Architektur und Landschaftsgestal

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Architektur und
Landschaftsgestaltung –
konkurrierende
Disziplinen?
Neue Beiträge aus
Holland.
Thema des Seminars
Haveltourismus - Eine Wassersportstation neuen Typs
WS 2000/2001
Verfasser
Iris Karstädt
Doreen Kresse
Lehrstuhl
Bauhaus-Universität Weimar
Entwerfen + Gebäudelehre 1
Seminarleiter
Datum
A/96/K
A/96/I
Prof. H. Rieß
WM S. Ostermeyer, U. Wieler
Februar 2001
Architektur und Landschaftsgestaltung
Inhaltsverzeichnis
1 Ansätze zu einer allgemeinen
Landschaftstheorie...................................................................3
2
Frankreich ...........................................................................4
2.1
Über das Verschwinden der Architektur in der Landschaft ....... 4
2.1.1
3
Beispiel: Ferienhaus in Lège, Cap-Ferret (1998) ............. 4
Spanien................................................................................5
3.1
Barcelona - Vom Wandel der Formen und Konzepte ............... 5
3.1.1
Beispiel:
Parc del Calamot - Einen Ort lesen und
respektieren.................................................................................. 5
3.1.2
4
Beispiel: Ein Netz aus Dreiecken.................................... 6
Landschaftsarchitektur in Holland ...............................7
4.1
Die künstliche Landschaft...................................................... 7
4.1.1
4.2
Beispiel: Villa VPRO in Hilversum .................................. 8
Infrastruktur – Architektur - Landschaft ................................... 9
Beispiel:
Kunst am Stau - Gestaltung von Möwenkolonien am
Osterscheldedamm....................................................................... 9
4.2.2
Beispiel: Flughafengärten - Landschaftsarchitektur in
Amsterdam-Schiphol................................................................... 10
4.3
4.3.1
Bauen in der Landschaft...................................................... 10
Adriaan Geuze und West 8.......................................... 11
Kompakte Wohnsiedlungen ............................................................. 11
4.4.1
Beispiel:
Wohnen
im
Amsterdamer
Hafen
-
Stadtviertel Borneo-Sporenburg................................................... 11
4.5
4.5.1
4.6
REMAKING.NL - Aus Wasser wird Land gemacht................. 14
Beispiel: IJburg - Stadtinseln für Amsterdam................. 14
Der Wohnblock................................................................... 15
4.6.1
Beispiel: „Kop van Zuid“ in Rotterdam .......................... 15
4.6.2
Beispiel:
Omega
Almere
–
Bauen
in
der
Polderlandschaft......................................................................... 15
4.6.3
Beispiel:
Das
CiBoGa-
Gelände
in
Groningen,
Niederlande................................................................................ 16
4.7
Schlussbemerkung.............................................................. 17
Literaturverzeichnis..................................................................... 18
Entwerfen + Gebäudelehre 1
Iris Karstädt, Doreen Kresse
Seite 2
Architektur und Landschaftsgestaltung
1 Ansätze zu einer allgemeinen Landschaftstheorie
Landschaftsarchitektur ist im Gegensatz zur Architektur gesellschaftlich
kaum verankert und muss deshalb in der Zukunft stark gefördert werden.
Gerade Architekten haben oft kein klares Bild vom Nutzen der Landschaftsarchitektur. Der grundlegende Unterschied ist, dass der Landschaftsarchitekt immer eine Landschaft vorfindet, die er dann bearbeitet,
während eine Architektur nie dem Architekten vorausgehen kann. Auch
was den Zeitrahmen und die Maßstäbe betrifft, sind die beiden Professionen sehr verschieden.
Das Spektrum der Eingriffsmöglichkeiten eines Landschaftsarchitekten ist
groß, denn es wird von ihm erwartet, die Komplexität eines bestimmten
Geländes zu verstehen: er muss die aktuellen Nutzungen erkennen, er
muss mit den wöchentlich wechselnden Rhythmen und Ritualen spielerisch umgehen und vor allem muss er die jeder Kultur eigene Bedeutung
von öffentlichem wie von privatem Raum erfassen. Unser Verständnis von
Landschaft hat sich im Laufe der Zeit verändert. Sie ist nicht mehr der
unberührbare Teil unserer Umwelt, sondern wird durch bewusste Eingriffe
des Menschen in ihrem Erscheinungsbild verändert. Dadurch erklärt sich
auch die Notwendigkeit des Berufs des Landschaftsarchitekten.
„temenos“
Die Frage ist, ob es überhaupt eine Beziehung zwischen Architektur und
deren umgebender Landschaft gibt. Bei den Griechen drückt sich diese
Verknüpfung im Begriff „temenos“ aus. Man muss nur den griechischen
Tempel von Segesta in Sizilien aufsuchen, um die dauerhafte Kraft von
„temenos“ zu verstehen. Das außerordentliche Gleichgewicht, das zwischen diesem Bauwerk und dessen Umgebung herrscht, bildet seit über
zwei Jahrtausenden ein Rätsel. Das Werk drückt eine tiefe Verbundenheit
mit der Landschaft sowie Respekt für den Genius loci aus, was der modernen Denkweise völlig abhanden gekommen ist.
Ein Beispiel, wo diese Überlegungen nicht gemacht wurden, finden wir in
Paris. In der Nationalbibliothek wurde eine fremde Landschaft in die Architektur implantiert. Der zentrale Garten mit Kiefern aus Südwestfrankreich wurde in den tiefen Hof eingelassen, von Glas umrahmt und oben
von einem Deck aus exotischen Edelhölzern aus Brasilien oder Afrika
begrenzt. Der Garten besitzt keinen Horizont, ist von seiner Umgebung
und von der Seine, die ihm zu Füßen fließt, getrennt. „Was hat ein Stück
Kiefernlandschaft inmitten einer großen Bibliothek in Paris zu suchen?“
[Christophe Girot, Topos 29/1999, S. 39] Sie kann nicht die unberührte
Landschaft, nach der sich alle Stadtbewohner verzweifelt sehnen, ersetzen. Der große Fehler ist, dass sich der Garten künstlich auf ein Anderswo
bezieht, er gehört nicht zu seinem Standort.
Die Landschaftsarchitektur ist heute auf der Suche nach einer zeitgemäßen und eigenständigen gestalterischen Sprache. Es geht nicht darum,
ein altertümliches Prinzip zu kopieren. Die Planer versuchen sich der
Örtlichkeit und dem besonderen kulturellen Hintergrund bewusst zu werden und darauf zu reagieren. Ursprünglich erlaubte der Geist des „temenos“ beiden Bereichen, Architektur und Landschaft, nebeneinander zu
existieren. Das Hauptproblem heute ist weniger die vernachlässigte Landschaft als die schrittweise Verdrängung der Architektur durch sich selbst
als Folge des städtischen Wachstums und der Verdichtung.
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Tempel von Segesta
Nationalbibliothek in Paris
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Architektur und Landschaftsgestaltung
2 Frankreich
2.1 Über das Verschwinden der Architektur
in der Landschaft
In Frankreich gibt es zur Zeit die Tendenz, Architektur und Landschaft
miteinander verschmelzen zu lassen. Der Grund für diesen Umgang mit
Architektur ist nicht nur in Erklärungen zum Verhältnis zwischen Architektur und Natur zu suchen, sondern möglicherweise in einer Sehnsucht nach
Zurückgezogenheit und Intimität. Das Streben nach einer nicht objekthaften Architektur führt zu einem symbiotischen Verhältnis von Gebäude und
Umgebung.
