Tragik und Zärtlichkeit - Hans

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KULTUR
FREITAG, 20. MÄRZ 2015 | NR. 67
Er kramte
35 Jahre in der
Rumpelkammer
Auf dem Podium im
Zeitgeschichtlichen
Forum (v.l.):
Moderatorin
Alexandra Gerlach,
Frank Richter,
Antje Hermenau,
Hans-Joachim Maaz
und Jan Emendörfer.
Willi Schwabe wäre morgen
100 Jahre alt geworden
Fotos: Wolfgang Zeyen
Von norbert Wehrstedt
Er sah aus wie ein Grandseigneur. Silberweißes, Haar, streng gekämmt und
scharf gescheitelt, Hornbrille, dezenter
Anzug, Krawatte. Undenkbar, dass Willi
Schwabe sich in Jeans gezwängt hätte.
Er wirkte in den 60ern, 70ern wie einer,
der aus anderen Jahrzehnten kam. Was
sicher auch an jenem monatlichen Gang
in die Adlershofer„Rumpelkammer“ lag,
den er seit 1955 machte. 387 Mal schloss
er bis 1990 die Bodentür auf, um dahinter in ein Reich aus staubigen Requisiten, Anekdoten und Erinnerungen an
alte, deutsche Filme einzutauchen. Das
machte er mit einer sonoren Stimme, die
launig über Entdeckungen plauderte
und voll sanfter Ironie steckte. Er mochte hörbar das, was er da auskramte, auch
wenn er Distanz wahrte. Nazi-Unterhaltungsfilme waren schließlich keine so
einfache Ware, auch wenn sie Montag
für Montag im DDR-Fernsehen liefen.
Hinter dem Mann mit Laterne und im
altertümlichen Tagesrock, der die „Rumpelkammer“aufschloss, verschwand allerdings der Theater-Schauspieler Willi
Schwabe. Vielleicht, weil er immer ein
Ensemble-Spieler blieb. Vielleicht, weil
er bei der Defa und im Fernsehen nur in
Nebenrollen auftrat. Die aber machte er
in kurzen, präzisen Auftritten zu Charakteren. So wie den Hofmarschall Kalb
in Martin Hellbergs „Kabale und Liebe“.
Oder jenen gerissenen Soldaten-Werber
in „Mutter Courage und ihre Kinder“.
Nur in etwas über 20 Filmen hat Willi
Schwabe vor der Kamera gestanden –
von „Kleinen Muck“, „Kein Hüsung“,
„Leuchtfeuer“ über „Thomas Müntzer“
und „Lissy“ bis zu „Chronik eines Mordes“, „Der Mann, der nach der Oma
kam“ und „Zwei schräge Vögel“.
Willi Schwabe, der Bühnenbildner
lernte, privat Schauspielunterricht nahm,
mit Wanderbühnen umherzog, in kleinen
Rollen am Deutschen Theater auftrat,
nach Rückkehr aus britischer Kriegsgefangenschaft und Zwischenstationen
1949 am Berliner Ensemble landete, war
vor allem Theatermann. Einer, der noch
das Sprechen beherrschte und mit Sprache Figuren zeichnete, der jede Menge
Brecht spielte und bis 1990 am BE blieb.
Daneben reiste er mit musikalisch-literarischen Programmen, die seine wunderbare Vielseitigkeit jenseits des
TV-Filmentdeckers zeigten. Da gingen
wohl viele in diese Auftritte nur, weil
Willi Schwabe ein TV-Star war – und erlebten einen ganz anderen, mitreißend
komischen und hinreißend quicken Willi
Schwabe. Am 21. März vor 100 Jahren
wurde der Sohn von Opernsängern, der
1991 starb, geboren. Seit 2002 trägt eine
Straße in Adlershof seinen Namen.
Willi Schwabe öffnete von 1955 bis 1990
die „Rumpelkammer“ 387 Mal. Und wie
klang der berühmte Rumpelkammer-Trailer? Bitte Foto scannen.
Foto: Archiv
Der empörte, unzufriedene Bürger, der mitreden will
Im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig wurde über Pegida, Politik und Medien diskutiert
Von norbert Wehrstedt
Es geht ein Gespenst um in Deutschland.
Das Gespenst hat viele Namen: Unbehagen, Unsicherheit, Verunsicherung, Unzufriedenheit. Hinter dem Gespenst steht
der empörte Bürger, der nicht mehr länger dem deutschen Michel die Treue
hält, sondern auf die Straße geht. Auf Pegida komm raus. Woher kommen Wut,
Frust, Enttäuschung, Desillusionierung?
