Wolfgang Feigs Semantischer Transfer und die Rolle der L1° It has been claimed that learners prefer to transfer prototypical meanings of an L1word into a foreign language. This claim has been tested in two studies with learners who had some competence in the foreign language in question. However, in this cases the preference of prototypical meanings could arise from a learning effect could be the result of a learning effect because usually such meaning are taught first. Therefore an experiment was conducted with a foreign language unknown to the subjects. The results confirm the claim mentioned above. Further suggestions are made as to why prototypical meanings are preferred by learners and how the process of transfer can be explained by a model of bilingual production. Finally, some didactic consequences of this study in second language acquisition are outlined. 1. Einleitung Semantischer Transfer heisst, dass die Bedeutung eines L1-Wortes auf dessen Standardübersetzungsäquivalent in der betreffenden Fremdsprache übertragen wird. So könnte z.B. die Bedeutung ‚ovalförmige Öffnung …‘ von norweg. øye in nåleøye auf das dt. Standardübersetzungsäquivalent Auge übertragen werden und fälschlich zu *Nadelauge führen. Kellerman hat in zwei Experimenten (1978 und 1986) nachzuweisen versucht, dass semantischer Transfer aus der L1 in eine Fremdsprache umso grösser ist, je näher die betreffende Bedeutung der prototypischen Bedeutung in der L1 ist. Die Vpn waren ganz überwiegend eindeutig fortgeschrittene holländische studentische Englischlerner. Eine verschwindend geringe Anzahl Vpn waren holländische Schüler, die als Anfangslerner des Englischen zu betrachten sind. Das Testmaterial bestand aus holländischen Sätzen mit dem polysemenVerb breken (brechen) bzw. mit dem polysemen Substantiv oog (Auge). Im folgenden sei nur das Experiment mit oog (Kellerman 1986) kurz referiert. Hier ° Herzlichen Dank allen, die diese Arbeit unterstützt haben, besonders Egon Hitzler und Arnt Gylland. 40 ZfAL 35, 2001. 39-59. hatten die Vpn im ersten Teil des Experimentes die Aufgabe, 15 holländische Satzpaare daraufhin zu beurteilen, in welchem der beiden Sätze oog eher mit engl. eye wiedergegeben werden konnte. Das war realiter in allen Fällen möglich, da so ein negatives Urteil einer Vp ein eindeutiges Indiz dafür war, dass sie von ihrer L1-Intuition Gebrauch machte, wohingegen ein positives Urteil auch Ausdruck von reinem Raten oder realen Englischkenntnissen sein konnte (Kellerman 1978, 83). In bezug auf oog nahm Kellerman (1986, 40) an, dass dessen verwendete Bedeutungen – mit Ausnahme von ‚Sehorgan‘ – nicht explizit gelehrt worden waren. Im zweiten Teil des Experimentes hatten die Vpn bei denselben Saatzpaaren zu entscheiden, in welchem der beiden Sätze die Bedeutung von oog der Bedeutung ‚Sehorgan‘ in der holländischen L1 ähnlicher war. Im dritten Teil des Experimentes schliesslich ging es bei wieder den gleichen Satzpaaren auf dieselbe Weise um die subjektive Einschätzung der Gebrauchshäufigkeit in der holländischen Umgangssprache. Mit Teil 2 und 3 wurde von Kellerman versucht, den Prototypizitätsgrad der verschiedenen Bedeutungen von oog im Holländischen zu erfassen. Beide Teile wurden mit dem ersten Teil des Experimentes mit Hilfe eines Chi-Quadrat-Testes verglichen. Das Resultat war eine hohe Übereinstimmung der Einschätzung der Transferierbarkeit der holländischen oog-Bedeutungen ins Englische mit dem Prototypizitätsgrad der oogBedeutungen in der holländischen L1. Hoher L1-Prototypizität entspricht hohe Transferierbarkeit, niedriger L1-Prototypizität niedrige Transferierbarkeit, woraus Kellerman schliesst, „that transferability can indeed be established entirely on the basis of the learner’s knowlegde of his native language“ (1986, 37). Die blosse Annahme Kellermans, dass die Bedeutungen der englischen Testwörter den Vpn in den beiden Experimenten nicht bekannt gewesen seien, schliesst die Möglichkeit einer Kenntnis einzelner Bedeutungen oder die Wirkung impliziten Zielsprachenwissens nicht aus. Zumal Bedeutungen mit hoher Prototypizität traditionellerweise zuerst gelehrt werden, könnte die bevorzugte Transferierung dieser Bedeutungen in Kellermans Experimenten auch durch einen Lerneffekt verursacht worden sein (vgl. van Helmond/ van Vugt 1984, 26). Dieser Verdacht bildete den Anlass zu dem im folgenden beschriebenen Experiment. Grundlage für dieses Experiment war die von Kellerman (1986, 44) in bezug auf die Erwerbsfolge vorgeschlagene Hypothese: Lehrt man Vpn zuerst nur prototypferne Bedeutungen („the least prototypical senses“), so sollten sie in der Lage sein, die Verbindung prototypischer und medioprototypischer Bedeutungen („the more prototypical senses“) mit dem jeweiligen W. Feigs: Semantischer Transfer und die Rolle der L1 41 Standardübersetzungsäquivalent ohne positive Evidenz zu erwerben, umgekehrt aber sollte das bei zuerst gelehrten prototypischen bzw. medioprototypischen Bedeutungen für prototypferne Bedeutungen nicht möglich sein. Mit einem auf dieser Hypothese aufbauenden Experiment, das eine unbekannte Fremdsprache verwendet, kann die Wirkung früher erworbenen expliziten wie impliziten Zielsprachenwissens ausgeschaltet, im Experiment erworbenes Wissen kontrolliert und der Zusammenhang zwischen Transferierbarkeit und Prototypizitätsgrad eindeutig nachgewiesen werden. Da in dem Experiment Fremdsprache und L1 nicht wie bei Kellerman getrennt untersucht werden, ermöglicht es auch die Rolle der L1 aus einer anderen Perspektive zu sehen. Und schliesslich beantwortet das Experiment die Frage der Erwerbsfolge. 