Kombination von Agenten- und Blackboard-Technologien fu r betriebswirtschaftliche Anwendungen Stefan Haustein, Sascha Ludecke Universitat Dortmund, Lehrstuhl fur Kunstliche Intelligenz fhaustein, [email protected] Reale betriebswirtschaftliche Anwendungen stellen Anforderungen an Agentensysteme, die uber einen generellen "Proof of Concept\ hinausgehen. In diesem Artikel beschreiben wir, wie diese Anforderungen durch die Kombination von Agenten- und "Blackboard\-Technologien in dem COMRIS-System erfullt werden: Das System ermoglicht ein schnelles Wiederaufsetzen bei einem Ausfall und bietet dem Benutzer Transparenz, einfache Erweiterbarkeit und bequeme Eingrismoglichkeiten in den Ablauf. Es ist in der Lage, externe und bestehende Datenquellen einzubinden. Zusammenfassung 1 Einleitung Reale betriebswirtschaftliche Anwendungen stellen Anforderungen an Agentensysteme, die uber einen generellen Proof of Concept\ hinausgehen. So " mussen Agentensysteme in betriebswirtschaftlichen Anwendungen unter allen Umstanden zuverlassig funktionieren: Fehlentscheidungen oder Ausfalle konnen im operativen Einsatz zu erheblichen Verlusten fuhren. Weitere wesentliche Punkte sind die Einbindung in eine bestehende Softwareumgebung, eine einfache Wartbarkeit und Anpabarkeit, sowie grosstmogliche Transparenz. In diesem Artikel zeigen wir, wie diese Kriterien durch die Verbindung eines kooperativen Multiagenten-Systemes mit einem Blackboard-System\ [HR85] erfullt werden " konnen. Wir stellen die COMRIS-Systemarchitektur vor, die bereits entsprechende Blackboard-Funktionalitat besitzt und skizzieren an einem Beispiel die Moglichkeit, das bestehende System fur betriebswirtschaftliche Anwendungen einzusetzen. 2 Das COMRIS Agentensystemes Thema und konkreter Kontext fur das COMRIS-Projekt ist ein Konferenzzentrum. In diesem Konferrenzzentrum nden reale und virtuelle Aktivitaten parallel zueinander statt: Jeder Teilnehmer der Konferenz besitzt einen personlichen Assistenten, ein Wearable, das kabellos mit dem Konferenz-Intranet verbunden ist. Dieser personliche Assistent, der COMRIS-Parrot, ist das Bindeglied zwischen dem realen und virtuellen Raum. Er beobachtet, was um seinen Besitzer herum geschieht, und informiert ihn uber potentiell nutzliche Treen, laufende Demonstrationen etc. 2.1 Architektur Die COMRIS-Architektur ist in mehren Schichten aufgebaut (Abb. 1). Die oberste Schicht bildet eine Menge von operativen Agenten. Diese Agenten sind zum einen die personlichen Assistenten (PA). Daneben besitzt jeder Teilnehmer eine Menge von Agenten, die seine verschiednen Interessen auf der Konferenzder reprasentieren (PRA) [PANS98]. Auf der gleichen Ebene liegen Servicemodule wie die Sprachgenerierung, die von dem PA direkt angesteuert und genutzt wird, um Ausgaben fur das Wearable zu erzeugen. Operative Mission Agenten Agents Weitere Mission Module Agents − PA / PRA Sprachausgabe... Entkopplung Werlt− Abstraktion Blackboard Struktur− Definition Ontologie Persistenter Speicher Informations− agenten [SQL−Datenbank] World World Wide Wide Web Web Abbildung1. Generische Benutzer− schnittstelle »Putzerfisch« Agenten − URL−Checking − Deduktion − ... Deduktios− regeln Legacy Systeme Die Architektur des COMRIS Agentensystemes Unter der Agentenebene liegt die Informationsschicht, ein Informationssystem, das verschiedene Serviceaufgaben fur die Agenten ubernimmt: Die Informationsschicht verfugt uber eine Benutzerschnittstelle, mit denen