21.m ai 2015 ceb messe stuttgart

Werbung
21.MAI 2015
CEB MESSE STUTTGART
UNTER DER SCHIRMHERRSCHAFT DES
2
04-07 //
08-11 //
12-23 //
24-43 //
44-57 //
58-61 //
62-75 //
76-89 //
90-93 //
94-95 //
Einleitung und Programm
Grußworte
Der AktivPlus Standard
Beiträge Block I Energie
Beiträge Block II Nutzer
Keynote | Active House Alliance
Beiträge Block III Vernetzung
Beiträge Block IV Lebenszyklus
Podiumsdiskussion
Sponsoren und Partner
Für die Inhalte externer Beiträge ist der AktivPlus e.V. nicht verantwortlich.
Bildrechte, die nicht sichtbar angegeben sind liegen bei den Verfassern der Beiträge.
3
seinen Kongress unter der Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit ausrichten zu dürfen und somit
Ministerialrat Hans-Dieter Hegner in Stuttgart begrüßen zu dürfen.
2. AKTIVPLUS SYMPOSIUM
WEGE ZU EINER NACHHALTIGEN
GEBÄUDEQUALITÄT
Hélène Bangert | Geschäftsstellenleiterin des AktivPlus e.V.
Mit dem 2. AktivPlus Symposium am 21. Mai 2015 setzen wir, der
AktivPlus e.V., die seit 2014 ins Leben gerufene Veranstaltungsreihe
fort und präsentieren nach einjähriger interdisziplinärer Arbeit in
vier Arbeitsgruppen die Fortschritte in Richtung des AktivPlus Gebäudestandards.
Gebäude verbrauchen in Deutschland rund 35 Prozent der gesamten erzeugten Energie pro Jahr. Aus diesem Grund gewinnen Themen, wie die energetische Sanierung von Bestandsgebäuden, zunehmend an
Bedeutung. Vor diesem Hintergrund wurde der AktivPlus e.V. gegründet - eine
Initiative von Planern und Wissenschaftlern mit dem Ziel, einen zukunftsfähigen Standard für Gebäude und Quartiere in der Bau- und Immobilienwirtschaft zu entwickeln, zu fördern und in der Gesellschaft zu etablieren. Der
ganzheitliche AktivPlus Ansatz berücksichtigt nicht nur Energieverbrauch und
-gewinnung, sondern auch die Bedürfnisse der Nutzer, die in den Gebäuden
leben und arbeiten. Präsentiert wurde dieser fundamentale Ansatz erstmalig
im Rahmen des ersten AktivPlus Symposiums im März 2014.
Auch dieses Jahr lud der Verein erneut Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft
und Politik ein, um den Status Quo darzustellen und gemeinsam zu diskutieren sowie weitere Schritte in Richtung des nachhaltig gesunden Bauens und
Wohnens einzuleiten. Der AktivPlus e.V. hat dabei die besonders große Ehre,
4
„Der AktivPlus Verein hat das Ziel, einen zukunftsfähigen Standard für Gebäude und Quartiere zu entwickeln. Dabei wollen wir in besonderer Weise
auch die Nutzer einbeziehen. Wir müssen eine neue selbstverständliche Art
zu bauen erreichen, die es dem Nutzer ermöglicht, seine Handlungsoptionen
für einen nachhaltigen Gebäudebetrieb zu kennen und zu nutzen. Bis dahin ist
es noch ein langer Weg und es ist natürlich ein ambitioniertes Ziel – aber dies
muss der Anspruch sein. Daher freuen wir uns sehr auf das zweite Symposium
und den Austausch mit Partnern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik“, erklärt Prof. Joost Hartwig, Vorstandsvorsitzender AktivPlus e. V.
Wir als Verein haben die große Freude zahlreich namenhafte Größen aus
Wissenschaft und Wirtschaft für das Symposium gewonnen zu haben. In vier
Themenblöcken zeigen die Referenten in ihren Vorträgen unterschiedliche
und technologieoffene Wege zum angestrebten AktivPlus bzw. Plusenergie
Gebäudestandard auf.
Durch den Veranstaltungstag führt Sie Prof. Dr. Thomas Stark, Professor für
Energieeffizientes Bauen an der HTWG Konstanz. Eine an die Themenblöcke
angeschlossene und von Boris Schade-Bünsow, Chefredakteur der Bauwelt,
moderierte Podiums-Diskussion, setzt sich abschließend mit der Frage „1 Mio.
AktivPlus Gebäude bis 2020! Wie kommt der Standard auf den Markt?“ auseinander.
Dank einer großen Auswahl an Exposés, die wir im Rahmen eines Call for Papers erhalten haben, ist ein spannendes Programm mit hochkarätigen und
inhaltlich wertvollen Vorträgen entstanden.
Die Vielzahl an hochwertigen und interessanten Beiträgen, welche über den
Rahmen des Programms hinaus eingegangen sind, ließen wir in diesen Tagungsband einfließen.
Wir möchten uns hiermit herzlich bei allen Autoren in diesem Band bedanken,
die uns ihre Beiträge zur Verfügung gestellt haben und mit Ihren fachspezifischen Projekten aus Praxis und Wissenschaft viele Ideen und Fortschritte zum
Thema AktivPlus und Plusenergie aufgezeigt haben.
Auf den folgenden Seiten nutzen wir die Möglichkeit, die vier Arbeitsgruppen
Energie, Nutzer, Lebenszyklus und Vernetzung vorzustellen und erstmalig die
Kurzbeschreibungen der Hauptmerkmale des AktivPlus Standards zu veröffentlichen.
ENERGIE
Effizienz
Gebäudehülle
Technik
Erneuerbare Energien
Ein besonderer Dank gilt hierbei den sehr aktiven Mitgliedern und vor allem
den Vorstandsmitgliedern des AktivPlus e.V., die mit unermüdlichem und ehrenamtlichem Engagement die Ziele und Inhalte des Standards seit nunmehr
zwei Jahren vorantreiben.
Als junger gemeinnütziger Verein sind wir für die Unterstützung der Sponsoren (namenhaft auf der Seite 94 erwähnt), durch welche dieser Tagungsband
realisiert werden konnte, ebenfalls sehr dankbar.
NUTZER
VERNETZUNG
Komfort
Information
Architektur-Integration
Netzintegration
Mobilität
LEBENSZYKLUS
Ökobilanz
Kosten
Wir wünschen allen Teilnehmern und Gästen einen erkenntnisreichen Tag und
freuen uns auf reges Netzwerken!
Hélène Bangert | Geschäftsstellenleiterin des AktivPlus e.V.
5
PROGRAMM
2. AKTIVPLUS SYMPOSIUM | WEGE ZU EINER
NACHHALTIGEN GEBÄUDEQUALITÄT
10:40h „Machbarkeitsuntersuchung Plusenergieschulen“
Cornelia Jacobsen | Ingenieurbüro Hausladen GmbH, Kirchheim
11:00hKurzdiskussion
11:10h Kaffeepause
9:30h
Begrüßung durch Jasna Röhm, REECO GmbH
Grußwort durch AktivPlus e.V.
Hélène Bangert, Geschäftsstellenleiterin
Prof. Joost Hartwig, Vorstandsvorsitzender
Grußwort aus dem Bundesministerium für Umwelt,
Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB)
Ministerialrat Dipl.-Ing. Hans-Dieter Hegner
BLOCK 2 | NUTZER
DER MENSCH UND SEINE BEDÜRFNISSE IM MITTELPUNKT VON GEBÄUDE
UND TECHNIK
Moderation Prof. Dr.-Ing. Thomas Stark | ee concept gmbh und
HTWG Konstanz, Fachgebiet Energieeffizientes Bauen
BLOCK 1 | ENERGIE
ERNEUERBARE ENERGIEN, NUTZERSTROM, BILANZIERUNGSRECHNUNGEN
10:00h
„Aktiv-Solarhäuser – Gebäudeintegrierte Solartechnik im
Spannungsfeld von Baukultur und Energieeffizienz“
Prof. Dr.-Ing. Roland Krippner | Technische Hochschule Nürnberg
Fakultät Architektur, Lehrgebiet Konstruktion und Technik
10:20h „Qualitätsmanagement als Schlüssel für den effizienten
Gebäudebetrieb“
Oliver Rosebrock | Technische Universität Braunschweig
Institut für Gebäude- und Solartechnik
11:30h
„Einfluss des Raumklimas auf Gesundheit und Leistungsfähigkeit in
Europa: ein Beitrag zu Wohnungen und Schulen“
Prof. Dr.- Ing. Gunnar Grün | Abteilungsleiter Raumklima
Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP, Holzkirchen
11:50h
„ Das europaweites Modellhausprojekt ,Model Home 2020’
und darüber hinaus“
Lone Feifer | Programme Director
Sustainable Living in Buildings, VELUX A/S, Dänemark
12:10h „Nutzerverhalten in Energie+ Wohnsiedlungen“
Prof. John Grunewald | Technische Universität Dresden
Institut für Bauklimatik
12:30hKurzdiskussion
12:40hMittagspause
13:30hKEYNOTE
6
„How to strengthen the international focus on sustainable buildings”
Kurt Emil Eriksen | General Secretary, Active House Alliance
BLOCK 3 | LEBENSZYKLUS
VON DER PLANUNG ÜBER DIE KONSTRUKTION UND DEN BETRIEB BIS HIN
ZUM ABRISS
13:50h „LCC und Wirtschaftlichkeit energetischer Sanierung“
Dr. Wolfram Trinius | Ingenieurbüro Trinius GmbH, Hamburg
14.10h
„Entwerfen im Lebenszyklus. Architektonische Strategien zur
Optimierung des Material- und Ressourceneinsatzes“
Sebastian El khouli | Bob Gysin + Partner
Technische Universität Darmstadt
14:30h „Geschosswohnbau 1958, Modellerneuerung in Holz“
Florian Lichtblau | Lichtblau Architekten BDA, München
14:50hKurzdiskussion
15:00h Kaffeepause
BLOCK 4 | VERNETZUNG
NUTZER, VERSORGER, ERZEUGER UND NETZBETREIBER IN
MEHRDIMENSIONALER INTERAKTION
15:20h „Planung und Betrieb von Energie+ Siedlungen und -Quartieren“
Prof. Werner Jensch | Hochschule für angewandte Wissenschaften
München, Competence Center - Energieeffiziente Gebäude
15:40h
16:00h „EnEff -Campus TU Braunschweig - Reallabor für eine energetische Quartierssanierung”
Thomas Wilken | Technische Universität Braunschweig
Institut für Gebäude- und Solartechnik
16:20hKurzdiskussion
PODIUM | „1 MIO. AKTIVPLUS GEBÄUDE BIS 2020!
WIE KOMMT DER STANDARD AUF DEN MARKT?“
16:30h Moderation | Boris Schade-Bünsow, Chefredakteur Bauwelt
Gäste Prof. Thomas Auer, Technische Universität München
Sebastian El khouli, Bob Gysin + Partner
Ingeborg Esser, Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e. V.
Moritz Fedkenheuer, Technische Universität Darmstadt
Lone Feifer, VELUX A/S
Ministerialrat Hans-Dieter Hegner, Bundesministerium für
Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
17:30h Schlussworte des AktivPlus Vorstands und
Get Together bis 19:00h (für Ihr leibliches Wohl ist gesorgt) „EnEff:Stadt - Forschungsprojekt UrbanReNet | Vernetzte regenerative Energiekonzepte im Siedlungs- und Landschaftsraum“
Thomas Meinberg | Technische Universität Darmstadt
Fachgebiet Entwerfen und Energieeffizientes Bauen
7
müssen, um die mittel- und langfristigen Ziele zu erreichen. Der bewährte
und ausgewogene Instrumentenmix aus „Fordern, Fördern, Informieren“ wird
dabei fortgeführt.
GRUSSWORT AUS DEM BMUB
BUNDESMINISTERIUM FÜR UMWELT, NATURSCHUTZ, BAU UND REAKTIORSICHERHEIT
Mit dem am 3. Dezember im Bundeskabinett beschlossenen Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz machen wir Energieeffizienz zu einer wichtigen Säule
der Energiewende und leisten damit einen wesentlichen Beitrag, um unsere
Effizienz- und auch Klimaziele zu erreichen. Die Ziele sollen technologieoffen
verfolgt werden. Maßnahmen sollen da getroffen werden, wo der größte vertretbare Effekt eintritt. Dazu zählen Maßnahmen an der Gebäudehülle und der
Einsatz geeigneter Anlagentechnik. Die restliche benötigte Energie soll aus
erneuerbaren Quellen stammen.
Heute schon das Richtige für die Zukunft tun, ist schwer. Winston Churchill
meinte: „Die Zukunft ist ein verfluchtes Ärgernis nach dem anderen“. Aber man
kann es auch mit den Augen des antiken griechischen Staatsmanns Perikles
sehen: „Es ist nicht unsere Aufgabe, die Zukunft vorauszusagen, sondern auf sie
gut vorbereitet zu sein.“
Ministerialrat Dipl.-Ing. Hans-Dieter Hegner
Der Gebäudebestand soll bis 2050 annähernd klimaneutral sein. Dafür soll bis
2020 der (Heiz-)Wärmebedarf um 20 % reduziert werden und es wird angestrebt, bis 2050 den Primärenergiebedarf um 80 % zu mindern. Neben der
deutlichen Steigerung der Energieeffizienz, ist dazu die Umstellung auf eine
möglichst weitgehende Nutzung erneuerbarer Energien notwendig. Für viele
scheint dieses Ziel utopisch zu sein. Aber die bisherigen Instrumente wie die
Energieeinsparverordnung, die Förderung des energiesparenden Bauens und
Modernisierens haben bereits Wirkung gezeigt. Der absolute Verbrauch im
Gebäudesektor sinkt. Bis 2011 ist der Endenergieverbrauch z.B. bei den privaten Haushalten seit dem Höchststand 1996 um ca. 11 % gesunken - trotz des
Anstiegs der Wohnfläche um ca. 14 % im gleichen Zeitraum.
Darauf können wir uns aber nicht ausruhen. Sondern wir werden mehr tun
8
Deshalb fördern wir mit der Forschungsinitiative Zukunft Bau innovative
Ansätze in der gesamten Wertschöpfungskette Bau. Wir wollen nach bestem
Wissen gut aufgestellt sein. Für diese angewandte Bauforschung stellen wir
auch im Jahr 2015 Fördermittel in Höhe von 12,5 Mio. € zur Verfügung. Seit
dem achtjährigen Bestehen der Forschungsinitiative sind insgesamt 750 Forschungsprojekte gefördert und dafür ca. 83 Mio. € Bundesmittel eingesetzt
worden.
Ein konkreter Beitrag meines Hauses aus der Bauforschung zum Klimaschutz
ist die erfolgreiche Realisierung einer neuen Gebäudegeneration: den sog.
Effizienzhäusern Plus. Diese innovativen Gebäude erwirtschaften mittels Erneuerbarer Energien, mehr Energie als sie über ein Jahr verbrauchen. Sie stehen beispielhaft für eine wirtschaftlich vertretbare Umstellung auf eine fast
treibhausgasneutrale Gesellschaft.
Die derzeitigen, sehr anschaulichen Modellvorhaben im Effizienzhaus Plus
Standard sind besonders erfolgreiche Botschafter für nachhaltiges, klimaneutrales Bauen. Mittlerweile gibt es 36 Modellvorhaben in ganz Deutschland:
Einfamilien- und Mehrfamilienhäuser, Neubauten und Modernisierungsobjekte. Sie zeigen, dass eine technologieoffene Betrachtung die Vielfalt von
Architekturideen nicht einschränkt. Dabei kommt es uns darauf an, dass die
Energieproduktion in die Architektur integriert wird.
Fast alle Modellhäuser erreichten im Praxistest ein energetisches Plus. Im
Kleinhausbau konnten Überschüsse von bis zu 11.000 kWh erzielt werden. Die
Bilanzen im zweiten Betriebsjahr ließen sich aufgrund von Betriebsoptimierungen in der Regel verbessern.
Das Netzwerk der Effizienzhäuser Plus im Wohnungsbau hat zu hervorragenden Ergebnissen geführt. Es geht um Erkenntnisse, wie wir die Effizienz und
die Wirtschaftlichkeit weiter verbessern können. Daneben ist auf die neue
Förderrichtlinie für Bildungsbauten im Effizienzhaus Plus Standard hinzuweisen. Sie steht seit Mitte Januar 2015 zur Verfügung. Sie soll Anreize geben, den
Plusenergiestandard bei Modellvorhaben an Kindertagesstätten, Schulen und
geeigneten universitären Einrichtungen zu erproben. Ich hoffe hier auf innovative kommunale und private Partner.
Die technologischen Konzepte im Modellhausprogramm orientieren sich stark
auf solare Energiegewinnung, vorwiegend auf Photovoltaik in Verbindung mit
Wärmepumpentechnologien; andere Formen der regenerativen Energiegewinnung wie Windkraftanlagen, saisonale Speicherung von Solarwärme oder
die Nutzung von Abwasserwärme sind eher Einzelfälle. Auch der Einsatz von
Blockheizkraftwerken und Brennstoffzellen sind noch selten vorzufinden, werden sich aber auch etablieren. Im Wandel zur strombasierten Beheizung der
Modellhäuser entstehen auch Konzepte ohne wassergeführte Systeme. Die
Regelausführung stellt derzeit aber Flächenheizsysteme mit vorgeschalteten
Pufferspeichern dar. Der Eigennutzungsanteil und Autarkiegrad des PV-Stroms
wird durch den Einsatz eines Stromspeichers leicht um 50 % und mehr erhöht.
Die Zufriedenheit der Bewohner ist sehr hoch. Die Tatsache, dass sie die zu
verbrauchende Energie selbst herstellen, ist eine hohe Motivation, damit auch
sorgsam umzugehen und sich für die Anlagentechnik auch zu interessieren.
Eine Rückkopplung der aktuellen Anlagenperformance zum Nutzer ist deshalb
immanent wichtig. Einfache Monitoringsysteme sollten zur Grundausstattung
solcher Gebäude gehören.
Obwohl wir noch in der Forschung und Entwicklung stecken, zeigt sich, dass
die investiven Mehrkosten für ein Effizienzhaus Plus im Vergleich zu den erzielbaren verminderten Betriebskosten in einem verträglichen Verhältnis stehen.
9
GRUSSWORT VON PROF. DR.-ING.THOMAS STARK
MODERATOR DES 2. AKTIVPLUS SYMPOSIUMS
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich begrüße Sie herzlich zum 2. AktivPlus-Symposium in Stuttgart, in dessem
Rahmen ich die angenehme Aufgabe habe, Sie wieder durch ein hoch interessantes Programm führen zu dürfen. Die Anforderungen an die energetische
Leistungsfähigkeit von Gebäuden nehmen bereits seit vielen Jahren stetig zu.
Wir sind nun auf europäischer Ebene inzwischen kurz vor der Einführung eines
Gebäudestandards, der die negativen Umweltwirkungen in der Nutzungsphase nahezu auf null reduzieren soll. Dies stellt das Bauwesen insgesamt schon
lange vor große Herausforderungen, der Schwerpunkt verschiebt sich jedoch
zunehmend in Bereiche, die über eine thermische optimierte Gebäudehülle
hinausgehen. So rücken immer stärker Fragen zur aktiven lokalen Energiegewinnung, zur Nutzerzufriedenheit, zur Vernetzung und Speicherung und zur
Betrachtung des gesamten Lebenszyklus in den Fokus.
Prof. Dr.-Ing. Thomas Stark
HTWG Konstanz, Fachgebiet Energieeffizientes Bauen
ee concept gmbh
Das AktivPlus-Symposium greift diese Themen regelmäßig auf und bietet eine
profunde Plattform für den fachlichen Austausch von Experten, sowohl in der
Breite vom Nutzer über die Planung bis zur Bauindustrie, als auch auf den verschiedenen Ebenen von der wissenschaftlichen Forschung bis zu Erkenntnissen aus der Praxis. Im Programm des 2. AktivPlus-Symposium setzen wieder
hochkarätige Referenten durch Vorträge wertvolle Impulse, die insbesondere
zu einem gemeinsamen Diskurs über die weitere Entwicklung unserer gebauten und noch zu bauenden Umwelt anregen sollen. In diesem Sinne lade ich
Sie herzlich zu einer aktiven Teilnahme ein und wünsche uns allen eine erkenntnisreiche Veranstaltung.
Herzliche Grüße, Thomas Stark
10
Foto: AktivPlus e.V.
DER AKTIVPLUS STANDARD
MERKMALE & ARBEITSGRUPPEN
Foto: VELUX / Adam Mørk
lung von Verbräuchen und Messwerten bedacht werden, sodass ein einfaches
Nutzerfeedback ermöglicht werden kann.
Alle Kriterien werden im Rahmen eines Monitoring zusätzlich einer Bewertung
durch den Nutzer unterzogen, welche für die Qualitätssicherung der AktivPlus
Ziele ausschlaggebend ist.
DER AKTIVPLUS STANDARD
DAS PRINZIP IN SIEBEN MERKMALEN
STAND APRIL 2015
ENERGIE
1. ENDENERGIEBILANZ
NUTZER
2. NUTZERKOMFORT
3. SUFFIZIENZ /
FLÄCHENEFFIZIENZ
LEBENSZYKLUS
5. ÖKOBILANZIERUNG
(CO2-BILANZ UND
UMWELTINDIKATOR)
3 FLÄCHENEFFIZIENZ
VERNETZUNG
7. VERNETZUNG
6. LEBENSZYKLUSKOSTEN
4. ARCHITEKTURQUALITÄT
TECHNISCHES UND SOZIALWISSENSCHAFTLICHES MONITORING
1 ENDENERGIEBILANZ
Die AktivPlus Bilanz enthält den Energiebedarf für den Gebäudebetrieb und
die lokale Energiegewinnung. Zusätzlich wird der nutzerbedingte Energiebedarf mit eingerechnet und damit der gesamte Energiebedarf in der Betriebsphase eines Gebäudes bilanziert. Ein AktivPlus Gebäude muss mehr Endenergie erzeugen als es verbraucht.
Der Status AktivBasic wird erreicht, wenn der resultierende Endenergiebedarf
maximal 30 kWh/m²a beträgt.
2 NUTZERKOMFORT
Der Nutzerkomfort im AktivPlus Standard wird über die Definition des thermischen Komforts im Sommer und Winter, der Raumluft- und Tageslichtqualität
sicher gestellt. Während beim thermischen Komfort untere und obere Temperaturschwellen festgelegt sind, werden die Raumluftqualität geplant und gemessen, um ein gesundes Raumklima zu erreichen. Die Tageslichtversorgung
wird in der Planung bewertet.
Ebenfalls in der Planung sollen die Möglichkeiten einer transparenten Darstel-
14
Die Einsparungen für Erstellung und Betrieb eines Quadratmeters Wohnfläche
werden durch die steigende Nachfrage von Fläche pro Person überkompensiert. Die Suffizienz-Strategie hinterfragt Ansprüche und Nachfrage. So sollen
Flächen reduziert werden, Ausbaustandards gesenkt und die Komfortniveaus
auf ein sinnvolles Maß zurückgeführt und den tatsächlichen Nutzungsdauern
angepasst werden.
Ziel ist grundsätzlich eine Reduktion des gesamten Ressourcenverbrauchs. Im
Allgemeinen, d.h. bei vergleichbarer Baukonstruktion und Energieverbräuchen ist dieser an die Brutto-Fläche (BGF und BRI) gekoppelt, weswegen eine
Reduktion der Flächen grundsätzlich sinnvoll ist.
Voraussetzung ist die Betrachtung des ganzen Lebenszyklus (Baukonstruktion, Betrieb, Instandhaltung und Entsorgung) sowie eine parallele Betrachtung
der Landverbräuche.
4 ARCHITEKTURQUALITÄT
Die Qualität der Architektur und die flexiblen Gestaltungsmöglichkeiten im
AktivPlus Standard stellen eine Besonderheit dieses Konzepts dar. Es ist Teil
einer ganzheitlichen Betrachtung des Projekts, auch wenn dies objektiv nur
schwer zu bewerten ist. Als informativer Nachweis ist hier zu prüfen, ob die
Erneuerbaren Energien und die Gebäudetechnik sinnvoll, nachrüstbar und elegant in die Architektur integriert worden sind.
Da die Gebäudetechnik eine weitaus niedrigere Lebensdauer hat als die
Gebäudesubstanz an sich, sollte unter den Aspekten von Qualität auch eine
unkomplizierte und kostengünstige Nachrüstung veralteter Technik möglich
sein. Dieses Kriterium wird durch die Einschätzung eines von AktivPlus gestellten Gestaltungsbeirats beurteilt.
5 ÖKOBILANZ (CO2-BILANZ UND UMWELTINDIKATOR)
Betrachtet werden im Rahmen einer Ökobilanzierung vorerst nur die CO2Emissionen über den gesamten Lebenszyklus, d.h. aus der Gebäudekonstruktion, dem Gebäudebetrieb und dem Rückbau. Alle weiteren Indikatoren werden
zukünftig über einen Umweltindikator zusammengefasst. In der Planung werden die CO2-Emissionen berechnet und mindestens zwei alternative Konstruktions- und Versorgungskonzepte untersucht. Ergebnis ist die Ausweisung der
CO2-Emissionen für die finale Planung. Im Rahmen eines späteren Monitoring
sollen dann die Emissionen aus dem realen Energieverbrauch berechnet werden. Für die Ermittlung der Emissionen aus der Gebäudekonstruktion werden
verschiedene Verfahren mit unterschiedlicher Detailtiefe zugelassen, um einfache Variantenvergleiche in frühen Planungsphasen zu ermöglichen.
6 LEBENSZYKLUSKOSTEN
Betrachtet werden die gebäudebezogenen Kosten über den Lebenszyklus. Neben den Investitionskosten werden Energie- und Wartungskosten sowie eine
notwendige Instandhaltungsrücklage ausgewiesen, um dem Nutzer die zu erwartenden jährlichen Gesamtkosten transparent darstellen zu können. Dabei
wird jeweils eine Spanne möglicher Preissteigerungen betrachtet.
In der Planung werden die Lebenszykluskosten berechnet und mindestens
zwei Planungsalternativen mit relevanter Auswirkung auf die Lebenszykluskosten untersucht. Im Rahmen eines späteren Monitoring können die realen
Energie- und Wartungskosten des Gebäudes erfasst werden.
7 VERNETZUNG
Gebäude entwickeln sich vom Energieverbraucher zum Energieerzeuger, in
zukünftigen Konzepten sogar zum Anbieter von Energiespeicherkapazitäten.
Schnittstellen zu dezentralen Netzen oder den öffentlichen Versorgungsstrukturen müssen daher weiterentwickelt werden, um Potentiale und Synergien
beim Ausbau der erneuerbaren Energien sicher erschließen zu können.
Gleichzeitig nimmt die Kommunikation zwischen dem Nutzer und der technischen Ausstattung zu. Es müssen transparente Informationen zur Energieeffizienz und zum Komfort gestaltet werden, um eine gesellschaftliche Akzeptanz
zu erreichen und die Motivation weiter zu erhöhen. Durch die intelligente Ver-
netzung auf allen Ebenen lassen sich auch ökonomische Modelle entwickeln,
welche die einseitige Abhängigkeit in den bisherigen Strukturen ablöst.
Bewertungsmethodik
Der AktivPlus Standard sorgt für eine Qualitätskontrolle der in der Planung
avisierten Eigenschaften der Gebäude und der Zufriedenheit der Nutzer. Deswegen werden alle Aktivplus Gebäude einem zwei jährigen Monitoring unterzogen, in dem die Performance des Gebäudes mit den in der Planung angestrebten Werten verglichen wird. Dieser Vergleich zeigt auch Schwachstellen
der Steuerung oder Umsetzung auf und ermöglicht einen optimalen Betrieb.
Um die Diskrepanz zwischen Berechnungen bzw. Definitionen von Zielwerten
und den Empfindungen des Nutzers zu minimieren, ist eine stärkere Einbindung des Nutzers in die Gebäude und deren Planung, in Form von Monitoring
und sozialwissenschaftlicher Befragungen, unabdinglich.
Die Bewertung besteht aus fünf Ebenen, welche sich über die Planungsphase
und den Betrieb in den ersten zwei Jahren erstrecken:
Projektierung / Entwurf / Planung
Planung
qualtitativer
Nachweis
Berechnung /
Simulation
quantitativer
Nachweis
Information &
Steuerung
Einflussmöglichkeit
des Nutzers
Betrieb / Monitoring über 2 Jahre
Messungen
technisches
Monitoring
Befragungen
sozialwissenschaftl.
Monitoring
In dem Monitoring werden auch die Nutzer nach Ihrem Wohlbefinden befragt
und über die Performance des Gebäudes informiert. Für das Monitoring wird
ein einfaches System entwickelt, das mit geringem Aufwand installiert und
betrieben werden kann.
15
ARBEITSGRUPPE ENERGIE
UNTER DER LEITUNG VON DR. BORIS MAHLER
1 | Zielsetzung
Die Arbeitsgruppe Energie beschäftigt sich mit den
ENERGIE
energetischen Anforderungen an AktivPlus GebäuEffizienz
de. Ausgangspunkt ist der vom BundesbauministeGebäudehülle
rium BMUB definierte EffizienzhausPlus Standard
Technik
für Wohngebäude. Einzelne Aspekte werden in
Erneuerbare Energien
Merkmalsbeschreibungen dargestellt und erläutert. Dort werden die Anforderungen und Bilanzierungsregeln konkretisiert und auf zusätzliche Gebäudekategorien erweitert. Die AG Energie möchte
die Anwendung des AktivPlus Standards möglichst einfach gestalten. Dazu
werden Hilfsmittel für die Planung, Umsetzung und den Betrieb entwickelt.
2 | Struktur der Arbeitsgruppe
Die AG wird vom Vorstandsmitglied Dr. Boris Mahler geleitet. Etwa 20 Teilnehmer treffen sich (in der Regel in Stuttgart) ca. alle sechs Wochen zur Diskussion
der Zwischenergebnisse. Die Teilnehmer decken einen breiten Anwendungsbereich ab: Hochschulen, Architekten, Fachplaner, Industrie und Bauwirtschaft. Seit April 2014 fanden sechs Arbeitstreffen statt.
3 | Inhalte
3.1 | Endenergiebedarf
Die AktivPlus Bilanz enthält den Endenergiebedarf für den Gebäudebetrieb
nach EnEV (Heizwärme, Warmwasser, Hilfsenergien etc.) und die lokale
elektrische und thermische Energiegewinnung (z.B. Solarenergienutzung).
Zusätzlich wird auf der Bedarfsseite der nutzerbedingte Energiebedarf (z.B:
16
Haushaltsstrom) mit eingerechnet und damit der gesamte Endenergiebedarf
in der Betriebsphase eines Gebäudes bilanziert. Ein AktivPlus Gebäude muss,
vergleichbar zum EffizienzhausPlus Standard, in der Jahresbilanz mehr Energie erzeugen als verbrauchen. Dies ist für Gebäude mit bis zu drei Stockwerken
vergleichsweise einfach zu erreichen. Bei größeren Gebäuden nimmt der Energiebedarf mit jedem Geschoss annähernd linear zu, die solar-aktiv nutzbaren
Flächen (in der Regel das Dach und anteilig die Fassade) jedoch nur geringfügig. Daher wurde eine weitere Stufe, die AktivBasic Stufe eingeführt. Hier darf
in der Jahresbilanz noch ein Restbedarf von 30 kWh/m²a übrig bleiben. Somit
wird das „Plus“ nicht erreicht. Die AktivBasic Gebäude werden weitgehend
dem Anforderungsniveau der EU für 2019-2021 und dem NZEB Standard (Nearly zero energy buildings) entsprechen. Diese nächste Stufe der EnEV befindet
sich noch in der Diskussionsphase.