Wie gehen Politiker und Medien damit
um? „Da hatte sich ein Gefühl der Ohnmacht angestaut“, sagt Frank Richter,
Direktor der Sächsischen Landeszentrale
für politische Bildung, der sein Haus in
Dresden – nicht unumstritten – für erste
Dialoge geöffnet hatte.
Nun plädierte er bei einer Diskussion
im Zeitgeschichtlichen Forum, das in Ko-
Dessau-Rosslau. Der scheidende
Generalintendant des Anhaltischen
Theaters, André Bücker, übernimmt Ende
des Jahres die Regiearbeit zu „Eine Familie“
in Koblenz. Das sagte Bücker, dessen zum
Ende der Spielzeit in Dessau-Roßlau
auslaufender Vertrag nicht verlängert
wurde. „Eine Familie“ ist die deutsche
Adaption des preisgekrönten Theaterstücks
„August: Osage Country“ des US-amerikanischen Dramatikers Tracy Letts. Vom
Anhaltischen Theater verabschiedet sich
Bücker mit einer Inszenierung des Schauspiels „Götz von Berlichingen“, die heute
(19.30 Uhr) Premiere feiert.
tig zu machen: „Die Leute wollen aber
mitreden.“ Es sei vielleicht Zeit für Elemente einer direkten Demokratie, für
Volksentscheide.
Die Kaste der Politiker sieht HansJoachim Maaz in Hinsicht auf Vertrauen
in den mündigen Bürger skeptisch. Für
jeden, der in die Politik gehe, gebe es
große Risiken: Es geht um Macht, Autorität und darum, recht zu haben: „Keiner
sagt: Ich weiß jetzt nicht, wie’s weitergeht, ich brauche Austausch. Wer so
denkt, kommt in keine Machtposition.“
Es habe sich da eine Elite herausgebildet, sagte Jan Emendörfer, Chefredakteur der Leipziger Volkszeitung, die
wie ein Ufo über den Leuten kreise. Daraus entstehe eine generelle Unzufriedenheit mit dem System, die sich auch
in so absurden Losungen wie „Ami go
Zum 100. Geburtstag des Pianisten Swjatoslaw Richter
Von Gerald Felber
Der Mann habe, sagte mal eine Radiokollegin, die ihn persönlich kannte und
zum Deftigen neigte, „Hände wie Klodeckel“. Die berühmte Pianistenpranke
also, Signum eines spezifisch maskulinen
Musizierens; was ja auch völlig außer
Frage steht, wenn man Swjatoslaw Richter etwa mit Beethoven, vor allem aber
mit Prokofjew hört – jenem Komponisten,
mit dem er unter seinen Zeitgenossen
vielleicht am engsten verbunden war und
von dem er drei seiner späten Solosonaten zur Uraufführung brachte. Da gibt es
granitharte Akkorde und stählern dröhnende Ostinati, einen wilden und dennoch disziplinierten Zugriff ins Tastenfeld: enorme Kraft, kultiviert durch einen
nicht weniger eisernen Formwillen.
Und dennoch konnte Richter auch
zärtlich sein, romantische Andantes lyrisch verströmen lassen, Schubert-Impromptus oder Sonaten in entgrenzte
Meditationen verwandeln. Sicher, das
Grazile, elfenhaft-Elegante lag ihm nun
wirklich nicht. Es wäre aber vielleicht
auch eine Art Kunst-Lüge gewesen –
nicht nur angesichts der spezifischen
physischen Voraussetzungen dieses
Spätstarters, der heute vor 100 Jahren
geboren wurde, eigentlich Maler oder
Dirigent werden wollte und erst mit 22
Pianist Swjatoslaw Richter im Jahr 1966 in Charkow.
Jahren zu dem genialen Talente-Former
Heinrich Neuhaus (nebenbei mit einem
deutschen Vorfahrens-Zweig und ukrainischen Kinder- und Jugendjahren ausgestattet wie Richter selbst auch) ans
Moskauer Konservatorium kam; sondern
auch vor dem Hintergrund einer tragischen Biographie unter der Gewalt des
stalinistischen
Repressions-Regimes:
Richters Vater wurde als deutscher Spion verdächtigt und hingerichtet, zur ins
Exil gegangenen Mutter war fast zwei
Foto: Yuri Shcherbinin/Wikimedia Commons
Jahrzehnte jede Verbindung unterbrochen, und der Künstler selbst durfte erst
als Mittvierziger außerhalb des sozialistischen Lagers reisen und auftreten.