Die Architektur geht entweder mit dem vorgefundenen Ort eine Liaison ein
oder ordnet sich ihr vollkommen unter. Dadurch verschwinden nicht unbedingt die Grenzen zwischen Innen- und Außenraum, wohl aber jene zwischen Figur und Grund. Ziel dieser Architektur ist es daher nicht, die vorgefundene Topographie zu interpretieren, sondern sich in ihr aufzulösen.
Das Baumhaus ist darauf die architektonische Antwort und findet sich als
konzeptionelles Leitbild in einer Reihe von zeitgenössischen ArchitekturProjekten wieder.
2.1.1
Beispiel:
Ferienhaus in Lège, Cap-Ferret
Die Architekten Anne Lacaton und Jean-Philippe Vascal haben für ihr
Ferienhaus in Lège eine radikale Formensprache gewählt. Um so wenig
wie möglich in die intakte Naturlandschaft am Becken von Arcachon einzugreifen, wurde die absolute Vorrangstellung der Vegetation zum Entwurfskonzept erhoben. Das Gebäude wurde zum Schutz des niederen
Bewuchses aufgeständert. Anstatt die Pinien des Baugrundstückes zu
fällen, ließ man sie das Gebäude durchdringen. Die Baumhausform ergibt
sich aus der konsequenten Umsetzung des Konzeptes. Einerseits unterwirft sich die Architektur der Landschaft, andererseits bringt sich das Haus
gerade dadurch in eine ambivalente Position zwischen Zurückgezogenheit
und Erhabenheit.
In Wirklichkeit bleibt die Naturlandschaft nur vordergründig unangetastet.
Um die Wurzeln der Bäume unter dem Haus mit genügend Feuchtigkeit zu
versorgen, musste ein unterirdisches Bewässerungssystem eingesetzt
werden. Komplizierte Kunststoffmanschetten ermöglichen erst die osmotische Beziehung zwischen Natur und Haus. Das Ferienhaus in Lège stellt
die derzeit radikalste Aussage zum Verhältnis Architektur und Landschaft
dar, nämlich dass sich die Architektur der Landschaft ausnahmslos zu
unterwerfen hat.
2.1.2
Beispiel:
Verschmelzen von Architektur und Landschaft
Ferienhaus in Lège, Cap-Ferret
Holiday Village, Jupilles
In diesem Projekt werden zehn Ferienhäuser von der Natur überwältigt.
Sie verstecken sich im Geäst von Bäumen. Die Architekten Eduard
Franç ois und Duncan Lewis zitieren in ihren Werken immer wieder Bäume, denn sie wollen die Natur domestizieren. Mit der Zeit werden die
Pflanzen als lebendige Hülle die Architektur ergänzen. Auch in der kalten
Jahreszeit sorgen winterharte Lebensbäume für eine Bekleidung der Fassade. Die Architekten erfinden eine neue Welt, in der sich unser Bedürfnis
nach Schönheit manifestiert, zwischen Traum, Poesie und Einfachheit.
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Holliday Village, Jupilles
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Architektur und Landschaftsgestaltung
3 Spanien
3.1 Barcelona - Vom Wandel der Formen
und Konzepte
Noch vor fünfzig Jahren wurde die Freiraumgestaltung in Barcelona vorläufig aufgegeben. Es gab also keine Tradition, auf die sich Planer stützen
konnten, als sie Anfang der achtziger Jahre beschlossen, die längst überfällige Stadterneuerung und Verbesserung der Lebensqualität mit Experimentierlust zu begegnen. Erstmals wurde der öffentliche Raum als ein
Instrument städtebaulicher Entwicklung eingesetzt. Das Bild von Barcelona hat sich mit über fünfhundert öffentlichen Freiräumen verändert. Man
spürt, dass Parks und Plätze, sogar umgestaltete Straßen, Fußgängerzonen, Promenade und Alleen eine große Bedeutung für die Wohn- und
Standortqualität haben.
Anfangs war die Formensprache der Freiraumprojekte stark architektonisch geprägt. Das lag an der Tatsache, dass die ersten Planer noch
Hochbauarchitekten waren. Neuere Anlagen werden komplex und subtil
gestaltet. Die Landschaftsarchitektur löst sich formal von der Architektur,
gewinnt zunehmend Eigenständigkeit und Individualität. Verwendet werden heute fast ausschließlich natürliche Gestaltungselemente, wie Topographie, Vegetation und Wasser. Von zentraler Bedeutung ist dabei zweifellos die Topographie. Sie verleiht dem Freiraum einen unverwechselbaren Charakter und schafft einen Rahmen.
Barcelona
Mit der neuen Formensprache wird die Aussöhnung mit der Natur gesucht. Das führt dazu, dass man die ursprünglichen und oft bäuerlich
geprägten Landschaftsbilder wiederentdeckt und sich aneignet, sie werden in die Stadt zurückgeholt, um hier – geschickt variiert – einen anregenden Gegensatz zwischen Natur und Abstraktion zu schaffen.
3.1.1
Beispiel:
Parc del Calamot - Einen Ort lesen
und respektieren
Mit dem Parc del Calamot versucht Barcelona einen Bereich an der städtischen Peripherie, der von Spannungen und Konflikten geprägt ist, zu
stärken. Für die Planer war gerade dieser Ort, der oft als identitätslos
bezeichnet wird, so interessant, weil mit wenigen deutlichen Eingriffen viel
erreicht werden kann.
Wesentlich für das Projekt waren die „Lektüre“ des Ortes und die Strategie, das Gelände so weit wie möglich zu erhalten. Die vorhandene Vegetation, die diesem Ort den besonderen Charakter verleiht, war für die Freiraumgestalter Ausgangspunkt und Grundlage der Planung: im Norden des
Areals erinnern Johannisbrotbäume an das frühere Landgut Can Ribas; im
Osten steht ein kleiner Pinienhain; im Westen wachsen einige Busch- und
Strauchgruppen. Bauliche Eingriffe wurden auf das Notwendige reduziert,
um das Vorhandene zu respektieren und hervorzuheben.
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Parc del Calamot
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Architektur und Landschaftsgestaltung
3.1.2
Beispiel:
Ein Netz aus Dreiecken
Barcelonas neuer, fünfzehn Hektar großer botanischer Garten liegt am
südwestlichen Abhang des Montjuic. In Form eines weitausgreifenden
Amphitheaters gestaltet, eröffnet sich von hier aus ein faszinierender Ausblick über die Stadt. Der Entwurf hatte das Ziel einen neuen öffentlichen
Freiraum für Barcelona zu entwickeln. Wichtig war vor allem, die topographische interessante Lage zu nutzen sowie auf die geomorphologischen
und klimatischen Bedingungen einzugehen.
Die Pflanzgemeinschaften wurden auf Grundlage eines Netzes aus Dreiecken verteilt, das sich gut in die vorhandene Topographie einfügte. Dieses bestimmte auch das System der Wege. Wo die Böschungen entlang
der Wege zu steil waren, wurden Stützmauern angelegt. Sie wurden zu
einem prägenden Element des Gartens, ähnlich wie in den mediterranen
Kulturlandschaften. Die expressive Geometrie des Gartens setzt sich in
den integrierten neuen Gebäuden und deren baulichen Details fort.
