4.2.2 Hochspannungsnetze

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4 Elektrische Hoch-, Mittel- und Niederspannungsnetze
4.2.2Hochspannungsnetze
4.2.2.1 Planungsgrundsätze von Hochspannungsnetzen
Als Grundlage für die Netzplanung dient ein Netzausbauplan, der im Hinblick auf die
Anbindung an höhere Spannungsebenen mit dem ÜNB abgestimmt ist. Grundlagen
der Ermittlung des Netzausbauplanes für den Versorgungsbereich eines ÜNB werden
in Kempmann und Schweer (2013) und Wartschinski (2013) vorgestellt. Die mit Änderungen in der Netztopologie verbundenen Genehmigungsverfahren sind vergleichsweise
langwierig. Typische Zeiträume für die Planung, Genehmigung und Errichtung einer
Hochspannungsfreileitung liegen je nach Trassenlänge und -führung bei etwa 3–5 Jahren. Eine praxisbezogene, vertiefte Darstellung enthält Posser und Faßbender (2013).
Hochspannungsnetze können daher nur langsam an sich ändernde Versorgungsaufgaben angepasst werden und weisen einen individuelleren Charakter als nachgeordnete
Verteilnetzebenen auf.
Hochspannungsnetze sind durch Übergabepunkte an das Übertragungsnetz angebunden. An den Kuppelstellen sind ein bis drei Transformatoren mit meist je 160, 200 oder
300 MVA Scheinleistung installiert. Die Netze werden in Deutschland praktisch ausschließlich mit einer Nennspannung von 110 kV betrieben. Im Normalbetrieb erstreckt
sich das betriebliche Spannungsband etwa von 108 bis 121 kV.
Typische Planungsvorgaben für Hochspannungsnetze bestehen in Folgendem:
• es werden vermascht betriebene Teilnetze aufgebaut, deren Größe sich nach den
maximal beherrschbaren Fehlerströmen richtet
• die Teilnetze werden (n − 1)-sicher ausgelegt. Unternehmensintern werden für den
Störungsfall zulässige höhere Belastbarkeiten der Betriebsmittel (Freileitungen,
Kabel, Transformatoren) sowie zulässige nach unten erweiterte Spannungsbänder
festgelegt. Orientierungswerte für zulässige Belastbarkeit von Transformatoren gibt
Bochanky (1985).
• Für den Umbruch eines Mastes, der meist den gleichzeitigen Ausfall von zwei Stromkreisen zur Folge hat, sind die Netze nicht ausgelegt.
• die Sternpunktbehandlung erfolgt entweder mit niederohmiger Erdung oder erdschlusskompensiert
• die Planung erfolgt meist für einen Zeitraum von 15–20 Jahren. Für diesen Zeitraum wird ein jährlicher Lastzuwachs von 1 % angenommen. Die maximale Last
wird meist aus dem Durchschnitt der 10 maximalen Tageshöchstwerte eines Winters
bestimmt.
Eine Planungsmethode für die Netzertüchtigung eines Hochspannungsnetzes stellt
Romeis et al. (2014b) vor. Durch den FNN wir derzeit die Anwendungsregel VDE-AR-N
4121 „Planungsgrundsätze für 110-kV-Netze“ erarbeitet.
4.2 Elektrische Verteilnetze der allgemeinen Versorgung
189
Die Abgrenzung von Hochspannungsnetzen zu darüber- und darunterliegenden Spannungsebenen wird unterschiedlich gehandhabt (s. Abschn. 4.1.1). Für die folgende Darstellung umfasst das Hochspannungsnetz den Bereich zwischen dem Leitungsabgang
am unterspannungsseitigen Schaltfeld der Netzebene 2 (Umspannung HöS/HS) und den
unterspannungsseitigen Klemmen des Transformators HS/MS im Umspannwerk.
4.2.2.2 Betriebsmittel und Aufbau von Hochspannungsnetzen
Zu den Betriebsmitteln im beschriebenen Bereich zählen Leitungen als Freileitungen
oder als Kabel, sowie Hochspannungsschaltanlagen, Transformatoren und Erdschlussspulen in Umspannwerken.