2. Vortest 2.1 Versuchspersonen An dem Vortest nahmen insgesamt 37 erwachsene Vpn verschiedener sozialer Positionen und Altersgruppen teil, die Norwegisch als L1 hatten. 2.2 Ermittlung der prototypischen Bedeutung und deren Visualisierung An dieser Ermittlung nahmen 10 Vpn teil. Wie Untersuchungen von Battig/ Montague (1969, 1ff.) und Rosch (1973, 130ff.) gezeigt haben, werden prototypische Mitglieder einer Kategorie vorzugsweise zuerst genannt, wenn Vpn Mitglieder der betreffenden Kategorie nennen sollen. Dementsprechend wurden die Vpn aufgefordert, spontan einen kurzen Satz mit dem norwegischen polysemen Verbum gå (gehen) zu bilden. Danach wurden sie sofort um einen 2. und darauf um einen 3. entsprechenden Satz gebeten. Alle 30 Sätze wurden von mir notiert. Auf diese Weise wurde tentativ die prototypische Bedeutung von gå ermittelt. Tentativ deshalb, weil aus den Untersuchungen von Battig/ Montague und Rosch mit Ding- und Sachkategorien nicht geschlossen werden kann, dass bei polysemen Verben dieselben Reaktionen vorliegen. Die Vpn wurden um jeweils drei Sätze gebeten, um eine grössere Materialbasis zu bekommen, aber auch um die Wirkung verzerrender Assoziationen – etwa zu dem Vortest unmittelbar vorausgehendem Lesestoff usw. – oder des Bemühens, „intelligente“ Sätze zu bilden, zu reduzieren. Die gå-Ausdrücke der erhaltenen Sätze wurden einer semantischen Merkmalsanalyse unterzogen. Die Merkmale wurden aus den erhaltenenen Sätzen selbst eruiert. Die verschiedenen gå-Bedeutungsmerkmale wurden addiert und die über dem Median liegenden Merkmale als 42 ZfAL 35, 2001. 39-59. POST Abb.1. Visualisierung der prototypischen Bedeutung von norweg. gå (gehen) prototypische Merkmale betrachtet, da sie in überdurchschnittlich vielen Sätzen auftauchten. Diese Merkmale waren: ‘AGENSLebewesen + BEWEGUNGBoden,Füsse + ZIEL‘. Sie konstituieren die prototypische Bedeutung von gå (vgl. Ueda 1998, 138 ff.). Auf ihrer Grundlage wurde in Anlehnung an Aandstad Hettasch (2000, 36ff.) die in Abb. 1 wiedergegebene Skizze entworfen. 2.3 Ermittlung medioprototypischer und prototypferner Bedeutungen Diese Ermittlung wurde mit 17 VPn durchgeführt. In Anlehnung an Kellerman (1986) wurden 7 Vpn direkt nacheinander zwei Listen vorgelegt. Zu der ersten Liste wurden den Vpn in rascher Reihenfolge 15 Zettel mit je zwei Sätzen gezeigt. Die Vpn hatten die Aufgabe, auf der Liste abzukreuzen, ob die Bedeutung der gå-Form in Satz 1 oder 2 dem gå-Bild in Abb.1. ähnlicher war. Die Sätze stammten teils aus 2.2. oder waren von mir auf der Grundlage von 2.2 gebildet worden. In der zweiten Liste hatten die Vpn bei den gleichen Testsätzen zu entscheiden, ob die Bedeutung der gå-Form in Satz 1 oder 2 ihrer Meinung nach in der norwegischen Umgangssprache häufiger vorkommt. Die für die Ähnlichkeit und die Frequenz erzielten Scores wurden per Testsatz addiert. Die gåBedeutungen mit den niedrigsten Scores lieferten die prototypfernen Bedeutungen für den Haupttest, die mit den mittleren die medioprototypischen. W. Feigs: Semantischer Transfer und die Rolle der L1 43 10 neue Vpn bekamen je einen Satz mit einer prototypischen, medioprototypischen und prototypfernen Bedeutung von gå vorgelegt. Sie hatten die Aufgabe, diese Sätze auf einer 16 cm langen, nicht unterteilten Linie zwischen den Endpunkten „meget typisk“ („sehr typisch“) und „minst typisk“ („am wenigsten typisch“) nach ihrer Typizität einzuschätzen (vgl. Rosch 1973, 131f.). Die Durchschnittswerte bestätigten die tentativ ermittelten Werte. Die niedrigsten Durchschnittswerte erzielten die protoypischen Bedeutungen mit 1,93 cm, die mittleren die medioprototypischen mit 6,62 cm und die höchsten die prototypfernen mit 11,66 cm. Satzproduktionstest, semantische Merkmalsanalyse und die Visualisierung des Resultates dieser Analyse haben also den Prototyp der gå-Bedeutung getroffen. Darüber hinaus stützt dieser Befund die Holismusgegenüber der Modularitätshypothese, nämlich dass Sprache vom Rest der Kognition nicht abtrennbar ist (vgl. Lakoff 1990, 67 et passim). Der gleiche Test wurde auch mit ta-Sätzen durchgeführt, da diese Prüfung bei Aandstaad Hettasch (2000, 31ff.) nicht vorgenommen wurde. Die Ergebnisse entsprechen denen der gå-Sätze: prototypisch = 2,14 cm; medioprototypisch = 7,44 cm; prototypfern = 10,13 cm. 2.4. Ermittlung der Verwandtschaft der Testsprachen Hier wurden 10 VPn herangezogen. Um Kellermans Hypothese (s. 1.) prüfen zu können, musste eine Zielsprache gewählt werden, in der die Vpn erstens garantiert keine Kenntnisse besassen und die zweitens der norwegischen L1 verwandt war. Die Wahl fiel auf Holländisch. Holländischkenntnisse sind in Norwegen kaum verbreitet, so dass es daher leicht war, Vpn ohne jegliche Vorkenntnisse im Holländischen zu finden und den Effekt von früher Gelerntem auszuschliessen. Die Verwandtschaft