21.MAI 2015 CEB MESSE STUTTGART UNTER DER SCHIRMHERRSCHAFT DES 2 04-07 // 08-11 // 12-23 // 24-43 // 44-57 // 58-61 // 62-75 // 76-89 // 90-93 // 94-95 // Einleitung und Programm Grußworte Der AktivPlus Standard Beiträge Block I Energie Beiträge Block II Nutzer Keynote | Active House Alliance Beiträge Block III Vernetzung Beiträge Block IV Lebenszyklus Podiumsdiskussion Sponsoren und Partner Für die Inhalte externer Beiträge ist der AktivPlus e.V. nicht verantwortlich. Bildrechte, die nicht sichtbar angegeben sind liegen bei den Verfassern der Beiträge. 3 seinen Kongress unter der Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit ausrichten zu dürfen und somit Ministerialrat Hans-Dieter Hegner in Stuttgart begrüßen zu dürfen. 2. AKTIVPLUS SYMPOSIUM WEGE ZU EINER NACHHALTIGEN GEBÄUDEQUALITÄT Hélène Bangert | Geschäftsstellenleiterin des AktivPlus e.V. Mit dem 2. AktivPlus Symposium am 21. Mai 2015 setzen wir, der AktivPlus e.V., die seit 2014 ins Leben gerufene Veranstaltungsreihe fort und präsentieren nach einjähriger interdisziplinärer Arbeit in vier Arbeitsgruppen die Fortschritte in Richtung des AktivPlus Gebäudestandards. Gebäude verbrauchen in Deutschland rund 35 Prozent der gesamten erzeugten Energie pro Jahr. Aus diesem Grund gewinnen Themen, wie die energetische Sanierung von Bestandsgebäuden, zunehmend an Bedeutung. Vor diesem Hintergrund wurde der AktivPlus e.V. gegründet - eine Initiative von Planern und Wissenschaftlern mit dem Ziel, einen zukunftsfähigen Standard für Gebäude und Quartiere in der Bau- und Immobilienwirtschaft zu entwickeln, zu fördern und in der Gesellschaft zu etablieren. Der ganzheitliche AktivPlus Ansatz berücksichtigt nicht nur Energieverbrauch und -gewinnung, sondern auch die Bedürfnisse der Nutzer, die in den Gebäuden leben und arbeiten. Präsentiert wurde dieser fundamentale Ansatz erstmalig im Rahmen des ersten AktivPlus Symposiums im März 2014. Auch dieses Jahr lud der Verein erneut Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik ein, um den Status Quo darzustellen und gemeinsam zu diskutieren sowie weitere Schritte in Richtung des nachhaltig gesunden Bauens und Wohnens einzuleiten. Der AktivPlus e.V. hat dabei die besonders große Ehre, 4 „Der AktivPlus Verein hat das Ziel, einen zukunftsfähigen Standard für Gebäude und Quartiere zu entwickeln. Dabei wollen wir in besonderer Weise auch die Nutzer einbeziehen. Wir müssen eine neue selbstverständliche Art zu bauen erreichen, die es dem Nutzer ermöglicht, seine Handlungsoptionen für einen nachhaltigen Gebäudebetrieb zu kennen und zu nutzen. Bis dahin ist es noch ein langer Weg und es ist natürlich ein ambitioniertes Ziel – aber dies muss der Anspruch sein. Daher freuen wir uns sehr auf das zweite Symposium und den Austausch mit Partnern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik“, erklärt Prof. Joost Hartwig, Vorstandsvorsitzender AktivPlus e. V. Wir als Verein haben die große Freude zahlreich namenhafte Größen aus Wissenschaft und Wirtschaft für das Symposium gewonnen zu haben. In vier Themenblöcken zeigen die Referenten in ihren Vorträgen unterschiedliche und technologieoffene Wege zum angestrebten AktivPlus bzw. Plusenergie Gebäudestandard auf. Durch den Veranstaltungstag führt Sie Prof. Dr. Thomas Stark, Professor für Energieeffizientes Bauen an der HTWG Konstanz. Eine an die Themenblöcke angeschlossene und von Boris Schade-Bünsow, Chefredakteur der Bauwelt, moderierte Podiums-Diskussion, setzt sich abschließend mit der Frage „1 Mio. AktivPlus Gebäude bis 2020! Wie kommt der Standard auf den Markt?“ auseinander. Dank einer großen Auswahl an Exposés, die wir im Rahmen eines Call for Papers erhalten haben, ist ein spannendes Programm mit hochkarätigen und inhaltlich wertvollen Vorträgen entstanden. Die Vielzahl an hochwertigen und interessanten Beiträgen, welche über den Rahmen des Programms hinaus eingegangen sind, ließen wir in diesen Tagungsband einfließen. Wir möchten uns hiermit herzlich bei allen Autoren in diesem Band bedanken, die uns ihre Beiträge zur Verfügung gestellt haben und mit Ihren fachspezifischen Projekten aus Praxis und Wissenschaft viele Ideen und Fortschritte zum Thema AktivPlus und Plusenergie aufgezeigt haben. Auf den folgenden Seiten nutzen wir die Möglichkeit, die vier Arbeitsgruppen Energie, Nutzer, Lebenszyklus und Vernetzung vorzustellen und erstmalig die Kurzbeschreibungen der Hauptmerkmale des AktivPlus Standards zu veröffentlichen. ENERGIE Effizienz Gebäudehülle Technik Erneuerbare Energien Ein besonderer Dank gilt hierbei den sehr aktiven Mitgliedern und vor allem den Vorstandsmitgliedern des AktivPlus e.V., die mit unermüdlichem und ehrenamtlichem Engagement die Ziele und Inhalte des Standards seit nunmehr zwei Jahren vorantreiben. Als junger gemeinnütziger Verein sind wir für die Unterstützung der Sponsoren (namenhaft auf der Seite 94 erwähnt), durch welche dieser Tagungsband realisiert werden konnte, ebenfalls sehr dankbar. NUTZER VERNETZUNG Komfort Information Architektur-Integration Netzintegration Mobilität LEBENSZYKLUS Ökobilanz Kosten Wir wünschen allen Teilnehmern und Gästen einen erkenntnisreichen Tag und freuen uns auf reges Netzwerken! Hélène Bangert | Geschäftsstellenleiterin des AktivPlus e.V. 5 PROGRAMM 2. AKTIVPLUS SYMPOSIUM | WEGE ZU EINER NACHHALTIGEN GEBÄUDEQUALITÄT 10:40h „Machbarkeitsuntersuchung Plusenergieschulen“ Cornelia Jacobsen | Ingenieurbüro Hausladen GmbH, Kirchheim 11:00hKurzdiskussion 11:10h Kaffeepause 9:30h Begrüßung durch Jasna Röhm, REECO GmbH Grußwort durch AktivPlus e.V. Hélène Bangert, Geschäftsstellenleiterin Prof. Joost Hartwig, Vorstandsvorsitzender Grußwort aus dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) Ministerialrat Dipl.-Ing. Hans-Dieter Hegner BLOCK 2 | NUTZER DER MENSCH UND SEINE BEDÜRFNISSE IM MITTELPUNKT VON GEBÄUDE UND TECHNIK Moderation Prof. Dr.-Ing. Thomas Stark | ee concept gmbh und HTWG Konstanz, Fachgebiet Energieeffizientes Bauen BLOCK 1 | ENERGIE ERNEUERBARE ENERGIEN, NUTZERSTROM, BILANZIERUNGSRECHNUNGEN 10:00h „Aktiv-Solarhäuser – Gebäudeintegrierte Solartechnik im Spannungsfeld von Baukultur und Energieeffizienz“ Prof. Dr.-Ing. Roland Krippner | Technische Hochschule Nürnberg Fakultät Architektur, Lehrgebiet Konstruktion und Technik 10:20h „Qualitätsmanagement als Schlüssel für den effizienten Gebäudebetrieb“ Oliver Rosebrock | Technische Universität Braunschweig Institut für Gebäude- und Solartechnik 11:30h „Einfluss des Raumklimas auf Gesundheit und Leistungsfähigkeit in Europa: ein Beitrag zu Wohnungen und Schulen“ Prof. Dr.- Ing. Gunnar Grün | Abteilungsleiter Raumklima Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP, Holzkirchen 11:50h „ Das europaweites Modellhausprojekt ,Model Home 2020’ und darüber hinaus“ Lone Feifer | Programme Director Sustainable Living in Buildings, VELUX A/S, Dänemark 12:10h „Nutzerverhalten in Energie+ Wohnsiedlungen“ Prof. John Grunewald | Technische Universität Dresden Institut für Bauklimatik 12:30hKurzdiskussion 12:40hMittagspause 13:30hKEYNOTE 6 „How to strengthen the international focus on sustainable buildings” Kurt Emil Eriksen | General Secretary, Active House Alliance BLOCK 3 | LEBENSZYKLUS VON DER PLANUNG ÜBER DIE KONSTRUKTION UND DEN BETRIEB BIS HIN ZUM ABRISS 13:50h „LCC und Wirtschaftlichkeit energetischer Sanierung“ Dr. Wolfram Trinius | Ingenieurbüro Trinius GmbH, Hamburg 14.10h „Entwerfen im Lebenszyklus. Architektonische Strategien zur Optimierung des Material- und Ressourceneinsatzes“ Sebastian El khouli | Bob Gysin + Partner Technische Universität Darmstadt 14:30h „Geschosswohnbau 1958, Modellerneuerung in Holz“ Florian Lichtblau | Lichtblau Architekten BDA, München 14:50hKurzdiskussion 15:00h Kaffeepause BLOCK 4 | VERNETZUNG NUTZER, VERSORGER, ERZEUGER UND NETZBETREIBER IN MEHRDIMENSIONALER INTERAKTION 15:20h „Planung und Betrieb von Energie+ Siedlungen und -Quartieren“ Prof. Werner Jensch | Hochschule für angewandte Wissenschaften München, Competence Center - Energieeffiziente Gebäude 15:40h 16:00h „EnEff -Campus TU Braunschweig - Reallabor für eine energetische Quartierssanierung” Thomas Wilken | Technische Universität Braunschweig Institut für Gebäude- und Solartechnik 16:20hKurzdiskussion PODIUM | „1 MIO. AKTIVPLUS GEBÄUDE BIS 2020! WIE KOMMT DER STANDARD AUF DEN MARKT?“ 16:30h Moderation | Boris Schade-Bünsow, Chefredakteur Bauwelt Gäste Prof. Thomas Auer, Technische Universität München Sebastian El khouli, Bob Gysin + Partner Ingeborg Esser, Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e. V. Moritz Fedkenheuer, Technische Universität Darmstadt Lone Feifer, VELUX A/S Ministerialrat Hans-Dieter Hegner, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit 17:30h Schlussworte des AktivPlus Vorstands und Get Together bis 19:00h (für Ihr leibliches Wohl ist gesorgt) „EnEff:Stadt - Forschungsprojekt UrbanReNet | Vernetzte regenerative Energiekonzepte im Siedlungs- und Landschaftsraum“ Thomas Meinberg | Technische Universität Darmstadt Fachgebiet Entwerfen und Energieeffizientes Bauen 7 müssen, um die mittel- und langfristigen Ziele zu erreichen. Der bewährte und ausgewogene Instrumentenmix aus „Fordern, Fördern, Informieren“ wird dabei fortgeführt. GRUSSWORT AUS DEM BMUB BUNDESMINISTERIUM FÜR UMWELT, NATURSCHUTZ, BAU UND REAKTIORSICHERHEIT Mit dem am 3. Dezember im Bundeskabinett beschlossenen Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz machen wir Energieeffizienz zu einer wichtigen Säule der Energiewende und leisten damit einen wesentlichen Beitrag, um unsere Effizienz- und auch Klimaziele zu erreichen. Die Ziele sollen technologieoffen verfolgt werden. Maßnahmen sollen da getroffen werden, wo der größte vertretbare Effekt eintritt. Dazu zählen Maßnahmen an der Gebäudehülle und der Einsatz geeigneter Anlagentechnik. Die restliche benötigte Energie soll aus erneuerbaren Quellen stammen. Heute schon das Richtige für die Zukunft tun, ist schwer. Winston Churchill meinte: „Die Zukunft ist ein verfluchtes Ärgernis nach dem anderen“. Aber man kann es auch mit den Augen des antiken griechischen Staatsmanns Perikles sehen: „Es ist nicht unsere Aufgabe, die Zukunft vorauszusagen, sondern auf sie gut vorbereitet zu sein.“ Ministerialrat Dipl.-Ing. Hans-Dieter Hegner Der Gebäudebestand soll bis 2050 annähernd klimaneutral sein. Dafür soll bis 2020 der (Heiz-)Wärmebedarf um 20 % reduziert werden und es wird angestrebt, bis 2050 den Primärenergiebedarf um 80 % zu mindern. Neben der deutlichen Steigerung der Energieeffizienz, ist dazu die Umstellung auf eine möglichst weitgehende Nutzung erneuerbarer Energien notwendig. Für viele scheint dieses Ziel utopisch zu sein. Aber die bisherigen Instrumente wie die Energieeinsparverordnung, die Förderung des energiesparenden Bauens und Modernisierens haben bereits Wirkung gezeigt. Der absolute Verbrauch im Gebäudesektor sinkt. Bis 2011 ist der Endenergieverbrauch z.B. bei den privaten Haushalten seit dem Höchststand 1996 um ca. 11 % gesunken - trotz des Anstiegs der Wohnfläche um ca. 14 % im gleichen Zeitraum. Darauf können wir uns aber nicht ausruhen. Sondern wir werden mehr tun 8 Deshalb fördern wir mit der Forschungsinitiative Zukunft Bau innovative Ansätze in der gesamten Wertschöpfungskette Bau. Wir wollen nach bestem Wissen gut aufgestellt sein. Für diese angewandte Bauforschung stellen wir auch im Jahr 2015 Fördermittel in Höhe von 12,5 Mio. € zur Verfügung. Seit dem achtjährigen Bestehen der Forschungsinitiative sind insgesamt 750 Forschungsprojekte gefördert und dafür ca. 83 Mio. € Bundesmittel eingesetzt worden. Ein konkreter Beitrag meines Hauses aus der Bauforschung zum Klimaschutz ist die erfolgreiche Realisierung einer neuen Gebäudegeneration: den sog. Effizienzhäusern Plus. Diese innovativen Gebäude erwirtschaften mittels Erneuerbarer Energien, mehr Energie als sie über ein Jahr verbrauchen. Sie stehen beispielhaft für eine wirtschaftlich vertretbare Umstellung auf eine fast treibhausgasneutrale Gesellschaft. Die derzeitigen, sehr anschaulichen Modellvorhaben im Effizienzhaus Plus Standard sind besonders erfolgreiche Botschafter für nachhaltiges, klimaneutrales Bauen. Mittlerweile gibt es 36 Modellvorhaben in ganz Deutschland: Einfamilien- und Mehrfamilienhäuser, Neubauten und Modernisierungsobjekte. Sie zeigen, dass eine technologieoffene Betrachtung die Vielfalt von Architekturideen nicht einschränkt. Dabei kommt es uns darauf an, dass die Energieproduktion in die Architektur integriert wird. Fast alle Modellhäuser erreichten im Praxistest ein energetisches Plus. Im Kleinhausbau konnten Überschüsse von bis zu 11.000 kWh erzielt werden. Die Bilanzen im zweiten Betriebsjahr ließen sich aufgrund von Betriebsoptimierungen in der Regel verbessern. Das Netzwerk der Effizienzhäuser Plus im Wohnungsbau hat zu hervorragenden Ergebnissen geführt. Es geht um Erkenntnisse, wie wir die Effizienz und die Wirtschaftlichkeit weiter verbessern können. Daneben ist auf die neue Förderrichtlinie für Bildungsbauten im Effizienzhaus Plus Standard hinzuweisen. Sie steht seit Mitte Januar 2015 zur Verfügung. Sie soll Anreize geben, den Plusenergiestandard bei Modellvorhaben an Kindertagesstätten, Schulen und geeigneten universitären Einrichtungen zu erproben. Ich hoffe hier auf innovative kommunale und private Partner. Die technologischen Konzepte im Modellhausprogramm orientieren sich stark auf solare Energiegewinnung, vorwiegend auf Photovoltaik in Verbindung mit Wärmepumpentechnologien; andere Formen der regenerativen Energiegewinnung wie Windkraftanlagen, saisonale Speicherung von Solarwärme oder die Nutzung von Abwasserwärme sind eher Einzelfälle. Auch der Einsatz von Blockheizkraftwerken und Brennstoffzellen sind noch selten vorzufinden, werden sich aber auch etablieren. Im Wandel zur strombasierten Beheizung der Modellhäuser entstehen auch Konzepte ohne wassergeführte Systeme. Die Regelausführung stellt derzeit aber Flächenheizsysteme mit vorgeschalteten Pufferspeichern dar. Der Eigennutzungsanteil und Autarkiegrad des PV-Stroms wird durch den Einsatz eines Stromspeichers leicht um 50 % und mehr erhöht. Die Zufriedenheit der Bewohner ist sehr hoch. Die Tatsache, dass sie die zu verbrauchende Energie selbst herstellen, ist eine hohe Motivation, damit auch sorgsam umzugehen und sich für die Anlagentechnik auch zu interessieren. Eine Rückkopplung der aktuellen Anlagenperformance zum Nutzer ist deshalb immanent wichtig. Einfache Monitoringsysteme sollten zur Grundausstattung solcher Gebäude gehören. Obwohl wir noch in der Forschung und Entwicklung stecken, zeigt sich, dass die investiven Mehrkosten für ein Effizienzhaus Plus im Vergleich zu den erzielbaren verminderten Betriebskosten in einem verträglichen Verhältnis stehen. 9 GRUSSWORT VON PROF. DR.-ING.THOMAS STARK MODERATOR DES 2. AKTIVPLUS SYMPOSIUMS Sehr geehrte Damen und Herren, ich begrüße Sie herzlich zum 2. AktivPlus-Symposium in Stuttgart, in dessem Rahmen ich die angenehme Aufgabe habe, Sie wieder durch ein hoch interessantes Programm führen zu dürfen. Die Anforderungen an die energetische Leistungsfähigkeit von Gebäuden nehmen bereits seit vielen Jahren stetig zu. Wir sind nun auf europäischer Ebene inzwischen kurz vor der Einführung eines Gebäudestandards, der die negativen Umweltwirkungen in der Nutzungsphase nahezu auf null reduzieren soll. Dies stellt das Bauwesen insgesamt schon lange vor große Herausforderungen, der Schwerpunkt verschiebt sich jedoch zunehmend in Bereiche, die über eine thermische optimierte Gebäudehülle hinausgehen. So rücken immer stärker Fragen zur aktiven lokalen Energiegewinnung, zur Nutzerzufriedenheit, zur Vernetzung und Speicherung und zur Betrachtung des gesamten Lebenszyklus in den Fokus. Prof. Dr.-Ing. Thomas Stark HTWG Konstanz, Fachgebiet Energieeffizientes Bauen ee concept gmbh Das AktivPlus-Symposium greift diese Themen regelmäßig auf und bietet eine profunde Plattform für den fachlichen Austausch von Experten, sowohl in der Breite vom Nutzer über die Planung bis zur Bauindustrie, als auch auf den verschiedenen Ebenen von der wissenschaftlichen Forschung bis zu Erkenntnissen aus der Praxis. Im Programm des 2. AktivPlus-Symposium setzen wieder hochkarätige Referenten durch Vorträge wertvolle Impulse, die insbesondere zu einem gemeinsamen Diskurs über die weitere Entwicklung unserer gebauten und noch zu bauenden Umwelt anregen sollen. In diesem Sinne lade ich Sie herzlich zu einer aktiven Teilnahme ein und wünsche uns allen eine erkenntnisreiche Veranstaltung. Herzliche Grüße, Thomas Stark 10 Foto: AktivPlus e.V. DER AKTIVPLUS STANDARD MERKMALE & ARBEITSGRUPPEN Foto: VELUX / Adam Mørk lung von Verbräuchen und Messwerten bedacht werden, sodass ein einfaches Nutzerfeedback ermöglicht werden kann. Alle Kriterien werden im Rahmen eines Monitoring zusätzlich einer Bewertung durch den Nutzer unterzogen, welche für die Qualitätssicherung der AktivPlus Ziele ausschlaggebend ist. DER AKTIVPLUS STANDARD DAS PRINZIP IN SIEBEN MERKMALEN STAND APRIL 2015 ENERGIE 1. ENDENERGIEBILANZ NUTZER 2. NUTZERKOMFORT 3. SUFFIZIENZ / FLÄCHENEFFIZIENZ LEBENSZYKLUS 5. ÖKOBILANZIERUNG (CO2-BILANZ UND UMWELTINDIKATOR) 3 FLÄCHENEFFIZIENZ VERNETZUNG 7. VERNETZUNG 6. LEBENSZYKLUSKOSTEN 4. ARCHITEKTURQUALITÄT TECHNISCHES UND SOZIALWISSENSCHAFTLICHES MONITORING 1 ENDENERGIEBILANZ Die AktivPlus Bilanz enthält den Energiebedarf für den Gebäudebetrieb und die lokale Energiegewinnung. Zusätzlich wird der nutzerbedingte Energiebedarf mit eingerechnet und damit der gesamte Energiebedarf in der Betriebsphase eines Gebäudes bilanziert. Ein AktivPlus Gebäude muss mehr Endenergie erzeugen als es verbraucht. Der Status AktivBasic wird erreicht, wenn der resultierende Endenergiebedarf maximal 30 kWh/m²a beträgt. 2 NUTZERKOMFORT Der Nutzerkomfort im AktivPlus Standard wird über die Definition des thermischen Komforts im Sommer und Winter, der Raumluft- und Tageslichtqualität sicher gestellt. Während beim thermischen Komfort untere und obere Temperaturschwellen festgelegt sind, werden die Raumluftqualität geplant und gemessen, um ein gesundes Raumklima zu erreichen. Die Tageslichtversorgung wird in der Planung bewertet. Ebenfalls in der Planung sollen die Möglichkeiten einer transparenten Darstel- 14 Die Einsparungen für Erstellung und Betrieb eines Quadratmeters Wohnfläche werden durch die steigende Nachfrage von Fläche pro Person überkompensiert. Die Suffizienz-Strategie hinterfragt Ansprüche und Nachfrage. So sollen Flächen reduziert werden, Ausbaustandards gesenkt und die Komfortniveaus auf ein sinnvolles Maß zurückgeführt und den tatsächlichen Nutzungsdauern angepasst werden. Ziel ist grundsätzlich eine Reduktion des gesamten Ressourcenverbrauchs. Im Allgemeinen, d.h. bei vergleichbarer Baukonstruktion und Energieverbräuchen ist dieser an die Brutto-Fläche (BGF und BRI) gekoppelt, weswegen eine Reduktion der Flächen grundsätzlich sinnvoll ist. Voraussetzung ist die Betrachtung des ganzen Lebenszyklus (Baukonstruktion, Betrieb, Instandhaltung und Entsorgung) sowie eine parallele Betrachtung der Landverbräuche. 4 ARCHITEKTURQUALITÄT Die Qualität der Architektur und die flexiblen Gestaltungsmöglichkeiten im AktivPlus Standard stellen eine Besonderheit dieses Konzepts dar. Es ist Teil einer ganzheitlichen Betrachtung des Projekts, auch wenn dies objektiv nur schwer zu bewerten ist. Als informativer Nachweis ist hier zu prüfen, ob die Erneuerbaren Energien und die Gebäudetechnik sinnvoll, nachrüstbar und elegant in die Architektur integriert worden sind. Da die Gebäudetechnik eine weitaus niedrigere Lebensdauer hat als die Gebäudesubstanz an sich, sollte unter den Aspekten von Qualität auch eine unkomplizierte und kostengünstige Nachrüstung veralteter Technik möglich sein. Dieses Kriterium wird durch die Einschätzung eines von AktivPlus gestellten Gestaltungsbeirats beurteilt. 5 ÖKOBILANZ (CO2-BILANZ UND UMWELTINDIKATOR) Betrachtet werden im Rahmen einer Ökobilanzierung vorerst nur die CO2Emissionen über den gesamten Lebenszyklus, d.h. aus der Gebäudekonstruktion, dem Gebäudebetrieb und dem Rückbau. Alle weiteren Indikatoren werden zukünftig über einen Umweltindikator zusammengefasst. In der Planung werden die CO2-Emissionen berechnet und mindestens zwei alternative Konstruktions- und Versorgungskonzepte untersucht. Ergebnis ist die Ausweisung der CO2-Emissionen für die finale Planung. Im Rahmen eines späteren Monitoring sollen dann die Emissionen aus dem realen Energieverbrauch berechnet werden. Für die Ermittlung der Emissionen aus der Gebäudekonstruktion werden verschiedene Verfahren mit unterschiedlicher Detailtiefe zugelassen, um einfache Variantenvergleiche in frühen Planungsphasen zu ermöglichen. 6 LEBENSZYKLUSKOSTEN Betrachtet werden die gebäudebezogenen Kosten über den Lebenszyklus. Neben den Investitionskosten werden Energie- und Wartungskosten sowie eine notwendige Instandhaltungsrücklage ausgewiesen, um dem Nutzer die zu erwartenden jährlichen Gesamtkosten transparent darstellen zu können. Dabei wird jeweils eine Spanne möglicher Preissteigerungen betrachtet. In der Planung werden die Lebenszykluskosten berechnet und mindestens zwei Planungsalternativen mit relevanter Auswirkung auf die Lebenszykluskosten untersucht. Im Rahmen eines späteren Monitoring können die realen Energie- und Wartungskosten des Gebäudes erfasst werden. 7 VERNETZUNG Gebäude entwickeln sich vom Energieverbraucher zum Energieerzeuger, in zukünftigen Konzepten sogar zum Anbieter von Energiespeicherkapazitäten. Schnittstellen zu dezentralen Netzen oder den öffentlichen Versorgungsstrukturen müssen daher weiterentwickelt werden, um Potentiale und Synergien beim Ausbau der erneuerbaren Energien sicher erschließen zu können. Gleichzeitig nimmt die Kommunikation zwischen dem Nutzer und der technischen Ausstattung zu. Es müssen transparente Informationen zur Energieeffizienz und zum Komfort gestaltet werden, um eine gesellschaftliche Akzeptanz zu erreichen und die Motivation weiter zu erhöhen. Durch die intelligente Ver- netzung auf allen Ebenen lassen sich auch ökonomische Modelle entwickeln, welche die einseitige Abhängigkeit in den bisherigen Strukturen ablöst. Bewertungsmethodik Der AktivPlus Standard sorgt für eine Qualitätskontrolle der in der Planung avisierten Eigenschaften der Gebäude und der Zufriedenheit der Nutzer. Deswegen werden alle Aktivplus Gebäude einem zwei jährigen Monitoring unterzogen, in dem die Performance des Gebäudes mit den in der Planung angestrebten Werten verglichen wird. Dieser Vergleich zeigt auch Schwachstellen der Steuerung oder Umsetzung auf und ermöglicht einen optimalen Betrieb. Um die Diskrepanz zwischen Berechnungen bzw. Definitionen von Zielwerten und den Empfindungen des Nutzers zu minimieren, ist eine stärkere Einbindung des Nutzers in die Gebäude und deren Planung, in Form von Monitoring und sozialwissenschaftlicher Befragungen, unabdinglich. Die Bewertung besteht aus fünf Ebenen, welche sich über die Planungsphase und den Betrieb in den ersten zwei Jahren erstrecken: Projektierung / Entwurf / Planung Planung qualtitativer Nachweis Berechnung / Simulation quantitativer Nachweis Information & Steuerung Einflussmöglichkeit des Nutzers Betrieb / Monitoring über 2 Jahre Messungen technisches Monitoring Befragungen sozialwissenschaftl. Monitoring In dem Monitoring werden auch die Nutzer nach Ihrem Wohlbefinden befragt und über die Performance des Gebäudes informiert. Für das Monitoring wird ein einfaches System entwickelt, das mit geringem Aufwand installiert und betrieben werden kann. 15 ARBEITSGRUPPE ENERGIE UNTER DER LEITUNG VON DR. BORIS MAHLER 1 | Zielsetzung Die Arbeitsgruppe Energie beschäftigt sich mit den ENERGIE energetischen Anforderungen an AktivPlus GebäuEffizienz de. Ausgangspunkt ist der vom BundesbauministeGebäudehülle rium BMUB definierte EffizienzhausPlus Standard Technik für Wohngebäude. Einzelne Aspekte werden in Erneuerbare Energien Merkmalsbeschreibungen dargestellt und erläutert. Dort werden die Anforderungen und Bilanzierungsregeln konkretisiert und auf zusätzliche Gebäudekategorien erweitert. Die AG Energie möchte die Anwendung des AktivPlus Standards möglichst einfach gestalten. Dazu werden Hilfsmittel für die Planung, Umsetzung und den Betrieb entwickelt. 2 | Struktur der Arbeitsgruppe Die AG wird vom Vorstandsmitglied Dr. Boris Mahler geleitet. Etwa 20 Teilnehmer treffen sich (in der Regel in Stuttgart) ca. alle sechs Wochen zur Diskussion der Zwischenergebnisse. Die Teilnehmer decken einen breiten Anwendungsbereich ab: Hochschulen, Architekten, Fachplaner, Industrie und Bauwirtschaft. Seit April 2014 fanden sechs Arbeitstreffen statt. 3 | Inhalte 3.1 | Endenergiebedarf Die AktivPlus Bilanz enthält den Endenergiebedarf für den Gebäudebetrieb nach EnEV (Heizwärme, Warmwasser, Hilfsenergien etc.) und die lokale elektrische und thermische Energiegewinnung (z.B. Solarenergienutzung). Zusätzlich wird auf der Bedarfsseite der nutzerbedingte Energiebedarf (z.B: 16 Haushaltsstrom) mit eingerechnet und damit der gesamte Endenergiebedarf in der Betriebsphase eines Gebäudes bilanziert. Ein AktivPlus Gebäude muss, vergleichbar zum EffizienzhausPlus Standard, in der Jahresbilanz mehr Energie erzeugen als verbrauchen. Dies ist für Gebäude mit bis zu drei Stockwerken vergleichsweise einfach zu erreichen. Bei größeren Gebäuden nimmt der Energiebedarf mit jedem Geschoss annähernd linear zu, die solar-aktiv nutzbaren Flächen (in der Regel das Dach und anteilig die Fassade) jedoch nur geringfügig. Daher wurde eine weitere Stufe, die AktivBasic Stufe eingeführt. Hier darf in der Jahresbilanz noch ein Restbedarf von 30 kWh/m²a übrig bleiben. Somit wird das „Plus“ nicht erreicht. Die AktivBasic Gebäude werden weitgehend dem Anforderungsniveau der EU für 2019-2021 und dem NZEB Standard (Nearly zero energy buildings) entsprechen. Diese nächste Stufe der EnEV befindet sich noch in der Diskussionsphase. 3.2 | Nutzerstrom Der Energiebezug für die individuelle, nutzerspezifische Ausstattung eines Gebäudes fließt mit in die Bilanz des AktivPlus Standards ein. Die Analyse von mehreren groß angelegten Stromverbrauchsuntersuchungen im Wohnungsbau hat gezeigt, dass sich der Stromverbrauch abhängig von einem Sockelbetrag zuzüglich einem Verbrauchswert je Bewohner verhält. Daraus abgeleitet werden Nutzerstromeffizienzklassen definiert und Hilfsmittel zur Planung und Beratung erarbeitet. 3.3 | Bilanzierungsumfang In die AktivPlus Bilanz geht der Endenergiebedarf für den Gebäudebetrieb und die lokale Energiegewinnung sowie der nutzerbedingte Energiebedarf ein. Der Endenergiebedarf wurde als die relevante Größe definiert, da • Endenergie vergleichsweise einfach durch üblicherweise vorhandene Zähler erfassbar ist. • einfach zu verstehen ist, weil diese Energieform bezahlt werden muss. • keine variablen, z.T. politisch motivierten Umrechnungsfaktoren enthält, wie beispielsweise die Primärenergie. Informativ werden zusätzlich die im Gebäude gebundene Energie (graue Energie, ermittelt in AG Lebenszyklus), sowie die für die Mobilität benötigte Energie (ermittelt in AG Vernetzung) angegeben. 3.4 | Objekt und Bilanzgrenze Die Bilanzgrenze bei Betrachtung einzelner Gebäude ist die Grundstücksgrenze, bei Betrachtung eines Quartiers, sind es die Grundstücksgrenzen der zu bilanzierenden Gebäude. Die übergeordnete Infrastruktur (Straßenbeleuchtung etc.) wird nur bei der Betrachtung eines Stadtteils oder der ganzen Stadt berücksichtigt. 