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Ein Netz aus Dreiecken
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Architektur und Landschaftsgestaltung
4 Landschaftsarchitektur in Holland
4.1 Die künstliche Landschaft
Warum gerade in Holland in den letzten Jahren die künstliche (Stadt-)
Landschaft wieder ins Blickfeld gerückt ist, hängt mit dem wiedererlangten
Optimismus und dem Vertrauen in das eigene Können zusammen, das
seit den Ölkrisen der siebziger Jahre verschwunden war. Damals hatten
die Ölscheichs die Preise für Erdöl extrem in die Höhe getrieben. Die
Niederlande waren stark abhängig von der Versorgung, da sie ihre Gewächshäuser mit dem Öl heizen mussten. Um sich dieser Abhängigkeit
weitgehend zu entziehen, haben sie Öl- und Erdgasquellen in der Nordsee
erschlossen und somit ihren wirtschaftlichen Wohlstand wiedererlangt.
Die Niederlande bestehen hauptsächlich aus künstlichen Landschaften
(Poldern) und städtischen Räumen; selbst die natürlich wirkenden Landschaften sind menschengemacht oder zumindest kultiviert. Deshalb sind
hier Natur und Kultur eng miteinander verwoben. Vor ein paar Jahrhunderten standen die Holländer vor dem Problem der Raumnot. Erfinderische Ingenieure legten damals Moore und Binnenmeere trocken und gewannen so die typische Polderlandschaft. So hat sich tief ins Bewusstsein
der holländischen Gestalter eingebrannt, dass ihr Land nicht etwas automatisch Gegebenes ist, sondern nur dank menschlicher Vernunft und
Technik besteht. Das Wissen um diese Künstlichkeit und die erneute
Raumknappheit stimuliert derzeit die Kreativität von Planern. Sie entwerfen am Bild ihres Landes, wie es in zwanzig bis fünfzig Jahren aussehen
soll.
Übersichtskarte Niederlande
Ein sehr bekanntes Beispiel für die neue Künstlichkeit ist die geschichtete
Landschaft des niederländischen Pavillons auf der Expo 2000 in Hannover
vom jungen Architekturbüro MVRDV. Noch im Jahr 1958 gehörten ein
Deich samt grasender Ziege zur niederländischen Präsentation auf der
Expo in Brüssel. Heute ist die Landschaft kein dekoratives Beiwerk mehr,
sondern völlig verwoben mit dem Pavillon, der seinerseits zur Landschaft
geworden ist. Tote Bäume dienen dabei als konstruktive Elemente und
lebende Bäume als Biomasse, womit Architektur und Natur verschmelzen.
In dieser neuen, gebauten Landschaft ist die Natur mehr denn je ein zu
manipulierendes Element.
Die Begriffe Natürlichkeit und Künstlichkeit haben ihre ursprüngliche Bedeutung weitgehend eingebüßt und sind nicht mehr automatische Gegensätze, wie auch sonst nichts mehr das ist, was es zu sein scheint. Die
Baumstrünke, die West 8 als Lichtanlagen über einen Bahndamm nahe
dem Amsterdamer Bahnhof Sloterdijk verteilt hat, wirken ebenso befremdend, wie die Wiese von MVRDV auf dem Dach der Villa VPRO oder die
Folge von Wald, Obstgarten, Heide und Sportplatz, die nach den Plänen
von Schie 2.0 anstelle einer Straße in Almere entstehen soll. Niederländische Landschaftsgestalter, Architekten und Stadtplaner sind sich einig,
dass Landschaft nicht oder nicht nur Natur ist. So wird die Landschaft in
hohem Maße ein manipulierbarer Teil der räumlichen Gestaltung.
Niederländischer Pavillon, Expo 2000
West 8 hat bewiesen, dass Landschaften, Parks und Gartenanlagen nicht
grün sein müssen. Zahlreiche Raumgestaltungen des Büros sind gekennzeichnet durch die untergeordnete Rolle der Flora. Oft erinnert lediglich
das in den Stegen verarbeitete Holz an Natur. Der Erfolg von West 8 und
zahlreichen anderen Landschaftsarchitekten (B+B, DS, Lodewijk Baljon,
Juurlink und Geluk) beruht nicht zuletzt auf ihrer besonderen Begabung,
auch ohne Vegetation zu gestalten, durch Pflasterung, Möblierung, Wasser, aber auch Beleuchtung oder Atmosphäre.
Konstruktive Elemente des Pavillons
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Architektur und Landschaftsgestaltung
Zu dem Prozess der Suburbanisierung, in dem die Bebauung in ökologische Räume vordringt, haben Planer die Subvegetarisierung eingeführt.
Hier ergibt sich eine Landschaft neuer Art, bei der sich die Natur an verstädterte Räume sowie einzelne Gebäude heranschleicht und sie überwuchert. Diese Mischformen von Natur und Architektur sind überall anzutreffen. Beispielsweise erhalten Gebäude Fassadengärten, das Fernheizkraftwerks WOS 8 von NL Architects bekam Hängeplätze für Fledermäuse
an der Gummiaußenhaut und Wohngebäude in Tilburg nach einem Entwurf von Ton Venhoeven wurden willkürlich verteilt, um an die organische
Natürlichkeit zu erinnern. Außerdem schlägt ein Plan von Juurlink und
Geluk vor, das steinerne Wohnumfeld des Beverwaard rigoros zu begrünen. Dies ist kein rein kosmetischer Eingriff, sondern es geht auch darum,
den Charakter des öffentlichen Raums so zu verändern, damit er zu einer
intensiveren Nutzung anregt, als es zur Zeit der Fall ist.
Die Villa VPRO von MVRDV, eine Bürolandschaft, die fließend übergeht in
eine grüne Dachlandschaft, der mit der Landschaft verknüpfte Pavillon auf
der Posbank von Van Gameren und Masterbroek, die Bibliothek in Delft
von Mecanoo, die sich größtenteils unter einer schräg abfallenden Rasenfläche verbirgt – all dies sind Gebäude, bei denen Architektur und Landschaft nicht als zwei nebeneinander stehende Elemente aufgefasst werden, sondern als Einheit. Eine innige Verflechtung von Gebäude und
Landschaft ist schließlich das unterirdische Bauen, das in den letzten
Jahren auf verstärktes Interesse stieß. Diese Pläne sind teils motiviert
durch das Bedürfnis nach intensiver Grundnutzung, teils durch den
Wunsch, die Landschaft möglichst unangetastet zu lassen.
4.1.1
Beispiel:
Ansicht Villa VPRO
Eingangsbereich Villa VPRO
Villa VPRO in Hilversum
VPRO – steht für Vrijzinnig Protstante Radio Omroep – ist eine der ältesten Rundfunkanstalten der Niederlande und wurde 1926 gegründet. Bis
1993 hatte sich der Sender auf zehn Villen in der ganzen Stadt ausgebreitet. Da die Villen den Anforderungen eines Senders nicht mehr genügten, außerdem schlechte innerbetriebliche Kommunikation und Platzmangel herrschten, wurde ein Neubau notwendig. MVRDV bekam 1993
mit einem überzeugenden Entwurf den Auftrag. Sie schafften, mit Hilfe
des Interieurs und der inneren Raumaufteilung, das Villengefühl auf den
Bürobau zu übertragen. Heute nennt man das Gebäude deshalb die „Villa
VPRO“.
Im Inneren der Villa VPRO lösen sich räumliche Hierarchien auf, verformte
Raumbegrenzungen entwickeln ein eigenes Spiel und die verschiedenen
Bereiche verflechten sich vielfältig miteinander. Dies geschah mit der
Absicht, maximale Interaktion zwischen den Mitarbeitern zu ermöglichen.
Eine Betondecke, die gebogen, geknickt und gefalzt wird, verwandelt das
Gebäude zu einer unübersichtlichen Hügellandschaft. Entsprechende
Eindrücke werden dem Besucher schon in der Eingangshalle vermittelt,
wo eine rasant ansteigende Stahlbetondecke zur Ostfassade des Gebäudes hin gezogen wird. Die Idee, mit einem Minimum an Mitteln ein Maximum an „topografischen Eindrücken“ zu erzeugen, prägt den gesamten
Entwurf des Rundfunkgebäudes.
