SWR2 ZEITWORT 12.10.2009, 6.45 Uhr 12.10.1951: Paul Dessaus Lukullus-Oper wird öffentlich uraufgeführt und danach von der SED verboten Von Michael Lachmann© O-Ton aus dem Lukullus: „Hört, der große Lukullus ist gestorben. Der Feldherr, der den Osten erobert hat.“ Mit Pauken und Trompeten, wie bei Heldenverehrungen üblich, beginnt die imposante Oper von Paul Dessau und Bertold Brecht über den verstorbenen römischen Feldherren Lukullus. Der Kriegsherr hatte zu Lebzeiten im letzten Jahrhundert vor Christus Kleinasien für Rom unterworfen. Doch nun wird er, der selbstgefällige Held und Gourmet, in dieser neuen Oper in einer außerirdischen Welt selbst zur Rechenschaft gezogen und verurteilt. Für das Opernschaffen unüblich, beginnt Dessaus Werk mit dem Ende dieses Menschen, mit Trauerzug und Beerdigung des Helden. O-Ton Paul Dessau: „Wenn man vom Lukullus überhaupt spricht von der ersten Szene sprechen, und von der letzten, weil ich glaube das Szenen sind, deren Gehalt in nicht vielen Opern in dieser Weise so ausgeführt wurde, wie es mir durch Brechts Text besonders möglich war.“ Dessau verachtete Routine und Opernschablonen in einer Zeit als in der DDR Lobgesänge auf Josef Stalin und Walter Ulbricht angestimmt wurden. Beim Lukullus, seiner ersten Oper wie in den 4 weiteren späteren Opernkompositionen, dominiert expressive Musik, die ihn stellenweise in die Nähe von Carl Orff rückt. Musik, die in den 50er Jahren in der DDR von offizieller Seite verachtet wurde, und man „Strawinsky als Häuptling der formalistischen Schule“ verunglimpft. Das Zentralkomitee der SED wurde einberufen, um gegen Neuansätze in Kunst und Literatur zu wettern. Wie in Stalins Sowjetunion, die 1938 experimentierende Künstler wegen „Formalismus“ sogar zum Tode verurteilte, wurde nun auch in der DDR das Schlagwort „Formalismus“ eingeführt. Ohne die sogenannten Formalismus-Tendenzen überhaupt benennen zu können, warf die SED-Diktatur Künstlern vor, „westlich dekadent zu sein“, „nicht an klassisches Erbe anzuknüpfen“, „nicht realistisch und volkstümlich“ im Sinne der Arbeiter und Bauern zu sein und „Schändung“ zu betreiben. Dessaus Opernentwurf vom Frühjahr 1951 wurde verboten. Doch der prominente Komponist wehrte sich gegen die spießige Ästhetik der Parteifunktionäre. Brecht selbst agierte wie Arnold Zweig, der ein Befürworter der Oper war, diplomatisch im Hintergrund. O-Ton Paul Dessau: „Es ist um so angebrachter, als in unserer Zeit ja Schärfen notwendig sind. Wie könnten wir sonst überhaupt unsere Probleme komponieren.“ Dessaus wie Brechts Werke stecken voller politischer Brisanz, wollen Denkanstöße liefern. Das damals vorgesetzte Kultusministerium in Ostberlin forderte Partitur und Libretto an. Die Mächtigen erkannten sich wohl wieder in verschiedenen Details der Darstellung des Feldherren. Dennoch kam es heute vor 58 Jahren, am 12. Oktober 1951, in der Deutschen Staatsoper in Ostberlin endlich zur Uraufführung der Oper „Die Verurteilung des Lukullus“, die vorher den Titel „Das Verhör des Lukullus“ führte. O-Ton Paul Dessau: „Das sind große Pantomimen, große komponierte melodramatisierte Pantomimen und weil gerade das am Anfang einer Oper etwas ungewöhnlich und neuartig ist, darf sich auch niemand verwundern, wenn es damals durch die Neuartigkeit schockierte und man uns auch veranlasste, darüber nachzudenken, wie man das also besser gestalten könnte. Dies war zwar nicht möglich und es hat auch inzwischen erwiesen, dass das Publikum in jeder Stadt, wo immer die Oper gespielt wurde, und sie wurde glücklicherweise jetzt in ungefähr 25 Städten inzwischen gespielt, gar keine Schwierigkeiten machte, sondern wirklich einen großen Eindruck machte.“ Erinnerungen des Komponisten Paul Dessau 10 Jahre nach der Uraufführung des Lukullus. Brechts Textänderungen blieben in diesem Werk gering. Dessau hatte als Kompromiss die Sprechgesangpassagen für die Uraufführung in Arien verändert. Wenn auch Dessaus Opernschaffen in der DDR neue Maßstäbe bewirkte und etwas von einer Signalwirkung für einige jüngere aufgeschlossene Komponisten und Musikwissenschaftler hatte, Reglementierung und Vertreibung von unangepassten Künstlern gehörte in der DDR bis zu ihrem Untergang zur Tagesordnung. Zu den brutalsten Einschnitten zählen das Verbot einer ganzen Jahresproduktion von DEFASpielfilmen und die Ausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermann. Dieser Staat hatte seine Substanz verspielt.