Klinische Untersuchungen und therapeutische Möglichkeiten von

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Diplomarbeit
Klinische
Untersuchungen
und
therapeutische
Möglichkeiten von Nichtanlagen der oberen seitlichen
Inzisivi
-
Okklusion
unter
und
besonderer
Ästhetik
Berücksichtigung
beim
kieferorthopädischen
Lückenschluss versus Lückenöffnung.
eingereicht von
Stefan Brünner
Mat.Nr.: 0211754
zur Erlangung des akademischen Grades
Doktor der Zahnheilkunde
(Dr. med. dent.)
an der
Medizinischen Universität Graz
ausgeführt an der
Abteilung für
unter der Anleitung von
a.o. Univ. Prof. Dr. Richard Permann
Ort, Datum …………………………..
der
Eidesstattliche Erklärung
Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne
fremde Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet
habe und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen
als solche kenntlich gemacht habe.
Graz, am ……
Unterschrift
i
Danksagungen
Meinem Betreuer, Herrn Univ. Prof. Dr. Richard Permann, danke ich für die
interessante wissenschaftliche Themenstellung, sowie für die stetige Förderung.
Er hat mich in jeder Hinsicht unterstützt und mir eine ausgezeichnete Basis für
meine weitere kieferorthopädische Laufbahn geschaffen. Besonders herzlich
möchte ich Herrn Erich Danko danken, der mir jederzeit hilfreich zur Seite stand.
Er beantwortete meine Fragen stets mit viel Geduld und half mir meine erhobenen
Daten zu digitalisieren. Ich möchte mich auch bei allen Mitarbeiterinnen
der
Ordination Dr. Permann bedanken. Ich wurde sehr nett aufgenommen und fühlte
mich dort aufgrund der Hilfsbereitschaft und der guten Atmosphäre sehr wohl.
Nicht zuletzt gilt mein Dank im besonderen Maße meiner Familie. So danke ich
meinen Eltern für die stetige Unterstützung, mit der sie nicht nur die vorliegende
Arbeit, sondern mein gesamtes Studium gefördert haben. Abschließend möchte
ich noch Frau Simone Wurzinger danken, die sich auch die Mühe gemacht hat,
diese Arbeit zu lesen, positive Kritik zu äußern und so zum Gelingen der Arbeit
einen wesentlichen Beitrag geleistet hat.
ii
Zusammenfassung
In der vorliegenden Arbeit wurden die unterschiedlichen Behandlungsstrategien
(das Für und Wider von Lückenöffnung bzw. Lückenschluss) bei einer Aplasie der
oberen lateralen Inzisivi anhand internationaler Literatur erläutert.
Material und Methode: Ergänzend zu der Literaturrecherche wurden zwei
Untersuchungen in den Ordinationen Dr. Permann (Bruck/Mur und Graz)
durchgeführt. In der ersten Untersuchung, einer retrospektiven Studie wurde die
Häufigkeitsverteilung von Nichtanlagen in diesen beiden Ordinationen beschrieben
und die Ergebnisse mit jenen aus der internationalen Literatur verglichen.
Als zweite Untersuchung wurde eine retrospektive Therapiestudie an Patienten mit
einer bi- oder unilateralen Aplasie der oberen lateralen Inzisivi durchgeführt.
Einschlusskrirterium: kieferorthopädischer Lückenschluß, mindestens 3 Jahre
nach Debonding. Die Auswirkungen des Lückenschlusses auf Okklusion, Ästhetik,
Kiefergelenk und auf das Parodont wurden untersucht.
Resultate: Die Aplasie der oberen seitlichen Inzisivi ist in beiden Ordinationen
unter Frauen weiter verbreitet als unter Männern. In der Grazer Ordination war die
bilaterale Aplasie der oberen lateralen Inzisivi häufiger als eine unilaterale Aplasie.
In der Brucker Ordination war das Ergebnis umgekehrt. In der Literatur findet man
bezüglich Häufigkeitsverteilung uni- versus bilateraler Aplasie beide Ergebnisse.
Bei allen anderen Zahntypen ist eine unilaterale Agenesis häufiger. Bezogen auf
das Geschlecht, gibt es Studien bei denen Männer wie auch Frauen häufiger von
einer Aplasie der oberen lateralen Inzisivi betroffen sind. In der Ordination Graz
war der häufigste aplastische Zahntyp (ausgenommen Weisheitszähne) der obere
laterale Inzisivus. In der Ordination Bruck an der Mur war es der untere zweite
Prämolar. Meine Literaturrecherche ergab weiters, dass Lückenöffnung wie auch
Lückenschluss
adäquate
therapeutische
Methoden
der
Lückenversorgung
darstellen, die in Abhängigkeit der jeweiligen Indikation zur Anwendung kommen
können.
Diskussion: Die Möglichkeiten der Behandlung von Lückenöffnung oder
Lückenschluss haben Vor- und Nachteile in Bezug auf Ästhetik, parodontale
Gesundheit und Funktion. Durch den rasanten Fortschritt der Implantologie der
letzten Jahre in Kombination mit immer höheren ästhetischen Ansprüchen der
Patienten ist die kieferorthopädische Mesialisierung des Caninus nicht mehr jene
iii
Therapieform, die der implantologisch–prothetischen Versorgung grundsätzlich
vorzuziehen ist.
„Kokich & Kinzer beschreiben die ideale Behandlung bei fehlendem seitlichem
Inzisivus als die, die am wenigsten invasiv ist und bestmöglich die individuellen
ästhetischen und funktionellen Bedürfnisse erfüllt.“ (Wriedt 2007)1
iv
Abstract
Objective: The objective of the study was to examine the prevalence of aplasia,
concerning the upper lateral incisors and to evaluate the advantages and
disadvantages of orthodontic gap closure as compared to implantologic-prosthetic
solutions.
Material and Methods: Based on international studies the prevalence of aplasia
in the permanent dentition was evident. Apart from this literature research two
studies were undertaken. The first study- a descriptive epidemiologic studydescribed the prevalence of aplasia in the offices Bruck/Mur and Graz. These
results were compared with international literature. The second study – a
retrospective study- was carried out with patients, who had a uni- or bilateral
aplasia of the upper lateral incisor and an orthodontic gap closure. The impacts of
this kind of treatment concerning occlusion (instrumental and clinical analysis),
esthetics, (personal satisfaction), temporomandibular joint (nine-question-test of
Krough- Poulson) and the gingiva (gingival recession) were examined.
Results: My study confirms that part of respective literature; more often women
are affected of aplasia of upper lateral incisors than men. In the Graz office the
bilateral aplasia of upper lateral incisors was more common than a unilateral
aplasia (for all other types of teeth unilateral aplasia was more frequent than a
bilateral aplasia.) and the upper lateral incisor was mostly affected to be missing.
In the Bruck office, unilateral aplasia of upper lateral incisors was more common
than a bilateral aplasia and the lower second premolar was mostly affected to be
missing. My literature research revealed further that gap opening and also closing
the gap are adequate therapeutic methods to achieve a good result.
Conclusions: There are many advantages and disadvantages concerning
esthetics, periodontal health and function in the different methods of treatment in
cases of missing upper lateral incisors. It depends on many individual parameters
whether gap closure or – prosthetic using implants is the means of choice.