3.5 | Nutzung Im AktivPlus-Standard werden Gebäude entsprechend Ihrer Hauptnutzung klassifiziert. In der ersten Phase wird der Fokus auf Wohngebäude, Bildungsbauten sowie Büro u. Verwaltungsgebäude gelegt. Die bisherigen Untersuchungen deuten darauf hin, dass für diese Hauptnutzungen die energetischen Anforderungen einheitlich gestellt und realisiert werden können. Es sind zwar in Büro- und Verwaltungsgebäuden, im Vergleich zum Wohnungsbau, in der Regel höhere Nutzerstrombedarfe vorhanden, dafür entfällt die notwendige Energie für die Warmwasserbereitung weitgehend. Höhere Aufwendungen für Kühlung werden durch die geringeren Heizenergiebedarfe aufgrund der erhöhten inneren Lasten teilweise kompensiert. Dies gilt es in der Pilotphase an weiteren Objekten zu verifizieren. 3.6 | Bilanzierungsgröße Der Energiebezug wird im AktivPlus Standard bezogen • auf die Energiebezugsfläche nach EnEV in kWh/m²a • auf die Anzahl der Nutzer in W/Person ausgewiesen. Die personenbezogene Dauerleistung wird als Informationskriterium verwendet, da sich diese Größe kurzfristig (z.B. bei Wegzug von Kindern in einer Familie) ändern kann, ohne dass sich Gebäudeeffizienz und –technik verändern. Dennoch ermöglicht die personenbezogene Dauerleistung in Anlehnung an die Idee der 2.000 W-Gesellschaft, eine relevante Einordnung des gebäudebezogenen Energiebedarfs. 3.7 | Bilanzierungszeitschritte Die Bilanzierung im AktivPlus Standard erfolgt als Jahresbilanz auf der Basis von Monatswerten. Werte wie Eigennutzungs- und Autarkiegrad, die wesentlich von zeitlich kürzeren Betrachtungen abhängen, werden durch Zu-/Abschlagsfaktoren in den Monatswerten angenähert abgebildet. Diese Faktoren bedürfen noch einer intensiven Untersuchung. »EIN AKTIVPLUS-GEBÄUDE MUSS IN DER JAHRESBILANZ MEHR ENERGIE ERZEUGEN ALS VERBRAUCHEN.« 3.8 | Erneuerbare Energien, lokal gewonnene Energie In der Endenergiebilanz werden erneuerbare und lokal gewonnene Energien berücksichtigt, die im Bilanzraum gewonnen werden. Energiebezüge aus Fern-/Nahwärme und durch erneuerbare Brennstoffe von außerhalb des Bilanzraums bleiben bis 20 kWh/m²a anrechnungsfrei. Die Begrenzung auf 20 kWh/m²a erfolgt, da auch die erneuerbaren Brennstoffe ein knappes Gut sind und nur eingesetzt werden sollten, wenn am Gebäude selbst schon Energieeffizienzmaßnahmen umgesetzt worden sind. Die Erweiterung auf Fern- und Nahwärmesysteme wurde aus folgenden Gesichtspunkten vorgenommen: Effiziente Fern-/Nahwärmesysteme können positiv zur Energiewende beitragen. Für Gebäude in einem Fern-/Nahwärmegebiet besteht in der Regel keine Möglichkeit zur dezentralen Wärmeversorgung, sondern ein Zwang sich an die übergeordnete Versorgung anschließen zu müssen. Dies soll jedoch nicht zu einem Nachteil führen. 4 | Ausblick, nächste Schritte Ein aktuelles Thema ist die Pilotanwendungsphase. Hierfür sollen die Arbeitsmittel entwickelt und den Pilotanwendern zur Verfügung gestellt werden. Weiterhin wird sich die AG Energie in nächster Zeit verstärkt in die Erarbeitung der in anderen Arbeitsgruppen behandelten Kriterien einbringen, die auch für die energetische Betrachtung von Relevanz sind (z.B. Stromspeicher – Vernetzung). 17 reduzieren, müssen die Nutzer in den Betrieb des Gebäudes besser integriert werden. Es muss an das Bewusstsein der Bevölkerung über ihren tatsächlichen Energieverbrauch appeliert werden, sodass eine effizientere Nutzung der Ressourcen hervorgerufen wird. Das Nutzerverhalten kann längerfristig durch Effizienz-Strategien und clevere Konzepte beeinflusst werden. ARBEITSGRUPPE NUTZER UNTER DER LEITUNG VON V.-PROF. HANS DREXLER UND ASTRID UNGER 1 | Hintergrund und Zielsetzung Gebäude sind neben technischen Einrichtungen auch das primäre Lebensumfeld von Menschen. NUTZER Die Interaktion zwischen Gebäuden und Menschen Komfort lassen sich deswegen nicht allein über bauphysiInformation kalische Merkmale beschreiben. Zeitgenössische Architektur-Integration oder modernisierte Gebäude können ein erheblich höheres Behaglichkeitsniveau bieten als ältere oder unsanierte Gebäude. Dieser Fortschritt wird durch erhebliche Verbesserung an der Gebäudehüllenkonstruktion sowie der Integration von mehr und umfangreicherer Gebäudetechnik erreicht. Auch wenn diese Fortschritte aus ökonomischer und ökologischer Sicht sinnvoll und wünschenswert sind, führen sie nicht in allen Fällen auch zu einer größeren Nutzerzufriedenheit. In vielen Fällen decken sich die hohen Erwartungen an die energetische Performance nicht mit den Erfahrungen der Nutzer. Die Zusammenhänge zwischen Gebäude, Technik, Innenraumklima, Wohnkomfort und Nutzer muss genauer erforscht werden. AktivPlus hat sich zum Ziel gesetzt, Gebäude und Nutzer sowie deren Verhalten und Wohlbefinden in einem systemischen Zusammenhang zu betrachten. Die möglichen Reduktionen von CO2-Emissionen und Energieverbräuchen der Gebäude wird in vielen Fällen durch den höheren Verbrauch der Nutzer überkompensiert, es entsteht der sogenannte Rebound-Effekt: Im Durchschnitt nimmt die Wohnfläche pro Kopf deutlich zu. Einwohner erwarten ganzjährlich immer höhere Raumtemperaturkomforts. Die zunehmende Anzahl an Geräten und Home-Entertainment-Systemen verbraucht immer mehr Strom. Um den Rebound-Effekt zu vermeiden und um Emmissionen im Gebäudesektor zu 18 2 | Struktur der Arbeitsgruppe Die AG wird von den Vorstandsmitgliedern V.-Prof. Hans Drexler und Astrid Unger geleitet. Etwa zehn Teilnehmer treffen sich (in der Regel in Berlin) ca. alle sechs Wochen zur Diskussion der Zwischenergebnisse. Die Teilnehmer decken einen breiten Anwendungsbereich ab: Sozialwissenschaftler, Bauphysiker, Architekten, Fachplaner, Bauwirtschaft und Ingenieure. Seit März 2014 finden im regelmäßigen Turnurs Arbeitsgruppentreffen statt. 3 | Inhalte 3.1 Nutzer-Komfort und Monitoring Das Hauptaugenmerk liegt darauf, objektive und subjektive Methoden zur Beschreibung von Behaglichkeit und energetischer Performance von Gebäuden zu vergleichen und zu verknüpfen. Zu diesem Zweck wird die Bewertung des Nutzerkomforts in Wohngebäuden in die AktivPlus-Qualität integriert. Diese stützt sich auf den Vergleich der Bewertungen von Nutzern, welche durch sozialwissenschaftliche Befragungen erhoben werden, mit den berechneten und in den Gebäuden gemessenen Innenraumklimabedingungen. Hierzu werden drei Datenquellen erhoben und verglichen: 1. 2. 3. Prognosen und Simulationen Messung von physikalischen Werten Befragung von Nutzern Aufgrund der Komplexität der Systeme, ist die Prognosegenauigkeit der Berechnungsverfahren von Energieverbräuchen und Innenraumklimate unbefriedigend. Eine Optimierung der Berechnung setzt voraus, dass das Wissen über das tatsächliche Verhalten der Nutzer verbessert wird, um somit die gemessenen Daten mit den Berechnungen vergleichen zu können. Derzeit sind Gebäude-Monitoring nur mit einem großen technischen und personellen Aufwand durchzuführen. Es wäre sinnvoll, eine größere Anzahl von Gebäuden systematisch im Betrieb zu untersuchen, um eine Verbesserung des Kenntnisstands über die allgemeine Gebäudeperformance zu ermöglichen. Dafür soll ein einfach zu bedienendes Monitoring Tool entwickelt werden, welches mit einem geringen Aufwand eine Basis-Auswertung der Gebäude-Performance erlaubt. 3.2 Nutzer - Information und Transparenz Die Komplexität der modernen Gebäudetechnik und Baukonstruktionen ist für viele Nutzer eine Herausforderung. Ein erfolgreicher Betrieb und eine effiziente Systemsteuerung durch den Nutzer dieser Gebäude kann aber nur gelingen, wenn dieser transparent informiert und logisch integriert wird. Durch das interaktive Monitoring nimmt der Nutzer aktiv an Betriebsprozessen des Gebäudes teil und gleichzeitig wird das Nutzerverständnis über die Technik und deren Funktionsweisen ausgeprägt. Es entsteht ein erkennbarer Zusammenhang zwischen dem Verhalten des Nutzers und den abgelesenen Werten. Verhaltensweisen können angepasst oder die Gebäudetechnik und Geräte optimiert werden. »DAS NUTZERVERHALTEN HAT IN JEDEM GEBÄUDE EINEN GANZ ENTSCHEIDENDEN EINFLUSS AUF DIE ENERGETISCHE PERFORMANCE DES GEBÄUDES.« Ein ausgeprägteres Verständnis der Gebäudeprozesse könnte sich positiv auf das Verhalten der Nutzer auswirken. werden durch die steigende Nachfrage von Wohnfläche pro Person überkompensiert. AktivPlus konzentriert sich darauf, mittelfristig zu einer pro-Kopf Bewertung der Ressourcenverbräuche zu gelangen und hierfür eine belastbare Grundlage zu schaffen. Diese Betrachtung berücksichtigt die Ressourcenverbräuche nicht nur bezogen auf eine abstrakte Flächeneinheit, sondern auch auf die tatsächlich nachgefragte Nutzfläche. Durch das Monitoring lässt sich die reelle Nutzerzahl präzise ermitteln. Die geplante und später ermittelte Personendichte können als Eingangsparameter für die Ermittlung der personenbezogenen Ressourcenverbräche genutzt werden. 3.4 Architekturqualität Die Entwicklung im Bereich des energie-effizienten Bauens ist stark von technischen Innovationen und Simulationen geprägt. In manchen Fällen sind so Gebäude entstanden, deren architektonische und gestalterische Qualität unbefriedigend ist und die der kulturellen Bedeutung von Architektur nicht gerecht wird. Dabei werden gezielt die für AktivPlus-Gebäude spezifische Aspekte des Bauens betrachtet: Die konstruktive und gestalterische Integration der technischen Gebäudeausrüstung und Energieerzeugung sowie der baukonstruktiv sinnvollen und wartungsfreundlichen Implementierung der Technik. Um eine ganzheitliche Sicht von Architektur zu befördern, will AktivPlus auch die Architekturqualität berücksichtigen. Hierzu tagt einmal im Jahr ein Gestaltungsbeirat, welcher wie die Jury eines Wettbewerbs aus anerkannten Experten des Bauens besteht, und die AktivPlus-Gebäude hinsichtlich der Qualität der architektonischen Umsetzung der technischen Aspekte und der Gesamtwirkung beurteilt. Die Bewertung der architektonischen Qualität ist kein status-relevantes Kriterium, wird aber zu einem Wettbewerb innerhalb der Interessierten und zu einem Bewusstseinswandel führen, Energie-Effizienz und Baukultur gemeinsam zu betrachten. 3.3 Suffizienz Die Nachhaltigkeitsdiskussion der letzten Jahre hat sich auf das Thema Effizienz konzentriert. Effizienz alleine ist jedoch keine Lösung, um die Schere zwischen steigendem Bedarf und schrumpfenden Ressourcen zu schließen. Die Einsparungen für Erstellung und Betrieb eines Quadratmeters Wohnfläche, 19 ökonomischen Auswirkungen eines Gebäudes und Stadtquartiers über den gesamten Lebenszyklus für die Entwurfsvarianten dargestellt und analysiert werden können. ARBEITSGRUPPE LEBENSZYKLUS »LEBENSZYKLUS HEISST: ALLE PHASEN BERÜCKSICHTIGEN - SOWOHL ÖKOLOGISCH ALS AUCH WIRTSCHAFTLICH.« UNTER DER LEITUNG VON PROF. DR. NATALIE ESSIG UND PROF. JOOST HARTWIG 1 | Zielsetzung Eine ganzheitliche Planung ist ein wichtiger Bestandteil für zukunftsweisende Gebäude. Denn LEBENSZYKLUS nicht nur der Betrieb verbraucht Energie, sondern Ökobilanz auch der Bau und die Demontage. Oftmals werden Kosten der Energiebedarf und die Umweltwirkungen eines Gebäudes nur für die Zeit des Betriebs betrachtet. Viele Ressourcen werden aber bereits beim Bau und später beim Rückbau und der Entsorgung aufgewandt. Es müssen daher für eine korrekte Ökobilanz alle Lebensabschnitte betrachtet werden: Bau, Betrieb und Demontage. Dies gilt auch für die Kosten, die über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes anfallen. Die AG Lebenszyklus (LCA und LCC) setzt sich daher schwerpunktmäßig mit den Umweltwirkungen und der Wirtschaftlichkeit von Gebäuden und Stadtquartieren auseinander und verfolgt ein ganzheitliches, integrales und zukunftsfähiges Konzept. Ziel ist es, lebenszyklusorientierte Ansätze in die Gebäudekonstruktion, den Betrieb sowie den Rückbau zu integrieren und einen Umweltindikator und Lebenszykluskostenkonzepte für AktivPlus Gebäude und Stadtquartiere zu entwickeln. Hierbei wird auf bestehende Ansätze und Berechnungswerkzeuge zurückgegriffen. Diese sollen jedoch neu interpretiert und vereinfacht werden, um Planern und Eigentümern neue ganzheitliche lebenszyklusorientierte Konzepte aufzuzeigen. Hierfür wird ein Planungstool entwickelt, mit dem bereits während der Planung die Umweltwirkungen und 20 2 | Struktur der Arbeitsgruppe Die AG wird von den Vorstandsmitgliedern Prof. Dr. Natalie Essig und Prof. Joost Hartwig geleitet. Etwa zehn Teilnehmer treffen sich (in der Regel in München) ca. alle sechs Wochen zur Diskussion der Zwischenergebnisse. Die Teilnehmer decken einen breiten Anwendungsbereich ab: Architekten, Stadtplaner, Bauund Umweltingenieure sowie Betriebs- und Volkswirte. Ab April 2015 finden im regelmäßigen Turnurs Arbeitsgruppentreffen statt. 3 | Inhalte 3.1 Ökobilanz (Umweltindikator) Betrachtet werden im Rahmen einer Ökobilanzierung vorerst nur die CO2Emissionen über den gesamten Lebenszyklus, d.h. aus der Gebäudekonstruktion, dem Gebäudebetrieb und dem Rückbau. Alle weiteren Indikatoren werden zukünftig über einen Umweltindikator zusammengefasst. In der Planung von AktivPlus Gebäuden und Stadtquartieren sollen die CO2-Emissionen berechnet und alternative Konstruktions- und Versorgungskonzepte untersucht werden. Das Ergebnis ist die Ausweisung der CO2-Emissionen für die finale Planung. Im Rahmen eines späteren Monitoring sollen dann die Emissionen aus dem realen Energieverbrauch berechnet werden. Für die Ermittlung der Emissionen aus der Gebäudekonstruktion, werden verschiedene Verfahren mit unterschiedlicher Detailtiefe zugelassen, um einfache Variantenvergleiche in frühen Planungsphasen zu ermöglichen. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf der Verwendung von nachwachsenden Rohstoffen und recycelten oder recycling- fähigen Materialien. Bereits in der Planungsphase wird die Rückführung der Komponenten in natürliche und technische Stoffkreisläufe berücksichtigt und in die Energierechnung mit einbezogen, um somit die besten Voraussetzungen für eine gute Ökobilanz zu schaffen. 3.2 Lebenszykluskosten Bei AktivPlus Gebäuden werden nicht nur die Baukosten, sondern alle gebäudebezogenen Kosten über den Lebenszyklus aufgezeigt. Neben den Investitionskosten werden Energie- und Wartungskosten sowie eine notwendige Instandhaltungsrücklage ausgewiesen, um dem Nutzer die zu erwartenden Gesamtkosten transparent darzustellen. Dabei wird jeweils eine Spanne möglicher Preissteigerungen betrachtet. In der Planung werden die Lebenszykluskosten berechnet und weitere Planungsalternativen mit relevanter Auswirkung auf die Lebenszykluskosten untersucht. Im Rahmen eines späteren Monitoring können die realen Energie- und Wartungskosten des Gebäudes erfasst werden. 21 wendungsbereich ab: Architekten, Fachplaner, Bauwirtschaft und Ingenieure. Ab April 2015 finden im regelmäßigen Turnurs Arbeitsgruppentreffen statt. ARBEITSGRUPPE VERNETZUNG UNTER DER LEITUNG VON THOMAS WILKEN 1 | Zielsetzung Der ganzheitliche Ansatz der AktivPlus Initiative Netzintegration dient dem Ziel, eine nutzerfreundliche und zuMobilität kunftsfähige Planungs- und Bauqualität zu entwickeln, welche den Ansprüchen an zeitgemäße, energieeffiziente sowie komfortable Gebäude und Quartiere gerecht wird. In diesem Verständnis vollzieht sich gleichzeitig ein Dogmenwechsel, indem Gebäude vom Energieverbraucher zum Energieerzeuger werden und den Ausbau Erneuerbarer Energien beschleunigen. Durch die Multiplikation dieses Ansatzes, gilt die Betrachtung u.a. aus energetischer, ökologischer und wirtschaftlicher Sicht nicht mehr allein einem Gebäude. Vielmehr ist die Versorgung mehrerer Einheiten mit erneuerbaren Energien auf Quartiersebene eine Herausforderung für die Zukunft. AktivPlus Gebäude müssen als Schnittstelle eines intelligenten Netzwerks (Smart Grid) entwickelt werden. Damit werden sie zu flächendeckend dezentral vernetzten Energieerzeugern, mit dem Potential weitere Aspekte, wie z.B. die Elektromobilität, in eine ganzheitliche Versorgungsstrategie zu integrieren. VERNETZUNG 2 | Struktur der Arbeitsgruppe Die AG wird von dem Vorstandsmitglied Thomas Wilken geleitet. Etwa zwölf Teilnehmer treffen sich (in der Regel in Frankfurt) ca. alle sechs Wochen zur Diskussion der Zwischenergebnisse. Die Teilnehmer decken einen breiten An- 22 3 | Inhalte Um eine hohe solare Deckung und die Nutzung der erneuerbar erzeugten Energien vor Ort zu erreichen, ist ein Grad der Vernetzung zwischen Gebäuden sowie Erzeugern und Verbrauchern erforderlich, welcher sich aktuell in der Entwicklung befindet. Der Nutzer mit seinem spezifischen Bedarf an Energie, Komfort und Sicherheit steht dabei aus Sicht des AktivPlus e.V. im Mittelpunkt der Betrachtung. Zwei Ebenen der Vernetzung sind relevant und im Zusammenhang mit den allgemeinen und individuellen Anforderungen zu lösen: das ganzheitliche Konzept für eine energieeffiziente sowie bedarfs- und komfortgerechte Versorgung auf Gebäudeebene und die äußere Verbindung mit den relevanten Netzen. Das sind im Wesentlichen das Strom-, ggf. das Wärme- und das Kommunikationsnetz. Als technische Voraussetzung für diese Vernetzung gilt es Schnittstellen zu definieren, über die Daten z.B. zum aktuellen oder prognostizierten Bedarf sowie zur häufig dezentralen Erzeugung bereitgestellt und ausgetauscht werden. Feedbacksysteme zur Nutzerinformationen in Bezug auf Verbrauch oder Tarif sorgen dabei für die notwendige Transparenz. »VERNETZUNG HEISST: GEBAÜDE UND QUARTIERE IM SMART GRID INTEGRIEREN.« Durch die intelligente Vernetzung mit Bestandsgebäuden, selbst Baudenkmälern, können regenerative Überschüsse dazu beitragen, die Energiewende im Gesamtkontext des Quartiers oder der Stadt zu gestalten. Technische Lösungen sind bereits vorhanden, Aspekte wie Versorgungssicherheit und Datensicherheit müssen aber noch intensiv diskutiert und verbindlich gelöst werden. Die Motivation, Gebäude als Teil eines Smart Grid zu planen, sollte dabei nicht allein aus ideellem Anlass erfolgen, sondern durch wirtschaftlich innovative Lösungen überzeugen. Das dazu auch rechtliche Rahmenbedingungen zu klären sind, steht außer Frage. Die Herausforderung wird darin bestehen, auf Basis der vorhandenen Strukturen, zukunftsfähige Lösungen zu entwickeln und Parallelnetzwerke oder Insellösungen zu vermeiden. In intelligenten Netzen muss sich der Energiebedarf stärker am regenerativen und häufig volatilen Angebot aus Sonnen und Wind orientieren. Lastmanagementsysteme in Haus und Quartier und die gebäudeübergreifende Vernetzung werden z.B. die Erhöhung der Eigenstromnutzung unterstützen. Gleichzeitig müssen Speicherkapazitäten auf Gebäude- und Quartiersebene intelligent erschlossen werden, um die Überschusseinspeisung aus regenerative erzeugtem Strom, vor dem Hintergrund von Versorgungssicherheit und wirtschaftlicher Belange, zu reduzieren. Ein wichtiger Teil der Vernetzung ist daher auch die digitale Nutzerinformation, welche die technische Abstimmung zum Vorteil von Netz und Nutzer visualisiert und dadurch ermöglicht. Vernetzte Quartiere werden also den Vorteil bieten, regenerativ erzeugte Energie lokal in großem Umfang zu nutzen und zu speichern, z.B. nach dem Prinzip ´Power to heat´, gleichzeitig aber auch Mobilitätszwecke zu bedienen. Ein klimaneutraler Gebäudebestand wird sich durch ein hohes Maß an interner und externer Vernetzung auszeichnen und nutzt die Vorteile der bestmöglichen Verbindung aus energetischem und wirtschaftlichem Optimum. 23 BLOCK 1 | ENERGIE VORTRÄGE UND ESSAYS Foto: HHS Planer + Architekten AG, Constantin Meyer sich auf eine Reihe grundlegender Prinzipien zurückgreifen, um sowohl Architekten, kommunalen als auch privaten Entscheidungsträgern (erfolgreiche und machbare) Lösungen aufzuzeigen. AKTIV-SOLARHÄUSER GEBÄUDEINTEGRIERTE SOLARTECHNIK IM SPANNUNGSFELD VON BAUKULTUR UND ENERGIEEFFIZIENZ Roland Krippner Technische Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm | Architektur Solarenergieförderverein Bayern e. V. München B1 Durch die zunehmende Aktivierung der Gebäudehüllflächen verändert sich das Erscheinungsbild der Häuser und hat damit weitreichenden Einfluss auch auf die Gestaltqualitäten der Stadtquartiere. Mit Blick auf die verschiedenen Programme wie “Aktiv-Solarhaus”, “Effizienzhaus Plus” und der anstehenden Umsetzung der EU Gebäuderichtlinie EPBD 2010 (ab 2019) ist es erforderlich, die quantitative Zunahme des Einsatzes von Kollektoren und PV-Modulen insbesondere auch im Zuge der energetischen Sanierung des Gebäudebestandes – über die Nutzungsarten vom Einfamilienhaus über kleinere Gewerbebauten bis zu großen Bildungs- und Verwaltungsbauten – auch als baukulturelle Aufgabe zu begreifen. Im Gegensatz zu den Steigerungen der insgesamt installierten Kollektor- und Photovoltaikflächen wird bei der Gebäudeintegrierten Solartechnik ein Stillstand, bisweilen sogar eine (leichte) Abnahme an Beispielen mit einer auch architektonisch überzeugenden Lösung konstatiert. Wie kann dieser Transformationsprozess auch unter architektonischen Ansprüchen gelingen? Trotz vielfach vorbildlicher Beispiele fristet die gebäudeintegrierte Solartechnik, d.h. Lösungen, bei denen die Systeme der solaren Aktivtechnik einen wesentlichen sichtbaren Bestandteil des Gebäudekonzeptes bilden, im Bereich des energieeffizienten wie solaren Bauens weiterhin eher ein Nischendasein. Dabei lässt PORTRAITFOTO: FOTO-ATELIER ROBRA, MÜNCHEN 26 Wesentliches Merkmal von Aktiv-Solarhäusern sind großflächige Solaranlagen in der Gebäudehülle und damit werden die Kollektorfläche und/oder der PV-Generator in der Regel zu einem gestaltbestimmenden Element. Gleichwohl lassen sich grundsätzlich zwei unterschiedliche Strategien im Umgang mit der Solartechnik feststellen. Das großflächige solartechnische System im Dachbereich verdeckt anzuordnen, damit das architektonische Konzept ‚unbeeinträchtigt’ bleibt. Wie z.B. bei den baulich und energetisch ambitionierten Projekten von Werner Sobek, Haus D10 in der Nähe von Ulm (2011) und Aktivhaus B10 in Stuttgart (2014). Insbesondere im Kontext historisch bedeutsamer baulicher Ensembles ein möglicher Ansatz Baukultur und Energieeffizienz zu verbinden, aber es wird dabei die Chance nicht genutzt, die Transformation von Gebäuden vom Energieverbraucher zum Energieproduzenten selbstbewusst zu gestalten. Wenn die Dachfläche nicht ausreicht und die Solaranlage auch als sichtbares Zeichen für ‚Zukunftstechnologie’ in der Fassade eingesetzt wird, wie beim Effizienzhaus Plus mit Elektromobilität in Berlin (2011), ebenfalls von Werner Sobek, ist jedoch für eine überzeugende Lösung immer ein übergeordnetes Gestaltungskonzept erforderlich. In den zurückliegenden Jahren sind eine Reihe herausragender Bauten unterschiedlicher Nutzungen realisiert worden, die beispielhaft eine sicht- und ablesbare Verknüpfung von Baukultur und Energieeffizienz aufzeigen. Beim Neubau des Bürogebäudes Marché International in Kemptthal/CH (2007) setzt Beat Kämpfen auf eine kleinteilige Dachdeckung. Auf dem nach Süden ausgerichteten, 12° geneigten Pultdach sind auf einer Fläche von 485 m2 aSi-Module angeordnet, die 40.000 kWh Strom für Gebäudetechnik + Bürobetrieb produzieren. Mit den dünnen, anthrazitfarbenen Glasschindeln wird eine homogene Fläche erzeugt, die dennoch das differenzierte Bild traditioneller Dachlandschaft aufgreift. Darüber hinaus zeigt das Projekt auch beim Dach, das auch als fünfte Fassade bezeichnet wird, eine sorgfältige Detaillierung von Befestigung und Randausbildung. Bei der Werkhalle design.s (2010) in Freising-Pulling von Deppisch Architekten wird das flachgeneigte asymmetrische Satteldach ebenfalls mit Dünnschichtmodulen (a-Si) komplett bedeckt. Allerdings ist die Solaranlage über der eigentlichen wasserführenden Schicht (additiv) angeordnet, schließt höhengleich mit den Dachränder ab und bildet so in der Gesamtwirkung eine geschlossene Fläche. Die etwa 1,10 x 1,30 m großen Module erzeugen auf insgesamt 1.200 m² der nach Süden und Norden ausgerichteten Flächen etwa 70.000 kWh und übertreffen übers Jahr den Strombedarf des Gebäudes. Eine stimmige Gesamtlösung, die auch beim PV-Dach in der Detailausbildung überzeugt. Bei der Umweltarena in Spreitenbach/CH (2012) von René Schmid Architekten sind alle Flächen des prismatisch gestalteten Dachs mit schwarzen monokristalline PV-Modulen belegt. Da die geneigte Traufe in Teilen auch bis zum Boden in den unmittelbaren Nahsichtbereich geführt ist, spielt die Gestaltung eine wichtige Rolle. Die rahmenlosen Module sind mit einer schwarzen Folie hinterlegt um trotz der Vielzahl an schrägangeschnittenen Formaten ein einheitliches Erscheinungsbild zu gewährleisten. Auf einer Fläche von 5.300 m2 werden im Jahr 540.000 kWh erzeugt und damit der Strombedarf des Gebäude um Faktor 2 übertroffen. gen einer adaptiven Solarfassade. Das erfolgreiche „Plus-Energie”-Konzept (2007) der TU Darmstadt überzeugt mit einer Holzfassade aus Dreh-Faltläden, deren schmale horizontale Lamellen mit amorphen Siliziummodulen bestückt sind. Eine kleinteilige Struktur, zweiachsig nachführbar, die in der Materialkombination Holz und Solartechnik ebenso besticht wie in der eleganten Ausführung. Das Team Rooftop von Studenten der UdK und TU Berlin setzt beim Solar Decathlon Europe 2014 auf Klapp-Faltläden, in der oberen Hälfte paarweise schwarze CIGS-Module eingesetzt sind. In aufgeklappter Position fungieren diese als Sonnenschutz und erweitern zusätzlich das ebenfalls aus CIGS-Modulen bestehende Energiedach. Über das ausgeklügelte bauliche und technische Konzept hinaus wird hier mit der Aufstockung die städtebauliche Verdichtung mittels eingeschossiger Holzbau-Raummodulen beispielhaft thematisiert. Aber nicht nur im Dach sondern auch in der Fassade sind großflächige Solaranlagen möglich. Aktuelles Beispiel ist die Kindertagesstätte in Marburg/ Lahn (2014) von opus Architekten, bei der im Gebäudekonzept einer ‚gefalteten’ Baukörperausbildung sowohl im Dach als auch in der Fassade die Tageslichtnutzung und die Aktivierung der Hüllflächen optimiert sind. Auch hier treten die einzelnen Zellen in der Farbigkeit zurück, zugunsten einer homogen Flächenwirkung. Die querformatigen Module sind auf insgesamt 385 m2 Dach- und Fassadenfläche, mit einer Gesamtleistung von 52,32 kWp, in einem knappen Fugenraster elegant angeordnet; durch monokristalline Zellen und eingefärbte metallische Lötbändchen wird die Binnenstruktur zurückgenommen und somit bleibt in der Fernsicht eine perfekt detaillierte Glasfassade. In den vergangenen Jahren zeigen vor allem auch die studentischen Projekte innerhalb des Solar Decathon Wettbewerbs prototypische WeiterentwicklunKINDERTAGESSTÄTTE (2014), MARBURG/LAHN, OPUS ARCHITEKTEN, DARMSTADT 27 Damit rückt auch der Gebäudebestand in den Fokus mit der Frage, wie können aus bestehenden Gebäuden Aktiv-Solarhäuser werden. Trotz der viel höheren baukonstruktiven und gestalterischen Anforderungen, großflächige Solaranlagen in Dach und Fassade zu integrieren, zeigen Beispiele vom Einfamilienhaus bis zum Geschoßwohnungsbau, dass auch im Bestand gestalterisch überzeugende Lösungen möglich sind. Bei dem Siedlungshaus in Leverkusen (1936/2013) transformiert Caroline Wachsmann die vorhandene Dachfläche in ein vollflächiges Energiedach zur Wärme- und Stromerzeugung, kombiniert mit Dachflächenfenster. In Freiburg/Br. zeigen die sanierten Punkthäuser Wilmersdorfer Straße (2000) von Rolf + Hotz Architekten eine großflächige Photovolatikfassade mit polykristallinen Modulen, während in Romanshorn/ CH bei einem Mehrfamilienhaus aus den sechziger Jahren nach der Sanierung (2012) durch Viridén + Partner Plusenergiehaus-Standard erreicht wird. In der Süd- und Westfassade werden monokristalline PV-Module in marktüblichen Standardformaten vollflächig in Wand und Balkonbereich eingesetzt, die mit ihren polygonalen Zellen ein strukturiertes Bild erzeugen. Die skizzierten Beispiele zeigen, das sowohl im Neubau als auch im Gebäudebestand großflächige Solaranlagen stimmig in Dach und Fassade integriert werden können, um die Gebäudehüllflächen zur Wärme- und Stromproduktion zu aktivieren. Entscheidend für eine auch architektonisch schlüssige Lösung ist jeweils die notwendige Abstimmung vom Gesamtkonzept bis zur Einzelheit; dabei sind auch Fragen der Oberflächen und Farbigkeit mit einzuschließen. Für den Architekten bedeutet dies, sowohl für die visuelle als auch für die konstruktive Detailarbeit, sich neben der technischen Optimierung auch die ästhetische Dimension der Einzeldinge, auch in Relation zur Gesamtform, bewusst zu machen. Betrachtet man die Einreichungen bei den jüngsten Wettbewerben „Architekturpreis Gebäudeintegrierte Solartechnik“ des Solarenergieförderverein Bayern und die vorgestellten Prototypenbauten beim Solar Decathlon (Europe) lässt sich feststellen, dass trotz des Nischendaseins der gebäudeintegrierten Solartechnik eine ganze Reihe exemplarischer Lösungen von großflächigen Solaranlagen in Dach und/oder Fassade zu verzeichnen sind, auch wenn viele der Lösungsansätze meist im Bereich der Variation bekannter gestalterischer und technischer Ansätze bleiben. Häufig zeichnen sich die Projekte zusätzlich durch ambitionierte energetische und ökologische anlagentechnische Gesamtlösungen aus, die neben Null- und Plusenergiekonzepte auch Ansätze zum Thema Energieautarkie aufzeigen. UMWELTARENA (2012), SPREITENBACH/CH, RENÈ SCHMID ARCHITEKTEN, ZÜRICH 28 QUALITÄTSMANAGEMENT ALS SCHLÜSSEL FÜR DEN EFFIZIENTEN GEBÄUDEBETRIEB Oliver Rosebrock (mit Dr.