3.2 | Nutzerstrom
Der Energiebezug für die individuelle, nutzerspezifische Ausstattung eines
Gebäudes fließt mit in die Bilanz des AktivPlus Standards ein. Die Analyse von
mehreren groß angelegten Stromverbrauchsuntersuchungen im Wohnungsbau hat gezeigt, dass sich der Stromverbrauch abhängig von einem Sockelbetrag zuzüglich einem Verbrauchswert je Bewohner verhält. Daraus abgeleitet
werden Nutzerstromeffizienzklassen definiert und Hilfsmittel zur Planung und
Beratung erarbeitet.
3.3 | Bilanzierungsumfang
In die AktivPlus Bilanz geht der Endenergiebedarf für den Gebäudebetrieb und
die lokale Energiegewinnung sowie der nutzerbedingte Energiebedarf ein. Der
Endenergiebedarf wurde als die relevante Größe definiert, da
• Endenergie vergleichsweise einfach durch üblicherweise vorhandene Zähler
erfassbar ist.
• einfach zu verstehen ist, weil diese Energieform bezahlt werden muss.
• keine variablen, z.T. politisch motivierten Umrechnungsfaktoren enthält, wie
beispielsweise die Primärenergie.
Informativ werden zusätzlich die im Gebäude gebundene Energie (graue
Energie, ermittelt in AG Lebenszyklus), sowie die für die Mobilität benötigte
Energie (ermittelt in AG Vernetzung) angegeben.
3.4 | Objekt und Bilanzgrenze
Die Bilanzgrenze bei Betrachtung einzelner Gebäude ist die Grundstücksgrenze, bei Betrachtung eines Quartiers, sind es die Grundstücksgrenzen der zu
bilanzierenden Gebäude. Die übergeordnete Infrastruktur (Straßenbeleuchtung etc.) wird nur bei der Betrachtung eines Stadtteils oder der ganzen Stadt
berücksichtigt.
3.5 | Nutzung
Im AktivPlus-Standard werden Gebäude entsprechend Ihrer Hauptnutzung
klassifiziert. In der ersten Phase wird der Fokus auf Wohngebäude, Bildungsbauten sowie Büro u. Verwaltungsgebäude gelegt. Die bisherigen Untersuchungen deuten darauf hin, dass für diese Hauptnutzungen die
energetischen Anforderungen einheitlich gestellt und realisiert werden können. Es sind zwar in Büro- und Verwaltungsgebäuden, im Vergleich zum Wohnungsbau, in der Regel höhere Nutzerstrombedarfe vorhanden, dafür entfällt
die notwendige Energie für die Warmwasserbereitung weitgehend. Höhere
Aufwendungen für Kühlung werden durch die geringeren Heizenergiebedarfe
aufgrund der erhöhten inneren Lasten teilweise kompensiert. Dies gilt es in
der Pilotphase an weiteren Objekten zu verifizieren.
3.6 | Bilanzierungsgröße
Der Energiebezug wird im AktivPlus Standard bezogen
• auf die Energiebezugsfläche nach EnEV in kWh/m²a
• auf die Anzahl der Nutzer in W/Person
ausgewiesen.
Die personenbezogene Dauerleistung wird als Informationskriterium verwendet, da sich diese Größe kurzfristig (z.B. bei Wegzug von Kindern in einer Familie) ändern kann, ohne dass sich Gebäudeeffizienz und –technik verändern.
Dennoch ermöglicht die personenbezogene Dauerleistung in Anlehnung an
die Idee der 2.000 W-Gesellschaft, eine relevante Einordnung des gebäudebezogenen Energiebedarfs.
3.7 | Bilanzierungszeitschritte
Die Bilanzierung im AktivPlus Standard erfolgt als Jahresbilanz auf der Basis
von Monatswerten. Werte wie Eigennutzungs- und Autarkiegrad, die wesentlich von zeitlich kürzeren Betrachtungen abhängen, werden durch
Zu-/Abschlagsfaktoren in den Monatswerten angenähert abgebildet. Diese
Faktoren bedürfen noch einer intensiven Untersuchung.
»EIN AKTIVPLUS-GEBÄUDE MUSS IN DER
JAHRESBILANZ MEHR ENERGIE ERZEUGEN
ALS VERBRAUCHEN.«
3.8 | Erneuerbare Energien, lokal gewonnene Energie
In der Endenergiebilanz werden erneuerbare und lokal gewonnene Energien
berücksichtigt, die im Bilanzraum gewonnen werden.
Energiebezüge aus Fern-/Nahwärme und durch erneuerbare Brennstoffe von außerhalb des Bilanzraums bleiben bis 20 kWh/m²a anrechnungsfrei. Die Begrenzung auf 20 kWh/m²a erfolgt, da auch die erneuerbaren
Brennstoffe ein knappes Gut sind und nur eingesetzt werden sollten, wenn
am Gebäude selbst schon Energieeffizienzmaßnahmen umgesetzt worden
sind. Die Erweiterung auf Fern- und Nahwärmesysteme wurde aus folgenden
Gesichtspunkten vorgenommen: Effiziente Fern-/Nahwärmesysteme können
positiv zur Energiewende beitragen. Für Gebäude in einem Fern-/Nahwärmegebiet besteht in der Regel keine Möglichkeit zur dezentralen Wärmeversorgung, sondern ein Zwang sich an die übergeordnete Versorgung anschließen
zu müssen. Dies soll jedoch nicht zu einem Nachteil führen.
4 | Ausblick, nächste Schritte
Ein aktuelles Thema ist die Pilotanwendungsphase. Hierfür sollen die Arbeitsmittel entwickelt und den Pilotanwendern zur Verfügung gestellt werden.
Weiterhin wird sich die AG Energie in nächster Zeit verstärkt in die Erarbeitung
der in anderen Arbeitsgruppen behandelten Kriterien einbringen, die auch
für die energetische Betrachtung von Relevanz sind (z.B. Stromspeicher – Vernetzung).
17
reduzieren, müssen die Nutzer in den Betrieb des Gebäudes besser integriert
werden. Es muss an das Bewusstsein der Bevölkerung über ihren tatsächlichen
Energieverbrauch appeliert werden, sodass eine effizientere Nutzung der
Ressourcen hervorgerufen wird. Das Nutzerverhalten kann längerfristig durch
Effizienz-Strategien und clevere Konzepte beeinflusst werden.
ARBEITSGRUPPE NUTZER
UNTER DER LEITUNG VON V.-PROF. HANS DREXLER UND ASTRID UNGER
1 | Hintergrund und Zielsetzung
Gebäude sind neben technischen Einrichtungen
auch das primäre Lebensumfeld von Menschen.
NUTZER
Die Interaktion zwischen Gebäuden und Menschen
Komfort
lassen sich deswegen nicht allein über bauphysiInformation
kalische Merkmale beschreiben. Zeitgenössische
Architektur-Integration
oder modernisierte Gebäude können ein erheblich
höheres Behaglichkeitsniveau bieten als ältere
oder unsanierte Gebäude. Dieser Fortschritt wird
durch erhebliche Verbesserung an der Gebäudehüllenkonstruktion sowie der Integration von mehr und umfangreicherer
Gebäudetechnik erreicht. Auch wenn diese Fortschritte aus ökonomischer und
ökologischer Sicht sinnvoll und wünschenswert sind, führen sie nicht in allen
Fällen auch zu einer größeren Nutzerzufriedenheit. In vielen Fällen decken
sich die hohen Erwartungen an die energetische Performance nicht mit den
Erfahrungen der Nutzer. Die Zusammenhänge zwischen Gebäude, Technik,
Innenraumklima, Wohnkomfort und Nutzer muss genauer erforscht werden.
AktivPlus hat sich zum Ziel gesetzt, Gebäude und Nutzer sowie deren Verhalten und Wohlbefinden in einem systemischen Zusammenhang zu betrachten.
Die möglichen Reduktionen von CO2-Emissionen und Energieverbräuchen der
Gebäude wird in vielen Fällen durch den höheren Verbrauch der Nutzer überkompensiert, es entsteht der sogenannte Rebound-Effekt: Im Durchschnitt
nimmt die Wohnfläche pro Kopf deutlich zu. Einwohner erwarten ganzjährlich
immer höhere Raumtemperaturkomforts. Die zunehmende Anzahl an Geräten und Home-Entertainment-Systemen verbraucht immer mehr Strom. Um
den Rebound-Effekt zu vermeiden und um Emmissionen im Gebäudesektor zu
18
2 | Struktur der Arbeitsgruppe
Die AG wird von den Vorstandsmitgliedern V.-Prof. Hans Drexler und Astrid Unger geleitet. Etwa zehn Teilnehmer treffen sich (in der Regel in Berlin) ca. alle
sechs Wochen zur Diskussion der Zwischenergebnisse. Die Teilnehmer decken
einen breiten Anwendungsbereich ab: Sozialwissenschaftler, Bauphysiker, Architekten, Fachplaner, Bauwirtschaft und Ingenieure.
Seit März 2014 finden im regelmäßigen Turnurs Arbeitsgruppentreffen statt.
3 | Inhalte
3.1 Nutzer-Komfort und Monitoring
Das Hauptaugenmerk liegt darauf, objektive und subjektive Methoden zur Beschreibung von Behaglichkeit und energetischer Performance von Gebäuden
zu vergleichen und zu verknüpfen.
Zu diesem Zweck wird die Bewertung des Nutzerkomforts in Wohngebäuden
in die AktivPlus-Qualität integriert. Diese stützt sich auf den Vergleich der Bewertungen von Nutzern, welche durch sozialwissenschaftliche Befragungen
erhoben werden, mit den berechneten und in den Gebäuden gemessenen
Innenraumklimabedingungen. Hierzu werden drei Datenquellen erhoben und
verglichen:
1.
2.
3.
Prognosen und Simulationen
Messung von physikalischen Werten
Befragung von Nutzern
Aufgrund der Komplexität der Systeme, ist die Prognosegenauigkeit der Berechnungsverfahren von Energieverbräuchen und Innenraumklimate unbefriedigend. Eine Optimierung der Berechnung setzt voraus, dass das Wissen
über das tatsächliche Verhalten der Nutzer verbessert wird, um somit die
gemessenen Daten mit den Berechnungen vergleichen zu können. Derzeit
sind Gebäude-Monitoring nur mit einem großen technischen und personellen
Aufwand durchzuführen. Es wäre sinnvoll, eine größere Anzahl von Gebäuden
systematisch im Betrieb zu untersuchen, um eine Verbesserung des Kenntnisstands über die allgemeine Gebäudeperformance zu ermöglichen. Dafür soll
ein einfach zu bedienendes Monitoring Tool entwickelt werden, welches mit
einem geringen Aufwand eine Basis-Auswertung der Gebäude-Performance
erlaubt.
3.2 Nutzer - Information und Transparenz
Die Komplexität der modernen Gebäudetechnik und Baukonstruktionen ist
für viele Nutzer eine Herausforderung. Ein erfolgreicher Betrieb und eine effiziente Systemsteuerung durch den Nutzer dieser Gebäude kann aber nur
gelingen, wenn dieser transparent informiert und logisch integriert wird.
Durch das interaktive Monitoring nimmt der Nutzer aktiv an Betriebsprozessen des Gebäudes teil und gleichzeitig wird das Nutzerverständnis über die
Technik und deren Funktionsweisen ausgeprägt. Es entsteht ein erkennbarer
Zusammenhang zwischen dem Verhalten des Nutzers und den abgelesenen
Werten. Verhaltensweisen können angepasst oder die Gebäudetechnik und
Geräte optimiert werden.
»DAS NUTZERVERHALTEN HAT IN JEDEM
GEBÄUDE EINEN GANZ ENTSCHEIDENDEN
EINFLUSS AUF DIE ENERGETISCHE
PERFORMANCE DES GEBÄUDES.«
Ein ausgeprägteres Verständnis der Gebäudeprozesse könnte sich positiv auf
das Verhalten der Nutzer auswirken.
werden durch die steigende Nachfrage von Wohnfläche pro Person überkompensiert. AktivPlus konzentriert sich darauf, mittelfristig zu einer pro-Kopf Bewertung der Ressourcenverbräuche zu gelangen und hierfür eine belastbare
Grundlage zu schaffen. Diese Betrachtung berücksichtigt die Ressourcenverbräuche nicht nur bezogen auf eine abstrakte Flächeneinheit, sondern auch
auf die tatsächlich nachgefragte Nutzfläche. Durch das Monitoring lässt sich
die reelle Nutzerzahl präzise ermitteln. Die geplante und später ermittelte
Personendichte können als Eingangsparameter für die Ermittlung der personenbezogenen Ressourcenverbräche genutzt werden.
3.4 Architekturqualität
Die Entwicklung im Bereich des energie-effizienten Bauens ist stark von technischen Innovationen und Simulationen geprägt. In manchen Fällen sind so
Gebäude entstanden, deren architektonische und gestalterische Qualität unbefriedigend ist und die der kulturellen Bedeutung von Architektur nicht gerecht wird. Dabei werden gezielt die für AktivPlus-Gebäude spezifische Aspekte des Bauens betrachtet: Die konstruktive und gestalterische Integration der
technischen Gebäudeausrüstung und Energieerzeugung sowie der baukonstruktiv sinnvollen und wartungsfreundlichen Implementierung der Technik.
Um eine ganzheitliche Sicht von Architektur zu befördern, will AktivPlus
auch die Architekturqualität berücksichtigen. Hierzu tagt einmal im Jahr ein
Gestaltungsbeirat, welcher wie die Jury eines Wettbewerbs aus anerkannten
Experten des Bauens besteht, und die AktivPlus-Gebäude hinsichtlich der Qualität der architektonischen Umsetzung der technischen Aspekte und der Gesamtwirkung beurteilt. Die Bewertung der architektonischen Qualität ist kein
status-relevantes Kriterium, wird aber zu einem Wettbewerb innerhalb der
Interessierten und zu einem Bewusstseinswandel führen, Energie-Effizienz
und Baukultur gemeinsam zu betrachten.
3.3 Suffizienz
Die Nachhaltigkeitsdiskussion der letzten Jahre hat sich auf das Thema Effizienz konzentriert. Effizienz alleine ist jedoch keine Lösung, um die Schere zwischen steigendem Bedarf und schrumpfenden Ressourcen zu schließen. Die
Einsparungen für Erstellung und Betrieb eines Quadratmeters Wohnfläche,
19
ökonomischen Auswirkungen eines Gebäudes und Stadtquartiers über den
gesamten Lebenszyklus für die Entwurfsvarianten dargestellt und analysiert
werden können.
ARBEITSGRUPPE LEBENSZYKLUS
»LEBENSZYKLUS HEISST: ALLE PHASEN
BERÜCKSICHTIGEN - SOWOHL ÖKOLOGISCH
ALS AUCH WIRTSCHAFTLICH.«
UNTER DER LEITUNG VON PROF. DR. NATALIE ESSIG UND PROF. JOOST HARTWIG
1 | Zielsetzung
Eine ganzheitliche Planung ist ein wichtiger Bestandteil für zukunftsweisende Gebäude. Denn
LEBENSZYKLUS
nicht nur der Betrieb verbraucht Energie, sondern
Ökobilanz
auch der Bau und die Demontage. Oftmals werden
Kosten
der Energiebedarf und die Umweltwirkungen eines
Gebäudes nur für die Zeit des Betriebs betrachtet.
Viele Ressourcen werden aber bereits beim Bau
und später beim Rückbau und der Entsorgung aufgewandt. Es müssen daher für eine korrekte Ökobilanz alle Lebensabschnitte
betrachtet werden: Bau, Betrieb und Demontage. Dies gilt auch für die Kosten,
die über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes anfallen.
Die AG Lebenszyklus (LCA und LCC) setzt sich daher schwerpunktmäßig mit
den Umweltwirkungen und der Wirtschaftlichkeit von Gebäuden und Stadtquartieren auseinander und verfolgt ein ganzheitliches, integrales und zukunftsfähiges Konzept. Ziel ist es, lebenszyklusorientierte Ansätze in die Gebäudekonstruktion, den Betrieb sowie den Rückbau zu integrieren und einen
Umweltindikator und Lebenszykluskostenkonzepte für AktivPlus Gebäude
und Stadtquartiere zu entwickeln. Hierbei wird auf bestehende Ansätze und
Berechnungswerkzeuge zurückgegriffen. Diese sollen jedoch neu interpretiert
und vereinfacht werden, um Planern und Eigentümern neue ganzheitliche
lebenszyklusorientierte Konzepte aufzuzeigen. Hierfür wird ein Planungstool
entwickelt, mit dem bereits während der Planung die Umweltwirkungen und
20
2 | Struktur der Arbeitsgruppe
Die AG wird von den Vorstandsmitgliedern Prof. Dr. Natalie Essig und Prof. Joost
Hartwig geleitet. Etwa zehn Teilnehmer treffen sich (in der Regel in München)
ca. alle sechs Wochen zur Diskussion der Zwischenergebnisse. Die Teilnehmer
decken einen breiten Anwendungsbereich ab: Architekten, Stadtplaner, Bauund Umweltingenieure sowie Betriebs- und Volkswirte.
Ab April 2015 finden im regelmäßigen Turnurs Arbeitsgruppentreffen statt.
3 | Inhalte
3.1 Ökobilanz (Umweltindikator)
Betrachtet werden im Rahmen einer Ökobilanzierung vorerst nur die CO2Emissionen über den gesamten Lebenszyklus, d.h. aus der Gebäudekonstruktion, dem Gebäudebetrieb und dem Rückbau. Alle weiteren Indikatoren werden zukünftig über einen Umweltindikator zusammengefasst. In der Planung
von AktivPlus Gebäuden und Stadtquartieren sollen die CO2-Emissionen berechnet und alternative Konstruktions- und Versorgungskonzepte untersucht
werden. Das Ergebnis ist die Ausweisung der CO2-Emissionen für die finale
Planung. Im Rahmen eines späteren Monitoring sollen dann die Emissionen
aus dem realen Energieverbrauch berechnet werden. Für die Ermittlung der
Emissionen aus der Gebäudekonstruktion, werden verschiedene Verfahren mit
unterschiedlicher Detailtiefe zugelassen, um einfache Variantenvergleiche in
frühen Planungsphasen zu ermöglichen. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf der
Verwendung von nachwachsenden Rohstoffen und recycelten oder recycling-
fähigen Materialien. Bereits in der Planungsphase wird die Rückführung der
Komponenten in natürliche und technische Stoffkreisläufe berücksichtigt und
in die Energierechnung mit einbezogen, um somit die besten Voraussetzungen
für eine gute Ökobilanz zu schaffen.
3.2 Lebenszykluskosten
Bei AktivPlus Gebäuden werden nicht nur die Baukosten, sondern alle gebäudebezogenen Kosten über den Lebenszyklus aufgezeigt. Neben den Investitionskosten werden Energie- und Wartungskosten sowie eine notwendige
Instandhaltungsrücklage ausgewiesen, um dem Nutzer die zu erwartenden
Gesamtkosten transparent darzustellen. Dabei wird jeweils eine Spanne möglicher Preissteigerungen betrachtet. In der Planung werden die Lebenszykluskosten berechnet und weitere Planungsalternativen mit relevanter Auswirkung auf die Lebenszykluskosten untersucht. Im Rahmen eines späteren
Monitoring können die realen Energie- und Wartungskosten des Gebäudes
erfasst werden.
21
wendungsbereich ab: Architekten, Fachplaner, Bauwirtschaft und Ingenieure.
Ab April 2015 finden im regelmäßigen Turnurs Arbeitsgruppentreffen statt.
ARBEITSGRUPPE VERNETZUNG
UNTER DER LEITUNG VON THOMAS WILKEN
1 | Zielsetzung
Der ganzheitliche Ansatz der AktivPlus Initiative
Netzintegration
dient dem Ziel, eine nutzerfreundliche und zuMobilität
kunftsfähige Planungs- und Bauqualität zu entwickeln, welche den Ansprüchen an zeitgemäße,
energieeffiziente sowie komfortable Gebäude und
Quartiere gerecht wird. In diesem Verständnis vollzieht sich gleichzeitig ein Dogmenwechsel, indem
Gebäude vom Energieverbraucher zum Energieerzeuger werden und den
Ausbau Erneuerbarer Energien beschleunigen. Durch die Multiplikation dieses
Ansatzes, gilt die Betrachtung u.a. aus energetischer, ökologischer und wirtschaftlicher Sicht nicht mehr allein einem Gebäude. Vielmehr ist die Versorgung mehrerer Einheiten mit erneuerbaren Energien auf Quartiersebene eine
Herausforderung für die Zukunft. AktivPlus Gebäude müssen als Schnittstelle
eines intelligenten Netzwerks (Smart Grid) entwickelt werden. Damit werden sie zu flächendeckend dezentral vernetzten Energieerzeugern, mit dem
Potential weitere Aspekte, wie z.B. die Elektromobilität, in eine ganzheitliche
Versorgungsstrategie zu integrieren.
VERNETZUNG
2 | Struktur der Arbeitsgruppe
Die AG wird von dem Vorstandsmitglied Thomas Wilken geleitet. Etwa zwölf
Teilnehmer treffen sich (in der Regel in Frankfurt) ca. alle sechs Wochen zur
Diskussion der Zwischenergebnisse. Die Teilnehmer decken einen breiten An-
22
3 | Inhalte
Um eine hohe solare Deckung und die Nutzung der erneuerbar erzeugten
Energien vor Ort zu erreichen, ist ein Grad der Vernetzung zwischen Gebäuden
sowie Erzeugern und Verbrauchern erforderlich, welcher sich aktuell in der
Entwicklung befindet. Der Nutzer mit seinem spezifischen Bedarf an Energie,
Komfort und Sicherheit steht dabei aus Sicht des AktivPlus e.V. im Mittelpunkt
der Betrachtung. Zwei Ebenen der Vernetzung sind relevant und im Zusammenhang mit den allgemeinen und individuellen Anforderungen zu lösen: das
ganzheitliche Konzept für eine energieeffiziente sowie bedarfs- und komfortgerechte Versorgung auf Gebäudeebene und die äußere Verbindung mit den
relevanten Netzen. Das sind im Wesentlichen das Strom-, ggf. das Wärme- und
das Kommunikationsnetz. Als technische Voraussetzung für diese Vernetzung
gilt es Schnittstellen zu definieren, über die Daten z.B. zum aktuellen oder
prognostizierten Bedarf sowie zur häufig dezentralen Erzeugung bereitgestellt und ausgetauscht werden. Feedbacksysteme zur Nutzerinformationen in
Bezug auf Verbrauch oder Tarif sorgen dabei für die notwendige Transparenz.
»VERNETZUNG HEISST: GEBAÜDE UND
QUARTIERE IM SMART GRID INTEGRIEREN.«
Durch die intelligente Vernetzung mit Bestandsgebäuden, selbst Baudenkmälern, können regenerative Überschüsse dazu beitragen, die Energiewende im
Gesamtkontext des Quartiers oder der Stadt zu gestalten. Technische Lösungen sind bereits vorhanden, Aspekte wie Versorgungssicherheit und Datensicherheit müssen aber noch intensiv diskutiert und verbindlich gelöst werden.
Die Motivation, Gebäude als Teil eines Smart Grid zu planen, sollte dabei nicht
allein aus ideellem Anlass erfolgen, sondern durch wirtschaftlich innovative
Lösungen überzeugen. Das dazu auch rechtliche Rahmenbedingungen zu klären sind, steht außer Frage. Die Herausforderung wird darin bestehen, auf Basis der vorhandenen Strukturen, zukunftsfähige Lösungen zu entwickeln und
Parallelnetzwerke oder Insellösungen zu vermeiden.
In intelligenten Netzen muss sich der Energiebedarf stärker am regenerativen
und häufig volatilen Angebot aus Sonnen und Wind orientieren. Lastmanagementsysteme in Haus und Quartier und die gebäudeübergreifende Vernetzung
werden z.B. die Erhöhung der Eigenstromnutzung unterstützen. Gleichzeitig
müssen Speicherkapazitäten auf Gebäude- und Quartiersebene intelligent erschlossen werden, um die Überschusseinspeisung aus regenerative erzeugtem
Strom, vor dem Hintergrund von Versorgungssicherheit und wirtschaftlicher
Belange, zu reduzieren. Ein wichtiger Teil der Vernetzung ist daher auch die
digitale Nutzerinformation, welche die technische Abstimmung zum Vorteil
von Netz und Nutzer visualisiert und dadurch ermöglicht.
Vernetzte Quartiere werden also den Vorteil bieten, regenerativ erzeugte Energie lokal in großem Umfang zu nutzen und zu speichern, z.B. nach dem Prinzip
´Power to heat´, gleichzeitig aber auch Mobilitätszwecke zu bedienen. Ein klimaneutraler Gebäudebestand wird sich durch ein hohes Maß an interner und
externer Vernetzung auszeichnen und nutzt die Vorteile der bestmöglichen
Verbindung aus energetischem und wirtschaftlichem Optimum.
23
BLOCK 1 | ENERGIE
VORTRÄGE UND ESSAYS
Foto: HHS Planer + Architekten AG, Constantin Meyer
sich auf eine Reihe grundlegender Prinzipien zurückgreifen, um sowohl Architekten, kommunalen als auch privaten Entscheidungsträgern (erfolgreiche
und machbare) Lösungen aufzuzeigen.
AKTIV-SOLARHÄUSER
GEBÄUDEINTEGRIERTE SOLARTECHNIK IM
SPANNUNGSFELD VON BAUKULTUR UND
ENERGIEEFFIZIENZ
Roland Krippner
Technische Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm | Architektur
Solarenergieförderverein Bayern e. V. München
B1
Durch die zunehmende Aktivierung der Gebäudehüllflächen verändert sich das Erscheinungsbild der Häuser und hat damit weitreichenden Einfluss auch auf die Gestaltqualitäten der Stadtquartiere.
Mit Blick auf die verschiedenen Programme wie “Aktiv-Solarhaus”,
“Effizienzhaus Plus” und der anstehenden Umsetzung der EU Gebäuderichtlinie EPBD 2010 (ab 2019) ist es erforderlich, die quantitative Zunahme des Einsatzes von Kollektoren und PV-Modulen insbesondere auch im Zuge der energetischen Sanierung des Gebäudebestandes
– über die Nutzungsarten vom Einfamilienhaus über kleinere Gewerbebauten
bis zu großen Bildungs- und Verwaltungsbauten – auch als baukulturelle Aufgabe zu begreifen.
Im Gegensatz zu den Steigerungen der insgesamt installierten Kollektor- und
Photovoltaikflächen wird bei der Gebäudeintegrierten Solartechnik ein Stillstand, bisweilen sogar eine (leichte) Abnahme an Beispielen mit einer auch
architektonisch überzeugenden Lösung konstatiert. Wie kann dieser Transformationsprozess auch unter architektonischen Ansprüchen gelingen? Trotz vielfach vorbildlicher Beispiele fristet die gebäudeintegrierte Solartechnik, d.h.
Lösungen, bei denen die Systeme der solaren Aktivtechnik einen wesentlichen
sichtbaren Bestandteil des Gebäudekonzeptes bilden, im Bereich des energieeffizienten wie solaren Bauens weiterhin eher ein Nischendasein. Dabei lässt
PORTRAITFOTO: FOTO-ATELIER ROBRA, MÜNCHEN
26
Wesentliches Merkmal von Aktiv-Solarhäusern sind großflächige Solaranlagen in der Gebäudehülle und damit werden die Kollektorfläche und/oder der
PV-Generator in der Regel zu einem gestaltbestimmenden Element. Gleichwohl lassen sich grundsätzlich zwei unterschiedliche Strategien im Umgang
mit der Solartechnik feststellen. Das großflächige solartechnische System im
Dachbereich verdeckt anzuordnen, damit das architektonische Konzept ‚unbeeinträchtigt’ bleibt. Wie z.B. bei den baulich und energetisch ambitionierten
Projekten von Werner Sobek, Haus D10 in der Nähe von Ulm (2011) und Aktivhaus B10 in Stuttgart (2014). Insbesondere im Kontext historisch bedeutsamer baulicher Ensembles ein möglicher Ansatz Baukultur und Energieeffizienz
zu verbinden, aber es wird dabei die Chance nicht genutzt, die Transformation
von Gebäuden vom Energieverbraucher zum Energieproduzenten selbstbewusst zu gestalten. Wenn die Dachfläche nicht ausreicht und die Solaranlage
auch als sichtbares Zeichen für ‚Zukunftstechnologie’ in der Fassade eingesetzt
wird, wie beim Effizienzhaus Plus mit Elektromobilität in Berlin (2011), ebenfalls von Werner Sobek, ist jedoch für eine überzeugende Lösung immer ein
übergeordnetes Gestaltungskonzept erforderlich.
In den zurückliegenden Jahren sind eine Reihe herausragender Bauten unterschiedlicher Nutzungen realisiert worden, die beispielhaft eine sicht- und
ablesbare Verknüpfung von Baukultur und Energieeffizienz aufzeigen. Beim
Neubau des Bürogebäudes Marché International in Kemptthal/CH (2007)
setzt Beat Kämpfen auf eine kleinteilige Dachdeckung. Auf dem nach Süden
ausgerichteten, 12° geneigten Pultdach sind auf einer Fläche von 485 m2 aSi-Module angeordnet, die 40.000 kWh Strom für Gebäudetechnik + Bürobetrieb produzieren. Mit den dünnen, anthrazitfarbenen Glasschindeln wird eine
homogene Fläche erzeugt, die dennoch das differenzierte Bild traditioneller
Dachlandschaft aufgreift. Darüber hinaus zeigt das Projekt auch beim Dach,
das auch als fünfte Fassade bezeichnet wird, eine sorgfältige Detaillierung von
Befestigung und Randausbildung.
Bei der Werkhalle design.s (2010) in Freising-Pulling von Deppisch Architekten wird das flachgeneigte asymmetrische Satteldach ebenfalls mit Dünnschichtmodulen (a-Si) komplett bedeckt. Allerdings ist die Solaranlage über
der eigentlichen wasserführenden Schicht (additiv) angeordnet, schließt
höhengleich mit den Dachränder ab und bildet so in der Gesamtwirkung
eine geschlossene Fläche. Die etwa 1,10 x 1,30 m großen Module erzeugen
auf insgesamt 1.200 m² der nach Süden und Norden ausgerichteten Flächen
etwa 70.000 kWh und übertreffen übers Jahr den Strombedarf des Gebäudes.
Eine stimmige Gesamtlösung, die auch beim PV-Dach in der Detailausbildung
überzeugt.
Bei der Umweltarena in Spreitenbach/CH (2012) von René Schmid Architekten
sind alle Flächen des prismatisch gestalteten Dachs mit schwarzen monokristalline PV-Modulen belegt. Da die geneigte Traufe in Teilen auch bis zum
Boden in den unmittelbaren Nahsichtbereich geführt ist, spielt die Gestaltung
eine wichtige Rolle. Die rahmenlosen Module sind mit einer schwarzen Folie
hinterlegt um trotz der Vielzahl an schrägangeschnittenen Formaten ein einheitliches Erscheinungsbild zu gewährleisten. Auf einer Fläche von 5.300 m2
werden im Jahr 540.000 kWh erzeugt und damit der Strombedarf des Gebäude um Faktor 2 übertroffen.
gen einer adaptiven Solarfassade. Das erfolgreiche „Plus-Energie”-Konzept
(2007) der TU Darmstadt überzeugt mit einer Holzfassade aus Dreh-Faltläden,
deren schmale horizontale Lamellen mit amorphen Siliziummodulen bestückt
sind. Eine kleinteilige Struktur, zweiachsig nachführbar, die in der Materialkombination Holz und Solartechnik ebenso besticht wie in der eleganten
Ausführung. Das Team Rooftop von Studenten der UdK und TU Berlin setzt
beim Solar Decathlon Europe 2014 auf Klapp-Faltläden, in der oberen Hälfte
paarweise schwarze CIGS-Module eingesetzt sind. In aufgeklappter Position
fungieren diese als Sonnenschutz und erweitern zusätzlich das ebenfalls aus
CIGS-Modulen bestehende Energiedach. Über das ausgeklügelte bauliche und
technische Konzept hinaus wird hier mit der Aufstockung die städtebauliche
Verdichtung mittels eingeschossiger Holzbau-Raummodulen beispielhaft thematisiert.