Because of the higher esthetic demands today the combination of implantology
and prosthetic seems to be the gold standard and therefore gap closure is the
second choice.
v
Inhaltsverzeichnis
Danksagungen ....................................................................................................................... ii
Zusammenfassung ................................................................................................................iii
Abstract.................................................................................................................................. v
Inhaltsverzeichnis ................................................................................................................. vi
Tabellenverzeichnis .............................................................................................................. ix
1
Einleitung ............................................................................................................... 1
1.1
Zahndurchbruch...................................................................................................... 1
1.2
Zahnmerkmale ........................................................................................................ 2
1.3
Zahngrößen nach Mühlreiter - De Jonge................................................................ 3
1.4
Hypodontie/ Oligodontie/ Aplasie/ Anodontie....................................................... 4
1.4.1
Prävalenz von Nichtanlagen: ............................................................................ 4
2
Therapie bei fehlenden oberen lateralen Inzisivi (Pro- Contra Lückenschluss
versus Lückenöffnung) .......................................................................................................... 5
2.1
PRO prothetische Versorgung – Lückenöffnung ................................................... 7
2.1.1
Nachteile des kieferorthopädischen Lückenschlusses...................................... 7
2.1.2
Lösungsbeispiele bei kieferorthopädischer Lückenöffnung:............................ 9
2.1.3
Die Aufgaben der Kieferorthopädie bei einer orthodontischen Lückenöffnung
sind: ................................................................................................................ 17
2.1.4
Knochenangebot zum Zeitpunkt nach Abschluss der kieferorthopädischen
Behandlung, im Vergleich zu jenem Knochenangebot zum Zeitpunkt der
Implantatinsertion bzw. nach Wachstumsabschluss....................................... 19
2.1.5
Interimslösungen zur Versorgung der Agenesielücke.................................... 21
2.1.6
Weichgewebe ................................................................................................. 25
2.2
Autotransplantation von Zähnen - Lückenöffnung .............................................. 27
2.2.1
Definition........................................................................................................ 27
2.2.2
Transplantationsterminologie ......................................................................... 28
2.2.3
Prä- und Intraoperative Vorgehensweise........................................................ 28
2.3
CONTRA prothetische Versorgung – kieferorthopädischer Lückenschluss:....... 33
2.4
Möglichkeiten des kieferorthopädischen Lückenschlusses bei Verlust oder
Aplasie von ein oder zwei lateralen Schneidezähnen im Oberkiefer sind
prinzipiell: siehe Abbildung 24 ............................................................................ 36
2.4.1
Ausgleichsextraktion ...................................................................................... 37
2.5
Der Eckzahn aus gnathologischer Sicht ............................................................... 37
2.6
Okklusionskonzepte: ............................................................................................ 38
2.6.1
Okklusionskonzepte der dynamischen Okklusion.......................................... 39
2.6.2
Funktion und Ästhetik beim kieferorthopädischen Lückenschluss................ 40
2.6.3
Aufgaben der Kieferorthopädie beim orthodontischen Lückenschluss :...... 43
2.6.4
Approximale Schmelzreduktion (ASR).......................................................... 46
vi
3
Material und Methoden ........................................................................................ 47
3.1
Untersuchung der Häufigkeitsverteilung von Nichtanlagen anhand des
Patientengutes der kieferorthopädischen Ordination Dr. Permann. (retrospektive
Studie)................................................................................................................... 47
3.2
Vergleichende Nachuntersuchung von Patienten mit Nichtanlagen regio 12, 22
der Ordination Dr. Permann, die mit Lückenschluss therapiert wurden.
(retrospektive Studie). .......................................................................................... 47
3.3
Resultate der deskriptiven epidemiologischen Studie in den Ordinationen Dr.
Permann Graz und Bruck an der Mur................................................................... 51
3.3.1
Bruck a.d. Mur................................................................................................ 51
3.3.2
Graz ................................................................................................................ 53
3.4
Resultate der vergleichenden Nachuntersuchung von Patienten mit Nichtanlagen
regio 12, 22 der Ordination Dr. Permann, die mit Lückenschluss therapiert
wurden. (retrospektive Studie). ............................................................................ 55
4
Diskussion: ........................................................................................................... 56
5
Konklusion ........................................................................................................... 60
Anhang –Fragebogen........................................................................................................... 64
vii
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Vergrößerung des bukkalen Korridors durch Mesialisierung des
Eckzahnes und Veränderung der Weichgewebssituation............................................ 8
Abbildung 2: Einzelzahnimplantat mit weissem Abutment und definitiver
prothetischer Versorgung .................................................................................................. 9
Abbildung 3: Marylandbrücke ........................................................................................... 9
Abbildung 6: Interradikuläres Platzangebot vor und nach kieferorthopädischer
Behandlung........................................................................................................................ 12
Abbildung 7: Annäherung der beiden Apices.............................................................. 12
Abbildung 9: "wagon wheel effect"................................................................................ 13
Abbildung 10: linkes Bild: rote unkeratinisierte Gingiva (Atheron`s Patch) ............. 15
Abbildung 11: Vertikale Augmentation mittels retromolarem Knochenblock und Bio
Oss in regio 12/22............................................................................................................. 20
Abbildung 12: Druckstelle regio 22 ................................................................................ 22
Abbildung 14: Implantatangulation wiedergegeben durch den Stift im Gipsmodell
und eingescannte Situation im Cerec 3 ........................................................................ 24
Abbildung 15: CAD/CAM gefräßte Bohrschablone aus Kunststoff........................... 25
Abbildung 16: Maryland Brücke als Interimslückenversorgung ................................ 25
Abbildung 17: Kunststoffblock (CAD-Temp)................................................................. 25
Abbildung 19: Subepitheliales Bindegewebstransplantat (Spenderregion Gaumen)
regio 12 bei bilateraler Aplasie der oberen lateralen Inzisivi ..................................... 26
Abbildung 20: st.p. Weichgewebsaugmentation und Implantation regio 12............ 26
Abbildung 21: Pink Esthetic Score (PES) nach Führhauser et al. 2009 .................. 27
Abbildung 22a: prothetischer Misserfolg regio 22 ....................................................... 34
Abbildung 23a: unilateraler Lückenschluss regio 12................................................... 34
Abbildung 24: Behandlungsalternativen beim Verlust von einem oder beider
seitlichen Schneidezähnen.............................................................................................. 36
Abbildung 30: Rekonturierung des Caninus während der Eruptionsphase............. 45
viii
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Zahngrößen nach Mühlreiter - De Jonge (2009).................................... 3
Tabelle 2: Ergebnisvergleich von autotranplantierten Prämolaren versus
implantologischen Lösungen nach einem traumatischen Ereignis in der
Oberkieferfront (Strbac und Gruber 2008)............................................ 31
Tabelle 3: Entwicklungsstadien nach Moorees et al. (Strbac und Gruber 2008) .. 31
Tabelle 4: Langzeitergebnisse nach Autotransplantation von Prämolaren (Strbac
und Gruber 2008) ................................................................................. 32
Tabelle 5: Empfehlung nach Fillion bezüglich ASR im Frontzahnbereich (JostPrinkmann 2007) .................................................................................. 46
Tabelle 6: Häufigkeitsverteilung von Nichtanlagen in der Ordination Dr. PermannBruck/Mur............................................................................................. 52
Tabelle 7: Häufigkeitsverteilung von Nichtanlagen in der Ordination Dr. PermannGraz ..................................................................................................... 54
ix
1 Einleitung
1.1 Zahndurchbruch
Als Zahndurchbruch bezeichnet man den über Jahre andauernden Prozess, durch
welchen
der
sich
entwickelnde
Zahn
aus
seiner
Lage
innerhalb
des
Alveolarfortsatzes in die Okklusionsebene bewegt. Dieser Vorgang wird wie folgt
in 3 Phasen eingeteilt:
1. Die
präeruptive
Bewegungsphase:
Sie
ist
gekennzeichnet
durch
Stellungsänderungen die ein Zahnkeim während der Entstehung der
Zahnglocke durchmacht.