„Fast möchte man die Analogie so weit treiben und als fernes Vorbild für
das komplizierte Raumgefüge der Villa VPRO den Landschaftstypus der
Englischen Gärten ausmachen, wie sie in Stowe und Petworth geplant
worden. In diesen Gärten wird der Spaziergänger ganz selbstverständlich
an unterschiedlichen Szenen vorbeigeführt und zum Nachdenken angerührt. Szenen ohne hierarchische Ordnung, aber mit unterschiedlicher
Thematik, variieren die Spannweite der Eindrücke: vom Intimen eines
dunklen Pfades bis zur weiten Aussicht über einen See.“ [Peter van Assche, Bauwelt 1997, Heft 43/44, S. 2468]
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Innenraum Villa VPRO
„Hügellandschaft“
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Architektur und Landschaftsgestaltung
Wie ein Labyrinth wirkt das ganze Gebäude, nicht durch seine Raumgrenzen, sondern durch deren Entgrenzung. Lufträume übernehmen eine
verbindende Rolle und lassen die verschiedenen Funktionen optisch miteinander kommunizieren. Daraus entstehende Patios strukturieren den
Bau und sind für alle Mitarbeiter von den Arbeitsräumen aus zugänglich.
Grüne Dachgärten zwischen den Büros formen eine Berglandschaft aus
Rampen, Treppen, Spalten und Falzen. Sogar das Gebäudevolumen
wurde wie ein Kubus in eine Bodenwelle der Parklandschaft platziert.
Lange offene Bruchsteinwände auf der Höhe der Kellereinfahrt markieren
den Einschnitt ins Erdreich. Selbst das Dach simuliert durch seine Begrünung Natur. All diese räumlichen Eindrücke führen zu einer Interpretation
des Neubaus als „architektonische Landschaft“ [Peter van Assche, S.
2467].
Kritik:
In diesem Beispiel wird das Gebäude selbst als Landschaft aufgefaßt, die
durch Architekturelemente künstlich erzeugt wurde. Der Beton nimmt
teilweise naturnahe, organische Formen an und ruft so beim Betrachter
ein Gefühl von Landschaft hervor. Es ist aber nur eine simulierte Natur,
die sich sehr abstrakt darstellt. Fühlen, riechen oder hören kann man
diese Landschaft nicht. In der Fassade kommt die künstliche Topografie,
außer der geschwungenen Betondecke, kaum zur Geltung. Jedoch entsteht durch die verschiedenen Formen und Raumkonstellationen ein abwechslungsreicher Innenraum, der die Sinne der Mitarbeiter anregt und
sie vielleicht täglich ein anderes Detail erkennen läßt.
Schnitt Villa VPRO
Dachlandschaft Villa VPRO
4.2 Infrastruktur – Architektur - Landschaft
Verschiedene Vorschläge für „Transferia“, eine Verflechtung von Infrastruktur, Architektur und Landschaft, gehören auch zu den neuen Trends.
In Arbeiten von Adriaan Geuze, Zaha Hadid und Rem Kohlhaas trifft man
auf Versuche, hybride Strukturen zu entwickeln, die unterschiedlichen
Kategorien zugeordnet werden können. Durch Transformationen werden
neue Archetypen entwickelt, die auf einer Architektonisierung von Landschaft und Infrastruktur beruhen, wobei ebenso von einer „Infrastrukturalisierung“ oder „Landschaftizierung“ der Architektur gesprochen werden
könnte.
„Transferia“
4.2.1
Beispiel:
Kunst am Stau - Gestaltung von
Möwenkolonien am Osterscheldedamm
Eine Strategie für die Verflechtung landschaftlicher und infrastruktureller
Elemente ist das Projekt eines Sturmflutdammes in der Region von Zeeland, entlang eines Küstenstreifens von Industriebrachen, Sanddepots und
Restflächen der Landgewinnung. Adriaan Geuze geht vorerst auf die
Ökologie des Ortes ein. Aus den Abfallprodukten der umliegenden Muschel-Industrien wird eine Polderlandschaft aus schwarzen und weißen
Muscheln gebildet. Streifenförmig oder im Schachbrettmuster aufgeschüttet, dienen sie Seevögeln als Brutstätte.
In seiner formalen Struktur nimmt das Projekt großräumig auf die umliegende Landschaft Bezug. Die abwechselnd hellen und dunklen Streifen
der Anlage erscheinen als Erweiterung der angrenzenden Infrastrukturen
und verschmelzen mit diesen zu einem Gefüge.
Weiße und Schwarze Muscheln
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4.2.2
Beispiel:
Flughafengärten - Landschaftsarchitektur in Amsterdam-Schiphol
Der Flughafen Schiphol, rund 10 km südlich von Amsterdam gelegen,
verzeichnet ein rapides Wachstum. Mit 80.000 Arbeitsplätzen besitzt er
längst Großstadtformat. Im Zuge der jüngsten Erweiterung wurde auch
eine umfassende Freiraumgestaltung erforderlich. Die Planung von Adriaan Geuze sieht vor, alle leeren und ungenutzten Flächen systematisch mit
Birken zu bepflanzen. Birken eignen sich besonders gut für Flughäfen, da
große Vögel, die den Flugverkehr behindern, von den dünnen, biegsamen
Zweigen Abstand nehmen. Unter den Bäumen wächst zunächst hellgrüner
Klee, der sich mit Hilfe eigens aufgestellter Bienenstöcke jedes Jahr neu
aussät und später allmählich von Gräsern verdrängt wird.
Flughafen Amsterdam-Schipohl
Je nachdem, wie häufig gemäht wird, zeigt sich dann entweder ein
schlichter Rasen oder eine Blumenwiese. Die „Birkenplantage“ ergibt
einen unauffälligen grünen Kontrast zu den Gebäuden, Verkehrswegen
und Werbetafeln und fasst die verschiedenen Bestandteile des Flughafens
zu einem einheitlichen Gebiet zusammen. Geuze bevorzugt hier einen
eher ökologischen oder botanischen Einsatz von Landschaftsarchitektur.
Der Birkenwald wirkt nicht entworfen, sondern dient als Hintergrund für die
Architektur.
„Birkenplantage“
4.3 Bauen in der Landschaft
Nach wie vor nimmt die städtische Landschaft lediglich ein Viertel des
Gebietes der Niederlande ein, während für Viehzucht, Acker- und Gartenbau doppelt so viel Fläche genutzt wird. Trotzdem haben die Politiker
Angst vor dem Verlust von Naturraum und verteufeln das Bauen in der
Landschaft. Gebaut werden darf nur am Stadtrand, und nur kompakte
Siedlungen. Für jeden Quadratmeter Baufläche bekommt die Landschaft
neunmal soviel Ausgleichsfläche. Am Ende wird dadurch aber die Landschaft ausgelöscht. Landschaftsschutz in dieser Form verleugnet die
Landschaft als lebendiges System, als Ort des täglichen Lebens und Arbeitens. „Die Landschaft braucht Eingriff, nicht Schutz.“ [Timmermanns,
Godefroy, Topos 31/2000, S. 19]
Auch Adriaan Geuze beschäftigt sich in seinen Arbeiten mit dem Thema
der verstädterten Landschaft. Er vertritt ebenfalls die Meinung, dass es
unrealistisch sei, den ländlichen Raum unbebaut zu halten. Neue, der
Landschaft angemessene Wohntypologien müssen ausgearbeitet werden.