Aber nicht nur im Dach sondern auch in der Fassade sind großflächige Solaranlagen möglich. Aktuelles Beispiel ist die Kindertagesstätte in Marburg/
Lahn (2014) von opus Architekten, bei der im Gebäudekonzept einer ‚gefalteten’ Baukörperausbildung sowohl im Dach als auch in der Fassade die Tageslichtnutzung und die Aktivierung der Hüllflächen optimiert sind. Auch hier
treten die einzelnen Zellen in der Farbigkeit zurück, zugunsten einer homogen Flächenwirkung. Die querformatigen Module sind auf insgesamt 385 m2
Dach- und Fassadenfläche, mit einer Gesamtleistung von 52,32 kWp, in einem
knappen Fugenraster elegant angeordnet; durch monokristalline Zellen und
eingefärbte metallische Lötbändchen wird die Binnenstruktur zurückgenommen und somit bleibt in der Fernsicht eine perfekt detaillierte Glasfassade.
In den vergangenen Jahren zeigen vor allem auch die studentischen Projekte
innerhalb des Solar Decathon Wettbewerbs prototypische WeiterentwicklunKINDERTAGESSTÄTTE (2014), MARBURG/LAHN, OPUS ARCHITEKTEN, DARMSTADT
27
Damit rückt auch der Gebäudebestand in den Fokus mit der Frage, wie können
aus bestehenden Gebäuden Aktiv-Solarhäuser werden. Trotz der viel höheren
baukonstruktiven und gestalterischen Anforderungen, großflächige Solaranlagen in Dach und Fassade zu integrieren, zeigen Beispiele vom Einfamilienhaus bis zum Geschoßwohnungsbau, dass auch im Bestand gestalterisch
überzeugende Lösungen möglich sind. Bei dem Siedlungshaus in Leverkusen
(1936/2013) transformiert Caroline Wachsmann die vorhandene Dachfläche
in ein vollflächiges Energiedach zur Wärme- und Stromerzeugung, kombiniert
mit Dachflächenfenster. In Freiburg/Br. zeigen die sanierten Punkthäuser
Wilmersdorfer Straße (2000) von Rolf + Hotz Architekten eine großflächige
Photovolatikfassade mit polykristallinen Modulen, während in Romanshorn/
CH bei einem Mehrfamilienhaus aus den sechziger Jahren nach der Sanierung
(2012) durch Viridén + Partner Plusenergiehaus-Standard erreicht wird. In der
Süd- und Westfassade werden monokristalline PV-Module in marktüblichen
Standardformaten vollflächig in Wand und Balkonbereich eingesetzt, die mit
ihren polygonalen Zellen ein strukturiertes Bild erzeugen.
Die skizzierten Beispiele zeigen, das sowohl im Neubau als auch im Gebäudebestand großflächige Solaranlagen stimmig in Dach und Fassade integriert
werden können, um die Gebäudehüllflächen zur Wärme- und Stromproduktion zu aktivieren. Entscheidend für eine auch architektonisch schlüssige Lösung
ist jeweils die notwendige Abstimmung vom Gesamtkonzept bis zur Einzelheit; dabei sind auch Fragen der Oberflächen und Farbigkeit mit einzuschließen. Für den Architekten bedeutet dies, sowohl für die visuelle als auch für
die konstruktive Detailarbeit, sich neben der technischen Optimierung auch
die ästhetische Dimension der Einzeldinge, auch in Relation zur Gesamtform,
bewusst zu machen.
Betrachtet man die Einreichungen bei den jüngsten Wettbewerben „Architekturpreis Gebäudeintegrierte Solartechnik“ des Solarenergieförderverein Bayern und die vorgestellten Prototypenbauten beim Solar Decathlon (Europe)
lässt sich feststellen, dass trotz des Nischendaseins der gebäudeintegrierten
Solartechnik eine ganze Reihe exemplarischer Lösungen von großflächigen
Solaranlagen in Dach und/oder Fassade zu verzeichnen sind, auch wenn viele
der Lösungsansätze meist im Bereich der Variation bekannter gestalterischer
und technischer Ansätze bleiben. Häufig zeichnen sich die Projekte zusätzlich
durch ambitionierte energetische und ökologische anlagentechnische Gesamtlösungen aus, die neben Null- und Plusenergiekonzepte auch Ansätze
zum Thema Energieautarkie aufzeigen.
UMWELTARENA (2012), SPREITENBACH/CH, RENÈ SCHMID ARCHITEKTEN, ZÜRICH
28
QUALITÄTSMANAGEMENT ALS SCHLÜSSEL
FÜR DEN EFFIZIENTEN GEBÄUDEBETRIEB
Oliver Rosebrock
(mit Dr.-Ing. Stefan Plesser und Univ.-Prof.
Dr.-Ing. Norbert Fisch)
IGS | Institut für Gebäude- und Solartechnik
Technische Universität Braunschweig
Durch den Einsatz komplexer technischer Gebäudeausrüstung können große Effizienzpotenziale
für Gebäude erschlossen werden. Allerdings stellt
die Sicherstellung der Nutzung der Potentiale im
Gebäudebetrieb eine zunehmend große Herausforderung dar. Häufig ergeben sich starke Unterschiede zwischen geplantem
und realen Betrieb einer Anlage. Diese Abweichungen können zu einer deutlichen Differenz zwischen Energiebedarf und -verbrauch eines Gebäudes bzw.
der Gebäudetechnik führen. Hierdurch können wirtschaftliche Konzepte zu
realen Kostengräbern werden.
Um die Lücke zwischen Planung und Betrieb zu schließen, müssen die Prozesse über den gesamten Lebenszyklus – vom Planer bis zum Betreiber – optimiert werden. Ein innovativer Lösungsansatz soll an zwei Beispielgebäuden
demonstriert werden.
Das eine Gebäude ist das LichtAktiv Haus der Fa. Velux in Hamburg-Wilhemsburg, eine sanierte Doppelhaushälfte, die um einen Anbau mit Wohn- und
Funktionsbereich ergänzt wurde. Zur Wärmeversorgung kommt eine LuftWasser-Wärmepumpe in Kombination mit einer Solarthermieanlage zum
Einsatz. Die Wärmeabgabe erfolgt über eine Flächenheizung.
Beim zweiten Gebäude handelt es sich um ein Mehrfamilienhaus mit 17
Wohneinheiten im Effizienzhaus Plus Standard in Frankfurt-Riedberg, das
im Mai 2015 bezogen wird. Die Wärmeversorgung erfolgt hier mittels einer
Sole-Wasser-Wärmepumpe, deren Wärmequelle je nach Temperaturniveau
ein Eisspeicher mit einem Volumen von ca. 100 m³ oder ein solarthermischer
Absorber auf dem Dach ist. Auch hier kommt ein Niedertemperaturflächenheizsystem zum Einsatz.
Während des Monitorings des LichtAktiv Hauses konnte anhand des gemessenen Wärme- und Stromverbrauchs festgestellt werden, dass die in der Planung
angestrebte Effizienz der verbauten Luft-Wasser-Wärmepumpe im Betrieb
nicht erreicht werden konnte.
Zur Fehlersuche und Fehlerbeseitigung sowie zur Optimierung der Anlage fanden zahlreiche Treffen vor Ort mit mehreren Projektbeteiligten, u.a. vom Institut für Gebäude- und Solartechnik (IGS) der TU Braunschweig wie auch vom
Hersteller der Anlagentechnik und dem Heizungsbauer, statt. Hierbei galt es
vor allem, die Regelung der Wärmepumpe zu optimieren, um die Abweichung
zwischen Bedarf und Verbrauch zu minimieren. Nur unter diesem hohen Aufwand gelang es, Schwachstellen zu identifizieren und zu eliminieren, sodass
ein effizienter Gebäudebetrieb ermöglicht wurde.
Es hat sich gezeigt, dass Qualitätsmanagement einen wichtigen Beitrag liefert, um die Effizienz und somit auch die energetischen Ziele, die in der Planungsphase definiert wurden, zu erreichen. Der Aufwand für die Erschließung
der Potentiale war jedoch deutlich zu hoch und erforderte – wie im beschriebenen Fall - viel Zeit.
Ein Ansatz für ein innovatives und wirtschaftliches Qualitätsmanagement
besteht in sogenannten „Aktiven Funktionsbeschreibungen“ (AFB). Mit ihnen
werden bereits in der Planung Betriebszustände und entsprechende Funktionalitäten für die Anlagentechnik definiert. Diese Vorgaben, sogenannte Betriebsregeln, müssen im jeweiligen Betriebszustand erfüllt sein und können
entsprechend als Soll-Vorgaben für die Errichtung genutzt werden. Beispiele
29
B1
für Betriebsregeln sind Ventilstellungen oder Temperaturvorgaben, aber auch
einfache Betriebsmeldungen (An/Aus) von Pumpen.
Zur Verdeutlichung soll ein Minimalbeispiel mit zwei Betriebszuständen dienen. Als System wird eine Wärmepumpe betrachtet, deren Betrieb anhand
der Heizgrenztemperatur geregelt wird. Es ergeben sich also die Zustände AUS
und HEIZEN.
Im Zustand AUS muss erfüllt sein, dass die primär- und sekundärseitigen Pumpen sowie die Wärmepumpe nicht im Betrieb sind.
Liegt der Zustand HEIZEN vor, muss die Außentemperatur unter der Heizgrenztemperatur liegen und die Pumpen sowie die Wärmepumpe in Betrieb sein.
Die Wärmepumpe muss dabei den geschuldeten Wirkungsgrad erreichen. Sind
diese Vorgaben erfüllt, so liegt der Betriebszustand Heizen fehlerfrei vor. Ebenso ist es möglich, eine Betriebsgüte vorzugeben, die beschreibt, wie häufig ein
Zustand fehlerfrei vorliegen muss, um den Gebäudebetrieb als ordnungsgemäß einzustufen.
Fällt jedoch eine Pumpe aus oder sinkt der Wirkungsgrad in unzulässigem
Maße ab, so sind nicht alle Betriebsregeln des Zustands HEIZEN erfüllt und
der Betriebszustand liegt fehlerhaft vor. Wichtig: In der AFB müssen nicht alle
Funktionen der Anlage spezifiziert werden. Es kann eine beliebige Auswahl
GRAFIK ZUR BETRIEBSGÜTE
30
von Vorgaben definiert werden, die dann geprüft werden.
Der Import von Betriebsdaten aus der Gebäudeautomation ermöglicht auf
Basis der definierten Zustände eine automatisierte Überprüfung, ob und wie
häufig die Betriebsregeln eines Betriebszustandes bei Vorliegen dieses Zustands erfüllt waren. Ebenso können hierdurch sehr schnell bei fehlerhaftem
Vorliegen von Betriebszuständen die Ursachen identifiziert werden.
Übliche energetische Kennwerte werden natürlich zusätzlich mitgeprüft. Ein
Probebetrieb bei der Inbetriebnahme von Anlagen kann somit in effektiver
und wirtschaftlicher Weise Fehler erkennen, die im Betrieb zu Effizienzeinbußen geführt hätten.
Diese Herangehensweise wird vom IGS der TU Braunschweig beim Bau des
Mehrfamilienhauses in Frankfurt-Riedberg bereits in der Planung eingesetzt.
Mit einer Aktiven Funktionsbeschreibung wird das Einhalten der Betriebsregeln in den Betriebszuständen der komplexen Anlage (Wärmepumpe mit
Eisspeicher) sowohl während der Inbetriebnahme als auch automatisiert über
einen längeren Zeitraum überprüft.
Die Methodik wird außerdem zurzeit in einem Feldtest ebenfalls mit Förderung des BBSR untersucht. Interessierte Bauherren können sich hier informieren oder ein Angebot zur Teilnahme erhalten unter
https://www.tu-braunschweig.de/igs/forschung/specundcheck .
MEHRFAMILIENHAUS FRANKFURT-RIEDBERG, HHS ARCHITEKTEN + PLANER
LICHAKTIV HAUS HAMBURG, VELUX DEUTSCHLAND GMBH
31
MACHBARKEIT PLUSENERGIESCHULEN
Cornelia Jacobsen
Ingenieurbüro Hausladen GmbH | Erweiterte Geschäftsleitung und
Leiterin der Energieabteilung
Nach EU-Gebäuderichtlinie ist zukünftig für alle Neubauten die Anforderung eines Energiebedarfs von nahezu Null-Energie-Häusern
zu erfüllen. Der geringe restliche Bedarf ist zu einem ganz wesentlichen Anteil durch Energie aus erneuerbaren Quellen zu decken.
Plusenergieschulen übertreffen diese Anforderung sogar. Plusenergieschulen haben als Multiplikatoren eine wichtige Vorreiterrolle
und stellen einen wichtigen Baustein zur Umsetzung der energiepolitischen Ziele dar.
B1
Im Rahmen der Forschungsinitiative Zukunft Bau wurde daher eine Untersuchung zur Machbarkeit von Plusenergieschulen gefördert. Als Schwerpunkt
dieser Untersuchung wurde anhand von Beispielschulen die Umsetzbarkeit
von Plusenergieschulen geprüft. Hierfür wurde in einem ersten Schritt eine
Berechnungsmethodik für Plusenergieschulen entwickelt, welche den Energiebedarf für Heizung, Lüftung, Warmwasserbereitung und Beleuchtung,
den Nutzerstrombedarf sowie die Stromerzeugung umfasst. Die erarbeitete
Berechnungsmethodik wird als Definition für den Plusenergiestandard von
Schulen vorgeschlagen:
32
Bilanzebene | Primärenergie
Bilanzumfang | primärenergetisch bewerteter Bedarf und bewertertete Erzeugung während Nutzung (Energiebedarf Ge-
bäude nach EnEV / DIN V 18599, Nutzerstrombedarf, Energieerzeugung)
Bilanzgrenze | Schulgebäude (incl. zugehörigen Außenanlagen), alternativ:
Schulgrundstück
Bilanzzeitraum | Jahresbilanz
Bilanzwerkzeug | Bedarfsermittlung für Heizung, Trinkwarmwasser, Lüftung, Beleuchtung nach DIN V 18599 (Mehrzonenmodell), Stromerzeugung
nach Methodik der DIN V 18599-9
Primärenergiefaktoren | Festlegung analog für die Schule anzuwendender
EnEV, erzeugter KWK-Strom nach Verdrängungsstrommix, erzeugter Strom
aus PV und Windkraft: analog allg. Strommix
Bilanzbedingungen | 1. Standardisierte Berechnung (Standardklima
Deutschland nach EnEV, Klima PV-Erzeugung: Standort Potsdam, Klima WindErzeugung: lokale Wetterdaten/Messungen, Nutzungsprofile gemäß Tabelle 4
DIN V 18599-10, Nutzerstrombedarf: 8 kWh/m²a für Grundschulen, 10 kWh/
m²a für sonstige Schulen
2. Berechnung mit freien Randbedingungen (an die Schule angepasst), Klima
Bedarfsberechnung: Wetterdaten nach Region der DIN V 18599-10:2011-12,
Klima Erzeugung: lokale Wetterdaten (z.B. Meteonorm), angepasste Nutzungsprofile, angepasster Nutzerstrombedarf
Plusenergiestandard | Primärenergiejahresbilanz Σ QP < 0 kWh/(m²a)
Die Berechnungsmethodik wurde exemplarisch an drei Beispielschulen angewendet. Hierfür wurden die Gebäudekubaturen der realisierten Schulen
FOS/BOS Erding, Realschule Memmingen, Grundschule Prüfening verwendet
und Randbedingungen für die Berechnung (Dämmstandard, Anlagentechnik,
Nutzerstrombedarf, Energieerzeugung, Variantenrechnungen) festgelegt.
Als Versorgungskonzepte wurden Wärmepumpe, Pelletkessel und eine Fernwärme (mit fP=0) sowie für die Energieerzeugung eine auf dem Schuldach
aufgeständerte Photovoltaikanlage und zusätzlich in die Fassade integrierte
PV-Flächen untersucht.
Nach Definition wurde sowohl eine Berechnung mit Standardrandbedingungen (z.B. Standardklima, Nutzungsrandbedingungen nach DIN V 18599)
als auch eine mit den lokalen Randbedingungen (z.B. Standortklima, an die
geplante Schule angepasste Nutzungsrandbedingungen) durchgeführt. Die
Berechnungen haben gezeigt, dass es je nach Standort zu stark abweichenden
Ergebnissen kommen kann. Beispielsweise ist für eine Schule mit Standort
Hamburg durch die geringere solare Einstrahlung das Erreichen eines „Plus“
bei der Berechnung mit lokal angepassten Randbedingungen schwieriger als
für eine Schule in Freiburg. Daher wird gemäß Definition gefordert, sowohl ein
Plus bei der standardisierten Berechnung zu erzielen, um die Vergleichbarkeit
des Plusenergiestandards zu gewährleisten, als auch bei der Berechnung mit
den tatsächlichen Randbedingungen, um das Erreichen des „Plus“ bei der Nutzung sicherzustellen.
Bei der Definition des Effizienzhaus-Plus-Standards für das BMUB-Förderprogramm wird die Anforderung gestellt, dass sowohl ein negativer Jahres-Primärenergiebedarf als auch ein negativer Jahres-Endenergiebedarf vorliegen
muss. Bei der Berechnung der Beispielschulen hat sich herausgestellt, dass
auf Endenergiebasis nur ein „Plus“ für das Versorgungskonzept Wärmepumpe erreichbar ist, jedoch nicht für die Versorgungskonzepte Pelletkessel und
Fernwärme. Die Grafiken auf der nachfolgenden Seite zeigen die Ergebnisse
der endenergetischen im Vergleich zur primärenergetischen Bilanzierung bei
Berechnung mit Standardrandbedingungen für die drei untersuchten Beispielschulen bei Variation des Wärmeversorgungskonzepts.
Um einen technologieoffenen Ansatz zu gewährleisten, der den nicht erneuerbaren Ressourcenbedarf abbildet, beschränkt sich daher der erarbeitete Vorschlag für eine Definition auf den Nachweis eines negativen
Jahres-Primärenergiebedarfs. Bei dieser Vorgehensweise ist es allerdings für
die Versorgungskonzepte Pelletkessel und Fernwärme mit geringem Primärenergiefaktor vergleichsweise leicht, den Plusenergiestandard zu erreichen.
Daher müssen über Nebenanforderungen eine energetisch hochwertige Gebäudehülle und effiziente Anlagentechnik eingefordert werden. Daher wird
die Definition für Plusenergieschulen um nachfolgende Nebenanforderungen
ergänzt.
Gebäudehülle | Unterschreitung HT‘ des EnEV-Referenzgebäudes um mindestens 30 %
Beleuchtung | maximale Beleuchtungsleistung: 2 W/100 lx, Präsenzmelder
in allen Bereichen, tageslichtabhängige Kunstlichtsteuerung in den Klassenzimmern
Nutzerstrom | Erstellung eines Konzepts zur Minimierung des Nutzerstromverbrauchs
Betriebsphase | Durchführung eines Monitorings
Bei RLT-Anlage | Ventilatorleistung mindestens SFP 3
Bei Biomasseheizung | Einsatz regionaler Produkte aus nachhaltiger Forstwirtschaft
Die Berechnungen der Beispielschulen haben ferner gezeigt, dass der Plusenergiestandard für alle drei Beispielschulen prinzipiell erreichbar ist. Allerdings ist bei höherer Geschossanzahl das Verhältnis von mit PV-Modulen
belegbarer Dachfläche zum Energiebedarf ungünstig, so dass zusätzliche
Maßnahmen, wie z.B. PV-Belegung von Fassaden und weiter verbesserte Effizienz der Anlagentechnik, erforderlich werden.
Zusammenfassend ließen sich auf Basis der Beispielschulen-Berechnung für
die Umsetzung von Plusenergieschulen folgende Punkte ableiten:
- Ein hoher Dämmstandard entsprechend einer HT‘ Unterschreitung des EnEVReferenzgebäudes um 30 bis 35 % sollte angestrebt werden. Weitere Maßnahmen zur Verbesserung des Dämmstandards haben nur noch geringe Auswirkungen. Bezogen auf den gesamten Bedarf inklusive Nutzerstrom können
mit einem weiter verbesserten Dämmstandard (Passivhaus-Standard) bei den
Beispielschulen nur noch Einsparungen von bis zu 5 % erzielt werden.
- Eine effiziente Anlagentechnik für Wärmeerzeugung, Beleuchtung und gegebenenfalls Belüftung ist eine Grundvoraussetzung. Die Wärmeerzeugung
muss zum Großteil auf Basis erneuerbarer Energieträger erfolgen.
- Die erforderliche Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien ist durch eine
Photovoltaikanlage abdeckbar. Wegen begrenzter Dachflächen sollten Photovoltaikanlagen mit hohem Wirkungsgrad (≥ 17 %) eingesetzt werden. Emp-
33
fehlenswert ist eine flächenoptimierte Zick-Zack-Aufstellung der PV-Anlage
z.B. in 10° Ost/West-Ausrichtung.
Bei der Energieerzeugung basierend auf einer Dach-Photovoltaikanlage ist die
mit PV belegbare Dachfläche bezogen auf die Nettogrundfläche entscheidend.
Das Verhältnis aus belegbarer Dachfläche und Nettogrundfläche sollte 0,3
nicht unterschreiten. Dies gelingt umso besser, je geringer die Geschossanzahl
ist.
Als zweiter Schwerpunkt wurde eine Lastganganalyse auf Basis eines JahresStrom- und Wärmelastgangs der FOS/BOS Erding und eines auf Basis von
Globalstrahlungsmessungen synthetisierten PV-Erzeugungslastgangs durchgeführt. Untersucht wurde einerseits der Eigennutzungsanteil des produzierten PV-Stroms, der für die Wirtschaftlichkeit der PV-Anlage entscheidend ist,
andererseits die Bezugs- und Einspeisespitzen, um die Auswirkung auf das
öffentliche Netz einschätzen zu können.
Es hat sich gezeigt, dass der Eigennutzungsanteil einer Plusenergieschule trotz
der Ferienzeiten mit 32 bis 41 % durch die im Tagesverlauf gute Korrelation
von Strombedarf und PV-Stromerzeugung über dem von Einfamilienhäusern
liegt. Die Höhe des Eigennutzungsanteils von Plusenergieschulen hängt hierbei auch vom Versorgungskonzept ab. Bei der Wärmepumpen-Variante ist der
Eigennutzungsanteil je nach Lüftungskonzept 4 bis 8 Prozentpunkte unter
dem der Fernwärme-Varianten. Dies liegt daran, dass der hohe Strombezug
bei der Wärmepumpen-Variante im Winter zu Zeiten geringer Solarstromausbeute liegt.
Allein einen hohen Eigennutzungsanteil anzustreben, ist für die Netzfreundlichkeit einer Plusenergieschule nicht die entscheidende Größe. Vielmehr hat
ein hoher jährlicher Eigennutzungsanteil nur einen vernachlässigbar geringen
Einfluss auf die Bezugs- und Einspeisespitzen. Eine Reduktion von Einspeisespitzen könnte beispielsweise über ein intelligentes Lastmanagement auch in
Verbindung mit einem Stromspeicher gelingen. Die Reduktion von Bezugsund Einspeisespitzen ist insbesondere bei dem angestrebten weiteren Ausbau
der PV-Leistung essentiell, um negative Auswirkungen auf die Stromnetze
und den Kraftwerkspark möglichst vermeiden zu können.
Die Forschungsarbeit wurde mit Mitteln der Forschungsinitiative Zukunft Bau des
Bundesinstitutes für Bau-, Stadt- und Raumforschung gefördert (Aktenzeichen:
II 3-F20-13-1-003 / SWD -10.08.18.7-13.40). Die Verantwortung für den Inhalt
liegt bei den Autoren.
100
100
Nutzerstrom
Bedarf nach EnEV
Stromerzeugung EE1
Stromerzeugung EE0
Nutzerstrom
90
80
80
70
70
Endenergie [kWh/m²a]
Primärenergie [kWh/m²a]
90
60
50
40
40
20
20
10
10
Pelletkessel
FOS/BOS Erding
Fernwärme
Wärmepumpe
Pelletkessel
Fernwärme
Realschule Memmingen
Wärmepumpe
Pelletkessel
Fernwärme
Grundschule Prüfening
6
7
Stromerzeugung EE0
50
30
Wärmepumpe
Stromerzeugung EE1
60
30
0
Bedarf nach EnEV
0
Wärmepumpe
Pelletkessel
Fernwärme
FOS/BOS Erding
END- UND PRIMÄRENERGETISCHE BILANZIERUNG DER BEISPIELSCHULEN IM VERGLEICH
34
Wärmepumpe
Pelletkessel
Fernwärme
Realschule Memmingen
Wärmepumpe
Pelletkessel
Fernwärme
Grundschule Prüfening
6
7
WEGE ZU GEBÄUDEN MIT ENERGIEÜBERSCHUSS
ANALYSE DER EINFLUSSFAKTOREN BEI
EIN- UND MEHRFAMILIENHÄUSERN
Marc Großklos
Institut Wohnen und Umwelt GmbH
Gebäude mit Energieüberschuss speisen in der
Jahresbilanz mehr Energie ins öffentliche Netz ein,
als sie im gleichen Zeitraum aus demselben entnommen haben. Ziel ist es für die „Dienstleistung
Wohnen“ möglichst minimale Umweltauswirkungen bei Energienutzung sowie den Treibhausgasemissionen zu verursachen. Die bekannteste
Definition für Gebäude mit Energiegewinn ist das
EffizienzhausPlus [BMUB 2014]. Es stellt sich u.a. die Frage, welcher energetische Standard erforderlich bzw. sinnvoll ist, um den Energieüberschuss bei
unterschiedlichen Gebäudegrößen zu erreichen. Im Folgenden werden Modellgebäude auf die Möglichkeiten und Grenzen zur Erzielung eines Energiegewinns untersucht.
Für die Bilanzierung wurde das Passivhaus Projektierungs-Paket (PHPP) und
die in Tabelle 1 dargestellten Primärenergiefaktoren verwendet [Gemis 4.8].
Im Gegensatz zu den Ansätzen der EnEV wurde ein einheitlicher Primärenergiefaktor für eingespeisten Strom und bezogenen Strom verwendet und
Strom aus PV-Anlagen wird mit einem PE-Faktor bewertet. Das Berechnungsverfahren ist ausführlich in [Schaede, Großklos 2014] beschrieben. Neben der
Primärenergie werden auch die Treibhausgasemissionen als Indikator für die
Klimaneutralität bestimmt.
Strommix
PV-Strom
Biomethan
Primärenergie
[kWhPE/kWhEnd]
2,21
0,4
0,3
THG-Emissionen
[g/kWhEnd]
594
92
200
Modellgebäude
Für die Untersuchungen wurden ein frei stehendes Einfamilienhaus (EFH) und
ein Mehrfamilienhaus (MFH) aus der Deutschen Gebäudetypologie [Loga et
al. 2015] verwendet und in ihrem energetischen Standard so variiert, dass sie
einem Bestandsgebäude, einem Neubau nach EnEV 2014 bzw. einem Passivhaus entsprechen. Beim Mehrfamilienhaus wurde darüber hinaus auch die
Anzahl der Stockwerke variiert (Tabelle 2).
EFH
MFH 1
MFH 2
MFH 3
Geschosse
2
2
4
5
Wohneinheiten
1
8
16
20
Wohnfläche
160 m²
560 m²
1120 m²
1400 m²
Projektierte
4,6*
16
32
40
Personenzahl
Energiebezugs-fläche
160 m²
566 m²
1132 m²
1415 m²
Dachfläche
150 m²
351 m²
davon für Solar44,5 m²
246 m²
energie nutzbar
Gebäudemaße (Außenmaß thermische Hülle)
Höhe
9,0 m
7,1 m
13,5 m
16,7 m
Geschosshöhe
3m
3,2 m
Breite
10,8 m
9m
Länge
10 m
39 m
* Ergibt sich aus der Energiebezugsfläche und einem pauschalen Ansatz von 35 m²/Person
MFH 4
7
28
1960 m²
56
1981 m²
23,1 m
TABELLE 2: KENNDATEN DER UNTERSUCHTEN VARIANTEN DER GEBÄUDE
Einfluss von Gebäudegröße und Energieerzeugung
Abhängig von der Gebäudegröße verändert sich die je qm Energiebezugsfläche verfügbare Dachfläche für Stromerzeugung mit Photovoltaik. Das führt
dazu (Abbildung 1), dass beim Mehrfamilienhaus ab etwa sechs Stockwerken
selbst bei solar optimierten Gebäuden (südorientiertes Pultdach) mit sehr hohem Effizienzstandard (Passivhaus, Wärmepumpe mit Jahresarbeitszahl (JAZ)
von 3,5, erhöhte Effizienz der Warmwasserverteilung und effiziente Elektrogeräte) die Dachfläche bei gängigen PV-Modulen mit 16 % Wirkungsgrad nicht
TABELLE 1: VERWENDETE PRIMÄRENERGIE- UND TREIBHAUSGAS-EMISSIONSFAKTOREN
35
mehr ausreicht, um einen Überschuss zu erreichen. Hier sind entweder Hocheffizienzmodule mit 20 % Wirkungsgrad oder gebäudeintegrierte Photovoltaik
(GIPV) erforderlich, um weiterhin einen bilanziellen Überschuss zu erreichen.
Kleine Gebäude können dagegen einen sehr hohen Überschuss erreichen.
ABB.1 ENERGIEERZEUGUNG MIT SOLAROPTIMIERTEN GEBÄUDEN UND ENERGIEBEDARF IN ABHÄNGIGKEIT DER GEBÄUDEGRÖSSE
Einfluss des energetischen Standards
Bei dem hier betrachteten Einfamilienhaus (Abbildung 2) lässt sich weder mit
einem Bestandsgebäude noch mit einer Ausführung nach EnEV 2014 ein Überschuss in der Bilanz erzielen. Erst bei einem Gebäude im Passivhaus-Standard
wird ein Primärenergieüberschuss von 19 kWh/(m²a) erreicht. Für die Treibhausgasemissionen ergibt sich dann eine Gutschrift von 5,9 kg/(m²a). Der
Grund liegt hier in der Dachform des Beispielgebäudes, da ein Teil der Dachfläche nach Norden ausgerichtet ist und nicht mit PV belegt wird.
Bei einem solaroptimierten EFH nach EnEV (Pultdach nach Süden) würde sich
bereits ein sehr hoher Überschuss von 84 kWh/(m²a) ergeben und selbst das
Bestandsgebäude wäre in der Bilanz fast klimaneutral. Damit wäre aber ein
sehr hoher Bezug aus dem Stromnetz im Winter verbunden, der gegenwärtig
36
überwiegend fossil gedeckt wird. So lag die regenerative Stromerzeugung im
Zeitraum vom 27.12.14 - 05.01.15 mit hohem Heizwärmebedarf im Mittel bei
etwa 30 %, an einzelnen Tagen aber nur bei 15 % [Agora 2015]. Für nachhaltige, klimaneutrale Gebäudekonzepte sollten hohe jahreszeitliche Verrechnungen aufgrund des (noch) geringen regenerativen Anteils im Winter nicht
zugelassen werden.
Betrachtet man Mehrfamilienhäuser, so sind auch für solaroptimierte Gebäude energetische Standards, die deutlich schlechter sind als der PassivhausStandard, nicht geeignet einen Energieüberschuss zu erzielen. Je größer das
Gebäude, desto weiter nähert sich der erforderliche energetische Standard
dem Passivhaus.