2. Die
präfunktionell-eruptive
Bewegungsphase:
Sie
beschreibt
die
Wanderung der Zähne nach okklusal, die mit der Wurzelbildung einsetzt
und bei Erreichen der Okklusionsebene beendet ist. In dieser Phase kommt
es zur Entwicklung von Pulpa, Dentin, Wurzelzement, Desmodont,
Alveolarknochen, gingivalem Saum und gleichzeitig zum Wachstum der
zahntragenden Kieferabschnitte.
Die zweite Dentition ist zeitlich und morphologisch von der Tatsache
geprägt, dass ihr zuerst die Resorption der Milchzahnwurzel und der
Verlust der Milchzahnkrone vorausgehen müssen.
3. Funktionell posteruptive Bewegungsphase: Darunter versteht man alle
Stellungsänderungen, die ein in Funktion stehender Zahn im Laufe seine
Existenz in der Mundhöhle durchläuft.
Entwicklung und Durchbruch der ersten und zweiten Dentition sind zeitlich auf das
allgemeine Körperwachstum und die entsprechenden Größenverhältnisse beider
Kiefer und des Gesichtsschädels abgestimmt. Die Entstehung der Zähne der
zweiten Dentition, von der Zahnanlage bis zur Apexbildung währt durchschnittlich
12 Jahre. Der Zahnwechsel wird im 10. bis 13. Lebensjahr beendet. Liegt nach
diesem
Zeitpunkt
bei
abgeschlossenem
Wurzelwachstum
ein
partiell
durchgebrochener Zahn vor spricht man von einem teilretiniertem Zahn. Bei
Zähnen die vollkommen von Schleimhaut bedeckt sind spricht man von
vollretiniert, und jene die noch vollständig von Knochen umgeben sind werden als
impaktierte Zähne bezeichnet. (Schroeder 2000)
1
Im Altersmittel von 7 und 8,3 Jahren kommt es zum Verlust der oberen lateralen
Milchinzisivi und mit 6,7 bis 8,0 Jahren kommt es zum Verlust der Unteren.
Die oberen bleibenden lateralen Inzisivi brechen zwischen dem 7. bis 8,8.
Lebensjahr durch, die Unteren zwischen dem 6,8. und 8,1. Lebensjahr.
Die Dauer des Durchbruchs beträgt ca. 9 Monate und die Fortdauer der
Wurzelbildung, nach Durchbruchsbeginn beträgt im Oberkiefer 1,8 bis 2,5 Jahre,
im Unterkiefer 2,2 bis 2,5 Jahre. (Schroeder 2000)
1.2 Zahnmerkmale
Erkennungsmerkmale: charakteristische Zeichen jedes einzelnen Zahnes,
welche besonders zur Bestimmung der Seitenzugehörigkeit bzw. der richtigen
Einordnung in die vier Zahnquadranten dienen. Typisch für jeden Zahn sind
das/ die:
•
Achsenmerkmal
nach distal neigender Verlauf der Wurzellängsachse.
•
Bogenmerkmal, Krümmungsmerkmal
unterschiedliche Querwölbung ("Bäuchigkeit") der vestibulären
Kronenfläche.
•
Winkelmerkmal
die vordere (zur Kiefermitte hin zeigende) Kontaktfläche eines Zahnes
bildet einen spitzeren Winkel als die hintere, deren Winkel nicht nur flacher
sondern auch abgerundeter ist.
•
Wurzelmerkmal
Verlaufsrichtung der Wurzel im Vergleich zur Zahnachse: Durch die
Mesialdrift mehr oder weniger stark ausgeprägte Abkrümmung der
Zahnwurzel nach distal.
(http://www.zahnwissen.de/frameset_lexi.htm?lexikon_za-zm.htm )42
2
1.3 Zahngrößen nach Mühlreiter - De Jonge
Zahn (Oberkiefer) Größen
In Klammern = Milchzähne
(Angaben in Millimeter)
Kronenbreite 6,5 (4,2 - 6,6)
seitlicher
Schneidezahn
(gemessen am inzisalen Rand)
Kronenlänge 9,0 - 10,2 (5,5 - 6,8)
(gemessen an der vestibulären Fläche)
Zahnlänge 22,5 (14,5 - 17)
(vom inzisalen Rand bis an die Wurzelspitze)
Kronenbreite 7,6 (6,2 - 8)
(Strecke mediale bis distale Kronenecke)
Eckzahn
Kronenlänge 10,9 (6,5 - 7,8)
(gemessen zwischen Basis u. Spitze)
Zahnlänge 27 (17,5 - 22)
Kronenbreite 6,8
(vestibulär gemessen)
erster Prämolar
Kronenlänge 8,7
(vestibulär gemessen)
Zahnlänge 21,7
Tabelle 1: Zahngrößen nach Mühlreiter - De Jonge (2009)
3
1.4 Hypodontie/ Oligodontie/ Aplasie/ Anodontie
Hypodontie bezeichnet das Fehlen von 1 bis 5 Zähnen ausgenommen der
Weisheitszähne, im Gegensatz zur Oligodontie, welche den Verlust von mehr als
sechs Zähnen bzw. ganzer Zahngruppen umfasst. Das Fehlen einzelner Zähne
wird als Aplasie bezeichnet. Unter Anodontie versteht man das völlige Fehlen aller
Zähne.
Das Milchgebiss ist von einer Hypodontie seltener (unter einem Prozent) betroffen
als
das
bleibende
Gebiss
(bis
zu
6,5
Prozent).
„Mutationen an zwei Genen (MSX1 und PAX9) bei autosomal-dominanter
Vererbung konnten bisher (2007) als Ursache für eine Hypodontie nachgewiesen
werden. Die Ätiologie der Agenesie wird in der Literatur sehr unterschiedlich
diskutiert. Sowohl entwicklungsbedingte Anomalien als auch endokrine Störungen,
traumatische Ereignisse und Medikamente könnten eine Rolle bei der Entstehung
von Nichtanlagen spielen.“(www.zahnwissen.de 2009a)
1.4.1 Prävalenz von Nichtanlagen:
• Weisheitszähne: 23%
• Untere zweite Prämolaren: 5,3%
• Obere zweite Prämolaren: 2,3%
• Obere laterale Schneidezähne: 1-3%
• Untere laterale und zentrale Schneidezähne: 0,6-1,4%
(Lexikon Zahnmedizin/Zahntechnik 2000)
Bart et al. (2004) kombinierten in einer Metaanlayse Informationen vergleichbarer
Populationen bezüglich Prävalenz von Nichtanlagen bleibender Zähne. 48 274
Patienten nahmen an der Studie teil. Patienten mit kraniofazialen Syndromen und
entwicklungsbedingten Störungen wurden aus der Studie ausgeschlossen. Aus
diesem Patientenpool ergab sich eine Prävalenz von Nichtanalgen der
unterschiedlichen Zahntypen wie folgt:
• Untere zweite Prämolaren: 2,91-3,22%
• Obere zweite Prämolaren: 1,39-1,61%
• Obere laterale Schneidezähne: 1,55-1,78%
• Untere laterale und zentrale Schneidezähne: 0,42-0,60% (Bart et al.2004)
4
Der untere zweite Prämolar, gefolgt von dem oberen lateralen Inzisivus und den
oberen zweiten Prämolaren sind am häufigsten von einer Agenesie betroffen.
Auch Studien mit einer anderen Häufigkeitsverteilung der betroffenen Zähne
wurden bei dieser Metaanalyse evaluiert.
Im Bereich der oberen lateralen Inzisivi trat eine bilaterale Agenesie häufiger auf
als eine Unilaterale. Bei allen anderen Zahntypen war die unilaterale Agenesie
häufiger vorzufinden. (Bart et al. 2004)
Die Studie zeigte, dass die Prävalenz von Nichtanlagen unter der weiblichen
Bevölkerung signifikant höher war, als unter der Männlichen. Frauen waren
demnach 1,37-mal häufiger betroffen als Männer.