Der Wohnungsbau würde die Landschaft dann nicht mehr bedrohen, sondern sie zu neuen, attraktiven Kulturlandschaften weiterentwickeln.
Eigentlich ist auf dem Land alles vorhanden: Geschäfte, Schulen, öffentliche Verkehrsmittel sowie eine ausgebaute, aber nicht ausgelastete Infrastruktur. Timmermanns und Godefroy schlagen vor, Wohnhäuser in die
Landschaft zu zerstäuben. Anstatt das Grün zu zerstückeln, könnten es im
landschaftlichen Maßstab zu großen Flächen gefügt und eine neue
Agrarlandschaft begründet werden. Als Alternative zu den freistehenden
Häusern der Vororte bietet sich eine Bauform an, die unterschiedlich große Wohnungen zu einem kompakten Baukörper mit öffentlichen Höfen
zusammenfasst. In diesem Archetypus sollen landschaftliche Weite und
städtische Dichte ineinander gehen. Hier besäße ein jeder Bewohner
anstelle eines Hauses mit Garten ein Haus mit einer ganzen Landschaft.
Bei der Anlage solcher „Weiler“ ist es wichtig, sie geschickt zu verteilen
und die richtigen Distanzen zu wahren. Erst dann verschmelzen sie mit
der Landschaft.
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„Weiler“
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4.3.1
Adriaan Geuze und West 8
Adriaan Geuze wurde wie viele junge Landschaftsarchitekten in den Niederlanden von den Visionen des Architekten Rem Koolhaas inspiriert. Er
wurde bestärkt in dem Denken, dass der öffentliche Raum nicht bloß
langweilig und zweckmäßig zu sein brauche, sondern dass er zu Bewegung und Erstaunen, Nachdenken und Freude anregen könne. Geuze
gründete 1987 das Büro West 8 in Rotterdam. Er stieg zu einer der prominentesten Gestalten der niederländischen Landschaftsarchitektur auf.
Adriaan Geuze betont, dass er jede Bautätigkeit als Landschaftsarchitektur auffasst, da die niederländische Landschaft ohnehin künstlich und
Architektur nur eine von vielen Metamorphosen von Landschaft ist.
4.4 Kompakte Wohnsiedlungen
4.4.1
Beispiel:
Wohnen im Amsterdamer Hafen Stadtviertel Borneo-Sporenburg
Im östlichen Hafenbereich von Amsterdam befinden sich eine Handvoll
Halbinseln, deren brach liegende Flächen für anspruchsvollen Wohnungsbau erschlossen werden. Begonnen hat diese Entwicklung, als sich der
Amsterdamer Hafen vor 30 Jahren in den Westen der Stadt verlagerte und
die ehemaligen Frachtkais zunächst zu Kohlebunkern, dann zu Wüsteneien verkamen. Seit in den achtziger Jahren Wohnraum teuer und knapp
wurde, erinnerte man sich an die Inseln und konzipierte eifrig Bebauungspläne.
Die Umwandlung der Inseln Borneo und Sporenburg in ein experimentelles Stadtviertel geht derzeit ihrer Vollendung entgegen. Adriaan Geuze hat
mit seinem Landschaftsarchitektur- und Stadtplanungsbüro West 8 den
Masterplan dafür entwickelt. Um die extrem hohe Dichte von 100 Wohneinheiten je Hektar einhalten zu können, sieht sein Plan vor, den überwiegenden Teil der 2300 Wohneinheiten als dreigeschossige, in die Tiefe
organisierte Reihenhäuser mit Flachdach und individuellem Zugang auszuführen. Dafür wurde ein neuer Prototyp der einstigen back-to-backHäuser entwickelt. Die Parzelle für ein Reihenhaus ist zwischen 4,2 m und
6 m schmal und bis zu 40 m tief.
West 8 sieht nur zwei Kategorien von Freiraum vor: außen ist für jeden,
innen ist privat. Es wurde viel introvertierter, privater Raum geschaffen, mit
einer indirekten Beziehung zur offenen, aber typisch holländischen Landschaft: Himmel, Wolken und Weite über dem Wasser. Den Bewohnern
stehen Patios und Dachterrassen zur Verfügung, die einen scharfen Kontrast zur öffentlichen Straße, die nach Geuze „Stadt ausstrahlen“ soll,
darstellen. Die minimalen Freibereiche sollen durch die weite Landschaft
der Hafenbecken kompensiert werden.
West 8 hat entschieden, drei massive Wohnblöcke in die eng benachbarten Hausprototypen hineinzusetzen. Die „Meteoriten“ sollen durch ihr
größeres Volumen die Beziehung zu den Nachbarinseln aufrechterhalten
und das Quartier in der Stadt verankern. Zweitens sollen sie die Silhouette
aus Reihenhäusern auflockern, da Besucher Borneo-Sporenburg nahezu
immer von großer Distanz über das Wasser sehen. Drittens runden die
großen Blöcke das Programm ab: Wohnungen mit Blick über den Hafen,
aber auch Läden und sonstige Dienstleistungseinrichtungen.
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Luftbild der Inseln
1 Java-Eiland
2 KNSM-Eiland
3 Sporenburg
4 Borneo
Back-to-back Häuser
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Für Adriaan Geuze war städtebauliche Einheit ein ebenso entscheidendes
Kriterium, wie Abwechslung und Einfallsreichtum. Die Planung der Reihenhäuser ging deshalb an die verschiedensten Architekten. Er hat innerhalb der vorgeschriebenen Abmessungen Tricks der Architekten zugelassen, um die unterschiedlichsten Lösungen zu forcieren. Im ursprünglichen
Plan war etwa die Verteilung aller Blöcke auf sechs oder sieben Architekten vorgesehen – im ganzen zwar 80 Häuser pro Architekt, aber nur vier in
jeder Reihe. Das wurde im ersten Bauabschnitt umgesetzt. Dann wurde
aus ökonomischen Gründen die Zahl der Architekten verringert, so dass
die Vielfalt erheblich eingeschränkt wurde.
„Meteoriten“
Häuserbeispiele
Durch einen kleinen Binnenhafen wird der östliche Teil von Borneo aufgeteilt. Die auf dem nördlichen der beiden Piere zur Verfügung stehende
Fläche wurde für zwei langgestreckte, gegenüberliegende Reihenhauszeilen und eine dazwischenliegende, elf Meter breite Straße vorgesehen.
Das Amsterdamer Büro „de architektengroep“ hatte hier die vertrackte
Auflage zu lösen, die Autos im Gebäude unterzubringen. Sie heckten eine
ungewöhnliche Lösung aus, bei der die Häuser die Autos schlucken.
Sämtliche Erdgeschosse der 58 Reihenhäuser dienen heute als verkappte
Garagen. Sie werden über die Zufahrtsstraße im Innenhof, die halb überdacht, halb offen ist, erschlossen. So kann der Innenhof mehrfach genutzt
werden, der offene Bereich dient tagsüber als Spielplatz für die Kinder, die
Überdachungen werden von den Bewohnern zu luftigen Loggien umfunktioniert.
„Himmel, Wolken, Weite über dem
Wasser...“
Gegenüber von den Reihenhäusern befindet sich eine Häuserzeile, deren
Rückseite sich zum Binnenhafen hin wendet. Hier wurde im Unterschied
zu den übrigen auf Borneo und Sporenburg realisierten Wohnhäusern, die
durchgehend von großen Generalunternehmern gebaut wurden, 60 privaten Auftraggebern die Möglichkeit gegeben, ihre individuelle Wohnung
zu bauen. Insgesamt waren an der Errichtung 50 verschiedene Architekturbüros beteiligt. Unterschiedlichste Gestaltungen und Bevölkerungsgruppen treffen hier aufeinander. Innerhalb der städtebaulichen Festsetzungen hat West 8 den Bauherren jede Freiheit gelassen. So ist trotz aller
Experimentierfreude ein durchgehendes und einheitliches Straßenbild
entstanden.