Einfluss Anlagentechnik
Liegt die JAZ der Wärmepumpe unter 3,5, erreicht auch das solaroptimierte
Gebäude MFH 3 keinen Überschuss. Gebäude mit Energiegewinn können aber
auch mit KWK-Anlagen ausgestattet werden, wenn diese regenerativ versorgt
werden. Bei einer Wärmeversorgung mit Biomethan-BHKW und Solarthermie
wird für MFH 3 ein Überschuss von 16,7 kWhPE/(m²a) erreicht (mit Wärmepumpe 18,2 kWhPE/(m²a)) - die Ergebnisse liegen somit in diesem Fall nahe
beieinander. Solarthermie, BHKW und PV können besonders bei Mehrfamilienhäusern eine Alternative zur reinen PV-Erzeugung sein. PV, Solarthermie
und BHKW ergänzen sich hierbei sowohl auf der Wärme- wie auf der Stromseite jahreszeitlich, sodass sowohl ein Überschuss in der Jahresbilanz als auch
einen Ausgleich in den Monatsbilanzen erreicht werden kann, ohne das Biomassebudget von 35 kWh/(m²a) [Diefenbach 2002] zu überschreiten. Damit
sind diese Gebäude weniger auf eine saisonale „Speicherung“ der Überschüsse
im Netz angewiesen.
Weitere Einflussgrößen
Weicht die Nutuzng der Gebäude von den Standardrandbedingungen ab, verändern sich die Ergebnisse. Durch den Anstieg des Wärmebedarfs erreicht das
Gebäude MFH 3 bereits bei einer moderaten Erhöhung der Raumtemperatur
auf 21 °C keinen Energieüberschuss mehr. Auch eine Erhöhung des Warmwas-
serverbrauchs kann den Überschuss zunichte machen. Dann sind JAZ über 3,5
erforderlich. Werden Solarthermie und BHKW zur Wärmeerzeugung eingesetzt, so steigt der Energieüberschuss aufgrund der längeren Laufzeiten des
BHKWs und der damit verbundenen erhöhten Stromerzeugung sogar. Allerdings wird dann mehr begrenzte Biomasse verbraucht.
Der Vergleich unterschiedlicher Klimazonen innerhalb Deutschlands zeigt,
dass bei Gebäuden im Passivhaus-Standard vor allem die Höhe der Solarstrahlung den Energieüberschuss beeinflusst. Niedrige Temperaturen wie am
Standort München werden dort durch höhere Solarerträge überkompensiert.
In Kiel mit geringerer Solarstrahlung fällt der Energieüberschuss fast 40 %
niedriger aus. Bei energetisch schlechteren Gebäuden wirkt sich zusätzlich die
Außentemperatur in der Heizperiode stärker aus.
Fazit
Gebäude mit Energieüberschuss stellen einen Anreiz zur Entwicklung von
Gesamt-konzepten aus Energieeffizienz und regenerativer Energieerzeugung
dar und können damit ein Beitrag zur Dekarbonisierung des Energieverbrauchs von Gebäuden leisten. Die Vergleichsrechnungen zeigen, dass der
erforderliche energetische Standard zur Erreichung eines Energieüberschusses
in der Jahresbilanz sich immer weiter dem Passivhaus nähert, je größer das
Gebäude ist. Kleine Gebäude können aber auch bei solaroptimierter Bauweise
mit schlechteren Standards den Bilanzausgleich erreichen. Dies scheint aus
Klimaschutzgründen gegenwärtig jedoch nicht zielführend zu sein, da meist
das elektrische Netz als virtueller, saisonaler Speicher verwendet wird - eine
Aufgabe, die das Netz bisher nicht übernehmen kann.
Quellen
[Agora 2015] Agora Energiewende: Stromdaten vom 27.12.2015 bis 05.01.2015; URL: http://
www.agora-energiewende.de/service/aktuelle-stromdaten
[BMUB 2014] Bundesministerium für Umwelt. Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Wege zum
Effizienzhaus Plus
[Diefenbach 2002] Diefenbach: Bewertung der Wärmeerzeugung in KWK-Anlagen und BiomasseHeizsystemen, Institut Wohnen und Umwelt, Darmstadt, 2002
[Gemis 4.8] GEMIS - Globales Emissions-Modell integrierter Systeme, Version 4.8.1
[Loga et al. 2015] Loga, Stein, Diefenbach, Born: Deutsche Wohngebäude-typologie, 2. Auflage,
Institut Wohnen und Umwelt, Darmstadt, 2014
[Schaede, Großklos 2014] Schaede, Großklos: Mehrfamilienhäuser als Passivhäuser mit Energiegewinn (PH+E). Institut Wohnen und Umwelt, Darmstadt, 2014
ABB. 2 ENERGIEKENNWERTE DES EFH (LINKS) MIT SATTELDACH, ABHÄNGIG VON ENERGETISCHEM STANDARD
37
SNBS „STANDARD NACHHALTIGES BAUEN
SCHWEIZ“
Urs-Thomas Gerber
CSD Ingenieure | Geschäftsfeldleiter Areale und Gebäude
In der Schweiz ist seit Sommer 2013 ein neuer Standard am Markt,
dessen Entwicklung wir, CSD Ingenieure, als Projektleiterin von
Beginn an wesentlich mitgestaltet haben. SNBS – die Abkürzung
steht für den Standard als neues und umfassendes Messinstrument
für den Hochbau. Er soll ein gemeinsames Verständnis des Nachhaltigen Bauens für die Schweiz schaffen und die Beurteilung der
Stärken und Schwächen eines Gebäudes in Bezug auf Nachhaltigkeit ermöglichen. Das Ziel bei der Entwicklung des neuen Standards
war, dass ein breites Themenspektrum abgedeckt wird, die Bewertung einfach
und kostengünstig ist und der Standard auch von der Wirtschaft und der öffentlichen Hand getragen wird.
Als Basis dient dem Standard die nationale Strategie Nachhaltige Entwicklung
Schweiz, die der Bund 2012 beschlossen hat. Damit stützt sich der SNBS auf
anerkannte Schweizer Werte und Zielsetzungen.
Entstehung
Die Entwicklung des Standards Nachhaltiges Bauen Schweiz hat 2011 begonnen und wird vom Bundesamt für Energie über das Programm EnergieSchweiz
finanziert. Die Initiative kam sowohl von der Wirtschaft als auch der öffentlichen Hand. Der Entwicklungsprozess gliedert sich in vier Phasen. In der ersten
Phase wurden die Grundlagen und Kriterien diskutiert und der Standard als
Instrument entwickelt. In der folgenden Pilotphase wurde der Standard an
38
verschiedenen Projekten, seine Anwendbarkeit für die Standardnutzungen
Verwaltung und Wohnen und auch für spezielle Nutzungstypen wie Hotels,
Schulen, Einkaufszentren getestet. In der Phase drei, in der sich der Standard
jetzt befindet, soll die Ausschreibung für eine Labelorganisation stattfinden,
die den SNBS als Label umsetzen und vermarkten wird. Im letzten Schritt wird
es darum gehen, den Standard zu lancieren und die Anwender zu schulen.
Ein positives Signal ist, dass sich vermehrt Gemeinden und Kantone für den
Standard interessieren und so die Aussicht besteht, dass die Verankerung des
neuen Labels politisch mitgetragen wird.
Systematik
Ziel des neuen Standards ist es, die drei Dimensionen des Nachhaltigen Bauens Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt gleichermaßen und möglichst umfassend in Planung, Bau und Betrieb mit einzubeziehen und damit den gesamten Lebenszyklus einer Immobilie phasengerecht zu berücksichtigen. Die
definierten Qualitätsziele sind ausgerichtet auf den Nutzen für Mensch und
Gesellschaft, auf städtebauliche und architektonische Aspekte, auf die Optimierung und Steigerung der ökonomischen Potentiale eines Gebäudes sowie
auf den Schutz der Umwelt.
SYSTEMGRENZEN UND BETRACHTUNGSRAHMEN
- Umfasst das Gebäude an sich und den Standort im Kontext seines Umfeldes
- Anwendung im Neubau und Bestand
- Nutzungsart Verwaltung und Wohnen (MFH)
- Lebenszyklusbetrachtung von der Entwicklung bis zum Rückbau
DER BEREICH GESELLSCHAFT
Neben dem gesellschaftlichen Nutzungspotential spielt die Gestaltung des
halböffentlichen und privaten Raums eine zentrale Rolle zur Sicherstellung
der Nachhaltigkeit eines Objekts. Dieser Prozess und die gleichzeitige gesellschaftliche Sensibilisierung führen zu Identitätsbildung und Identifikation.
Der Bereich Gesellschaft wird umfassend betrachtet. So werden auch Aspekte
wie Wohlbefinden und Gesundheit berücksichtigt. Darüber hinaus sollen kulturelle Werte erhalten und geschaffen sowie auch Kriterien der Gebrauchs-
tauglichkeit und -qualität einbezogen werden.
Der Standard SNBS basiert im Bereich Gesellschaft auf bewährten Elementen:
WBS (Wohnungs-Bewertungssystem des Bundesamtes für Wohnungswesen),
MINERGIE-ECO®, DGNB, SIA 111 Leistungsmodell Planung und Beratung, SIA
111/1 Nachhaltiges Planen und Beraten (in Vernehmlassung), Kriterien in Anlehnung an SIA 112/1 Nachhaltiges Bauen – Hochbau oder für das hindernisfreie Bauen die Norm SIA 500. Hinzu kommen neue, innovative Elemente wie
die Frage nach städtebaulichen und architektonischen Qualitäten und dem
Umgang mit den Bedürfnissen der unterschiedlichen Zielgruppen.
DER BEREICH WIRTSCHAFT
Ein nachhaltiges Gebäude muss kostenrelevante Kriterien erfüllen. Untersucht
werden das Ertragspotential sowie die Finanzier- und die Handelbarkeit eines
Objekts. Dabei werden das Objekt an sich, aber auch der Standort im Kontext
seines Umfeldes betrachtet. Ebenso wird die regionalökonomische Wirkung
der Liegenschaft für die ökonomische Beurteilung berücksichtigt.
Der Standard SNBS basiert im Bereich Wirtschaft auf bewährten Elementen:
Berechnung der Lebenszykluskosten, Lageklassenschlüssel des SVIT, Statistiken, Online- und Infoportale. Darüber hinaus kommen innovative Ansätze
zum Tragen, die für die wirtschaftliche Nachhaltigkeit von Bedeutung sind wie
der Einbezug der Eigentumsverhältnisse.
DER BEREICH UMWELT
Weil der Umgang mit Ressourcen effizienter und damit schonender erfolgen
muss und gleichzeitig die Umweltauswirkungen minimiert werden sollen,
sind die Energie- und Klimathemen von Bedeutung. Aufbauend auf MINERGIE® und MINERGIE-ECO® mit Fokus auf Bauökologie und Energieeffizienz werden neu auch Faktoren wie Mobilität, Biodiversität sowie Umgang mit dem
Boden miteinbezogen.
Der Standard SNBS basiert im Bereich Umwelt auf bewährten Elementen:
MINERGIE-ECO® 2011, SIA Effizienzpfad Energie (SIA 2040) mit den themenspezifischen Merkblättern für Energieausweis (SIA 2031), Graue Energie (SIA
2032) und Mobilität (SIA 2039). Auch wurden bestehende Bewertungsinstrumente wie Tageslichttool (MINERGIE-ECO®), Ökobilanzierung (KBOB) etc.
integriert. Hinzu kommen neue, innovative Elemente: Biodiversität und Landschaftszersiedelung.
BEURTEILUNG
Durch die mehrstufige Skala mit einem Beurteilungsrahmen von Note 6 (erfüllt) bis Note 1 (nicht erfüllt) kann der Standard SNBS aber auch als RatingInstrument sowohl für neue als auch bestehende Gebäude eingesetzt werden.
Mittels ausgewählter Indikatoren wird qualitativ oder quantitativ beurteilt,
ob ein Gebäude die definierten Qualitätsziele erfüllt. Die in der Testphase
THEMENÜBERSICHT [SNBS]
DIE WICHTIGSTEN ZIELE DES NACHHALTIGEN BAUENS PRO BEREICH [SNBS]
39
beurteilten Objekte haben bestätigt, dass die umfassende Beurteilung eines
Gebäudes aus Sicht des Anwenders einfach und effizient erfolgt. Je nach Ziel,
Zeitpunkt und Datengrundlage ist eine vollständige Beurteilung eines Gebäudes von mittlerer Grösse in fünf bis zehn Arbeitstagen möglich.
Erfahrungen
Die Testphase hat gezeigt, dass die Bewertungsskalen („Note“ 1 bis 6) noch
Optimierungspotenzial aufweisen. Die Skala kann missverstanden werden,
da die Bestnote 6 aufgrund von Zielkonflikten praktisch unerreichbar ist. Bei
einzelnen Kriterien wie z.B. Mieterstruktur und Regionalökonomie müsste
das Anforderungsniveau zudem an die jeweiligen Projekte angepasst werden.
Entscheidend ist jedoch, dass der Standard ein aussagekräftiges Stärke- und
Schwäche-Profil liefert.
„Ich war positiv überrascht, wie gut der Standard daherkommt.“ Paul Eggimann, Leiter für Bauökologie beim Hochbauamt des Kantons Zürich, hat den
SNBS am Neubauprojekt an der Stampfenbachstrasse in Zürich getestet, in
dem seit 2013 die kantonale Gesundheitsdirektion untergebracht ist. Eggimann wies darauf hin, dass der Aufwand für eine „gute Note“ je nach Thema
unterschiedlich sei - „einige Nistkästen auf dem Dach haben unser Ergebnis
im Bereich Natur und Landschaft bereits aufgewertet“, so Paul Eggimann
schmunzelnd. In anderen Bereichen, etwa beim regionalökonomischen Potential, sei dies ungleich schwieriger. Der Vertreter der öffentlichen Hand hob die
Wichtigkeit des Labels hervor, mit dem sich die Glaubwürdigkeit der heutigen
Selbstdeklaration noch unterstreichen liesse.
Fazit
Der Standard integriert bewährte Instrumente und berücksichtigt die schweizerische Planungs- und Baukultur. Zugrunde liegt das Bedürfnis, Nachhaltigkeit einerseits umfassender messen zu können als mit bisherigen Labels, und
dennoch ein kompaktes, handhabbares und damit bezahlbares Instrument zu
entwickeln. Nur so wird es möglich, das sich der Standard in der Breite etabliert. Wir sind überzeugt, dass sich der Standard mit der zugesicherten Unterstützung der öffentlichen Hand und den Trägerfirmen aus der Wirtschaft in
den nächsten fünf Jahren in der Schweizer Baubranche etablieren wird. Da wir
durch die Gründung und Aktivitäten von AktivPlus ähnliche Bestrebungen und
Bedürfnisse erkennen, die zur Entwicklung des Schweizer Standards geführt
haben, erscheint uns ein Erfahrungsaustausch „über die Grenzen hinweg“ interessant, sowohl für die Weiterentwicklung des Schweizer Standards, als auch
für die Neuentwicklung von AktivPlus.
SWISSCON BUSINESSPARK IN ITTIGEN (BERN), © ATELIER 5
NEUBAU VERWALTUNGSGEBÄUDE ITTIGEN, © BERREL BERREL KRÄUTLER ARCHITEKTEN
40
EFFIZIENZPRINZIP IM MEHRGESCHOSSIGEN
OBJEKT- UND WOHNUNGSBAU
Josef Haas
Geschäftsführer | KAMPA GmbH
Energieeffizienz ist das zentrale und unabdingbare Thema der Zukunft. Weitere nennenswerte
Effizienzpotenziale finden sich jedoch auch in der
Planungs- und Projektierungsphase, sehr umfangreich in der Ausführungsphase und dann dauerhaft
in der Nutzungsphase eines jeden Gebäudes.
Die Effizienz gesamtheitlich in den Mittelpunkt zu
rücken, um daraus positive Effekte für die Wirtschaftlichkeit und die Zukunftsfähigkeit von Gebäuden zu ziehen, genau das
war der Ansatz bei der Entwicklung und dem Bau des KAMPA K8, dem achtgeschossigen Verwaltungs- und Ausstellungsgebäude von KAMPA, welches im
Dezember 2014 in Betrieb genommen wurde. Bis zur Hochhausgrenze komplett in Holz und errichtet nach dem „KAMPA Effizienzprinzip“.
Plattformsystematik für mehr Effizienz in der Planung
Bereits in der Planungsphase kann ein Bauprojekt dem „Effizienzprinzip“ unterworfen werden. Das K8 ist daher nicht nur das als neuer KAMPA Firmensitz
errichtete Gebäude in Aalen-Waldhausen, sondern es wurde gleichzeitig als
Plattformkonzept für zukünftige weitere Gebäude ähnlicher Typologie angelegt. Die variablen Nutzungsformen können dabei sowohl gewerblich, als
Bürogebäude, als auch wohnwirtschaftlich sein. Für eine weitgehende Variabilität ist die Entwurfsplattform des K8 in der Gebäudebreite, im Achsmaß
des Tragwerkes und in der Anzahl der Geschosse skalierbar, ohne dass sich das
zugrunde liegende Tragwerkskonzept und die TGA-Planung ändern. Der Plattformgedanke bezieht sich dann auch auf die eingesetzten vorgefertigten Bauelemente, bei denen eine möglichst weitgehende Standardisierung in der
Konstruktion angestrebt wird. Im Bereich der Konstruktionsdetails bietet die
K8-Plattform innovative Lösungen, um die Anforderungen aus Brandschutz,
Schallschutz und Wärmebrückenminimierung äußerst effizient zu realisieren.
Unter Anwendung der KAMPA Plattformsystematik wird der Entwurfs- und
Planungsprozess um bis zu 50 % abgekürzt.
Die Industrialisierung des Bauprozesses ist das Gebot der Stunde
Konventionelle Baustellen sind naturgemäß witterungsabhängig, wenig
maschinisiert / automatisiert und streng sequentiell in den Gewerken. Darin
begründet sind lange Bauzeiten und die bekannten Abweichungsrisiken für
Qualitäten, Termine und Kosten.
Das KAMPA K8 entsteht überwiegend in der Fabrik. Großformatige Bauelemente für Wand, Decke und Dach werden dort auf computergesteuerten Anlagen in reproduzierbarer Qualität hergestellt. Inklusive bereits vormontierter
Komponenten und Installationen.
Oder das Multifunktions-Deckensegel: Das sind für das K8 entwickelte Holzrahmenelemente als Installationsebene, welche unterhalb des eigentlichen
Deckenelementes montiert werden. Die Multifunktions-Deckensegel werden
bereits werkseitig komplett bestückt mit Heiz- und Kühlsystem, Lüftungsverrohrung und –ventilen, Elektroinstallation sowie einer unterseitigen Akustikplatte. Damit werden wesentliche Teile der TGA-Installation nicht nur von der
Baustelle in die Produktionshalle vorverlegt, sondern unterliegen auch einer
effizienten Standardisierung.
41
Time to market. Die industrielle Vorfertigung reduziert den Bauprozess um ca.
40%. Das sind viele Monate frühere, und damit zusätzliche Erträge aus dem
Objekt.
Projektsicherheit
Das hohe Maß an Vorfertigung, d.h. industriell erzeugter, CNC-gesteuerter
Wertschöpfung bei KAMPA, führt zu minuziös gesteuerten Fertigungs- und
Montageprozessen und damit zu einer gesicherten Kosten- und Terminplanung. Eine detaillierte Projektplanung von Auftragserteilung bis zur Schlüsselübergabe ist bei KAMPA tägliches Handwerkszeug, quasi die ökonomische
DNA eines zielführenden Bauprojektes. Zudem bietet KAMPA als Generalunter-
nehmer eine ganzheitliche Leistungserbringung, sodass Verantwortlichkeiten
nicht ausgelagert werden oder gar beim Auftraggeber verbleiben. Das führt zu
der ersehnten Projektsicherheit - im Sinne fixer Preise, verbindlicher Termine
und gesicherter Qualitäten - für alle Beteiligten. Auch ein wesentlicher Beitrag
zu Effizienz bzw. Wirtschaftlichkeit.
42
Plus-Energie als zukünftiger Gebäudestandard für mehr Ökologie
und Ökonomie
Energieeffizienz ist nicht nur ein Gebot des geforderten Klima- und Umweltschutzes bzw. der eingeleiteten Energiewende. Vor dem Hintergrund der Preisentwicklung am Energiemarkt, ist Energieeffizienz eine maßgebliche Größe
für die Wirtschaftlichkeit eines Gebäudes.
Dabei müssen sich Energieeffizienzmaßnahmen immer zuerst auf die Gebäudehülle beziehen, bevor Investitionen in umfangreiche Gebäudetechnik
getätigt werden. Es muss das Ziel sein, zunächst die Heizlasten, also die Transmissions-Wärmeverluste so weit wie möglich zu minimieren und passive Wärmegewinne optimal zu nutzen, um den dann verbleibenden Heizbedarf mit
möglichst wenig (und auch einfacher) Heiztechnik decken zu können. Für diesen Ansatz eignet sich der Holzbau mit seinen naturgegebenen Eigenschaften
in idealer Weise: Die energetische Qualität der Gebäudehülle des K8 reduziert
den Heizbedarf gegenüber konventionellen Konstruktionen um ca. 60%.
Das Be- und Entlüftungssystem im KAMPA K8 arbeitet mit einem Wärmerückgewinnungsgrad von mehr als 75 Prozent. Damit geht nur ein Bruchteil der in
der verbrauchten Abluft enthaltenen Wärme an die Umwelt verloren. Die Lüftungswärme wird weitgehend der frischen Zuluft wieder zugeführt und bleibt
somit dem „Energiesystem Gebäude“ erhalten, bzw. deckt einen wesentlichen
Teil des Heizwärmebedarfes ab. Die Heiz- und Kühleinheit des K8 besteht aus
drei Standard-Wärmepumpen in Verbindung mit einem 685.000 Liter großen
Solar-Eisspeicher, welcher die sommerliche Wärme für den winterlichen Heizbetrieb puffert. Die Kristallisationsenergie dieses Wasservolumens entspricht
5.437 Litern Heizöl und deckt den Jahresbedarf des K8 vollständig.
Die energetische Qualität der Gebäudehülle und die beschriebene hocheffiziente Gebäudetechnik mit Eisspeicher führen dazu, dass die verbleibende
notwendige Endenergie, also die Antriebsenergie für Heizung, Lüftung und
Warmwasser auf ein Minimum reduziert ist. So gering, dass sie am Gebäude
selbst aus Sonnenenergie erzeugt werden kann. Und darüber hinaus noch Solarstrom erzeugt wird, der als Plusenergie für den Betrieb der Bürogeräte, der
Beleuchtung oder zum Betanken der e-Mobile von KAMPA und deren Gäste
genutzt werden kann.
Neubewertung von Wartungsaufwand und Instandhaltungsrisiken
Für die Wirtschaftlichkeit eines Gebäudes spielen die laufenden Wartungskosten und die Rücklagen für Instandhaltungen sowie die Prämien für die
Versicherung der Gebäuderisiken eine wesentliche Rolle. Dem Holzbau wird
unterstellt, dass er diesbezüglich gegenüber dem Massivbau Nachteile zeigt.
Das Gegenteil der Fall, wie am KAMPA K8 deutlich wird.
Die kompletten Installationen für Heizung, Kühlung, Lüftung, Sanitär und
Elektro sind leicht zugänglich, sowohl in den vertikalen Installationsschächten, in den Installationskanälen unter den Decken und in den oben beschriebenen Multifunktions-Deckensegeln. Nur verkleidet, nicht verbaut.
Vergleichen wir das mit Installationen, die konventionell oder im Estrich des
Fußbodenaufbaus eingebracht sind, im Hinblick auf:
- Schnelligkeit in der Lokalisierung einer Schadensursache und Ausmaß der
daraus resultierenden Folgeschäden
- Erreichbarkeit im Falle einer notwendigen Reparatur
- Erreichbarkeit für die Reinigung z.B. der Lüftungskanäle
- Erreichbarkeit bei etwaig notwendigen Umbauten infolge geänderter Nutzung
Für das Facility Management von Gewerbe – und Wohngebäuden sind dies
wichtige Hebel in der Wirtschaftlichkeit.
Fazit
Bauen nach dem Effizienzprinzip reduziert den Planungsaufwand um bis zu
50 % und verkürzt durch das hohe Maß an Vorfertigung die Bauzeit um
ca. 40 %. Das bedeutet viele Monate frühere Inbetriebnahme und somit nennenswert zusätzliche Erträge aus dem Gebäude.
Bauen auf Plusenergie-Niveau führt im Betrieb der Gebäude dazu, dass keine
Energiekosten für Heizen, Lüften und Warmwasser anfallen, ein enormer und
dauerhafter wirtschaftlicher Effekt. Auch die weiteren Betriebskosten werden
spürbar entlastet: von den Wartungskosten bis zu den Versicherungsprämien.
Zudem können für den Wohnungsbau die Finanzierungsvorteile der staatlichen Förderprogramme für energieeffizientes Bauen genutzt werden, das sind
attraktive Zinsvergünstigungen und ein Tilgungszuschuss für jede förderfähige Wohnung.
Trotz erhöhter Kapitalkosten für die Mehrinvestition in Energieeffizienz ergibt
sich in der Summe aller Effekte nachweisbar eine jährliche Einsparung in der
Höhe einer Monatsmiete.
So gesehen bieten der moderne, mehrgeschossige Holzbau und das KAMPA
Effizienzprinzip der Wohnungswirtschaft den Weg zu einer 13. Monatsmiete,
Jahr für Jahr.
Gebäude müssen den darin wohnenden und arbeitenden Menschen
dienen
Die Architektur, die Qualität, die Bauweise und die verwendeten Materialien
haben natürlich Einfluss auf die Bewohner, die Nutzer und Besucher eines
Gebäudes. Auf deren Wohlbefinden, Gesundheit und Leistungsfähigkeit und
Motivation. Neben großzügigem Tageslicht sind es vor allem die Oberflächentemperaturen der Fenster und Außenwände, die Raumluftqualität und die
gleichmäßige Strahlungswärme einer Flächenheizung, welche Behaglichkeit und Wohlbefinden verursachen. Darin wird die Holzbauweise körperlich
spürbar, was sich auch in einer besseren Vermietbarkeit bzw. einer höheren
Arbeitsproduktivität der Mitarbeiter bemerkbar macht.
KAMPA K8 ANSICHT
43
Foto: VELUX / Adam Mørk
BLOCK 2 | NUTZER
VORTRÄGE UND ESSAYS
TOWARDS AN IDENTIFICATION OF EUROPEAN
INDOOR ENVIRONMENTS’ IMPACT ON HEALTH
AND PERFORMANCE: HOMES AND SCHOOLS
Prof. Dr.-Ing. Gunnar Grün
Fraunhofer-Institut für Bauphysik | Abteilungsleiter Raumklima
Technische Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm | Maschinenbau und Versorgungstechnik, Energie Campus Nürnberg, Systemintegration effiziente Gebäude
B2
Since long human beings shelter from external conditions in buildings and today most of us live indoors a large portion of our lives
- as a good estimate it is around 90%, which we try to shape as comfortable as possible. Thus the indoor environment is a crucial factor
for our future development towards a healthy society reaching from
childhood to the oldest old.
As we try to shape our indoor environment as comfortable as possible we are
using resources – mostly energy: for heating, ventilating, cooling, lighting. In
the recent years against the background of climate change and energy savings
the focus of research and building regulations has been laid primarily on energy efficiency. This has eclipsed the main purpose of indoor environments. A
healthy environment contributes much to our societal development: the way
we live, learn, work and relax; with all the consequent socio-economic effects
on our education, health care and productive working life.
This paper pinpoints key findings from a large literature screening of research
on the European indoor environments’ impact on health and performance in
homes and schools. The aim is to analyse the relations between indoor environmental effects in homes and schools and health and performance aspects.
46
The effects of mould and dampness, ventilation rate, daylight and sleeping
environment have been investigated and the results of this first screening of
scientific literature show that the indoor environments in European homes and
schools have a significant impact on public health and learning.
With the variety of occupants and the many different types of dwellings also
the indoor climate in European homes covers a wide range. One of the major
problems in dwellings in Europe is the occurrence of dampness, which is likely
to lead to mould growth and other associated structural damages. The share of
population living in such dwellings differs quite between European countries,
on average around 16% of the population was affected in recent years.
There is evidence that the occurrence of mould and dampness is associated
with several respiratory or allergic health effects. Amongst others it promotes
the development of asthma and upper respiratory tract symptoms. For example the overall risk for developing asthma is approximately twice as high as if no
mould or dampness is detectable in a home
Closely related to the humidity inside homes, but also to the energy consumption required to maintain a comfortable and healthy indoor environment is the
ventilation rate. Frequently used in National standards in European countries
are values between 0.35 and 0.5 air changes per hour. The Nordic countries are
reported to be below their target value in ca. 40-60% of the dwellings.
Low ventilation rates in buildings are associated with an increased risk for respiratory infections, especially when mould is additionally detected inside the
buildings. No explicit relation of the type of ventilation system (mechanical or
natural ventilation) to maintaining or increasing the health status of occupants could be identified. The ventilation rate itself can have a significant effect
on health symptoms, e.g. at low ventilation rates the risk for symptoms like
wheezing and dry cough is approximately twice as high as with recommended
ventilation rates. Low ventilation rates are also associated with an approximate one and a half times higher risk for developing allergy symptoms.
The indoor environment in schools is typically dominated by poor ventilation
rates, while 8 l/s per person is the recommended standard. Lower ventilation
rates are reported frequently. As classrooms are densely occupied spaces high
CO2-levels can be reached quite quickly with insufficient ventilation – repor-
ted values are frequently higher than 2100 ppm and up to 4000 ppm, which
are beyond typically recommended values of around 1500 ppm. Every increase
of ventilation by 1 l/s per person leads to a considerable increase in perceived
air quality and mental performance of pupils. Beyond that it is reported that
performance increases of up to 14.8% are possible depending on task. Moreover, poor air quality is not only associated with reduced performance but also
with an increasing absence rate. Both consequences are adverse conditions for
a good academic achievement of pupils.
Daylight has a fundamental influence on human physiology and behaviour.
As it influences our hormone and vitamin balance and determines the circadian rhythm including our sleep/wake-cycles, it is recommended to experience
sunlight for a dedicated time of the day. Additionally, it is known that low levels of daylight illumination may have negative effects on mental health and
it seems that higher levels of daylight could shorten the stay in hospitals due
to its influence on healing.
A good sleep is known to be important for good health and a good next-day
performance, so the indoor environment in bedrooms should not hinder restitution during sleep. Ambient room temperature is associated with the sleep
quality of occupants. Increased room temperatures decrease the duration of
SHARE OF TOTAL POPULATION IN EUROPEAN COUNTRIES LIVING IN A DWELLING WITH
A LEAKING ROOF, DAMP WALLS, FLOORS OR FOUNDATION, OR ROT IN WINDOW FRAMES
OF FLOOR – DATA OF 2013, 2012 FOR IRELAND
slow wave sleep (important for physical restoring) by ca. 15% per a 5°C increase. Analogous the REM sleep phases (relevant for mental relaxation) are
reduced and wakefulness increases. The situation in cold environments shows
similar effects.
High temperatures due to overheating during heat waves have been found
to be associated with an increase in mortality and affect especially those at
poor health. If the apparent temperature during a heat wave rises 5°C above
a regional threshold it can be estimated that between 9% and 15% of natural mortality can be linked to these untypically high apparent temperatures.
Especially the incidence of respiratory diseases is linked to heat waves and
people suffering of them have a higher risk of mortality.
The results of this first screening of reviewed scientific literature show that the
indoor environments in European homes and schools have a significant impact
on public health and learning, and that the indoor environmental conditions
of the current European housing building stock has substantial shortcomings.
This calls for further action to improve the indoor climate where people live
and learn, and it should also be reflected in National building codes and European building legislation.