In Nordamerika war die Prävalenz von Agenesien im Vergleich zu Europa und
Australien niedriger. Die Ethnik wird als bedeutender Faktor für die Prävalenz von
dentalen Agenesien diskutiert. (Bart et al. 2004)
1.4.1.1 Häufigkeitsverteilung der Aplasie von 12/22
Eine portugiesische Studie, durchgeführt von Pinho et al. (2005). an 16771
Patienten, zeigte eine Prävalenz von kongenitaler Aplasie der oberen lateralen
Inzisivi von 1,3% (219 Patienten). „Die Prävalenz von 1,3% korreliert mit
Ergebnissen anderer Studien die zwischen 0,8% und 2% liegen.“ (Pinho et al.
2005) Johannsdottir et al. (1997) fanden in Island aus einem 396 großen
Patientenpool von Sechsjährigen eine Prävalenz von kongenitaler Aplasie der
oberen lateralen Inzisivi von 0,8%. Muller et al. (1970) untersuchten 14940 6–14jährige und fanden eine Prävalenz von 1,65%.
Eine weitere Studie aus Lissabon (Leitao 1993), bei der 666 12-jährige, bezüglich
einer kongenitalen Aplasie der oberen lateralen Inzisivi untersucht wurden, ergab
eine Prävalenz von 1,4% für den Zahn 12 und 1,7% für den Zahn 22.
In allen Studien waren mehr Männer als Frauen betroffen. Eine unilaterale Aplasie
der oberen lateralen Inzisivi trat im Vergleich zu der bilateralen Aplasie häufiger
auf, mit der Tendenz, dass der Zahn 12 häufiger nicht angelegt war als der Zahn
22. (Pinho et al. 2005)
2 Therapie bei fehlenden oberen lateralen Inzisivi (ProContra Lückenschluss versus Lückenöffnung)
Meist ist die erste Person die eine Agenesie diagnostiziert, der allgemein tätige
Zahnarzt. Wenn zwischen dem 7. und 9. Lebensjahr keine Eruption des oberen
5
lateralen Inzisivus erfolgt, wird ein Orthopantomogramm angefertigt um eine
Nichtanlage zu diagnostizieren. Das ist auch das richtige Alter um den Patienten
zu einem Kieferorthopäden zu überweisen. (siehe: Kapitel 2.1.4.1 Seite 23)
„Bei Patienten mit nicht erhaltungswürdigem hypoplastischem, aplastischem oder
traumatisch verlorenem oberen seitlichen Schneidezahn (bi- oder unilateral) wird
der Kieferorthopäde bei der Behandlungsplanung vor das Problem gestellt, die
Lücke des seitlichen Inzisivus zu schließen oder für einen späteren prothetischen
Ersatz (Implantat, Klebebrücke) bzw. Transplantat zu öffnen bzw. offen zu halten.
(…) Neben dem Drängen nach zeitlich schneller Versorgung der Lücke und der zu
erwartenden Mitarbeit sind die durch den Patienten zu tragenden Kosten ein nicht
zu unterschätzender Faktor bei der Entscheidung pro oder contra Lückenschluss.“
(Wriedt 2007)
Es gibt laut Kokich drei Therapiemöglichkeiten um die Lücke eines oberen
lateralen Inzisivus zu versorgen. Mesialisierung des Caninus, restaurativprothetische
Versorgung
oder
das
Einzelzahnimplantat,
aber
auch
das
Transplantat wird in der Literatur beschrieben.
Bei jungen Patienten mit fehlenden bleibenden oberen lateralen Inzisivi und einer
Malokklusion, muss ein Behandlungsplan erstellt werden, in dem Ästhetik und die
Zahngesundheit Priorität haben. (Zachrisson und Stenvik 2004)
Bevor man eine Entscheidung fällt, müssen Fernröntgenwerte (skelettale
Diagnostik), seitliche Verzahnung (Angle Kasse I, II, III), Zahngrößenrelation, der
Zustand der angrenzenden Zähne, Form und Farbe des Caninus und die
Compliance des Patienten evaluiert werden. (Kokich und Kinzer 2005)
Unabhängig davon, welche Art der Therapie letztendlich herangezogen wird, ist
die Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen Abschluss der Therapie, dass die
Behandlung der Aplasie des oberen lateralen Inzisivus (bi- oder auch unilateral)
interdisziplinär erfolgt. (Kieferorthopäde, Prothetiker, Chirurg, konventioneller
Zahnarzt)
6
2.1 PRO prothetische Versorgung – Lückenöffnung
Hauptargumente
der
Vertreter
prothetischer
Versorgungen
sind
die
Beeinträchtigung von Funktion (siehe Seite 37: Der Eckzahn aus gnathologischer
Sicht) und die oft wenig zufriedenstellende Ästhetik bei Mesialisierung des
Caninus, vorallem bei unilateralen Aplasien. Durch Lückenöffnung wird meist ein
ästhetischeres Ergebnis erzielt, da Farbe und Form des Eckzahnes an der
seitlichen Schneidezahnposition gerade bei asymmetrischen Aplasien ein
ästhetisch unbefriedigendes Ergebnis mit sich bringen. (Wried et al. 2007) Auch
das Einstellen einer exakten Mittellinie stellt bei einer unilateralen Aplasie sehr oft
ein großes kieferorthopädisches Problem dar.
Die restaurativen Behandlungsmöglichkeiten kann man in zwei Kategorien
unterteilen:
Das
Einzelzahnimplantat
und
eine
von
den
Nachbarzähnen
unterstützte Restauration. (Kokich und Kinzer 2005)
2.1.1 Nachteile des kieferorthopädischen Lückenschlusses
•
Langzeitprognosen zeigen eine Veränderung der Statik und der Funktion
sowie eine Beeinflussung der Gesichtszüge. So ergaben Vermessungen
von Probanden, dass die Jochbogenbreite mit der hinteren OberkieferZahnbogenbreite
korreliert
und
daher
jede
Vergrößerung
oder
Verkleinerung eine Verformung des Gesichtes zur Folge hat. (Prandtner
2007)
•
Durch die Mesialisierung der Eckzähne in die laterale Position kommt es zu
einer Veränderung der Hartgewebssituation. „Die distobukkale Linie bildet
die Begrenzung der Seitenzähne, die sich nach palatinal verschiebt. Dies
führt zu einer Vergrößerung des bukkalen Korridors“ (siehe Abbildung 1)
7
Abbildung 1: Vergrößerung des bukkalen Korridors durch Mesialisierung des Eckzahnes und
Veränderung der Weichgewebssituation
In Abbildung 1 ist des Weiteren zu erkennen, wie sich in Folge das
Weichgewebe – das heißt die Nasenflügel der Eckzahnsituation anpassen.
(Prandtner 2007)
• Als ein weiterer Nachteil werden die abweichende Farbe und Form der
Eckzähne genannt.
• Bei Patienten die dem progenen Formenkreis (kleiner Oberkiefer, großer
Unterkiefer) zuzuordnen sind ist ein Lückenschluss kontraindiziert, da der
schon kleine Oberkiefer noch kleiner gemacht wird.
• Bei
Patienten
mit
einem
gemäßigten
konvexen
Gesichtsprofil,
Unterkieferrücklage und fliehenden Kinn ist der Lückenschluss nicht das
Mittel der Wahl. (Kokich und Kinzer 2005)
• Durch die Mesialisierung des Caninus kommt es zu einem Verlust der
Front-Eckzahnführung (anteriore Gruppenführung) bei der dynamischen
Okklusion. Dies ist nach Droschl, Moser, Kubein und Krüger sowie Slavicek
inakzeptabel. (Diedrich 2002)
8
2.1.2 Lösungsbeispiele bei kieferorthopädischer Lückenöffnung:
• Das Einzelzahnimplantat (siehe Abbildung 2)
Abbildung 2: Einzelzahnimplantat mit weissem Abutment und definitiver prothetischer
Versorgung
• Maryland Brücke (siehe Abbildung 3)
Abbildung 3: Marylandbrücke
• Drei- oder sechsgliedrige Brücke
• Eckzahn mit mesialem Anhänger (Prandtner 2007)
• Autotransplantation von sich entwickelten Prämolaren
2.1.2.1 Implantat - Definition
„Von einer Implantation (Implantat) spricht man, wenn ein künstliches oder
biologisch körperfremdes Material in den Körper eingesetzt wird, wie Metall-,
Keramik-
bzw.
