen. Die Abbildung 7 zeigt sehr klar, dass die Fensterflächen hierbei nicht das dominante
Element bilden dürfen, sondern müssen, wie im herkömmlichen Stil, ein der Außenwände
untergeordnetes Element darstellen. Die Fenster sind alle als Sprossenfenster vorgeschrieben, wobei
die Farbgebung sich streng an eine vorgeschriebene Farbkarte anlehnt.
Abb. 7.: Hier überwiegt die Wandfläche den Fensterflächen;
Abb. 8.: Neubau im Gebiet Vorstadt; hier ist Fachwerk als
Nur kleine Fassadenausschnitte sind erlaubt
Konstruktionsweise vorgestellt (linkes Gebäude)
Quelle: eigene Bilder
Quelle: eigene Bilder
Um einen zeitgemäßen Umgang mit der Architektur fördern zu können, ohne dabei auf
zeitgenössische Baustile wie dem Fachwerk zu verzichten, sollte freizügigeres Bauen bei der
Siedlungsentwicklung gestattet sein. Um in diesem Kontext besonders sensibel zu handeln, ist es
ratsam, material- und formkontinuierlich zu planen, aber durch eine offenere Interpretation mit
herkömmlichen Baustoffen. Im Folgenden sollen einige Beispiele von Neuinterpretationen, in
Anlehnung an das historische Bild und dazu ergänzende Neubebauung, das Thema Baukultur neu
beleuchten. (Carolin Weinbrenner)
5.
“Im Sandweg“ als Studie für beispielhaftes Bauen
Am Ortseingang Sasbachwaldens befindet sich „Im Sandweg“, ein Baugebiet außerhalb des denkmalgeschützten Dorfkerns. Hier könnten beispielhaft historisches Fachwerk, ein gegenwärtig gebautes
„Fachwerkimitat“, ein saniertes Fachwerkhaus und ein Neubau in unmittelbarer Nähe zueinander
stehen (Abb.9). Übergeordnet soll dieses Beispiel Möglichkeiten für andere sanierungsbedürftige Bausubstanz sowie für Neubauten auf freien Bauflächen und in Neubaugebieten der Gemarkung Sasbachwaldens stehen.
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Baukultur
Abb. 9: Gebäudeensemble Standor t “Im Sandweg“
Quelle: Eigenes Foto, bearbeitet
5.1
Experimentelles Sanieren historischer Bausubstanz
Mittlerweile gibt es viele Beispiele für die Sanierung historischer Bausubstanz, dafür, neue Entwicklungen in der heutigen Architektur gekonnt auf die alte Bausubstanz zu übertragen. Für ein altes Gebäude kann ein experimenteller Umgang mit dem Sanieren durchaus dessen Bedeutung sozusagen als
„Perle“ im städtischen Kontext hervorheben und als Attraktor positive Auswirkungen auf die gesamte
Stadt haben. Die folgenden Bilder zeigen einige Projekte moderner Umgestaltung von historischer
Bausubstanz.
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Baukultur
Abb.10: Fachwerkhaus mit eingesetzten Glaselementen
Abb 11: Gebäude mit spannungsvoller Fassadengestaltung
Standor t: Unbekannt
Standort: Vorarlberg, Österreich
Quelle: www. akbw.de
Quelle: www. v-a-i.at
Abb. 11: Tor der Pfarrscheuer vor und nach dem Umbau Standort: Westhausen
Quelle: „Denkmalpflege- Konzeption und Umsetzung“
Beispiele wie das Freudenberger Rathaus sowie der Fruchtkasten in Tübingen (Abb.12/13) zeigen
sehr schön das
spannungsvolle Wechselspiel der ursprünglich sehr geschlossenen Fassade mit
ihrem massiven Fachwerk und der neu eingesetzten filigraneren, gläsernen Öffnung. Eine notwendige
Kunst ist es hierbei, ein Gebäude so zu verändern, dass neue Elemente den historischen Charakter
betonen, dessen Bedeutung und Wichtigkeit verstärken.
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Baukultur
Abb. 12: Rathaus
Abb. 13: Fruchtkasten Tübingen
Standort: Freudenberg (Main-Tauber-Kreis)
Standort: Tübingen
Quelle: www akbw.de
Quelle: www.akbw.de
5.2
Vorschläge für die Architektur von Neubauten
Wie bereits analysiert, ist es nicht einfach, eine angemessene Architektursprache für neue Wohnungsbauten nahe eines Ortskerns, dessen Baustil wie in Sasbachwalden ausschließlich durch historische
Fachwerkhäuser geprägt ist, zu finden. Im Folgenden werden einige architektonische Beispiele
vorgestellt, wie ein gegenwärtig gebautes Wohnhaus in Sasbachwalden aussehen könnte. Hierbei
muss erkannt werden, dass eine versuchte Imitation der historischen Fachwerkhäuser wie sie durch
die Bauordnung vorgeschrieben wird und beispielsweise im Neubaugebiet “Vorstadt“ vorzufinden ist,
der falsche Weg ist.