TOTAL POPULATION (IN MILLIONS) IN EUROPEAN COUNTRIES LIVING IN A DWELLING
WITH A LEAKING ROOF, DAMP WALLS, FLOORS OR FOUNDATION, OR ROT IN WINDOW
FRAMES OF FLOOR – DATA OF 2013, 2012 FOR IRELAND, POPULATION STATISTICS FOR
JANUARY 1ST
47
NUTZERVERHALTEN IN
ENERGIE+ WOHNSIEDLUNGEN
Prof. Dr.-Ing. John Grunewald
Technische Universität Dresden
(mit Volker Stockinger)
(Hochschule für angewandte Wissenschaften München)
B2
Der Erfolg energetischer Optimierungsmaßnahmen sowohl in
der Bestandssanierung als auch beim Neubau muss am konkret
erreichten Ergebnis gemessen werden. Bisherige Betrachtungen
unterschätzen regelmäßig den Einfluss sozioökonomischer Faktoren. Das Nutzerverhalten hat elementaren Einfluss auf den Energieverbrauch von Gebäuden. Verschiedene Studien weisen darauf hin, dass die
Reduzierung des Energiebedarfs in der Bestandssanierung auf Grund des veränderten Nutzerverhaltens zwischen 10 und 30% niedriger ausfällt als erwartet. Der Rebound-Effekt bewegt sich damit in einer wirtschaftlich relevanten
Größenordnung.
Allerdings ist das Energieverhalten von Menschen so unterschiedlich wie die
Menschen selbst. Abweichungen von ±100 Prozent und mehr im Nutzerverhalten von Wohnsiedlungen sind nicht ungewöhnlich. Diese Tatsache macht
die Voraussage des Energiebedarfs einzelner Gebäude lediglich im Rahmen
statistischer Wahrscheinlichkeiten möglich. Für größere Gebäudeensembles
sind genauere Aussagen möglich und sinnvoll, wenn geeignete statistische
Daten über das Nutzerverhalten vorliegen.
Während durch die Gebäudedämmung ausschließlich der Heizenergiebedarf
und durch die Gebäude- und Anlagentechnik primär die Erzeugungs- und Ver-
48
teilverluste beeinflusst werden können, hat das Nutzerverhalten Auswirkungen auf alle Ressourcenverbräuche im Gebäude. Bewohnern energieeffizienter Gebäude ist der Einfluss des eigenen Verhaltens auf den Energieverbrauch
durchaus bewusst. Befragungen zeigen jedoch, dass die Größe des Einflusses
stark unterschätzt wird. Komfort geht den Nutzern vor Energieeinsparung. Der
hierfür notwendige Energieverbrauch wird als Luxus gesehen.
Um das Bewusstsein für den Einfluss des Nutzerverhaltens auf den Energieverbrauch zu schärfen, müssen Werkzeuge zur Nutzersensibilisierung zum Einsatz
kommen. Die Sensibilisierung des Nutzers hat einen besonders hohen Stellenwert. Jede eingesparte Kilowattstunde Nutzenergie braucht nicht erzeugt und
verteilt werden, was gleichzeitig zur Reduzierung der Erzeugungs- und Verteilverluste führt. Durch energiebewusstes Verhalten – beispielsweise durch
Lastverschiebungen entsprechend der Bereitstellung der elektrischen Energie
aus den Eigenerzeugungsanlagen – können der Eigendeckungs- und der Eigennutzungsgrad gesteigert werden. Diese Maßnahmen sind ohne Mehraufwand oder Einschränkungen im Nutzerkomfort umsetzbar.
Der Einfluss auf den Energieverbrauch ist für einen Nutzer jedoch erst verstehbar, wenn er die Auswirkungen einer Verhaltensänderung nachvollziehen
kann und daraus lernt. Das ist beispielsweise durch den Einsatz von Visualisierungs-Werkzeugen realisierbar. Das Einsparpotential durch Verbrauchsvisualisierung kann bei flächendeckendem Einsatz bei 15-25 Prozent liegen, was
Verbrauchsvisualisierung zu einem wichtigen Werkzeug moderner Versorgungskonzepte macht.
[1] Stockinger, Volker. 2014. Energie+Siedlungen und -Quartiere – Definition,
Planung, Betrieb, Nutzung, Bilanzierung und Bewertung. Dresden, Deutschland.
(Dissertationsschrift)
NUTZEREINFLUSS AM BEISPIEL DES
LUDMILLA WOHNPARKS LANDSHUT
STOCKINGER, VOLKER. 2014. ENERGIE+ SIEDLUNGEN UND -QUARTIERE – DEFINITION, PLANUNG, BETRIEB, NUTZUNG, BILANZIERUNG UND BEWERTUNG. DRESDEN, DEUTSCHLAND.
(DISSERTATIONSSCHRIFT)
49
All buildings are designed by local planners, based on the Active House Principles, with one common point of departure for optimal livability through:
a/ comfort levels based on natural ventilation and use of daylight; b/ be zero
energy or energy positive, and c/ with a focus on the environmental impact,
use of resources and building footprint.
MODEL HOME 2020 AND BEYOND
Lone Feifer
Programme Director Sustainable Living in Buildings, VELUX A/S
“One experiment is better than a thousand expert assumptions”
forms the point of departure for a cross-European demonstration
programme of 6 model houses. During 2009-2011, a demonstration project programme of 6 model homes were built in Denmark
(2009), Austria (2010), Germany (2010), France (2011) and United
Kingdom (2011). The buildings have been tested and monitored in
use, under post occupancy evaluation schemes by national research
teams of engineers and / or scientists.
B2
»ON REALLY HOT DAYS, WE HAVE AT LEAST
TWO OR THREE SLIDING DOORS OPEN SO IT
IS VERY AIRY IN HERE. YOU FEEL AS IF THE
ROOM MERGES WITH THE GARDEN TO A CERTAIN EXTENT, SO THAT IT IS MORE LIKE A VERANDA. A REALLY NICE EFFECT ACTUALLY.«
OLDENDORF FAMILY, GERMANY
50
The point of departure for the 6 demonstration projects has been to prototype
and also provotype through experiments, and test how to develop the building
mass sustainably. Each of the buildings was subjected to extensive data collection during the test period, and from all the collected findings, several important learnings have emerged. For example, the scientists found evidence that
the homes increased the residents’ health and well-being and that a healthy
home even has the potential to alleviate chronic diseases, typically related to
allergies. Natural ventilation plays an important role in this, ensuring that air
quality and temperature levels are good - day and night, summer and winter.
This page can be used in a different way – depending on layout preferences
The projects have been widely exposed to the public - more than 700 m people
read more than 3,200 articles in European newspapers and magazines. More
than 26,000 people visited the 6 buildings, which received 25 awards and recognitions. On a scientific note, the research evidence, reports, findings and
empirical data has been consolidated during 2014, into a unique knowledge
base. Three cross-reports cover the key areas of energy, comfort and wellbeing aspects of the inhabitants.
The knowledge base was scientifically published with 10 papers at the World
Sustainable Buildings 2014 in Barcelona. We see the knowledge and network
sharing as a key to enable planners and other stakeholders in the building
industry to take qualified decisions for sustainable buildings. In this context,
the German Aktiv Plus Society is a strong gravity point for the development of
energy efficient buildings with user focus and appeal. The Symposium in May
2015 plugs into the stream of front line developments and innovation height
of the sustainable agenda for buildings in Europe.
»WHILE WE‘VE BEEN HERE, WE HAVEN‘T HAD
THE COLDS AND COUGHS WE USUALLY HAD
BEFORE. I THINK IT HAS TO DO WITH THE AIR
QUALITY AND THE DAYLIGHT.«
The scientific reports and conclusions are the body of the empirical studies,
forming a platform for discussion, definition and suggestion of common denominators; The quintessential identifies 12 distinct learnings among the many
findings. This forms the basis of a recommendation catalogue of conclusions
for learnings transferred to the wider housing stock, new as well as existing.
The short of the long is that it is possible to achieve zero energy in 2020, in new
built as in a climate renovation.
GLAZEBROOK FAMILY, UK
And why wait to take action? 90% of the building stock that we will be using
in 2050 has already been built, and much of it is in need of modernisation to
improve comfort as well as energy efficiency. Paving the way for sustainable
renovation is the next challenge taken up by the VELUX Group. In 2015, we
launch the RenovActive concept, this time in Belgium. The objective of this
project is to prove that the vision of healthy, comfortable and nearly-zeroenergy buildings can be achieved in a way that is cost effective, scalable and
reproducible.
The RenovActive project is # 22, following the 21 Active Houses, which the VELUX Group has engaged into during the past 10 years. Throughout the many
experiments, we have had one important priority: concerns for the environment must never precede concerns for the health and well-being of human
beings. Sustainable living in buildings is never a question of either comfort or
energy efficiency; it must always be a quest to find solutions that benefit both
people and planet.
Another key aspect is the reflections and results on the wellbeing. Discoveries
from the six different model homes confirm that access to more daylight and
fresh air has a positive impact on the inhabitants’ wellbeing and even a direct
beneficial effect on people diagnosed with asthma and allergies. One social
scientist evaluating the project states directly, “there is evidence that the houses have significantly increased the residents’ health and wellbeing and that
they even have the potential to alleviate chronic diseases.” 1
1
Quote by M.A. Moritz Fedkenheuer in “Model Home 2020 experiment fosters ground-breaking research into housing well-being” by Jakob Schoof, 2014.
51
01
21
19
Torzhkovskaya Street,
St. Petersborg
12
Osram Culture Center,
Copenhagen
02
Soltag,
Copenhagen
13
Guldberg School,
Copenhagen
03
Átika,
Bilbao
14
Solar Prism,
Albertslund
04
VELUXlab,
Milan
15
Russian Active House,
Moscow
05
VELUX House, COP15,
Copenhagen
16
Solhuset Kindergarten,
Hørsholm
06
Home for Life,
Århus
17
ISOBO aktiv,
Stavanger
07
Green Lighthouse,
Copenhagen
18
Future Active House,
Trondheim
08
Sunlighthouse,
Vienna
09
LichtAktiv Haus,
Hamburg
10
11
8
19
20
10
12
21
Years of
experiments
Countries
Projects,
and counting
18
17
16 05
07
06
02
12
09 14 13
22
20
08
11
10
03
Smith Residence,
St. Louis
De Poorters,
Montfoort
Maison Air et Lumiere,
Paris
21
Great Gulf Active House,
Toronto
CarbonLight Homes,
Kettering
22
RenovActive
Brussels
sun tunnels
MODEL HOME 2020 | PROJECT OVERVIEW
52
05
04
01
15
WOHNEN MIT DEM PLUS
SOZIALWISSENSCHAFTLICHES MONITORING
DER EFFIZIENZHÄUSER PLUS
Dr. Eva Schulze
Wissenschaftliche Leiterin
Berliner Institut für Sozialforschung GmbH
Gebäude nach dem „Effizienzhaus Plus Standard“
der Bundesregierung müssen mehr Energie produzieren, als sie verbrauchen. Es wird nach EnEV 2009
mit DIN 18599 bilanziert. Im Förderprogramm befinden sich aktuell 37 Modellvorhaben, darunter
auch einige Sanierungsobjekte, die diesen „PlusEnergie-Standard“ erfüllen. Alle Gebäude werden
einem technischen und sozialwissenschaftlichen Monitoring unterzogen. Erste realisierte Gebäude und Gebäudeenergiekonzepte ermöglichen nun nach
ein bis vier Jahren Laufzeit ein erstes Zwischenfazit.
Das Berliner Institut für Sozialforschung (BIS) hat im Auftrag des Bundesministeriums Umwelt und Bauen die sozialwissenschaftliche Begleitforschung des
Modellprojektes „Effizienzhaus Plus mit Elektromobilität“ und des Netzwerkes
„Effizienzhaus Plus Standard“ übernommen.
Damit wird erstmals in Deutschland unter realen Wohn- und Lebensbedingungen die Alltagstauglichkeit dieser Gebäude erforscht.
Es werden alle Bauherren vor und nach Einzug in ihr Effizienzhaus Plus befragt
und auch alle Mieter in die Untersuchung einbezogen. Mit Fragebögen und
qualitativen Interviews vor Ort werden Motive, Befürchtungen und Erfahrungen erhoben.
Im Pilotprojekt in Berlin und den anderen Effizienzhäusern Plus ging es vor
allem um die Überprüfung der Alltagstauglichkeit aus Sicht der Bewohner/innen. Die Bewertungen der Handhabbarkeit der Technik und die Zufriedenheit mit der Wohnsituation waren dabei wesentliche Parameter der Gesamteinschätzung. Darüber hinaus wurde erfasst, ob und - wenn ja - wie die
Bewohner/-innen die Elektromobilität genutzt und eingeschätzt haben.
Ergebnisse aus dem „Effizienzhaus Plus mit Elektromobilität“ Berlin
Als Fazit des Berliner Pilotprojekts lässt sich festhalten, dass die Familie nach
15 monatiger Erfahrung sowohl mit dem Haus als auch der Elektromobilität
gut zurechtgekommen ist und das Experiment insgesamt als positive Erfahrung in ihrem Leben wertet. Die Wohnqualität wurde als hoch eingeschätzt.
Im Winter war es zwar gelegentlich im Wohnbereich etwas zu kalt, was mit
dem fehlenden Windfang im Eingangsbereich des Hauses zusammenhing.
Im Schlafbereich war es dagegen in den Sommermonaten häufig zu warm.
Ansonsten konnte die Raumtemperatur von den Bewohnern leicht reguliert
werden. Insgesamt wurde die Steuerung der Haustechnik via Touchpanel und
Smartphone als einfach zu bedienen und effizient funktionierend beschrieben.
Kritisiert wurden die gelegentlich trockene Luft und anfängliche Probleme mit
den Bewegungsmeldern, die sich jedoch durch Ändern der Einstellungen beheben ließen.
Die Elektromobile wurde von der Familie ausgiebig genutzt, wobei die Erfahrungen gemischt waren: Das Aufladen am Haus erwies sich als komfortabel,
insbesondere das Laden auf der Induktionsplattform. Das Fahren erforderte jedoch, wenn größere Entfernungen bewältigt werden sollten, eine sorgfältige
Planung. Die Probleme lagen hierbei vor allem an der mangelnden Infrastruktur von Lademöglichkeiten. So war eine Urlaubsreise eher ein Abenteuer mit
53
unfreiwilligen Zwischenstopps. Im Alltag in Berlin, in dem sich die Familie eine
geschickte Kombination der Nutzung von Elektroautos und Elektrofahrrädern
ausgedacht hatte, gab es dagegen keinerlei Probleme.
Einschränkend ist zum insgesamt positiven Bild des Lebens im Effizienzhaus
Plus mit Elektromobilität zu bemerken, dass die Familie das Haus aus der Testperspektive erlebt hat und damit die Kosten von technischen Regulierungen
und Reparaturen nicht tragen musste. Der wissenschaftlich gestützte Nachweis, dass es sich in einem solchen Haus komfortabel wohnen und leben lässt,
ist jedoch das wesentliche Ergebnis: Das Wohnen in einem Effizienzhaus Plus
mit Elektromobilität schont Umweltressourcen und vermittelt einen hohen
Wohnstandard sowie ein gutes Wohngefühl, wie auch in folgendem Zitat zum
Ausdruck kommt:
»ICH FINDE ES GUT, MAL ZU ZEIGEN, DASS
UMWELTSCHUTZ UND MODERNER LIFESTYLE
SICH NICHT AUSSCHLIESSEN MÜSSEN. DASS
MAN WEGKOMMT VON DIESEM BELÄCHELTEN
ÖKO-IMAGE.«
(FRAU W., FEBRUAR 2012)
Ergebnisse aus dem Netzwerk
Mit der noch laufenden Befragung der Bauherren des Netzwerks „Effizienzhaus Plus Standard“ zielt darauf herauszufinden, warum Bauherren in ein
Energieeffizienzhaus Plus ziehen, welches ihre Erwartungen und Befürchtungen sind, wie ihre Einstellungen zur Technik sind und wie ihr alltägliches
Energieverbrauchs- und Umweltverhalten ist.
Mit Blick auf den sozialen Hintergrund zeichnet sich ein recht homogenes Bild
bei den Bauherren: Dies dürfte u.a. damit zusammenhängen, dass nur eine
bestimmte gesellschaftliche Gruppe sowohl willens als auch ökonomisch in
der Lage ist, ein solches Haus zu bauen. Es sind ganz überwiegend formal
54
Hochgebildete in guten beruflichen Positionen, die über ein überdurchschnittliches Einkommen verfügen.
Hinsichtlich allgemeiner Einstellungen zu Technik, ökologischen Prinzipien
und Energiesparverhalten, zeigte sich, dass es sich bei den Bauherren, um
eine prinzipiell technikaffine und besonders ökologisch- und energiebewusste
Gruppe handelt.
Die Idee, ein Effizienzhaus Plus zu bauen, hat sich bei nahezu allen Bauherren
erst im Planungsprozess ergeben: Die meisten planten ihr Haus so energieeffizient wie möglich und erweiterten den Standard schließlich noch um das
„Plus“. Die Anregung dafür gaben häufig Architekten, Energieberater, Fertighausanbieter, wenn die planerische Expertise nicht bei den Bauherren selbst
lag. In Einzelfällen hat auch die Teilnahme am Förderprogramm zur Erhöhung
des Energieeffizienzstandards geführt; bei den meisten war die Teilnahme
daran aber vorwiegend durch die Option des technischen Monitorings, - d.h.
einer kontinuierlichen Erhebung und Auswertung der Messdaten des Hauses
-, motiviert.
Nach den Erwartungen und Befürchtungen sowie deren tatsächlichem Eintreten gefragt, zeigt sich (vgl. Abb. 1), dass fast alle Bauherren die Erwartungen
hatten weniger Energie zu verbrauchen, Heizkosten zu sparen, ein verbessertes Raumklima zu haben; ferner, dass die Energiebilanz den Planungen entspricht und sie ihr Haus mit Stolz erfüllen wird. Bis auf Einzelfälle, wo es Abweichungen von der Planung bei der Energiebilanz gab und die Erwartungen
auf ein verbessertes Raumklima nicht in allen Fällen erfüllt werden konnte,
haben sich die Erwartungen bei fast alle Bauherren auch erfüllt.
Eine Minderheit der Bauherren hatte Befürchtungen (vgl. Abb. 2), dass die
Technik störanfällig sein wird und es Schwierigkeiten geben wird, kompetente
Fachleute zu finden. Bei der Minderheit, die diese Befürchtungen hatte, sind
diese auch eingetreten.
Fazit und Ausblick
Zum ersten Mal werden das Energieverbrauchsverhalten und die Motive der
Bewohner von Plusenergiehäusern analysiert. Sie haben ihre Werte an Energieeffizienz und Umweltschutz orientiert oder haben großes Interesse an der
Abbildung 1: Erwartungen und Realität* (Bauherren 2015; N=20)
verbauten Technik. Sie schätzen den Imageaspekt und die Vorreiterrolle, die
das Leben in einem Effizienzhaus Plus mit sich bringt. Die Wohn- und Lebensqualität in Effizienzhäusern Plus wird von den meisten Bewohnern als sehr
komfortabel empfunden. Die von den Häusern produzierte Energie scheint
völlig ausreichend, die Bewohner müssen sich in ihrer Lebensführung – z.B.
im Hinblick auf eine für sie angenehme Raumtemperatur im Winter oder den
Umfang der Warmwassernutzung – nicht einschränken. Auch zum Aufladen
der Elektromobile ist entsprechend Energie vorhanden.
Die Räume werden als behaglich empfunden. Während der kälteren Jahreszeit
wird die Raumtemperatur als überwiegend angenehm empfunden.
Bislang interessieren sich ausgewählte Personengruppen für das Leben in einem Effizienzhaus Plus.
Von großem Interesse werden daher die Ergebnisse zu den Mietern im Vergleich zu den Bauherren sein. Deren Befragung ist gerade angelaufen.
Im Berliner Effizienzhaus werden die detaillierten Ergebnisse der zweiten
Testfamilie ebenfalls dazu beitragen, herauszufinden, ob sich die technischen
Neuerungen eines Effizienzhaus Plus‘ positiv auf die Alltagstauglichkeit und
das Wohlbefinden darin auswirken.
19
Dass ich weniger Energie verbrauche
18
19
Dass ich Heizkosten sparen werde
18
19
Dass sich die Qualität des Raumklimas verbessert
16
Dass die Energiebilanz den vorherigen Planungen
entspricht
19
15
18
18
Dass ich stolz auf meine Wohnung/mein Haus sein werde
Dass ich mich anregen lasse, umwelt- und
energiebewusster zu leben
14
13
Dass sich die Investitionen wie berechnet amortisieren
werden
13
10
Dass ich Energie ohne schlechtes Gewissen verbrauchen
kann
10
8
0
2
Erwartung gehabt
4
6
8
10
12
14
16
18
20
Erwartung erfüllt
*alle Angaben in absoluten Häufigkeiten; dargestellt sind die Werte der Kategorie „ja“; Quelle: BIS
Abbildung 2: Befürchtungen und Realität* (Bauherren 2015; N=20)
8
Dass die Technik störanfällig sein wird
6
Dass ich Schwierigkeiten haben werde kompetente
Fachleute zu finden
7
6
7
Dass die Lüftungsanlage störende Geräusche produziert
2
Dass ich Schwierigkeiten haben werde unabhängige
Berater zu finden
3
3
Dass ich von Fachleuten schlecht beraten werde
3
3
2
Dass sich an der Fassade Algen bilden
1
Dass die Dämmung zu Schimmel in der Wohnung/im Haus
führt
1
0
1
Dass ich die Fenster nicht mehr öffnen kann
0
0
Befürchtung gehabt
2
4
6
8
10
12
14
Befürchtung erfüllt
*alle Angaben in absoluten Häufigkeiten; dargestellt sind die Werte der Kategorie „ja“; Quelle: BIS
ABB. 1 ERWARTUNGEN UND REALITÄT* (BAUHERREN 2015; N=20)
ABB. 2 BEFÜRCHTUNGEN UND REALITÄT* (BAUHERREN 2015; N=20)
55
16
18
20
K3 - NEUE WEGE ZU NEUEN GIPFELN
Achim Bursch, Thomas Kruppa und Frank Stolz
FONDATION of ART and TECTONIC
Wir - eine Vereinigung von Architekten und Ingenieuren - entwickeln und schaffen zukunftsweisende, gesellschaftsfähige Gebäudekonzepte im Einklang mit natürlichen, klimaneutralen und
ressourcenschonende Baumaterialien sowie smarten, energieeffizienten Technologien.
Bestand - Verdichten Modernisieren
Die Kettenhäuser werden eine seit vielen Jahrzehnten bestehende Baulücke
in der Pfarrer-Oden-Straße / Gemeinde Föhren schließen. Die Wohnsiedlung
ist in den 50er Jahren entstanden. Zunehmend junge Familien, Berufspendler
oder Singles entdecken diesen verkehrsgünstig gelegenen und naturnahen
Wohnort neu.
Die alten Wohn- und Geschäftsbauten werden verkauft, renoviert und zu Mietflächen umgenutzt. Zum positiven Aufschwung des Ortslebens trägt die starke
Entwicklung des unmittelbar an Föhren grenzenden Gewerbeparks sowie die
gute infrastrukturelle Nähe an den Wirtschaftsstandort Luxembourg bei.
Demographischer Wandel
Das Quartier unterliegt durch den Generationswechsel einem strukturellen
und demographischen Wandel. Durch die Erschließung neuer Baugebiete wird
der gewachsene Ort maßgeblich aufgelöst. Eine Zersiedelung in der Fläche ist
die Folge. Weiterhin bleiben mögliche Verdichtungen ungenutzt, entstandene
56
klein parzellierte Baulücken unbeachtet und potenzialer Bestand unterbewertet. Eine wünschenswerte gesellschaftliche Mischung von Jung und Alt bleibt
aus.
Integrative Wohnformen
Die Neubauten sollen mit integrativen Wohnformen der strukturellen Veränderung positiv entgegenwirken. Mit innovativem und verdichtetem Wohnraum wird eine alte Baulücke geschlossen. Im gleichen Zusammenhang
wird ein bestehendes Wohnhaus saniert und das anliegende Nebengebäude
(Schuppen) des Hauses Erlenbachstrasse 33 abgerissen bzw. überbaut.
Die Gebäude-Typologie besteht aus 3 einzelnen Satteldach-Häusern mit Eingangshof im Nord-Osten und Garten im Süd-Westen. Die Giebelseite ist der
Straße zugewandt und übernimmt die Satteldachbebauung aus der nachbarschaftlichen Umgebung. Unterteilt wird die Hausreihe durch eine jeweilige
angrenzende eingeschossige Raumerweiterung mit intensiver Flachdachbegrünung. Die Erschließung und Belichtung sind so angelegt, dass sowohl
gemeinschaftliches als auch introvertiertes Wohnen jederzeit möglich ist.
Nachhaltiges Bauen
Die Neubauten sollen mit integrativen Wohnformen der strukturellen Veränderung positiv entgegenwirken. Mit innovativem und verdichtetem Wohnraum wird eine alte Baulücke geschlossen. Im gleichen Zusammenhang
wird ein bestehendes Wohnhaus saniert und das anliegende Nebengebäude
(Schuppen) des Hauses Erlenbachstrasse 33 abgerissen bzw. überbaut.
Die Gebäude-Typologie besteht aus 3 einzelnen Satteldach-Häusern mit Eingangshof im Nord-Osten und Garten im Süd-Westen. Die Giebelseite ist der
Straße zugewandt und übernimmt
Maximale Wohnqualität - Minimale Kosten
Alle Häuser sind zweigeschossig. Das Erdgeschoß ist großzügig und barrierefrei. Hier wird zukünftiges Wohnen für Jung und Alt berücksichtigt. Die Wohnflächen in den oberen Geschossen sind für Schlaf- und Kinderzimmer oder für
Pflegepersonal beliebig nutzbar. Die hohe Flexibilität ermöglicht ebenso ein
gemeinschaftliches Wohnen.
Durch die komprimierte Bauweise wird kostenbewusst geplant, gebaut und
eine effiziente Quadratmeter-Zahl pro Person angestrebt. So bleiben die
Wohnhäuser auch in Zukunft für ältere Bewohner ökonomisch und einfach zu
bewirtschaften.
Mehr Energie - Weniger Technik
Eine hocheffiziente Gebäudehülle, eine Photovoltaik-Dachfläche, eine nachhaltige Gebäudetechnik und eine integrierte Solarthermie sowie eine gemeinschaftliche Energiezentrale ermöglichen allen Wohnparteien eine positive
Energiebilanzierung.
Für die Energiezentrale wird ein Blockheizkraftwerk eingeplant. Wasserstoff
als Energiespeicher und Energiequelle wird vorgesehen. Für den Übergang
bis zur Produktreife in ca. 5 - 10 Jahren werden Holz -Pellet eingesetzt. Im
Zusammenhang einer Quartier-Lösung wird mit der Gemeinde eine Wärmerückgewinnung der Industrieabwasser diskutiert. Dies muss weiter geprüft
und bewertet werden. Aufgrund der intelligenten Baumaterialen werden die
Luftfeuchtigkeit- / Wasserdampfdruck-Höchstgrenzen kompensiert. Zusätzlich wird der Luftaustausch über neuartige Fenstersysteme mit dezentralen
Zu- und Abluftgeräten inkl.Wärmerückgewinnung gewährleistet und kontrolliert. Diese werden über VOC - und CO2 - Sensoren geregelt. Eine mechanische
Öffnung der Fenster soll jederzeit gewährleistet bleiben.
Hierzu benötigt es weiterer Entwicklung und Forschung.
Bilanzierung Umdenken
Unabhängig von allen gängigen Bewertungssystemen benötigen Architekten,
Ingenieure sowie Bauherren und Investoren eine unabhängige und übersichtliche Ököbilanzierung aller zu erwartenden und eingebrachten Energieverbrauchsdaten.
Für neue Gebäude oder Sanierungen ist über den sog. „Footprint“ eine Gesamtbilanzierung möglich. Diese Betrachtungsweise ist ganzheitlich und
transparent.
Die Einschränkungen werden nicht aus architektonischer Sicht konditioniert!
Des Weiteren wird auf die ausschließliche Konzentration auf den primären
Energieverbrauch verzichtet, sondern es werden einfache und verständliche
Kennzahlen wie Grau-Energie-Werte oder CO2-Bilanzen der gesamten Energieflüsse benötigt.
Eine Verpflichtung hierzu sowie ein Umdenken in der gesamten Bauwirtschaft
ist durch einfache Datenbanken, Ampelbezeichnungen oder maßstäbliche Bezugswerte denkbar.
HAUS KFZ, FAT VEREINIGUNG
57
KEYNOTE
ACTIVE HOUSE ALLIANCE
Foto: VELUX / Adam Mørk
HOW TO STRENGTHEN THE INTERNATIONAL
FOCUS ON SUSTAINABLE BUILDINGS
Kurt Emil Eriksen
Secretary General Active House Alliance
K
Challange
According to the findings from the European Roadmap for a competitive low-carbon economy, the CO2 reduction in residential and
services sectors has to be reduced with approximately 90% by 2050,
as comparing to 1990 levels.
Such needs and ambitions sets high requirement to the building
sector and to reach such level all buildings must by 2050 have a CO2
emission of close to 3 kg/m2. This require that new buildings meet
the demand of maximum 3 kg/m2 as well as it is require that all existing buildings is being renovated to meet a similar requirement.
This is supported by the European Directive on Buildings which sets ambitious
requirement to existing and new buildings. Among others the directive introduce a requirement that all new buildings should be “Nearly Zero Energy
Buildings” by 2020, as well as it requires that measures to improve further the
energy performance of buildings should take into account climatic and local
conditions as well as indoor climate environment and cost-effectiveness.
It is already possible to build to the NZEB level. It is proven in Germany, where
many projects already meet KfW55 levels. However the debate should move
further and include environmental issues and indoor comfort requirement.
Aktiv+ is an example on a national development towards this. Another is the
Danish legislative requirement for 2020 buildings, which has included stron-
60
ger comfort requirement parallel to stronger energy efficiency requirement
and there is a process of development of voluntary environmental levels on
top of the other two requirement.
Active House has also proven that it is possible to build to NZEB levels and
to implement high ambitions to comfort and environment. It has been demonstrated, among others through Active House projects from central Europe
to Canada and Norway in cold regions. However, it is still not a standard solutions and a change in the design process is needed in order to secure that such
buildings becomes standard solutions to the benefit of people living, working
and playing in buildings.
In order to meet the future ambitious requirement it is therefore necessary for
architects, engineers and developers to have access to design and evaluation
tools that can in an easy, correct and cost optimal structure can show the performance of the building and be used in dialog with their customers and the
building owners.
Active House
Active House is an international network with a vision of buildings that combines energy efficiency with specific attention to user health and comfort, indoor climate and the environment. Active House focus on COMFORT, ENERGY
and ENVIRONMENT, and require a holistic view. The alliance develop tools and
guidelines that can be used on international and national level. Supplementary to this the alliance focus on cooperation with national networks throughout
the world, like Aktiv+ in Germany, Good Home Alliance in UK, Green Building
Councils etc.
In order to grow the knowledges for sustainable buildings, the Active House
Alliance has launched an international guideline focusing on the relevant topics within Comfort, Energy and Environment following the vision of the alliance. Supplementary to this a specification and calculation tool is developed.
The Active House Specifications is as a tool for evaluation of buildings based
on the Active House vision and include the insight and knowledge needed to
draw up the technical requirements and design concept for an Active House.
The specifications include the important issues to consider when creating an
Active House. These issues are process oriented, and provide guidance on how
to achieve the performance levels described in the technical specifications.
An Active House is finally evaluated on the integration the three main principles of Comfort, Energy and Environment. The performance can be described
through the Active House Radar showing the level of ambition of each of the
three main Active House principles and their sub-parameters.
The integration of each parameter describes the level of ambition of how ‘active’ the building has become. For a building to be considered as an Active
House, the level of ambition can be quantified into four levels, with 1 as the
highest and 4 the lowest.
that the architect or engineer already has to inform about and it can be carried
out with minimum costs for the house owner.
The architect can chose to use the standards and methodologies described in
the specifications or to use the national methodologies. The result of the nine
sub parameters are input for the development of the Active House radar. This
can be done by the architects own calculation and use the share ware Active
House Radar tool. Alternatively it can be carried out with the Active House Calculation excel tool.
Supplementary to the quantitative criteria Active House also focus on a number of qualitative criteria like view from the building, integration of renewable
energy and monitoring of the building. Those criteria are recommended to
evaluate, but as they are not compulsory.