Steuerungsinformationen bequem editiert werden konnen, ohne da der Benutzer direkt mit dem maschinenlesbaren Format, das die Agenten zum Informationsaustausch benutzen, in Beruhrung kommt. Neben diesen Initialisierungs- und Steuerungsinformationen konnen die Agenten weitere Informationen im Informationssystem persistent ablegen oder das Informationssystem als Blackboard zum indirekten Austausch von Informationen mit anderen Agenten nutzen. Innerhalb der Informationsschicht gibt es eine weitere Schicht, in der wiederum einfache Agenten angesiedelt sind. Diese reichern den Inhalt des Informationssystemes automatisch mit Informationen aus verschiedenen Quellen an. Sie dienen dazu, die Informationsbeschaung von den operativen Agenten zu entkoppeln, um redundante Abfragen zu vermeiden und von der aktuellen Zugrischarakteristik der Quellen unabhangiger zu werden. Die Schnittstellen der Module untereinander basieren auf der Extensible Markup Language (XML) [BPSM98]. Die Kommunikationssprache ist dabei die Agent Communication Language (ACL) [Fou97] der Foundation for Intelligent Physical Agents (FIPA), jedoch in XML-Notation. Die konkrete XML-Syntax des Inhalts der Nachrichten wird direkt nach einem festen Schema aus der Ontologie abgeleitet, die wiederum in einer einfachen Untermenge von Klassendiagrammen der Unied Modelling Language (UML)1 [FS97] speziziert wird. XML hat den Vorteil, dass die Nachrichten in einem auch fur Menschen sehr gut lesbaren Format vorliegen. Zusammen mit einfachen Stylesheets wurde sich XML sogar eignen, Anfrage-Ergebnisse direkt mit einem Webbrowser zu betrachten. 2.2 Beispiel-Szenario Ein Beispielszenario in COMRIS konnte sich wie folgt gestalten: Ein Teilnehmer meldet sich uber das Web-Interface des Information Layer zur Konferenz an. Mit der Anmeldung wird sein PA instanziiert und gestartet. Ein Gathering " Agent\ versucht aus dem Internet weitere Informationen uber den Teilnehmer zu extrahieren. Aktiviert der Teilnehmer spater auf der Konferenz ein Interesse, Personen mit bestimmten Eigenschaften zu nden, etwa zur Formation eines ProjektKonsortiums, stehen entsprechende Informationen direkt zur Verfugung und mussen nicht erst langwierig aus dem Internet zusammengesucht werden. Redundante aufwendige Informationssuchen im Internet werden vermieden. Die PRAs konnen schnell die Interessen untereinander aushandeln und die entsprechenden personlichen Assistenten uber den Wunsch eines Treens informieren. Falls die Nachricht den Kompetenz- und Relevanzlter des PA passiert, leitet der PA diese dann an seinen\ Teilnehmer uber das Wearable weiter. Die Sprachausgabe " nutzt die Informationsschicht, um den Terminvorschlag mit weiteren Kontextinformationen anzureichern, die nicht in dem Vorschlag des PRA enthalten sind. Wird der Termin schlielich tatsachlich bestatigt, wird dieser persistent im Informationssystem abgespeichert und uberlebt dort Stromausfalle oder ahnliche 1 Denkbar ware auch eine Kommunikation u ber CORBA bzw. OQL, dann mussten jedoch als zusatzlicher Zwischenschritt die entsprechenden ODL (IDL)-Spezikationen vereinbart werden: Wahrend in UML Relationen direkt modelliert werden, ist in OML die Spezikation einer Realisierung notwendig. Dies widerspricht dem "Minimal encoding bias\ bei dem Design einer Ontologie [Gru93]. Naturlich liee sich eine entsprechende Schnittstelle bei Bedarf nachrusten und parallel betreiben; auch eine RDF-Schnittstelle ware denkbar. Probleme, die einzelne Agenten zum Absturz bringen. Der Teilnehmer kann sich mit dem HTML-Interface des Informationssystems jederzeit an einem der auf der Konferenz aufgebauten Terminals eine Uberblick uber seine Termine verschaen. 