Die folgenden Beispiele gehören zu der Reihe der individuellen Häuser für
einzelne Bauherren auf der Halbinsel Borneo.
Schnitt Wohnhaus Bart Vos
Wohnhaus Bart Vos
Eine der kuriosesten Varianten ist die extrem kühl gestaltete „DesignerWohnung“ vom Architekten Koen van Velsen für den Bergsteiger Bart
Vos. Dieses kleine, schmale Haus – pro Geschoss bleiben weniger als 35
m² Wohnfläche – fasziniert durch einen erstaunlichen Luxus im Umgang
mit Raum. Van Velsen arbeitet mit dem Haus-im-Haus-Prinzip: Ein völlig
verglaster Baukörper steht frei in einer äußeren Schale, die die größtmögliche Kubatur auf dem Grundstück umschreibt. Trotz der beengten Verhältnisse gelingen zwischen Schale und Glashaus spannungsvoll inszenierte Außenräume. So gibt es einen inneren Patio, der im Erdgeschoss
als Carport dient und durch einen Baum eine meditative Stimmung erhält.
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Iris Karstädt, Doreen Kresse
Grundrisse Wohnhaus Bart Vos
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Architektur und Landschaftsgestaltung
Wohnhaus Nr. 18
Das Grachtenhaus von MVRDV auf der Halbinsel Borneo experimentiert
mit einem über die gesamte Höhe reichenden Raumkontinuum. Der Luftraum erzeugt trotz der Enge den Eindruck von Großzügigkeit. Nur durch
zwei, zwischen die tragenden Seitenwände gespannte Volumina wird der
Baukörper moduliert. Der eine Körper umschließt die Garage und bildet
eine Nische für die Küche, der zweite bietet Schlafzimmer und Bad die
notwendige Privatheit. Die vertikale Erschließung erfolgt nicht über ein
durchgehendes Treppenhaus, sondern springt und dreht sich als Abfolge
von einzelnen Treppenläufen nach oben.
Kritik:
West 8 lastet den vorhandenen Standort vollkommen aus; die Inseln werden bis zum Maximum bebaut. Somit nutzen sie die schon versiegelten
Flächen der ehemaligen Frachtkais und schonen dadurch die unberührte
Natur. Die Komprimierung von Bebauung einerseits und von Landschaft
andererseits hat zum Vorteil, dass es überhaupt öffentliche Stadtbereiche
gibt und der Landschaftsraum durch Eigenheime nicht in Einzelteile zerstückelt wird.
Eine dichte Bebauung braucht eine weite Landschaft zum Ausgleich. In
Borneo-Sporenburg wird die Natur durch das weite Wasser repräsentiert.
Das öffentliche Grün in Form eines Parks oder Waldes fehlt hier vollkommen. Wie schon im Text erwähnt, ist West 8 dafür bekannt, Landschaftsgestaltung auch ohne Vegetation, hier nur mit Wasser, zu betreiben. Die
gesamte Fläche der Halbinseln wurde bebaut und die Zwischenräume
wurden als Straßenraum gepflastert. Auf einen Garten muss man verzichten. Selbstinitiative heißt es hier für die Bewohner, die sich Bäume ins
Haus einpflanzen und den öffentlichen Raum mit Blumenkübeln besetzen.
Die Natur scheint es auch nur in zwei Maßstabsebenen zu geben: einerseits das öffentliche Wasser, andererseits die privatisierten Naturfragmente.
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Iris Karstädt, Doreen Kresse
Grundrisse Wohnhaus Nr.18
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Architektur und Landschaftsgestaltung
4.5 REMAKING.NL - Aus Wasser wird Land
gemacht
REMAKING.NL war eine Ausstellung im Rahmen des Expo 2000Kulturprogramms der Niederlande. Sie wurde als eine im Wasser
schwimmende Stadt entworfen und sollte etwas für die Niederlande sehr
charakteristisches zeigen: Holland gewinnt aus Wasser Land. In Holland
sind Wasser und Stadt eng miteinander verbunden. Die Präsentation auf
dem Maschsee skizziert ein Bild, wie in den Niederlanden über die permanente Erschaffung und Veränderung der niederländischen Landschaft
nachgedacht wird.
Die jahrhundertlange Angst vor dem Meer ist durch technisches Knowhow und gewaltige Geldmengen beinahe verschwunden. Landschaft wird
heute zu einem manipulierbaren Element. Das Prinzip aus Wasser wird
Land gemacht, ist heute beliebig umkehrbar. Der Themenbereich „remaking the landscape“ beschreibt diese permanenten Veränderungen der
Landschaft in den Niederlanden. Hier werden Projekte zur Trockenlegung,
Wasserhaltung, Poldernutzung und zum Landbau ausgestellt. Polderlandschaften werden z. T. wieder geflutet, um neuen Lebens- und Wohnbedürfnissen gerecht zu werden.
4.5.1
Beispiel:
Remaking NL
Remaking NL
IJburg - Stadtinseln für Amsterdam
Ein Projekt dieser Ausstellung ist die Stadterweiterung Amsterdams ins
IJsselmeer. Der Entwurf für den neuen Stadtteil IJburg besteht aus einem
Archipel von sechs neu angelegten Inseln unterschiedlichster Größe, die
wie Eisschollen im Wasser liegen. Die Stadt sieht hier eine extrem hohe
Wohndichte vor, da der unmittelbare Kontakt der Bebauung zum Wasser
für ausreichende Ausblicke und offene Räume sorgt. Durch die kompakte
Bauweise versucht man, soviel wie möglich von den Qualitäten des offenen Wassers zu erhalten.
Wichtigstes Anliegen war, das Wasser als einen eigenständigen Ort zu
betrachten. Der Bau der Stadt an einem Ort der Natur sollte nicht zur
Vernichtung des Ökosystems führen, sondern es bereichern und in seiner
Vielfalt erweitern. Zahlreiche Schnittstellen eröffnen Möglichkeiten für
neue ökologische Räume wie Seichtwasserflächen, Übergangszonen und
Schutzgebiete. Der Unterschied zwischen glatten und bewegten Oberflächen führt zu einer Differenzierung der Uferlinien: mit Bäumen bepflanzte
Dämme, öffentliche Uferkais, private Gärten am Wasser.
Das Zusammenspiel von Wasser und Land sowie die Gestaltung der Ufer
machen den Landschaftsentwurf von IJburg aus. Er steht dem städtebaulichen Entwurf voran, sowohl im Entwurfsprozess wie auch teilweise bei
der Realisierung. Brücken zwischen den Inseln bilden das entscheidende
Detail in der Gestaltung; auf ihnen spürt man IJburgs Charakter als Inselreich am stärksten. Schneisen zwischen den Inseln und variierte Gebäudehöhen unterstützen die visuelle Transparenz des Archipels.
IJburg
Lageplan IJburg
Die einzelnen Inseln werden ganz unterschiedlich bebaut und erhalten ihr
eigenes Erscheinungsbild. Die Steiger-Insel ist das Experimentiergelände
von IJburg, wo die Wünsche individueller Auftraggeber in verschiedensten
Gestaltungsformen zum Ausdruck kommen. Einen eher städtischen Charakter, mit einem straffen Straßenraster, das durch konkurriende Unternehmen in Mischnutzung bebaut wird, hat die Hafen-Insel. Die abgelegenste Insel wird stärker durchgrünt und erhält eine locker verteilte Bebauung.