Betont ein dem Dorfkern abweichender Baustil nicht viel stärker dessen Einzigartigkeit als eine Umgebungsbebauung, welche durch ihre scheinbare Gleichheit die Grenzen zwischen Neu und Alt verwässert? Ist es nicht widersprüchlich, sondern vielmehr reizvoll, wenn ein sich vom historischen
Bestand abgrenzender Baustil
Elemente des Alten aufgreift und diese in einer Neuinterpretation
zeitgemäß wieder erscheinen lässt?
In diesem Zusammenhang ist es wichtig, auf den Begriff der “Form- sowie der Materialkontinuität“ in
der Architektur einzugehen. Es ist nicht in Frage zu stellen, dass sich ein Neubau harmonisch ins Gesamtgefüge eingliedern und keinen bezugslosen Fremdkörper darstellen sollte (Abb. c).
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Baukultur
Abb. 14: Wohnhaus
Standort: Schweiz
Quelle: Foto aus Privatbesitz
Daher ist es notwendig, dass die neue Architektur entweder Merkmale traditioneller Formen aufgreift
oder das normalerweise gebräuchliche Baumaterial verwendet. Regionaltypische Materialien für
Sasbachwalden sind Holz, Sandstein und Granit, mögliche übertragbare architektonische Merkmale
des Fachwerkhauses sind beispielsweise das Satteldach und der Steinsockel.
Die folgenden Beispiele greifen jeweils ein oder zwei dem Fachwerkhaus typische Merkmale auf und
stellen deren Neuinterpretation dar. Die grobe äußere Form aller aufgeführten Gebäude bleibt der des
Fachwerkhauses ähnlich, alle Dächer sind Satteldächer. Eine sinnvolle Möglichkeit wäre es, die teil weise sehr fragwürdigen bestehenden Gestaltungsverordnungen der momentanen Bausatzung in
Sasbachwalden für Neubauten zu verändern und beispielsweise die folgenden Merkmale als neue
Richtlinien zu definieren.
Unter anderem bedingt durch den vorhandenen Rohstoff Holz entwickelte sich die Konstruktionsart
des Fachwerkhauses. Das folgende Einfamilienhaus (Abb.15), welches sich am Rande des
Schwarzwaldes in der Nähe von Pforzheim befindet, hat eine Holztragwerkstruktur und erhält eine
umlaufende Holzverschalung, welche sich zur Südseite in Freibereiche öffnet.
Das historische Fachwerkhaus besitzt meist einen Steinsockel, welcher aus einheimischen Gestein
wie Granit oder Sandstein besteht. Im folgenden Bespiel (Abb.16) wird der Sockel als Gestaltungselement betont, er zieht sich hoch bis zur Unterkante des zweiten Geschosses.
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Baukultur
Abb. 15: Wohnhaus mit Holzfassade
Abb.16: Wohnhaus, thematisierter Sockelbereich
Standort: Kämpfelbach
Standort: nicht bekannt
Quelle: www.akbw.de
Quelle: nicht bekannt
Denkbar wäre auch, dem Neubau eine Steinhaut überzuziehen. Hier gäbe es eher kleine Fassadenöffnungen wie beim Fachwerkhaus, das Gebäude hätte einen massiven, schweren Körper (Abb. 15).
Wie bereits beim Thema der Sanierung angesprochen, haben Fachwerkhäuser eine geschlossene
Fassade mit kleinen Fensteröffnungen. Der durch neue Technologien heute sehr beliebt gewordene
Baustoff Glas ermöglicht heute im Gegensatz zu früher große verglaste Öffnungen beziehungsweise
Gebäude mit einer Ganzglasfassade. In wieweit dies aber für reinen Wohnungsbau sinnvoll ist, ist in
Frage zu stellen. Vorstellbar wäre hier eher eine Mischnutzung aus Wohnen und Kleingewerbe oder
Dienstleistungen (Abb.16).Typisch für Fachwerkhäuser sind ebenfalls deren Fensterläden aus Holz.
Momentan sehr beliebt und mittlerweile im Wohnungsbau häufig zu sehen sind bodentiefe
Holzschiebeelemente, welche in ihrer Funktion, als auch im Material im Bezug zu den traditionellen
Läden stehen (Abb. 17).