3 Blackboard-Agentensysteme in betriebswirtschaftlichen Anwendungen Wird die Informationsschicht des COMRIS-Systemes von den Agenten als Blackboard genutzt, konnen die fur betriebswirtschaftliche Anwendungen notigen zusatzlichen Anforderungen an Agentensysteme bequem erfullt werden: { { { { 4 Erweiterbarkeit: Durch Ersetzung eines groen Teiles der inter-AgentenKommunikation durch indirekte Kommunikation uber das Blackboard ist es sehr viel einfacher, neue Agenten in das System einzufugen: Details uber die Services und Schnittstellen der indirekt angesprochenen anderen Agenten mussen nicht bekannt sein, die Mindestanforderung ist lediglich die kommunikation mit dem Blackboard. Nach auen mu im Minimalfall nur die Ontologie und die BlackboardSchnittstelle deniert werden, es mu nicht jeder Agent die Fahigkeit besitzen, mit allen relevanten anderen Agenten zu kommunizieren. Naturlich ist eine direkte Agenten-Kommunikation trotzdem nicht ausgeschlossen. Zuverlassigkeit: Dadurch, da wesentliche Planungsschritte jeweils im Blackboard persistent abgelegt werden, ist das System sicher gegen kurzfristige Ausfalle. Anytime: Ein weiterer Vorteil der Speicherung von Informationen im Blackboard ist, da ohne groen Aufwand ein { wenn auch noch nicht optimaler { fertiger Zustand dort abgelegt und bei Bedarf abgefragt werden kann, etwa bei einem Teilausfall des Systemes oder wenn es gunstiger scheint, einen suboptimalen Plan zu benutzen, als einen Leerlauf durch den Zeitaufwand weiterer Optimierungen in Kauf zu nehmen. Transparenz: Durch das Blackboard ist ein Gesamtstatus des Systemes sehr einfach einzusehen. Diese Moglichkeit kann fur Debugging-Zwecke oder auch fur Prozeoptimierungen extrem hilfreich sein. Auerdem kann so bequem von auen in den Ablauf des Systems eingegrien werden. Beispielanwendung fu r die COMRIS-Architektur Eine betriebswirtschaftliche Beispielapplikation konnte die Modellierung einer Produktionskette sein, in der Optimierungen durch Reihenfolgeanderungen durchgefuhrt werden, um Umrustkosten zu sparen. Die operativen Einheiten auf der Ebene der COMRIS PRAs sind dabei Planungsagenten, die in der Lage sind, Plane in Bezug auf einen Schritt der Fertigungskette zu optimieren. Ausgangspunkt ist ein neuer Auftrag, der an den bisher bestehenden Produktionsplan einfach angehangt wird. Die Planungsagenten erstellen dann in Hinsicht auf ihren Produktionsschritt kostenoptimierte Alternativen und stellen diese im Blackboard zur Diskussion\. Auerdem bewer" ten sie ihren lokalen Anteil der von anderen Agenten vorgeschlagenen Plane und erganzen die entsprechenden Informationen. So konnen auch lokal gunstige Plane, die Restriktionen anderer Fertigungschritte verletzen, verworfen werden. Planungs− Mission agenten Agents Planoptimierung / Kalkulation je Produktionsanlage Weitere Module Mission / Agenten Agents − Planausführung − Angebotseinholung − Zukauf Werlt− Abstraktion Blackboard − Pläne in verschiedenen Stadien − Informationssystem für allgemeines Weltwissen Struktur− Definition Ontologie Deduktios− regeln Persistenter Speicher [SQL−Datenbank] Webseiten World Zulieferer Wide Web Abbildung2. Legacy−Systeme, etwa Produktdatenbank COMRIS Architektur fur eine Produktionsplanungsanwendung Die Aquivalente zu den