Der Aufbau von Freileitungen erfolgt grundsätzlich nach der geltenden Norm (DIN
EN 50341). Hauptinhalte und Änderungen im Vergleich zur nationalen Vorgängernorm
DIN VDE 0210 stellt (Hussels 2002) dar.
Praktisch werden Hochspannungsfreileitungen fast ausschließlich als Doppelfreileitungen errichtet. In Ausnahmefällen kommen auch Vierfachfreileitungen zum Einsatz.
Für die Beseilung bei Neubauten und Leitungsertüchtigungen hat sich der Nennquerschnitt 265/35 mm2, entsprechend dem Leiterseiltyp 264-AL1/34-ST1A durchgesetzt. Er
erlaubt als Einerbündel bei einem Nennstrom von 680 A eine Leistungsübertragung von
130 MVA. Üblich ist ebenfalls die Verlegung von Zweierbündeln mit dann verdoppeltem Übertragungsvermögen. Ebenfalls angewandt werden Leiterseile mit einem Nennquerschnitt von 240/40 mm2. Bei höheren mechanischen Anforderungen kommen bei
gleichen Nennquerschnitten Leiterseile mit erhöhter Bruchkraft und etwas geringerer
elektrischer Leitfähigkeit zum Einsatz.
Grundlegend für die Strombelastbarkeit und damit das Übertragungsvermögen einer
Freileitung ist die maximal zulässige Leiterseiltemperatur. Für diese Temperatur und den
damit verbundenen Durchhang der Leiterseile sind die in (DIN EN 50341) geforderten
Abstände einzuhalten. Die maximal zulässige Leiterseiltemperatur beträgt für Leitungsneubauten zur Berechnung des Durchhanges meist 80 oder 120 °C. In der Vergangenheit war es im Rahmen einer Risikobemessung auch üblich, den maximalen Durchhang
für eine Leiterseiltemperatur von 40 °C zu bestimmen, jedoch eine Strombelastbarkeit
zuzulassen, die unter zugrunde gelegten Umgebungsbedingungen (Lufttemperatur 35 °C
und Windgeschwindigkeit 0,6 m/s) eine Leiterseiltemperatur von 80 °C hervorruft
(Bochanky 1985).
Zur optimalen Ausnutzung der witterungsabhängigen Stromtragfähigkeit vorhandener
Freileitungsseile wird verstärkt das Freileitungsmonitoring eingesetzt. Grundlagen dazu
werden in Lange und Focken (2008) erläutert. Die dafür erforderlichen Daten zu Windgeschwindigkeiten und -richtungen, Lufttemperaturen und Sonneneinstrahlungen werden
auch von einigen Herstellern von Windkraftanlagen zur Verfügung gestellt und können
bei geeigneten Anlagenstandorten entlang der Leitungstrasse genutzt werden.
Eine weitere Möglichkeit, relevante Daten direkt von den Leiterseilen der Freileitung zu gewinnen, wurde in einem Projekt „Astrose“ untersucht. Im Abstand von 500 m
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4 Elektrische Hoch-, Mittel- und Niederspannungsnetze
werden sogenannte Sensorknoten direkt an die Freileitungen angebracht. Sie messen
neben der Windstärke und der Temperatur auch die Neigung und die Bewegung der
Leiterseile sowie den Stromfluss. Die Daten werden viertelstündlich über Funk entlang
der Freileitung bis zu einer Basisstation im Umspannwerk übermittelt. Die elektrische
Leistung zur Versorgung des Sensorknotens wird aus dem elektrischen Streufeld der
Freileitung gewonnen (Voigt 2013). In Abb. 4.7 zeigt einen in Betrieb befindlichen Sensorknoten auf einer 110 kV-Freileitung in Sachsen.