Abb. 17: Wohnhaus mit „Steinhaut“
Standort: Leymen, Frankreich (Architekten Herzog&DeMeuron)
Quelle: “Architecture Now!“
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Baukultur
Abb.18: Glashaus
Abb. 19: Wohnhaus mit Holzschiebeläden
Standort: unbekannt
Standort: Kämpfelbach
Quelle: www.akbw.de
Quelle: www.akbw.de
Abschließend zu diesen aufgeführten Architekturbeispielen sollten nochmals deren mögliche Standorte angesprochen werden. Während sich diese Architektur nahe des Ortskerns, also zentral befinden
könnte, so ist eine Erweiterung auf dezentrale Bereiche ebenso möglich. In der Umgebung Sasbachwaldens befinden sich zahlreiche Einzelgehöfte, welche auf ähnliche Art wie oben dargestellt saniert,
um - oder angebaut werden könnten (Carolin Merkle).
6.
Fazit
6.1
Außenwirkung – eine Kulisse ?
Bereits nach einer kurzen Aufenthaltsdauer in Sasbachwalden entsteht der Eindruck, dass sich der
Ort durch das Fachwerk definiert. Bedauerlicherweise wird der Ort aber auch auf das Fachwerk
reduziert. Altes, traditionelles, aus vorhergegangenen Jahrhunderten entstandenes Fachwerk sollte
ein unverwechselbares Bild darstellen und durch Denkmalschutz in seiner Erhaltung gesichert sein.
Es stellt sich die Frage, warum in unmittelbarer Nachbarschaft der erhaltenswerten Bausubstanz
Repliken gefordert werden. Was soll hier geschützt und hervorgehoben werden? Geht dadurch nicht
die ehrliche Bedeutung des historischen Fachwerks verloren?
Der eher monotone Baustil, der lediglich Fachwerk und auch nur in bestimmter Farbgebung zulässt,
hinterlässt beim Betrachter nicht den nachhaltigen Eindruck, historisch wertvolle Bausubstanz mit ihrer
unverwechselbaren Atmosphäre zu erleben. Jeder Zeitabschnitt ist charakterisiert durch bestimmte
Merkmale seiner Zeit. Der Fachwerkbau ist stolzer Zeuge des Mittelalters und verleiht historischen
Ortskernen seinen ganz bestimmten Charme. Macht eine ständig wiederholte Kopie das Original
attraktiver ?
(Carolin Weinbrenner)
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7.
Baukultur
Empfehlung
Nach all diesen Erkenntnissen die unsere Gruppe in Sasbachwalden sammeln konnte, wollen wir die
Gemeinde nun tatsächlich ermuntern „Neue Wege zu erschließen, um Altes zu genießen“. Dies kann
wie folgt durch eigene Diskussionen in der Gemeinde beginnen so wie wir es nach unserer
Präsentation am 21.Mai erlebt haben, um sich letztlich in einer Überarbeitung der Ortsbausatzung
niederschlagen. Schön wäre ein zurücknehmen vieler Vorschriften aus der Dorffibel um nicht dem
Bauherrn seine Eigeninitiative und der Erneuerung im Keim zu ersticken. Ein anderer Weg in die
gleiche Richtung ist es, sich Rat und Tat von außerhalb zu holen. Vorstellbar sind anspruchsvolle
Architekturwettbewerbe, welche durch begleitende Seminare Dorfbewohner und Entscheidungsträger
zueinander führen. Da Sasbachwalden und seine Bewohner nicht in einem Vakuum leben, sollte man
tatsächlich ohne Sorge frische Luft zulassen. Der abstrakte Begriff Baukultur ist als Prozess und nicht
als Zustand zu verstehen!
(Matthias Wahl)
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8.
Baukultur
Literatur
HIRTH,A. (1997): Das Saschwaller Buch. Kappelrodeck
PETZET,M./MADER,G. (1993): Praktische Denkmalpflege
Verlag W. Kohlhammer Stuttgart
SPITAL-FRENKLING,O. (2000): Architektur und Denkmal
Verlagsanstalt Alexander Koch Stuttgart,
STROBL,H./MAJOCCO,U./BIRN,H. (1989): Denkmalschutzgesetz für Baden-Württemberg
Verlag W. Kohlhammer Stuttgart
9.
Bildquellen
“Beispielhaftes Bauen“
Architektenkammer Baden-Württemberg
www.akbw.de/architektur/beispielhaftes-bauen
Architekturinstitut Vorarlberg
www.v-a-i.at
"Steht fest mein Haus im Weltgebraus"
Denkmalpflege- Konzeption und Umsetzung
Theiss Verlag Stuttgart, 1998
“Architecture Now!“
Hrsg. : Ph. Jodido
Verlag Taschen, 2002
Private Fotos
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10.