der Testsprachen war erforderlich, weil man beobachtet hat, dass Nichtverwandtschaft transferhemmend ist (Ringbom 1987, 80 ff.). Die Verwandschaft von Norwegisch und Holländisch wurde durch die Vpn bestätigt. Sie hatten ähnlich wie in 2.3. auf einer 16 cm langen, nicht unterteilten Linie zwischen den Endpunkten „ligner norsk mye“(„ähnelt dem Norwegischen sehr“) und „ligner norsk lite“(„ähnelt dem Norwegischen wenig“) anzukreuzen, wo ihrer Einschätzung nach Holländisch zu plazieren ist (vgl. Aandstad Hettasch 2000, 30f.). Zusätzlich wurde auch nach der Einschätzung von Russisch gefragt, das in einem Zusatz zum Haupttest verwendet wurde. Die Kreuze für Holländisch befanden sich durchschnittlich bei 4,41 cm, die für Russisch durchschnittlich bei 12,90 cm. 44 ZfAL 35, 2001. 39-59. 3. Haupttest 3.1 Versuchspersonen Vpn waren insgesamt 328 Studenten der Universität Trondheim und der Hochschule in Volda/Westnorwegen. Sie stammten aus allen Semestern und 11 verschiedenen Fachbereichen (Anglistik, Germanistik, Geschichte, Informatik, Nordistik, Philosophie, Politologie, Psychologie, Publizistik, Religionswissenschaft und Romanistik). Sie wurden gruppenweise getestet und jede Gruppe nur einmal. Alle hatten Norwegisch als L1. 3.2 Material Das testkritische Material bestand aus den im Anhang wiedergebenen 20 kurzen holländischen Sätzen mit deren wörtlicher norwegischer Übersetzung. Die Sätze mit norweg. tok sind Aandstad Hettasch (2000, 45, 59) entnommen bzw. auf der Grundlage ihrer Arbeit gebildet worden. Die Sätze (1) – (4) enthalten prototypferne Bedeutungen der Testverben, (5)-(8) prototypische Bedeutungen und (9)-(12) medioprototypische Bedeutungen. In allen diesen Sätzen ist die Bedeutung von norweg. gå/tok auf das holländische Standardübersetzungsäquivalent übertragen worden, um Transfer zu stimulieren, was allerdings zur Folge hatte, dass nicht alle holländischen Sätze idiomatisch korrekt sind. Die korrekten Sätze stehen im Anhang in Klammern. In den Sätzen (13)-(20) dagegen wurde das holländische Standardübersetzungsäquvalent mit einem anderen Verb substituiert, um Transfervermeidung zu stimulieren. Zusätzlich zu (1)-(20) wurden 4 norwegische Ablenkersätze verwendet (s. Anh. (29)-(32)). In diesen Ablenkersätzen wurden nur Kopulaverben benutzt, um die Wirkung der Testverben nicht zu beeinflussen. 3.3 Testaufbau Der Test bestand aus 1. einer Lernphase, die a. die Präsentation der Testsätze und b. eine Behaltensprüfung umfasste, 2. einer Entscheidungsphase mit anderen Testsätzen als in 1.a. sowie 3. einer zweiten Behaltensprüfung in bezug auf 1.a. W. Feigs: Semantischer Transfer und die Rolle der L1 45 3.4 Durchführung Der Test wurde gemäss der Testhypothese (s. 1.) mit den in Tab. 2 wiedergegebenen Kombinationen von Lern- und Entscheidungsphase durchgeführt. Diese Kobinationen wurden mit den Faktoren „transferiert“/ „nichttransferiert“, dh. Stimulierung von Transfer/ Transfervermeidung variiert (s. 3.2). Die VPn wurden vor dem Test gefragt, ob jemand von ihnen Holländischkenntnisse besass. Das Testziel, so wurde ihnen gesagt, sei eine Untersuchung des Phänomens ‚Sprachgefühl‘, das eine wichtige Rolle beim Fremdspracherwerb spiele. Der Test begann mit einer Präsentation der jeweiligen holländischen/norwegischen Sätze per Overhead (natürlich ohne die Parenthesen im Anhang). Dabei wurde den Vpn gesagt, dass es auf die fettgedruckten Verbformen ankomme und dass norweg. går/ tok im Holländischen gewöhnlicherweise mit dem Standardübersetzungsäquivalent gaat/ nam wiedergegeben werde. Danach wurde Satz für Satz der Gruppe „transferiert“ in folgender Weise kommentiert: „Norsk går i setningen Det går verk i såret kan så direkte gjengis med hollandsk gaat …“(„Norwegisch går in dem Satz Det går verk i såret kann daher direkt mit holländisch gaat wiedergegeben werden ...“). Für die Gruppe „nicht-transferiert“ lautete der Kommentar: „Norsk går i setningen Det går verk i såret må på hollandsk imidlertid gjengis med et annet verb enn standardoversettelsesekvivalenten gaat …“ („ Norwegisch går in dem Satz Det går verk i såret muss im Holländischen jedoch mit einem anderen Verb als dem Standardübersetzungsäquivalent gaat wiedergegeben werden …“). Nach dieser Präsentation wurde eine Liste ausgeteilt. Zu dieser Liste wurden den Vpn in randomisierter Reihenfolge die norwegischen Sätze der Präsentationsphase und die Ablenkersätze (29)-(32) je ca. 3 Sekunden lang per Overhead gezeigt. Die VPn hatten auf der Liste anzukreuzen, ob sie die Sätze in der Präsentationsphase gesehen hatten oder nicht oder im Zweifel darüber waren. Nachdem die Listen eingesammelt worden waren, wurde eine zweite Liste ausgeteilt. Zu dieser Liste wurden den Vpn die jeweiligen norwegischen Sätze der Entscheidungsphase je ca. 3 Sekunden lang gezeigt. Die Vpn sollten nun entscheiden, ob norweg. går/ tok in diesen Sätzen mit holländ. gaat/nam wiedergegeben werden könnte. Dazu wurde den Vpn gesagt, dass es hier auf ihr Sprachgefühl ankäme. Die ca. 3 Sekunden wurden mit der Sprechlänge der Sätze „Har dere sett denne setningen før?“ („Haben Sie diesen Satz schon gesehen?“) und „Kan går (tok) gjengis med hollandsk gaat (nam) her?“ („Kann går (tok) hier mit holländisch gaat (nam) wiedergegeben werden?