Die durch das Freileitungsmonitoring möglichen Erhöhungen der Strombelastbarkeit
sind erheblich. Für ein Leiterseil vom Typ 264-AL1/34-ST1A erhöht sie sich beispielhaft
von
• 680 A bei einer Lufttemperatur von 35 °C, Sonneneinstrahlung und einer Windgeschwindigkeit von 0,6 m/s auf
• 1090 A bei einer Lufttemperatur von 25 °C, Sonneneinstrahlung und einer Windgeschwindigkeit von 5,5 m/s
jeweils bei einer Leiterseiltemperatur von 80 °C.
Eine weitere Möglichkeit zur Erhöhung der Übertragungsleistung einer Freileitung
bietet der Einsatz von Hochtemperaturleiterseilen. Darunter werden Leiterseile mit einer
zulässigen dauerhaften Betriebstemperatur von über 80 °C verstanden.
Durch den Einsatz von Leiterseilkernen aus hochtemperaturfesten Materialien unter
anderem Kohle- oder Keramikfasern wird die Erhöhung des Leiterseildurchhanges bei
steigenden Temperaturen verringert. Dadurch kann die zulässige Temperatur der Leiterseile nach Herstellerangaben bis auf über 200 °C erhöht werden. Die mögliche Strombelastbarkeit steigt dadurch um über 50 %. Einen Überblick zum Stand der Technik von
Abb. 4.7  Sensorknoten Astrose in einer 110 kV-Freileitung in Sachsen. (Foto: ASTROSE und
Fraunhofer Gesellschaft)
4.2 Elektrische Verteilnetze der allgemeinen Versorgung
191
Hochtemperaturleiterseilen gibt (Krapp 2012). Die Randbedingungen zur Planung und
zum Einsatz werden in einem Technischen Hinweis des FNN erläutert (FNN 2013).
Nicht zu vernachlässigen sind allerdings die dabei auftretenden enormen Netzverluste. Sie sind in Tab. 4.3 als Stromwärmeverluste für eine beispielhafte Trasse mit
Standardleiterseilen ohne und mit Freileitungsmonitoring sowie vergleichend mit Hochtemperaturleiterseilen aufgeführt.
Zu beachten ist, dass diese Verluste durch Spannungsfälle entlang der Freileitung entstehen. Diese Spannungsfälle müssen im Umspannwerk noch ausgeregelt werden können.
Neben den Netzverlusten sind zur Beurteilung des Einsatzes von Hochtemperaturleiterseilen die um ein Mehrfaches höheren Kosten für Material und Montage zu berücksichtigen.
Je nach Mastbauform der Trasse werden noch ein oder zwei Erdseile mitgeführt.
Diese Seile werden auch mit Datenkabeln auf Basis von Lichtwellenleitern ausgestattet
und als LWL-Luftkabel bezeichnet. Erdseile dienen
• dem Schutz der Leiterseile vor direkten Blitzeinschlägen
• der Reduzierung des über das Erdreich abfließenden Stromes und damit der um den
Mastfuß möglichen Schrittspannungen bei Netzfehlern.
Der übliche Nennquerschnitt beträgt Al/St 95/55 mm2, im Bereich von einspeisenden
Umspannwerken werden aufgrund der höheren Kurzschlussströme auch größere Leiterquerschnitte eingesetzt. Werden Erdseile isoliert am Mast aufgehängt und mit einem leitfähigen Band mit dem Mast verbunden, kann nach Lösen des Bandes der Erdwiderstand
des betreffenden Mastes gemessen werden.
Die Leiterseile sind über Isolatoren an den Traversen der Masten aufgehängt. In
Deutschland werden in Hochspannungsfreileitungen ausschließlich Hängeisolatoren als
Langstäbe eingesetzt. Sie bestehen üblicherweise aus Porzellan aber auch aus Kunststoff. Ein weit verbreiteter Isolatortyp trägt die Bezeichnung LG 75/22/1270. Die Zahlen
Tab. 4.3  Verlustleistungen von Hochspannungs-Freileitungstrassen 50 km, zwei Systeme, beseilt
mit Nennquerschnitt Al/St 265/35 als Einleiter und Belastung mit maximal zulässigem Betriebsstrom; Vergleich für ein Standardleiterseil Typ 264-AL1/34-ST1A ohne und mit Freileitungsmonitoring und ein Hochtemperaturleiterseil (HTSL)
Leiterseiltemperatur/°C Trassenverluste/MW
Anteil der Verluste
an der thermischen
Grenzleistung/%
Standard 35 °C; 0,6 m/s
80
6,25
2,4
Standard 25 °C; 5,5 m/s
80
16,05
3,82
HTSL
210
22,34
5,4
Seiltyp
Betriebsbedingungen,
Umgebungstemperatur; Windgeschwindigkeit
35 °C; 0,6 m/s
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4 Elektrische Hoch-, Mittel- und Niederspannungsnetze
stehen der Reihenfolge nach für den Durchmesser des Isolators in mm, für die Anzahl
der Isolatorkappen und für die Montagelänge des Isolators in mm.