-Ing. Stefan Plesser und Univ.-Prof. Dr.-Ing. Norbert Fisch) IGS | Institut für Gebäude- und Solartechnik Technische Universität Braunschweig Durch den Einsatz komplexer technischer Gebäudeausrüstung können große Effizienzpotenziale für Gebäude erschlossen werden. Allerdings stellt die Sicherstellung der Nutzung der Potentiale im Gebäudebetrieb eine zunehmend große Herausforderung dar. Häufig ergeben sich starke Unterschiede zwischen geplantem und realen Betrieb einer Anlage. Diese Abweichungen können zu einer deutlichen Differenz zwischen Energiebedarf und -verbrauch eines Gebäudes bzw. der Gebäudetechnik führen. Hierdurch können wirtschaftliche Konzepte zu realen Kostengräbern werden. Um die Lücke zwischen Planung und Betrieb zu schließen, müssen die Prozesse über den gesamten Lebenszyklus – vom Planer bis zum Betreiber – optimiert werden. Ein innovativer Lösungsansatz soll an zwei Beispielgebäuden demonstriert werden. Das eine Gebäude ist das LichtAktiv Haus der Fa. Velux in Hamburg-Wilhemsburg, eine sanierte Doppelhaushälfte, die um einen Anbau mit Wohn- und Funktionsbereich ergänzt wurde. Zur Wärmeversorgung kommt eine LuftWasser-Wärmepumpe in Kombination mit einer Solarthermieanlage zum Einsatz. Die Wärmeabgabe erfolgt über eine Flächenheizung. Beim zweiten Gebäude handelt es sich um ein Mehrfamilienhaus mit 17 Wohneinheiten im Effizienzhaus Plus Standard in Frankfurt-Riedberg, das im Mai 2015 bezogen wird. Die Wärmeversorgung erfolgt hier mittels einer Sole-Wasser-Wärmepumpe, deren Wärmequelle je nach Temperaturniveau ein Eisspeicher mit einem Volumen von ca. 100 m³ oder ein solarthermischer Absorber auf dem Dach ist. Auch hier kommt ein Niedertemperaturflächenheizsystem zum Einsatz. Während des Monitorings des LichtAktiv Hauses konnte anhand des gemessenen Wärme- und Stromverbrauchs festgestellt werden, dass die in der Planung angestrebte Effizienz der verbauten Luft-Wasser-Wärmepumpe im Betrieb nicht erreicht werden konnte. Zur Fehlersuche und Fehlerbeseitigung sowie zur Optimierung der Anlage fanden zahlreiche Treffen vor Ort mit mehreren Projektbeteiligten, u.a. vom Institut für Gebäude- und Solartechnik (IGS) der TU Braunschweig wie auch vom Hersteller der Anlagentechnik und dem Heizungsbauer, statt. Hierbei galt es vor allem, die Regelung der Wärmepumpe zu optimieren, um die Abweichung zwischen Bedarf und Verbrauch zu minimieren. Nur unter diesem hohen Aufwand gelang es, Schwachstellen zu identifizieren und zu eliminieren, sodass ein effizienter Gebäudebetrieb ermöglicht wurde. Es hat sich gezeigt, dass Qualitätsmanagement einen wichtigen Beitrag liefert, um die Effizienz und somit auch die energetischen Ziele, die in der Planungsphase definiert wurden, zu erreichen. Der Aufwand für die Erschließung der Potentiale war jedoch deutlich zu hoch und erforderte – wie im beschriebenen Fall - viel Zeit. Ein Ansatz für ein innovatives und wirtschaftliches Qualitätsmanagement besteht in sogenannten „Aktiven Funktionsbeschreibungen“ (AFB). Mit ihnen werden bereits in der Planung Betriebszustände und entsprechende Funktionalitäten für die Anlagentechnik definiert. Diese Vorgaben, sogenannte Betriebsregeln, müssen im jeweiligen Betriebszustand erfüllt sein und können entsprechend als Soll-Vorgaben für die Errichtung genutzt werden. Beispiele 29 B1 für Betriebsregeln sind Ventilstellungen oder Temperaturvorgaben, aber auch einfache Betriebsmeldungen (An/Aus) von Pumpen. Zur Verdeutlichung soll ein Minimalbeispiel mit zwei Betriebszuständen dienen. Als System wird eine Wärmepumpe betrachtet, deren Betrieb anhand der Heizgrenztemperatur geregelt wird. Es ergeben sich also die Zustände AUS und HEIZEN. Im Zustand AUS muss erfüllt sein, dass die primär- und sekundärseitigen Pumpen sowie die Wärmepumpe nicht im Betrieb sind. Liegt der Zustand HEIZEN vor, muss die Außentemperatur unter der Heizgrenztemperatur liegen und die Pumpen sowie die Wärmepumpe in Betrieb sein. Die Wärmepumpe muss dabei den geschuldeten Wirkungsgrad erreichen. Sind diese Vorgaben erfüllt, so liegt der Betriebszustand Heizen fehlerfrei vor. Ebenso ist es möglich, eine Betriebsgüte vorzugeben, die beschreibt, wie häufig ein Zustand fehlerfrei vorliegen muss, um den Gebäudebetrieb als ordnungsgemäß einzustufen. Fällt jedoch eine Pumpe aus oder sinkt der Wirkungsgrad in unzulässigem Maße ab, so sind nicht alle Betriebsregeln des Zustands HEIZEN erfüllt und der Betriebszustand liegt fehlerhaft vor. Wichtig: In der AFB müssen nicht alle Funktionen der Anlage spezifiziert werden. Es kann eine beliebige Auswahl GRAFIK ZUR BETRIEBSGÜTE 30 von Vorgaben definiert werden, die dann geprüft werden. Der Import von Betriebsdaten aus der Gebäudeautomation ermöglicht auf Basis der definierten Zustände eine automatisierte Überprüfung, ob und wie häufig die Betriebsregeln eines Betriebszustandes bei Vorliegen dieses Zustands erfüllt waren. Ebenso können hierdurch sehr schnell bei fehlerhaftem Vorliegen von Betriebszuständen die Ursachen identifiziert werden. Übliche energetische Kennwerte werden natürlich zusätzlich mitgeprüft. Ein Probebetrieb bei der Inbetriebnahme von Anlagen kann somit in effektiver und wirtschaftlicher Weise Fehler erkennen, die im Betrieb zu Effizienzeinbußen geführt hätten. Diese Herangehensweise wird vom IGS der TU Braunschweig beim Bau des Mehrfamilienhauses in Frankfurt-Riedberg bereits in der Planung eingesetzt. Mit einer Aktiven Funktionsbeschreibung wird das Einhalten der Betriebsregeln in den Betriebszuständen der komplexen Anlage (Wärmepumpe mit Eisspeicher) sowohl während der Inbetriebnahme als auch automatisiert über einen längeren Zeitraum überprüft. Die Methodik wird außerdem zurzeit in einem Feldtest ebenfalls mit Förderung des BBSR untersucht. Interessierte Bauherren können sich hier informieren oder ein Angebot zur Teilnahme erhalten unter https://www.tu-braunschweig.de/igs/forschung/specundcheck . MEHRFAMILIENHAUS FRANKFURT-RIEDBERG, HHS ARCHITEKTEN + PLANER LICHAKTIV HAUS HAMBURG, VELUX DEUTSCHLAND GMBH 31 MACHBARKEIT PLUSENERGIESCHULEN Cornelia Jacobsen Ingenieurbüro Hausladen GmbH | Erweiterte Geschäftsleitung und Leiterin der Energieabteilung Nach EU-Gebäuderichtlinie ist zukünftig für alle Neubauten die Anforderung eines Energiebedarfs von nahezu Null-Energie-Häusern zu erfüllen. Der geringe restliche Bedarf ist zu einem ganz wesentlichen Anteil durch Energie aus erneuerbaren Quellen zu decken. Plusenergieschulen übertreffen diese Anforderung sogar. Plusenergieschulen haben als Multiplikatoren eine wichtige Vorreiterrolle und stellen einen wichtigen Baustein zur Umsetzung der energiepolitischen Ziele dar. B1 Im Rahmen der Forschungsinitiative Zukunft Bau wurde daher eine Untersuchung zur Machbarkeit von Plusenergieschulen gefördert. Als Schwerpunkt dieser Untersuchung wurde anhand von Beispielschulen die Umsetzbarkeit von Plusenergieschulen geprüft. Hierfür wurde in einem ersten Schritt eine Berechnungsmethodik für Plusenergieschulen entwickelt, welche den Energiebedarf für Heizung, Lüftung, Warmwasserbereitung und Beleuchtung, den Nutzerstrombedarf sowie die Stromerzeugung umfasst. Die erarbeitete Berechnungsmethodik wird als Definition für den Plusenergiestandard von Schulen vorgeschlagen: 32 Bilanzebene | Primärenergie Bilanzumfang | primärenergetisch bewerteter Bedarf und bewertertete Erzeugung während Nutzung (Energiebedarf Ge- bäude nach EnEV / DIN V 18599, Nutzerstrombedarf, Energieerzeugung) Bilanzgrenze | Schulgebäude (incl. zugehörigen Außenanlagen), alternativ: Schulgrundstück Bilanzzeitraum | Jahresbilanz Bilanzwerkzeug | Bedarfsermittlung für Heizung, Trinkwarmwasser, Lüftung, Beleuchtung nach DIN V 18599 (Mehrzonenmodell), Stromerzeugung nach Methodik der DIN V 18599-9 Primärenergiefaktoren | Festlegung analog für die Schule anzuwendender EnEV, erzeugter KWK-Strom nach Verdrängungsstrommix, erzeugter Strom aus PV und Windkraft: analog allg. Strommix Bilanzbedingungen | 1. Standardisierte Berechnung (Standardklima Deutschland nach EnEV, Klima PV-Erzeugung: Standort Potsdam, Klima WindErzeugung: lokale Wetterdaten/Messungen, Nutzungsprofile gemäß Tabelle 4 DIN V 18599-10, Nutzerstrombedarf: 8 kWh/m²a für Grundschulen, 10 kWh/ m²a für sonstige Schulen 2. Berechnung mit freien Randbedingungen (an die Schule angepasst), Klima Bedarfsberechnung: Wetterdaten nach Region der DIN V 18599-10:2011-12, Klima Erzeugung: lokale Wetterdaten (z.B. Meteonorm), angepasste Nutzungsprofile, angepasster Nutzerstrombedarf Plusenergiestandard | Primärenergiejahresbilanz Σ QP < 0 kWh/(m²a) Die Berechnungsmethodik wurde exemplarisch an drei Beispielschulen angewendet. Hierfür wurden die Gebäudekubaturen der realisierten Schulen FOS/BOS Erding, Realschule Memmingen, Grundschule Prüfening verwendet und Randbedingungen für die Berechnung (Dämmstandard, Anlagentechnik, Nutzerstrombedarf, Energieerzeugung, Variantenrechnungen) festgelegt. Als Versorgungskonzepte wurden Wärmepumpe, Pelletkessel und eine Fernwärme (mit fP=0) sowie für die Energieerzeugung eine auf dem Schuldach aufgeständerte Photovoltaikanlage und zusätzlich in die Fassade integrierte PV-Flächen untersucht. Nach Definition wurde sowohl eine Berechnung mit Standardrandbedingungen (z.B. Standardklima, Nutzungsrandbedingungen nach DIN V 18599) als auch eine mit den lokalen Randbedingungen (z.B. Standortklima, an die geplante Schule angepasste Nutzungsrandbedingungen) durchgeführt. Die Berechnungen haben gezeigt, dass es je nach Standort zu stark abweichenden Ergebnissen kommen kann. Beispielsweise ist für eine Schule mit Standort Hamburg durch die geringere solare Einstrahlung das Erreichen eines „Plus“ bei der Berechnung mit lokal angepassten Randbedingungen schwieriger als für eine Schule in Freiburg. Daher wird gemäß Definition gefordert, sowohl ein Plus bei der standardisierten Berechnung zu erzielen, um die Vergleichbarkeit des Plusenergiestandards zu gewährleisten, als auch bei der Berechnung mit den tatsächlichen Randbedingungen, um das Erreichen des „Plus“ bei der Nutzung sicherzustellen. Bei der Definition des Effizienzhaus-Plus-Standards für das BMUB-Förderprogramm wird die Anforderung gestellt, dass sowohl ein negativer Jahres-Primärenergiebedarf als auch ein negativer Jahres-Endenergiebedarf vorliegen muss. Bei der Berechnung der Beispielschulen hat sich herausgestellt, dass auf Endenergiebasis nur ein „Plus“ für das Versorgungskonzept Wärmepumpe erreichbar ist, jedoch nicht für die Versorgungskonzepte Pelletkessel und Fernwärme. Die Grafiken auf der nachfolgenden Seite zeigen die Ergebnisse der endenergetischen im Vergleich zur primärenergetischen Bilanzierung bei Berechnung mit Standardrandbedingungen für die drei untersuchten Beispielschulen bei Variation des Wärmeversorgungskonzepts. Um einen technologieoffenen Ansatz zu gewährleisten, der den nicht erneuerbaren Ressourcenbedarf abbildet, beschränkt sich daher der erarbeitete Vorschlag für eine Definition auf den Nachweis eines negativen Jahres-Primärenergiebedarfs. Bei dieser Vorgehensweise ist es allerdings für die Versorgungskonzepte Pelletkessel und Fernwärme mit geringem Primärenergiefaktor vergleichsweise leicht, den Plusenergiestandard zu erreichen. Daher müssen über Nebenanforderungen eine energetisch hochwertige Gebäudehülle und effiziente Anlagentechnik eingefordert werden. Daher wird die Definition für Plusenergieschulen um nachfolgende Nebenanforderungen ergänzt. Gebäudehülle | Unterschreitung HT‘ des EnEV-Referenzgebäudes um mindestens 30 % Beleuchtung | maximale Beleuchtungsleistung: 2 W/100 lx, Präsenzmelder in allen Bereichen, tageslichtabhängige Kunstlichtsteuerung in den Klassenzimmern Nutzerstrom | Erstellung eines Konzepts zur Minimierung des Nutzerstromverbrauchs Betriebsphase | Durchführung eines Monitorings Bei RLT-Anlage | Ventilatorleistung mindestens SFP 3 Bei Biomasseheizung | Einsatz regionaler Produkte aus nachhaltiger Forstwirtschaft Die Berechnungen der Beispielschulen haben ferner gezeigt, dass der Plusenergiestandard für alle drei Beispielschulen prinzipiell erreichbar ist. Allerdings ist bei höherer Geschossanzahl das Verhältnis von mit PV-Modulen belegbarer Dachfläche zum Energiebedarf ungünstig, so dass zusätzliche Maßnahmen, wie z.B. PV-Belegung von Fassaden und weiter verbesserte Effizienz der Anlagentechnik, erforderlich werden. Zusammenfassend ließen sich auf Basis der Beispielschulen-Berechnung für die Umsetzung von Plusenergieschulen folgende Punkte ableiten: - Ein hoher Dämmstandard entsprechend einer HT‘ Unterschreitung des EnEVReferenzgebäudes um 30 bis 35 % sollte angestrebt werden. Weitere Maßnahmen zur Verbesserung des Dämmstandards haben nur noch geringe Auswirkungen. Bezogen auf den gesamten Bedarf inklusive Nutzerstrom können mit einem weiter verbesserten Dämmstandard (Passivhaus-Standard) bei den Beispielschulen nur noch Einsparungen von bis zu 5 % erzielt werden. - Eine effiziente Anlagentechnik für Wärmeerzeugung, Beleuchtung und gegebenenfalls Belüftung ist eine Grundvoraussetzung. Die Wärmeerzeugung muss zum Großteil auf Basis erneuerbarer Energieträger erfolgen. - Die erforderliche Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien ist durch eine Photovoltaikanlage abdeckbar. Wegen begrenzter Dachflächen sollten Photovoltaikanlagen mit hohem Wirkungsgrad (≥ 17 %) eingesetzt werden. Emp- 33 fehlenswert ist eine flächenoptimierte Zick-Zack-Aufstellung der PV-Anlage z.B. in 10° Ost/West-Ausrichtung. Bei der Energieerzeugung basierend auf einer Dach-Photovoltaikanlage ist die mit PV belegbare Dachfläche bezogen auf die Nettogrundfläche entscheidend. Das Verhältnis aus belegbarer Dachfläche und Nettogrundfläche sollte 0,3 nicht unterschreiten. Dies gelingt umso besser, je geringer die Geschossanzahl ist. Als zweiter Schwerpunkt wurde eine Lastganganalyse auf Basis eines JahresStrom- und Wärmelastgangs der FOS/BOS Erding und eines auf Basis von Globalstrahlungsmessungen synthetisierten PV-Erzeugungslastgangs durchgeführt. Untersucht wurde einerseits der Eigennutzungsanteil des produzierten PV-Stroms, der für die Wirtschaftlichkeit der PV-Anlage entscheidend ist, andererseits die Bezugs- und Einspeisespitzen, um die Auswirkung auf das öffentliche Netz einschätzen zu können. Es hat sich gezeigt, dass der Eigennutzungsanteil einer Plusenergieschule trotz der Ferienzeiten mit 32 bis 41 % durch die im Tagesverlauf gute Korrelation von Strombedarf und PV-Stromerzeugung über dem von Einfamilienhäusern liegt. Die Höhe des Eigennutzungsanteils von Plusenergieschulen hängt hierbei auch vom Versorgungskonzept ab. Bei der Wärmepumpen-Variante ist der Eigennutzungsanteil je nach Lüftungskonzept 4 bis 8 Prozentpunkte unter dem der Fernwärme-Varianten. Dies liegt daran, dass der hohe Strombezug bei der Wärmepumpen-Variante im Winter zu Zeiten geringer Solarstromausbeute liegt. Allein einen hohen Eigennutzungsanteil anzustreben, ist für die Netzfreundlichkeit einer Plusenergieschule nicht die entscheidende Größe. Vielmehr hat ein hoher jährlicher Eigennutzungsanteil nur einen vernachlässigbar geringen Einfluss auf die Bezugs- und Einspeisespitzen. Eine Reduktion von Einspeisespitzen könnte beispielsweise über ein intelligentes Lastmanagement auch in Verbindung mit einem Stromspeicher gelingen. Die Reduktion von Bezugsund Einspeisespitzen ist insbesondere bei dem angestrebten weiteren Ausbau der PV-Leistung essentiell, um negative Auswirkungen auf die Stromnetze und den Kraftwerkspark möglichst vermeiden zu können. Die Forschungsarbeit wurde mit Mitteln der Forschungsinitiative Zukunft Bau des Bundesinstitutes für Bau-, Stadt- und Raumforschung gefördert (Aktenzeichen: II 3-F20-13-1-003 / SWD -10.08.18.7-13.40). Die Verantwortung für den Inhalt liegt bei den Autoren. 100 100 Nutzerstrom Bedarf nach EnEV Stromerzeugung EE1 Stromerzeugung EE0 Nutzerstrom 90 80 80 70 70 Endenergie [kWh/m²a] Primärenergie [kWh/m²a] 90 60 50 40 40 20 20 10 10 Pelletkessel FOS/BOS Erding Fernwärme Wärmepumpe Pelletkessel Fernwärme Realschule Memmingen Wärmepumpe Pelletkessel Fernwärme Grundschule Prüfening 6 7 Stromerzeugung EE0 50 30 Wärmepumpe Stromerzeugung EE1 60 30 0 Bedarf nach EnEV 0 Wärmepumpe Pelletkessel Fernwärme FOS/BOS Erding END- UND PRIMÄRENERGETISCHE BILANZIERUNG DER BEISPIELSCHULEN IM VERGLEICH 34 Wärmepumpe Pelletkessel Fernwärme Realschule Memmingen Wärmepumpe Pelletkessel Fernwärme Grundschule Prüfening 6 7 WEGE ZU GEBÄUDEN MIT ENERGIEÜBERSCHUSS ANALYSE DER EINFLUSSFAKTOREN BEI EIN- UND MEHRFAMILIENHÄUSERN Marc Großklos Institut Wohnen und Umwelt GmbH Gebäude mit Energieüberschuss speisen in der Jahresbilanz mehr Energie ins öffentliche Netz ein, als sie im gleichen Zeitraum aus demselben entnommen haben. Ziel ist es für die „Dienstleistung Wohnen“ möglichst minimale Umweltauswirkungen bei Energienutzung sowie den Treibhausgasemissionen zu verursachen. Die bekannteste Definition für Gebäude mit Energiegewinn ist das EffizienzhausPlus [BMUB 2014]. Es stellt sich u.a. die Frage, welcher energetische Standard erforderlich bzw. sinnvoll ist, um den Energieüberschuss bei unterschiedlichen Gebäudegrößen zu erreichen. Im Folgenden werden Modellgebäude auf die Möglichkeiten und Grenzen zur Erzielung eines Energiegewinns untersucht. Für die Bilanzierung wurde das Passivhaus Projektierungs-Paket (PHPP) und die in Tabelle 1 dargestellten Primärenergiefaktoren verwendet [Gemis 4.8]. Im Gegensatz zu den Ansätzen der EnEV wurde ein einheitlicher Primärenergiefaktor für eingespeisten Strom und bezogenen Strom verwendet und Strom aus PV-Anlagen wird mit einem PE-Faktor bewertet. Das Berechnungsverfahren ist ausführlich in [Schaede, Großklos 2014] beschrieben. Neben der Primärenergie werden auch die Treibhausgasemissionen als Indikator für die Klimaneutralität bestimmt. Strommix PV-Strom Biomethan Primärenergie [kWhPE/kWhEnd] 2,21 0,4 0,3 THG-Emissionen [g/kWhEnd] 594 92 200 Modellgebäude Für die Untersuchungen wurden ein frei stehendes Einfamilienhaus (EFH) und ein Mehrfamilienhaus (MFH) aus der Deutschen Gebäudetypologie [Loga et al. 2015] verwendet und in ihrem energetischen Standard so variiert, dass sie einem Bestandsgebäude, einem Neubau nach EnEV 2014 bzw. einem Passivhaus entsprechen. Beim Mehrfamilienhaus wurde darüber hinaus auch die Anzahl der Stockwerke variiert (Tabelle 2). EFH MFH 1 MFH 2 MFH 3 Geschosse 2 2 4 5 Wohneinheiten 1 8 16 20 Wohnfläche 160 m² 560 m² 1120 m² 1400 m² Projektierte 4,6* 16 32 40 Personenzahl Energiebezugs-fläche 160 m² 566 m² 1132 m² 1415 m² Dachfläche 150 m² 351 m² davon für Solar44,5 m² 246 m² energie nutzbar Gebäudemaße (Außenmaß thermische Hülle) Höhe 9,0 m 7,1 m 13,5 m 16,7 m Geschosshöhe 3m 3,2 m Breite 10,8 m 9m Länge 10 m 39 m * Ergibt sich aus der Energiebezugsfläche und einem pauschalen Ansatz von 35 m²/Person MFH 4 7 28 1960 m² 56 1981 m² 23,1 m TABELLE 2: KENNDATEN DER UNTERSUCHTEN VARIANTEN DER GEBÄUDE Einfluss von Gebäudegröße und Energieerzeugung Abhängig von der Gebäudegröße verändert sich die je qm Energiebezugsfläche verfügbare Dachfläche für Stromerzeugung mit Photovoltaik. Das führt dazu (Abbildung 1), dass beim Mehrfamilienhaus ab etwa sechs Stockwerken selbst bei solar optimierten Gebäuden (südorientiertes Pultdach) mit sehr hohem Effizienzstandard (Passivhaus, Wärmepumpe mit Jahresarbeitszahl (JAZ) von 3,5, erhöhte Effizienz der Warmwasserverteilung und effiziente Elektrogeräte) die Dachfläche bei gängigen PV-Modulen mit 16 % Wirkungsgrad nicht TABELLE 1: VERWENDETE PRIMÄRENERGIE- UND TREIBHAUSGAS-EMISSIONSFAKTOREN 35 mehr ausreicht, um einen Überschuss zu erreichen. Hier sind entweder Hocheffizienzmodule mit 20 % Wirkungsgrad oder gebäudeintegrierte Photovoltaik (GIPV) erforderlich, um weiterhin einen bilanziellen Überschuss zu erreichen. Kleine Gebäude können dagegen einen sehr hohen Überschuss erreichen. ABB.1 ENERGIEERZEUGUNG MIT SOLAROPTIMIERTEN GEBÄUDEN UND ENERGIEBEDARF IN ABHÄNGIGKEIT DER GEBÄUDEGRÖSSE Einfluss des energetischen Standards Bei dem hier betrachteten Einfamilienhaus (Abbildung 2) lässt sich weder mit einem Bestandsgebäude noch mit einer Ausführung nach EnEV 2014 ein Überschuss in der Bilanz erzielen. Erst bei einem Gebäude im Passivhaus-Standard wird ein Primärenergieüberschuss von 19 kWh/(m²a) erreicht. Für die Treibhausgasemissionen ergibt sich dann eine Gutschrift von 5,9 kg/(m²a). Der Grund liegt hier in der Dachform des Beispielgebäudes, da ein Teil der Dachfläche nach Norden ausgerichtet ist und nicht mit PV belegt wird. Bei einem solaroptimierten EFH nach EnEV (Pultdach nach Süden) würde sich bereits ein sehr hoher Überschuss von 84 kWh/(m²a) ergeben und selbst das Bestandsgebäude wäre in der Bilanz fast klimaneutral. Damit wäre aber ein sehr hoher Bezug aus dem Stromnetz im Winter verbunden, der gegenwärtig 36 überwiegend fossil gedeckt wird. So lag die regenerative Stromerzeugung im Zeitraum vom 27.12.14 - 05.01.15 mit hohem Heizwärmebedarf im Mittel bei etwa 30 %, an einzelnen Tagen aber nur bei 15 % [Agora 2015]. Für nachhaltige, klimaneutrale Gebäudekonzepte sollten hohe jahreszeitliche Verrechnungen aufgrund des (noch) geringen regenerativen Anteils im Winter nicht zugelassen werden. Betrachtet man Mehrfamilienhäuser, so sind auch für solaroptimierte Gebäude energetische Standards, die deutlich schlechter sind als der PassivhausStandard, nicht geeignet einen Energieüberschuss zu erzielen. Je größer das Gebäude, desto weiter nähert sich der erforderliche energetische Standard dem Passivhaus. Einfluss Anlagentechnik Liegt die JAZ der Wärmepumpe unter 3,5, erreicht auch das solaroptimierte Gebäude MFH 3 keinen Überschuss. Gebäude mit Energiegewinn können aber auch mit KWK-Anlagen ausgestattet werden, wenn diese regenerativ versorgt werden. Bei einer Wärmeversorgung mit Biomethan-BHKW und Solarthermie wird für MFH 3 ein Überschuss von 16,7 kWhPE/(m²a) erreicht (mit Wärmepumpe 18,2 kWhPE/(m²a)) - die Ergebnisse liegen somit in diesem Fall nahe beieinander. Solarthermie, BHKW und PV können besonders bei Mehrfamilienhäusern eine Alternative zur reinen PV-Erzeugung sein. PV, Solarthermie und BHKW ergänzen sich hierbei sowohl auf der Wärme- wie auf der Stromseite jahreszeitlich, sodass sowohl ein Überschuss in der Jahresbilanz als auch einen Ausgleich in den Monatsbilanzen erreicht werden kann, ohne das Biomassebudget von 35 kWh/(m²a) [Diefenbach 2002] zu überschreiten. Damit sind diese Gebäude weniger auf eine saisonale „Speicherung“ der Überschüsse im Netz angewiesen. Weitere Einflussgrößen Weicht die Nutuzng der Gebäude von den Standardrandbedingungen ab, verändern sich die Ergebnisse. Durch den Anstieg des Wärmebedarfs erreicht das Gebäude MFH 3 bereits bei einer moderaten Erhöhung der Raumtemperatur auf 21 °C keinen Energieüberschuss mehr. Auch eine Erhöhung des Warmwas- serverbrauchs kann den Überschuss zunichte machen. Dann sind JAZ über 3,5 erforderlich. Werden Solarthermie und BHKW zur Wärmeerzeugung eingesetzt, so steigt der Energieüberschuss aufgrund der längeren Laufzeiten des BHKWs und der damit verbundenen erhöhten Stromerzeugung sogar. Allerdings wird dann mehr begrenzte Biomasse verbraucht. Der Vergleich unterschiedlicher Klimazonen innerhalb Deutschlands zeigt, dass bei Gebäuden im Passivhaus-Standard vor allem die Höhe der Solarstrahlung den Energieüberschuss beeinflusst. Niedrige Temperaturen wie am Standort München werden dort durch höhere Solarerträge überkompensiert. In Kiel mit geringerer Solarstrahlung fällt der Energieüberschuss fast 40 % niedriger aus. Bei energetisch schlechteren Gebäuden wirkt sich zusätzlich die Außentemperatur in der Heizperiode stärker aus. Fazit Gebäude mit Energieüberschuss stellen einen Anreiz zur Entwicklung von Gesamt-konzepten aus Energieeffizienz und regenerativer Energieerzeugung dar und können damit ein Beitrag zur Dekarbonisierung des Energieverbrauchs von Gebäuden leisten. Die Vergleichsrechnungen zeigen, dass der erforderliche energetische Standard zur Erreichung eines Energieüberschusses in der Jahresbilanz sich immer weiter dem Passivhaus nähert, je größer das Gebäude ist. Kleine Gebäude können aber auch bei solaroptimierter Bauweise mit schlechteren Standards den Bilanzausgleich erreichen. Dies scheint aus Klimaschutzgründen gegenwärtig jedoch nicht zielführend zu sein, da meist das elektrische Netz als virtueller, saisonaler Speicher verwendet wird - eine Aufgabe, die das Netz bisher nicht übernehmen kann. Quellen [Agora 2015] Agora Energiewende: Stromdaten vom 27.12.2015 bis 05.01.2015; URL: http:// www.agora-energiewende.de/service/aktuelle-stromdaten [BMUB 2014] Bundesministerium für Umwelt. Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Wege zum Effizienzhaus Plus [Diefenbach 2002] Diefenbach: Bewertung der Wärmeerzeugung in KWK-Anlagen und BiomasseHeizsystemen, Institut Wohnen und Umwelt, Darmstadt, 2002 [Gemis 4.8] GEMIS - Globales Emissions-Modell integrierter Systeme, Version 4.8.1 [Loga et al. 2015] Loga, Stein, Diefenbach, Born: Deutsche Wohngebäude-typologie, 2. Auflage, Institut Wohnen und Umwelt, Darmstadt, 2014 [Schaede, Großklos 2014] Schaede, Großklos: Mehrfamilienhäuser als Passivhäuser mit Energiegewinn (PH+E). Institut Wohnen und Umwelt, Darmstadt, 2014 ABB. 2 ENERGIEKENNWERTE DES EFH (LINKS) MIT SATTELDACH, ABHÄNGIG VON ENERGETISCHEM STANDARD 37 SNBS „STANDARD NACHHALTIGES BAUEN SCHWEIZ“ Urs-Thomas Gerber CSD Ingenieure | Geschäftsfeldleiter Areale und Gebäude In der Schweiz ist seit Sommer 2013 ein neuer Standard am Markt, dessen Entwicklung wir, CSD Ingenieure, als Projektleiterin von Beginn an wesentlich mitgestaltet haben. SNBS – die Abkürzung steht für den Standard als neues und umfassendes Messinstrument für den Hochbau. Er soll ein gemeinsames Verständnis des Nachhaltigen Bauens für die Schweiz schaffen und die Beurteilung der Stärken und Schwächen eines Gebäudes in Bezug auf Nachhaltigkeit ermöglichen. Das Ziel bei der Entwicklung des neuen Standards war, dass ein breites Themenspektrum abgedeckt wird, die Bewertung einfach und kostengünstig ist und der Standard auch von der Wirtschaft und der öffentlichen Hand getragen wird. Als Basis dient dem Standard die nationale Strategie Nachhaltige Entwicklung Schweiz, die der Bund 2012 beschlossen hat. Damit stützt sich der SNBS auf anerkannte Schweizer Werte und Zielsetzungen. Entstehung Die Entwicklung des Standards Nachhaltiges Bauen Schweiz hat 2011 begonnen und wird vom Bundesamt für Energie über das Programm EnergieSchweiz finanziert. Die Initiative kam sowohl von der Wirtschaft als auch der öffentlichen Hand. Der Entwicklungsprozess gliedert sich in vier Phasen. In der ersten Phase wurden die Grundlagen und Kriterien diskutiert und der Standard als Instrument entwickelt. In der folgenden Pilotphase wurde der Standard an 38 verschiedenen Projekten, seine Anwendbarkeit für die Standardnutzungen Verwaltung und Wohnen und auch für spezielle Nutzungstypen wie Hotels, Schulen, Einkaufszentren getestet. In der Phase drei, in der sich der Standard jetzt befindet, soll die Ausschreibung für eine Labelorganisation stattfinden, die den SNBS als Label umsetzen und vermarkten wird. Im letzten Schritt wird es darum gehen, den Standard zu lancieren und die Anwender zu schulen. Ein positives Signal ist, dass sich vermehrt Gemeinden und Kantone für den Standard interessieren und so die Aussicht besteht, dass die Verankerung des neuen Labels politisch mitgetragen wird. Systematik Ziel des neuen Standards ist es, die drei Dimensionen des Nachhaltigen Bauens Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt gleichermaßen und möglichst umfassend in Planung, Bau und Betrieb mit einzubeziehen und damit den gesamten Lebenszyklus einer Immobilie phasengerecht zu berücksichtigen. Die definierten Qualitätsziele sind ausgerichtet auf den Nutzen für Mensch und Gesellschaft, auf städtebauliche und architektonische Aspekte, auf die Optimierung und Steigerung der ökonomischen Potentiale eines Gebäudes sowie auf den Schutz der Umwelt. SYSTEMGRENZEN UND BETRACHTUNGSRAHMEN - Umfasst das Gebäude an sich und den Standort im Kontext seines Umfeldes - Anwendung im Neubau und Bestand - Nutzungsart Verwaltung und Wohnen (MFH) - Lebenszyklusbetrachtung von der Entwicklung bis zum Rückbau DER BEREICH GESELLSCHAFT Neben dem gesellschaftlichen Nutzungspotential spielt die Gestaltung des halböffentlichen und privaten Raums eine zentrale Rolle zur Sicherstellung der Nachhaltigkeit eines Objekts. Dieser Prozess und die gleichzeitige gesellschaftliche Sensibilisierung führen zu Identitätsbildung und Identifikation. Der Bereich Gesellschaft wird umfassend betrachtet. So werden auch Aspekte wie Wohlbefinden und Gesundheit berücksichtigt. Darüber hinaus sollen kulturelle Werte erhalten und geschaffen sowie auch Kriterien der Gebrauchs- tauglichkeit und -qualität einbezogen werden. Der Standard SNBS basiert im Bereich Gesellschaft auf bewährten Elementen: WBS (Wohnungs-Bewertungssystem des Bundesamtes für Wohnungswesen), MINERGIE-ECO®, DGNB, SIA 111 Leistungsmodell Planung und Beratung, SIA 111/1 Nachhaltiges Planen und Beraten (in Vernehmlassung), Kriterien in Anlehnung an SIA 112/1 Nachhaltiges Bauen – Hochbau oder für das hindernisfreie Bauen die Norm SIA 500. Hinzu kommen neue, innovative Elemente wie die Frage nach städtebaulichen und architektonischen Qualitäten und dem Umgang mit den Bedürfnissen der unterschiedlichen Zielgruppen. DER BEREICH WIRTSCHAFT Ein nachhaltiges Gebäude muss kostenrelevante Kriterien erfüllen. Untersucht werden das Ertragspotential sowie die Finanzier- und die Handelbarkeit eines Objekts. Dabei werden das Objekt an sich, aber auch der Standort im Kontext seines Umfeldes betrachtet. Ebenso wird die regionalökonomische Wirkung der Liegenschaft für die ökonomische Beurteilung berücksichtigt. Der Standard SNBS basiert im Bereich Wirtschaft auf bewährten Elementen: Berechnung der Lebenszykluskosten, Lageklassenschlüssel des SVIT, Statistiken, Online- und Infoportale. Darüber hinaus kommen innovative Ansätze zum Tragen, die für die wirtschaftliche Nachhaltigkeit von Bedeutung sind wie der Einbezug der Eigentumsverhältnisse. DER BEREICH UMWELT Weil der Umgang mit Ressourcen effizienter und damit schonender erfolgen muss und gleichzeitig die Umweltauswirkungen minimiert werden sollen, sind die Energie- und Klimathemen von Bedeutung. Aufbauend auf MINERGIE® und MINERGIE-ECO® mit Fokus auf Bauökologie und Energieeffizienz werden neu auch Faktoren wie Mobilität, Biodiversität sowie Umgang mit dem Boden miteinbezogen. Der Standard SNBS basiert im Bereich Umwelt auf bewährten Elementen: MINERGIE-ECO® 2011, SIA Effizienzpfad Energie (SIA 2040) mit den themenspezifischen Merkblättern für Energieausweis (SIA 2031), Graue Energie (SIA 2032) und Mobilität (SIA 2039). Auch wurden bestehende Bewertungsinstrumente wie Tageslichttool (MINERGIE-ECO®), Ökobilanzierung (KBOB) etc. integriert. Hinzu kommen neue, innovative Elemente: Biodiversität und Landschaftszersiedelung. BEURTEILUNG Durch die mehrstufige Skala mit einem Beurteilungsrahmen von Note 6 (erfüllt) bis Note 1 (nicht erfüllt) kann der Standard SNBS aber auch als RatingInstrument sowohl für neue als auch bestehende Gebäude eingesetzt werden. Mittels ausgewählter Indikatoren wird qualitativ oder quantitativ beurteilt, ob ein Gebäude die definierten Qualitätsziele erfüllt. Die in der Testphase THEMENÜBERSICHT [SNBS] DIE WICHTIGSTEN ZIELE DES NACHHALTIGEN BAUENS PRO BEREICH [SNBS] 39 beurteilten Objekte haben bestätigt, dass die umfassende Beurteilung eines Gebäudes aus Sicht des Anwenders einfach und effizient erfolgt. Je nach Ziel, Zeitpunkt und Datengrundlage ist eine vollständige Beurteilung eines Gebäudes von mittlerer Grösse in fünf bis zehn Arbeitstagen möglich. Erfahrungen Die Testphase hat gezeigt, dass die Bewertungsskalen („Note“ 1 bis 6) noch Optimierungspotenzial aufweisen. Die Skala kann missverstanden werden, da die Bestnote 6 aufgrund von Zielkonflikten praktisch unerreichbar ist. Bei einzelnen Kriterien wie z.B. Mieterstruktur und Regionalökonomie müsste das Anforderungsniveau zudem an die jeweiligen Projekte angepasst werden. Entscheidend ist jedoch, dass der Standard ein aussagekräftiges Stärke- und Schwäche-Profil liefert. „Ich war positiv überrascht, wie gut der Standard daherkommt.“ Paul Eggimann, Leiter für Bauökologie beim Hochbauamt des Kantons Zürich, hat den SNBS am Neubauprojekt an der Stampfenbachstrasse in Zürich getestet, in dem seit 2013 die kantonale Gesundheitsdirektion untergebracht ist. Eggimann wies darauf hin, dass der Aufwand für eine „gute Note“ je nach Thema unterschiedlich sei - „einige Nistkästen auf dem Dach haben unser Ergebnis im Bereich Natur und Landschaft bereits aufgewertet“, so Paul Eggimann schmunzelnd. In anderen Bereichen, etwa beim regionalökonomischen Potential, sei dies ungleich schwieriger. Der Vertreter der öffentlichen Hand hob die Wichtigkeit des Labels hervor, mit dem sich die Glaubwürdigkeit der heutigen Selbstdeklaration noch unterstreichen liesse. Fazit Der Standard integriert bewährte Instrumente und berücksichtigt die schweizerische Planungs- und Baukultur. Zugrunde liegt das Bedürfnis, Nachhaltigkeit einerseits umfassender messen zu können als mit bisherigen Labels, und dennoch ein kompaktes, handhabbares und damit bezahlbares Instrument zu entwickeln. Nur so wird es möglich, das sich der Standard in der Breite etabliert. Wir sind überzeugt, dass sich der Standard mit der zugesicherten Unterstützung der öffentlichen Hand und den Trägerfirmen aus der Wirtschaft in den nächsten fünf Jahren in der Schweizer Baubranche etablieren wird. Da wir durch die Gründung und Aktivitäten von AktivPlus ähnliche Bestrebungen und Bedürfnisse erkennen, die zur Entwicklung des Schweizer Standards geführt haben, erscheint uns ein Erfahrungsaustausch „über die Grenzen hinweg“ interessant, sowohl für die Weiterentwicklung des Schweizer Standards, als auch für die Neuentwicklung von AktivPlus. SWISSCON BUSINESSPARK IN ITTIGEN (BERN), © ATELIER 5 NEUBAU VERWALTUNGSGEBÄUDE ITTIGEN, © BERREL BERREL KRÄUTLER ARCHITEKTEN 40 EFFIZIENZPRINZIP IM MEHRGESCHOSSIGEN OBJEKT- UND WOHNUNGSBAU Josef Haas Geschäftsführer | KAMPA GmbH Energieeffizienz ist das zentrale und unabdingbare Thema der Zukunft. Weitere nennenswerte Effizienzpotenziale finden sich jedoch auch in der Planungs- und Projektierungsphase, sehr umfangreich in der Ausführungsphase und dann dauerhaft in der Nutzungsphase eines jeden Gebäudes. Die Effizienz gesamtheitlich in den Mittelpunkt zu rücken, um daraus positive Effekte für die Wirtschaftlichkeit und die Zukunftsfähigkeit von Gebäuden zu ziehen, genau das war der Ansatz bei der Entwicklung und dem Bau des KAMPA K8, dem achtgeschossigen Verwaltungs- und Ausstellungsgebäude von KAMPA, welches im Dezember 2014 in Betrieb genommen wurde. Bis zur Hochhausgrenze komplett in Holz und errichtet nach dem „KAMPA Effizienzprinzip“. Plattformsystematik für mehr Effizienz in der Planung Bereits in der Planungsphase kann ein Bauprojekt dem „Effizienzprinzip“ unterworfen werden. Das K8 ist daher nicht nur das als neuer KAMPA Firmensitz errichtete Gebäude in Aalen-Waldhausen, sondern es wurde gleichzeitig als Plattformkonzept für zukünftige weitere Gebäude ähnlicher Typologie angelegt. Die variablen Nutzungsformen können dabei sowohl gewerblich, als Bürogebäude, als auch wohnwirtschaftlich sein. Für eine weitgehende Variabilität ist die Entwurfsplattform des K8 in der Gebäudebreite, im Achsmaß des Tragwerkes und in der Anzahl der Geschosse skalierbar, ohne dass sich das zugrunde liegende Tragwerkskonzept und die TGA-Planung ändern. Der Plattformgedanke bezieht sich dann auch auf die eingesetzten vorgefertigten Bauelemente, bei denen eine möglichst weitgehende Standardisierung in der Konstruktion angestrebt wird. Im Bereich der Konstruktionsdetails bietet die K8-Plattform innovative Lösungen, um die Anforderungen aus Brandschutz, Schallschutz und Wärmebrückenminimierung äußerst effizient zu realisieren. Unter Anwendung der KAMPA Plattformsystematik wird der Entwurfs- und Planungsprozess um bis zu 50 % abgekürzt. Die Industrialisierung des Bauprozesses ist das Gebot der Stunde Konventionelle Baustellen sind naturgemäß witterungsabhängig, wenig maschinisiert / automatisiert und streng sequentiell in den Gewerken. Darin begründet sind lange Bauzeiten und die bekannten Abweichungsrisiken für Qualitäten, Termine und Kosten. Das KAMPA K8 entsteht überwiegend in der Fabrik. Großformatige Bauelemente für Wand, Decke und Dach werden dort auf computergesteuerten Anlagen in reproduzierbarer Qualität hergestellt. Inklusive bereits vormontierter Komponenten und Installationen. Oder das Multifunktions-Deckensegel: Das sind für das K8 entwickelte Holzrahmenelemente als Installationsebene, welche unterhalb des eigentlichen Deckenelementes montiert werden. Die Multifunktions-Deckensegel werden bereits werkseitig komplett bestückt mit Heiz- und Kühlsystem, Lüftungsverrohrung und –ventilen, Elektroinstallation sowie einer unterseitigen Akustikplatte. Damit werden wesentliche Teile der TGA-Installation nicht nur von der Baustelle in die Produktionshalle vorverlegt, sondern unterliegen auch einer effizienten Standardisierung. 41 Time to market. Die industrielle Vorfertigung reduziert den Bauprozess um ca. 40%. Das sind viele Monate frühere, und damit zusätzliche Erträge aus dem Objekt. Projektsicherheit Das hohe Maß an Vorfertigung, d.h. industriell erzeugter, CNC-gesteuerter Wertschöpfung bei KAMPA, führt zu minuziös gesteuerten Fertigungs- und Montageprozessen und damit zu einer gesicherten Kosten- und Terminplanung. Eine detaillierte Projektplanung von Auftragserteilung bis zur Schlüsselübergabe ist bei KAMPA tägliches Handwerkszeug, quasi die ökonomische DNA eines zielführenden Bauprojektes. Zudem bietet KAMPA als Generalunter- nehmer eine ganzheitliche Leistungserbringung, sodass Verantwortlichkeiten nicht ausgelagert werden oder gar beim Auftraggeber verbleiben. Das führt zu der ersehnten Projektsicherheit - im Sinne fixer Preise, verbindlicher Termine und gesicherter Qualitäten - für alle Beteiligten. Auch ein wesentlicher Beitrag zu Effizienz bzw. Wirtschaftlichkeit. 42 Plus-Energie als zukünftiger Gebäudestandard für mehr Ökologie und Ökonomie Energieeffizienz ist nicht nur ein Gebot des geforderten Klima- und Umweltschutzes bzw. der eingeleiteten Energiewende. Vor dem Hintergrund der Preisentwicklung am Energiemarkt, ist Energieeffizienz eine maßgebliche Größe für die Wirtschaftlichkeit eines Gebäudes. Dabei müssen sich Energieeffizienzmaßnahmen immer zuerst auf die Gebäudehülle beziehen, bevor Investitionen in umfangreiche Gebäudetechnik getätigt werden. Es muss das Ziel sein, zunächst die Heizlasten, also die Transmissions-Wärmeverluste so weit wie möglich zu minimieren und passive Wärmegewinne optimal zu nutzen, um den dann verbleibenden Heizbedarf mit möglichst wenig (und auch einfacher) Heiztechnik decken zu können. Für diesen Ansatz eignet sich der Holzbau mit seinen naturgegebenen Eigenschaften in idealer Weise: Die energetische Qualität der Gebäudehülle des K8 reduziert den Heizbedarf gegenüber konventionellen Konstruktionen um ca. 60%. Das Be- und Entlüftungssystem im KAMPA K8 arbeitet mit einem Wärmerückgewinnungsgrad von mehr als 75 Prozent. Damit geht nur ein Bruchteil der in der verbrauchten Abluft enthaltenen Wärme an die Umwelt verloren. Die Lüftungswärme wird weitgehend der frischen Zuluft wieder zugeführt und bleibt somit dem „Energiesystem Gebäude“ erhalten, bzw. deckt einen wesentlichen Teil des Heizwärmebedarfes ab. Die Heiz- und Kühleinheit des K8 besteht aus drei Standard-Wärmepumpen in Verbindung mit einem 685.000 Liter großen Solar-Eisspeicher, welcher die sommerliche Wärme für den winterlichen Heizbetrieb puffert. Die Kristallisationsenergie dieses Wasservolumens entspricht 5.437 Litern Heizöl und deckt den Jahresbedarf des K8 vollständig. Die energetische Qualität der Gebäudehülle und die beschriebene hocheffiziente Gebäudetechnik mit Eisspeicher führen dazu, dass die verbleibende notwendige Endenergie, also die Antriebsenergie für Heizung, Lüftung und Warmwasser auf ein Minimum reduziert ist. So gering, dass sie am Gebäude selbst aus Sonnenenergie erzeugt werden kann. Und darüber hinaus noch Solarstrom erzeugt wird, der als Plusenergie für den Betrieb der Bürogeräte, der Beleuchtung oder zum Betanken der e-Mobile von KAMPA und deren Gäste genutzt werden kann. Neubewertung von Wartungsaufwand und Instandhaltungsrisiken Für die Wirtschaftlichkeit eines Gebäudes spielen die laufenden Wartungskosten und die Rücklagen für Instandhaltungen sowie die Prämien für die Versicherung der Gebäuderisiken eine wesentliche Rolle. Dem Holzbau wird unterstellt, dass er diesbezüglich gegenüber dem Massivbau Nachteile zeigt. Das Gegenteil der Fall, wie am KAMPA K8 deutlich wird. Die kompletten Installationen für Heizung, Kühlung, Lüftung, Sanitär und Elektro sind leicht zugänglich, sowohl in den vertikalen Installationsschächten, in den Installationskanälen unter den Decken und in den oben beschriebenen Multifunktions-Deckensegeln. Nur verkleidet, nicht verbaut. Vergleichen wir das mit Installationen, die konventionell oder im Estrich des Fußbodenaufbaus eingebracht sind, im Hinblick auf: - Schnelligkeit in der Lokalisierung einer Schadensursache und Ausmaß der daraus resultierenden Folgeschäden - Erreichbarkeit im Falle einer notwendigen Reparatur - Erreichbarkeit für die Reinigung z.B. der Lüftungskanäle - Erreichbarkeit bei etwaig notwendigen Umbauten infolge geänderter Nutzung Für das Facility Management von Gewerbe – und Wohngebäuden sind dies wichtige Hebel in der Wirtschaftlichkeit. Fazit Bauen nach dem Effizienzprinzip reduziert den Planungsaufwand um bis zu 50 % und verkürzt durch das hohe Maß an Vorfertigung die Bauzeit um ca. 40 %. Das bedeutet viele Monate frühere Inbetriebnahme und somit nennenswert zusätzliche Erträge aus dem Gebäude. Bauen auf Plusenergie-Niveau führt im Betrieb der Gebäude dazu, dass keine Energiekosten für Heizen, Lüften und Warmwasser anfallen, ein enormer und dauerhafter wirtschaftlicher Effekt. Auch die weiteren Betriebskosten werden spürbar entlastet: von den Wartungskosten bis zu den Versicherungsprämien. Zudem können für den Wohnungsbau die Finanzierungsvorteile der staatlichen Förderprogramme für energieeffizientes Bauen genutzt werden, das sind attraktive Zinsvergünstigungen und ein Tilgungszuschuss für jede förderfähige Wohnung. Trotz erhöhter Kapitalkosten für die Mehrinvestition in Energieeffizienz ergibt sich in der Summe aller Effekte nachweisbar eine jährliche Einsparung in der Höhe einer Monatsmiete. So gesehen bieten der moderne, mehrgeschossige Holzbau und das KAMPA Effizienzprinzip der Wohnungswirtschaft den Weg zu einer 13. Monatsmiete, Jahr für Jahr. Gebäude müssen den darin wohnenden und arbeitenden Menschen dienen Die Architektur, die Qualität, die Bauweise und die verwendeten Materialien haben natürlich Einfluss auf die Bewohner, die Nutzer und Besucher eines Gebäudes. Auf deren Wohlbefinden, Gesundheit und Leistungsfähigkeit und Motivation. Neben großzügigem Tageslicht sind es vor allem die Oberflächentemperaturen der Fenster und Außenwände, die Raumluftqualität und die gleichmäßige Strahlungswärme einer Flächenheizung, welche Behaglichkeit und Wohlbefinden verursachen. Darin wird die Holzbauweise körperlich spürbar, was sich auch in einer besseren Vermietbarkeit bzw. einer höheren Arbeitsproduktivität der Mitarbeiter bemerkbar macht. KAMPA K8 ANSICHT 43 Foto: VELUX / Adam Mørk BLOCK 2 | NUTZER VORTRÄGE UND ESSAYS TOWARDS AN IDENTIFICATION OF EUROPEAN INDOOR ENVIRONMENTS’ IMPACT ON HEALTH AND PERFORMANCE: HOMES AND SCHOOLS Prof. Dr.-Ing. Gunnar Grün Fraunhofer-Institut für Bauphysik | Abteilungsleiter Raumklima Technische Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm | Maschinenbau und Versorgungstechnik, Energie Campus Nürnberg, Systemintegration effiziente Gebäude B2 Since long human beings shelter from external conditions in buildings and today most of us live indoors a large portion of our lives - as a good estimate it is around 90%, which we try to shape as comfortable as possible. Thus the indoor environment is a crucial factor for our future development towards a healthy society reaching from childhood to the oldest old. As we try to shape our indoor environment as comfortable as possible we are using resources – mostly energy: for heating, ventilating, cooling, lighting. In the recent years against the background of climate change and energy savings the focus of research and building regulations has been laid primarily on energy efficiency. This has eclipsed the main purpose of indoor environments. A healthy environment contributes much to our societal development: the way we live, learn, work and relax; with all the consequent socio-economic effects on our education, health care and productive working life. This paper pinpoints key findings from a large literature screening of research on the European indoor environments’ impact on health and performance in homes and schools. The aim is to analyse the relations between indoor environmental effects in homes and schools and health and performance aspects. 46 The effects of mould and dampness, ventilation rate, daylight and sleeping environment have been investigated and the results of this first screening of scientific literature show that the indoor environments in European homes and schools have a significant impact on public health and learning. With the variety of occupants and the many different types of dwellings also the indoor climate in European homes covers a wide range. One of the major problems in dwellings in Europe is the occurrence of dampness, which is likely to lead to mould growth and other associated structural damages. The share of population living in such dwellings differs quite between European countries, on average around 16% of the population was affected in recent years. There is evidence that the occurrence of mould and dampness is associated with several respiratory or allergic health effects. Amongst others it promotes the development of asthma and upper respiratory tract symptoms. For example the overall risk for developing asthma is approximately twice as high as if no mould or dampness is detectable in a home Closely related to the humidity inside homes, but also to the energy consumption required to maintain a comfortable and healthy indoor environment is the ventilation rate. Frequently used in National standards in European countries are values between 0.35 and 0.5 air changes per hour. The Nordic countries are reported to be below their target value in ca. 40-60% of the dwellings. Low ventilation rates in buildings are associated with an increased risk for respiratory infections, especially when mould is additionally detected inside the buildings. No explicit relation of the type of ventilation system (mechanical or natural ventilation) to maintaining or increasing the health status of occupants could be identified. The ventilation rate itself can have a significant effect on health symptoms, e.g. at low ventilation rates the risk for symptoms like wheezing and dry cough is approximately twice as high as with recommended ventilation rates. Low ventilation rates are also associated with an approximate one and a half times higher risk for developing allergy symptoms. The indoor environment in schools is typically dominated by poor ventilation rates, while 8 l/s per person is the recommended standard. Lower ventilation rates are reported frequently. As classrooms are densely occupied spaces high CO2-levels can be reached quite quickly with insufficient ventilation – repor- ted values are frequently higher than 2100 ppm and up to 4000 ppm, which are beyond typically recommended values of around 1500 ppm. Every increase of ventilation by 1 l/s per person leads to a considerable increase in perceived air quality and mental performance of pupils. Beyond that it is reported that performance increases of up to 14.8% are possible depending on task. Moreover, poor air quality is not only associated with reduced performance but also with an increasing absence rate. Both consequences are adverse conditions for a good academic achievement of pupils. Daylight has a fundamental influence on human physiology and behaviour. As it influences our hormone and vitamin balance and determines the circadian rhythm including our sleep/wake-cycles, it is recommended to experience sunlight for a dedicated time of the day. Additionally, it is known that low levels of daylight illumination may have negative effects on mental health and it seems that higher levels of daylight could shorten the stay in hospitals due to its influence on healing. A good sleep is known to be important for good health and a good next-day performance, so the indoor environment in bedrooms should not hinder restitution during sleep. Ambient room temperature is associated with the sleep quality of occupants. Increased room temperatures decrease the duration of SHARE OF TOTAL POPULATION IN EUROPEAN COUNTRIES LIVING IN A DWELLING WITH A LEAKING ROOF, DAMP WALLS, FLOORS OR FOUNDATION, OR ROT IN WINDOW FRAMES OF FLOOR – DATA OF 2013, 2012 FOR IRELAND slow wave sleep (important for physical restoring) by ca. 15% per a 5°C increase. Analogous the REM sleep phases (relevant for mental relaxation) are reduced and wakefulness increases. The situation in cold environments shows similar effects. High temperatures due to overheating during heat waves have been found to be associated with an increase in mortality and affect especially those at poor health. If the apparent temperature during a heat wave rises 5°C above a regional threshold it can be estimated that between 9% and 15% of natural mortality can be linked to these untypically high apparent temperatures. Especially the incidence of respiratory diseases is linked to heat waves and people suffering of them have a higher risk of mortality. The results of this first screening of reviewed scientific literature show that the indoor environments in European homes and schools have a significant impact on public health and learning, and that the indoor environmental conditions of the current European housing building stock has substantial shortcomings. This calls for further action to improve the indoor climate where people live and learn, and it should also be reflected in National building codes and European building legislation. TOTAL POPULATION (IN MILLIONS) IN EUROPEAN COUNTRIES LIVING IN A DWELLING WITH A LEAKING ROOF, DAMP WALLS, FLOORS OR FOUNDATION, OR ROT IN WINDOW FRAMES OF FLOOR – DATA OF 2013, 2012 FOR IRELAND, POPULATION STATISTICS FOR JANUARY 1ST 47 NUTZERVERHALTEN IN ENERGIE+ WOHNSIEDLUNGEN Prof. Dr.-Ing. John Grunewald Technische Universität Dresden (mit Volker Stockinger) (Hochschule für angewandte Wissenschaften München) B2 Der Erfolg energetischer Optimierungsmaßnahmen sowohl in der Bestandssanierung als auch beim Neubau muss am konkret erreichten Ergebnis gemessen werden. Bisherige Betrachtungen unterschätzen regelmäßig den Einfluss sozioökonomischer Faktoren. Das Nutzerverhalten hat elementaren Einfluss auf den Energieverbrauch von Gebäuden. Verschiedene Studien weisen darauf hin, dass die Reduzierung des Energiebedarfs in der Bestandssanierung auf Grund des veränderten Nutzerverhaltens zwischen 10 und 30% niedriger ausfällt als erwartet. Der Rebound-Effekt bewegt sich damit in einer wirtschaftlich relevanten Größenordnung. Allerdings ist das Energieverhalten von Menschen so unterschiedlich wie die Menschen selbst. Abweichungen von ±100 Prozent und mehr im Nutzerverhalten von Wohnsiedlungen sind nicht ungewöhnlich. Diese Tatsache macht die Voraussage des Energiebedarfs einzelner Gebäude lediglich im Rahmen statistischer Wahrscheinlichkeiten möglich. Für größere Gebäudeensembles sind genauere Aussagen möglich und sinnvoll, wenn geeignete statistische Daten über das Nutzerverhalten vorliegen. Während durch die Gebäudedämmung ausschließlich der Heizenergiebedarf und durch die Gebäude- und Anlagentechnik primär die Erzeugungs- und Ver- 48 teilverluste beeinflusst werden können, hat das Nutzerverhalten Auswirkungen auf alle Ressourcenverbräuche im Gebäude. Bewohnern energieeffizienter Gebäude ist der Einfluss des eigenen Verhaltens auf den Energieverbrauch durchaus bewusst. Befragungen zeigen jedoch, dass die Größe des Einflusses stark unterschätzt wird. Komfort geht den Nutzern vor Energieeinsparung. Der hierfür notwendige Energieverbrauch wird als Luxus gesehen. Um das Bewusstsein für den Einfluss des Nutzerverhaltens auf den Energieverbrauch zu schärfen, müssen Werkzeuge zur Nutzersensibilisierung zum Einsatz kommen. Die Sensibilisierung des Nutzers hat einen besonders hohen Stellenwert. Jede eingesparte Kilowattstunde Nutzenergie braucht nicht erzeugt und verteilt werden, was gleichzeitig zur Reduzierung der Erzeugungs- und Verteilverluste führt. Durch energiebewusstes Verhalten – beispielsweise durch Lastverschiebungen entsprechend der Bereitstellung der elektrischen Energie aus den Eigenerzeugungsanlagen – können der Eigendeckungs- und der Eigennutzungsgrad gesteigert werden. Diese Maßnahmen sind ohne Mehraufwand oder Einschränkungen im Nutzerkomfort umsetzbar. Der Einfluss auf den Energieverbrauch ist für einen Nutzer jedoch erst verstehbar, wenn er die Auswirkungen einer Verhaltensänderung nachvollziehen kann und daraus lernt. Das ist beispielsweise durch den Einsatz von Visualisierungs-Werkzeugen realisierbar. Das Einsparpotential durch Verbrauchsvisualisierung kann bei flächendeckendem Einsatz bei 15-25 Prozent liegen, was Verbrauchsvisualisierung zu einem wichtigen Werkzeug moderner Versorgungskonzepte macht. [1] Stockinger, Volker. 