Aluminiumoxid-
Implantate
oder
(Knochen-)
Gewebeersatzmaterialien.“ (Schroll 1998)
2.1.2.2 Implantatversorgung
Heutzutage ist das Einzelzahnimplantat eine bewährte Behandlungsmethode um
einen fehlenden oberen lateralen Inzisivus (bi- oder unilateral) zu ersetzen.
Unterschiedlichste Studien haben gezeigt, dass es zu einer erfolgreichen
Osseointegration kommt und eine Langzeitfunktion gewährleistet ist.
„Das Einzelzahnimplantat weist die günstigste Prognose auf, die Verlustrate wird
in der Literatur mit 2,7% für beide Kiefer angegeben. Die hohe Erfolgsrate ist
evidenzbasiert
und
kann
dem
Patienten
auch
in
dieser
Form
zur
Entscheidungsfindung dienen.“ (Jakse 2008)
9
Es gibt jedoch Faktoren, die die Insertion eines Implantates erschweren:
• Zu geringes interkoronales (mindestens 6mm) wie auch interradikuläres
Platzangebot
• Alveolarkammatrophie
• Verlust der interdentalen Papille
• Kein kontinuierlicher Gingivaverlauf
• Alter des Patienten (Implantatinsertion ist erst nach Abschluss des
Wachstums möglich)
Jeder einzelne dieser Faktoren kann
das ästhetische Resultat negativ
beeinflussen. Der Kieferorthopäde kann den Chirurgen, wie auch den Prothetiker
unterstützen, um das ästhetische Ergebnis zu verbessern.
2.1.2.2.1 Sechs Punkte nach Kokich, um das ästhetische Ergebnis bei
Implantatinsertion an Position 12, 22 zu optimieren
Kokich beschreibt in seiner Arbeit sechs wichtige Punkte, um bei Implantation bei
Aplasie der oberen lateralen Inzisivi bestmögliche ästhetische Ergebnisse zu
erzielen.
1. Adäquates Platzangebot für eine implantologische Versorgung
2. Platzangebot zwischen den Wurzeln (zwischen Eckzahn und zentralen
Inzisivus)
3. Implantat Lageentwicklung
4. Korrektur des Papillenverlustes bei Lückenöffnung
5. Chirurgische Eingriffe in den Weichgewebsverlauf
6. Das richtige Alter für die Implantatinsertion
ad 1. Adäquates Platzangebot für eine implantologische Versorgung
Fehlt nur ein oberer lateraler Inzisivus, und fällt die Entscheidung zu Gunsten
einer einseitigen Lückenöffnung, richtet sich die Lückengröße und der für das
Implantat und die Suprakonstruktion zur Verfügung stehende Platz nach dem
entsprechenden Zahn der Gegenseite. Manchmal ist dieser jedoch hypoplastisch
(siehe Seite 11 Abbildung 4) oder es sind beide seitlichen Schneidezähne nicht
angelegt (siehe 11 Abbildung 5).
10
Abbildung 4:: bilateral
hypoplastische obere
laterale Inzisivi
Abbildung 5: bilaterale
Aplasie der oberen lateralen
Inzisivi
„In diesen Fällen wird die angestrebte Lückengröße von zwei Faktoren bestimmt:
Ästhetik
und
Okklusion.
Zwischen
den
oberen
mittleren
und
seitlichen
Schneidezähnen gibt es bezüglich der Zahnbreite eine ästhetische Beziehung, die
Kokich (2004) „Goldene Proportion“ nennt. Im Idealfall hat der seitliche
Schneidezahn 2/3 der Breite des mittleren Schneidezahns.“ (Kokich 2004)
Die mittleren Schneidezähne sind in der Regel etwa 9 mm breit, daher sollten für
die seitlichen Schneidezähne ein intercoronales Platzangebot von nicht weniger
als 6 mm (5,5 – 6,7mm) geschaffen werden. (Beyer 2007) Als Interimslösung, um
die Lücke bis zum Ende des Wachstums offen zu halten um eine spätere
Implantatinsertion zu ermöglichen können Klebebrücken im Sinne eines
Langzeitprovisoriums eingesetzt werden, wie sie in Abbildung 5 gezeigt werden.
(siehe Kapitel 2.1.5.1, S.21)
ad 2. Platzangebot zwischen den Wurzeln (zwischen Eckzahn und zentralen
Inzisivus)
Neben dem intercoronalen Platzangebot spielt das interradikuläre Platzangebot
eine wichtige Rolle für eine erfolgreiche Implantatinsertion. Die Voraussetzung für
eine Implantatinsertion ist, dass zwischen der Wurzelspitze des Eckzahnes und
des zentralen Inzisivus genügend Platz vorhanden ist. In den meisten Fällen
kommt es bei der Lückenöffnung zu einer Annäherung der Wurzelspitzen,
hervorgerufen durch die Kippung der Kronen der jeweiligen Zähne durch die
Kippung
der
Kronen
der
jeweiligen
Zähne.
11
Abbildung 6: Interradikuläres Platzangebot vor und nach kieferorthopädischer Behandlung
Deshalb
muss
nach
einer
Lückenöffnung
eine
radiologische
Kontrolle
(Orthopantomogramm) erfolgen, um die Wurzelspitzen gegebenenfalls neu zu
positionieren (siehe Abbildung 6) (Behandlungsdauer: 4 – 5 Monate), um eine
komplikationslose Implantatinsertion zu ermöglichen. (Kokich 2004) Bei einem
interradikulären
Platzangebot
von
7mm
kann
ein
Implantat
mit
einem
Durchmesser von 3,75mm gewählt werden. Dieses Implantat hat eine 4,1mm
breite Plattform. Somit bleibt auf jeder Seite ein Platzangebot von 1,5mm und
ermöglicht dadurch die Entwicklung der Papille. Bei einem Platzangebot von
weniger als 7mm muss ein Implantat mit einem geringeren Durchmesser gewählt
werden um eine adäquate Weichgewebsentwicklung zu gewährleisten. (Kokich
und Kinzer 2005b)
Für eine erfolgreiche Implantation ist laut Kokich und Kinzer jedoch ein
interradikuläres
Platzangebot
von
mindestens
5mm
notwendig.
Dieses
Platzangebot gewährleistet bei einem Implantat mit geringem Durchmesser, ein
Knochenangebot zwischen Implantat und benachbarter Wurzel von 0,75mm.
