stä dt e s ind a n de r s Ob der 2002 eröffnete, mehrfach ausgezeichnete MFO -Park in Zürich wirklich zu einer Renaissance der Kletterpflanzen führt, wird sich noch zeigen müssen. Der auf Kletterpflanzen verzichtende Flower Tower von Edouard François war eines der ersten vollständig begrünten Gebäude (2004) in Paris. Das Konzept ging nur bedingt auf. Über die Ursachen lässt sich rätseln: fehlende Begeisterung der Bewohner für Bambus, mangelnde Pflege und/oder eine nicht funktionierende Bewässerungsanlage? 14 Mit einer Konzepthaltestelle machte der Stadtmöblierer JCD ecaux auf das noch nicht voll erschlossene Begrünungs­ potenzial von Städten aufmerksam. vi si o ne n u nd u to pi e n Unter der Bezeichnung „Smart City“ stellte der belgische Architekt Vincent Callebaut seine Vision für das Paris im Jahr 2050 vor. Besonders auffällig sind die intensiv begrünten Plus-Energie-Gebäude. wissenschaftlicher Nachweis erbracht wurde, vergingen oft noch zehn oder mehr Jahre). Programme, die die Verwendung von Fassaden- und Dachbepflanzungen finanziell förderten, wurden in den 1980er-Jahren in vielen Großstädten aufgelegt. Zu dieser Zeit wurde auch die Extensivdachbegrünung maßgeblich ent­ wickelt, die primär ökologischen Zielen dient. Durch die geringere Aufbauhöhe und das damit verbundene geringere Gewicht war es nun theoretisch möglich, jedes flache oder schwach geneigte Dach zu begrünen, ohne die Statik zu verändern. Dennoch taten sich die meisten Hochbauplaner schwer, mit „Grün“ zu arbeiten. Pflanzen waren häufig als „Architektenpetersilie“ verschrien, die nur dazu dienten, verpfuschte Bauten „verschwinden“ zu lassen. Kritiker grüner Gebäude fühlten sich bestätigt, als in den Folgejahren Bauwerkschäden sichtbar wurden. Auch wenn zeitnah deren Ursachen erforscht und Vermeidungsstra- tegien entwickelt wurden, kamen die Ergebnisse doch zu spät: Anfang der 1990er-Jahre hatte sich die „Begrünungseuphorie“ des Vorjahrzehnts gelegt. Klimaschutzaspekte, das neue politische Ziel zur Förderung der Artenvielfalt und der Wunsch nach höherer Lebensqualität in Städten lassen seit der Jahrtausendwende die Bauwerksbegrünung wieder stärker in den Fokus rücken. Inzwischen existieren auch bei der Fassaden- und Dachbegrünung ausreichend erprobte Systeme. Die von Patrick Blanc entwickelten „Grünen Wände“ haben das Repertoire der Begrünungsmöglichkeiten deutlich erweitert und werden – trotz der hohen Unterhaltskosten – zunehmend positiv von Architekten wahrgenommen. Es gibt kaum noch eine Zukunftsvision für Städte, die auf begrünte Gebäude verzichtet. Bald keine Fiktion mehr: 2018 soll die vom Ingenieurbüro Arup entworfene und von Dan Pearson begrünte Garden Bridge in London über die Themse führen. 15 „Grüne Stadt“ Singapur Innerhalb von 50 Jahren gelang Singapur der Wandel von einem armen Entwicklungsland zu einem Industriestaat mit einem der höchsten Bruttoinlandsprodukte. Dabei litt der Stadtstaat seit seiner Gründung im Jahr 1965 fortwährend unter Platznot, die die Entwicklung beständig bedrohte. Doch die umsichtige Regierung machte aus der Not eine Tugend. Neben dem Ressourcenschutz (Energie und Wasser) haben dabei der Erhalt und die Schaffung von Grünflächen oberste Priorität. Eine Mischung aus strengen Gesetzen, regulatorischen Steuern und Selbstverpflichtungen der Wirtschaft haben dazu geführt, dass bei der Stadtplanung und bei Bauprojekten Nachhaltigkeits­ aspekte eine übergeordnete Rolle einnehmen. Der „Green Mark Scheme“ macht anhand von Labeln für jedermann ersichtlich, wie „grün“ ein Gebäude ist. Um die höchste Auszeichnung, den „Platinum“-Status zu erreichen, sind Bauwerke in jeder Hinsicht ressourcenschonend zu bauen und zu betreiben. Um die hohen Anforderungen zu erfüllen, waren neue Ansätze notwendig, die die Innovationskraft von Architekten und Ingenieuren herausforderten. Pflanzen wurden dabei mehr und mehr aktiv in die Gestaltung von Gebäuden einbezogen. Das in Singapur ansässige Architekturbüro WOHA wurde durch seine begrünten Bauten weltweit bekannt und ist inzwischen mehrfach ausgezeichnet worden. 2011/2012 widmete das Deutsche Architekturmuseum dem Architektenteam unter dem Titel „Architektur atmet“ sogar eine eigene Ausstellung. Heute ist Singapur eine durch und durch grüne Stadt und trotz seines belastenden Monsunklimas und der hohen Bevölkerungsdichte eines der beliebtesten Städtereiseziele überhaupt. Vergleicht man die Visionen, die Architekten für die Begrünung europäischer und nordameri­ kanischer Städte haben (siehe Seite 14/ 15), mit diesem realen Bild aus Singapur, dann wird deutlich, warum der Stadtstaat häufig als Vorbild für die Entwicklung urbaner Regionen herangezogen wird. Das Bild zeigt die 2009 eröffnete Iluma Shopping Mall. (Architektur: WOHA ) 17 stä dt e s ind a n de r s Die Skyline von Singapur wird seit 2011 von den „Gardens by the Bay“, einem über 100 ha großen Park, bereichert. Die berankten Stahlgerüste, die „Supertrees“, haben eine Höhe von 25 bis 50 m. Sie werden von den beiden Gewächshäusern, dem „Flower Dome“ und dem „Cloud Forest“, übertroffen. Auf dem Dach des „Marina-Bay-Sands“-Hotels befindet sich nicht nur einer der höchsten Swimmingpools der Welt, sondern auch eine weithin sichtbare Bepflanzung. 18