2014. Energie+Siedlungen und -Quartiere – Definition, Planung, Betrieb, Nutzung, Bilanzierung und Bewertung. Dresden, Deutschland. (Dissertationsschrift) NUTZEREINFLUSS AM BEISPIEL DES LUDMILLA WOHNPARKS LANDSHUT STOCKINGER, VOLKER. 2014. ENERGIE+ SIEDLUNGEN UND -QUARTIERE – DEFINITION, PLANUNG, BETRIEB, NUTZUNG, BILANZIERUNG UND BEWERTUNG. DRESDEN, DEUTSCHLAND. (DISSERTATIONSSCHRIFT) 49 All buildings are designed by local planners, based on the Active House Principles, with one common point of departure for optimal livability through: a/ comfort levels based on natural ventilation and use of daylight; b/ be zero energy or energy positive, and c/ with a focus on the environmental impact, use of resources and building footprint. MODEL HOME 2020 AND BEYOND Lone Feifer Programme Director Sustainable Living in Buildings, VELUX A/S “One experiment is better than a thousand expert assumptions” forms the point of departure for a cross-European demonstration programme of 6 model houses. During 2009-2011, a demonstration project programme of 6 model homes were built in Denmark (2009), Austria (2010), Germany (2010), France (2011) and United Kingdom (2011). The buildings have been tested and monitored in use, under post occupancy evaluation schemes by national research teams of engineers and / or scientists. B2 »ON REALLY HOT DAYS, WE HAVE AT LEAST TWO OR THREE SLIDING DOORS OPEN SO IT IS VERY AIRY IN HERE. YOU FEEL AS IF THE ROOM MERGES WITH THE GARDEN TO A CERTAIN EXTENT, SO THAT IT IS MORE LIKE A VERANDA. A REALLY NICE EFFECT ACTUALLY.« OLDENDORF FAMILY, GERMANY 50 The point of departure for the 6 demonstration projects has been to prototype and also provotype through experiments, and test how to develop the building mass sustainably. Each of the buildings was subjected to extensive data collection during the test period, and from all the collected findings, several important learnings have emerged. For example, the scientists found evidence that the homes increased the residents’ health and well-being and that a healthy home even has the potential to alleviate chronic diseases, typically related to allergies. Natural ventilation plays an important role in this, ensuring that air quality and temperature levels are good - day and night, summer and winter. This page can be used in a different way – depending on layout preferences The projects have been widely exposed to the public - more than 700 m people read more than 3,200 articles in European newspapers and magazines. More than 26,000 people visited the 6 buildings, which received 25 awards and recognitions. On a scientific note, the research evidence, reports, findings and empirical data has been consolidated during 2014, into a unique knowledge base. Three cross-reports cover the key areas of energy, comfort and wellbeing aspects of the inhabitants. The knowledge base was scientifically published with 10 papers at the World Sustainable Buildings 2014 in Barcelona. We see the knowledge and network sharing as a key to enable planners and other stakeholders in the building industry to take qualified decisions for sustainable buildings. In this context, the German Aktiv Plus Society is a strong gravity point for the development of energy efficient buildings with user focus and appeal. The Symposium in May 2015 plugs into the stream of front line developments and innovation height of the sustainable agenda for buildings in Europe. »WHILE WE‘VE BEEN HERE, WE HAVEN‘T HAD THE COLDS AND COUGHS WE USUALLY HAD BEFORE. I THINK IT HAS TO DO WITH THE AIR QUALITY AND THE DAYLIGHT.« The scientific reports and conclusions are the body of the empirical studies, forming a platform for discussion, definition and suggestion of common denominators; The quintessential identifies 12 distinct learnings among the many findings. This forms the basis of a recommendation catalogue of conclusions for learnings transferred to the wider housing stock, new as well as existing. The short of the long is that it is possible to achieve zero energy in 2020, in new built as in a climate renovation. GLAZEBROOK FAMILY, UK And why wait to take action? 90% of the building stock that we will be using in 2050 has already been built, and much of it is in need of modernisation to improve comfort as well as energy efficiency. Paving the way for sustainable renovation is the next challenge taken up by the VELUX Group. In 2015, we launch the RenovActive concept, this time in Belgium. The objective of this project is to prove that the vision of healthy, comfortable and nearly-zeroenergy buildings can be achieved in a way that is cost effective, scalable and reproducible. The RenovActive project is # 22, following the 21 Active Houses, which the VELUX Group has engaged into during the past 10 years. Throughout the many experiments, we have had one important priority: concerns for the environment must never precede concerns for the health and well-being of human beings. Sustainable living in buildings is never a question of either comfort or energy efficiency; it must always be a quest to find solutions that benefit both people and planet. Another key aspect is the reflections and results on the wellbeing. Discoveries from the six different model homes confirm that access to more daylight and fresh air has a positive impact on the inhabitants’ wellbeing and even a direct beneficial effect on people diagnosed with asthma and allergies. One social scientist evaluating the project states directly, “there is evidence that the houses have significantly increased the residents’ health and wellbeing and that they even have the potential to alleviate chronic diseases.” 1 1 Quote by M.A. Moritz Fedkenheuer in “Model Home 2020 experiment fosters ground-breaking research into housing well-being” by Jakob Schoof, 2014. 51 01 21 19 Torzhkovskaya Street, St. Petersborg 12 Osram Culture Center, Copenhagen 02 Soltag, Copenhagen 13 Guldberg School, Copenhagen 03 Átika, Bilbao 14 Solar Prism, Albertslund 04 VELUXlab, Milan 15 Russian Active House, Moscow 05 VELUX House, COP15, Copenhagen 16 Solhuset Kindergarten, Hørsholm 06 Home for Life, Århus 17 ISOBO aktiv, Stavanger 07 Green Lighthouse, Copenhagen 18 Future Active House, Trondheim 08 Sunlighthouse, Vienna 09 LichtAktiv Haus, Hamburg 10 11 8 19 20 10 12 21 Years of experiments Countries Projects, and counting 18 17 16 05 07 06 02 12 09 14 13 22 20 08 11 10 03 Smith Residence, St. Louis De Poorters, Montfoort Maison Air et Lumiere, Paris 21 Great Gulf Active House, Toronto CarbonLight Homes, Kettering 22 RenovActive Brussels sun tunnels MODEL HOME 2020 | PROJECT OVERVIEW 52 05 04 01 15 WOHNEN MIT DEM PLUS SOZIALWISSENSCHAFTLICHES MONITORING DER EFFIZIENZHÄUSER PLUS Dr. Eva Schulze Wissenschaftliche Leiterin Berliner Institut für Sozialforschung GmbH Gebäude nach dem „Effizienzhaus Plus Standard“ der Bundesregierung müssen mehr Energie produzieren, als sie verbrauchen. Es wird nach EnEV 2009 mit DIN 18599 bilanziert. Im Förderprogramm befinden sich aktuell 37 Modellvorhaben, darunter auch einige Sanierungsobjekte, die diesen „PlusEnergie-Standard“ erfüllen. Alle Gebäude werden einem technischen und sozialwissenschaftlichen Monitoring unterzogen. Erste realisierte Gebäude und Gebäudeenergiekonzepte ermöglichen nun nach ein bis vier Jahren Laufzeit ein erstes Zwischenfazit. Das Berliner Institut für Sozialforschung (BIS) hat im Auftrag des Bundesministeriums Umwelt und Bauen die sozialwissenschaftliche Begleitforschung des Modellprojektes „Effizienzhaus Plus mit Elektromobilität“ und des Netzwerkes „Effizienzhaus Plus Standard“ übernommen. Damit wird erstmals in Deutschland unter realen Wohn- und Lebensbedingungen die Alltagstauglichkeit dieser Gebäude erforscht. Es werden alle Bauherren vor und nach Einzug in ihr Effizienzhaus Plus befragt und auch alle Mieter in die Untersuchung einbezogen. Mit Fragebögen und qualitativen Interviews vor Ort werden Motive, Befürchtungen und Erfahrungen erhoben. Im Pilotprojekt in Berlin und den anderen Effizienzhäusern Plus ging es vor allem um die Überprüfung der Alltagstauglichkeit aus Sicht der Bewohner/innen. Die Bewertungen der Handhabbarkeit der Technik und die Zufriedenheit mit der Wohnsituation waren dabei wesentliche Parameter der Gesamteinschätzung. Darüber hinaus wurde erfasst, ob und - wenn ja - wie die Bewohner/-innen die Elektromobilität genutzt und eingeschätzt haben. Ergebnisse aus dem „Effizienzhaus Plus mit Elektromobilität“ Berlin Als Fazit des Berliner Pilotprojekts lässt sich festhalten, dass die Familie nach 15 monatiger Erfahrung sowohl mit dem Haus als auch der Elektromobilität gut zurechtgekommen ist und das Experiment insgesamt als positive Erfahrung in ihrem Leben wertet. Die Wohnqualität wurde als hoch eingeschätzt. Im Winter war es zwar gelegentlich im Wohnbereich etwas zu kalt, was mit dem fehlenden Windfang im Eingangsbereich des Hauses zusammenhing. Im Schlafbereich war es dagegen in den Sommermonaten häufig zu warm. Ansonsten konnte die Raumtemperatur von den Bewohnern leicht reguliert werden. Insgesamt wurde die Steuerung der Haustechnik via Touchpanel und Smartphone als einfach zu bedienen und effizient funktionierend beschrieben. Kritisiert wurden die gelegentlich trockene Luft und anfängliche Probleme mit den Bewegungsmeldern, die sich jedoch durch Ändern der Einstellungen beheben ließen. Die Elektromobile wurde von der Familie ausgiebig genutzt, wobei die Erfahrungen gemischt waren: Das Aufladen am Haus erwies sich als komfortabel, insbesondere das Laden auf der Induktionsplattform. Das Fahren erforderte jedoch, wenn größere Entfernungen bewältigt werden sollten, eine sorgfältige Planung. Die Probleme lagen hierbei vor allem an der mangelnden Infrastruktur von Lademöglichkeiten. So war eine Urlaubsreise eher ein Abenteuer mit 53 unfreiwilligen Zwischenstopps. Im Alltag in Berlin, in dem sich die Familie eine geschickte Kombination der Nutzung von Elektroautos und Elektrofahrrädern ausgedacht hatte, gab es dagegen keinerlei Probleme. Einschränkend ist zum insgesamt positiven Bild des Lebens im Effizienzhaus Plus mit Elektromobilität zu bemerken, dass die Familie das Haus aus der Testperspektive erlebt hat und damit die Kosten von technischen Regulierungen und Reparaturen nicht tragen musste. Der wissenschaftlich gestützte Nachweis, dass es sich in einem solchen Haus komfortabel wohnen und leben lässt, ist jedoch das wesentliche Ergebnis: Das Wohnen in einem Effizienzhaus Plus mit Elektromobilität schont Umweltressourcen und vermittelt einen hohen Wohnstandard sowie ein gutes Wohngefühl, wie auch in folgendem Zitat zum Ausdruck kommt: »ICH FINDE ES GUT, MAL ZU ZEIGEN, DASS UMWELTSCHUTZ UND MODERNER LIFESTYLE SICH NICHT AUSSCHLIESSEN MÜSSEN. DASS MAN WEGKOMMT VON DIESEM BELÄCHELTEN ÖKO-IMAGE.« (FRAU W., FEBRUAR 2012) Ergebnisse aus dem Netzwerk Mit der noch laufenden Befragung der Bauherren des Netzwerks „Effizienzhaus Plus Standard“ zielt darauf herauszufinden, warum Bauherren in ein Energieeffizienzhaus Plus ziehen, welches ihre Erwartungen und Befürchtungen sind, wie ihre Einstellungen zur Technik sind und wie ihr alltägliches Energieverbrauchs- und Umweltverhalten ist. Mit Blick auf den sozialen Hintergrund zeichnet sich ein recht homogenes Bild bei den Bauherren: Dies dürfte u.a. damit zusammenhängen, dass nur eine bestimmte gesellschaftliche Gruppe sowohl willens als auch ökonomisch in der Lage ist, ein solches Haus zu bauen. Es sind ganz überwiegend formal 54 Hochgebildete in guten beruflichen Positionen, die über ein überdurchschnittliches Einkommen verfügen. Hinsichtlich allgemeiner Einstellungen zu Technik, ökologischen Prinzipien und Energiesparverhalten, zeigte sich, dass es sich bei den Bauherren, um eine prinzipiell technikaffine und besonders ökologisch- und energiebewusste Gruppe handelt. Die Idee, ein Effizienzhaus Plus zu bauen, hat sich bei nahezu allen Bauherren erst im Planungsprozess ergeben: Die meisten planten ihr Haus so energieeffizient wie möglich und erweiterten den Standard schließlich noch um das „Plus“. Die Anregung dafür gaben häufig Architekten, Energieberater, Fertighausanbieter, wenn die planerische Expertise nicht bei den Bauherren selbst lag. In Einzelfällen hat auch die Teilnahme am Förderprogramm zur Erhöhung des Energieeffizienzstandards geführt; bei den meisten war die Teilnahme daran aber vorwiegend durch die Option des technischen Monitorings, - d.h. einer kontinuierlichen Erhebung und Auswertung der Messdaten des Hauses -, motiviert. Nach den Erwartungen und Befürchtungen sowie deren tatsächlichem Eintreten gefragt, zeigt sich (vgl. Abb. 1), dass fast alle Bauherren die Erwartungen hatten weniger Energie zu verbrauchen, Heizkosten zu sparen, ein verbessertes Raumklima zu haben; ferner, dass die Energiebilanz den Planungen entspricht und sie ihr Haus mit Stolz erfüllen wird. Bis auf Einzelfälle, wo es Abweichungen von der Planung bei der Energiebilanz gab und die Erwartungen auf ein verbessertes Raumklima nicht in allen Fällen erfüllt werden konnte, haben sich die Erwartungen bei fast alle Bauherren auch erfüllt. Eine Minderheit der Bauherren hatte Befürchtungen (vgl. Abb. 2), dass die Technik störanfällig sein wird und es Schwierigkeiten geben wird, kompetente Fachleute zu finden. Bei der Minderheit, die diese Befürchtungen hatte, sind diese auch eingetreten. Fazit und Ausblick Zum ersten Mal werden das Energieverbrauchsverhalten und die Motive der Bewohner von Plusenergiehäusern analysiert. Sie haben ihre Werte an Energieeffizienz und Umweltschutz orientiert oder haben großes Interesse an der Abbildung 1: Erwartungen und Realität* (Bauherren 2015; N=20) verbauten Technik. Sie schätzen den Imageaspekt und die Vorreiterrolle, die das Leben in einem Effizienzhaus Plus mit sich bringt. Die Wohn- und Lebensqualität in Effizienzhäusern Plus wird von den meisten Bewohnern als sehr komfortabel empfunden. Die von den Häusern produzierte Energie scheint völlig ausreichend, die Bewohner müssen sich in ihrer Lebensführung – z.B. im Hinblick auf eine für sie angenehme Raumtemperatur im Winter oder den Umfang der Warmwassernutzung – nicht einschränken. Auch zum Aufladen der Elektromobile ist entsprechend Energie vorhanden. Die Räume werden als behaglich empfunden. Während der kälteren Jahreszeit wird die Raumtemperatur als überwiegend angenehm empfunden. Bislang interessieren sich ausgewählte Personengruppen für das Leben in einem Effizienzhaus Plus. Von großem Interesse werden daher die Ergebnisse zu den Mietern im Vergleich zu den Bauherren sein. Deren Befragung ist gerade angelaufen. Im Berliner Effizienzhaus werden die detaillierten Ergebnisse der zweiten Testfamilie ebenfalls dazu beitragen, herauszufinden, ob sich die technischen Neuerungen eines Effizienzhaus Plus‘ positiv auf die Alltagstauglichkeit und das Wohlbefinden darin auswirken. 19 Dass ich weniger Energie verbrauche 18 19 Dass ich Heizkosten sparen werde 18 19 Dass sich die Qualität des Raumklimas verbessert 16 Dass die Energiebilanz den vorherigen Planungen entspricht 19 15 18 18 Dass ich stolz auf meine Wohnung/mein Haus sein werde Dass ich mich anregen lasse, umwelt- und energiebewusster zu leben 14 13 Dass sich die Investitionen wie berechnet amortisieren werden 13 10 Dass ich Energie ohne schlechtes Gewissen verbrauchen kann 10 8 0 2 Erwartung gehabt 4 6 8 10 12 14 16 18 20 Erwartung erfüllt *alle Angaben in absoluten Häufigkeiten; dargestellt sind die Werte der Kategorie „ja“; Quelle: BIS Abbildung 2: Befürchtungen und Realität* (Bauherren 2015; N=20) 8 Dass die Technik störanfällig sein wird 6 Dass ich Schwierigkeiten haben werde kompetente Fachleute zu finden 7 6 7 Dass die Lüftungsanlage störende Geräusche produziert 2 Dass ich Schwierigkeiten haben werde unabhängige Berater zu finden 3 3 Dass ich von Fachleuten schlecht beraten werde 3 3 2 Dass sich an der Fassade Algen bilden 1 Dass die Dämmung zu Schimmel in der Wohnung/im Haus führt 1 0 1 Dass ich die Fenster nicht mehr öffnen kann 0 0 Befürchtung gehabt 2 4 6 8 10 12 14 Befürchtung erfüllt *alle Angaben in absoluten Häufigkeiten; dargestellt sind die Werte der Kategorie „ja“; Quelle: BIS ABB. 1 ERWARTUNGEN UND REALITÄT* (BAUHERREN 2015; N=20) ABB. 2 BEFÜRCHTUNGEN UND REALITÄT* (BAUHERREN 2015; N=20) 55 16 18 20 K3 - NEUE WEGE ZU NEUEN GIPFELN Achim Bursch, Thomas Kruppa und Frank Stolz FONDATION of ART and TECTONIC Wir - eine Vereinigung von Architekten und Ingenieuren - entwickeln und schaffen zukunftsweisende, gesellschaftsfähige Gebäudekonzepte im Einklang mit natürlichen, klimaneutralen und ressourcenschonende Baumaterialien sowie smarten, energieeffizienten Technologien. Bestand - Verdichten Modernisieren Die Kettenhäuser werden eine seit vielen Jahrzehnten bestehende Baulücke in der Pfarrer-Oden-Straße / Gemeinde Föhren schließen. Die Wohnsiedlung ist in den 50er Jahren entstanden. Zunehmend junge Familien, Berufspendler oder Singles entdecken diesen verkehrsgünstig gelegenen und naturnahen Wohnort neu. Die alten Wohn- und Geschäftsbauten werden verkauft, renoviert und zu Mietflächen umgenutzt. Zum positiven Aufschwung des Ortslebens trägt die starke Entwicklung des unmittelbar an Föhren grenzenden Gewerbeparks sowie die gute infrastrukturelle Nähe an den Wirtschaftsstandort Luxembourg bei. Demographischer Wandel Das Quartier unterliegt durch den Generationswechsel einem strukturellen und demographischen Wandel. Durch die Erschließung neuer Baugebiete wird der gewachsene Ort maßgeblich aufgelöst. Eine Zersiedelung in der Fläche ist die Folge. Weiterhin bleiben mögliche Verdichtungen ungenutzt, entstandene 56 klein parzellierte Baulücken unbeachtet und potenzialer Bestand unterbewertet. Eine wünschenswerte gesellschaftliche Mischung von Jung und Alt bleibt aus. Integrative Wohnformen Die Neubauten sollen mit integrativen Wohnformen der strukturellen Veränderung positiv entgegenwirken. Mit innovativem und verdichtetem Wohnraum wird eine alte Baulücke geschlossen. Im gleichen Zusammenhang wird ein bestehendes Wohnhaus saniert und das anliegende Nebengebäude (Schuppen) des Hauses Erlenbachstrasse 33 abgerissen bzw. überbaut. Die Gebäude-Typologie besteht aus 3 einzelnen Satteldach-Häusern mit Eingangshof im Nord-Osten und Garten im Süd-Westen. Die Giebelseite ist der Straße zugewandt und übernimmt die Satteldachbebauung aus der nachbarschaftlichen Umgebung. Unterteilt wird die Hausreihe durch eine jeweilige angrenzende eingeschossige Raumerweiterung mit intensiver Flachdachbegrünung. Die Erschließung und Belichtung sind so angelegt, dass sowohl gemeinschaftliches als auch introvertiertes Wohnen jederzeit möglich ist. Nachhaltiges Bauen Die Neubauten sollen mit integrativen Wohnformen der strukturellen Veränderung positiv entgegenwirken. Mit innovativem und verdichtetem Wohnraum wird eine alte Baulücke geschlossen. Im gleichen Zusammenhang wird ein bestehendes Wohnhaus saniert und das anliegende Nebengebäude (Schuppen) des Hauses Erlenbachstrasse 33 abgerissen bzw. überbaut. Die Gebäude-Typologie besteht aus 3 einzelnen Satteldach-Häusern mit Eingangshof im Nord-Osten und Garten im Süd-Westen. Die Giebelseite ist der Straße zugewandt und übernimmt Maximale Wohnqualität - Minimale Kosten Alle Häuser sind zweigeschossig. Das Erdgeschoß ist großzügig und barrierefrei. Hier wird zukünftiges Wohnen für Jung und Alt berücksichtigt. Die Wohnflächen in den oberen Geschossen sind für Schlaf- und Kinderzimmer oder für Pflegepersonal beliebig nutzbar. Die hohe Flexibilität ermöglicht ebenso ein gemeinschaftliches Wohnen. Durch die komprimierte Bauweise wird kostenbewusst geplant, gebaut und eine effiziente Quadratmeter-Zahl pro Person angestrebt. So bleiben die Wohnhäuser auch in Zukunft für ältere Bewohner ökonomisch und einfach zu bewirtschaften. Mehr Energie - Weniger Technik Eine hocheffiziente Gebäudehülle, eine Photovoltaik-Dachfläche, eine nachhaltige Gebäudetechnik und eine integrierte Solarthermie sowie eine gemeinschaftliche Energiezentrale ermöglichen allen Wohnparteien eine positive Energiebilanzierung. Für die Energiezentrale wird ein Blockheizkraftwerk eingeplant. Wasserstoff als Energiespeicher und Energiequelle wird vorgesehen. Für den Übergang bis zur Produktreife in ca. 5 - 10 Jahren werden Holz -Pellet eingesetzt. Im Zusammenhang einer Quartier-Lösung wird mit der Gemeinde eine Wärmerückgewinnung der Industrieabwasser diskutiert. Dies muss weiter geprüft und bewertet werden. Aufgrund der intelligenten Baumaterialen werden die Luftfeuchtigkeit- / Wasserdampfdruck-Höchstgrenzen kompensiert. Zusätzlich wird der Luftaustausch über neuartige Fenstersysteme mit dezentralen Zu- und Abluftgeräten inkl.Wärmerückgewinnung gewährleistet und kontrolliert. Diese werden über VOC - und CO2 - Sensoren geregelt. Eine mechanische Öffnung der Fenster soll jederzeit gewährleistet bleiben. Hierzu benötigt es weiterer Entwicklung und Forschung. Bilanzierung Umdenken Unabhängig von allen gängigen Bewertungssystemen benötigen Architekten, Ingenieure sowie Bauherren und Investoren eine unabhängige und übersichtliche Ököbilanzierung aller zu erwartenden und eingebrachten Energieverbrauchsdaten. Für neue Gebäude oder Sanierungen ist über den sog. „Footprint“ eine Gesamtbilanzierung möglich. Diese Betrachtungsweise ist ganzheitlich und transparent. Die Einschränkungen werden nicht aus architektonischer Sicht konditioniert! Des Weiteren wird auf die ausschließliche Konzentration auf den primären Energieverbrauch verzichtet, sondern es werden einfache und verständliche Kennzahlen wie Grau-Energie-Werte oder CO2-Bilanzen der gesamten Energieflüsse benötigt. Eine Verpflichtung hierzu sowie ein Umdenken in der gesamten Bauwirtschaft ist durch einfache Datenbanken, Ampelbezeichnungen oder maßstäbliche Bezugswerte denkbar. HAUS KFZ, FAT VEREINIGUNG 57 KEYNOTE ACTIVE HOUSE ALLIANCE Foto: VELUX / Adam Mørk HOW TO STRENGTHEN THE INTERNATIONAL FOCUS ON SUSTAINABLE BUILDINGS Kurt Emil Eriksen Secretary General Active House Alliance K Challange According to the findings from the European Roadmap for a competitive low-carbon economy, the CO2 reduction in residential and services sectors has to be reduced with approximately 90% by 2050, as comparing to 1990 levels. Such needs and ambitions sets high requirement to the building sector and to reach such level all buildings must by 2050 have a CO2 emission of close to 3 kg/m2. This require that new buildings meet the demand of maximum 3 kg/m2 as well as it is require that all existing buildings is being renovated to meet a similar requirement. This is supported by the European Directive on Buildings which sets ambitious requirement to existing and new buildings. Among others the directive introduce a requirement that all new buildings should be “Nearly Zero Energy Buildings” by 2020, as well as it requires that measures to improve further the energy performance of buildings should take into account climatic and local conditions as well as indoor climate environment and cost-effectiveness. It is already possible to build to the NZEB level. It is proven in Germany, where many projects already meet KfW55 levels. However the debate should move further and include environmental issues and indoor comfort requirement. Aktiv+ is an example on a national development towards this. Another is the Danish legislative requirement for 2020 buildings, which has included stron- 60 ger comfort requirement parallel to stronger energy efficiency requirement and there is a process of development of voluntary environmental levels on top of the other two requirement. Active House has also proven that it is possible to build to NZEB levels and to implement high ambitions to comfort and environment. It has been demonstrated, among others through Active House projects from central Europe to Canada and Norway in cold regions. However, it is still not a standard solutions and a change in the design process is needed in order to secure that such buildings becomes standard solutions to the benefit of people living, working and playing in buildings. In order to meet the future ambitious requirement it is therefore necessary for architects, engineers and developers to have access to design and evaluation tools that can in an easy, correct and cost optimal structure can show the performance of the building and be used in dialog with their customers and the building owners. Active House Active House is an international network with a vision of buildings that combines energy efficiency with specific attention to user health and comfort, indoor climate and the environment. Active House focus on COMFORT, ENERGY and ENVIRONMENT, and require a holistic view. The alliance develop tools and guidelines that can be used on international and national level. Supplementary to this the alliance focus on cooperation with national networks throughout the world, like Aktiv+ in Germany, Good Home Alliance in UK, Green Building Councils etc. In order to grow the knowledges for sustainable buildings, the Active House Alliance has launched an international guideline focusing on the relevant topics within Comfort, Energy and Environment following the vision of the alliance. Supplementary to this a specification and calculation tool is developed. The Active House Specifications is as a tool for evaluation of buildings based on the Active House vision and include the insight and knowledge needed to draw up the technical requirements and design concept for an Active House. The specifications include the important issues to consider when creating an Active House. These issues are process oriented, and provide guidance on how to achieve the performance levels described in the technical specifications. An Active House is finally evaluated on the integration the three main principles of Comfort, Energy and Environment. The performance can be described through the Active House Radar showing the level of ambition of each of the three main Active House principles and their sub-parameters. The integration of each parameter describes the level of ambition of how ‘active’ the building has become. For a building to be considered as an Active House, the level of ambition can be quantified into four levels, with 1 as the highest and 4 the lowest. that the architect or engineer already has to inform about and it can be carried out with minimum costs for the house owner. The architect can chose to use the standards and methodologies described in the specifications or to use the national methodologies. The result of the nine sub parameters are input for the development of the Active House radar. This can be done by the architects own calculation and use the share ware Active House Radar tool. Alternatively it can be carried out with the Active House Calculation excel tool. Supplementary to the quantitative criteria Active House also focus on a number of qualitative criteria like view from the building, integration of renewable energy and monitoring of the building. Those criteria are recommended to