Bei Masten unterscheidet man je nach Funktion in
• Tragmasten zur Aufnahme des Seilgewichtes
• Abspannmasten bei Eckpunkten im Trassenverlauf zur zusätzlichen Aufnahme der
Seilzugkräfte und
• Endmasten, die eingesetzt werden, wenn die Freileitung in ein Umspannwerk eingeführt wird oder in eine Kabelanlage übergeht.
Darüber hinaus werden bei längeren Leitungen an sogenannten Verdrillungsmasten die
Plätze der Leiterseile am Mast zur Symmetrierung der elektrischen Parameter zyklisch
vertauscht.
Tragmasten werden meist auf je 4 gebohrten oder gerammten Einzelpfählen montiert,
für die mechanisch deutlich höher belasteten Abspann- und Endmasten ist eine Gründung mit einem Plattenfundament, bestehend aus einer erdüberdeckten Platte mit 4
zylindrischen Köpfen, üblich.
Aufgrund der deutlich massiveren Konstruktion liegt die Masse von Abspann- und
von Endmasten mit ca. 12–15 t deutlich über der Masse von Tragmasten mit etwa 6–9 t.
Bei Aufhanghöhen der Leiterseile von etwa 20 bis 30 m und Zugspannungen von
etwa 80 N/mm2 ergeben sich im Flachland Spannfeldlängen von etwa 250 bis 300 m. Bei
Erdseilen mit deutlich niedrigerem zulässigem Durchhang sind Zugspannungen von etwa
160–180 N/mm2 üblich. Aktuelle Entwicklungen zur Gestaltung von Hochspannungsfreileitungsmasten werden in Kos (2013) vorgestellt.
Die erforderliche Trassenbreite richtet sich nach der Mastbauform. Der von den Leiterseilen überspannte Bereich zuzüglich der bei seitlicher Auslenkung der Leiterseile bei
Wind überstrichenen Flächen und des elektrischen Sicherheitsabstandes wird als Leitungsschutzstreifen bezeichnet. Diese Schutzstreifen werden durch die Verteilnetzbetreiber vor bzw. mit der Errichtung der Leitung als beschränkte persönliche Dienstbarkeit
dinglich gesichert und im jeweiligen Grundbuch eintragen.
Einen umfassenden Überblick über das Gebiet der Freileitungen gibt Kießling
et al. (2001).
Neben Freileitungen kommen im Hochspannungsnetz auch Kabel zum Einsatz. Der
Einsatz ist im Vergleich zur Freileitung jedoch deutlich geringer.
Als wesentliche Gründe für eine Verkabelung kommen in Frage:
•Zeitgründe, wegen der in der Regel unproblematischeren Durchführung des
­Genehmigungsverfahrens
• Schutzgebiete, die nicht durch Freileitungstrassen zerschnitten werden dürfen
• mangelndes Platzangebot für Trassen und Mindestabstände in Siedlungsgebieten
• der Anschluss von Umspannwerken, die nicht direkt mit Freileitungen erreicht werden können
4.2 Elektrische Verteilnetze der allgemeinen Versorgung
193
Bei Leitungsneubauten kommen praktisch ausschließlich längswasserdichte, VPEisolierte Einleiterkabel mit Aluminiumleiter vom Typ N(A)2XS(FL)2Y zum Einsatz.