(Kokich und Kinzer 2005b) Dieses Mindestmaß ist notwendig, um das interdentale
Knochenniveau erhalten zu können und somit auch ein
ästhetisch
ansprechendes
Emergenzprofil
langfristig
zu
gewährleisten. (Becker 1999) Die Grazer Schule postuliert ein
Mindestknochenangebot zwischen Implantat und benachbarter
Wurzel von 1,5mm. Das inserierte Implantat sollte von 1 – 2 mm
Knochen umgeben sein. (Jakse 2008)
Abbildung 7:
Annäherung der
beiden Apices
12
In den 1970er und 1980er Jahren wurden fehlende obere
seitliche Schneidezähne vorwiegend mit Brückenkonstruktionen
versorgt, (siehe Seite 12 Abbildung 7) da die Langzeitprognosen
von Implantatversorgungen nicht zufriedenstellend waren. Im
Rahmen
dieser
Brückenversorgungen
musste
auf
die
Wurzelangulation keine Rücksicht genommen werden. Als eine
weitere
Ursache
für
ein
zu
geringes
interradikuläres
Platzangebot wird das Gesichtswachstum erwähnt, dass bei
Abbildung 8:
skelettale Klasse III
Patienten tragend wird, die ihre kieferorthopädische Behandlung
schon in jungen Jahren beendet haben. Auch wenn nach Abschluss der
kieferorthopädischen Behandlung die Wurzelspitzen des Eckzahnes und des
zentralen Inzisivus genügend Abstand aufweisen um ein Implantat zu inserieren,
können sich im Laufe des vertikalen Gesichtswachstums diese wieder annähern.
(Kokich 2004) (siehe Seite 12 Abbildung 6) Bei einigen Patienten mit skelettaler
Klasse III (siehe Abbildung 8) kann der interradikuläre Platz für ein Implantat trotz
idealem interkoronalen Platzangebot auf Grund der Oberkieferfrontprotrusion nicht
ausreichen. Diese Oberkiefer Frontprotrusion verursacht den „wagon wheel“
Effekt. (siehe Abbildung 9) Darunter versteht man die Annäherung der
Wurzelspitze des zentralen Inzisivus an jene des Caninus.
Abbildung 9: "wagon wheel effect"
Aufgrund der vorliegenden skelettalen Klasse III können die Wurzeln aber nicht
nach labial getorquet werden. Dies könnte zu einer Retrusion der Inzisivi, und
damit zu einem Kopfbiss oder verkehrten Überbiss führen. (Kokich und Kinzer
2005b)
ad 3. Implantat Lageentwicklung
Wenn der obere laterale Inzisivus nicht angelegt ist kommt es zu einer
Mesialisierung des Eckzahnes. Diese Situation ist laut Kokich wünschenswert,
denn
durch
das
Distalisieren
der
Eckzahnkrone
und
–wurzel
bei
der
Lückenöffnung, kommt es mesial des Caninus, durch Zug- und Druckkräfte nicht
13
nur zum Umbau des Processus alveolaris, sondern auch zu dessen Aufbau, den
man durch eine bukko-linguale Breitenzunahme feststellen kann. Diesen Vorgang
bezeichnet man als „orthodontic site development“. (Kokich 2004)
Solch eine Vorgehensweise ist nicht nur bei Aplasie der oberen lateralen Inzisivi
durchführbar, sondern läuft an jeder beliebigen Stelle des Alveolarknochens gleich
ab. (Kokich 2004) Mit der Entwicklung der Atrophie des Processus alveolaris nach
Beendigung der kieferorthopädischen Behandlung bis zum Zeitpunkt der
Implantatinsertion nach Wachstumsabschluss befasst sich das Kapitel 2.1.4 auf
der Seite 19.
ad 4. Korrektur des Papillenverlustes bei Lückenöffnung
Wenn der Eckzahn unmittelbar distal des zentralen Inzisivus durchbricht, entsteht
approximal eine Papille. Bei kieferorthopädischer Lückenöffnung hat die Papille
zwei Möglichkeiten bezüglich ihrer Position. Werden beide Zähne gleichzeitig (der
zentrale Inzisivus und der Caninus) voneinander wegbewegt, so bleibt die Papille
irgendwo im zahnlosen Abschnitt zurück. Wird nur der mesialisierte Caninus
kieferorthopädisch distalisiert, bleibt die Papille distal des zentralen Inzisivus. Bei
Aplasie der oberen lateralen Inzisivi und kieferorthopädischer Lückenöffnung,
benötigt man zwei Papillen. (eine Papille distal des zentralen Inzisivus und eine
mesial des Caninus) (Kokich 2004)
Bei erwachsenen Personen beeinflusst die Richtung der Zahnbewegung die
Papillenhöhe und den Weichgewebeverlauf distal des zentralen Inzisivus und
mesial des Caninus. (Kokich und Kinzer 2005a)
Eine andere Literaturstelle beschreibt, dass bei der Lückenöffnung die Papille an
ihrem ursprünglichen Platz bleibt, während sich die angrenzenden Sulki
voneinander wegbewegen. (Atherton 1970) Die sichtbare nicht keratinisierte
Gingiva erscheint anfangs rot (Atheron`s Patch) (Kokich, 2004). Nach einiger Zeit
keratinisiert diese Schleimhaut, die Position der Papille hingegen ändert sich nicht.
(siehe Seite 15 Abbildung 10)
14
Abbildung 10: linkes Bild: rote unkeratinisierte Gingiva (Atheron`s Patch)
mittleres Bild: Papillenposition bleibt unverändert
rechtes Bild: keratinisierte Gingiva
Bei Kindern ist die Situation eine andere, denn durch das Gesichtswachstum
verändern und adaptiert sich Knochen und Weichgewebe kontinuierlich. (Kokich
und Kinzer 2005) Erst mit dem Abschluss des Wachstums darf eine Implantation
erfolgen, darum muss das Emergenzprofil bis zur definitiven Versorgung mit gut
passenden Provisorien (keine Druckstellen) erhalten werden.
ad 5. Chirurgische Eingriffe in den Weichgewebsverlauf
Durchschnittlich ist die kieferorthopädische Behandlung im Alter zwischen dem 14.
und 16. Lebensjahr abgeschlossen. Nach Beendigung der Therapie ist auf das
Niveau der marginalen Gingiva zu achten. Die vollentwickelte Gingivasituation bei
einem zahngesunden Menschen sieht wie folgt aus:
• Der Taschenfundus liegt auf der Höhe der Schmelzzementgrenze.
• Das Saumepithel liegt auf der Höhe der Schmelzzementgrenze.
• Die Sondierungstiefe überschreitet 3mm nicht.
(Definition: Distanz vom Taschenfundus bis zum Gingivarand.) (Haas 2008)
„Als Bezugspunkt für die vertikale Position des Implantates dient der zentrale
Inzisivus, bei voll entwickelter Gingivabreite. An diesem kann sich der Chirurg
orientieren. Ist die Gingivabreite nicht vollständig entwickelt, muss die Diskrepanz
vor
der
Implantatchirurgie
behoben
werden,
um
zukünftige
ästhetische
Komplikationen zu vermeiden. Man bezeichnet diese Diskrepanz der Gingivabreite
auch als „altered passive eruption“. (…) Bei einem Großteil der Implantatsysteme,
wird die zukünftige laterale Inzisivus-Krone durch die vertikale Position des
Implantatkopfes festgelegt (die Implantatoberkante sollte dabei zwei bis drei
Millimeter apikal der geschätzten Gingivagrenze zu liegen kommen). (…)
Orientieren kann sich der Chirurg an der Gingivagrenze des zentralen Inzisivus.
Liegt
eine
Diskrepanz
der
Gingivabreite
bei
bereits
abgeschlossenem
15
Gesichtswachstum im Bereich der oberen Frontzähne vor, so muss diese durch
eine Gingivektomie ausgeglichen werden.“ (Kokich 2004) (siehe Kapitel 2.1.6
Weichgewebe auf Seite 25)
ad 6. Das richtige Alter für die Implantatinsertion
Der überwiegende Anteil der kieferorthopädischen Behandlungen endet zwischen
dem 14. und 16. Lebensjahr. Im Anschluss daran, muss die Lücke temporär
mittels Klebebrücken versorgt werden, um den Platz im koronalen wie auch im
apikalen Bereich offen zu halten. Die Implantatinsertion ist erst nach Abschluss
des Wachstums möglich. Wird zu früh implantiert, verhält sich das Implantat wie
ein ankylotischer Zahn und bleibt im Wachstum zurück. „Die im Wachstum
durchbrechenden benachbarten Zähne verschieben die Gingivagrenze und
verursachen dadurch eine Diskrepanz zwischen Implantat und den benachbarten
bleibenden Zähnen.“ (Kokich 2004) Dies ist ästhetisch inakzeptabel und unbedingt
zu vermeiden. Laut Kokich und Kinzer (2005b) ist die beste Methode um den
skelettalen und damit kraniofazialen Wachstumsabschluss zu diagnostizieren, die
sequenzielle
zephalometrische
Radiographie.