evaluate, but as they are not compulsory. The calculation of an Active House include the nine sub parameters which are based on European and national methodologies. The parameters are often included in building legislation or will be included in legislation on medium term, like the sustainable issues. Thereby the evaluation mainly include issues Next Steps The development of sustainable buildings based on a holistic view involving comfort, energy and environmental issues, require further cooperation between the partners and to share best technologies. There is a need to develop tools and solutions that guide the developers, designers, house owners towards a development of affordable, cost efficient and sustainable buildings in all scales. In this process national and international cooperation are relevant and needed. The Active House Alliance intend to create a platform for such cooperation and the network with Aktiv+ are good examples on how to focus on common goals, to learn from each other and to develop solutions based on local needs. THE THREE ACTIVEHOUSE PRINCIPLES THE ACTIVE HOUSE RADAR 61 Foto: VELUX / Adam Mørk BLOCK 3 | LEBENSZYKLUS VORTRÄGE UND ESSAYS The Licht-Aktiv-Haus in Hamburg-Wilhelmsburg was one of the projects displayed on the international building exhibition IBA 2013 in Hamburg. The building showcased the modernisation of an existing and technically out-dated detached single-family building, originally built in the 1950es. With the political ambitions to significantly increase the energy efficiency in housing and real estate, these and similar buildings are of concern, mainly due to their vast numbers. Facing different degrees of modernisation they may or may not have undergone in the past, they potentially are subject of significant changes. As part of IBA, VELUX converted the house into an active house. Together with 20 other buildings across the globe, the project was part of the VELUX modelhome 2020 project and subject of a broad scientific evaluation. on to the typically addressed global environmental performance indicators. The LCA compared the modernisation case to a generic DGNB reference building for new construction of a detached home - without representing a specific design. As an overall result, the qualities in terms of the activehouse radar indicate a wellbeing and performance significantly preferable to an old existing building, the LCA demonstrated a convincing advantage over a standard new construction, and with all these benefits, the remaining question was: at what cost? Life cycle costs typically comprise of the initial costs of a building, in this case the purchase and modernisation of the existing building, and the consequential costs occurring due to operation and maintenance of the building. For the calculation, a projection of building performance and the development of prices has to be carried out. With that, the life cycle costs will depend on parameters that only partly can be influenced by the building client and the designer. The market environment within which the building will be operated and maintained in the future influences other costs. The longer the period of analysis (the time for which the cost figure is established), the more significant the dependency on external factors. Meanwhile, highly energy efficient buildings, whether passive-houses, near-zero or netzero energy buildings, active houses or plus energy buildings, are becoming decreasingly dependent or even independent of rising energy prices. On the other hand, to achieve the projected energy performance, they become more dependent on the ability to achieve and maintain the intended and required performance levels - both relating to construction elements and to technical components. The international activehouse alliance has established a performance assessment, the active house radar, displaying performance aspects from a range of selected sustainability aspects. These include environment, energy and comfort. With that they are focussing on a selection of the generic aspects of sustainable construction, as established ins ISO (ISO 15392). The Wilhelmsburg building showed a good overall assessment in terms of the activehouse radar. Additionally, an environmental life cycle assessment analysed the contributi- key drivers of life cycle costs - cost of construction / modernisation | the case study building was a demonstration project. With the character of a pilot project, neither the planning cost, nor the construction costs should be interpreted as market prices. - cost of building operation | depending on the scope of concern (what is included in the calculation), these may include costs for energy, water, waste water, cleaning, insurance, taxes etc LCC - ECONOMIC VIABILITY OF CLIMATE RENOVATION Dr. Wolfram Trinius Ingenieurbüro Trinius GmbH Life Cycle Performance | Sustainable Construction B3 64 - cost of maintenance and replacements | during building operation, the performance requirements of the building need to be maintained. Building elements and technical components may reach the end of their service life and will need to be replaced - period of analysis | with a longer period of analysis, the focus of cost consideration shifts from the initial costs towards the costs of operation and maintenance - net present value | the net present values is typically applied to compare different distributions or cost-over-time profiles of various design options. The NPV calculation applies a projection of future costs to the moment of decision making, future price increases drive the displayed costs, the applied capital interest rate reflecting the intended or required capital profit and the risk associated with the investment, dampens the displayed costs. The factors within the net-present-value calculation contain the elements that are typically outside the decision-making of the building owner or the design team. However, these may have a more significant influence on the total displayed costs than the costs in a nominal cost calculation. The costs of construction and operation and maintenance are the basis for the NPV calculation, but not necessarily the sole significant drivers. Highly energy efficient buildings will be less dependent of future changes read increases - of energy prices. Life cycle costs, net present value, cost of ownership? The investment necessarily needs to be made today, the savings as well as the future costs occur spread over a longer period of time. The perspective on costs - whether net-present or not, may become decisive for a decision makers preference. Additional to that, the life cycle cost may be recognised as less important than the total cost of ownership - meaning that not the total amount of money is decisive, but the costs at which the necessary monetary flow can be arranged. Resulting is a different perspective on costs - and with that also a different preference for design options. The LCC evaluation of the Wilhelmsburg building showed that the life cycle costs - in terms of net present value - can result in cost levels comparable to other scenarios and options for the same building. The modelhome 2020 characteristics and qualities can be achieved without decisively significant additional costs. But as these calculations involve scenarios and represent cost perspectives, calculations representing different scenarios are to produce different results. Recognising this situation, our life cycle cost calculations were applied with a range of parameters resulting in cost corridors rather than onedimensional results. FOTO VELUX DEUTSCHLAND GMBH / ADAM MØRK 65 Vorgaben kritisch hinterfragt werden. Die größte Hebelwirkung entsteht oftmals aus der Infragestellung allgemeingültiger Standards und Normen. Zudem stehen unsere stetig steigenden Bedürfnisse in Bezug auf Flächenbedarf und Ausstattungsstandards in diametralem Widerspruch zu dem Ziel, den Ressourcenbedarf zu minimieren. ENTWERFEN IM LEBENSZYKLUS. ARCHITEKTONISCHE STRATEGIEN ZUR OPTIMIERUNG DES MATERIAL- UND RESSOURCENEINSATZES Volumetrie und Maßstäblichkeit überprüfen Auf der städtebaulichen ebenso wie auf der Gebäudeebene ist eine (angemessen) hohe Ausnutzung und Flächeneffizienz anzustreben. Dabei sollte nicht primär auf die bauliche Dichte Wert gelegt werden, sondern vielmehr auf eine hohe Nutzungsdichte. Die zu erwartende Anzahl an Bewohnern oder Arbeitsplätzen ist dabei aussagekräftiger als die Nettogeschossfläche. Dipl.-Ing. Arch. Sebastian El khouli Bob Gysin + Partnerund Technische Universität Darmstadt Im Lebenszyklus entwerfen Nachhaltigkeit ist ein umfassender, kontextueller und prozessorientierter Ansatz. Das Ziel des Entwurfsprozesses ist die ganzheitliche Optimierung des Projektes nicht nur in enger Wechselwirkung mit seinem räumlichen, sozialen und kulturellen, sondern auch mit seinem klimatischen Kontext. Das Ergebnis des Prozesses kann damit nur eine sehr spezifisch lokale und damit individuelle Lösung sein - die angewendeten Strategien und Methoden ähneln sich dabei jedoch stark. B3 Ziele und Bedürfnisse ermitteln Grundlage einer ressourcenschonenden Planung ist das Prinzip eines angemessenen Einsatzes der zur Verfügung stehenden Mittel. Zu diesem Zweck und um Optimierungen nach dem Gießkannenprinzip zu vermeiden, sollten deswegen die kurz-, mittel- und langfristig zu erwartenden Anforderungen der Betreiber und Nutzer an das Gebäude detailliert bestimmt werden. Die Abklärung und Priorisierung der Ziele und Bedürfnisse von Auftraggeber und Nutzern ist einer der Schlüssel für den bedarfsorientierten Einsatz der Ressourcen und einen erfolgreichen Planungs- und Bauprozess. Nachhaltig konstruieren In den vergangenen Jahrzehnten lag der Fokus des ressourcenschonenden Bauens vornehmlich auf der Reduktion der Betriebsenergie. Der Grund dafür lag einerseits in den besonders zu Beginn der Entwicklung vorhandenen Einsparpotentialen gegenüber den existierenden gesetzlichen Anforderungen und andererseits im Fehlen von belastbaren Erkenntnissen über die Ermittlung und Optimierung der Umweltwirkungen von Baustoffen und Baukonstruktionen. In der jüngeren Vergangenheit ist die Auseinandersetzung mit Baustoffen und Materialien wieder vermehrt in dem Mittelpunkt der Diskussion gerückt, da die Bedeutung der Konstruktion auf Grund der immer weiter sinkenden Energiebedarfe von Gebäuden stetig steigt. Bauen ist zudem seit jeher untrennbar mit der Nutzung von Materialien verbunden. Und die verwendeten Baustoffe sind immer auch eingebunden in ihren gestalterischen Kontext. Die Auseinandersetzung mit den ökologischen Eigenschaften von Materialien und Konstruktionsmethoden stellt deshalb nicht nur ein immer wichtiger werdenden Bereich im Bauwesen dar, sondern bietet darüber hinaus die Möglichkeit, Nachhaltigkeit erlebbar und im eigentlichen Wortsinn (be)greifbar zu machen. Rahmenbedingungen und Anforderungen hinterfragen Bei der Ermittlung der Rahmenbedingungen und Anforderungen sollten alle Vorhandenes nutzen Die Erhaltung des Bestandes ist auf Grund des hohen PEI und GWP der Pri- 66 märkonstruktion einem Abriss vorzuziehen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die bestehende Struktur den Anforderungen der geplanten Nutzung im Wesentlichen gerecht wird. Sollte die Analyse ergeben, dass der Erhalt des Bestandes zu einer deutlich niedrigeren Flächeneffizienz, einer geringeren Nutzungsflexibilität oder einem höherem Ressourcenbedarf im Betrieb führen würde, sind Vor- und Nachteile detailliert gegeneinander abzuwägen. Bei Gebäuden mit einem hohen Energieverbrauch (Laborgebäude, Krankenhäuser, Schwimmbäder, etc.) spielt die Konstruktion in der Gesamtbilanz nur eine untergeordnete Rolle. Ein Neubau kann in diesem Fall oftmals die ökologisch sinnvollere Entscheidung sein, sofern der Erhalt der Bausubstanz nicht aus baukulturellen Gründen wünschenswert ist. Bei Wohn- oder Bürogebäuden ist eine detaillierte Betrachtung jedoch in vielen Fällen sinnvoll. Das gilt vor allem, wenn sich die bauliche Dichte auf dem Grundstück durch einen Neubau nicht erheblich steigern lässt. (Trag)struktur und Gebäudehülle optimieren Bei der Planung der Tragstruktur sind die langfristigen Nutzungsanforderungen von zentraler Bedeutung (Flexibilität, Nutzungszyklen, Umnutzbarkeit). Hier ergeben sich große Unterschiede in Abhängigkeit von Standort und Nutzung. Bei Labor- und Bürogebäude mit ihren kurzen Nutzungszyklen ist die Trennung von Rohbau und Ausbau in jedem Fall sinnvoll, während bei Wohnungsbauten abgewogen werden muss, welche Umnutzungsszenarien realistisch und mit welchem Aufwand sie umzusetzen sind. Neben einer flexiblen Tragstruktur ist eine durchgehende vertikale Lastabtragung anzustreben, um den Ressourcenverbrauch zu minimieren und Mehrkosten zu vermeiden. Varianten- und Bauteilvergleiche durchführen Um belastbare Aussagen über die ökologischen Auswirkungen der Konstruktion eines Gebäudes treffen zu können, ist eine quantitative Ermittlung der Umweltwirkungen im Rahmen der Entwurfsplanung unumgänglich. Bereits in den frühen Entwurfs- und Planungsphasen ist deswegen die Durchführung von Variantenvergleichen mit einfachen Tools empfehlenswert. Sie erlauben es, die überwiegend qualitativen Bewertungsmethoden mit quantitativen Daten zu hinterlegen und zu überprüfen, und die jeweiligen Vor- und Nachteile transparent zu machen. Dabei sollten nicht nur die quantitativ wichtigsten Elemente, sondern auch die baubiologisch bedenklichen Baustoffe und Bauteile (Dichtungen, Anstriche, Lösungsmittel, etc.,) überprüft werden. (Vereinfachte) Ökobilanzierungen erstellen Mit einer vereinfachten Ökobilanzierung lassen sich Optimierungspotenziale für den weiteren Planungsverlauf ausloten. Deshalb sollten die Berechnungen nicht erst am Ende der Entwurfsplanung erstellt werden, sondern früh genug, um die gewonnenen Erkenntnisse noch in die weitere Planung einfließen lassen zu können. Falls eine Gebäudezertifizierung geplant ist, dient die Berechnung zudem auch zur Risikoabschätzung. Eine frühzeitige Überprüfung gibt Aufschluss darüber, ob sich die Projektvorgaben mit den geplanten Maßnahmen erreichen lassen. Auch wenn die Zielvereinbarung keine Ökobilanzierung vorsieht, sollten im Rahmen der Entwurfsplanung trotzdem Berechnungen für die wichtigsten Bauteile und Materialien erstellt werden, um abzuschätzen, ob die geplante Konstruktion signifikante Verbesserungen gegenüber einer Standardkonstruktion ermöglicht. Ziel des Vergleiches sollte es sein, die relativ beste Variante für das jeweilige Projekt zu ermitteln und nicht bestimmte Zielwerte zu erreichen. Schlüsselbauteile optimieren Eine vergleichende Ökobilanzierung von funktionalen Einheiten oder auf Bauteilebene sollte immer so aufbereitet werden, dass sich daraus konkrete Handlungsanweisungen für die weitere Planung ableiten lassen. Bei dem Vergleich verschiedener hinterlüfteter Fassadensysteme wird zum Beispiel deutlich, dass die Unterkonstruktion – insbesondere wenn sie aus Aluminium oder Edelstahl besteht - den weitaus größten Anteil zum GWP und PEI beiträgt. Eine Optimierung der äußeren Fassadenbekleidung könnte deswegen z. B. darauf abzielen, die notwendige Unterkonstruktion zu minimieren, indem möglichst leichte Platten eingesetzt und die Auskragungen minimiert werden oder indem Größe und mechanische Eigenschaften der Platten möglichst große Achsabstände der Unterkonstruktion ermöglichen. 67 Die Kunst des Weglassens perfektionieren Die Reduktion des Flächenbedarfs und das gezielte Weglassen besonders ressourcenintensiver Bauteile und Materialien stellt eine der effektivsten Maßnahmen zur Minimierung der Umweltwirkung von Gebäuden dar. Bei der Alterssiedlung Köschenrüti war deshalb das übergeordnete Ziel der Grundrissgestaltung, trotz der beschränkten Wohnfläche und ohne funktionelle Einbußen ein Höchstmaß an Großzügigkeit zu ermöglichen. So wurde auch bei den 1.5-Zimmer-Wohnungen darauf Wert gelegt, dass ein zweiter vollwertiger und abschließbarer Raum entsteht, um einen vor den Blicken der Gäste sichtgeschützten Bereich zu schaffen. Der fließende Wohnraum gliedert sich in verschiedene räumlich und funktionell differenzierte Bereiche und verzichtet auf wohnungsinterne Korridore. Die gemeinschaftlichen Erschließungsbereiche dienen als vollwertig nutzbare Erweiterung des privaten Wohnraums und schaffen eine angemessene Differenzierung der sensiblen Übergangsbereiche zwischen privaten und gemeinschaftlichen Räumen. Der spielerische Umgang mit Enge und Weite, Ausblicken und Fluchten wertet den Erschließungsraum zu attraktiven inneren Begegnungsflächen auf. Die Ausbildung von farbigen Nischen rhythmisiert den Raum und bildet zugleich individuelle Vorbereiche für die Wohnungen. Sitzgelegenheiten im Bereich der Fassade bieten hierbei Aufenthaltsmöglichkeiten mit spannenden Ausblicken in die abwechslungsreich gestalteten Außenräume. Auf Grund der realisierten Grundrissoptimierungen entschloss sich eine Vielzahl von Mietinteressenten nach der Besichtigung der Musterwohnung für eine kleinere Wohnung an Stelle des ursprünglich reservierten größeren Wohnungstyps. Dadurch konnte nicht nur die Wohnfläche - und mit ihr ebenfalls der gesamte Energie-, Ressourcen- und Flächenverbrauch des Gebäudes pro Bewohner - um fast 20% gesenkt werden. Die Reduktion der Mietkosten um durchschnittlich 15% belegt zudem, dass nachhaltiges Bauen nicht zwangsläufig zu einer Erhöhung der Erstellungskosten und damit auch des Mietzinses führen muss. Auszüge aus „Nachhaltig konstruieren. Vom Tragwerksentwurf bis zur Materialwahl – Gebäude ökologisch bilanzieren und optimieren.“; Sebastian El khouli, Viola John, Martin Zeumer; Detail Green Buch 2014 2.5 Zimmer Wohnung 1.5 Zimmer Wohnung 0 2 Bob Gysin + Partner BGP Architekten 351 Alterswohnungen Köschenrüti | Wohnungstypen 2.5 Zimmer Wohnung ALTERSWOHNSIEDLUNG KÖSCHENRÜTI, ZÜRICH: TYPISCHE WOHNUNGSGRUNDRISSE ALTERSWOHNSIEDLUNG KÖSCHENRÜTI, ZÜRICH: GEMEINSCHAFTLICHER ERSCHLIESSUNGSBEREICH; FOTO: DOMINIQUE MARC WEHRLI© 0 2 68 Bob Gysin + Partner BGP Architekten 351 Alterswohnungen Köschenrüti | Wohnungstypen GESCHOSSWOHNBAU MÜNCHEN 1958 MODELLERNEUERUNG IN HOLZ 2014 Florian Lichtblau Kaufmann.Lichtblau.Architekten BDA Die Themenkaskade ‚Umwelt_Quartier_Gebäude_Mensch’ heisst für unser Land vor Allem: Weiterbauen - die Zukunft im Gebäudebestand ist zum Generalthema geworden. Und Sparen? Ist ohnehin angesagt, Sparen von Geld, Energie, Folgekosten Klimawandel - im direkten und übertragenen Sinn. Wer aber meint, all das wäre billig und nebenbei mitzunehmen, übrigens nicht nur beim Bauen - da aber besonders, der irrt! Durch- und Weitblick heute heisst: zukunftsfähige Lebenszyklusqualität und Gesamtwirtschaftlichkeit im Bauen und Erneuern sind per se untrennbar, sie verlangen ganzheitliche Zielsetzung, kompetente Teamarbeit, kluge Finanzstrategen und nicht zuletzt: gut informierte Trendsetter und mutige Politiker mit entschiedenem Lenkungswillen. Es hat sich wohl vieles getan in der letzten Zeit. In der nationalen CO2-Bilanz allerdings machen Wachstumszwang und Anspruchsschraube die schönen Fortschritte bei Konsistenz und Effizienz immer wieder zunichte. Nichts für Schnäppchenjäger, es mangelt an: Kompetenz, Suffizienz, Kostenwahrheit! Von Albert Einstein stammt der entlarvende Satz: ‚Unsere Zeit ist geprägt von einer Vervollkommnung der Mittel und einer Verwirrung der Ziele.’ Der Klimawandel beschleunigt sich zusehends. Lassen sich die weder erträglichen, noch bezahlbaren Folgewirkungen nicht zumindest abmildern? Ich meine ja und sie dürfen überrascht sein: mit unserem Wald wächst ein Teil der Hoffnung. Nicht eigentlich neu, aber als gewaltiges Entlastungspotential neu entdeckt und prämiert hat auch die Jury zum ‚Bayerischen Energiepreis 2014’ ein Bauprojekt der anderen, der hölzernen Art, das wir zusammen mit Prof. Hermann Kaufmann aus Vorarlberg realisieren konnten. Ausgangspunkt war eine Wohn-siedlung der GWG-München im tristen Originalzustand Nachkriegszeit (Abb.2): nach einem Studienjahr an der TU-München entwickelte das Team unter Kaufmann.Lichtblau einen Zielekatalog für ganzheitlich geplante Architektur der Erneuerung auf drei Säulen: 1. Hochwertige Nutzung: Quantität, Qualität, Identität, Barrierefreiheit und Außenräume 2. Zukunftsfähige Energie: Minimalbedarf, Effizienz, regenerative Quellen und Ökonomie 3. Nachhaltige Bauweise: Bestandserhalt, ökologischer Holzbau, Prozeß und Gestaltung Zur Planung und Umsetzung der Modellerneuerung: die alte Tragstruktur konnte großenteils erhalten, barrierefrei erschlossen und zu modernem Wohn-/ Büroangebot ausgebaut werden (Abb.1/3). Neue Gebäudehüllen und Aufstockungen bestehen aus vorgefertigten Holzelementen in Passivhausqualität, dazu Musterlösungen für Lebenszyklus- und Energiebilanz, Gebäudetechnik, Bauphysik, Statik, Brand- und Schallschutz, sowie einen effektiven Bauprozeß. Nur ein altes Haus mußte weichen, mit dem Ersatz in Holzbau entstand ein ganz neuer Gebäudetyp (Abb.5). 69 Die Devise zum Umgang mit dem unwiederbringlichen Gebäudebestand thematisierte Kollege Muck Petzet für die Biennale Venedig 2012: ‚Reduce, Reuse, Recycle’ - eine Idealehe hierzu bietet der Holzbau! Die unvermeidlichen Mehrkosten für die Prototypen mit ‚Gesamtprädikat Nachhaltigkeit’ konnten über die öffentlichen Förderprogramme für energetische Gebäudesanierung kompensiert werden. Mit ca. 1.100 Kubikmetern verbautem Holz - fast die gesamte Sanierungs- und Neubaukonstruktion von Bauabschnitt 1 und 2 - konnten stolze 1.100 Tonnen CO2 (durchschnittlicher Ausstoß 500 PKW in einem Jahr!) langfristig gebunden werden. Der ganzheitliche Projekterfolg zeigt sich also nicht nur im drastisch verringerten Betriebsenergie-Bedarf, bislang alleiniger Fokus von Verordnungen und Förderprogrammen zur Emissionsminderung. Der baukonstruktive Einsatz des Kohlenstoffspeichers Holz bewirkt nun einen mitentscheidenden, aktiven Klimaschutz und substituiert darüberhinaus die energieintensive Herstellung konventioneller Baustoffe. Weitere Vorteile: die reduzierten Wandstärken ergeben wertvollen Wohnflächengewinn und die Bauzeit vor Ort kann sich aufgrund rationeller Vorfertigung erheblich verkürzen. Vielleicht das wichtigste Ergebnis der Begleitforschung aber: die Bewohner sind glücklich in ihren Holzhäusern. Begonnen hatten wir mit der lustvollen Klimatherapie Holzwohnbau bereits vor 15 Jahren. Im Rahmen des ‚Experimentellen Wohnungsbaues’ der Obersten Baubehörde in Bayern entwickelten wir für die Münchner Gewofag eine neuartige Skelett-Tafelbauweise zur modularen Systemfertigung, einheitliche Bauteile für einen hochvariablen Grundrißkatalog. Der Prototyp Neubau in München-Riem wurde bereits 2002 fertiggestellt und bezogen. Seine betriebsenergetischen Merkmale wurden damals bereits über dynamische Simulation optimiert und am ‚Passivhaus’ orientiert, wir durften es nur nicht so nennen. Auch die passivsolare Innovation ‚Dämmen mit Licht’ funktioniert. Zwölf Jahre später blicken wir zurück, zufrieden einerseits aber auch mit einiger Verwunderung darüber, daß wir eben keinen Boom auslösen konnten mit einem vielgepriesenen Prototyp, der bestens dasteht und nichts an Aktualität eingebüsst hat. Im Gegenteil, aber was nicht ist, kann ja vielleicht noch werden ... Der positive Dreifacheffekt von Holz im Neubau kann bei Erneuerung von Bestandsbauten noch gesteigert werden: Kosten-/ Abfall-/ Energievermeidung durch Neunutzung vorhandener Tragstukturen + Langzeit-Kohlestoffspeicherung + Substitution künstlicher Baustoffe + Platz für den Nachwuchs junger Bäume. Nur der Wirtschaftswald zeigt eine aktiv klimaentlastende Wirkung, wer weiss schon, daß bereits etwa 50 Prozent der Emissionen in Bayern durch ABB.1 GWG M-SENDLING, BA 1 2012, LAUBENGANG NACH OST (FOTO S. MÜLLER NAUMANN) ABB.2 GEBÄUDE DER NACHKRIEGSSIEDLUNG, ORIGINALZUSTAND 1958 (FOTO LICHTBLAU ARCHITEKTEN) ABB.3 THERMOGRAFIEAUFNAHME ALT/ NEU 70 die Holzwirtschaft kompensiert werden? Interessant auch: die heutigen Betriebsenergie-Anforderungen nach EnEV liegen über die Lebensdauer von Gebäuden etwa gleichhoch, wie die erforderliche Erstellungsenergie bei konventioneller Massivbauweise. Nur der kosequente Holzbau vermag die ‚graue Energiebilanz’ auf Null zu senken, mit dieser Tatsache konnten wir der Stadt München die Einführung eines ‚CO2-Bonus für nachwachsende Baustoffe’ schmackhaft machen: jedes verbaute Kilogramm CO2-Äquivalent wird jetzt mit 30 Cent gefördert, als Übergang in eine unverzichtbare, gesamtwirtschaftliche Kostenwahrheit ! Nochmal zurück zum‚Bayerischen Energiepreis 2014’ für die Modellerneuerung der GWG: was uns besonders gefreut hat war die besondere Weitsicht einer Jury, die neu bewußt Bau und Betrieb unserer kleinen Gebäudeformation im Lebenszyklus samt seiner ökonomischen, ökologischen und sozialen Relevanz für Zukunftsfähigkeit erkannt hat. Möge diese Botschaft künftig auch die Politik, Wohnungsunternehmen und Eigentümergemeinschaften erreichen, die sich gleichermassen noch so unnötig schwer tun mit wirklicher Nachhaltigkeit - dort steht man sich mangels klarer Prioritätensteuerung selbst im Weg, aber das ist eine andere Baustelle. Die gute Nachricht: Rationalisierungs- und Sympathiepotential des Holzbauens wachsen unaufhaltsam. Dieses ‚Solare Bauen und Erneuern’ wie wir es verstehen fügt keinem Schaden zu, es stellt die Basis dar für persönliche, gesellschaftliche, wirtschaftliche Zukunft in Freiheit und verkörpert so die wahre Moderne der Architektur! Daten und Fakten Standort | München- Sendling, Badgasteiner-/ Fernpaßstraße Bauherr | GWG Städt. Wohnungsgesellschaft München mbH Planung+Bauleitung | KLA Kaufmann.Lichtblau.Architekten, München/ Schwarzach Statik/ TGA | MKP Merz.Kley.Partner/ EST Energie.System.Technik Förd./ Forsch. | KFW, dena, LH München, E2ReBuild Baujahr/ -zeit | 1958/ Ba1 Erneuerung 2010-11, Ba2 Ersatzneubau 2012-13 Wohn-/ HN-fläche | Ba1 3.323 m2 (alt 2.012,+65 %), Ba2 2.027 m2 (alt 792,+155 %) Nutzeinheiten | Ba1 46 WE/ Gebietsverwalt. (alt 36 WE), Ba2 35 WE (alt 16) Hüllqualität Ht’ | Ba1 0,26 W/m2K (alt 1,56), Ba2 0,24 W/m2K (alt 1,64) Endenergie | Ba1 22 kWh/m2a (alt 280), Ba2 21 kWh/m2a (alt 296) Primärenergie | Ba1 22 kWh/m2a (alt 340), Ba2 18 kW/m2h (alt 362) Baukosten | Ba1 950 €/ m2 BGF (KG 300/400 br.), Ba2 neu 1.075 €/m2 BGF Holzeinsatz | 1.100 m3 Nadelholz, CO2-Bindung 1.100 to, zuzüglich Substitution ABB.5 GWG M-SENDLING, BA 2 2014, ERNEUERUNG NACH WEST (FOTO S. MÜLLER NAUMANN) ABB.3 ERNEUERUNG IN VORGEFERTIGTER HOLZKONSTRUKTION 2012/ 14 (GRAFIK LICHTBLAU ARCHITEKTEN) 71 +++ HAUS ENTWICKLUNG EINES KOSTENGÜNSTIGEN, HOCHFLEXIBLEN WOHNGEBÄUDES IN HOLZBAUWEISE UND ENERGIE+-STANDARD UNTER BETRACHTUNG DES GESAMTEN LEBENSZYKLUS Björn Fries Projektleiter | Architektur Contor Müller Schlüter These Die Ökologische Diskussion der letzten Jahrzehnte hat insbesondere in Deutschland dazu geführt, dass die hiermit verbundenen Themen in unserer Gesellschaft eine zunehmend hohe Akzeptanz erfahren. Dennoch wird das hiermit gestiegene Marktdurchdringungs- und Energieeinsparpotential oft nur unzureichend realisiert. Energiesparen muss eben auch finanzierbar sein. Hierzu sind Ansätze erforderlich, die die Mehrkosten von energiesparender Technik durch eine Kompensation in anderen Bereichen ermöglichen. Idealerweise erfolgt dies so, dass die Bedürfnisse des Nutzers dennoch gleichermaßen befriedigt oder sogar z.B. durch eine aus den veränderten Randbedigungen abgeleitete Ästhetik bereichert werden. Schließlich Bauen wir nicht in erster Linie Gebäude zum Energiesparen, sondern für den Aufenthalt von Menschen und zum Wohlfühlen. Die Reduktion von Ressourcen bietet hier vorallem neue Chancen. Des Weiteren ändern sich unsere Anforderungen an Wohnen fortlaufend. Im Sinne einer langfristigen und somit nachhaltigen Nutzung müssen Wohngebäude daher in hohem Maße flexibel sein um so auch die funktionalen Bedürfnisse des zukünftigen Nutzers optimal zu erfüllen. 