The calculation of an Active House include the nine sub parameters which are
based on European and national methodologies. The parameters are often
included in building legislation or will be included in legislation on medium
term, like the sustainable issues. Thereby the evaluation mainly include issues
Next Steps
The development of sustainable buildings based on a holistic view involving
comfort, energy and environmental issues, require further cooperation between the partners and to share best technologies.
There is a need to develop tools and solutions that guide the developers, designers, house owners towards a development of affordable, cost efficient and
sustainable buildings in all scales. In this process national and international
cooperation are relevant and needed. The Active House Alliance intend to
create a platform for such cooperation and the network with Aktiv+ are good
examples on how to focus on common goals, to learn from each other and to
develop solutions based on local needs.
THE THREE ACTIVEHOUSE PRINCIPLES
THE ACTIVE HOUSE RADAR
61
Foto: VELUX / Adam Mørk
BLOCK 3 | LEBENSZYKLUS
VORTRÄGE UND ESSAYS
The Licht-Aktiv-Haus in Hamburg-Wilhelmsburg was one of the
projects displayed on the international building exhibition IBA
2013 in Hamburg. The building showcased the modernisation of an
existing and technically out-dated detached single-family building,
originally built in the 1950es. With the political ambitions to significantly increase the energy efficiency in housing and real estate,
these and similar buildings are of concern, mainly due to their vast
numbers. Facing different degrees of modernisation they may or may not have
undergone in the past, they potentially are subject of significant changes. As
part of IBA, VELUX converted the house into an active house. Together with
20 other buildings across the globe, the project was part of the VELUX modelhome 2020 project and subject of a broad scientific evaluation.
on to the typically addressed global environmental performance indicators.
The LCA compared the modernisation case to a generic DGNB reference building for new construction of a detached home - without representing a specific design. As an overall result, the qualities in terms of the activehouse radar
indicate a wellbeing and performance significantly preferable to an old existing building, the LCA demonstrated a convincing advantage over a standard
new construction, and with all these benefits, the remaining question was: at
what cost?
Life cycle costs typically comprise of the initial costs of a building, in this case
the purchase and modernisation of the existing building, and the consequential costs occurring due to operation and maintenance of the building. For
the calculation, a projection of building performance and the development
of prices has to be carried out. With that, the life cycle costs will depend on
parameters that only partly can be influenced by the building client and the
designer. The market environment within which the building will be operated
and maintained in the future influences other costs.
The longer the period of analysis (the time for which the cost figure is established), the more significant the dependency on external factors. Meanwhile,
highly energy efficient buildings, whether passive-houses, near-zero or netzero energy buildings, active houses or plus energy buildings, are becoming
decreasingly dependent or even independent of rising energy prices. On the
other hand, to achieve the projected energy performance, they become more
dependent on the ability to achieve and maintain the intended and required
performance levels - both relating to construction elements and to technical
components.
The international activehouse alliance has established a performance assessment, the active house radar, displaying performance aspects from a range
of selected sustainability aspects. These include environment, energy and
comfort. With that they are focussing on a selection of the generic aspects of
sustainable construction, as established ins ISO (ISO 15392). The Wilhelmsburg
building showed a good overall assessment in terms of the activehouse radar.
Additionally, an environmental life cycle assessment analysed the contributi-
key drivers of life cycle costs
- cost of construction / modernisation | the case study building was a demonstration project. With the character of a pilot project, neither the planning
cost, nor the construction costs should be interpreted as market prices.
- cost of building operation | depending on the scope of concern (what is
included in the calculation), these may include costs for energy, water, waste
water, cleaning, insurance, taxes etc
LCC - ECONOMIC VIABILITY OF CLIMATE
RENOVATION
Dr. Wolfram Trinius
Ingenieurbüro Trinius GmbH
Life Cycle Performance | Sustainable Construction
B3
64
- cost of maintenance and replacements | during building operation, the
performance requirements of the building need to be maintained. Building
elements and technical components may reach the end of their service life and
will need to be replaced
- period of analysis | with a longer period of analysis, the focus of cost
consideration shifts from the initial costs towards the costs of operation and
maintenance
- net present value | the net present values is typically applied to compare
different distributions or cost-over-time profiles of various design options. The
NPV calculation applies a projection of future costs to the moment of decision
making, future price increases drive the displayed costs, the applied capital
interest rate reflecting the intended or required capital profit and the risk associated with the investment, dampens the displayed costs.
The factors within the net-present-value calculation contain the elements that
are typically outside the decision-making of the building owner or the design
team. However, these may have a more significant influence on the total displayed costs than the costs in a nominal cost calculation. The costs of construction and operation and maintenance are the basis for the NPV calculation, but
not necessarily the sole significant drivers.
Highly energy efficient buildings will be less dependent of future changes read increases - of energy prices.
Life cycle costs, net present value, cost of ownership?
The investment necessarily needs to be made today, the savings as well as
the future costs occur spread over a longer period of time. The perspective on
costs - whether net-present or not, may become decisive for a decision makers
preference. Additional to that, the life cycle cost may be recognised as less important than the total cost of ownership - meaning that not the total amount
of money is decisive, but the costs at which the necessary monetary flow can
be arranged. Resulting is a different perspective on costs - and with that also a
different preference for design options.
The LCC evaluation of the Wilhelmsburg building showed that the life cycle
costs - in terms of net present value - can result in cost levels comparable
to other scenarios and options for the same building. The modelhome 2020
characteristics and qualities can be achieved without decisively significant
additional costs. But as these calculations involve scenarios and represent cost
perspectives, calculations representing different scenarios are to produce different results. Recognising this situation, our life cycle cost calculations were
applied with a range of parameters resulting in cost corridors rather than onedimensional results.
FOTO VELUX DEUTSCHLAND GMBH / ADAM MØRK
65
Vorgaben kritisch hinterfragt werden. Die größte Hebelwirkung entsteht oftmals aus der Infragestellung allgemeingültiger Standards und Normen. Zudem stehen unsere stetig steigenden Bedürfnisse in Bezug auf Flächenbedarf
und Ausstattungsstandards in diametralem Widerspruch zu dem Ziel, den
Ressourcenbedarf zu minimieren.
ENTWERFEN IM LEBENSZYKLUS.
ARCHITEKTONISCHE STRATEGIEN ZUR
OPTIMIERUNG DES MATERIAL- UND
RESSOURCENEINSATZES
Volumetrie und Maßstäblichkeit überprüfen
Auf der städtebaulichen ebenso wie auf der Gebäudeebene ist eine (angemessen) hohe Ausnutzung und Flächeneffizienz anzustreben. Dabei sollte nicht
primär auf die bauliche Dichte Wert gelegt werden, sondern vielmehr auf eine
hohe Nutzungsdichte. Die zu erwartende Anzahl an Bewohnern oder Arbeitsplätzen ist dabei aussagekräftiger als die Nettogeschossfläche.
Dipl.-Ing. Arch. Sebastian El khouli
Bob Gysin + Partnerund Technische Universität Darmstadt
Im Lebenszyklus entwerfen
Nachhaltigkeit ist ein umfassender, kontextueller und prozessorientierter Ansatz. Das Ziel des Entwurfsprozesses ist die ganzheitliche
Optimierung des Projektes nicht nur in enger Wechselwirkung mit
seinem räumlichen, sozialen und kulturellen, sondern auch mit seinem klimatischen Kontext. Das Ergebnis des Prozesses kann damit
nur eine sehr spezifisch lokale und damit individuelle Lösung sein
- die angewendeten Strategien und Methoden ähneln sich dabei jedoch stark.
B3
Ziele und Bedürfnisse ermitteln
Grundlage einer ressourcenschonenden Planung ist das Prinzip eines angemessenen Einsatzes der zur Verfügung stehenden Mittel. Zu diesem Zweck
und um Optimierungen nach dem Gießkannenprinzip zu vermeiden, sollten
deswegen die kurz-, mittel- und langfristig zu erwartenden Anforderungen
der Betreiber und Nutzer an das Gebäude detailliert bestimmt werden. Die
Abklärung und Priorisierung der Ziele und Bedürfnisse von Auftraggeber und
Nutzern ist einer der Schlüssel für den bedarfsorientierten Einsatz der Ressourcen und einen erfolgreichen Planungs- und Bauprozess.
Nachhaltig konstruieren
In den vergangenen Jahrzehnten lag der Fokus des ressourcenschonenden
Bauens vornehmlich auf der Reduktion der Betriebsenergie. Der Grund dafür lag einerseits in den besonders zu Beginn der Entwicklung vorhandenen
Einsparpotentialen gegenüber den existierenden gesetzlichen Anforderungen
und andererseits im Fehlen von belastbaren Erkenntnissen über die Ermittlung
und Optimierung der Umweltwirkungen von Baustoffen und Baukonstruktionen. In der jüngeren Vergangenheit ist die Auseinandersetzung mit Baustoffen
und Materialien wieder vermehrt in dem Mittelpunkt der Diskussion gerückt,
da die Bedeutung der Konstruktion auf Grund der immer weiter sinkenden
Energiebedarfe von Gebäuden stetig steigt. Bauen ist zudem seit jeher untrennbar mit der Nutzung von Materialien verbunden. Und die verwendeten
Baustoffe sind immer auch eingebunden in ihren gestalterischen Kontext. Die
Auseinandersetzung mit den ökologischen Eigenschaften von Materialien und
Konstruktionsmethoden stellt deshalb nicht nur ein immer wichtiger werdenden Bereich im Bauwesen dar, sondern bietet darüber hinaus die Möglichkeit,
Nachhaltigkeit erlebbar und im eigentlichen Wortsinn (be)greifbar zu machen.
Rahmenbedingungen und Anforderungen hinterfragen
Bei der Ermittlung der Rahmenbedingungen und Anforderungen sollten alle
Vorhandenes nutzen
Die Erhaltung des Bestandes ist auf Grund des hohen PEI und GWP der Pri-
66
märkonstruktion einem Abriss vorzuziehen. Voraussetzung hierfür ist jedoch,
dass die bestehende Struktur den Anforderungen der geplanten Nutzung im
Wesentlichen gerecht wird. Sollte die Analyse ergeben, dass der Erhalt des
Bestandes zu einer deutlich niedrigeren Flächeneffizienz, einer geringeren
Nutzungsflexibilität oder einem höherem Ressourcenbedarf im Betrieb führen
würde, sind Vor- und Nachteile detailliert gegeneinander abzuwägen. Bei Gebäuden mit einem hohen Energieverbrauch (Laborgebäude, Krankenhäuser,
Schwimmbäder, etc.) spielt die Konstruktion in der Gesamtbilanz nur eine
untergeordnete Rolle. Ein Neubau kann in diesem Fall oftmals die ökologisch
sinnvollere Entscheidung sein, sofern der Erhalt der Bausubstanz nicht aus
baukulturellen Gründen wünschenswert ist. Bei Wohn- oder Bürogebäuden
ist eine detaillierte Betrachtung jedoch in vielen Fällen sinnvoll. Das gilt vor
allem, wenn sich die bauliche Dichte auf dem Grundstück durch einen Neubau
nicht erheblich steigern lässt.
(Trag)struktur und Gebäudehülle optimieren
Bei der Planung der Tragstruktur sind die langfristigen Nutzungsanforderungen von zentraler Bedeutung (Flexibilität, Nutzungszyklen, Umnutzbarkeit).
Hier ergeben sich große Unterschiede in Abhängigkeit von Standort und Nutzung. Bei Labor- und Bürogebäude mit ihren kurzen Nutzungszyklen ist die
Trennung von Rohbau und Ausbau in jedem Fall sinnvoll, während bei Wohnungsbauten abgewogen werden muss, welche Umnutzungsszenarien realistisch und mit welchem Aufwand sie umzusetzen sind. Neben einer flexiblen
Tragstruktur ist eine durchgehende vertikale Lastabtragung anzustreben, um
den Ressourcenverbrauch zu minimieren und Mehrkosten zu vermeiden.
Varianten- und Bauteilvergleiche durchführen
Um belastbare Aussagen über die ökologischen Auswirkungen der Konstruktion eines Gebäudes treffen zu können, ist eine quantitative Ermittlung der
Umweltwirkungen im Rahmen der Entwurfsplanung unumgänglich. Bereits
in den frühen Entwurfs- und Planungsphasen ist deswegen die Durchführung
von Variantenvergleichen mit einfachen Tools empfehlenswert. Sie erlauben
es, die überwiegend qualitativen Bewertungsmethoden mit quantitativen
Daten zu hinterlegen und zu überprüfen, und die jeweiligen Vor- und Nachteile transparent zu machen. Dabei sollten nicht nur die quantitativ wichtigsten
Elemente, sondern auch die baubiologisch bedenklichen Baustoffe und Bauteile (Dichtungen, Anstriche, Lösungsmittel, etc.,) überprüft werden.
(Vereinfachte) Ökobilanzierungen erstellen
Mit einer vereinfachten Ökobilanzierung lassen sich Optimierungspotenziale
für den weiteren Planungsverlauf ausloten. Deshalb sollten die Berechnungen
nicht erst am Ende der Entwurfsplanung erstellt werden, sondern früh genug,
um die gewonnenen Erkenntnisse noch in die weitere Planung einfließen lassen zu können. Falls eine Gebäudezertifizierung geplant ist, dient die Berechnung zudem auch zur Risikoabschätzung. Eine frühzeitige Überprüfung gibt
Aufschluss darüber, ob sich die Projektvorgaben mit den geplanten Maßnahmen erreichen lassen. Auch wenn die Zielvereinbarung keine Ökobilanzierung
vorsieht, sollten im Rahmen der Entwurfsplanung trotzdem Berechnungen für
die wichtigsten Bauteile und Materialien erstellt werden, um abzuschätzen,
ob die geplante Konstruktion signifikante Verbesserungen gegenüber einer
Standardkonstruktion ermöglicht. Ziel des Vergleiches sollte es sein, die relativ beste Variante für das jeweilige Projekt zu ermitteln und nicht bestimmte
Zielwerte zu erreichen.
Schlüsselbauteile optimieren
Eine vergleichende Ökobilanzierung von funktionalen Einheiten oder auf
Bauteilebene sollte immer so aufbereitet werden, dass sich daraus konkrete
Handlungsanweisungen für die weitere Planung ableiten lassen. Bei dem
Vergleich verschiedener hinterlüfteter Fassadensysteme wird zum Beispiel
deutlich, dass die Unterkonstruktion – insbesondere wenn sie aus Aluminium
oder Edelstahl besteht - den weitaus größten Anteil zum GWP und PEI beiträgt. Eine Optimierung der äußeren Fassadenbekleidung könnte deswegen z.
B. darauf abzielen, die notwendige Unterkonstruktion zu minimieren, indem
möglichst leichte Platten eingesetzt und die Auskragungen minimiert werden
oder indem Größe und mechanische Eigenschaften der Platten möglichst große Achsabstände der Unterkonstruktion ermöglichen.
67
Die Kunst des Weglassens perfektionieren
Die Reduktion des Flächenbedarfs und das gezielte Weglassen besonders ressourcenintensiver Bauteile und Materialien stellt eine der effektivsten Maßnahmen zur Minimierung der Umweltwirkung von Gebäuden dar.
Bei der Alterssiedlung Köschenrüti war deshalb das übergeordnete Ziel der
Grundrissgestaltung, trotz der beschränkten Wohnfläche und ohne funktionelle Einbußen ein Höchstmaß an Großzügigkeit zu ermöglichen. So wurde
auch bei den 1.5-Zimmer-Wohnungen darauf Wert gelegt, dass ein zweiter
vollwertiger und abschließbarer Raum entsteht, um einen vor den Blicken der
Gäste sichtgeschützten Bereich zu schaffen. Der fließende Wohnraum gliedert
sich in verschiedene räumlich und funktionell differenzierte Bereiche und verzichtet auf wohnungsinterne Korridore.
Die gemeinschaftlichen Erschließungsbereiche dienen als vollwertig nutzbare Erweiterung des privaten Wohnraums und schaffen eine angemessene
Differenzierung der sensiblen Übergangsbereiche zwischen privaten und
gemeinschaftlichen Räumen. Der spielerische Umgang mit Enge und Weite,
Ausblicken und Fluchten wertet den Erschließungsraum zu attraktiven inneren
Begegnungsflächen auf. Die Ausbildung von farbigen Nischen rhythmisiert
den Raum und bildet zugleich individuelle Vorbereiche für die Wohnungen.
Sitzgelegenheiten im Bereich der Fassade bieten hierbei Aufenthaltsmöglichkeiten mit spannenden Ausblicken in die abwechslungsreich gestalteten
Außenräume.
Auf Grund der realisierten Grundrissoptimierungen entschloss sich eine Vielzahl von Mietinteressenten nach der Besichtigung der Musterwohnung für
eine kleinere Wohnung an Stelle des ursprünglich reservierten größeren Wohnungstyps. Dadurch konnte nicht nur die Wohnfläche - und mit ihr ebenfalls
der gesamte Energie-, Ressourcen- und Flächenverbrauch des Gebäudes pro
Bewohner - um fast 20% gesenkt werden. Die Reduktion der Mietkosten um
durchschnittlich 15% belegt zudem, dass nachhaltiges Bauen nicht zwangsläufig zu einer Erhöhung der Erstellungskosten und damit auch des Mietzinses
führen muss.
Auszüge aus „Nachhaltig konstruieren. Vom Tragwerksentwurf bis zur Materialwahl – Gebäude ökologisch bilanzieren und optimieren.“; Sebastian El khouli,
Viola John, Martin Zeumer; Detail Green Buch 2014
2.5 Zimmer Wohnung
1.5 Zimmer Wohnung
0
2
Bob Gysin + Partner BGP Architekten
351 Alterswohnungen Köschenrüti | Wohnungstypen
2.5 Zimmer Wohnung
ALTERSWOHNSIEDLUNG KÖSCHENRÜTI,
ZÜRICH: TYPISCHE WOHNUNGSGRUNDRISSE
ALTERSWOHNSIEDLUNG KÖSCHENRÜTI, ZÜRICH: GEMEINSCHAFTLICHER ERSCHLIESSUNGSBEREICH; FOTO: DOMINIQUE MARC WEHRLI©
0
2
68
Bob Gysin + Partner BGP Architekten
351 Alterswohnungen Köschenrüti | Wohnungstypen
GESCHOSSWOHNBAU MÜNCHEN 1958
MODELLERNEUERUNG IN HOLZ 2014
Florian Lichtblau
Kaufmann.Lichtblau.Architekten BDA
Die Themenkaskade ‚Umwelt_Quartier_Gebäude_Mensch’ heisst für unser Land vor Allem: Weiterbauen - die Zukunft im Gebäudebestand ist zum
Generalthema geworden. Und Sparen? Ist ohnehin
angesagt, Sparen von Geld, Energie, Folgekosten
Klimawandel - im direkten und übertragenen Sinn.
Wer aber meint, all das wäre billig und nebenbei
mitzunehmen, übrigens nicht nur beim Bauen - da
aber besonders, der irrt! Durch- und Weitblick heute heisst: zukunftsfähige Lebenszyklusqualität und Gesamtwirtschaftlichkeit im Bauen und Erneuern sind
per se untrennbar, sie verlangen ganzheitliche Zielsetzung, kompetente Teamarbeit, kluge Finanzstrategen und nicht zuletzt: gut informierte Trendsetter
und mutige Politiker mit entschiedenem Lenkungswillen. Es hat sich wohl
vieles getan in der letzten Zeit. In der nationalen CO2-Bilanz allerdings machen Wachstumszwang und Anspruchsschraube die schönen Fortschritte bei
Konsistenz und Effizienz immer wieder zunichte. Nichts für Schnäppchenjäger,
es mangelt an: Kompetenz, Suffizienz, Kostenwahrheit! Von Albert Einstein
stammt der entlarvende Satz: ‚Unsere Zeit ist geprägt von einer Vervollkommnung der Mittel und einer Verwirrung der Ziele.’
Der Klimawandel beschleunigt sich zusehends. Lassen sich die weder erträglichen, noch bezahlbaren Folgewirkungen nicht zumindest abmildern? Ich
meine ja und sie dürfen überrascht sein: mit unserem Wald wächst ein Teil
der Hoffnung. Nicht eigentlich neu, aber als gewaltiges Entlastungspotential
neu entdeckt und prämiert hat auch die Jury zum ‚Bayerischen Energiepreis
2014’ ein Bauprojekt der anderen, der hölzernen Art, das wir zusammen mit
Prof. Hermann Kaufmann aus Vorarlberg realisieren konnten. Ausgangspunkt
war eine Wohn-siedlung der GWG-München im tristen Originalzustand Nachkriegszeit (Abb.2): nach einem Studienjahr an der TU-München entwickelte
das Team unter Kaufmann.Lichtblau einen Zielekatalog für ganzheitlich geplante Architektur der Erneuerung auf drei Säulen:
1. Hochwertige Nutzung: Quantität, Qualität, Identität, Barrierefreiheit und
Außenräume
2. Zukunftsfähige Energie: Minimalbedarf, Effizienz, regenerative Quellen und
Ökonomie
3. Nachhaltige Bauweise: Bestandserhalt, ökologischer Holzbau, Prozeß und
Gestaltung
Zur Planung und Umsetzung der Modellerneuerung: die alte Tragstruktur
konnte großenteils erhalten, barrierefrei erschlossen und zu modernem
Wohn-/ Büroangebot ausgebaut werden (Abb.1/3). Neue Gebäudehüllen und
Aufstockungen bestehen aus vorgefertigten Holzelementen in Passivhausqualität, dazu Musterlösungen für Lebenszyklus- und Energiebilanz, Gebäudetechnik, Bauphysik, Statik, Brand- und Schallschutz, sowie einen effektiven
Bauprozeß. Nur ein altes Haus mußte weichen, mit dem Ersatz in Holzbau
entstand ein ganz neuer Gebäudetyp (Abb.5).
69
Die Devise zum Umgang mit dem unwiederbringlichen Gebäudebestand
thematisierte Kollege Muck Petzet für die Biennale Venedig 2012: ‚Reduce,
Reuse, Recycle’ - eine Idealehe hierzu bietet der Holzbau! Die unvermeidlichen
Mehrkosten für die Prototypen mit ‚Gesamtprädikat Nachhaltigkeit’ konnten
über die öffentlichen Förderprogramme für energetische Gebäudesanierung
kompensiert werden.
Mit ca. 1.100 Kubikmetern verbautem Holz - fast die gesamte Sanierungs- und
Neubaukonstruktion von Bauabschnitt 1 und 2 - konnten stolze 1.100 Tonnen
CO2 (durchschnittlicher Ausstoß 500 PKW in einem Jahr!) langfristig gebunden
werden. Der ganzheitliche Projekterfolg zeigt sich also nicht nur im drastisch
verringerten Betriebsenergie-Bedarf, bislang alleiniger Fokus von Verordnungen und Förderprogrammen zur Emissionsminderung. Der baukonstruktive
Einsatz des Kohlenstoffspeichers Holz bewirkt nun einen mitentscheidenden, aktiven Klimaschutz und substituiert darüberhinaus die energieintensive Herstellung konventioneller Baustoffe. Weitere Vorteile: die reduzierten
Wandstärken ergeben wertvollen Wohnflächengewinn und die Bauzeit vor Ort
kann sich aufgrund rationeller Vorfertigung erheblich verkürzen. Vielleicht das
wichtigste Ergebnis der Begleitforschung aber: die Bewohner sind glücklich in
ihren Holzhäusern.
Begonnen hatten wir mit der lustvollen Klimatherapie Holzwohnbau bereits
vor 15 Jahren. Im Rahmen des ‚Experimentellen Wohnungsbaues’ der Obersten Baubehörde in Bayern entwickelten wir für die Münchner Gewofag eine
neuartige Skelett-Tafelbauweise zur modularen Systemfertigung, einheitliche
Bauteile für einen hochvariablen Grundrißkatalog. Der Prototyp Neubau in
München-Riem wurde bereits 2002 fertiggestellt und bezogen. Seine betriebsenergetischen Merkmale wurden damals bereits über dynamische Simulation
optimiert und am ‚Passivhaus’ orientiert, wir durften es nur nicht so nennen.
Auch die passivsolare Innovation ‚Dämmen mit Licht’ funktioniert. Zwölf Jahre
später blicken wir zurück, zufrieden einerseits aber auch mit einiger Verwunderung darüber, daß wir eben keinen Boom auslösen konnten mit einem vielgepriesenen Prototyp, der bestens dasteht und nichts an Aktualität eingebüsst
hat. Im Gegenteil, aber was nicht ist, kann ja vielleicht noch werden ...
Der positive Dreifacheffekt von Holz im Neubau kann bei Erneuerung von Bestandsbauten noch gesteigert werden: Kosten-/ Abfall-/ Energievermeidung
durch Neunutzung vorhandener Tragstukturen + Langzeit-Kohlestoffspeicherung + Substitution künstlicher Baustoffe + Platz für den Nachwuchs junger
Bäume. Nur der Wirtschaftswald zeigt eine aktiv klimaentlastende Wirkung,
wer weiss schon, daß bereits etwa 50 Prozent der Emissionen in Bayern durch
ABB.1 GWG M-SENDLING, BA 1 2012, LAUBENGANG NACH OST (FOTO S. MÜLLER NAUMANN)
ABB.2 GEBÄUDE DER NACHKRIEGSSIEDLUNG, ORIGINALZUSTAND 1958 (FOTO LICHTBLAU ARCHITEKTEN)
ABB.3 THERMOGRAFIEAUFNAHME ALT/ NEU
70
die Holzwirtschaft kompensiert werden? Interessant auch: die heutigen
Betriebsenergie-Anforderungen nach EnEV liegen über die Lebensdauer von
Gebäuden etwa gleichhoch, wie die erforderliche Erstellungsenergie bei konventioneller Massivbauweise. Nur der kosequente Holzbau vermag die ‚graue
Energiebilanz’ auf Null zu senken, mit dieser Tatsache konnten wir der Stadt
München die Einführung eines ‚CO2-Bonus für nachwachsende Baustoffe’
schmackhaft machen: jedes verbaute Kilogramm CO2-Äquivalent wird jetzt
mit 30 Cent gefördert, als Übergang in eine unverzichtbare, gesamtwirtschaftliche Kostenwahrheit !
Nochmal zurück zum‚Bayerischen Energiepreis 2014’ für die Modellerneuerung
der GWG: was uns besonders gefreut hat war die besondere Weitsicht einer
Jury, die neu bewußt Bau und Betrieb unserer kleinen Gebäudeformation im
Lebenszyklus samt seiner ökonomischen, ökologischen und sozialen Relevanz
für Zukunftsfähigkeit erkannt hat. Möge diese Botschaft künftig auch die Politik, Wohnungsunternehmen und Eigentümergemeinschaften erreichen, die
sich gleichermassen noch so unnötig schwer tun mit wirklicher Nachhaltigkeit
- dort steht man sich mangels klarer Prioritätensteuerung selbst im Weg, aber
das ist eine andere Baustelle. Die gute Nachricht: Rationalisierungs- und Sympathiepotential des Holzbauens wachsen unaufhaltsam. Dieses ‚Solare Bauen
und Erneuern’ wie wir es verstehen fügt keinem Schaden zu, es stellt die Basis
dar für persönliche, gesellschaftliche, wirtschaftliche Zukunft in Freiheit und
verkörpert so die wahre Moderne der Architektur!
Daten und Fakten
Standort | München- Sendling, Badgasteiner-/ Fernpaßstraße
Bauherr | GWG Städt. Wohnungsgesellschaft München mbH
Planung+Bauleitung | KLA Kaufmann.Lichtblau.Architekten, München/ Schwarzach
Statik/ TGA | MKP Merz.Kley.Partner/ EST Energie.System.Technik
Förd./ Forsch. | KFW, dena, LH München, E2ReBuild
Baujahr/ -zeit | 1958/ Ba1 Erneuerung 2010-11, Ba2 Ersatzneubau 2012-13
Wohn-/ HN-fläche | Ba1 3.323 m2 (alt 2.012,+65 %), Ba2 2.027 m2 (alt 792,+155 %)
Nutzeinheiten | Ba1 46 WE/ Gebietsverwalt. (alt 36 WE), Ba2 35 WE (alt 16)
Hüllqualität Ht’ | Ba1 0,26 W/m2K (alt 1,56), Ba2 0,24 W/m2K (alt 1,64)
Endenergie | Ba1 22 kWh/m2a (alt 280), Ba2 21 kWh/m2a (alt 296)
Primärenergie | Ba1 22 kWh/m2a (alt 340), Ba2 18 kW/m2h (alt 362)
Baukosten | Ba1 950 €/ m2 BGF (KG 300/400 br.), Ba2 neu 1.075 €/m2 BGF
Holzeinsatz | 1.100 m3 Nadelholz, CO2-Bindung 1.100 to, zuzüglich Substitution
ABB.5 GWG M-SENDLING, BA 2 2014, ERNEUERUNG NACH WEST (FOTO S. MÜLLER NAUMANN)
ABB.3 ERNEUERUNG IN VORGEFERTIGTER HOLZKONSTRUKTION 2012/ 14 (GRAFIK LICHTBLAU ARCHITEKTEN)
71
+++ HAUS
ENTWICKLUNG EINES KOSTENGÜNSTIGEN, HOCHFLEXIBLEN
WOHNGEBÄUDES IN HOLZBAUWEISE UND ENERGIE+-STANDARD UNTER BETRACHTUNG DES GESAMTEN LEBENSZYKLUS
Björn Fries
Projektleiter | Architektur Contor Müller Schlüter
These
Die Ökologische Diskussion der letzten Jahrzehnte hat insbesondere in Deutschland dazu geführt, dass die hiermit verbundenen
Themen in unserer Gesellschaft eine zunehmend hohe Akzeptanz
erfahren. Dennoch wird das hiermit gestiegene Marktdurchdringungs- und Energieeinsparpotential oft nur unzureichend realisiert.
Energiesparen muss eben auch finanzierbar sein. Hierzu sind Ansätze
erforderlich, die die Mehrkosten von energiesparender Technik durch eine
Kompensation in anderen Bereichen ermöglichen. Idealerweise erfolgt dies
so, dass die Bedürfnisse des Nutzers dennoch gleichermaßen befriedigt
oder sogar z.B. durch eine aus den veränderten Randbedigungen abgeleitete
Ästhetik bereichert werden. Schließlich Bauen wir nicht in erster Linie Gebäude zum Energiesparen, sondern für den Aufenthalt von Menschen und zum
Wohlfühlen. Die Reduktion von Ressourcen bietet hier vorallem neue Chancen.
Des Weiteren ändern sich unsere Anforderungen an Wohnen fortlaufend. Im
Sinne einer langfristigen und somit nachhaltigen Nutzung müssen Wohngebäude daher in hohem Maße flexibel sein um so auch die funktionalen Bedürfnisse des zukünftigen Nutzers optimal zu erfüllen.
72
Projektansatz
Das +++ Haus-Projekt greift den etablierten Passivhausstandard als Zielgröße auf und will diesen weiterentwickeln. Die energetische und ökologische Bewertung von Gebäuden, die bisher üblicherweise auf die Nutzungsenergie beschränkt war, soll auf den kompletten Lebenszyklus - von
der Herstellungs- über die Nutzungs-, bis zur Rückbau- und Recyclingphase
- erweitert werden.
Um auch einem soziokulturell-funktionalen Nachhaltigkeitsbegriff gerecht
zu werden, legt das Projekt desweiteren einen Schwerpunkt auf die Ausbauund Anpassbarkeit im Sinne einer hohen Flexibilität.
Das übergeordnete Ziel ist es dabei, ein Gebäude zu äußerst marktfähigen
Konditionen zu entwickeln. Das Projekt setzt somit einen Kontrapunkt zu
Vorhaben, die vor allem in energetischer Hinsicht versuchen den Grenzbereich,
des technisch Möglichen auszuloten, ohne dabei die Wirtschaftlichkeit im
Fokus zu haben. Es wird ein Plusenergiestandard mit reduzierter Ausstattungsqualität und optimierter Haustechnik zu einem Budget eines Gebäudes
in konventioneller Bauweise angestrebt.