Durch das unterschiedliche thermische Verhalten weist ein System aus drei Einleiterkabeln mit einem Leiterquerschnitt von 630 mm2 Kupfer oder einem Leiterquerschnitt von
1000 mm2 Aluminium die gleiche Stromtragfähigkeit auf wie eine Freileitung mit dem
Standard-Nennquerschnitt Al/St 265/35 mm2 (Hofmann und Oswald 2010). Der Einsatz
von Kabeln mit Aluminiumleitern ist meist wirtschaftlicher.
Eine Gegenüberstellung von Freileitung und Kabel aus elektrotechnischer Sicht unter
anderem bezüglich des Netzbetriebs gibt (Hofmann und Oswald 2010). Vorgaben zur
Vorgehensweise beim Einsatz von Kabeln in Freileitungsnetzen in der Hochspannungsebene enthält VDE-AR-N4202 (2015).
Das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG 2015) enthält seit der Fassung vom August
2011 unter § 43 h eine grundsätzliche Vorgabe zur Verkabelung von Neubaustrecken von
Hochspannungsleitungen mit Nennspannungen von 110 kV oder weniger. Die Vorgabe
zur Verkabelung ist unter anderem an einen maximalen Faktor von 2,75 für die Gesamtkosten der Errichtung und des Betriebes der Kabelanlage im Vergleich mit einer technisch gleichwertigen Freileitung gebunden.
Im Gegensatz zu Freileitungen und in Luft verlegten Kabeln weisen erdverlegte Kabel
durch die Wärmeableitung in das umgebende Erdreich wesentlich höhere thermische
Zeitkonstanten auf. Dadurch ist es möglich, bei wiederkehrenden Lastspielen im Zeitbereich von Stunden oder einem Tag eine thermisch gleichwertige Strombelastbarkeit
heranzuziehen. Diese Kennzahl wird als Belastungsgrad mb bezeichnet und kann nach
Gl. 4.1 bestimmt werden. Sie entspricht dem relativen arithmetischen Mittelwert der
effektiven Belastung.
1
mb =
24h · Imax
t=24h
ˆ
I(t)dt
(4.1)
t=0
Während für Freileitungen und in Luft verlegt Kabel ein Belastungsgrad von 1,0 üblich
ist (Dauerlast), wird für die Bestimmung der Strombelastbarkeit von Kabeln meist ein
Belastungsgrad von 0,7 zugrunde gelegt, die sogenannte EVU-Last. Aufgrund der zeitlichen Erzeugercharakteristik treten bei Leitungen zum direkten (ohne Zwischenspeicherung oder Eigenverbrauch) Anschluss von Fotovoltaikanlagen keine Belastungsgrade
über 0,7 auf (Kerber und Witzmann 2009). Bei Leitungen zum Anschluss von Windkraftanlagen ist mit höheren Belastungsgraden zu rechnen (Brakelmann 2004).
Für einige Kabelverbindungen in Elektroenergienetzen, wie Kabelverbindungen zu
Sternpunktdrosseln, ist ebenfalls ein anderer Belastungsgrad zu berücksichtigen.
Möglichkeiten zur Optimierung der Strombelastbarkeit erdverlegter Energiekabel
durch die Einbeziehung der Bodentemperatur und des -wasserhaushaltes gibt Trink
et al. (2013).
Hochspannungsschaltanlagen werden als Freiluftschaltanlagen oder als Innenraumschaltanlagen errichtet. In Netzen der allgemeinen Versorgung kommen standardmäßig
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4 Elektrische Hoch-, Mittel- und Niederspannungsnetze
Freiluftschaltanlagen zum Einsatz. Innenraumschaltanlagen werden eingesetzt, wenn es
aus Platz- oder Verschmutzungsgründen erforderlich ist. Freiluftschaltanlagen werden
praktisch ausschließlich luftisoliert ausgeführt. Eine Ausnahme bildet der Leistungsschalter, der mit Schwefelhexafluorid (SF6) gasisoliert ist. Innenraumschaltanlagen sind
aufgrund des wesentlich geringeren Platzbedarfes bei Neubauten grundsätzlich gasisoliert. Durch entsprechende Ertüchtigung können gasisolierte Anlagen auch im Freien
angeordnet werden.