72 Projektansatz Das +++ Haus-Projekt greift den etablierten Passivhausstandard als Zielgröße auf und will diesen weiterentwickeln. Die energetische und ökologische Bewertung von Gebäuden, die bisher üblicherweise auf die Nutzungsenergie beschränkt war, soll auf den kompletten Lebenszyklus - von der Herstellungs- über die Nutzungs-, bis zur Rückbau- und Recyclingphase - erweitert werden. Um auch einem soziokulturell-funktionalen Nachhaltigkeitsbegriff gerecht zu werden, legt das Projekt desweiteren einen Schwerpunkt auf die Ausbauund Anpassbarkeit im Sinne einer hohen Flexibilität. Das übergeordnete Ziel ist es dabei, ein Gebäude zu äußerst marktfähigen Konditionen zu entwickeln. Das Projekt setzt somit einen Kontrapunkt zu Vorhaben, die vor allem in energetischer Hinsicht versuchen den Grenzbereich, des technisch Möglichen auszuloten, ohne dabei die Wirtschaftlichkeit im Fokus zu haben. Es wird ein Plusenergiestandard mit reduzierter Ausstattungsqualität und optimierter Haustechnik zu einem Budget eines Gebäudes in konventioneller Bauweise angestrebt. Im Rahmen der seit Anfang 2014 laufenden Konzeptions- und Planungsphase wird das Gebäude in seinen massgeblichen Bauteilen analysiert. In iterativen Produktentwicklungszyklen werden Lösungen erarbeitet, optimiert und zu einem Gesamtkonzept zusammengefügt. Das +++ steht dabei für die vollständige Deckung des durch das Gebäude induzierten Energiebedarfs für die Gebäudeherstellung, die Nutzung, sowie die mit dem Gebäude in Verbindung stehende Mobilität (Strombedarf eines Elektrofahrzeugs). Primärenergie und Umweltwirkung Die Diskussion um Primärenergiefaktoren ist neben den technischen Aspekten auch von politischen Themen und Interessen geprägt und aufgrund der Komplexität Bauherren oftmals schwer zu vermitteln. Ein ausschließlicher Blick auf den Primärenergiebedarf erscheint daher deutlich zu kurz gegriffen. Dem Forschungsprojekt geht es somit vorallem um eine ganzheitliche Betrachtung der Ökobilanz des Gebäudes, sowie der unmittelbar mit dem Wohnen in Verbin- dung stehenden Funktionen über einen Nutzungszeitraum von 50 Jahren. So stehen vorallem neben der Energiebilanz vorallem die Umweltwirkungen und hier in besonderem Maße das vom Gebäude und seiner Nutzung ausgehende Treibhauspotential im Fokus. In einer für ein Referenzgebäude erstellten Ökobilanz wurde ermittelt, dass der dem Projekt zugrunde liegende Entwurf in klassischer, mineralischer Bauweise für Herstellung, Unterhalt, Rückbau und Recycling einen nicht erneuerbaren Primärenergiebedarf (PENRT) von ca. 210.000 kWh und ein Treibhauspotential (GWP) von 65 t CO2-Äqv. aufweist (Gebäude ohne Bilanzierung der Haustechnik). Für das gleiche Gebäude in Holzrahmenbauweise wurde in einer überschlägigen Ökobilanz ein PENRT von ca. 80.000 kWh und ein GWP von ca. 15 t CO2-Äqv. ermittelt. Somit ergibt sich ein Einsparpotential für die Herstellungsphase von ca. 130.000 kWh bzw. ca. 50 t CO2-Äqv.. Dies Entspricht ca. 9,5 kWh/m²a für die Holzbauweise und ca. 24,5 kWh/m²a für die mineralische Bauweise bzw. einem Einsparpotential von 15 kWh/m²a. Dem gegenüber steht der im Rahmen des Projekts ermittelte Primärenergiebedarf für Heizen, Warmwasser und Lüften von je nach Technologie 54 bis 73 kWh/m²a, sowie ein Nutzerstrombedarf von ca. 42 kWh/m²a. Somit trägt das Gebäude in herkömmlicher Bauweise über den gesamten Lebenszyklus betrachtet mit ca. 20% zum nicht erneuerbaren Primärenergiebedarf bei. Ca. 48% entfallen auf Heizen, Lüften und Warmwasser und ca. 32 % auf den Nutzerstrom. Von den 20% für das Gebäude lassen sich durch eine Holzbauweise etwas weniger als zwei Drittel einsparen, insgesamt ergibt sich daraus ein Gesamteinsparpotential von ca. 12%. Schaut man sich die Ökobilanzen des mineralischen Referenzgebäudes und des Holzgebäudes in Bezug auf das Treibhauspotential an, so stellt man fest, dass die Baustoffwahl deutlich drastischere Relevanz hat, als dies ein erster Blick auf den Primärenergiebedarf vermuten liesse. So entsteht für ein Gebäude, dessen Energiebedarf mit einer Photovoltaikanlage gedeckt wird in der Nutzung über 50 Jahre eine Gesamtemission von ca. 36 t CO2-Äqv. Dem gegenüber lassen sich über die Baustoffwahl, wie bereits erläutert, ca. 50 t CO2-Äqv. einsparen. Das Einsparpotential ist also ca. 1,4 mal so groß wie das Treibhauspotential aus der Nutzung des Gebäudes. Vor diesem Hintergrund erscheint es daher insbesondere für den Gebäudetypus des Einfamilienhauses als sinnfällig, sich mit den deutlichen Einsparpotentialen, die der Holzbau insbesondere im Hinblick auf die Verminderung des Treibhauspotentials mit sich bringt intensiver zu beschäftigen und das für den Holzrahmenbau ermittelte Einsparpotential ggf. weiter zu verbessern, sowie das wirtschaftlich darstellbare Optimum zu finden. Mehrdimensionale Optimierung der Holzbauweise Um dem Anspruch des Projekts gerecht zu werden, eine mehrdimensional optimierte Bau-weise zu entwickeln, die ökologische, wirtschaftliche und sozio-kulturelle Aspekte in Betracht zieht, wird die zunächst pauschal betrachtete Holzbauweise (klassischer Holzrahmenbau) im Rahmen des Projekts eingehender analysiert und auf Ihre Optimierungspotentiale hin untersucht. Hierzu werden Bauteile in ihren einzelnen funktionalen Schichten in Alternativen verglichen. Zum einen erfolgt auf dieser Basis eine Bewertung der einzelnen Vor- und Nachteile von Alternativen innerhalb der funktionalen Einheiten. Zum anderen zeigt die Analyse aber auch auf, an welchen Stellen die Optimierungspotentiale in welcher Höhe und zu welchen Kosten zu realisieren sind. Konkret bedeutet dies zum Beispiel, dass das Optimierungspotential eines Bauteils für das Gesamtgebäude in Hinblick auf Primärenergie, Umweltwirkungen, etc. quantifiziert und gleichzeitig die Mehr- oder Minderkosten gegenüber einer Bezugsvariante ermittelt werden. Diese Ergebnisse werden ins Verhältnis gesetzt und ergeben Optimierungskosten je Alternative. Die Optimierungskosten beschreiben in wirtschaftlicher Hinsicht die Effizienz der jeweiligen ökologischen Optimierung. Beispiel Aussenwand Das Bauteil Aussenwand wurde in die Elemente Raumabschluss, Ständerwerk, Dämmung und Fassadenbekleidung zerlegt. Für jedes Element wurden innerhalb des Holzbaus unterschiedliche Varianten gerechnet und analysiert. So wurden zum Beispiel die raumabschliessendenSchichten des klassischen Holzrahmenbaus (Gipskarton, OSB, Unter-deckplatte) mit einem Raumabschluss aus einer Brettsperrholzwand verglichen. Für die Brettsperrholzwand ergibt 73 sich hieraus das +++Haus ein Einsparpotential von ca. 14.700 kWh (PENRT) und ca. 4,5 t CO2-Äqv. (GWP). Gleichzeitig führt diese Variante zu Mehrkosten von 11.000 EUR. Die Optimierungskosten in Bezug auf das GWP belaufen sich somit auf ca. 2,50 EUR pro eingesparter Tonne CO2-Äqv.. Für die Dämmung bildet die Referenzvariante ein Glaswolle Klemmfilz. Durch die alternative Verwendung von Holzweichfaserplatten lassen sich bei gleichem Wärmewiderstand ca. 9.500 kWh (PENRT) und ca. 9,8 t CO2-Äqv. einsparen. Die Mehrkosten für den alternativen Dämmstoff belaufen sich dabei auf ca. 4.000 EUR. Die Optimierungskosten liegen somit bei 0,40 EUR pro eingesparter Tonne CO2-Äqv.. Die Holzweichfaserdämmung stellt somit also die deutlich kosteneffizientere Möglichkeit zur ökologischen Optimierung dar. optimierte Variante, sowie eine ausbalancierte Variante unter Einhaltung des vorgegebenen Budgets ermittelt werden. Prinzipiell sollen es die im Rahmen des Forschungsprojekts zusammengestellten Datensätze aber auch ermöglichen, schnell und einfach unterschiedlichste Bauweisen zu vergleichen und so auch auf ggf. veränderte Rahmenbedingungen reagieren zu können. Ausblick und Fazit Die Ermittlung der Optimierungskosten ermöglicht es somit Alternativen über Bauteile und Elemente hinweg miteinander zu verglichen und die für ein vorgegebenes Budget effizienteste Bauweise zu ermitteln. Eine mehrdimensionale Gesamtoptimierung wird möglich. Im Rahmen des Forschungsprojekts sollen für den Kontext des Holzbaus eine maximal wirtschaftlich optimierte Variante, eine maximal ökologisch MODELL UND PERSPEKTIVE VON ARCHITEKTUR CONTOR MÜLLER SCHLÜTER 74 ÖKOBILANZIERUNG UND LEBENSZYKLUSKOSTENBERECHNUNG BEI PLUSENERGIEHÄUSERN AM BEISPIEL DES ENERGY+HOME Dipl.-Ing. Architekt Ingmar Kurtz Technische Universität Darmstadt Fachbereich Architektur | Fachgebiet Tragwerksentwicklung und Bauphysik Eines der wichtigsten Ziele im Energiekonzept Deutschlands ist die Reduktion des Energiebedarfs des Wohngebäudebestandes. Am Beispiel des energy+Home in Mühltal bei Darmstadt wird gezeigt, wie für ein repräsentatives Gebäude aus den 70er Jahren eine CO2-neutrale Energieversorgung wirtschaftlich umsetzbar und mit höchster Komfort- und Wohnqualität verbunden werden kann. Erfahrungen aus dem Neubaubereich wurden mit diesem Objekt erstmals auf den Gebäudebestand übertragen und demonstrieren, wie eine derartige Sanierung ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltig zu realisieren ist. Bei dem Gebäude handelt es sich um ein Reihenendhaus in Hanglage und Ost-/West-Ausrichtung mit einem leicht geneigten Satteldach. Das in Massivbauweise errichtete Gebäude wurde vor der Sanierung mit Heizöl beheizt und wies eine Wohnfläche von 176m2 auf. Es kann damit als repräsentatives bzw. typisches Einfamilienhaus aus den 70er Jahren bezeichnet werden. Das Haus wurde im Jahr 2011 komplett modernisiert und dabei die Transmissions- und Lüftungswärmeverluste der Gebäudehülle reduziert, die solaren Gewinne maximiert sowie die veraltete Anlagentechnik ersetzt. Seit der Sanierung wird der Energiebedarf ausschließlich durch die Verwendung regenerativer Energien gedeckt. Im Rahmen des von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt geförderten Forschungsprojektes „energy+Home - Ökologische und ökonomische Untersuchung zur Umwandlung eines repräsentativen Wohngebäudes zu einem Plusenergiehaus mit Elektromobilität“ wurde die Sanierung des im zentralen Rhein-Main-Gebiet gelegenen Einfamilienhauses wissenschaftlich begleitet und analysiert. Dabei wurde unter Anderem der Frage nachgegangen, welche Umweltwirkungen und Kosten über den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes aus der Sanierung zum Plusenergiehaus entstehen und wie sich diese im Vergleich zu den Umweltwirkungen einer Sanierung nach ENEV bzw. dem Abriss und Neubau des Gebäudes verhalten. Mithilfe einer Ökobilanzierung lassen sich die potentiellen Umweltwirkungen eines Gebäudes über dessen gesamten Lebenszyklus, also vom Ressourcenabbau der verwendeten Materialien über die Herstellung, dessen Betrieb, den Rückbau und die Entsorgung des Gebäudes darstellen. Das methodische Vorgehen zur Bewertung dieser umweltbezogenen Qualität ist in DIN EN 15978 geregelt. Der Anteil der Umweltwirkungen, welche aufgrund der Herstellung, Instandhaltung und Rückbau der Baukonstruktion entstehen, stehen dabei in einem direkten Verhältnis zu den Umweltwirkungen der Nutzungsphase des Gebäudes. Dieser Anteil wird umso größer ist, je weniger Energie das Gebäude im Betrieb verbraucht. Gerade bei Plusenergiehäusern ist es daher umso wichtiger, 75 auf die Verwendung nachhaltiger Baustoffe zu achten, um die Umweltwirkungen der Baukonstruktion möglichst gering zu halten. Darüber hinaus besteht bei Plusenergiehäusern die Möglichkeit, das Plus an Energie als Gutschrift in die Bilanzierung mit einzubeziehen und die Umweltwirkungen, welche aus der Baukonstruktion entstehen wieder auszugleichen. Außerdem wird bei einem bestehenden Gebäude die bereits vorhandene Bausubstanz der Primärkonstruktion einem abgeschlossenen Lebenszyklus zugeordnet und damit nicht in die Bilanzierung einbezogen. Die verbauten Baustoffe, Baumassen und Verbindungen wurde im Rahmen des Forschungsprojektes dokumentiert und als Grundlage einer Ökobilanzierung verwendet. Betrachtet wurden dabei das Treibhauspotential (GWP), das Ozonabbaupotential, das Versauerungspotential, das Eutrophierungspotential, das photochemische Oxidantienbildungspotential und der Primärenergiebedarf über einen Zeitraum von 50 Jahren. Die ermittelten Werte wurden einem Referenzgebäude, welches ein durchschnittliches Einfamilienhaus in Deutschland darstellt, gegenübergestellt. Dabei zeigt sich, dass in sämtlichen betrachteten Wirkungskategorien die Umweltwirkungen der Gebäudekonstruktion unterhalb denen des Referenzgebäudes liegen, was vor allem auf die Nutzung der bestehenden Gebäudesubstanz zurückzuführen ist. Aufgrund der energetischen Ertüchtigung der Außenbauteile und des damit verbundenen niedrigen Heizwärmebedarfs und verringerter Lüftungswärmeverluste, in Kombination mit der Nutzung regenerativer Energien durch eine Luft/Wasser-Wärmepumpe sowie der Deckung des Strombedarfs durch eine monokristalline Photovoltaik-Anlage liegen die Umweltwirkungen im Betrieb ebenfalls in allen betrachteten Wirkungskategorien deutlich unterhalb denen des Referenzgebäudes. Daraus ergibt sich eine Gesamtwirkungsabschätzung welche die ökologische Wirksamkeit der Sanierung unter Beweis stellt. Zum Beispiel beträgt das Treibhauspotential der energy+Home Sanierung gerade einmal 11% des Wertes des Referenzgebäudes. 76 Die Gegenüberstellung der Ergebnisse des energy+Home mit einer alternativen Sanierung nach ENEV sowie einem Abbruch und Neubau des Gebäudes zeigt zudem, dass die Sanierung zum energy+Home im Vergleich mit den betrachteten Sanierungsvarianten die geringsten Umweltwirkungen im Lebenszyklus von 50 Jahren aufweist und sich der Mehraufwand des Treibhauspotentials in der Konstruktion während des Betriebs gegenüber dem unsanierten Bestand nach 4 Jahren und gegenüber den ENEV-Variante nach 17 Jahren amortisiert. Gegenüber dem unsanierten Bestand spart das energy+Home im Betrachtungszeitraum von 50 Jahren ca. 7.000 kg CO2/m2NGF ein. Zur Bewertung der ökonomischen Qualität der Sanierung wurden neben einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung die Lebenszykluskosten (LCC) über einen Zeitraum von 50 Jahren abgeschätzt. Diese unterteilen sich in die Herstellungskosten nach DIN 276 sowie die Nutzungskosten nach DIN 18960, aufgeteilt in Betriebskosten, Instandsetzungskosten und Kosten für Inspektion und Wartung. Die Herstellungskosten für Baukonstruktion und technische Anlagen lassen sich wiederum unterteilen in Kosten zur Steigerung der Energieeffizienz, Kosten für die Instandsetzung, welche sowieso im Zuge der Sanierung anstehen, sowie Kosten für wohnwertverbessernde Maßnahmen (z.B. die Verwendung von hochwertigem Massivholzparkett oder die Veränderung der Raumaufteilung). Ohne Berücksichtigung der wohnwertverbessernden Maßnahmen, welche allein den Komfortansprüchen geschuldet sind und nicht zur Steigerung der energetischen Qualität des Gebäudes beitragen, belaufen sich die Herstellungskosten der Sanierung auf 1.200 €/m2WF. Dies entspricht 62% der Lebenszykluskosten und stellt damit den größten Anteil an der Gesamtsumme dar. Auf Inspektion, Wartung und Instandsetzung entfallen zusammen 27% der Kosten und nur 11% gehen zulasten der Betriebskosten für Heizung, Warmwasser und Strom. Eine Abschätzung der Lebenszykluskosten für eine Sanierung nach ENEV ergab, dass hierbei zwar die Herstellungskosten niedriger ausfallen als bei der energy+Home Sanierung, dass dafür jedoch die Betriebskosten deutlich höher ausfallen. Aufgrund der Erträge aus der PV-Anlage und niedrigerer Betriebskosten amortisieren sich die erhöhten Investitionskosten im Betrachtungszeitraum von 50 Jahren gegenüber der ENEV-Variante. Die leicht erhöhten Kosten für Wartung, Instandsetzung, Instandhaltung, welche als Prozentsatz der Investitionskosten berechnet werden und daher höher ausfallen als bei der ENEV-Variante, werden wieder ausgeglichen. Dies gilt auch für die Ersatzinvestitionen, also für die Neuanschaffung von Gebäudeteilen, deren Nutzungsdauer kleiner als 50 Jahre ist und die daher im Betrachtungszeitraum ausgetauscht werden müssen. Die Lebenszykluskosten der beiden Varianten sind nach einem Zeitraum von 50 Jahren nahezu identisch und die Investition in die Sanierung des energy+Home amortisiert sich bereits nach ca. 35 Jahren gegenüber dem unsanierten Bestand. Gegenüber der ENEV Variante besitzt das energy+Home einen klaren ökologischen Vorteil. Während die Kostenkennwerte noch relativ nahe beieinander liegen, zeigt sich eine deutliche Differenz beim Emissionsverlauf der beiden betrachteten Sanierungsvarianten. In der Herstellungsphase weist das energy+Home ein 32% größeres Treibhauspotential auf als die Sanierung nach ENEV, jedoch amortisieren sich diese Mehraufwendungen bereits nach 17 Jahren. Am Ende des Betrachtungszeitraums übersteigen die Emissionen der ENEV Variante die des energy+Home um das zweieinhalbfache bzw. 765 kg CO2/m2. Fazit Eine ganzheitliche Nachhaltigkeitsbewertung sollte immer sowohl ökonomische wie ökologische Gesichtspunkte berücksichtigen und diese als Entscheidungsgrundlage ansetzen. Sanierungen von Einfamilienhäusern aus den 70er Jahren hin zu Plusenergiehäusern sind ökologisch sinnvoll und wirtschaftlich vertretbar. Die Umwandlung und Nutzung bestehender Bausubstanz bietet sowohl gegenüber dem unsanierten Bestand, als auch gegenüber dem Abbruch und Neubau des Gebäudes die Möglichkeit, langfristig Kosten und graue Energie einzusparen. Da die geschaffenen Qualitäten für die nächsten 40 bis 50 Jahre den Wohnanforderungen gerecht werden müssen, sollte vor jedem Eingriff immer gleichzeitig geprüft werden, ob damit eine baukulturelle und architektonische Verbesserung einhergeht. INNENRAUMFOTO ENERGY+ HOME (DIEPHOTODESIGNER.DE) GRAFIK (FG TWE, TU DARMSTADT) 77 Foto: VELUX / Adam Mørk BLOCK 4 | VERNETZUNG VORTRÄGE UND ESSAYS PLANUNG UND BETRIEB VON ENERGIE+ SIEDLUNGEN UND QUARTIEREN Prof. Dr. Werner Jensch und Volker Stockinger Hochschule für angewandte Wissenschaften München Competence Center-Energieeffiziente Gebäude Die Reduzierung der Energiebedarfe durch passive Maßnahmen stellt bei Energie+ -Siedlungen und -Quartieren ebenso wie bei allen anderen Gebäudekonzepten eine wichtige, jedoch nicht die einzige Option dar. Vielmehr ermöglicht elektrische und thermische Eigenerzeugung und Überschusseinspeisung weitere Alternativen. So kann ein höherer Energiebedarf für den Gebäudebetrieb und die damit verbundene Einsparung an Grauer Energie sinnvoll sein, wenn die hierfür notwenige Energie aus regenerativen Quellen selbst gedeckt oder durch die Abgabe von Überschüssen bilanziell ausgeglichen wird. Bei der Bereitstellung von eigenerzeugter thermischer und elektrischer Energie müssen alle Aspekte von der Erzeugung, über die Verteilung bis hin zum Einsatz von Energiespeichern inklusive der notwendigen Hilfsenergien in der Planung ebenso Berücksichtigung finden wie der Standort, das Gebäude und das Nutzerverhalten. Nur so kann bereits in der Planung die Grundlage für einen optimalen Anlagenbetrieb in der späteren Nutzungsphase gelegt werden. B4 80 Eigendeckung und Eigennutzung Durch die Eigenerzeugung ist in Energie+ -Versorgungskonzepten neben dem externen Energiebezug auch die Eigendeckung des elektrischen und thermischen Energiebedarfs möglich. Die Alternativen erstrecken sich von der vollständigen Eigendeckung bis zur vollständigen Deckung des Energiebedarfs durch externen Energiebezug. (siehe auch Abbildung 1). Der Eigendeckungsgrad ist ein Maß für die Energieautarkie. Autarke Versorgungskonzepte verfügen über einen Eigendeckungsgrad von 100 Prozent. Die Nutzung der eigenerzeugten Energie spielt bei Energie+ -Versorgungskonzepten eine ebenso elementare Rolle wie die Deckung des Energiebedarfs. Auch hier erstrecken sich die Möglichkeiten von vollständiger Eigennutzung bis zur kompletten Einspeisung. Der Eigennutzungsgrad kann als Indikator für die „Netzverträglichkeit“ eines Energie+ -Versorgungskonzeptes verstanden werden. Je mehr elektrische Energie selbst verbraucht wird, umso geringer ist die Beeinflussung des öffentlichen Versorgungsnetzes durch die Einspeisung der regenerativen Energieüberschüsse. Grundsätzlich können keine allgemeingültigen Aussagen über die optimalen Eigendeckungs- und Eigennutzungsgrade getroffen werden. Jedoch sollten unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten möglichst hohe Eigendeckung und Eigennutzung das Ziel sein. Elektrische Erzeugung Neben der Wärmebereitstellung aus idealerweise ausschließlich regenerativen Wärmequellen, wie der Solarstrahlung und Umgebungswärme, kommt der elektrischen Eigenversorgung zukünftig besondere Bedeutung zu. Energie+ -Versorgungskonzepte verfügen in der Regel über PV-Anlagen zur Bereitstellung von Strom. Doch auch der Einsatz anderer elektrischer Erzeugungsanlagen ist denkbar. Diese kommen, je nach Konzept, ergänzend oder anstelle der PV zum Einsatz. Besonders Kraft-Wärme-Kopplung stellt eine interessante Option dar. Sie kann für einen Ausgleich der reduzierten Bereitstellung von elektrischer Energie aus PV in den Wintermonaten sorgen und gleichzeitig die erzeugte Wärme für Heizzwecke eingesetzt werden. Eine vollständige Eigendeckung des elektrischen Energiebedarfs ist nicht zwingend anzustreben. Eine teilweise Eigendeckung ist meist als die sinnvollere Alternative anzusehen. Die Eigenerzeugung kann den eigenen Energiebedarf auch übersteigen und zum energetischen Ausgleich von bezogener Energie ganz oder teilweise in das öffentliche Versorgungsnetz eingespeist werden. Die Eigennutzung sollte jedoch zunächst immer Vorrang vor der Einspeisung haben. Energiespeicherung Energieangebot und –nachfrage sind bei der Bereitstellung aus regenerativen Quellen meist nicht deckungsgleich. Um eine möglichst hohe Eigennutzung sowie Eigendeckung aus den eigenen regenerativen Energiequellen zu erreichen, muss eine zeitliche Verschiebung der Energieströme erfolgen. Dies ist mit elektrischen und thermischen Energiespeichern möglich, die innerhalb des Energie+ -Versorgungskonzeptes zentral oder dezentral angeordnet sind. Grundsätzlich werden Speicher nach der Dauer der angestrebten zeitlichen Verschiebung unterschieden. Es kann sich um Speicher für den tageszeitlichen Ausgleich oder um Langzeitspeicher handeln, die das Ziel eines ganzjährigen saisonalen Ausgleiches verfolgen. Während die Speicherung von thermischer Energie Stand der Technik ist und beispielsweise in Sonnenhäusern sogar die saisonale Verschiebung zum Ziel haben, ist die Speicherung von elektrischer Energie aktuell noch nicht so weit voran geschritten. Zwar verfügt der Markt über ausreichend Techniken zur elektrischen Energiespeicherung. [2] Aktuell stellen jedoch ausschließlich Batterien eine alltagstaugliche Alternative für Siedlungen und Quartiere dar. Auch die Batterie-Speicherung hat sich zum aktuellen Zeitpunkt aus ökonomischen Gründen noch nicht in der breiten Masse durchgesetzt. Für die Speicherung müssen aktuell sehr große und vergleichsweise teure Batterie-Pakete vorgehalten werden. Jedoch lassen die aktuellen Entwicklungen auf dem Markt und der Trend zur Elektromobilität Verbesserungen im Bereich der Elektrospeicher erhoffen, die sich in einer verbesserten Energiedichte und fallenden Preisen zeigen könnten. Da Energie+ -Versorgungskonzepte über elektrische Erzeuger verfügen, muss dem Einsatz von elektrischen Speichern besondere Bedeutung zukommen. Sie ermöglichen die Nutzung der erzeugten Energie in Zeiten ohne eigene Erzeugung. Zusätzlich entlasten sie bei richtiger Betriebsführung die öffentlichen Netze, indem sie Einspeisespitzen aus regenerativen Energieerzeugern reduzieren oder sogar vollständig vermeiden. [3] Hohe Eigennutzung und Eigendeckung oder gar ein autarker Betrieb sind ebenfalls nur mit Elektrospeichern realisierbar. ABBILDUNG 1: THERMISCHE UND ELEKTRISCHE ENERGIEFLÜSSE BEI ENERGIE+-VERSORGUNGSKONZEPTEN (QUELLE: [1]) 81 Betriebsoptimierung Die Betriebsoptimierung ermöglicht die fortlaufende Überprüfung und Verbesserung des Anlagenbetriebes. Hierfür kommen in der Regel Werkzeuge wie Betriebsvisualisierungen zum Einsatz, die einen Überblick über die aktuelle Performance der Energiebereitstellung ermöglichen. Die messtechnische Erfassung der Energieversorgung – von der Erzeugung über die Verteilung bis hin zur Nutzung – bildet die Grundlage für energetische Betriebsoptimierung und ermöglicht neben der visuellen Darstellung des Anlagenbetriebes eine detaillierte Analyse und somit das Feststellen von möglichem Fehlverhalten. Einen Überblick über die benötigte Messtechnik liefert Abbildung 2. Durch Betriebsoptimierung ist es nicht nur möglich, die Energieerzeugung effizienter zu gestalten, sondern auch unerwünschte Effekte in der Verteilung oder der Energieübergabe an den Nutzer festzustellen. Somit stellt die Betriebsoptimierung ein unverzichtbares Werkzeug zur Erreichung der gesteckten energetischen Ziele von hochtechnisierten Versorgungskonzepten dar. Durch eine veränderte Betriebsführung oder geringinvestive Maßnahmen könnte in vielen Gebäuden der Strom- und Wärmeverbrauch um 10 bis 20 % reduziert werden. [4] Dies wird durch die Erkenntnisse aus dem Bauvorhaben Ludmilla-Wohnpark in Landshut (LWP) bestätigt. Der LWP wurde im Rahmen des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) geförderten Forschungsvorhaben +Eins untersucht. [5] Im Nahwärmenetz konnten witterungsbereinigt 20 Prozent Energieeinsparung für die Wärmeversorgung sowie 50 Prozent im Hilfsenergieverbrauch realisiert werden. [6] Dies unterstreicht nochmals die Bedeutung von Betriebsoptimierung für Siedlungen und Quartieren mit hocheffizienten Versorgungskonzepten. Literaturverzeichnis [1] Stockinger, Volker. 2014. Energie+ Siedlungen und -Quartiere – Definition, Planung, Betrieb, Nutzung, Bilanzierung und Bewertung. Dresden, Deutschland. (Eingereichte Dissertationsschrift) [2] Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB). 2008. Energiespeicher – Stand und Perspektiven. Sachstandsbericht, Arbeitsbericht Nr. 123, Berlin, Deutschland. (unveröff.). [3] Fraunhofer Institut für solare Energiesysteme (ISE). 2013. Speicherstudie 2013 – Kurzgutachten zur Abschätzung und Einordnung energiewirtschaftlicher, ökonomischer und anderer Effekte bei Förderung von objektgebundenen elektrochemischen Speichern. Fraunhofer ISE, Freiburg, Deutschland. (unveröff.). [4] Plesser, Stefan; Fisch, M. Norbert. 2010. Gebäude energieeffizient betreiben – Den Anspruch der Planung einlösen. BINE Informationsdienst, Karlsruhe, Deutschland. [5] Jensch, Werner; Stockinger, Volker. 2011. +Eins – Plusenergiesiedlung Ludmilla-Wohnpark Landshut. Vortrag im Rahmen der Vortragsreihe VDI – IDV: Programm Wintersemester 2011, VDI, München, Deutschland, 08. November 2011. [6] Stockinger, Volker. 