Darunter
versteht
man
die
Überlagerung von Fernröntgenbildern um die Position der Punkte im Fernröntgen
(SNA, SNB, Nasion, Menthon, Pogonion, Gonion, Sella) zu vergleichen und
etwaige Veränderungen festellen zu können. Diese sollte erstmals nach Abschluss
des Größenwachstums durchgeführt werden, und ein weiteres Mal sechs Monate
später.
Die
Wachstumskontrolle
unbefriedigend
und
Gesichtswachstums.
gibt
mittels
keine
(Kokich
Auskunft
und
Kinzer
Handröntgen
über
die
2005b)
ist
laut
diesen
Beendigung
Stimmen
bei
des
der
zephalometrischen Radiographie die beiden Röntgenbilder bezüglich vertikaler
Gesichtshöhe (Nasion zu Menthon) überein, kann man davon ausgehen, dass der
Großteil des Gesichtswachstums abgeschlossen ist. Diesbezüglich wurde eine
Studie
an
150
Frauen
und
Männern
mit
bereits
abgeschlossener
kieferorthopädischer Behandlung durchgeführt. Es wurden die Werte der
Probanden am Ende der Behandlung, mit jenen Werten die zehn Jahren später an
diesen Patienten evaluiert wurden verglichen. Das Ergebnis zeigte, dass das
Gesichtswachstum bei Frauen im Durchschnitt mit dem 17. Lebensjahr und bei
Männern mit dem 21. Lebensjahr endet. (Fudalej 1998)
16
Dies sollte aber nur als Richtwert dienen, denn die Wachstumssituation ist von
Mensch zu Mensch sehr individuell. (Kokich 2004)
2.1.2.2.2 Implantologisch-Prothetische Aspekte der Lückenöffnung
Wesentliche
implantologisch-prothetische
Aspekte,
die
bei
einer
Lückenversorgung der oberen lateralen Inzisivi (uni- wie auch bilateral)
berücksichtigt werden müssen, ist einerseits ein ausreichendes Platzangebot im
Kronen- Wurzelbereich, andererseits der Erhalt des Knochens über mehrere Jahre
bis
eine
Implantatinsertion
Hauptargument
für
eine
(Wachstumsabschluss)
Lückenöffnung
gilt,
dass
möglich
ist.
Als
der
Eckzahn
ein
seine
physiologische Position beibehält und somit seine Funktion bei der dynamischen
Okklusion erfüllen kann.
2.1.3 Die Aufgaben der Kieferorthopädie bei einer orthodontischen
Lückenöffnung sind:
• Alveolarbogen ausformen
•
Einstellung eine neutralen Verzahnung des posterioren Segments (Angle
Klasse I) und ein Offenhalten bzw. bei zu spätem Behandlungsbeginn ein
Öffnen der Lücken. Laut Kokich (2004) sollte nicht interzeptiv eingegriffen
werden, sondern der Caninus soll in der Agenesielücke durchbrechen um
die Entwicklung des Processus alveolaris zu fördern. (siehe Kapitel 2.1.4.1
S 20)
•
Laut Prof. Crismani 2009 sollte die Lückenöffnung möglichst weit seitlich
gelegt werden um etwaige Retraktionen der Gingiva und Blauverfärbungen
(Titanimplantat) aus dem hochästhetischen Bereich in z.B. regio 14/24 zu
verlagern.
Der
Caninus
kann
gleichzeitig
mesialisiert
werden.
(Scheiderbauer 2009)
• Genügend Platz für die Restauration schaffen, unter Berücksichtigung der
Wurzelneigung.
Das Ausmaß des Platzangebotes kann durch drei Methoden bestimmt
werden:
1. Die Goldene Proportion: Im Idealfall hat der seitliche Schneidezahn
2
/3 der Breite des mittleren Schneidezahns. Da die mittleren
Schneidezähne in der Regel etwa 9 mm breit sind, sollte für die
seitlichen Schneidezähne nicht weniger als 6 mm (5,5 – 6,7mm)
17
(Beyer 2007) Platz geschaffen werden. In Prozent ausgedrückt ist
der zentrale Inzisivus um 61,8% breiter als der Laterale. (Kokich und
Kinzer 2005b) S.13
2. Bei unilateraler Aplasie kann man den kontralateralen seitlichen
Inzisivus heranziehen, sofern dieser nicht hypoplastisch ist.
3. Bolton Analyse: Bei der Bolton Analyse, oder auch tooth size
analysis genannt, werden die Zahngrößenverhältnisses von Oberund Unterkiefer nach folgendem Schema errechnet. Die Breiten der
sechs Frontzähne (= anterior ratio) bzw. der zwölf Zähne vom Zahn
6 bis zum Zahn 6 der Gegenseite (= Over-all ratio) werden addiert
und mit Normwerten aus zwei Tabellen verglichen.
•
Als Normwerte gelten nach Bolton:
Anterior ratio (auch "kleiner Bolton"): Unterkiefer zu
Oberkiefer = 77,2%
•
Over-all ratio (auch "großer Bolton"): Unterkiefer zu
Oberkiefer = 91,3%
Abweichungen von über 3 % werden als klinisch
bedeutsam angesehen; man spricht hier von einer
"Bolton Diskrepanz" (www.zahnwissen.de 2009b)
Im Journal of Contemporary Dental Practice wurde eine Studie veröffentlicht, bei
der die Frontzahnbreiten bei Patienten mit Nichtanlagen der oberen lateralen
Inzisivi in Bezug auf den Bolton Index verglichen wurden. Das Ergebnis der Studie
zeigte, dass Patienten mit einer bilateralen Agenesis dem Bolton Index näher
waren, als jene mit unilateraler Nichtanlage. Bei Patienten mit unilateraler
Agenesis zeigte der laterale Inzisivus eine durchschnittliche Abweichung von
1mm. (5,5mm; Standardbreite: 6,5mm) (Baidas 2005)
Laut Kokich und Kinzer (2005b) ist die beste Methode um das benötigte
Platzangebot
vorherzusagen
ein
Wachsmodell,
indem
die
gewünschten
Zahnbewegungen und auch das Resultat simuliert werden können. Im
Durchschnitt werden 5 bis 7mm benötigt. Um genügend Platz für die
Papillenentwicklung zu gewährleisten, sind mindestens 1,5 bis 2mm zwischen
Implantatschulter und Nachbarzahn von Nöten.
18
„Die kleinsten Implantate haben heutzutage einen Durchmesser von ca. 3,2 mm.
Bei einer 6 mm breiten Lücke bleibt damit auf jeder Seite ein Abstand zwischen
Implantat und Nachbarwurzel von ca. 1,4 mm. (…) Wenn eine gute Okklusion
eingestellt wurde und die Lücke für ein Implantat nicht groß genug ist, kann durch
das
Beschleifen
der
Approximalflächen
(=ASR=Stripping)
des
mittleren
Schneidezahnes und des Eckzahnes zusätzlich Platz gewonnen werden.“
(Zachrisson und Stenvik 2005) (ASR siehe Kapitel 2.6.4 Seite 46) Sind diese
Approximalflächen zu flach, besteht auch die Möglichkeit, die Breite der
Prämolaren
zu
reduzieren.