“) gemessen. Auf der Rückseite dieser Liste sollten die Vpn schliesslich einen oder 46 ZfAL 35, 2001. 39-59. mehrere der norwegischen Sätze niederschreiben, die sie am Anfang des Tests in der Präsentationsphase gesehen hatten. Dabei wurde keine wortwörtliche Erinnerung verlangt. Der gesamte Test dauerte ca. 10 Minuten. 3.5. Ergebnisse 3.5.1. Die Behaltensprüfungen Wie Tab.1 zeigt, sind die Testsätze der Präsentationsphase durch den ganzen Test hindurch gut behalten worden. Nur zwei von 328 Vpn konnten sich an keinen Testsatz in der 1. Behaltensprüfung erinnern. Insgesamt waren hier 1113 Sätze behalten worden. Wichtig ist das gute Behalten unmittelbar nach der Entscheidungsphase, da es zeigt, dass das Gelernte noch gut in Erinnerung war und eine reale Chance hatte, die Entscheidung zu beeinflussen, ob die prototypischen/ medioprototypischen/prototypfernen Bedeutungen von norweg. går /tok in nichtgelernten Sätzen mit holländ. gaat/ nam wiedergegeben werden können. Bei einer Gruppe von 14 Vpn konnte die 2. Behaltensprüfung allerdings für prototypferne Bedeutungen aus technischen Gründen nicht durchgeführt werden. Nur 14 von daher insgesamt 314 Vpn hatten hier keinen Testsatz behalten. In 31 der erinnerten Testsätze tauchte entweder ein Nichttestverb auf, oder die Sätze waren unvollendet, hatten einen völlig anderen Kontext, stammten aus der Entscheidungsphase oder waren Ablenkersätze. Abzüglich dieser 31 Sätze wurden hier insgesamt 753 Sätze behalten. Ansonsten waren die Testverben mit ihren prototypischen/ medioprototypischen/ prototypfernen Bedeutungen erhalten geblieben. In Gesprächen mit Vpn nach dem Test kam darüber hinaus zum Ausdruck, dass sie den Unterschied der Testsätze von Lern- und Entscheidungsphase als Unterschied von „konkret“ und „abstrakt“ aufgefasst hatten. 47 W. Feigs: Semantischer Transfer und die Rolle der L1 Anzahl Vpn unmittelbar nach Präsentati- unmittelbar nach Enton scheidung Behaltene Testsätze prototypenfern 0 1 2 3 4 2 5 16 49 114 1,08 2,69 8,60 26,34 61,29 11 48 45 45 23 6,40 27,91 26,16 26,16 13,37 prototypisch 0 1 2 3 4 0 1 11 12 20 0 2,27 25,00 27,27 45,46 0 7 9 11 17 0 15,91 20,45 25,00 38,64 medioprototypisch 0 1 2 3 4 0 3 11 27 57 0 3,06 11,22 27,55 58,16 3 11 25 35 24 3,06 11,22 25,51 35,71 24,49 Tab. 1. Von den Vpn behaltene Testsätze der Lernphase (kursive Zahlen = Prozente) 3.2.5 Die Entscheidungen über die Transferierbarkeit Tab. 2 gibt einen Überblick über die ermittelten Daten und den Vergleich der Scores für „Transfer wahrscheinlich“ und „Transfer unwahrscheinlich“ mit Hilfe des asymptotischen Binomialtestes. Tab. 3 bringt auf der Grundlage von Tab. 2 den vertikalen Vergleich der relevanten Lern-/ EntscheidungsphaseKombinationen. Tab. 2 zeigt in Zeile 1 eine signifikante Transferierbarkeit der prototypischen Bedeutungen, in Zeile 2 eine signifikante Transfervermeidung prototypferner Bedeutungen. Im ersten Falle ist die Entscheidung eindeutig auf der Grundlage der Prototypizitätskategorisierung getroffen worden. Sie muss das aber auch im zweiten Falle sein, da es unwahrscheinlich ist, dass sich hier – wie auch in Zeile 7 – eine signifikante Mehrheit plötzlich an das Gelernte hält und deshalb die Frage der Entscheidungsphase mit „Transfer unwahrscheinlich“ beantwortet. Dafür spricht auch, dass Zeile 2 und 7 sich trotz unterschiedlicher Lernphasen nicht signifikant unterscheiden (s. Tab. 3), also die Lernphase keinen entscheidenden Einfluss hat. 48 ZfAL 35, 2001. 39-59. Transfer Lernphase – Entscheidungsphase 1 prot.fern (=) 2 prot.(=) – prot. – prot.fern 151 49 67,41 29,17 73 127 32,59 70,83 5,15 <0,001 5,81 <0,001 56 44 3 prot.fern (=) 4 medioprot.(=) – medioprot. – prot.fern 143 101 67,45 45,91 69 119 32,55 54,09 5,01 <0,001 1,15 =0,250 53 55 5 prot.fern (≠) – prot. 126 85,14 22 14,86 8,47 <0,001 37 80 61 50,00 35,47 80 111 50,00 64,53 0,10 =0,920 3,73 <0,001 40 43 6 prot.fern (≠) – medioprot. 7 medioprot. ( ≠) – prot.fern wahrscheinlich unwahrscheinlich z P Vpn Tab. 2. Transferierbarkeit nichtgelernter prototypischer/medioprototypischer/prototypferner Bedeutungen, wenn die Zielsprache Holländisch ist (kursive Zahlen = Prozente; (=) = transferiert; (≠) = nichttransferiert; z bezieht sich auf die jeweils höchste fettgedruckte Zahl) Andererseits kommen in dieser Tabelle jedoch auch Lerneffekte zum Ausdruck. Zeile 1 und 5 unterscheiden sich signifikant voneinander (s. Tab. 3). Bei transferierter Lernphase werden prozentual mehr prototypische Bedeutungen als nichttransferierbar und weniger als transferierbar betrachtet als bei nichttransferierter Lernphase. Das muss seine Erklärung darin haben, dass die nicht kategorial motivierten Entscheidungen der Vpn neben reinem Raten didaktisch motiviert sind. Die Vpn, die nicht auf der Grundlage der Prototypizitätskategorisierung entscheiden, tun das allein auf der Grundlage des Gelernten. Eine transferierte Lernphase stimuliert dabei Transfervermeidung, eine nichttransferierte Transferierbarkeit. Sicher sind demnach in Zeile 2 von Tab. 2 unter „Transfer unwahrscheinlich“ auch Lerneffekte enthalten, die allerdings angesichts der Übereinstimmung mit Zeile 7 (s. Tab. 3) unbedeutend sein müssen. Die Kombination „nichttransferiert prototypisch – prototypfern“ wurde wegen dieser Übereinstimmung nicht getestet. Außerdem wären die Vpn wohl nur verwirrt worden und hätten sich sicher ungläubig die Frage gestellt: Wo sonst soll das Standardübersetzungsäquivalent natürlicher verwendet werden können, wenn nicht bei prototypischen Bedeutungen? 