Im Rahmen der seit Anfang 2014 laufenden Konzeptions- und Planungsphase
wird das Gebäude in seinen massgeblichen Bauteilen analysiert. In iterativen
Produktentwicklungszyklen werden Lösungen erarbeitet, optimiert und zu
einem Gesamtkonzept zusammengefügt.
Das +++ steht dabei für die vollständige Deckung des durch das Gebäude induzierten Energiebedarfs für die Gebäudeherstellung, die Nutzung, sowie
die mit dem Gebäude in Verbindung stehende Mobilität (Strombedarf eines
Elektrofahrzeugs).
Primärenergie und Umweltwirkung
Die Diskussion um Primärenergiefaktoren ist neben den technischen Aspekten
auch von politischen Themen und Interessen geprägt und aufgrund der Komplexität Bauherren oftmals schwer zu vermitteln. Ein ausschließlicher Blick auf
den Primärenergiebedarf erscheint daher deutlich zu kurz gegriffen. Dem Forschungsprojekt geht es somit vorallem um eine ganzheitliche Betrachtung der
Ökobilanz des Gebäudes, sowie der unmittelbar mit dem Wohnen in Verbin-
dung stehenden Funktionen über einen Nutzungszeitraum von 50 Jahren. So
stehen vorallem neben der Energiebilanz vorallem die Umweltwirkungen und
hier in besonderem Maße das vom Gebäude und seiner Nutzung ausgehende
Treibhauspotential im Fokus.
In einer für ein Referenzgebäude erstellten Ökobilanz wurde ermittelt, dass
der dem Projekt zugrunde liegende Entwurf in klassischer, mineralischer
Bauweise für Herstellung, Unterhalt, Rückbau und Recycling einen nicht erneuerbaren Primärenergiebedarf (PENRT) von ca. 210.000 kWh und ein Treibhauspotential (GWP) von 65 t CO2-Äqv. aufweist (Gebäude ohne Bilanzierung
der Haustechnik). Für das gleiche Gebäude in Holzrahmenbauweise wurde in
einer überschlägigen Ökobilanz ein PENRT von ca. 80.000 kWh und ein GWP
von ca. 15 t CO2-Äqv. ermittelt. Somit ergibt sich ein Einsparpotential für die
Herstellungsphase von ca. 130.000 kWh bzw. ca. 50 t CO2-Äqv..
Dies Entspricht ca. 9,5 kWh/m²a für die Holzbauweise und ca. 24,5 kWh/m²a
für die mineralische Bauweise bzw. einem Einsparpotential von 15 kWh/m²a.
Dem gegenüber steht der im Rahmen des Projekts ermittelte Primärenergiebedarf für Heizen, Warmwasser und Lüften von je nach Technologie 54 bis 73
kWh/m²a, sowie ein Nutzerstrombedarf von ca. 42 kWh/m²a. Somit trägt das
Gebäude in herkömmlicher Bauweise über den gesamten Lebenszyklus betrachtet mit ca. 20% zum nicht erneuerbaren Primärenergiebedarf bei. Ca.
48% entfallen auf Heizen, Lüften und Warmwasser und ca. 32 % auf den Nutzerstrom. Von den 20% für das Gebäude lassen sich durch eine Holzbauweise
etwas weniger als zwei Drittel einsparen, insgesamt ergibt sich daraus ein
Gesamteinsparpotential von ca. 12%.
Schaut man sich die Ökobilanzen des mineralischen Referenzgebäudes und
des Holzgebäudes in Bezug auf das Treibhauspotential an, so stellt man fest,
dass die Baustoffwahl deutlich drastischere Relevanz hat, als dies ein erster
Blick auf den Primärenergiebedarf vermuten liesse. So entsteht für ein Gebäude, dessen Energiebedarf mit einer Photovoltaikanlage gedeckt wird in
der Nutzung über 50 Jahre eine Gesamtemission von ca. 36 t CO2-Äqv. Dem
gegenüber lassen sich über die Baustoffwahl, wie bereits erläutert, ca. 50 t
CO2-Äqv. einsparen. Das Einsparpotential ist also ca. 1,4 mal so groß wie das
Treibhauspotential aus der Nutzung des Gebäudes. Vor diesem Hintergrund
erscheint es daher insbesondere für den Gebäudetypus des Einfamilienhauses
als sinnfällig, sich mit den deutlichen Einsparpotentialen, die der Holzbau insbesondere im Hinblick auf die Verminderung des Treibhauspotentials mit sich
bringt intensiver zu beschäftigen und das für den Holzrahmenbau ermittelte
Einsparpotential ggf. weiter zu verbessern, sowie das wirtschaftlich darstellbare Optimum zu finden.
Mehrdimensionale Optimierung der Holzbauweise
Um dem Anspruch des Projekts gerecht zu werden, eine mehrdimensional
optimierte Bau-weise zu entwickeln, die ökologische, wirtschaftliche und
sozio-kulturelle Aspekte in Betracht zieht, wird die zunächst pauschal betrachtete Holzbauweise (klassischer Holzrahmenbau) im Rahmen des Projekts
eingehender analysiert und auf Ihre Optimierungspotentiale hin untersucht.
Hierzu werden Bauteile in ihren einzelnen funktionalen Schichten in Alternativen verglichen. Zum einen erfolgt auf dieser Basis eine Bewertung der
einzelnen Vor- und Nachteile von Alternativen innerhalb der funktionalen Einheiten. Zum anderen zeigt die Analyse aber auch auf, an welchen Stellen die
Optimierungspotentiale in welcher Höhe und zu welchen Kosten zu realisieren
sind. Konkret bedeutet dies zum Beispiel, dass das Optimierungspotential eines Bauteils für das Gesamtgebäude in Hinblick auf Primärenergie, Umweltwirkungen, etc. quantifiziert und gleichzeitig die Mehr- oder Minderkosten
gegenüber einer Bezugsvariante ermittelt werden. Diese Ergebnisse werden
ins Verhältnis gesetzt und ergeben Optimierungskosten je Alternative. Die
Optimierungskosten beschreiben in wirtschaftlicher Hinsicht die Effizienz der
jeweiligen ökologischen Optimierung.
Beispiel Aussenwand
Das Bauteil Aussenwand wurde in die Elemente Raumabschluss, Ständerwerk,
Dämmung und Fassadenbekleidung zerlegt. Für jedes Element wurden innerhalb des Holzbaus unterschiedliche Varianten gerechnet und analysiert. So
wurden zum Beispiel die raumabschliessendenSchichten des klassischen Holzrahmenbaus (Gipskarton, OSB, Unter-deckplatte) mit einem Raumabschluss
aus einer Brettsperrholzwand verglichen. Für die Brettsperrholzwand ergibt
73
sich hieraus das +++Haus ein Einsparpotential von ca. 14.700 kWh (PENRT)
und ca. 4,5 t CO2-Äqv. (GWP). Gleichzeitig führt diese Variante zu Mehrkosten
von 11.000 EUR. Die Optimierungskosten in Bezug auf das GWP belaufen sich
somit auf ca. 2,50 EUR pro eingesparter Tonne CO2-Äqv.. Für die Dämmung bildet die Referenzvariante ein Glaswolle Klemmfilz. Durch die alternative Verwendung von Holzweichfaserplatten lassen sich bei gleichem Wärmewiderstand ca. 9.500 kWh (PENRT) und ca. 9,8 t CO2-Äqv. einsparen. Die Mehrkosten
für den alternativen Dämmstoff belaufen sich dabei auf ca. 4.000 EUR. Die Optimierungskosten liegen somit bei 0,40 EUR pro eingesparter Tonne CO2-Äqv..
Die Holzweichfaserdämmung stellt somit also die deutlich kosteneffizientere
Möglichkeit zur ökologischen Optimierung dar.
optimierte Variante, sowie eine ausbalancierte Variante unter Einhaltung
des vorgegebenen Budgets ermittelt werden. Prinzipiell sollen es die im Rahmen des Forschungsprojekts zusammengestellten Datensätze aber auch ermöglichen, schnell und einfach unterschiedlichste Bauweisen zu vergleichen
und so auch auf ggf. veränderte Rahmenbedingungen reagieren zu können.
Ausblick und Fazit
Die Ermittlung der Optimierungskosten ermöglicht es somit Alternativen über
Bauteile und Elemente hinweg miteinander zu verglichen und die für ein vorgegebenes Budget effizienteste Bauweise zu ermitteln. Eine mehrdimensionale Gesamtoptimierung wird möglich.
Im Rahmen des Forschungsprojekts sollen für den Kontext des Holzbaus eine
maximal wirtschaftlich optimierte Variante, eine maximal ökologisch
MODELL UND PERSPEKTIVE VON ARCHITEKTUR CONTOR MÜLLER SCHLÜTER
74
ÖKOBILANZIERUNG UND LEBENSZYKLUSKOSTENBERECHNUNG BEI PLUSENERGIEHÄUSERN
AM BEISPIEL DES ENERGY+HOME
Dipl.-Ing. Architekt Ingmar Kurtz
Technische Universität Darmstadt
Fachbereich Architektur | Fachgebiet Tragwerksentwicklung und Bauphysik
Eines der wichtigsten Ziele im Energiekonzept
Deutschlands ist die Reduktion des Energiebedarfs
des Wohngebäudebestandes. Am Beispiel des
energy+Home in Mühltal bei Darmstadt wird gezeigt, wie für ein repräsentatives Gebäude aus den
70er Jahren eine CO2-neutrale Energieversorgung
wirtschaftlich umsetzbar und mit höchster Komfort- und Wohnqualität verbunden werden kann. Erfahrungen aus dem Neubaubereich wurden mit diesem Objekt erstmals auf den Gebäudebestand übertragen und demonstrieren,
wie eine derartige Sanierung ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltig
zu realisieren ist.
Bei dem Gebäude handelt es sich um ein Reihenendhaus in Hanglage und
Ost-/West-Ausrichtung mit einem leicht geneigten Satteldach. Das in Massivbauweise errichtete Gebäude wurde vor der Sanierung mit Heizöl beheizt und
wies eine Wohnfläche von 176m2 auf. Es kann damit als repräsentatives bzw.
typisches Einfamilienhaus aus den 70er Jahren bezeichnet werden. Das Haus
wurde im Jahr 2011 komplett modernisiert und dabei die Transmissions- und
Lüftungswärmeverluste der Gebäudehülle reduziert, die solaren Gewinne maximiert sowie die veraltete Anlagentechnik ersetzt. Seit der Sanierung wird
der Energiebedarf ausschließlich durch die Verwendung regenerativer Energien gedeckt.
Im Rahmen des von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt geförderten
Forschungsprojektes „energy+Home - Ökologische und ökonomische Untersuchung zur Umwandlung eines repräsentativen Wohngebäudes zu einem
Plusenergiehaus mit Elektromobilität“ wurde die Sanierung des im zentralen
Rhein-Main-Gebiet gelegenen Einfamilienhauses wissenschaftlich begleitet
und analysiert. Dabei wurde unter Anderem der Frage nachgegangen, welche
Umweltwirkungen und Kosten über den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes aus der Sanierung zum Plusenergiehaus entstehen und wie sich diese im
Vergleich zu den Umweltwirkungen einer Sanierung nach ENEV bzw. dem Abriss und Neubau des Gebäudes verhalten.
Mithilfe einer Ökobilanzierung lassen sich die potentiellen Umweltwirkungen
eines Gebäudes über dessen gesamten Lebenszyklus, also vom Ressourcenabbau der verwendeten Materialien über die Herstellung, dessen Betrieb, den
Rückbau und die Entsorgung des Gebäudes darstellen. Das methodische Vorgehen zur Bewertung dieser umweltbezogenen Qualität ist in DIN EN 15978
geregelt.
Der Anteil der Umweltwirkungen, welche aufgrund der Herstellung, Instandhaltung und Rückbau der Baukonstruktion entstehen, stehen dabei in einem
direkten Verhältnis zu den Umweltwirkungen der Nutzungsphase des Gebäudes. Dieser Anteil wird umso größer ist, je weniger Energie das Gebäude im Betrieb verbraucht. Gerade bei Plusenergiehäusern ist es daher umso wichtiger,
75
auf die Verwendung nachhaltiger Baustoffe zu achten, um die Umweltwirkungen der Baukonstruktion möglichst gering zu halten. Darüber hinaus
besteht bei Plusenergiehäusern die Möglichkeit, das Plus an Energie als Gutschrift in die Bilanzierung mit einzubeziehen und die Umweltwirkungen, welche aus der Baukonstruktion entstehen wieder auszugleichen. Außerdem wird
bei einem bestehenden Gebäude die bereits vorhandene Bausubstanz der Primärkonstruktion einem abgeschlossenen Lebenszyklus zugeordnet und damit
nicht in die Bilanzierung einbezogen.
Die verbauten Baustoffe, Baumassen und Verbindungen wurde im Rahmen
des Forschungsprojektes dokumentiert und als Grundlage einer Ökobilanzierung verwendet. Betrachtet wurden dabei das Treibhauspotential (GWP), das
Ozonabbaupotential, das Versauerungspotential, das Eutrophierungspotential, das photochemische Oxidantienbildungspotential und der Primärenergiebedarf über einen Zeitraum von 50 Jahren.
Die ermittelten Werte wurden einem Referenzgebäude, welches ein durchschnittliches Einfamilienhaus in Deutschland darstellt, gegenübergestellt.
Dabei zeigt sich, dass in sämtlichen betrachteten Wirkungskategorien die
Umweltwirkungen der Gebäudekonstruktion unterhalb denen des Referenzgebäudes liegen, was vor allem auf die Nutzung der bestehenden Gebäudesubstanz zurückzuführen ist. Aufgrund der energetischen Ertüchtigung der
Außenbauteile und des damit verbundenen niedrigen Heizwärmebedarfs und
verringerter Lüftungswärmeverluste, in Kombination mit der Nutzung regenerativer Energien durch eine Luft/Wasser-Wärmepumpe sowie der Deckung
des Strombedarfs durch eine monokristalline Photovoltaik-Anlage liegen die
Umweltwirkungen im Betrieb ebenfalls in allen betrachteten Wirkungskategorien deutlich unterhalb denen des Referenzgebäudes. Daraus ergibt sich
eine Gesamtwirkungsabschätzung welche die ökologische Wirksamkeit der
Sanierung unter Beweis stellt. Zum Beispiel beträgt das Treibhauspotential
der energy+Home Sanierung gerade einmal 11% des Wertes des Referenzgebäudes.
76
Die Gegenüberstellung der Ergebnisse des energy+Home mit einer alternativen Sanierung nach ENEV sowie einem Abbruch und Neubau des Gebäudes
zeigt zudem, dass die Sanierung zum energy+Home im Vergleich mit den betrachteten Sanierungsvarianten die geringsten Umweltwirkungen im Lebenszyklus von 50 Jahren aufweist und sich der Mehraufwand des Treibhauspotentials in der Konstruktion während des Betriebs gegenüber dem unsanierten
Bestand nach 4 Jahren und gegenüber den ENEV-Variante nach 17 Jahren
amortisiert. Gegenüber dem unsanierten Bestand spart das energy+Home im
Betrachtungszeitraum von 50 Jahren ca. 7.000 kg CO2/m2NGF ein.
Zur Bewertung der ökonomischen Qualität der Sanierung wurden neben einer
Wirtschaftlichkeitsbetrachtung die Lebenszykluskosten (LCC) über einen Zeitraum von 50 Jahren abgeschätzt. Diese unterteilen sich in die Herstellungskosten nach DIN 276 sowie die Nutzungskosten nach DIN 18960, aufgeteilt in Betriebskosten, Instandsetzungskosten und Kosten für Inspektion und Wartung.
Die Herstellungskosten für Baukonstruktion und technische Anlagen lassen
sich wiederum unterteilen in Kosten zur Steigerung der Energieeffizienz, Kosten für die Instandsetzung, welche sowieso im Zuge der Sanierung anstehen,
sowie Kosten für wohnwertverbessernde Maßnahmen (z.B. die Verwendung
von hochwertigem Massivholzparkett oder die Veränderung der Raumaufteilung). Ohne Berücksichtigung der wohnwertverbessernden Maßnahmen,
welche allein den Komfortansprüchen geschuldet sind und nicht zur Steigerung der energetischen Qualität des Gebäudes beitragen, belaufen sich die
Herstellungskosten der Sanierung auf 1.200 €/m2WF. Dies entspricht 62% der
Lebenszykluskosten und stellt damit den größten Anteil an der Gesamtsumme dar. Auf Inspektion, Wartung und Instandsetzung entfallen zusammen
27% der Kosten und nur 11% gehen zulasten der Betriebskosten für Heizung,
Warmwasser und Strom.
Eine Abschätzung der Lebenszykluskosten für eine Sanierung nach ENEV ergab, dass hierbei zwar die Herstellungskosten niedriger ausfallen als bei der
energy+Home Sanierung, dass dafür jedoch die Betriebskosten deutlich höher
ausfallen. Aufgrund der Erträge aus der PV-Anlage und niedrigerer Betriebskosten amortisieren sich die erhöhten Investitionskosten im Betrachtungszeitraum von 50 Jahren gegenüber der ENEV-Variante. Die leicht erhöhten
Kosten für Wartung, Instandsetzung, Instandhaltung, welche als Prozentsatz
der Investitionskosten berechnet werden und daher höher ausfallen als bei
der ENEV-Variante, werden wieder ausgeglichen. Dies gilt auch für die Ersatzinvestitionen, also für die Neuanschaffung von Gebäudeteilen, deren Nutzungsdauer kleiner als 50 Jahre ist und die daher im Betrachtungszeitraum
ausgetauscht werden müssen. Die Lebenszykluskosten der beiden Varianten
sind nach einem Zeitraum von 50 Jahren nahezu identisch und die Investition
in die Sanierung des energy+Home amortisiert sich bereits nach ca. 35 Jahren
gegenüber dem unsanierten Bestand.
Gegenüber der ENEV Variante besitzt das energy+Home einen klaren ökologischen Vorteil. Während die Kostenkennwerte noch relativ nahe beieinander
liegen, zeigt sich eine deutliche Differenz beim Emissionsverlauf der beiden betrachteten Sanierungsvarianten. In der Herstellungsphase weist das
energy+Home ein 32% größeres Treibhauspotential auf als die Sanierung
nach ENEV, jedoch amortisieren sich diese Mehraufwendungen bereits nach
17 Jahren. Am Ende des Betrachtungszeitraums übersteigen die Emissionen
der ENEV Variante die des energy+Home um das zweieinhalbfache bzw. 765
kg CO2/m2.
Fazit
Eine ganzheitliche Nachhaltigkeitsbewertung sollte immer sowohl ökonomische wie ökologische Gesichtspunkte berücksichtigen und diese als Entscheidungsgrundlage ansetzen. Sanierungen von Einfamilienhäusern aus den 70er
Jahren hin zu Plusenergiehäusern sind ökologisch sinnvoll und wirtschaftlich
vertretbar. Die Umwandlung und Nutzung bestehender Bausubstanz bietet
sowohl gegenüber dem unsanierten Bestand, als auch gegenüber dem Abbruch und Neubau des Gebäudes die Möglichkeit, langfristig Kosten und graue
Energie einzusparen. Da die geschaffenen Qualitäten für die nächsten 40 bis
50 Jahre den Wohnanforderungen gerecht werden müssen, sollte vor jedem
Eingriff immer gleichzeitig geprüft werden, ob damit eine baukulturelle und
architektonische Verbesserung einhergeht.
INNENRAUMFOTO ENERGY+ HOME (DIEPHOTODESIGNER.DE)
GRAFIK (FG TWE, TU DARMSTADT)
77
Foto: VELUX / Adam Mørk
BLOCK 4 | VERNETZUNG
VORTRÄGE UND ESSAYS
PLANUNG UND BETRIEB VON
ENERGIE+ SIEDLUNGEN UND QUARTIEREN
Prof. Dr. Werner Jensch und Volker Stockinger
Hochschule für angewandte Wissenschaften München
Competence Center-Energieeffiziente Gebäude
Die Reduzierung der Energiebedarfe durch passive Maßnahmen
stellt bei Energie+ -Siedlungen und -Quartieren ebenso wie bei
allen anderen Gebäudekonzepten eine wichtige, jedoch nicht die
einzige Option dar. Vielmehr ermöglicht elektrische und thermische
Eigenerzeugung und Überschusseinspeisung weitere Alternativen.
So kann ein höherer Energiebedarf für den Gebäudebetrieb und
die damit verbundene Einsparung an Grauer Energie sinnvoll sein,
wenn die hierfür notwenige Energie aus regenerativen Quellen
selbst gedeckt oder durch die Abgabe von Überschüssen bilanziell
ausgeglichen wird.
Bei der Bereitstellung von eigenerzeugter thermischer und elektrischer Energie müssen alle Aspekte von der Erzeugung, über die Verteilung bis hin zum Einsatz von Energiespeichern inklusive der notwendigen Hilfsenergien in der Planung ebenso Berücksichtigung
finden wie der Standort, das Gebäude und das Nutzerverhalten. Nur
so kann bereits in der Planung die Grundlage für einen optimalen
Anlagenbetrieb in der späteren Nutzungsphase gelegt werden.
B4
80
Eigendeckung und Eigennutzung
Durch die Eigenerzeugung ist in Energie+ -Versorgungskonzepten neben dem
externen Energiebezug auch die Eigendeckung des elektrischen und thermischen Energiebedarfs möglich. Die Alternativen erstrecken sich von der vollständigen Eigendeckung bis zur vollständigen Deckung des Energiebedarfs
durch externen Energiebezug. (siehe auch Abbildung 1). Der Eigendeckungsgrad ist ein Maß für die Energieautarkie. Autarke Versorgungskonzepte verfügen über einen Eigendeckungsgrad von 100 Prozent.
Die Nutzung der eigenerzeugten Energie spielt bei Energie+ -Versorgungskonzepten eine ebenso elementare Rolle wie die Deckung des Energiebedarfs.
Auch hier erstrecken sich die Möglichkeiten von vollständiger Eigennutzung
bis zur kompletten Einspeisung. Der Eigennutzungsgrad kann als Indikator für
die „Netzverträglichkeit“ eines Energie+ -Versorgungskonzeptes verstanden
werden. Je mehr elektrische Energie selbst verbraucht wird, umso geringer ist
die Beeinflussung des öffentlichen Versorgungsnetzes durch die Einspeisung
der regenerativen Energieüberschüsse.
Grundsätzlich können keine allgemeingültigen Aussagen über die optimalen
Eigendeckungs- und Eigennutzungsgrade getroffen werden. Jedoch sollten
unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten möglichst hohe Eigendeckung und
Eigennutzung das Ziel sein.
Elektrische Erzeugung
Neben der Wärmebereitstellung aus idealerweise ausschließlich regenerativen Wärmequellen, wie der Solarstrahlung und Umgebungswärme, kommt
der elektrischen Eigenversorgung zukünftig besondere Bedeutung zu. Energie+ -Versorgungskonzepte verfügen in der Regel über PV-Anlagen zur Bereitstellung von Strom. Doch auch der Einsatz anderer elektrischer Erzeugungsanlagen ist denkbar. Diese kommen, je nach Konzept, ergänzend oder anstelle
der PV zum Einsatz. Besonders Kraft-Wärme-Kopplung stellt eine interessante
Option dar. Sie kann für einen Ausgleich der reduzierten Bereitstellung von
elektrischer Energie aus PV in den Wintermonaten sorgen und gleichzeitig die
erzeugte Wärme für Heizzwecke eingesetzt werden. Eine vollständige Eigendeckung des elektrischen Energiebedarfs ist nicht zwingend anzustreben. Eine
teilweise Eigendeckung ist meist als die sinnvollere Alternative anzusehen. Die
Eigenerzeugung kann den eigenen Energiebedarf auch übersteigen und zum
energetischen Ausgleich von bezogener Energie ganz oder teilweise in das öffentliche Versorgungsnetz eingespeist werden. Die Eigennutzung sollte jedoch
zunächst immer Vorrang vor der Einspeisung haben.
Energiespeicherung
Energieangebot und –nachfrage sind bei der Bereitstellung aus regenerativen
Quellen meist nicht deckungsgleich. Um eine möglichst hohe Eigennutzung
sowie Eigendeckung aus den eigenen regenerativen Energiequellen zu erreichen, muss eine zeitliche Verschiebung der Energieströme erfolgen. Dies ist
mit elektrischen und thermischen Energiespeichern möglich, die innerhalb
des Energie+ -Versorgungskonzeptes zentral oder dezentral angeordnet sind.
Grundsätzlich werden Speicher nach der Dauer der angestrebten zeitlichen
Verschiebung unterschieden. Es kann sich um Speicher für den tageszeitlichen
Ausgleich oder um Langzeitspeicher handeln, die das Ziel eines ganzjährigen
saisonalen Ausgleiches verfolgen. Während die Speicherung von thermischer
Energie Stand der Technik ist und beispielsweise in Sonnenhäusern sogar die
saisonale Verschiebung zum Ziel haben, ist die Speicherung von elektrischer
Energie aktuell noch nicht so weit voran geschritten. Zwar verfügt der Markt
über ausreichend Techniken zur elektrischen Energiespeicherung. [2] Aktuell
stellen jedoch ausschließlich Batterien eine alltagstaugliche Alternative für
Siedlungen und Quartiere dar. Auch die Batterie-Speicherung hat sich zum aktuellen Zeitpunkt aus ökonomischen Gründen noch nicht in der breiten Masse
durchgesetzt. Für die Speicherung müssen aktuell sehr große und vergleichsweise teure Batterie-Pakete vorgehalten werden. Jedoch lassen die aktuellen
Entwicklungen auf dem Markt und der Trend zur Elektromobilität Verbesserungen im Bereich der Elektrospeicher erhoffen, die sich in einer verbesserten
Energiedichte und fallenden Preisen zeigen könnten. Da Energie+ -Versorgungskonzepte über elektrische Erzeuger verfügen, muss dem Einsatz von
elektrischen Speichern besondere Bedeutung zukommen. Sie ermöglichen die
Nutzung der erzeugten Energie in Zeiten ohne eigene Erzeugung. Zusätzlich
entlasten sie bei richtiger Betriebsführung die öffentlichen Netze, indem sie
Einspeisespitzen aus regenerativen Energieerzeugern reduzieren oder sogar
vollständig vermeiden. [3] Hohe Eigennutzung und Eigendeckung oder gar
ein autarker Betrieb sind ebenfalls nur mit Elektrospeichern realisierbar.
ABBILDUNG 1: THERMISCHE UND ELEKTRISCHE ENERGIEFLÜSSE BEI ENERGIE+-VERSORGUNGSKONZEPTEN (QUELLE: [1])
81
Betriebsoptimierung
Die Betriebsoptimierung ermöglicht die fortlaufende Überprüfung und Verbesserung des Anlagenbetriebes. Hierfür kommen in der Regel Werkzeuge
wie Betriebsvisualisierungen zum Einsatz, die einen Überblick über die aktuelle Performance der Energiebereitstellung ermöglichen. Die messtechnische
Erfassung der Energieversorgung – von der Erzeugung über die Verteilung bis
hin zur Nutzung – bildet die Grundlage für energetische Betriebsoptimierung
und ermöglicht neben der visuellen Darstellung des Anlagenbetriebes eine
detaillierte Analyse und somit das Feststellen von möglichem Fehlverhalten.
Einen Überblick über die benötigte Messtechnik liefert Abbildung 2.
Durch Betriebsoptimierung ist es nicht nur möglich, die Energieerzeugung
effizienter zu gestalten, sondern auch unerwünschte Effekte in der Verteilung
oder der Energieübergabe an den Nutzer festzustellen. Somit stellt die Betriebsoptimierung ein unverzichtbares Werkzeug zur Erreichung der gesteckten energetischen Ziele von hochtechnisierten Versorgungskonzepten dar.
Durch eine veränderte Betriebsführung oder geringinvestive Maßnahmen
könnte in vielen Gebäuden der Strom- und Wärmeverbrauch um 10 bis 20 %
reduziert werden. [4] Dies wird durch die Erkenntnisse aus dem Bauvorhaben
Ludmilla-Wohnpark in Landshut (LWP) bestätigt. Der LWP wurde im Rahmen
des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) geförderten
Forschungsvorhaben +Eins untersucht. [5] Im Nahwärmenetz konnten witterungsbereinigt 20 Prozent Energieeinsparung für die Wärmeversorgung sowie
50 Prozent im Hilfsenergieverbrauch realisiert werden. [6] Dies unterstreicht
nochmals die Bedeutung von Betriebsoptimierung für Siedlungen und Quartieren mit hocheffizienten Versorgungskonzepten.
Literaturverzeichnis
[1] Stockinger, Volker. 2014. Energie+ Siedlungen und -Quartiere – Definition, Planung, Betrieb,
Nutzung, Bilanzierung und Bewertung. Dresden, Deutschland. (Eingereichte Dissertationsschrift)
[2] Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB). 2008. Energiespeicher – Stand und Perspektiven. Sachstandsbericht, Arbeitsbericht Nr. 123, Berlin, Deutschland.
(unveröff.).
[3] Fraunhofer Institut für solare Energiesysteme (ISE). 2013. Speicherstudie 2013 – Kurzgutachten zur Abschätzung und Einordnung energiewirtschaftlicher, ökonomischer und anderer Effekte
bei Förderung von objektgebundenen elektrochemischen Speichern. Fraunhofer ISE, Freiburg,
Deutschland. (unveröff.).
[4] Plesser, Stefan; Fisch, M. Norbert. 2010. Gebäude energieeffizient betreiben – Den Anspruch
der Planung einlösen. BINE Informationsdienst, Karlsruhe, Deutschland.
[5] Jensch, Werner; Stockinger, Volker. 2011. +Eins – Plusenergiesiedlung Ludmilla-Wohnpark
Landshut. Vortrag im Rahmen der Vortragsreihe VDI – IDV: Programm Wintersemester 2011, VDI,
München, Deutschland, 08. November 2011.
[6] Stockinger, Volker. 2014. Wärmeversorgung von Quartieren – Plusenergiesiedlung LudmillaWohnpark Landshut. Vortrag im Rahmen der Intersolar 2014, Solar Promotion GmbH, München,
Deutschland, 04. Juni 2014.
ABBILDUNG 2: ÜBERSICHT ÜBER DIE BENÖTIGTE MESSTECHNIK ZUR ÜBERPRÜFUNG DES
BETRIEBSVERHALTENS (QUELLE: [1])
82
ENEFF: STADT
FORSCHUNGSPROJEKT „URBANRENET“ | VERNETZTE REGENERATIVE
ENERGIEKONZEPTE IM SIEDLUNGS- UND LANDSCHAFTSRAUM
Thomas Meinberg
Technische Universität Darmstadt
Fachbereich Architektur | Fachgebiet Entwerfen
und Energieeffizientes Bauen
Unsere Gesellschaft ist von urbaner Prägung. Insbesondere die bestehenden Wohn- und Arbeitswelten sind oftmals eng im Siedlungskontext vernetzt
und besitzen untereinander zahlreiche Wechselwirkungen. Der Energiebedarf wird allerdings
bisher getrennt in Stadtplanung und Energieversorgung betrachtet und geplant. In Zeiten, in denen zentrale Versorgungssysteme zunehmend von dezentralen, regenerativen Anlagen abgelöst werden,
ist ein Umdenken erforderlich. Die Komplexität und Heterogenität städtischer
Strukturen erschweren jedoch die Erstellung integrativer Energieversorgungskonzepte von Quartieren. Zudem gibt es oftmals nur unvollständige Daten
zu Energieverbräuchen, energetischen Gebäudestandards oder Effizienzwerten der bestehenden Bausubstanz. Für eine ganzheitliche Stadtentwicklung
sind deshalb neue Werkzeuge zur Analyse und vernetzten Konzeption nötig.