Baukultur
Anhang
Überblick und Auszüge der Ortsbausatzung
Zum Schutz und der Erhaltung des Ortsbildes der Gemeinde Sasbachwalden als Gesamtanlage hat
der Gemeinderat aufgrund der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg in Verbindung mit dem
Baugesetzbuch (BauGB) und der Landesbauordnung (LBO) am 13. September 1995 die folgende
Satzung beschlossen (hier in Auszügen):
I. Allgemeine Bestimmungen
§ 1 Räumliche Geltungsbereich:
Die Satzung gilt für die gesamte Gemarkung der Gemeinde
mit Ausnahme der mit Bebauungsplänen überplante Gebiete.
§ 2 Sachlicher Geltungsbereich:
Die Satzung gilt für die äußere Gestaltung baulicher Anlagen
und regelt insbesondere Modernisierungen, Umbauten und
Erweiterungen bestehender Anlagen, Wiederaufbauten und
Neubauten.
§ 4 Allgem. Gestaltungsgrundsätze
(1) Bauliche Anlagen:
Die Baulichen Anlagen sind so auszuführen, dass sie die
Eigenart des Straßen- bzw. Ortsbildes, die Raumfolge und
Sichtbezüge nicht nachteilig verändern oder stören und sich in
Größe, Material, Farbe und Gestaltung in den vorhandenen
Baubestand einfügen.
(3) Gebäudeproportionen und Fassadengliederung:
Charakteristische Merkmale des Dorfbildes wie Fachwerkbauweise, Giebelstellung usw. sind zu erhalten. Bei Neubauten
oder bei der Umgestaltung von Altbauten sind die Baukörper
zur Straße hin in Anlehnung an den Bestand zu gliedern.
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Baukultur
II. Konstruktion und Baumaterialien
§ 5 Dachgestaltung
(1) Die Dachlandschaft ist in der gegebenen Einheitlichkeit
und Geschlossenheit von Materialien und von den Neigungswinkeln her zu erhalten.
(2) Dachform-, neigung, und – vorsprung, Ausbildung von
Ortgang und Traufe sowie Gestaltung von Dachaufbauten
sind in der Form dem Bestand der Umgebung entsprechend
anzupassen.
(3) Dacheinschnitte sind nicht zulässig. Dachfenster und
Sonnenkollektoren sind nur zulässig, wenn sie sich in Form,
Farbe und Aufbau der Dachfläche anpassen und nicht störend
wirken.
§ 6 Fassadengestaltung
und Fenster
(1) Die Wandflächen jeder Fassade muss gegenüber den
Öffnungsflächen überwiegen.
(3) Fenster und Eingangsöffnungen müssen ein stehendes
Format aufweisen.
(5) Fenster an Fachwerkgebäuden sind als Sprossenfenster
mit gleichem Material wie die Fensterrahmen auszubilden.
Fenster ab einer Breite von 90 cm sind so zu gestalten, dass
sie nach außen hin mindestens zweiflüglig erscheinen.
§ 7 Türen und Tore
(1) Türen und Tore an Gebäuden sind in Holz auszuführen
oder mit Holz zu verkleiden.
§ 8 Außenwände
(1) Für die Außenhaut von Gebäuden dürfen folgende
Materialien nicht verwendet werden: Verkleidungen aus Glas,
Keramik, Spaltklinker geschliffenen Werksteinen oder Kunststeinen,
Schiefer
oder
Asbestzementplatten,
Kunststoff-
und Metalltafeln oder –platten sowie Waschbeton in jeglicher
Form. Glasbausteine sind nur insoweit zulässig, als sie nicht
vom öffentlichen Verkehrsraum aus eingesehen werden
können.
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Baukultur
(2) Fachwerkkonstruktionen sind als sichtbares Holzfachwerk
zu erhalten bzw. neu herzustellendes Fachwerk ist konstruktiv
ortstypisch auszubilden bzw. herzustellen. Es ist auch eine
Fachwerkverblendung zugelassen, die fertige Brettdicke muss
jedoch mindestens 30 mm betragen. Die Breite der Verblendungsbretter muss einer konstruktiven Fachwerkbauweise
entsprechen (mindestens 12 cm).
III. Farbliche Gestaltung
§ 9 Farbgebung, Farbkarte
Holzteile sind in Brauntönen bis schwarz zu streichen.
Putzflächen der Fassaden sind in gebrochenem Weiß (mit
Wirkung einer hellen Kalkputzfläche) mit Abtönungsstufen
ohne Dominanz einer bestimmten Einzelfarbe (wie z. B.
braun, rot, blau, grün, gelb) zu streichen.
Sockel, Kellergeschosse, Garagen und Stützmauern sind,
falls nicht aus Naturstein (heimischer Granit, Buntsandstein) in
Natursteinfarben (erdbraun, zementgrau, bis leichte
Blautönung) zu streichen.
Die zulässigen Farbtöne sind einer Farbkarte zu entnehmen.
Quelle:
Satzung der Gemeinde Sasbachwalden als Gesamtanlage zum Schutz und Erhaltung des Dorfbildes
(Ortsbausatzung)
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