49 W. Feigs: Semantischer Transfer und die Rolle der L1 Zeilen Lern-/ Entscheidungsphasenkombination von Tab. 2 __ P 1-2 1-3 1-5 1-6 prot.fern (=) – prot. + prot. (=) – prot.fern 61,728 + prot.fern (=) – medioprot. 0,00008 + prot.fern (≠) – prot. 14,723 + prot.fern (≠) – medioprot. 11,805 <0,001 >0,990 <0,001 <0,001 2-4 2-6 2-7 prot. (=) – prot.fern + medioprot.(=) – prot.fern 13,566 + prot.fern (≠) – medioprot. 17,399 + medioprot.(≠) – prot.fern 2,339 <0,001 <0,001 >0,100 3-6 prot.fern (=) – medioprot. + prot.fern (≠) – medioprot. 11,567 <0,001 4-7 medioprot. (=) – prot.fern + medioprot.(≠) – prot.fern 4,342 <0,050 6-7 prot.fern (≠) – medioprot. + medioprot.(≠) – prot.fern 7,167 <0,010 Tab.3.Relevante Chi-Quadrat-Vergleiche der getesteten Lern-/ EntscheidungsphaseKombinationen ((=) = transferierte und (≠) = nichttransferierte Lernphase) In Verbindung mit medioprototypischen Bedeutungen muss der Lerneffekt allerdings eine andere Erklärung haben, da er bei transferierter Lernphase nicht zu einer prozentualen Erhöhung der Transfervermeidung und entsprechender Reduzierung der Transferierbarkeit, sondern zu einer Umkehrung dieses Verhältnisses führt. Die hier vorliegenden Befunde sind mit Labows Tasse-Schüssel-Experiment vergleichbar, wo Durchmesser und Kontext die Benennung der Gefäße determinieren. Ein relativ kleiner Durchmesser führt zu „Tasse“, ein relativ großer zu „Schüssel“. Sind die Gefäße mit Kartoffelmus gefüllt, geht „Tasse“ eher in „Schüssel“ über. In beiden Fällen ist der Übergang fließend (Anderson 19954, 159 ff.). Auch medioprototypische Bedeutungen scheinen keine festen Grenzen zu haben. Im transferierten Kontext gehen sie eher in prototypferne Bedeutungen über und erzeugen damit sozusagen zusätzlich eine Kombination „prototypfern – prototypfern“. In Zeile 3 von Tab.2 erfolgt auf diese Weise eine kategorial und didaktisch motivierte Erhöhung der Transferierbarkeit medioprototypischer Bedeutungen, die – wie Zeile 6 zeigt – schon an sich zu 50% transferierbar sind. In Zeile 4 kommt es zu einer kategorial und didaktisch motivierten annähernden Gleichverteilung, da die an sich signifikante Transfervermeidung prototypferner Bedeutungen – vgl. Zeile 7 – reduziert wird. 50 ZfAL 35, 2001. 39-59. Die Kombination „medioprototypisch – prototypisch“ und ihre Umkehrung wurde nicht getestet. Hier wäre es nur um Unterschiede in der Wahrscheinlichkeit der Transferierbarkeit gegangen. Der Effekt medioprototypischer Bedeutungen ließ sich aber besser mit den Kombinationen von „medioprototypisch“ und „prototypfern“ aufzeigen, da sich hier der kontrastreichere Unterschied zwischen „Transfer wahrscheinlich“ und „Transfer unwahrscheinlich“ findet. In bezug auf Kellermans Experimente, seine Schlussfolgerung daraus und seine Hypothese betreffs der Erwerbsfolge (s. 1.) ergibt sich damit folgendes. Aus der Verwendung einer unbekannten Zielsprache ergibt sich trotz Lerneffekten zweifelsfrei, dass die Transferierbarkeit umso größer ist, je prototypischer die Bedeutung ist. Kellermans Schlussfolgerung allerdings, dass die Entscheidung über die Transferierbarkeit allein auf der Grundlage der L1 stattfindet, kann nicht aufrechterhalten werden. Das zeigt der Einfluss der Zielsprachenbedingungen „transferiert“/ „nichttransferiert“ auf diese Entscheidung: Die Lernererfahrung spielt auch eine Rolle. Was schließlich Kellermans Hypothese zur Erwerbsfolge betrifft, so konnte diese bestätigt werden. Je prototypischer die Bedeutung, desto eher kann sie auch ohne positive Evidenz in der Zielsprache erworben werden. Je weniger prototypisch die Bedeutung ist, desto nötiger ist positive Evidenz in der Zielsprache. Daraus ergibt sich die Erwerbsfolge: 1. prototypische (s. Tab. 3, Zeile 1-6 und 1-2), 2. medioprototypische (s. Tab. 3, Zeile 2-6), 3. prototypferne Bedeutungen. Die orthographische Ähnlichkeit von norweg. går und holländ. gaat hatte keine Einwirkung auf die Entscheidungen für „Transfer wahrscheinlich“ (vgl. Ard/ Homburg 1994). Die Frequenzen von går (N = 334) und tok (N = 377) sind nach dem asymptotischen Binomialtest zufallsbedingt (z = 1,58; P = 0,114). 4. Zusatztest Der Haupttest wurde auch mit Russisch (in lateinischer Transliteration) als Zielsprache durchgeführt. Alle 29 VPn, die an dem Test teilnahmen, hatten Norwegisch als L1 und keine Russischkenntnisse. Die russischen Testsätze waren Übersetzungen der norwegischen Sätze in (1)-(8) der Gruppe „transferiert“ (s. Anhang (21)-(28)). Auch hier hatte die Hervorhebung der Ähnlichkeit zwischen den beiden Sprachen den Vorrang vor idiomatischer Korrektheit. Die korrekten russischen Sätze stehen im Anhang in Klammern. 