An einem solchen arbeitet eine Forschungsgruppe mehrerer Fachgebiete der
Technischen Universität (TU) Darmstadt mit dem Projekt „UrbanReNet“, das
Teil der Forschungsinitiative „EnEff:Stadt“ ist und vom Bundesministerium für
Wirtschaft und Energie gefördert wird. Mittlerweile befindet sich das Projekt
in einer zweiten Bearbeitungsphase.
Urbanes Energiemodell zur nachhaltigen Quartiersentwicklung
Ziel dieses Forschungsprojektes ist die Entwicklung eines Softwaretools, mit
dem nachhaltige Energiekonzepte auf Quartiersebene geplant und verschiedene Energieversorgungskonzepte simuliert werden können. Dafür müssen
die ortspezifischen Energieerzeugungs-, Speicher- und Vernetzungspotenziale
innerhalb der baulichen und freiräumlichen Strukturen eines Siedlungsverbunds identifiziert sein. Kern der interdisziplinären Zusammenarbeit ist die
Entwicklung eines mathematischen „Vernetzungsmodells“, das durch Typisierung und Abstraktion in der Lage ist, ein komplexes Quartiersgefüge auf die
für eine Vernetzung entscheidenden energetischen Elemente zu reduzieren
und abzubilden.
Der Stadtraum als neue Bilanzierungsebene
In der ersten Projektphase von 2009 bis Herbst 2012 war die Studie Teil des
Verbundprojektes „Auslegung und intelligentes Management optimierter
Energieversorgungsstrukturen“. Hier wurden schwerpunktmäßig stadtmorphologische Bestandsstrukturen hinsichtlich ihrer energetischen Potenziale
und des Bedarfs untersucht, in dem die Bilanzierungsgrenze schrittweise vom
Einzelgebäude auf die Quartiersebene erweitert wurde.
Somit konnten auf diese Weise 13 verschiedene „Energetische Stadtraumtypen“ (EST) identifiziert werden, die den deutschen Siedlungsbestand repräsentieren. Diese sind:
EST 1 | Freistehende Wohnbebauung
niedriger bis mittlerer Geschossigkeit
EST 1a | Freistehende Einfamilienhausbebauung
EST 1b | Freistehende Mehrfamilienhausbebauung
83
EST 2 | Reihenhausbebauung
EST 3 | Zeilenbebauung niedriger
bis mittlerer Geschossigkeit
EST 4 | Großmaßstäbliche Wohnbebauung hoher Geschossigkeit
EST 4a | Großmaßstäbliche
Zeilenbauten
B4
EST 4b | Freistehende Wohnhochhäuser
EST 5 | Blockrandbebauung
EST 6 | Dörfliche Bebauung
EST 7 | Historische Altstadtbebauung
EST 8a | InnenstadtbebauungUnterzentrum
EST 8b | InnenstadtbebauungMittelzentrum
EST 8c | InnenstadtbebauungOberzentrum
EST 9 | Geschäfts-, Büro-, und
Verwaltungsbebauung
EST 10 | Gewerbebebauung
EST 11 | Öffentliche Parkanlagen
EST 12 | Friedhofsanlagen
EST 13 | Kleingartenanlagen
Im Ergebnis wurden für diese 13 identifizierten EST Steckbriefe entwickelt,
in denen nicht nur ihre architektonischen und räumlichen Charakteristika beschrieben sondern auch ihr jeweiliges energetisches Profil systematisch erfasst
wurde. Dabei berücksichtigt das Forschungsprojekt zudem Aspekte, wie Energie am jeweiligen Quartier bereitgestellt, gespeichert, verteilt oder auch eingespart werden kann. Diese Systematisierung urbaner Strukturen durch Einteilung des Gebäudebestandes in gleiche räumliche Einheiten (den EST) bildet
das Rückgrat bei der Entwicklung des mathematischen „Vernetzungsmodells“.
In der Praxis konnten die Ergebnisse der ersten Projektphase bei mehreren
Stadtquartieren der „Innovation City Bottrop“ mit realen Verbrauchsdaten
abgeglichen werden und als Handlungsempfehlung zur energetischen Optimierung des Städtebaus in die Modellsiedlungen einfließen.
Kenndaten und energetische Charakteristika bestimmen
Um für jeden Stadtraumtyp die baustrukturellen Merkmale inklusive der Freiraumstruktur zu ermitteln, wurde bei der Datenerhebung soweit möglich auf
bestehende Studien zurückgegriffen sowie eigene, zum Teil sehr umfangreiche
Untersuchungen durchgeführt. Abhängig von der Gebäudenutzung ergaben
sich dabei erhebliche Unterschiede: Während bei Wohnnutzungen eine relativ
gute Datengrundlage zum Energieverbrauch besteht, waren für die Bereiche
Gewerbe, Handel, Dienstleistung (GHD) sowie Freiraum umfangreiche eigene
Untersuchungen notwendig.
Die entsprechenden Informationen wurden aus verschiedenen Quellen zusammengeführt. Zum einen werden bestehende Potenzialbegriffe wie die „Solare
Gütezahl“ erweitert. Zum anderen wurden eigene Methoden zur Potenzialerfassung entwickelt – wie beispielsweise für die oberflächennahe Geothermie und den urbanen Biomasseanbau. Das Potenzial eines Energetischen
Stadtraumtyps beschränkt sich dabei nicht nur auf technische Möglichkeiten,
sondern lotet auch neue Gestaltungsspielräume durch die Nutzung regenerativer Energien aus. So erweitert zum Beispiel die „Solare Kleinarchitektur“
in Form von überdachten (Park)plätzen das Flächenpotenzial im Straßen- und
Freiraum. Der urbane Biomasseanbau kann bestehende Freiraumnutzungen
funktional aufwerten.
Die unterschiedlichen Energieträger und -ströme werden im Softwaretool
leicht handhabbar und praxistauglich bilanziert. Saisonale Schwankungen
ERWEITERUNG BILANZIERUNGSGRENZE (QUELLE: TU DARMSTADT, FG ENTWERFEN UND
ENERGIEEFFIZIENTES BAUEN)
84
bei Bedarfen und Potenzialen, unterschiedliche geographische Lagen und die
notwendige Unterteilung in Baualtersklassen bestimmen die Komplexität des
Rechenmodells.
Einteilung des Stadtraums in energetische Einheiten – Funktion des
Softwaretools
Die zweite Projektphase startete im September 2012 und wird bis Ende April
2015 andauern. Als Ziel dieser Phase soll ein Modell zur stundenweisen Simulation der Über- oder Unterversorgung von Strom und Wärme die Energiebilanzierung der Stadtraumtypen erweitern. Anschließend wird ausgehend
von der Jahresbilanz eine zu erwartende Über- oder Unterdeckung mit Strom,
Wärme und chemischer Energie des Gebietes stundenweise simuliert. Ebenso wird der Lastspitzenausgleich durch Vernetzung in das bisher entwickelte
mathematische Modell eingearbeitet. Auf Grundlage dieses mathematischen
Modells wird das Softwaretool als Entscheidungshilfe für die Praxis weiterentwickelt, das die Planung künftiger Energieversorgungskonzepte erleichtert.
Im nächsten Schritt ist die Festlegung von Kenngrößen geplant, die sich in
den jeweiligen Stadtraumtypen als sinnvoller Energiemix herauskristallisiert
haben. Mittels variabler Stellschrauben wie beispielsweise dem solaren Anteil
bei der Energieversorgung lassen sich dann verschiedene Versorgungsszenarien durchspielen und eine energetisch optimierte Lösung für das jeweilige
Stadtquartier finden. Der Bearbeitungsmaßstab liegt je nach Größe des Un-
tersuchungsgebiets bei 1:2.000 bis 1:2.500. Zur Erfassung der energetischen
Bedarfe und Potenziale wird dabei im Softwaretool der betrachtete Stadtausschnitt - das Quartier - in kleine, baustrukturell vergleichbare Einheiten - den
EST - unterteilt. Dieses Vorgehen ist mit einem „Baukastensystem“ vergleichbar. Neben den EST stehen noch weitere „Stadtbausteine“ zur differenzierten
Einteilung eines Quartieres zur Verfügung. Diese sind zum einen „Energetische Straßenraumtypen“ sowie „Energetische Einzelelemente“. Letzteres sind
Bauten, die aufgrund ihrer Größe keinen eigenen EST bilden, für eine energetische Vernetzung jedoch wichtig sind. Dazu zählen unter anderem Schulen,
Kindergärten und Krankenhäuser.
Energetische Stadtraumtypen (EST), Energetische Einzelelemente (EE) und
Energetischer Straßenraumtypen (SRT)
Im nächsten Schritt werden die so ermittelten „Stadtbausteine“ (EST, EE, SRT)
durch die jeweilige Baualtersklassen sowie weiterer Parameter spezifiziert.
Auf diese Weise kann der Benutzer ortsspezifische Gegebenheiten der „Stadtbausteine“ im Softwaretool berücksichtigen. Durch Veränderungen dieser
Parameter können verschiedene Entwicklungsszenarien bzw. Energieversorgungskonzepte simuliert werden.
Nach der Simulation werden die baustrukturellen Kennwerte sowie die Bedarfe und energetischen Potenziale der einzelnen Stadtraumtypen und Einzelelemente in Datenblättern aufbereitet und stehen dem Benutzer zur Verfügung.
Auf diese Weise können die Kennwerte auch unabhängig vom Softwaretool
zur Bewertung verschiedener Situationen herangezogen werden. Die grafische Dateneingabe und –ausgabe soll eine schnelle und intuitive Festlegung
des Untersuchungsgebiets und die Bestimmung der jeweiligen Stadtraumtypen ermöglichen. Dies erleichtert es Nutzern, die Bausteine eines optimierten
Energiekonzepts auch ohne vertiefte Kenntnisse in Gebäude- und Anlagentechnik nachzuvollziehen und zu kommunizieren.
Für das Ende der zweiten Projektphase die Entwicklung einer Betaversion
des Planungstools anvisiert. Damit bekommen Architekten, Stadtplaner und
Versorgungstechniker ein Hilfsmittel in die Hand das als Entscheidungshilfe
für Energiekonzepte im urbanen Raum interdisziplinäres Planen und Ressourcenschutz effizient verbindet. Weitere mögliche Nutzer dieses Tools sind Wohnungsbaugesellschaften sowie Stadtverwaltungen.
ZEITLICHES VERNETZUNGSMODELL (QUELLE: TU DARMSTADT, FG ENTWERFEN UND ENERGIEEFFIZIENTES BAUEN)
85
ENEFF:CAMPUS TU BRAUNSCHWEIG
REALLABOR FÜR EINE ENERGETISCHE
QUARTIERSSANIERUNG
Thomas Wilken
IGS | Institut für Gebäude- und Solartechnik
Technische Universität Braunschweig
B4
Am Beispiel des innerstädtischen Campus der TU Braunschweig
wurden im Forschungsprojekt „EnEff Campus:blueMAP TU Braunschweig“ beispielhaft Planungs- und Optimierungsmethoden zur
Verbesserung der Energieeffizienz von Stadtquartieren entwickelt
und erprobt. Aufbauend auf der evaluierten Ausgangssituation
(Flächen-, Energie-, Kosten- Kennzahlen etc.) wurden Szenarien zur
Reduzierung des Energieverbrauchs auf Gebäudeebene, dem rationellen Energieeinsatz und der Nutzung erneuerbarer Energiequellen auf dem
Hochschulcampus unter ökologischen und ökonomischen Randbedingungen
untersucht.
Motivation und Ziele
Um die Umsetzung der Energiewende in Deutschland bis 2050 voranzutreiben, steckt sich die Bundesregierung in ihrem aktuellen Energiekonzept hohe
Klimaschutzziele. Gleichzeitigt sollen langfristig Rahmenbedingungen für
deren schrittweise Umsetzung bis 2050 geschaffen werden. Bis zu diesem
Zeitpunkt soll ein klimaneutraler Gebäudebestand mit einem sehr geringen
Energiebedarf und einer überwiegenden Deckung aus erneuerbaren Energien erreicht werden. Das 6. Energieforschungsprogramm reagiert auf diese
Herausforderungen mit Forschungsschwerpunkten, die sich verstärkt mit der
86
Erforschung von Entwicklungspotentialen auf Stadt- und Quartiersebene befassen. Im Bereich der Nicht-Wohngebäude bieten die deutschen Hochschulen
dabei ein besonders großes Innovations- und Vorbildpotential, wie es auch in
der EU-Richtlinie zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden formuliert wird.
Den Hochschulen in Deutschland kommt deshalb eine Schlüsselrolle zur Erreichung der Klimaschutzziele zu. Sie sind nicht nur für Lehre und Forschung
verantwortlich, sondern mit ihrem umfangreichen und heterogenen Gebäudebestand sowie ihren Neubauten selbst dazu prädestiniert, ein Lernlabor für
´Energieoptimiertes Bauen und Betreiben´ (EnOB/ EnBop/ EnEff:Stadt, etc.)
zu bilden. Vor diesem Hintergrund ist das Forschungsprojekt „EnEff Campus:
blueMAP TU Braunschweig“ der ideale Katalysator und Multiplikator für Innovationen. Während der dreijährigen Projektlaufzeit hat ein interdisziplinär
aufgestelltes Team aus Architekten, Städtebauplanern, Maschinenbauingenieuren, Elektrotechnikern u. a. einen integralen energetischen Masterplan
erstellt. Um den Anspruch der wissenschaftlichen Einrichtungen bei der Planung und Erarbeitung innovativer Konzepte zu dokumentieren, werden die
politisch vorgegebenen Teilziele, z. B. für die Reduzierung von CO2-Emissionen
bis 2020, verdoppelt, und Visionen für eine nachhaltige Energieversorgung des
Campus bis 2050 entwickelt.
Der Campus der TU Braunschweig
Das Campus-Areal der TU Braunschweig befindet sich im innerstädtischen
Bereich und besteht aus vier Arealen mit insgesamt 200 Gebäuden, die eine
Gesamt-Nettogrundfläche von ca. 400.000 m² einnehmen. Den größten Anteil dieser Gebäude und Flächen beherbergen Verwaltungs- und Büroräume,
sowie Laboreinrichtungen. Der jährliche Wärmeenergieverbrauch summiert
sich auf ca. 44 GWh, der jährliche Stromverbrauch auf ca. 35 GWh im Basisjahr
2011. Im Bereich Wärme ist dieser Energieverbrauch mit ca. 2.200 und im Bereich Strom mit ca. 10.000 Einfamilienhäusern vergleichbar.
Gebäudebestand
Auf dem Hochschulgelände befinden sich eine Vielzahl typischer Universitätsgebäude mit unterschiedlichen Nutzungen (Vortragsräume, Bibliothek,
Mensa, Büro, Labor, Hallenbauten, Verwaltung, usw.) und Gebäude aller
Baualtersklassen (historische Gebäude 18./19. Jhd., Gründerzeit, Moderne
der 50er Jahre, Funktionsbauten der 60&70er Jahre, Neubauten). Ein Großteil
der Gebäude stammt aus der Phase erhöhter Bautätigkeit der Jahre zwischen
1950 und 1980. Insgesamt wurden 82 % des Gebäudebestands vor 1980 und
damit vor dem Inkrafttreten der ersten Wärmeschutzverordnung 1977 errichtet. Nach Flächenverteilung der Nutzungsgruppen der DIN 277 liegt der
Schwerpunkt der TU Braunschweig mit ca. 40 % der Gesamtfläche im Bereich
Forschung. Weitere 30 % verteilen sich auf die Büroarbeit, die restlichen Nutzungsgruppen liegen ebenfalls bei insgesamt ca. 30 %.
Datenbasis
Die TUBS verfügt als eine der ersten Hochschulen in Deutschland über eine
umfassende gebäudespezifische, zeitlich hochaufgelöste Erfassung der Energieverbräuche mit Zuordnung zu Flächen gem. DIN 277, Nutzungen sowie zur
zukünftigen Bedarfsentwicklung. Ein zentral eingerichtetes Energiemanagementsystem ermöglicht die Überwachung und Steuerung der gebäudetechnischen Anlagen, die zum Großteil mithilfe von Gebäudeleittechnik in das
System integriert sind. Durch gezielte Montage von Zähl- und Messeinrich-
tungen lassen sich schnell und einfach Teilenergiekennwerte in den Gebäuden ermitteln, um damit die Optimierung der Energieperformance effektiv zu
unterstützen.
Ziele und Methodik
Für die Erstellung eines integralen energetischen Masterplans wurden folgende Schwerpunktthemen gewählt:
• Städtebau
• Verkehr und Mobilität
• Architektur, Bauphysik und Gebäudetechnik
• Nutzerverhalten
• Energieerzeugung und -verteilung
Hochschulübergreifend beschrieb die HIS die Datenbasis für den aktuellen
Wissensstand und stellte den Austausch mit anderen Hochschulen und internationalen Programmen sicher. Mit dieser Aufstellung wurden im Forschungsprojekt „EnEff Campus: blueMAP TU Braunschweig“ drei Hauptziele verfolgt:
1. Integraler energetischer Masterplan
Status 2010: Für den Gebäudebestand des Campus der TU Braunschweig wird
der Energiebedarf und der Energieverbrauch, der Städtebau und die Mobilität
dokumentiert und in einem Energiekataster als Baseline für die weitere Bearbeitung abgebildet.
ZENTRALCAMPUS TU BRAUNSCHWEIG | PANORAMA SÜD
87
Konzept 2020: Das Energiekataster wird in ein interdisziplinäres Berechnungsmodell für die Campusentwicklung übertragen, mit dem multiple Parameterstudien für verschiedene Szenarien der Campusentwicklung erstellt werden.
2. Umsetzungsorientierte Planungsphase 2020, Vision 2050
Die Ergebnisse werden einen detaillierten Entwicklungsplan für den Campus
der TUBS 2020 aufzeigen, der mit der Hochschulleitung und den weiteren
verantwortlichen Institutionen zu einem konkreten Umsetzungsplan unter
Berücksichtigung technischer, finanzieller und administrativer Aspekte entwickelt wird. Darüber hinaus werden Szenarien für die langfristige Perspektive
2050 dargestellt. Die Vision 2050 bildet die Grundlage für eine dauerhaftes
„Commitment“ der Hochschule für eine nachhaltige Campusentwicklung.
3. Verwertungsgrundlage
Im Rahmen der Erstellung des integralen Masterplans werden durch das interdisziplinäre Team Werkzeuge und Methoden für die Bearbeitung der komplexen Themen und Aufgabenstellungen entwickelt und evaluiert. Die erarbeiteten Konzepte und Szenarien bilden die Grundlagen für die Planungs- und
Umsetzungsphase und sind Bestandteil zukünftiger Forschungs- und Lehraktivitäten im Bereich des energieoptimierten Bauens und Betreibens.
Ergebnisse
In der ersten Phase des Projekts, die Ende Juli 2015 abgeschlossen wird,
wurden innerhalb der Schwerpunktthemen gebäudeenergetische, organisatorische und infrastrukturelle Maßnahmen als Teilaspekte für den Masterplan definiert. Hierbei wurden u.a. Methoden und Werkzeuge entwickelt,
die eine Vereinfachung in der Erfassung und Berechnung von energetischen
Gebäudegrundlagen ermöglichen, sowie die Erstellung von Maßnahmen zur
Verbesserung der Energieeffizienz und Potentiale zur Senkung des Energieverbrauchs wirtschaftlich vergleichbar abbilden. Aus den in den jeweiligen
Arbeitspaketen beschriebenen Einzelmaßnahmen wurden für die Themenbereiche „Gebäude“ und „Mobilität“ jeweils drei verschiedene Szenarien unter
Berücksichtigung des Projektziels „Reduzierung der Primärenergie um -40%“
für den Gesamt-Campus abgeleitet. Die Höhe der durch die Umsetzung der
Maßnahmen prognostizierten Senkung des Primärenergieverbrauchs (Status
88
2010) ermöglicht einen Vergleich der einzelnen Szenarien. Das Ergebnis ist ein
mehrdimensionales Umsetzungskonzept für die nächsten vier Jahre, das im
Folgeprojekt die Grundlage bilden wird für 1. die intensive praktische Umsetzung der energetischen Optimierung des Campus bis 2020 und 2. begleitende
präzise Variantenuntersuchungen für das langfristige Ziel eines weitgehend
CO2-neutralen Campus und die Entwicklung langfristiger Strategien.
Szenarien 2020 „Gebäude“
Auf Gebäudeebene wurden aus Einzelmaßnahmen Szenarien abgeleitet.
Szenario 01 beinhaltet sämtliche untersuchten Maßnahmen, Szenario 02
setzt sich aus Maßnahmen zusammen, die kurz- bis mittelfristig umsetzbar
sind und Szenario 03, das Minimal-Szenario, enthält kurzfristig umsetzbare,
geringinvestive Maßnahmen. Über Szenario 01 kann das Projektziel einer Reduzierung der Primärenergie um -40% bis 2020 erreicht werden. In Szenario
02 wird das Projektziel annähernd erreicht, obwohl auf die kostenintensiven
Maßnahmen „Gebäudehülle“ und „BHKW“ verzichtet wird. In Szenario 03
wird der Zielwert nicht erreicht, jedoch kann über diese kurzfristig umsetzbaren Maßnahmen, wie Betriebsoptimierung der RLT-Anlagen, Austausch der
Beleuchtung in den Verkehrszonen, Austausch von Altgeräten an Kühl- und
Gefrierschränken sowie Einsparungen über das Nutzerverhalten der Primärenergieverbrauch bereits um 31% reduziert werden.
Szenarien 2020 „Mobilität“
Im Bereich des Mobilitätsmanagements erfolgte die Betrachtung systemisch
integrierter Maßnahmen, die in Öffentlichkeitsarbeit, Push- und Pull-Maßnahmen unterteilt werden können. Diese sollen den Umstieg von Menschen
vom PKW auf andere Verkehrsmittel bzw. auf Fahrgemeinschaften fördern. Zu
solchen Maßnahmen zählt beispielsweise Carsharing, eine Mietradflotte oder
auch eine interne Mitfahrbörse. Im Aktionsfeld Mobilität wurden die Bereiche
Mitarbeitermobilität, Dienstreisen und Dienstfahrzeuge erörtert, für die punktuelle Maßnahmen entwickelt wurden. Diese sehen im Detail die Einführung
von Home-Office-Tagen, aber auch die Bereitstellung von Videokonferenzräumen und EFahrzeugen vor. Auch die Vorgabe eines Mindestbestellwertes dient
in diesem Zusammenhang der Senkung von Kosten, indem durch die Bündelung von Bestellungen Transportenergie eingespart wird. Die drei Szenarien
sind so zusammengestellt, dass der Umfang der einzelnen Maßnahmenbündel zunimmt.
Umsetzung Masterplan TU Braunschweig 2020
Mit dem Start des Folgeprojekts „EnEff Campus 2020“ im August 2015 geht die
TU Braunschweig in die Umsetzungsphase des Masterplans 2020. In enger Abstimmung zwischen der Hochschulleitung, der Landesebene, der beteiligten
Fachinstitute und nicht zuletzt des lokalen Energieversorgers wird in den kommenden drei Jahren ein für die deutsche Hochschullandschaft zukunftsweisendes Maßnahmenpaket zur energetischen Optimierung des Campus vorbereitet und schrittweise umgesetzt werden. Damit wird die TU Braunschweig
zum wichtigen Impulsgeber für die Energiewende in der Stadt und zum Vorreiter der Energetischen Optimierung von Hochschulen in Deutschland.
Schwerpunkt I – Demonstration
Das Ziel, die CO2-Emissionen der TU-BS um 40 % zu senken, kann nur erreicht
werden, wenn in kurzer Zeit eine Vielzahl verschiedener Maßnahmen umgesetzt wird. Daraus lassen sich folgende Strategien für die Optimierung in den
nächsten drei Jahren definieren, die konkret umgesetzt werden sollen:
• Neubau, Sanierung, Instandhaltung
• Energieversorgung
• Nutzermotivation und -information
• Städtebauliche Entwicklung
Die einzelnen Strategien werden auf einander abgestimmt, bleiben jedoch
unabhängig voneinander umsetzbar. Auf diese Weise kann bei Bedarf flexibel
auf mögliche Veränderungen reagiert werden, ohne das Gesamtziel im Grundsatz zu gefährden. Zusätzlich wird das langfristige Ziel eines weitgehend CO2neutralen Campus in eine präzisere Variantenuntersuchung überführt und
entsprechende langfristige Strategien entwickelt.
Schwerpunkt II – Technologieforschungsplattform „Real-Life-Lab
Campus TUBS“
Im zweiten Schwerpunkt wird unter Nutzung der einmaligen Datenverfügbarkeit an der TU Braunschweig eine Technologieforschungsplattform „RealLife-Lab Campus TU BS“ mit vernetzten Technologieforschungsstrategien
für hochinnovative integrale Entwicklungen aufgebaut. Nachdem im vorangegangenen Projekt der Energieverbrauch auf Gebäudeebene und teilweise
auf Systemebene erfasst worden ist, wird im Projekt Campus II diese Technologieplattform für die Nutzung von Gebäudedaten zur Optimierung der Gebäudeperformance entwickelt. Dabei werden folgende Schwerpunkte gesetzt:
Durch die Evaluierung der Ergebnisse im „Real-Life- Lab Campus TUBS“ und
die Umsetzung der Ergebnisse im Campus-Quartier findet unter den beiden
Schwerpunktthemen ein kontinuierlicher Austausch bei der Entwicklung, Umsetzung und Erprobung innovativer Technologien statt.
SZENARIEN 2020 „GEBÄUDE“
SZENARIEN 2020 „MOBILITÄT“
89
Foto: VELUX / Adam Mørk
PODIUMSDISKUSSION
„1 MIO. AKTIVPLUS GEBÄUDE BIS 2020“
PODIUMSDISKUSSION
„1 MIO. AKTIVPLUS GEBÄUDE BIS 2020!
WIE KOMMT DER STANDARD AUF DEN MARKT?“
MODERATION
BORIS SCHADE-BÜNSOW
Chefredakteur Bauwelt
„Wir müssen die Energiewende als ganzheitliche Aufgabe der intelligenten, interdisziplinären und sozialen Stadt- und
Regionalplanung begreifen und die einzelnen Disziplinen, die dazu gehören miteinander verbinden. Eine einseitige Betrachtung der Architektur oder der Technik reicht nicht aus.“
PROF. THOMAS AUER
Technische Universität München, Gebäudetechnologie und Bauklimatik
„Um erfolgreich zu sein muss der AktivPlus Standard entweder wirtschaftlich oder sexy sein!“
SEBASTIAN EL KHOULI
Bob Gysin + Partnerund Energieberater Technische Universität Darmstadt
„Schlüsselelemente für die Akzeptanz des Standards von Seiten der Bauherren und Nutzer - und damit für den Erfolg von AktivPlus - werden die einfache Verständlichkeit und Anwendbarkeit in den Bereichen Planung, Realisierung und Kommunikation
darstellen.“
92
INGEBORG ESSER
Hauptgeschäftsführerin Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e. V.
„Aus Sicht der Wohnungswirtschaft sind AktivPlus Gebäude ein sinnvoller Baustein im Puzzle der Energiewende. Wegen steuerlicher Hemmnisse sind aber einem Großteil der Wohnungsunternehmen die Hände gebunden, was Stromerzeugung am oder im
Gebäude betrifft. Sie können gar keine Aktiv-Häuser errichten. Hier ist die Politik in Bezug auf die Rahmenbedingungen gefordert!“
MORITZ FEDKENHEUER
Sozialwissenschaftler und Wissenschaftlicher Mitarbeiter Technische Universität Darmstadt
„Mit unserer Forschung konnten wir aufzeigen, dass sich der Mehrwert energieeffizienter Gebäude nicht auf die Umwelt beschränken muss,
sondern diese das Potential besitzen, auch die Lebensqualität ihrer Bewohner essentiell zu verbessern. Wollen wir die Akzeptanz gegenüber
zukunftsweisenden Energiekonzepten erhöhen, dann sollten wir dieses Potential nutzen und der Nutzerzufriedenheit größere Bedeutung zumessen. Dass die Bewohner dabei mehr Verantwortung und Gestaltungsspielraum erhalten, ist genau richtig. Viel zu lange wurde der Mensch
mit seinen individuellen Bedürfnissen nur als Störfaktor gesehen, dessen Einflussnahme auf das Gebäude möglichst zu minimieren sei.“
LONE FEIFER
Programme Director Sustainable Living in Buildings, VELUX A/S, Dänemark
„ ‚HealthyHome‘ ist der Treiber für die AktivPlus-Entwicklung“
MINSTERIALRAT HANS-DIETER HEGNER
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
„Heute schon das Richtige für die Zukunft tun, ist schwer. Winston Churchill meinte: „Die Zukunft ist ein verfluchtes Ärgernis
nach dem anderen“. Aber man kann es auch mit den Augen des antiken griechischen Staatsmanns Perikles sehen: „Es ist nicht
unsere Aufgabe, die Zukunft vorauszusagen, sondern auf sie gut vorbereitet zu sein.“
93
MIT FREUNDLICHER UNTERSTÜTZUNG VON
WWW.VELUX.DE
WWW.DEUTSCHE-ECO.DE
WWW.NAHEIMST.DE
WWW.KAMPA.DE
WWW.SIEDLUNGSWERK.DE
„WIR BAUEN GESUNDHEIT“
WWW.DFHAG.DE
WWW.EGS-PLAN.DE
94
WWW.EFFITEC.DE
IN PARTNERSCHAFT MIT
WWW.BMUB.BUND.DE
WWW.CEP-EXPO.DE
95
WWW.REECO.EU
DIE WEGE ZU EINER NACHHALTIGEN
GEBÄUDEQUALITÄT AKTIV MITGESTALTEN!
Die Beiträge haben Ihr Interesse geweckt? Werden Sie Teil des AktivPlus-Netzwerks und gestalten Sie den Gebäudestandard gemeinsam mit uns.
Werden Sie Mitglied!
Auf der website des Vereins finden Sie alle nötigen Unterlagen zur Mitgliedschaft: Vereinssatzung, Mitgliedsantrag und Beitragsordnung
// www.aktivplusev.de //
.... sowie viele weitere Infos, aktuelle Events und Pressemitteilungen und spannende Projekte zum AktivPlus Standard!
96
NOTIZEN
97
NOTIZEN
98
KONTAKT
AktivPlus e.V.
Walter-Kolb-Strasse 22
D-60594 Frankfurt am Main
Fon: +49 - 69 - 23 81 75 86
Hélène Bangert (Geschäftsstellenleitung) Mail: [email protected]
Presseanfragen:
Caroline Fafflok
(Öffentlichkeitsarbeit FB Architektur TU Darmstadt / Ehrenamtlicher Vorstand)
Fon: +49 - 6151 - 16 75 924
Mail: [email protected]
Astrid Unger
(Leitung PR- / Öffentlichkeitsarbeit Velux Deutschland GmbH /
Ehrenamtlicher Vorstand)
Fon: +49 - 40 - 54 707 - 450
Mail: [email protected]
Licht am Ende des Tunnels
Y
EnergiePLUS! Alles andere ist zu wenig,
begründet Prof. Norbert Fisch. Der
Energiedesigner beschreibt, was den
neuen Energiestandard ausmacht und wie
er im Quartier erreichbar wird.
Y
Vom Passivhaus zum Aktiv(Plus)haus
Nachhaltiges Bauen ist die einzige
Lösung für unseren Dauerkonflikt
zwischen Wachstum und Ressourcen.
Prof. Manfred Hegger liefert den Beweis.
Y
Das Ende der verlorenen Jahre
Prof. Werner Sobeks unangepasster
Sicht auf die Welt des Bauens folgt ein
auf viele Jahre angelegtes innovatives
Architekturkonzept.
Y
Nachhaltig gebaut. Bewiesen?
Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges
Bauen ist ein Mitmach-Verein, ein
Wir-beweisen-es-Netzwerk, sagt DGNBChefin Dr.-Ing. Christine Lemaitre.
352 Seiten. 2,7 Kilo reines Denkgewicht. Preis: 69,00 Euro. Jetzt bestellen unter:
www.haus-2050.de
Herunterladen