Von ihrer Grundstruktur her sind bei Hochspannungsschaltanlagen in Verteilungsnetzen verschiedene Varianten üblich. Vor allem bei Einspeiseumspann-werken und an
Netzknoten werden Sammelschienenanlagen eingesetzt. In Abb. 4.8 sind übliche Strukturen von Sammelschienenanlagen gezeigt. Dargestellt sind neben den Leitungen und
Sammelschienen nur die Schaltgeräte und die Transformatoren. In der Einspeisung über
die 110 kV-Leitungen sind die Leitungsabgangserder, die Leitungsabgangstrenner, die
Leistungsschalter und die Sammelschienentrenner angeordnet. Die Transformatoren
sind mit der Sammelschiene über Sammelschienentrenner und Leistungsschalter verbunden. Die Grundvariante stellt die Einfachsammelschiene dar. Sie ist an mindestens zwei
Hochspannungssystemen angebunden. Zur Erhöhung der Flexibilität dient der Ausbau
Abb. 4.8  Grundschaltung und Schaltungserweiterungen für eine 110 kV-Schaltanlage als Sammelschienenanlage zur Anbindung eines Umspannwerkes
4.2 Elektrische Verteilnetze der allgemeinen Versorgung
195
als Doppelsammelschienenanlage. Zusätzliche Erweiterungen um mit Leistungsschaltern
bestückte Kupplungen als Längskupplung oder als Querkupplung verstärken die Freizügigkeit im Betrieb und bei Reparaturen weiter.
Andere Umspannwerke werden als Stichanschluss oder als Einschleifung ausgeführt.
Die Abb. 4.9 zeigt die Varianten eines Stichanschlusses.
Die Anbindung der Transformatoren erfolgt hier über Leitungsabgangserder, Leitungsabgangstrenner und Leistungsschalter. Einfachstichanschlüsse weisen keinerlei
Redundanz auf und werden in Netzen der öffentlichen Elektroenergieversorgung kaum
angewandt. Ihr Einsatzgebiet liegt in der einfachen Anbindung von Erzeugungsanlagen.
Die Grundschaltung einer Einschleifung zeigt Abb. 4.10. Mindestens eine der durchlaufenden 110 kV-Leitungen wird aufgetrennt und die Transformatoren an die beiden
entstehenden Leitungshälften über Leitungsabgangserder, Leitungsabgangstrenner,
Abgangstrenner und Leistungsschalter angebunden. Der zwischen den Leitungsabgangstrennern und den Abgangstrennern angeordnete schaltbare Querzweig ermöglicht einen
freizügigen Betrieb der Anlage. Bei entsprechender Platzreserve kann diese Schaltungsvariante durch Umbau eines Doppelstichanschlusses erreicht werden.
In Umspannwerken kommen ölisolierte Transformatoren in Freiluftaufstellung zum
Einsatz. Ihre Nennscheinleistung liegt innerhalb der Reihe
16 MVA; 20 MVA; 25 MVA; 31,5 MVA; 40 MVA; 50 MVA; 63 MVA
Vorzugswerte sind fett markiert. Abb. 4.11 zeigt einen Transformator in einem Umspannwerk. Rechts im Bild zu sehen ist die Zuführung der Hochspannung über Stützisolatoren,
Leistungsschalter und Überspannungsableiter. Unmittelbar vor dem Transformator wird
die unterspannungsseitige Verkabelung in einen Kabelgraben geführt. Im Hintergrund ist
ein gleicher, vorgerüsteter zweiter Transformatorstandort für eine möglichen künftigen
Ausbau zu sehen.