Andere Inseln haben Anziehungspunkte, die für die ganze Stadt von BeRaumerlebnis IJburg
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Iris Karstädt, Doreen Kresse
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Architektur und Landschaftsgestaltung
deutung sind, z. B. eine Park-and-Ride-Station, verschiedene Häfen mit
Gastanlegestellen und einen Strand.
4.6 Der Wohnblock
4.6.1
Beispiel:
„Kop van Zuid“ in Rotterdam
In einem groß angelegten Projekt versucht die Stadtplanung den ärmeren
Süden der Stadt Rotterdam an den Norden zu koppeln. Das Europan 5Projekt bildet dabei einen weiteren Baustein. Ausgangspunkt ist die
Grundfrage nach der menschlichen Behausung. Das Ur-Wohnbedürfnis
der Menschen gleichzeitig in Stadt und Natur zu wohnen, spiegelt sich
heute in den flächendeckenden Einfamilienhausgebieten wider. Die geringe Wohndichte lässt jedoch keinerlei städtische Komplexität entstehen,
das Leben beschränkt sich meist auf abendliches Fernsehen, oder man
sucht sich Unterhaltung im Stadtzentrum.
In der holländischen Randstad sind obendrein die Grundstückskosten
derartig hoch, dass als Garten für ein Reihenhaus meist nur noch 35 m²
übrigbleiben. Das Wohnen in der Natur im einzelnen Haus ist hier zu einer
Illusion geworden. Die Bewohner der Randstad kennen meist die unberührte Natur gar nicht mehr, da Parks kaum vorhanden, Wälder erst nach
eineinhalbstündiger Zugfahrt zu erreichen und die wenigen verbliebenen
Naturlandschaften geschützte Reservate sind. Natur wird damit zum seltenen exotischen Gut.
Im Europan-Projekt werden Stücke von Landschaft im Inneren von Rotterdam künstlich wieder neu erzeugt als sinnliche Bereicherung für das abstrakte und hektische Großstadtleben. Die Bewohner erfahren hier alle
Geräusche, Gerüche und Farben als intensives Bild. Als alternative
Bauform tritt der suburbane Wohnblock auf. 300 Wohnungen verteilen
sich auf vier überschaubare Blockgebäude, die jeweils einen Park umschließen. Die Parks sind nicht öffentlich, sondern gehören den Bewohnern gemeinschaftlich. Als Vermittler zwischen städtischem Straßenleben
und Natur haben die Wohnungen eine Tiefe von nur fünf Metern.
Kop van Zuid - Rotterdam
Schnitt Kop van Zuid - Rotterdam
Durch Öffnen der transparenten Glasfassade lassen sich die Wohnungen
vollständig in Terrassen verwandeln. Wohnen sowohl an der Natur als
auch am Straßenleben ist hier möglich, selbst im achten Obergeschoss.
Die dramatische Beziehung zwischen Wohnen, Stadt und Natur erlaubt
eine Vielzahl abenteuerlicher Wohngrundrisse. Abgeliefert als leere
„Lofts“, ermöglichen diese Wohnungen sowohl offene Grundrisse als auch
traditionelle Einteilungen mit Gang und Zimmern.
4.6.2
Beispiel:
Omega Almere – Bauen in der
Polderlandschaft
Die polyzentrische Stadt Almere ist ein Produkt des zweiten niederländischen Raumplanungs-Berichts von 1966 mit über neunzig Prozent Einfamilienhäusern und folglich dorfähnlichem Siedlungscharakter. Seit ihrer
Entstehung wird Almere nachgesagt, weder Gestalt noch Identität zu besitzen. Das Europan-Wettbewerbsgebiet in Almere-Buiten hat eine
Schönheit angesichts der typischen Polderlandschaft. Die Charakteristik
von Almere-Buiten ist die Ansammlung suburbaner Wohngebiete mit nur
sehr geringer Variation. Der einst so weitläufige Landschaftsraum des
Polders wird zu einem Stückwerk aus Gärten und kleinen öffentlichen
Parks.
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Architektur und Landschaftsgestaltung
Omega Almere
So entstand beim Planungsteam Siebold Nijenhuis, Aldo Vos die Idee
eines Gebäudes, das einerseits bescheiden genug ist, um die Landschaft
zu tolerieren, das aber andererseits stark genug ist, um einen neuen Impuls für Almere-Buiten zu geben. Scheinbar eine widersprüchliche Aufgabe: Das Gebäude muss ein dichtes Programm haben, das bis zu einem
gewissen Grad städtisch ist, und es muss gleichzeitig jegliche Form von
Landschaft tolerieren oder sogar mit ihr kommunizieren.
Die Architekten schlagen das Modell Omega vor. In einem großen Rechteckbau wird das Raumprogramm in die Höhe gehoben, um die Landschaft
Teil des Entwurfs werden zu lassen. Leben mit der Landschaft interpretieren sie als Leben über der Landschaft. Im Inneren des Blocks befindet
sich ein Hofraum, der die Landschaft in verschiedene öffentliche Räumen
gliedert und Teil der Identität des Komplexes ist. Zusätzliche Funktionen
wurden in drei Gebäuden im Hof verteilt, um dem Hofraum eine Dimension
zu geben. Trotz seiner Niedrigbauweise schafft die Dichte von Omega
Raum, der dem Polder wieder zugute kommt. Der Maßstab und die Flexibilität von Omega erlauben eine große programmatische Vielfalt. Omega
ist der Übergang zwischen Stadt und Land.
4.6.3
„Leben über der Landschaft“
Beispiel:
Das CiBoGa- Gelände in Groni ngen, Niederlande
Die letzte Lücke im ökologischen Plan der Stadt Groningen wird mit der
Entwicklung des CiBoGa-Geländes am Rande der Altstadt geschlossen.
Es soll Schritt für Schritt mit kompakten Baueinheiten entwickelt werden.
Seit März 2000 baut das Europan 3-Siegerbüro S333, Studio für Architektur und Urbanistik, die ersten beiden Einheiten als eine volumetrische
Landschaft, bei der sich Garten und Gebäude durchdringen. Der Entwurf
von S333 lehnt die Idee des geschlossenen Blocks ab und sieht vor, dass
sich neue Gebäude biegen und verdrehen, je nach den Bewegungsströmen und den Besonderheiten des Gebietes. Untersuchungen führten zu
einem herausfordernden Paradox: Die intensive Nutzungsverdichtung des
Gebietes muss mit einer vergleichbaren „Intensität“ räumlicher Offenheit
verbunden sein.
CiBoGa- Gelände
S333 stellt das monofunktionale Wohnungsprogramm in Frage und
schlägt eine alternative Kombination aus Wohn- und Arbeitseinheiten,
Büros und Heimarbeitsplätzen und eine Mischung aus Freizeit- und kommerziellen Einrichtungen vor, um damit soziale Interaktion und Vielfalt zu
schaffen. Dafür entwickelten sie das Konzept der „Schotsen“. Ein „Schots“
ist ein kompaktes Bauvolumen, das durch Wunschlinien und Ausblicke
erodiert ist und neue Formen öffentlichen Raums enthält. Die Landschaft
im Inneren soll ein System von Ereignissen, Aktivitäten und Funktionen in
sich vereinigen. Supermärkte und kleine Läden beleben auf Straßenniveau den Raum zwischen den zwei „Schotsen“. Horizontale und vertikale
Vegetation legt sich über die zwei Gebäude und treibt allmählich neue
Verbindungen zwischen dem Stadtpark im Westen und dem Kanal im
Osten voran. S333 denkt die Landschaft nicht als etwas, was zwischen
den Gebäuden liegt, sondern als etwas, was sich mit der Architektur erhebt.