51 W. Feigs: Semantischer Transfer und die Rolle der L1 Die Ergebnisse zeigt Tab. 4. Die prototypischen Bedeutungen (25)-(28) und die prototypfernen Bedeutungen (21)-(24) unterscheiden sich hier nicht in bezug auf Transferierbarkeit. Die von den Vpn empfundene Distanz zwischen Norwegisch und Russisch (s. 2.4) war stärker als die mit den Testsätzen der Präsentationsphase suggerierte Ähnlichkeit. Sie hielten sich bei prototypischen wie bei prototypfernen Bedeutungen signifikant an das Gelernte. Der asymptotische Binomialtest ergab für „Transfer unwahrscheinlich“ im ersten Falle z = 2,91; P = 0,004, im zweiten z = 3,88; P < 0,001. Bei diesem Ergebnis erübrigten sich weitere Tests. Transfer Lernphase – Entscheidungsphase prototypfern prototypisch – prototypisch – prototypfern wahrscheinlich unwahrscheinlich 15 16 28,85 25,00 37 48 71,15 75,00 __ Vpn 0,221 (P > 0,600) 13 16 Tab. 4 Transferierbarkeit nichtgelernerter prototypischer/ prototypferner Bedeutungen, wenn die Zielsprache Russisch ist (kursive Zahlen = Prozente) 5. Diskussion Im Folgenden soll die Rolle der L1 und der Zielsprache beim semantischen Transfer näher beleuchtet und der Frage nachgegangen werden, ob hier neben L1 und Zielsprache auch andere Fremdsprachen des Lerners wirksam sein können. Zum Schluss ein Wort zu den didaktischen Konsequenzen des vorliegenden Experimentes. Kellerman betrachtete die L1, d.h. die Prototypizitätskategorisierung in ihr, als die alleinige Entscheidungsgrundlage für die Transferierbarkeit von Bedeutungen (s. 1.). In den Kellermanschen Ähnlichkeitstests zur L1 waren allerdings vorgegebene, also bewusstseinsexterne Phänomene miteinander zu vergleichen: In Kellerman (1978) verschiedene Bedeutungen des Testwortes, in Kellerman (1986) der Prototyp mit Kategoriemitgliedern. Ein solcher Vergleich sagt jedoch nichts darüber aus, dass die Prototypizitätskategorisierung der L1 inhärent ist. Im Vortest (s. 2.2f.) konnte hier dagegen mit Roschs Methode (1973, 131f.), bei der der Prototyp bewusstseinsintern verbleibt, auf die tatsächliche Existenz einer Prototypenbildung und Prototypizitätskategorisierung in der L1 geschlossen werden. Dass eine solche Prototypizitätskategori- 52 ZfAL 35, 2001. 39-59. sierung von L1-Bedeutungen den Entscheidungen der Vpn zugrundegelegen haben muss, konnte durch die Verwendung einer den Vpn unbekannten Fremdsprache, die den Einfluss von früher Gelerntem ausschloss, eindeutig nachgewiesen werden (s. 1; 3.2.5; vgl. Giacobbe 1992, 233ff.). Die nächste Frage ist, ob hier neben L1 und Zielsprache auch andere Fremdsprachen des Lerners an der Sprachverarbeitung beteiligt sind. Das erscheint im Lichte der Vorstellungen vom mehrsprachigen mentalen Lexikon prinzipiell möglich (vgl. z.B. Raupach 1994, 30ff.). Die L1 und betreffende Fremdsprachen sind nach diesen Vorstellungen in einem einzigen grossen Speicher repräsentiert und miteinander vernetzt. Die Stärke der Netzverbindungen wird von der Kontinuität des Gebrauchs bestimmt. Auf diese Weise bilden Elemente derselben Sprache Subsysteme, aber auch Elemente verschiedener Sprachen. Diese Netzverbindungen ermöglichen, dass bei der Zielsprachenproduktion neben der L1 andere Fremdsprachen aktiv sind, ohne allerdings artikuliert zu werden. Zu klären ist nun, welche Rolle andere Fremdsprachen im Transferprozess spielen. Hierauf kann die Hypothese von Schachter (1994), nach der Transfer Inferenz ist, eine Antwort geben. Die Grundlage für die Inferenz bildet nach Schachter relevantes früher erworbenes explizites oder implizites Wissen, d.h. Wissen über die Muttersprache und die Zielsprache. Hinzuzufügen sind aber eben wohl auch andere Fremdsprachen des Lerners. Aus diesem Wissen schlussfolgert der Lerner und bildet Hypothesen in bezug auf die Zielsprache, die dann am Zielspracheninput getestet werden. Dabei sucht der Lerner nach Verifizierung seiner Hypothesen, ist aber auch für Falsifizierungen offen, die eine Korrektur der Hypothesen ermöglichen. Auf diese Weise erfährt er beim Transfer von Bedeutungen fortlaufend in seiner/n Fremdsprache/n positives oder negatives Feedback. Wie die hier involvierten Fremdsprachen und Englisch als die in Norwegen am besten beherrschte Fremdsprache im Anhang zeigen, scheint positives Feedback realiter mit prototypischen und auch noch medioprototypischen Bedeutungen zusammenzufallen, negatives Feedback aber häufig mit prototypfernen Bedeutungen. Aus diesen Verhältnissen und mit Hilfe der Prototypizitätskategorisierung, die dem Lerner aus seiner L1 zur Verfügung steht, kann er daraus schlussfolgern: Prototypische Bedeutungen sind mit hoher Wahrscheinlichkeit transferierbar, medioprototypische mit etwas geringerer und prototypferne mit der geringsten. Es ist also wahrscheinlich, dass es die Erfahrung des Lerners aus dem Gebrauch seiner Fremdsprache/n ist, die die unmittelbare Grundlage für die Inferenz bildet, die zu Trans- W. Feigs: Semantischer Transfer und die Rolle der L1 53 fer bzw. Transfervermeidung führt (s. 3.2.5). Allerdings scheint auch ein verstärkter Transfer prototypferner Bedeutungen in die Zielsprache möglich zu sein, wenn diese in einer anderen Fremdsprache mit dem Standardübersetzungsäquivalent wiedergeben werden können und der Ausdruck dort eine hohe Frequenz hat und deshalb im Gedächtnis als Einzelfall aktiviert werden kann. Darauf deutet jedenfalls Testsatz (4) hin (s. Anhang), der von allen Testsätzen als einziger überdurchschnittlich häufig unter „Transfer wahrscheinlich“ auftritt. Eine Bestätigung dafür, dass die Lernererfahrung mit einer/anderen Fremdsprache/n die Grundlage für die Transferierbarkeitsentscheidungen bildet, können Personen ohne diese Erfahrung liefern. Solche Personen finden sich heutzutage allerdings selten, zumal in Ländern wie Norwegen, deren Sprachen keine internationale Geltung haben und man deshalb gezwungen ist, Fremdsprachen zu lernen. Aus diesem Grunde war es nur möglich, 7 solche Personen zu testen. Drei von ihnen waren Rentner, vier waren in nichtakademischen Berufen tätig. Die älteste Vp war 87 Jahe alt, die jüngste Mitte 40. Mit ihnen wurde die Testvariante „nichttransferierte prototypferne – prototypische Bedeutungen“ durchgeführt, da hier die Entscheidungen für „Transfer wahrscheinlich“ am deutlichsten zum Ausdruck kamen (s. Tab.2, Zeile 5). In der zur Lernphase gehörenden Behaltensprüfung erinnerte sich keine Vp an keinen Testsatz, je 14,29% an einen und zwei, 42,86% an drei und 28,57% an vier Testsätze. In der Behaltensprüfung nach der Entscheidungsphase dagegen hatten 57,14% keinen einzigen Testsatz mehr behalten und der Rest nur je einen. In der Entscheidungsphase selbst wurden 18 (64,29%) der prototypischen Bedeutungen unter „Transfer wahrscheinlich“ eingestuft und 10 (35,71%) unter „Transfer unwahrscheinlich“, wobei 18 im Gegensatz zu Zeile 5 in Tab. 2 ein Zufallsresultat ist (z = 1,32; P = 0,187). Der Chi-Quadrat-Vergleich mit den studentischen Vpn ergab dementsprechend ein signifikantes _2 = 6,881; P < 0,010. Dieses Resultat scheint auf eine Unsicherheit der nichtstudentischen Vpn hinzudeuten. Ihnen scheint also die Erfahrung mit einer/anderen Fremdsprache/n als Grundlage für ihre Entscheidungen gefehlt zu haben. Vergleicht man jedoch diese Vpn mit den studentischen Vpn in der Testvariante „transferierte prototypferne – prototypische Bedeutungen“ (s. Tab. 2, Zeile 1), weichen beide Gruppen nur zufällig voneinander ab (__ = 0,110; P > 0,700). Demzufolge könnte auch vermutet werden, dass Transfer tatsächlich auch auf der Grundlage der L1 allein zustandekommen kann, dass er aber durch Fremdsprachenerfahrung bedeutend verstärkt wird. Eine wesentlich höhere Anzahl Vpn und evtl. der Einsatz weiterer Testvarianten sind erforderlich, um eine 54 ZfAL 35, 2001. 39-59. Entscheidung zwischen diesen Interpretationsalternativen herbeiführen zu können. Zusammenfassend kann festgehalten werden: Alle sprachlichen Ressourcen des Lerners spielen beim semantischen Transfer wahrscheinlich eine Rolle. Die L1 scheint einmal die Prototypizitätskategorien zu liefern, mit deren Hilfe die konkreten Feedback-Erfahrungen des Lerners aus der Verwendung seiner Fremdsprache/n generalisiert werden, was die Grundlage für die durch den Zielsprachenproduktionsdruck ausgelösten Inferenzen schafft. Zum anderen konnte aber nicht ausgeschlossen werden, dass die L1 direkt die Basis für Transfer bilden kann und Fremdsprachenerfahrung Transfer nur verstärkt. Darüber hinaus können andere Fremdsprachen die Transferierbarkeit aber auch dann erhöhen, wenn dort das Standardübersetzungsäquivalent möglich und der Ausdruck hochfrequent ist, so dass er zum expliziten Wissensbestand des Lerners gehört. Was die didaktischen Konsequenzen des vorliegenden Experiments und vorausgehender Experimente betrifft, ist folgendes zu sagen. Erstens wird nicht uneingeschränkt transferiert. Transfer ist umso stärker je verwandter die betreffenden Sprachen sind und umso schwächer je fremder sie sind. Selbst eine fingierte Ähnlichkeit kann in letzterem Falle die Skepsis der Lerner nicht überlisten. Zweitens werden prototypferne Bedeutungen zweifelsfrei signifikant weniger transferiert als prototypische und medioprototypische. Die Einschränkung und damit die Möglichkeit für Transfervermeidung erfolgt hier genau dort, wo die Möglichkeit für Fehler am grössten ist, nämlich im metaphorischen Bereich. Es wird also im Prinzip nicht sinnlos transferiert. Wenn drittens die Kodierungen prototypischer und in etwas geringerem Grade auch medioprototypischer Bedeutungen in einer bestimmten Zielsprache auch ohne positive Evidenz aus dem Input dieser Zielsprache erworben werden können, dann ist der Erwerb dieser Zielsprache erleichtert und ökonomisiert. Da Transfer aus Fremdsprachen die Basis dafür abzugeben oder zu verstärken scheint, sollte er daher nicht bekämpft, sondern gefördert werden, auch wenn es dabei – vorübergehend – zu Fehlern kommt. Fehler sind Ausdruck des Lernens. Eine Bekämpfung von negativem Transfer scheint ausserdem zu einer generellen Vermeidung von Transfer zu führen, also auch des positiven Transfers. Das deutet sich jedenfalls bei Aandstad Hettasch (2000, 83, 94) an, wo der positive Transfer norwegischer Gymnasiasten aus der engl. L2 in die dt. L3 im Verhältnis zu norwegischen Germanistikstudenten stark reduziert ist, was wahrscheinlich auf die vehemente Bekämpfung dieses Transfers durch die Gymnasiallehrer zurückzuführen ist. W. Feigs: Semantischer Transfer und die Rolle der L1 55 Literatur Aandstad Hettasch, Kirsti (2000): Semantischer Transfer bei norwegischen Deutschlernern mit Englisch als L2, Trondheim (hovedoppgave i tysk ved NTNU). Anderson, John R. (19954): Cognitive Psychology and its Implications, New York Ard, Josh/ Taco Homburg (1994): Verification of Language Transfer, in: Gass/ Selinker. 