2014. Wärmeversorgung von Quartieren – Plusenergiesiedlung LudmillaWohnpark Landshut. Vortrag im Rahmen der Intersolar 2014, Solar Promotion GmbH, München, Deutschland, 04. Juni 2014. ABBILDUNG 2: ÜBERSICHT ÜBER DIE BENÖTIGTE MESSTECHNIK ZUR ÜBERPRÜFUNG DES BETRIEBSVERHALTENS (QUELLE: [1]) 82 ENEFF: STADT FORSCHUNGSPROJEKT „URBANRENET“ | VERNETZTE REGENERATIVE ENERGIEKONZEPTE IM SIEDLUNGS- UND LANDSCHAFTSRAUM Thomas Meinberg Technische Universität Darmstadt Fachbereich Architektur | Fachgebiet Entwerfen und Energieeffizientes Bauen Unsere Gesellschaft ist von urbaner Prägung. Insbesondere die bestehenden Wohn- und Arbeitswelten sind oftmals eng im Siedlungskontext vernetzt und besitzen untereinander zahlreiche Wechselwirkungen. Der Energiebedarf wird allerdings bisher getrennt in Stadtplanung und Energieversorgung betrachtet und geplant. In Zeiten, in denen zentrale Versorgungssysteme zunehmend von dezentralen, regenerativen Anlagen abgelöst werden, ist ein Umdenken erforderlich. Die Komplexität und Heterogenität städtischer Strukturen erschweren jedoch die Erstellung integrativer Energieversorgungskonzepte von Quartieren. Zudem gibt es oftmals nur unvollständige Daten zu Energieverbräuchen, energetischen Gebäudestandards oder Effizienzwerten der bestehenden Bausubstanz. Für eine ganzheitliche Stadtentwicklung sind deshalb neue Werkzeuge zur Analyse und vernetzten Konzeption nötig. An einem solchen arbeitet eine Forschungsgruppe mehrerer Fachgebiete der Technischen Universität (TU) Darmstadt mit dem Projekt „UrbanReNet“, das Teil der Forschungsinitiative „EnEff:Stadt“ ist und vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert wird. Mittlerweile befindet sich das Projekt in einer zweiten Bearbeitungsphase. Urbanes Energiemodell zur nachhaltigen Quartiersentwicklung Ziel dieses Forschungsprojektes ist die Entwicklung eines Softwaretools, mit dem nachhaltige Energiekonzepte auf Quartiersebene geplant und verschiedene Energieversorgungskonzepte simuliert werden können. Dafür müssen die ortspezifischen Energieerzeugungs-, Speicher- und Vernetzungspotenziale innerhalb der baulichen und freiräumlichen Strukturen eines Siedlungsverbunds identifiziert sein. Kern der interdisziplinären Zusammenarbeit ist die Entwicklung eines mathematischen „Vernetzungsmodells“, das durch Typisierung und Abstraktion in der Lage ist, ein komplexes Quartiersgefüge auf die für eine Vernetzung entscheidenden energetischen Elemente zu reduzieren und abzubilden. Der Stadtraum als neue Bilanzierungsebene In der ersten Projektphase von 2009 bis Herbst 2012 war die Studie Teil des Verbundprojektes „Auslegung und intelligentes Management optimierter Energieversorgungsstrukturen“. Hier wurden schwerpunktmäßig stadtmorphologische Bestandsstrukturen hinsichtlich ihrer energetischen Potenziale und des Bedarfs untersucht, in dem die Bilanzierungsgrenze schrittweise vom Einzelgebäude auf die Quartiersebene erweitert wurde. Somit konnten auf diese Weise 13 verschiedene „Energetische Stadtraumtypen“ (EST) identifiziert werden, die den deutschen Siedlungsbestand repräsentieren. Diese sind: EST 1 | Freistehende Wohnbebauung niedriger bis mittlerer Geschossigkeit EST 1a | Freistehende Einfamilienhausbebauung EST 1b | Freistehende Mehrfamilienhausbebauung 83 EST 2 | Reihenhausbebauung EST 3 | Zeilenbebauung niedriger bis mittlerer Geschossigkeit EST 4 | Großmaßstäbliche Wohnbebauung hoher Geschossigkeit EST 4a | Großmaßstäbliche Zeilenbauten B4 EST 4b | Freistehende Wohnhochhäuser EST 5 | Blockrandbebauung EST 6 | Dörfliche Bebauung EST 7 | Historische Altstadtbebauung EST 8a | InnenstadtbebauungUnterzentrum EST 8b | InnenstadtbebauungMittelzentrum EST 8c | InnenstadtbebauungOberzentrum EST 9 | Geschäfts-, Büro-, und Verwaltungsbebauung EST 10 | Gewerbebebauung EST 11 | Öffentliche Parkanlagen EST 12 | Friedhofsanlagen EST 13 | Kleingartenanlagen Im Ergebnis wurden für diese 13 identifizierten EST Steckbriefe entwickelt, in denen nicht nur ihre architektonischen und räumlichen Charakteristika beschrieben sondern auch ihr jeweiliges energetisches Profil systematisch erfasst wurde. Dabei berücksichtigt das Forschungsprojekt zudem Aspekte, wie Energie am jeweiligen Quartier bereitgestellt, gespeichert, verteilt oder auch eingespart werden kann. Diese Systematisierung urbaner Strukturen durch Einteilung des Gebäudebestandes in gleiche räumliche Einheiten (den EST) bildet das Rückgrat bei der Entwicklung des mathematischen „Vernetzungsmodells“. In der Praxis konnten die Ergebnisse der ersten Projektphase bei mehreren Stadtquartieren der „Innovation City Bottrop“ mit realen Verbrauchsdaten abgeglichen werden und als Handlungsempfehlung zur energetischen Optimierung des Städtebaus in die Modellsiedlungen einfließen. Kenndaten und energetische Charakteristika bestimmen Um für jeden Stadtraumtyp die baustrukturellen Merkmale inklusive der Freiraumstruktur zu ermitteln, wurde bei der Datenerhebung soweit möglich auf bestehende Studien zurückgegriffen sowie eigene, zum Teil sehr umfangreiche Untersuchungen durchgeführt. Abhängig von der Gebäudenutzung ergaben sich dabei erhebliche Unterschiede: Während bei Wohnnutzungen eine relativ gute Datengrundlage zum Energieverbrauch besteht, waren für die Bereiche Gewerbe, Handel, Dienstleistung (GHD) sowie Freiraum umfangreiche eigene Untersuchungen notwendig. Die entsprechenden Informationen wurden aus verschiedenen Quellen zusammengeführt. Zum einen werden bestehende Potenzialbegriffe wie die „Solare Gütezahl“ erweitert. Zum anderen wurden eigene Methoden zur Potenzialerfassung entwickelt – wie beispielsweise für die oberflächennahe Geothermie und den urbanen Biomasseanbau. Das Potenzial eines Energetischen Stadtraumtyps beschränkt sich dabei nicht nur auf technische Möglichkeiten, sondern lotet auch neue Gestaltungsspielräume durch die Nutzung regenerativer Energien aus. So erweitert zum Beispiel die „Solare Kleinarchitektur“ in Form von überdachten (Park)plätzen das Flächenpotenzial im Straßen- und Freiraum. Der urbane Biomasseanbau kann bestehende Freiraumnutzungen funktional aufwerten. Die unterschiedlichen Energieträger und -ströme werden im Softwaretool leicht handhabbar und praxistauglich bilanziert. Saisonale Schwankungen ERWEITERUNG BILANZIERUNGSGRENZE (QUELLE: TU DARMSTADT, FG ENTWERFEN UND ENERGIEEFFIZIENTES BAUEN) 84 bei Bedarfen und Potenzialen, unterschiedliche geographische Lagen und die notwendige Unterteilung in Baualtersklassen bestimmen die Komplexität des Rechenmodells. Einteilung des Stadtraums in energetische Einheiten – Funktion des Softwaretools Die zweite Projektphase startete im September 2012 und wird bis Ende April 2015 andauern. Als Ziel dieser Phase soll ein Modell zur stundenweisen Simulation der Über- oder Unterversorgung von Strom und Wärme die Energiebilanzierung der Stadtraumtypen erweitern. Anschließend wird ausgehend von der Jahresbilanz eine zu erwartende Über- oder Unterdeckung mit Strom, Wärme und chemischer Energie des Gebietes stundenweise simuliert. Ebenso wird der Lastspitzenausgleich durch Vernetzung in das bisher entwickelte mathematische Modell eingearbeitet. Auf Grundlage dieses mathematischen Modells wird das Softwaretool als Entscheidungshilfe für die Praxis weiterentwickelt, das die Planung künftiger Energieversorgungskonzepte erleichtert. Im nächsten Schritt ist die Festlegung von Kenngrößen geplant, die sich in den jeweiligen Stadtraumtypen als sinnvoller Energiemix herauskristallisiert haben. Mittels variabler Stellschrauben wie beispielsweise dem solaren Anteil bei der Energieversorgung lassen sich dann verschiedene Versorgungsszenarien durchspielen und eine energetisch optimierte Lösung für das jeweilige Stadtquartier finden. Der Bearbeitungsmaßstab liegt je nach Größe des Un- tersuchungsgebiets bei 1:2.000 bis 1:2.500. Zur Erfassung der energetischen Bedarfe und Potenziale wird dabei im Softwaretool der betrachtete Stadtausschnitt - das Quartier - in kleine, baustrukturell vergleichbare Einheiten - den EST - unterteilt. Dieses Vorgehen ist mit einem „Baukastensystem“ vergleichbar. Neben den EST stehen noch weitere „Stadtbausteine“ zur differenzierten Einteilung eines Quartieres zur Verfügung. Diese sind zum einen „Energetische Straßenraumtypen“ sowie „Energetische Einzelelemente“. Letzteres sind Bauten, die aufgrund ihrer Größe keinen eigenen EST bilden, für eine energetische Vernetzung jedoch wichtig sind. Dazu zählen unter anderem Schulen, Kindergärten und Krankenhäuser. Energetische Stadtraumtypen (EST), Energetische Einzelelemente (EE) und Energetischer Straßenraumtypen (SRT) Im nächsten Schritt werden die so ermittelten „Stadtbausteine“ (EST, EE, SRT) durch die jeweilige Baualtersklassen sowie weiterer Parameter spezifiziert. Auf diese Weise kann der Benutzer ortsspezifische Gegebenheiten der „Stadtbausteine“ im Softwaretool berücksichtigen. Durch Veränderungen dieser Parameter können verschiedene Entwicklungsszenarien bzw. Energieversorgungskonzepte simuliert werden. Nach der Simulation werden die baustrukturellen Kennwerte sowie die Bedarfe und energetischen Potenziale der einzelnen Stadtraumtypen und Einzelelemente in Datenblättern aufbereitet und stehen dem Benutzer zur Verfügung. Auf diese Weise können die Kennwerte auch unabhängig vom Softwaretool zur Bewertung verschiedener Situationen herangezogen werden. Die grafische Dateneingabe und –ausgabe soll eine schnelle und intuitive Festlegung des Untersuchungsgebiets und die Bestimmung der jeweiligen Stadtraumtypen ermöglichen. Dies erleichtert es Nutzern, die Bausteine eines optimierten Energiekonzepts auch ohne vertiefte Kenntnisse in Gebäude- und Anlagentechnik nachzuvollziehen und zu kommunizieren. Für das Ende der zweiten Projektphase die Entwicklung einer Betaversion des Planungstools anvisiert. Damit bekommen Architekten, Stadtplaner und Versorgungstechniker ein Hilfsmittel in die Hand das als Entscheidungshilfe für Energiekonzepte im urbanen Raum interdisziplinäres Planen und Ressourcenschutz effizient verbindet. Weitere mögliche Nutzer dieses Tools sind Wohnungsbaugesellschaften sowie Stadtverwaltungen. ZEITLICHES VERNETZUNGSMODELL (QUELLE: TU DARMSTADT, FG ENTWERFEN UND ENERGIEEFFIZIENTES BAUEN) 85 ENEFF:CAMPUS TU BRAUNSCHWEIG REALLABOR FÜR EINE ENERGETISCHE QUARTIERSSANIERUNG Thomas Wilken IGS | Institut für Gebäude- und Solartechnik Technische Universität Braunschweig B4 Am Beispiel des innerstädtischen Campus der TU Braunschweig wurden im Forschungsprojekt „EnEff Campus:blueMAP TU Braunschweig“ beispielhaft Planungs- und Optimierungsmethoden zur Verbesserung der Energieeffizienz von Stadtquartieren entwickelt und erprobt. Aufbauend auf der evaluierten Ausgangssituation (Flächen-, Energie-, Kosten- Kennzahlen etc.) wurden Szenarien zur Reduzierung des Energieverbrauchs auf Gebäudeebene, dem rationellen Energieeinsatz und der Nutzung erneuerbarer Energiequellen auf dem Hochschulcampus unter ökologischen und ökonomischen Randbedingungen untersucht. Motivation und Ziele Um die Umsetzung der Energiewende in Deutschland bis 2050 voranzutreiben, steckt sich die Bundesregierung in ihrem aktuellen Energiekonzept hohe Klimaschutzziele. Gleichzeitigt sollen langfristig Rahmenbedingungen für deren schrittweise Umsetzung bis 2050 geschaffen werden. Bis zu diesem Zeitpunkt soll ein klimaneutraler Gebäudebestand mit einem sehr geringen Energiebedarf und einer überwiegenden Deckung aus erneuerbaren Energien erreicht werden. Das 6. Energieforschungsprogramm reagiert auf diese Herausforderungen mit Forschungsschwerpunkten, die sich verstärkt mit der 86 Erforschung von Entwicklungspotentialen auf Stadt- und Quartiersebene befassen. Im Bereich der Nicht-Wohngebäude bieten die deutschen Hochschulen dabei ein besonders großes Innovations- und Vorbildpotential, wie es auch in der EU-Richtlinie zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden formuliert wird. Den Hochschulen in Deutschland kommt deshalb eine Schlüsselrolle zur Erreichung der Klimaschutzziele zu. Sie sind nicht nur für Lehre und Forschung verantwortlich, sondern mit ihrem umfangreichen und heterogenen Gebäudebestand sowie ihren Neubauten selbst dazu prädestiniert, ein Lernlabor für ´Energieoptimiertes Bauen und Betreiben´ (EnOB/ EnBop/ EnEff:Stadt, etc.) zu bilden. Vor diesem Hintergrund ist das Forschungsprojekt „EnEff Campus: blueMAP TU Braunschweig“ der ideale Katalysator und Multiplikator für Innovationen. Während der dreijährigen Projektlaufzeit hat ein interdisziplinär aufgestelltes Team aus Architekten, Städtebauplanern, Maschinenbauingenieuren, Elektrotechnikern u. a. einen integralen energetischen Masterplan erstellt. Um den Anspruch der wissenschaftlichen Einrichtungen bei der Planung und Erarbeitung innovativer Konzepte zu dokumentieren, werden die politisch vorgegebenen Teilziele, z. B. für die Reduzierung von CO2-Emissionen bis 2020, verdoppelt, und Visionen für eine nachhaltige Energieversorgung des Campus bis 2050 entwickelt. Der Campus der TU Braunschweig Das Campus-Areal der TU Braunschweig befindet sich im innerstädtischen Bereich und besteht aus vier Arealen mit insgesamt 200 Gebäuden, die eine Gesamt-Nettogrundfläche von ca. 400.000 m² einnehmen. Den größten Anteil dieser Gebäude und Flächen beherbergen Verwaltungs- und Büroräume, sowie Laboreinrichtungen. Der jährliche Wärmeenergieverbrauch summiert sich auf ca. 44 GWh, der jährliche Stromverbrauch auf ca. 35 GWh im Basisjahr 2011. Im Bereich Wärme ist dieser Energieverbrauch mit ca. 2.200 und im Bereich Strom mit ca. 10.000 Einfamilienhäusern vergleichbar. Gebäudebestand Auf dem Hochschulgelände befinden sich eine Vielzahl typischer Universitätsgebäude mit unterschiedlichen Nutzungen (Vortragsräume, Bibliothek, Mensa, Büro, Labor, Hallenbauten, Verwaltung, usw.) und Gebäude aller Baualtersklassen (historische Gebäude 18./19. Jhd., Gründerzeit, Moderne der 50er Jahre, Funktionsbauten der 60&70er Jahre, Neubauten). Ein Großteil der Gebäude stammt aus der Phase erhöhter Bautätigkeit der Jahre zwischen 1950 und 1980. Insgesamt wurden 82 % des Gebäudebestands vor 1980 und damit vor dem Inkrafttreten der ersten Wärmeschutzverordnung 1977 errichtet. Nach Flächenverteilung der Nutzungsgruppen der DIN 277 liegt der Schwerpunkt der TU Braunschweig mit ca. 40 % der Gesamtfläche im Bereich Forschung. Weitere 30 % verteilen sich auf die Büroarbeit, die restlichen Nutzungsgruppen liegen ebenfalls bei insgesamt ca. 30 %. Datenbasis Die TUBS verfügt als eine der ersten Hochschulen in Deutschland über eine umfassende gebäudespezifische, zeitlich hochaufgelöste Erfassung der Energieverbräuche mit Zuordnung zu Flächen gem. DIN 277, Nutzungen sowie zur zukünftigen Bedarfsentwicklung. Ein zentral eingerichtetes Energiemanagementsystem ermöglicht die Überwachung und Steuerung der gebäudetechnischen Anlagen, die zum Großteil mithilfe von Gebäudeleittechnik in das System integriert sind. Durch gezielte Montage von Zähl- und Messeinrich- tungen lassen sich schnell und einfach Teilenergiekennwerte in den Gebäuden ermitteln, um damit die Optimierung der Energieperformance effektiv zu unterstützen. Ziele und Methodik Für die Erstellung eines integralen energetischen Masterplans wurden folgende Schwerpunktthemen gewählt: • Städtebau • Verkehr und Mobilität • Architektur, Bauphysik und Gebäudetechnik • Nutzerverhalten • Energieerzeugung und -verteilung Hochschulübergreifend beschrieb die HIS die Datenbasis für den aktuellen Wissensstand und stellte den Austausch mit anderen Hochschulen und internationalen Programmen sicher. Mit dieser Aufstellung wurden im Forschungsprojekt „EnEff Campus: blueMAP TU Braunschweig“ drei Hauptziele verfolgt: 1. Integraler energetischer Masterplan Status 2010: Für den Gebäudebestand des Campus der TU Braunschweig wird der Energiebedarf und der Energieverbrauch, der Städtebau und die Mobilität dokumentiert und in einem Energiekataster als Baseline für die weitere Bearbeitung abgebildet. ZENTRALCAMPUS TU BRAUNSCHWEIG | PANORAMA SÜD 87 Konzept 2020: Das Energiekataster wird in ein interdisziplinäres Berechnungsmodell für die Campusentwicklung übertragen, mit dem multiple Parameterstudien für verschiedene Szenarien der Campusentwicklung erstellt werden. 2. Umsetzungsorientierte Planungsphase 2020, Vision 2050 Die Ergebnisse werden einen detaillierten Entwicklungsplan für den Campus der TUBS 2020 aufzeigen, der mit der Hochschulleitung und den weiteren verantwortlichen Institutionen zu einem konkreten Umsetzungsplan unter Berücksichtigung technischer, finanzieller und administrativer Aspekte entwickelt wird. Darüber hinaus werden Szenarien für die langfristige Perspektive 2050 dargestellt. Die Vision 2050 bildet die Grundlage für eine dauerhaftes „Commitment“ der Hochschule für eine nachhaltige Campusentwicklung. 3. Verwertungsgrundlage Im Rahmen der Erstellung des integralen Masterplans werden durch das interdisziplinäre Team Werkzeuge und Methoden für die Bearbeitung der komplexen Themen und Aufgabenstellungen entwickelt und evaluiert. Die erarbeiteten Konzepte und Szenarien bilden die Grundlagen für die Planungs- und Umsetzungsphase und sind Bestandteil zukünftiger Forschungs- und Lehraktivitäten im Bereich des energieoptimierten Bauens und Betreibens. Ergebnisse In der ersten Phase des Projekts, die Ende Juli 2015 abgeschlossen wird, wurden innerhalb der Schwerpunktthemen gebäudeenergetische, organisatorische und infrastrukturelle Maßnahmen als Teilaspekte für den Masterplan definiert. Hierbei wurden u.a. Methoden und Werkzeuge entwickelt, die eine Vereinfachung in der Erfassung und Berechnung von energetischen Gebäudegrundlagen ermöglichen, sowie die Erstellung von Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz und Potentiale zur Senkung des Energieverbrauchs wirtschaftlich vergleichbar abbilden. Aus den in den jeweiligen Arbeitspaketen beschriebenen Einzelmaßnahmen wurden für die Themenbereiche „Gebäude“ und „Mobilität“ jeweils drei verschiedene Szenarien unter Berücksichtigung des Projektziels „Reduzierung der Primärenergie um -40%“ für den Gesamt-Campus abgeleitet. Die Höhe der durch die Umsetzung der Maßnahmen prognostizierten Senkung des Primärenergieverbrauchs (Status 88 2010) ermöglicht einen Vergleich der einzelnen Szenarien. Das Ergebnis ist ein mehrdimensionales Umsetzungskonzept für die nächsten vier Jahre, das im Folgeprojekt die Grundlage bilden wird für 1. die intensive praktische Umsetzung der energetischen Optimierung des Campus bis 2020 und 2. begleitende präzise Variantenuntersuchungen für das langfristige Ziel eines weitgehend CO2-neutralen Campus und die Entwicklung langfristiger Strategien. Szenarien 2020 „Gebäude“ Auf Gebäudeebene wurden aus Einzelmaßnahmen Szenarien abgeleitet. Szenario 01 beinhaltet sämtliche untersuchten Maßnahmen, Szenario 02 setzt sich aus Maßnahmen zusammen, die kurz- bis mittelfristig umsetzbar sind und Szenario 03, das Minimal-Szenario, enthält kurzfristig umsetzbare, geringinvestive Maßnahmen. Über Szenario 01 kann das Projektziel einer Reduzierung der Primärenergie um -40% bis 2020 erreicht werden. In Szenario 02 wird das Projektziel annähernd erreicht, obwohl auf die kostenintensiven Maßnahmen „Gebäudehülle“ und „BHKW“ verzichtet wird. In Szenario 03 wird der Zielwert nicht erreicht, jedoch kann über diese kurzfristig umsetzbaren Maßnahmen, wie Betriebsoptimierung der RLT-Anlagen, Austausch der Beleuchtung in den Verkehrszonen, Austausch von Altgeräten an Kühl- und Gefrierschränken sowie Einsparungen über das Nutzerverhalten der Primärenergieverbrauch bereits um 31% reduziert werden. Szenarien 2020 „Mobilität“ Im Bereich des Mobilitätsmanagements erfolgte die Betrachtung systemisch integrierter Maßnahmen, die in Öffentlichkeitsarbeit, Push- und Pull-Maßnahmen unterteilt werden können. Diese sollen den Umstieg von Menschen vom PKW auf andere Verkehrsmittel bzw. auf Fahrgemeinschaften fördern. Zu solchen Maßnahmen zählt beispielsweise Carsharing, eine Mietradflotte oder auch eine interne Mitfahrbörse. Im Aktionsfeld Mobilität wurden die Bereiche Mitarbeitermobilität, Dienstreisen und Dienstfahrzeuge erörtert, für die punktuelle Maßnahmen entwickelt wurden. Diese sehen im Detail die Einführung von Home-Office-Tagen, aber auch die Bereitstellung von Videokonferenzräumen und EFahrzeugen vor. Auch die Vorgabe eines Mindestbestellwertes dient in diesem Zusammenhang der Senkung von Kosten, indem durch die Bündelung von Bestellungen Transportenergie eingespart wird. Die drei Szenarien sind so zusammengestellt, dass der Umfang der einzelnen Maßnahmenbündel zunimmt. Umsetzung Masterplan TU Braunschweig 2020 Mit dem Start des Folgeprojekts „EnEff Campus 2020“ im August 2015 geht die TU Braunschweig in die Umsetzungsphase des Masterplans 2020. In enger Abstimmung zwischen der Hochschulleitung, der Landesebene, der beteiligten Fachinstitute und nicht zuletzt des lokalen Energieversorgers wird in den kommenden drei Jahren ein für die deutsche Hochschullandschaft zukunftsweisendes Maßnahmenpaket zur energetischen Optimierung des Campus vorbereitet und schrittweise umgesetzt werden. Damit wird die TU Braunschweig zum wichtigen Impulsgeber für die Energiewende in der Stadt und zum Vorreiter der Energetischen Optimierung von Hochschulen in Deutschland. Schwerpunkt I – Demonstration Das Ziel, die CO2-Emissionen der TU-BS um 40 % zu senken, kann nur erreicht werden, wenn in kurzer Zeit eine Vielzahl verschiedener Maßnahmen umgesetzt wird. Daraus lassen sich folgende Strategien für die Optimierung in den nächsten drei Jahren definieren, die konkret umgesetzt werden sollen: • Neubau, Sanierung, Instandhaltung • Energieversorgung • Nutzermotivation und -information • Städtebauliche Entwicklung Die einzelnen Strategien werden auf einander abgestimmt, bleiben jedoch unabhängig voneinander umsetzbar. Auf diese Weise kann bei Bedarf flexibel auf mögliche Veränderungen reagiert werden, ohne das Gesamtziel im Grundsatz zu gefährden. Zusätzlich wird das langfristige Ziel eines weitgehend CO2neutralen Campus in eine präzisere Variantenuntersuchung überführt und entsprechende langfristige Strategien entwickelt. Schwerpunkt II – Technologieforschungsplattform „Real-Life-Lab Campus TUBS“ Im zweiten Schwerpunkt wird unter Nutzung der einmaligen Datenverfügbarkeit an der TU Braunschweig eine Technologieforschungsplattform „RealLife-Lab Campus TU BS“ mit vernetzten Technologieforschungsstrategien für hochinnovative integrale Entwicklungen aufgebaut. Nachdem im vorangegangenen Projekt der Energieverbrauch auf Gebäudeebene und teilweise auf Systemebene erfasst worden ist, wird im Projekt Campus II diese Technologieplattform für die Nutzung von Gebäudedaten zur Optimierung der Gebäudeperformance entwickelt. Dabei werden folgende Schwerpunkte gesetzt: Durch die Evaluierung der Ergebnisse im „Real-Life- Lab Campus TUBS“ und die Umsetzung der Ergebnisse im Campus-Quartier findet unter den beiden Schwerpunktthemen ein kontinuierlicher Austausch bei der Entwicklung, Umsetzung und Erprobung innovativer Technologien statt. SZENARIEN 2020 „GEBÄUDE“ SZENARIEN 2020 „MOBILITÄT“ 89 Foto: VELUX / Adam Mørk PODIUMSDISKUSSION „1 MIO. AKTIVPLUS GEBÄUDE BIS 2020“ PODIUMSDISKUSSION „1 MIO. AKTIVPLUS GEBÄUDE BIS 2020! WIE KOMMT DER STANDARD AUF DEN MARKT?“ MODERATION BORIS SCHADE-BÜNSOW Chefredakteur Bauwelt „Wir müssen die Energiewende als ganzheitliche Aufgabe der intelligenten, interdisziplinären und sozialen Stadt- und Regionalplanung begreifen und die einzelnen Disziplinen, die dazu gehören miteinander verbinden. Eine einseitige Betrachtung der Architektur oder der Technik reicht nicht aus.“ PROF. THOMAS AUER Technische Universität München, Gebäudetechnologie und Bauklimatik „Um erfolgreich zu sein muss der AktivPlus Standard entweder wirtschaftlich oder sexy sein!“ SEBASTIAN EL KHOULI Bob Gysin + Partnerund Energieberater Technische Universität Darmstadt „Schlüsselelemente für die Akzeptanz des Standards von Seiten der Bauherren und Nutzer - und damit für den Erfolg von AktivPlus - werden die einfache Verständlichkeit und Anwendbarkeit in den Bereichen Planung, Realisierung und Kommunikation darstellen.“ 92 INGEBORG ESSER Hauptgeschäftsführerin Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e. V. „Aus Sicht der Wohnungswirtschaft sind AktivPlus Gebäude ein sinnvoller Baustein im Puzzle der Energiewende. Wegen steuerlicher Hemmnisse sind aber einem Großteil der Wohnungsunternehmen die Hände gebunden, was Stromerzeugung am oder im Gebäude betrifft. Sie können gar keine Aktiv-Häuser errichten. Hier ist die Politik in Bezug auf die Rahmenbedingungen gefordert!“ MORITZ FEDKENHEUER Sozialwissenschaftler und Wissenschaftlicher Mitarbeiter Technische Universität Darmstadt „Mit unserer Forschung konnten wir aufzeigen, dass sich der Mehrwert energieeffizienter Gebäude nicht auf die Umwelt beschränken muss, sondern diese das Potential besitzen, auch die Lebensqualität ihrer Bewohner essentiell zu verbessern. Wollen wir die Akzeptanz gegenüber zukunftsweisenden Energiekonzepten erhöhen, dann sollten wir dieses Potential nutzen und der Nutzerzufriedenheit größere Bedeutung zumessen. Dass die Bewohner dabei mehr Verantwortung und Gestaltungsspielraum erhalten, ist genau richtig. Viel zu lange wurde der Mensch mit seinen individuellen Bedürfnissen nur als Störfaktor gesehen, dessen Einflussnahme auf das Gebäude möglichst zu minimieren sei.“ LONE FEIFER Programme Director Sustainable Living in Buildings, VELUX A/S, Dänemark „ ‚HealthyHome‘ ist der Treiber für die AktivPlus-Entwicklung“ MINSTERIALRAT HANS-DIETER HEGNER Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit „Heute schon das Richtige für die Zukunft tun, ist schwer. Winston Churchill meinte: „Die Zukunft ist ein verfluchtes Ärgernis nach dem anderen“. Aber man kann es auch mit den Augen des antiken griechischen Staatsmanns Perikles sehen: „Es ist nicht unsere Aufgabe, die Zukunft vorauszusagen, sondern auf sie gut vorbereitet zu sein.“ 93 MIT FREUNDLICHER UNTERSTÜTZUNG VON WWW.VELUX.DE WWW.DEUTSCHE-ECO.DE WWW.NAHEIMST.DE WWW.KAMPA.DE WWW.SIEDLUNGSWERK.DE „WIR BAUEN GESUNDHEIT“ WWW.DFHAG.DE WWW.EGS-PLAN.DE 94 WWW.EFFITEC.DE IN PARTNERSCHAFT MIT WWW.BMUB.BUND.DE WWW.CEP-EXPO.DE 95 WWW.REECO.EU DIE WEGE ZU EINER NACHHALTIGEN GEBÄUDEQUALITÄT AKTIV MITGESTALTEN! Die Beiträge haben Ihr Interesse geweckt? Werden Sie Teil des AktivPlus-Netzwerks und gestalten Sie den Gebäudestandard gemeinsam mit uns. Werden Sie Mitglied! Auf der website des Vereins finden Sie alle nötigen Unterlagen zur Mitgliedschaft: Vereinssatzung, Mitgliedsantrag und Beitragsordnung // www.aktivplusev.de // .... sowie viele weitere Infos, aktuelle Events und Pressemitteilungen und spannende Projekte zum AktivPlus Standard! 96 NOTIZEN 97 NOTIZEN 98 KONTAKT AktivPlus e.V. Walter-Kolb-Strasse 22 D-60594 Frankfurt am Main Fon: +49 - 69 - 23 81 75 86 Hélène Bangert (Geschäftsstellenleitung) Mail: [email protected] Presseanfragen: Caroline Fafflok (Öffentlichkeitsarbeit FB Architektur TU Darmstadt / Ehrenamtlicher Vorstand) Fon: +49 - 6151 - 16 75 924 Mail: [email protected] Astrid Unger (Leitung PR- / Öffentlichkeitsarbeit Velux Deutschland GmbH / Ehrenamtlicher Vorstand) Fon: +49 - 40 - 54 707 - 450 Mail: [email protected] Licht am Ende des Tunnels Y EnergiePLUS! Alles andere ist zu wenig, begründet Prof. Norbert Fisch. Der Energiedesigner beschreibt, was den neuen Energiestandard ausmacht und wie er im Quartier erreichbar wird. Y Vom Passivhaus zum Aktiv(Plus)haus Nachhaltiges Bauen ist die einzige Lösung für unseren Dauerkonflikt zwischen Wachstum und Ressourcen. Prof. Manfred Hegger liefert den Beweis. Y Das Ende der verlorenen Jahre Prof. Werner Sobeks unangepasster Sicht auf die Welt des Bauens folgt ein auf viele Jahre angelegtes innovatives Architekturkonzept. Y Nachhaltig gebaut. Bewiesen? Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen ist ein Mitmach-Verein, ein Wir-beweisen-es-Netzwerk, sagt DGNBChefin Dr.-Ing. Christine Lemaitre. 352 Seiten. 2,7 Kilo reines Denkgewicht. Preis: 69,00 Euro. Jetzt bestellen unter: www.haus-2050.de