Verschiedene Wohnungstypen gruppieren sich zu Bändern, die sich durch
das Gelände weben und dabei auf die wellenförmige Topographie, Höhenunterschiede und die komplexe Geometrie der angrenzenden Gebäude reagieren. Privatgärten sind vom Boden entfernt und durch Wintergärten, Dachgärten und Innenhöfe ersetzt. Die Fassaden werden als integraler Bestandteil der neuen Landschaft betrachtet. Ein Feld aus Holz- und
Glaspanelen soll sich mit dichten vertikalen Wänden aus Kletterpflanzen
„Ereignisse, Aktivitäten im Inneren...“
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Architektur und Landschaftsgestaltung
und Hydrokulturen vermischen. Die Kombination von Farben, Texturen
und Materialien werden den Gebäuden mit der Zeit einen chamäleonhaften Charakter verleihen.
4.7 Schlussbemerkung
Das Poldermodell der Niederlande bietet zwar Spielraum für radikale Vorschläge, doch in der Praxis versanden sie häufig in einem Kompromiss,
denn die Niederlande haben einen übersteigerten Hang zum Konsens. So
werden radikale Pläne von Architekten, Stadtplanern und Landschaftsarchitekten gemeinhin weniger spektakulär ausgeführt als geplant und dienen oft nur als Steine des Anstoßes.
Auch bei den Europan Projekten, wo die verdichtete Großform eine weite
Landschaft für die Bewohner offen halten soll, handelt es sich bisher nur
um experimentelle Entwürfe. Die tatsächlich realisierten Siedlungen sehen
ganz anders aus. Aufgrund immer noch hoher Nachfrage bekommen die
Bauträger ihre Wohnungen ohne Mühe los. An Qualität wird nicht gedacht,
denn die Dichte ist meist zu hoch und die Landschaft hat zu wenig Raum,
um das Gebiet zu prägen. Das öffentliche Grün wird in den neuen Wohnvierteln immer weniger, weil es für die öffentliche Hand nur lästiger, pflegeintensiver Restraum ist. Das Resultat: Enge statt Freiraum.
„Immer noch findet die zentrale Aussage, jeder Niederländer habe das
Recht auf ein Haus im Grünen, bei den populistischen Politikern großen
Anklang. Die endlosen Neubaugebiete erinnern mit ihrer landschaftlichen
Verzierung immer stärker an Themenparks. Statt die Niederlande tatsächlich neu zu erfinden, und zwar auf der Grundlage von aktuellen und zukünftigen Bedürfnissen, laufen wir Gefahr, in fünf Jahren in einem Puzzle
aus recycelten Landschaften und Siedlungen zu sitzen. Holland, remade
oder ready-made?” [Timmermanns, Godefroy, S. 40]
Die holländischen Architekten dürfen trotzdem nicht entmutigt werden. Sie
haben mit ihren visionären Vorschlägen ein enormes Potential entwickelt,
was sie nur geschickt umsetzen müssen. Aus der direkten Verschmelzung
von Architektur und Natur können sehr interessante Gebäude entstehen,
die einerseits Aufmerksamkeit beim Betrachter erregen, andererseits für
die Nutzer eine abwechslungsreiche Kulisse bieten. Beispielsweise war
der holländische Pavillon auf der Expo 2000 in Hannover einer der meistbesuchten Pavillons.
In der Zukunft sollten Architektur und Landschaftsgestaltung enger zusammenarbeiten, denn dieser Kontakt kann nur zu einer Bereicherung der
beiden Disziplinen führen. Dass es funktioniert kann, sieht man an dem
Beispiel Borneo-Sporenburg in Amsterdam. Adriaan Geuze hat hier erkannt, dass die Bewohner die Nähe zur weiten Landschaft suchen. Sie
nehmen dafür sogar eine sehr dichte Bebauung hin, weil sie somit die
gemeinschaftliche Natur erhalten. Geuze hat außerdem auf das Bedürfnis
nach einer Mischung von Introvertiertheit und Leben in der Öffentlichkeit
reagiert. Die Bewohner schotten sich in ihren Patios ab, genießen aber
das urbane Flair auf der Straße und die unmittelbare Nähe zum Wasser.
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Architektur und Landschaftsgestaltung
Literaturverzeichnis
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Angélil, Marc, Klingmann, Anna: Hybride Morphologien – Infrastruktur/Architektur/Landschaft. In: Daidalos, Nr. 73,
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In: Bauwelt, Nr. 43/44, 1997, 2463ff
Figueras, Bet: Ein Netz aus Dreiecken. In: Topos, Nr. 29, 1999, 24ff
Geuze, Adriaan (ein Gespräch): Die Stadt entwickeln ohne Dogma. In: Detail, Nr. 4, 2000, 601ff
Girot, Christophe: Ansätze zu einer allgemeinen Landschaftstheorie. In: Topos, Nr. 29, 1999, 33ff
Gool, Rob van, Raith, Frank-Bertolt: Wohnen auf Borneo-Sporenburg in Amsterdam. In: Baumeister, Nr. 1, 2001, 54ff
Ibelings, Hans (Hrsg.): Die gebaute Landschaft - Zeitgenössische Architektur, Landschaftsarchitektur und Städtebau
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Kempe, André, Thill, Oliver: Rotterdam - Leben an der Scheidelinie. In: Topos, Nr. 30, 2000, 20ff
Lonsdale, John: Rücken an Rücken - Wohnen im Amsterdamer Hafen. In: Topos, Nr. 30, 2000, 102ff
Luiten, Eric. Niederländisches Patchwork. In: Topos, Nr. 31, 2000, 24ff
Mende, Julia von: Von der Implantation zur Diffusion - Über das Verschwinden der Architektur in der Landschaft. In:
Daidalos, Nr. 73, 1999,26ff
Nijenhuis, Siebold, Vos, Aldo: Omega Almere – Bauen in der Polderlandschaft. In: Topos, Nr. 30, 2000, 24ff
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Pousse, Jean-François. Frische Luft für die Landschaftsarchitektur. In: Topos, Nr. 15, 1996, 23ff
Repko, Ymkje: Wer wagt, gewinnt. In: Topos, Nr. 31, 2000, 6ff
Sicilia, Jordi Ferrando: Vom Wandel der Formen und Konzepte. In: Topos, Nr. 29, 1999, 74ff
Timmermanns, Marieke, Godefroy, Pepijn: Jedem Haus seine Landschaft. In: Topos, Nr. 31, 2000, 17ff
Ullmann, Gerhard: Kunst am Stau – Gestaltung von Möwenkolonien am Osterscheldedamm/NL. In: DB, Nr. 6, 1993,
42ff
Uhde, Robert: Wohnbebauung auf Borneo – Amsterdam. In: DB, Nr. 8, 2000, 50ff
West 8: Flughafengärten - Landschaftsarchitektur in Amsterdam-Schiphol. In: Bauwelt, Nr. 39, 1999, 2204ff
Willenbrock, Harald: Die fliegenden Wohnzimmer. In: Architektur und Wohnen, Nr. 1, 2001, 37ff
„Wildes Wohnen“ auf Borneo, Reihenhauszeile in Amsterdam/NL. In: DBZ, Nr. 4, 2000, 66ff
Woodroffe, Jonathan: Das CiBoGa-Gelände in Groningen, Niederlande. In: Topos, Nr. 30, 2000, 84ff
www.remaking.nl
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