Abb. 4.9  Grundschaltung und Schaltungserweiterungen für eine 110 kV-Schaltanlage als Stichanschluss zur Anbindung eines Umspannwerkes
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4 Elektrische Hoch-, Mittel- und Niederspannungsnetze
Abb. 4.10  Grundschaltung einer 110 kV-Schaltanlage als Einschleifung zur Anbindung eines
Umspannwerkes
Die Transformatoren verfügen über unterhalb der Kühlrippen angeordnete Ventilatoren zur Verbesserung der Kühlung. Je nach Leistung des Transformators sind meist 16
bis 20 Ventilatoren montiert. Obwohl deren Leistung mit je etwa 150 W relativ gering
ist, werden Transformatoren in Umspannwerken üblicherweise in der Betriebsart ONAN
betrieben. Die ersten beiden Buchstaben stehen für den Kühlkreis innerhalb des Gehäuses (oil natural) – Öl mit Naturumlauf und die folgenden beiden Buchstaben für den
Kühlkreis außerhalb des Gehäuses (air natural) – Luft im Naturzug. Bei Nutzung der
Ventilatoren ist eine Leitungserhöhung der Transformtoren um meist etwa 27 % möglich.
Diese Betriebsart wird mit ONAF bezeichnet. Im Außenkreis (air forced) wird der Luftstrom künstlich erzeugt. Damit erhöht sich die mögliche Scheinleistung auf die jeweils
nächsthöhere Stufe in der oben aufgeführten Reihe. Ein Transformator mit einer Scheinleistung von 31,5 MVA in der Betriebsart ONAN ist somit in der Betriebsart ONAF mit
40 MVA belastbar.
Zur Spannungsregelung in den nachgeordneten Mittelspannungsnetzen sind die
Transformatoren mit Laststufenschaltern ausgestattet. Diese ermöglichen die stufenweise
Veränderung des Übersetzungsverhältnisses des Transformators unter Last. Dazu wird
die Oberspannungswicklung in eine Stammwicklung und eine Regelwicklung unterteilt.
Üblich sind ±9 Stufen mit jeweils 1,75 % Spannungsänderung. Durch entsprechende
Wahl der Stufenschalterstellung im Normalbetrieb ist so eine Spannungsänderung im
Bereich von +10 bis −20 % möglich.
Die zulässigen Verluste von Transformatoren werden aktuell durch die im Juli 2015 in
Kraft getretene 1. Stufe der „Ökodesign-Verordnung der Europäischen Kommission für
4.2 Elektrische Verteilnetze der allgemeinen Versorgung
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Abb. 4.11  Ansicht eines Transformators und dessen Anbindung im Umspannwerk Freiberg.
(Foto: enviaM)
Transformatoren“ geregelt (EU 2014). Vorgegeben werden prozentuale Mindestwerte für
den maximalen Wirkungsgrad.
4.2.2.3 Kennzahlen von Hochspannungsnetzen
Von den etwa 870 Verteilnetzbetreibern in Deutschland unterhalten etwa 105 VNB Hochspannungsnetze. Weitere etwa 120 VNB betreiben Umspannwerke (GET 2014). Die
gesamte Stromkreislänge beträgt ca. 92.000 km mit etwa 2700 Netzknoten. Es sind etwa
4000 Hochspannungschaltanlagen im Einsatz (Büchner et al. 2014).
Hochspannungsnetze stellen bei weitem überwiegend Verteilungsnetze dar und
erschließen damit ein Versorgungsgebiet. Bis auf Anschlussstellen direkt versorgter
Netzkunden und Kuppelstellen zu vorgelagerten Spannungsebenen können die Netzstruktur und die Leitungstrassierung vom VNB weitgehend frei bestimmt werden. Der
Aufbau der Netze spiegelt die Abnehmer- und damit die Lastdichte wider.
Die im Folgenden verwandten Begriffe zu Kennzahlen sind in BDEW (2012) definiert. In Abb. 4.12 sind die Einwohnerdichten und die geografischen Flächen deutscher
Hochspannungsnetze gezeigt.
Deutlich zu erkennen sind zwei Schwerpunkte. Einerseits städtische VNB, die geografische Flächen zwischen etwa 50 und 500 km2 mit Einwohnerdichten zwischen
etwa 500 und 5000 Ew./km2 aufweisen und versorgen. Andererseits ländliche VNB mit
http://www.springer.com/978-3-642-55296-0
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