Informationsagenten in COMRIS sammeln statt der Informationen uber Konferenzteilnehmer Zulieferinformationen aus dem WWW und stellen sie einheitlich { entsprechend der Ontologie aufbereitet { im Informationssystem zur Verfugung. Putzersch\-Agenten pegen im Hintergrund die im Informationssystem ab" gelegeten Daten und erganzen sie entsprechend den in der Ontologie denierten Deduktionsregeln. So konnen etwa automatisch Gesamtkosten und Ausfuhrungsdauer eines Planes aus Teilplanen summiert und erganzt werden. Da alle Plane im IS vorhanden sind, kann der Benutzer von auen den jeweils aktuellen Plan ansehen und manipulieren. Abbildung 2 zeigt die adaptierte COMRIS-Architektur im Uberblick. 5 Zusammenfassung und Vergleichbare Systeme Das COMRIS-System ist in der Lage, externe und bestehende Datenquellen einzubinden und ermoglicht ein schnelles Wiederaufsetzen bei einem Ausfall. Es bietet dem Benutzer Transparenz, einfache Erweiterbarkeit und bequeme Eingrismoglichkeiten in den Ablauf. Die Programmierung von Agenten wird durch die indirekte Kommunikation uber das Blackboard erheblich vereinfacht: Es mu nur noch die Schnittstelle zum Blackboard, nicht aber unbedingt zu jedem anderen Agenten programmiert werden. Neue Agenten konnen in das System relativ einfach eingehangt werden. Die Funktionalitat einzelner Agenten kann einfach getestet werden. Ein Nachteil der vorgestellten Architektur ist, da eine zentrale Stelle geschaen wird, die zu einem Flaschenhals werden kann. Gerade diesen Punkt soll eigentlich durch multi-Agenten-Systeme vermieden werden. Die Verwendung von Informationssystemen als Blackboard wird auch in [KHM99] aufgezeigt, jedoch im Planungsstadium, wogegen die Informationsschicht des COMRIS-Systems bereits einsetzbar ist. Ein existierendes Agentsystem fur die skizzierte Anwendungskategorie ist MAPS [WD98], jedoch kommunizieren alle Agenten dort direkt untereinander. Ferner sind alle Systeme vergleichbar, die Teilaspekte realisieren, etwa objektorientierte Informationssysteme mit Deduktionsmoglichkeiten wie CONCEPTBASE [JGJ+ 95] oder OntoBroker [DEFS99], das uber CONCEPTBASE hinaus den Aspekt der Informationsextraktion aus dem Web mit abdeckt. Danksagung Die in diesem Artikel dargestellte Forschung wurde im Rahmen des ESPRIT LTR 25500 COMRIS-Projektes von der Europaischen Union gefordert. Literatur [BPSM98] Tim Bray, Jean Paoli, and C. M. Sperberg-McQueen, editors. Extensible Markup Language (XML) 1.0. World Wide Web Consortium, 1998. http://www.w3.org/TR/1998/REC-xml-19980210. [DEFS99] Stefan Decker, Michael Erdmann, Dieter Fensel, and Rudi Studer. Semantic Issues in Multimedia Systems, Kluwer Academic Publisher, Boston, 1999, chapter Ontobroker: Ontology Based Access to Distributed and Semi-Structured Information. Kluwer Academic Publisher, Boston, 1999. [Fou97] Foundation for Intelligent Physical Agents. Agent communication language, 1997. http://www.pa.org/spec/f8a22.zip. [FS97] M. Fowler and K. Scott. UML Distilled. Applying the Standard Object Modelling Language. Adison-Wesley-Longman, 1997. [Gru93] Thomas R. Gruber. Toward principles for the design of ontologies used for knowledge sharing. 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Klauck, M. Klusch, H.-J. Muller, and J.P. Muller, editors, Intelligent Agents in Information and Process Management, Workshop at the 22nd German Annual Conference on Articial Intelligence (KI98), pages 71{78, Bremen, 1998. TZI-Bericht Nr. 9, Universitat Bremen.