Dann allerdings wurde er, vorher eine
Geheimtipp-Legende, schnell und endgültig zu einer tatsächlichen, zumal er
das „Live-Gen“ hatte: obwohl im Auftreten eher scheu und linkisch, fern jeder Star-Attitüde und vor allem in späteren Jahren (Richter spielte noch bis in
sein letztes Lebensjahrzehnt, bevor der
1997 in Moskau starb) lieber in kleineren Sälen und Veranstaltungsorten zu
Hause als in den großen Metropolen,
wirkte seine enorme physisch-klangliche Präsenz weltweit elektrisierend auf
das Publikum. Die leidenschaftliche Motorik und das weitgreifende Pathos seines Spiels bedienten die Sehnsucht nach
großen Gefühlen – und das kam im direkten Kontakt mit den Hörern ungleich
besser an als über Plattenstudios, mit
denen er lebenslang fremdelte; schlimmer als beflissene Produzenten waren
dem enorm selbstkritischen großen
Schweiger gegenüber nur noch die Journalisten dran.
Ich selbst habe Richter im (alten) Leipziger Gewandhaus ein einziges Mal gehört – doch das in einer höchst bezeichnenden Situation: als einen von fünfzehn
Mitwirkenden in Alban Bergs Kammerkonzert, einem spröden, sich vor den Hörern eher verschließendem Stück jenseits
aller Kulinarik, bei dem der Weltklassepianist – es mag Ende der 70er gewesen
sein – vordergründig zunächst nur durch
die Größe seines Instruments aus dem
Ensemble hervortrat. Dennoch spürte
man, dass eben bei ihm das geistige Zentrum der Aufführung lag, ohne dass er
sich irgendwie herausgestrichen und ungebührlich präsent gemacht hätte: So
muss große Kunst wirken.
„Jetzt ist die Jugend dran“
Franckesche Stiftungen
feiern Unesco-Antrag
André Bücker übernimmt
Regie in Koblenz
Globalisierung mit ihren neuen Verunsicherungen. Es gebe eine anhaltende Suche nach Werten und Orientierung, die
nicht allein materiell sind: „Was ist am
Westen nicht in Ordnung? Das ist die
Frage. Da sind wir Ostdeutschen viel offener.“ Der außerparlamentarische Protest sei auch hilfreich, damit über verdrängte Themen gesprochen wird. Problematisch bleibe, dass nicht über Inhalte geredet, sondern lieber abgewertet
und in die rechte Ecke gestellt werde.
Für Antje Hermenau, die sächsische
Ex-Grüne, macht sich in den Pegida-Demonstrationen „eine große Enttäuschung Luft“. Die Leute auf der Straße
fühlten sich nicht gehört mit ihren alltäglichen Sorgen. Das Diskussionsklima
sei inzwischen vergiftet, da die politischen Eliten darauf beharren, alles rich-
Tragik und Zärtlichkeit
Kurz gemeldet
Halle. Die Franckeschen Stiftungen feiern
von heute bis Sonntag die traditionelle
Francke-Feier mit zahlreichen Veranstaltungen anlässlich des Geburtstags von August
Hermann Francke (1663–1727). Unter
anderem wird ein Wohnwagen vorgestellt,
der als Botschafter der Stiftungen künftig
durch die Lande ziehen soll. Neben dem
Geburtstag des Gründungsvaters der
Stiftungen wird auch der Beginn des neuen
Jahresprogramms gefeiert. In diesem Jahr
steht es im Zeichen des Unesco-Antrags.
2016 wollen die Franckeschen Stiftungen in
die Liste der Welterbestätten aufgenommen werden.
operation von Deutschlandfunk und
Leipziger Volkszeitung stattfand und
live übertragen wurde, für den positiven
Blick: „Ich haben den Osten seit 25 Jahren nicht mehr so politisiert gesehen.“
Pegida nehme das Grundrecht auf freie
Meinungsäußerung wahr und treibe die
politischen Eliten vor sich her: „Aber ich
fordere dabei mehr Konstruktivität.“
Das blieb die Kernfrage der Debatte.