47-70. Battig,William F./ William E. Montague (1969): Category norms for verbal items in 56 categories: a replication and extension of the Connecticut category norms, in: Journal of Experimental Psychology Monograph, Vol. 80, No. 3, Part 2, 1-46. Gass, Susan M./ Larry Selinker (Hrsg.) (1994): Language Transfer in Language Learning, Amsterdam/Philadelphia. Giacobbe, Jorge (1992): A cognitive view of the role of the L1 in the L2 acquisition process, in: Second Language Research, Vol. 8, No. 3, 232-250. van Helmond, Karin/ van Vugt, Margot (1984): On the transferability of nominal compounds, in: Interlanguage studies bulletin, Vol. 8, No. 2, 5-34. 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(Sie nahm ihn beim Wort.) (She took him literally.) (4) Ze nam geen notitie van hem. – Hun tok ikke notis av ham. (Sie nahm keine Notiz von ihm.) (She took no notice of him.) (5) Ze gaat morgen naar de winkel. – Hun går på butikken i morgen. (Sie geht morgen in das Geschäft.) (She goes to the shop to-morrow.) (6) De kat gaat recht over de straat. – Katta går rett over gata. (Die Katze geht geradewegs über die Strasse.) (The cat goes straight across the street.) (7) Ze nam het boek uit de boekenkast. – Hun tok boka ut av bokhylla. (Sie nahm das Buch aus dem Bücherregal.) (She took the book from the shelf.) (8) De moeder nam het mes van het kind. – (De moeder nam het kind het mes af.) Moren tok kniven fra barnet. (Die Mutter nahm dem Kind das Messer weg.) (The mother took the knife from the child.) prototypisch medioprototypisch (9) Het gaat beter en slechter met haar. (Het gaat nu eens beter, dan eens weer slechter met haar.) (10) De trein gaat om 1930. – Det går opp og ned med henne. (Es geht auf und ab mit ihr.) (She has good days and bad days.) – Toget går kl. 1930. (Der Zug geht 1930 Uhr.) (The train goes at 1930.) (11) Zij nam een lang bad in de badkuip. – Hun tok et langt bad i badekaret. (Sie nahm ein langes Bad in der Badewanne.) W. Feigs: Semantischer Transfer und die Rolle der L1 (She took a long bath in the bathtub.) (12) De trainer nam de moed van hem af. – (De trainer ontnam hem de moed.) Treneren tok motet fra ham. (Der Trainer nahm ihm den Mut.) (The trainer took away his motivation.) nichttransferiert prototypfern (13) Er ontstaat etter in de wond. (14) In zijn familie praat men alleen Frans. (15) Ze hield hem aan zijn woord. (16) Ze schonk geen aandacht aan hem. medioprototypisch (17) Zij maakt het nu eens beter, dan weer slechter. (18) Det trein vertrekt om 1930. (19) Zij badderde lang in de badkuip. (20) De trainer ontmoedigde hem. – – – – s. (1) s. (2) s. (3) s. (4) – s. (9) – – – s. (10) s. (11) s. (12) russisch norwegisch prototypfern (21) Id_t gnoj iz rany. (Budet itti gnoj iz rany.) (22) V ewo sem`e vs_ id_t po-francuzski. (23) Ona vzjala ewo na slove. (Ona pojmala ewo na slove.) (24) Ona ne vzjala zametku ot newo. (Ona ne zametila ewo.) – – – – s. (1) s. (2) s. (3) s. (4) prototypisch (25) Ona id_t v magazin zavtra. (Ona poid_t v magazin zavtra.) (26) Ko_ka id_t prjamo _eres ulicu. (27) Ona vzjala knigu s kni_noj polki. (28) Mat‘ vzjala no_ u reb_nka. – – – – s. (5) s. (6) s. (7) s. (8) Ablenkersätze (29) Det er ingen utvei. (Es gibt keinen Ausweg.) (30) Han ble svært syk. (Er wurde sehr krank.) (31) Politiet var raskt til stede. (Die Polizei war schnell zur Stelle.) (32) Hovedstaden i Latvia heter Riga. (Die Hauptstadt in Lettland heisst Riga.) Russisk to on b’ët ?enu. è Historien Idët gnoj iz rany. Norsk oversettelse Det går verk i såret. Idët sluh o tom, går om at han slår sin kone. Ona vzjala ewo na slove. Hun tok ham på ordet. Ona ne vzjala zametku ot newo. Hun tok ikke notis av ham. 57 58 ZfAL 35, 2001. 39-59. Anmerkung: Die beiden letzten Sätze sind idiomatisch nicht korrekt. Die Entsprechungen hätten unterschiedliche Verben erfordert: Ona pojomala ewo na slove./Ona ne zametila newo. Anhang B Kryss av hvilke setninger du nettopp har sett/ ikke sett eller er i tvil om å ha sett: Sett ikke sett i tvil 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. Anhang C I hvilke setninger tror du det er sannsynlig/ usannsynlig at norsk går kan gjengis med russisk idët og at norsk tok kan gjengis med russisk vzjala? Sett kryss hvor det passer etter din mening. sannsynlig 1. 2. 3. 4. Anmerkung: Die Reihenfolge der norwegischen Sätze war folgende: Haupttest Teil 1: 1. Hun går på butikken i morgen. 2. Hun tok boka ut av bokhylla. 3. Katta går rett over gata. 4. Mora tok kniven fra barnet. Haupttest Teil 2: 1. Det går verk i såret. 2. Hun tok ham på ordet. 3. I hans familie går alt på fransk. 4. Hun tok ikke notis av ham. usannsynlig W. Feigs: Semantischer Transfer und die Rolle der L1 59 Anhang D Russiskidët prjamo èeres ulicu. Koska Norsk Katta goversettelse år rett over gata. Ona vzjala knigu s kni?noj polk Mater? vzjala no? u rebënka. Ona idët v magazin zavtra. Hun går på butikken i morgen. i. Hun tok boka ut av bokhylla. Anmerkung: Der erste Satz lautet korrekt: Ona poidët v magazin zavtra. Adresse des Verfassers: Prof. Dr. Wolfgang Feigs Skjetnemarkv. 11 A 7081 Trondheim/Norge [email protected]