Die Demonstranten wollen nicht mit der
Politik reden. Und die Politik? Schlägt
die nur mit der rechten Keule zurück?
Stimmt etwas nicht am System? Der Psychotherapeut Hans-Joachim Maaz („Der
Gefühlsstau“) führt die Unzufriedenheit,
die Pegida trägt, auf jene naive Illusionen zurück, die glaubten, mit der Wende
gehe es rasch allen besser. Die seien enttäuscht worden und träfen nun auf die
Der Leipziger Grafiker, Zeichner und Maler Arnd Schultheiß wird 85
Von thomas mayer
„Ich bin Widder, ich liebe Schafe …“, sagt
Arnd Schultheiß und ließ sich vor wenigen Tagen gut gelaunt neben einer Plastik des Leipziger Bildhauers Olaf Teichmann fotografieren. In bemerkenswert
gelassener Stimmung begeht Schultheiß,
Maler, Zeichner, Grafiker, Collagekünstler, am Sonntag seinen 85. Geburtstag.
Kunst war sein Leben. Seit gut einem
Jahr blickt er dabei nur noch auf das zurück, was er in vielen Jahrzehnten schuf.
Denn seit er eines Morgens in einen kleinen Spiegel schaute, sich dachte: Selbstporträts hast du aber lange nicht geschaffen – und dann auf einem kleinen
Blatt Papier als finales von zahlreichen
Bildnissen eins mit Totenschädel und
Blindenbrille entstand, da wusste er:
„Das war’s. Ich hab’ genug gemacht.“
Malen, Zeichnen war für Arnd Schultheiß seit früher Kindheit Lebensinhalt.
Friedrich Nietzsche lieferte ihm die Maxime: „Wir haben die Kunst, um im Leben nicht zu Grunde zu gehen.“ So gab
es zahlreiche Ereignisse, ja Sternstunden, die er nie vergessen wird. 1951, gerade mal fertig mit dem Studium, bot
ihm der Leipziger Kunsthändler Engewald die Chance einer ersten Ausstellung. Eines Tages kam die Mitteilung,
Er liebe Schafe, sagt Arnd Schultheiß, auch dieses (gebrannter Ton, 2011) von Olaf Teichmann in der Ausstellung „Natur & Figur“ im Kunstverein Panitzsch e.V .
Foto: Armin Kühne
Bildermuseums-Direktor Johannes Jahn
habe drei Tier-Zeichnungen erworben.
Der junge Mann war glücklich. Wie
Schultheiß erst jetzt erfuhr, waren diese
Blätter die erste Neuerwerbung des Museums nach dem Krieg.
Der Künstler wurde vor allem auch mit
seinen Zeichnungen aus dem Konzertsaal prominent. Mit Gewandhauskapellmeister Vaclav Neumann begann 1968
sozusagen ein Zusammenspiel, das seinen Höhepunkt mit Schultheiß Besuch
1985 in der West-Berliner Philharmonie
hatte. Über Kontakte zu Wolfgang Stresemann, Intendant des Orchesters, gab
es die Genehmigung, den berühmten
Herbert von Karajan zu zeichnen. Schultheiß durfte den Maestro live mit dem Zeichenstift aufs Papier bringen. Karajan
beim Anblick seines Bildes: „Was, das
soll ich sein?“, erzählt Schultheiß. Und
die Philharmoniker: „Genau, das ist er,
wie leibt und lebt.“
Die vorerst letzte Ausstellung mit Arbeiten von Arnd Schultheiß fand im vergangenen Jahr in der Villa der ehemaligen Musikbibliothek in der LassalleStraße statt. Hier hatte er vor rund 70
Jahren das Musische Gymnasium besucht, hier hatte er „in Zeiten des Verderbens das Elysium erlebt“.
Schultheiß’ Werk ist geordnet: 150
Originale der Konzertsaalstudien sind
im Besitz des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig, die erotischen Zeichnungen und Collagen sind Bestandteil der
Spezialsammlung von Schloss Mohlsdorf
bei Erfurt. Sein schriftlichen Archiv wollte die Berliner Akademie der Künste haben. Schultheiß gab gern und weiß es
dort in guten Händen. In 36 Museen und
weiteren Sammlungen ist er mit seiner
Kunst präsent.
Er malt und zeichnet zwar nicht mehr,
ist aber dennoch oft im Atelier. Ordnen,
Systematisieren heißen nun die Aufgaben, noch sind die Schränke mit Kunst
gut gefüllt. Mit Büchern unter den Titeln
„Resümee“ I bis V, erschienen im Passage Verlag, hat er sein Leben für die Kunst
niedergeschrieben und abgebildet. „Jetzt
ist die Jugend dran“, sagt Schultheiß.
home“ artikuliere. Bei der Berichterstattung über die Pegida-Demonstrationen
treffe keiner der gern erhobenen, pauschalen Vorwürfe gegen die Medien die
Leipziger Volkszeitung. Es wurden die
19 Punkte von Pegida ebenso abgedruckt wie ganze Seiten für Lesermeinungen frei geräumt: „Aber wenn’s zu
extrem wird, können wir es nicht mehr
drucken. Da gibt es eine klare Grenze.“
Wie nun also weiter im holprigen Dialog mit den Unzufriedenen, für den
Frank Richter vehement plädierte? Eine
Aufgabe für Politiker? Davon hält Antje
Hermenau gar nichts: „Das funktioniert
nicht, da fühlen die Politiker sich nur angegriffen. Vielleicht sollte man es wie im
Herbst 1989 machen und die Kirchen
öffnen. Die können ja die Sorgen des
Nächsten aushalten.“
Beziehungen
im digitalen
Zeitalter
Bruno Cathomas inszeniert
am Leipziger Schauspiel
Von dimo riess
Wäre „Eigentlich schön“ kein Theaterstück, sondern eine Seminararbeit, würde sie vielleicht „Soziale Beziehungen
im Zeitalter der digitalen Kommunikation“ heißen. Oder so ähnlich. Denn darum geht es letztlich in Volker Schmidts
Text, den das Studio der Schauspielstudenten am Leipziger Schauspiel heute
auf der „Diskothek“-Bühne zur Uraufführung bringt. In der Regie des renommierten Schauspielers Bruno Cathomas,
derzeit engagiert am Schauspiel Köln,
zuvor Ensemblemitglied an der Berliner
Schaubühne. Für den Deutschen Filmpreis war er auch schon nominiert. Und
mit Schmidts „Eigentlich schön“ verbindet ihn einiges.
„In einer Rolle kann man mich erkennen“, sagt Cathomas. Der Schweizer
Schauspieler und der österreichische
Autor sind sich freundschaftlich verbunden. Schmidt hat Cathomas zur Vorlage
einer seiner sechs Charaktere gemacht.
Figuren, die Fernbeziehungen leben
und Freundschaften über Facebook pflegen. Echte Welt und digitaler Kontakt
fallen auseinander, Identitäten wandeln
oder vervielfältigen sich. Die Angst vor
der Einsamkeit wird mühsam überspielt,
Statusmeldungen ersetzen tiefgehenden
Austausch. Schmidt beschreibt eine rastlose und entwurzelte Gesellschaft. Und
Schauspieler passen mit ihren wechselnden Engagements und Wohnorten fast
zwangsläufig ins Bild.
„Man kann im Innersten sehr allein
sein, obwohl man ständig mit vielen
Leuten zu tun hat“, skizziert Cathomas
die Situation. Er selbst leide an der Einsamkeit von Hotelzimmern und wähle
reflexhaft das Hintergrundrauschen des
Fernsehers. Er sieht Tendenzen zu einer
Gesellschaft, die es weder aushält, allein
zu sein, noch in der Lage ist, sich ganz
auf einen Partner einzulassen.
Cathomas hat „Eigentlich schön“
dem Schauspiel selbst zur Aufführung
vorgeschlagen. Für die Premiere der
Studioinszenierung mit sechs Schauspielstudenten verspricht er maximale
Distanz vom aktuell grassierenden, statischen Textaufsage-Theater. Ästhetisch
soll die ungeordnete Informationsfülle
der digitalen Welt reflektiert werden.
Mit mehreren Spiel- und Bedeutungsebenen, die teilweise parallel ablaufen.
Cathomas spricht von einer „systematischen Überforderung“ des Publikums.
Und von viel Energie auf der Bühne, die
von den jungen Schauspielern in der gemeinsam erarbeiteten Choreografie verbreitet werde. Cathomas: „Ich liebe es,
mit Studenten zu arbeiten.“
„Eigentlich schön“: Premiere, heute, 20 Uhr;
z Schauspiel
„Diskothek“; Kartentelefon:
0341 1268168; weitere Aufführungen:
25. März und 10. und 14. April
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