Diese
eignen
sich
aufgrund
ihrer
dicken
Schmelzschicht gut für das Strippen. Studien haben gezeigt, dass zwischen dem
Abstand des Implantates und der angrenzenden Wurzel eine Korrelation bezüglich
Alveolarkammatrophie besteht. Die Distanz muss mindestens 1 bis 1,5mm
betragen. (Kokich 2004)
2.1.4 Knochenangebot zum Zeitpunkt nach Abschluss der
kieferorthopädischen Behandlung, im Vergleich zu jenem
Knochenangebot zum Zeitpunkt der Implantatinsertion bzw.
nach Wachstumsabschluss.
Eine von Beyer et al. (2007) durchgeführte Studie hatte zum Ziel, den optimalen
Zeitpunkt
für
eine
präprothetische
kieferorthopädische
Behandlung
bei
Einzelzahnimplantaten in Abhängigkeit von Knochenniveau und Inklination der
zentralen Inzisivi zu definieren. Zwei Probanden-Gruppen wurden verglichen.
Gruppe 1 umfasste jene Patienten, die mit <13,5 Jahren die kieferorthopädische
Behandlung begonnen hatten, Gruppe 2 jene, die sich erst mit >13,5 Jahren einer
kieferorthopädischen Therapie unterzogen.
Das
Ergebnis
zeigte,
dass
die
Alveolarkammatrophie
am
Ende
der
kieferorthopädischen Behandlung in der Gruppe 2 (>13,5a) geringer ausfiel, als in
der Gruppe 1 (<13,5a). Jedoch waren vor der Implantatsetzung, also nach
Abschluss des Wachstums, keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden
Gruppen festzustellen. Aus diesem Grund müssen die genetischen Faktoren der
Alveolarkammatrophie vor jeder implantologischen Versorgung bedacht werden.
(Beyer 2007)
19
2.1.4.1 Was geschieht mit der bukko-lingualen Breite des Processus
alveolaris im Zeitraum zwischen kieferorthopädischem
Behandlungsende und Wachstumsabschluss bzw. Zeitpunkt
der Implantatinsertion?
Spear et al. kamen hinsichtlich dieser Frage zu dem Ergebnis, dass der
horizontale Knochenverlust in einem Zeitraum von vier Jahren weniger als 1%
beträgt. (Spear et al.1997) „Bisherige Studien haben gezeigt, dass bei einer
Extraktion in der Oberkieferfront, der Processus alveolaris in seiner bukkolingualen Breite innerhalb von fünf Jahren bis zu 34% atrophiert. „Schopp et al.
2003 haben in einer klinischen Studie den Verlust der Kammbreite um 6 mm
innerhalb des ersten Jahres nach Zahnextraktion nachgewiesen." (Schopp et al.
2003)
Durch kieferorthopädische Lückenöffnung kommt es zu einer massiv
geringeren horizontalen Atrophie des Alveolarkamms. Basierend auf dieser
Information, sollte der Kieferorthopäde bei Aplasie der oberen lateralen Inzisivi
nicht interzeptiv eingreifen, sondern den bleibenden Caninus in mesialisierter
Position durchbrechen lassen. Durch die kieferorthopädische Distalisierung des
Eckzahnes entwickelt sich eine adäquate bukko-linguale Breite des Processus
alveolaris für eine Implantatinsertion.“ (Kokich 2004)
„Für ein Standardimplantat ist ein vertikales Knochenangebot von mindestens
10mm und ein horizontales Knochenangebot (bukko-linguale Breite) von
mindestens 6mm erforderlich.“ (Jakse 2008)
Bricht der Caninus nicht neben dem zentralen Inzisivus durch, bzw. kann er nicht
in diese Position geführt werden, entwickelt sich der Processus alveolaris nicht
vollständig. In diesen Fällen wird eine Hart- sowie Weichgewebs- Augmentation
(Connective Tissue Graft siehe auf Seite26 Abbildung 19/20) von Nöten sein, um
optimale Voraussetzungen für eine Implantatinsertion zu schaffen. (siehe
Abbildung 11) (Kokich und Kinzer 2005b)
Abbildung 11: Vertikale Augmentation mittels retromolarem Knochenblock und Bio Oss in regio 12/22
Auch der Erhalt von oberen lateralen Schneidezähnen der ersten Dentition
verzögert bzw. verhindert die Atrophie des Processus alveolaris und erhält somit
20
den Knochen für eine spätere Implantation. Die lateralen Milchzahninzisivi können
durch Komposit optisch einem bleibenden oberen lateralen Inzisivus angepasst
werden. So kann eine ästhetisch ansprechende Interimslösung bis zum Zeitpunkt
der Implantatinsertion (Wachstumsabschluss) erzielt werden. (Jakse 2008a) Bei
Agenesielücken im hochästhetischen Bereich, wie dies im Bereich der lateralen
oberen Inzisivi der Fall ist, ist laut Jakse (2008a) in den meisten Fällen eine
Augmentation von Nöten, um ein adäquates Implantatbett sowie Emergenzprofil
zu gewährleisten.
Grundsätzlich unterscheidet man zwischen einer einzeitig und einer zweizeitig
implantologischen
Versorgung.
Bei
der
einzeitigen
Versorgung,
Grundvoraussetzung dafür ist ein beschränktes Defektausmaß, wird die
Augmentation und die Implantatinsertion in einer Sitzung durchgeführt. Bei einem
zweizeitigen Eingriff wird in der ersten Sitzung augmentiert, und nach einer dreiviermonatigen Einheilphase in einem zweiten Eingriff implantiert. (Jakse 2008a)
2.1.5 Interimslösungen zur Versorgung der Agenesielücke
2.1.5.1 Lückenversorgung nach Beendigung der kieferorthopädischen
Behandlung bis zum Zeitpunkt der Implantation:
Nach Abschluss der kieferorthopädischen Behandlung stellen die entstandenen
Lücken eine ästhetisch nicht tolerierbare Situation dar, die möglichst umgehend
zufriedenstellend gelöst werden sollten. Die moderne Zahnheilkunde nutzt
Provisorien heute nicht nur um eine ästhetische und funktionell akzeptable
Interimslösung
zu
gewährleisten,
sondern
auch
zur
präprothetischen/präimplantolgischen Optimierung des Emergenzprofiles.
Die Lückenversorgung hat im Rahmen einer congenitalen Aplasie neben dem
ästhetischen Aspekt die Aufgabe, sowohl die Weichgewebsgirlande bzw. den
Papillenverlauf (Emergenzprofil) als auch die Lücke bis zum Zeitpunkt der
Implantation zu erhalten. Eine einfache und effiziente Lösung ist jene mittels
Retainer und Prothesenzahn (Oslo-Brücke). Dabei zu beachten ist, dass der
Retainer von den angrenzenden Zähnen gut gestützt wird und nicht der
Schleimhaut im zahnlosen Bereich aufliegt, dies könnte nämlich zu Druckstellen
und Entzündungen führen. (siehe Seite 22 Abbildung 12)
21
Abbildung 12: Druckstelle regio 22
Ist eine längerfristige Versorgung des zahnlosen Bereiches von Nöten, so ist der
Retainer
nicht
das
Mittel
der
Wahl.
In
solchen
Fällen
sollte
eine
kunststoffverstärkte Klebebrücke (Maryland- Brücke) zum Einsatz kommen, um
die Schleimhaut vor größeren Kräften zu schützen. Diese ist ebenfalls einfach zu
entfernen und beeinflusst die benachbarten Zähne kaum. (Herstellung einer
Maryland-Brücke mittels CAD/CAM Verfahren siehe Seite 24) (Kokich und Kinzer
2005b)
2.1.5.2 Lückenversorgung während der Einheilphase des Implantates:
„Das Standardprotokoll für dentale Implantationen nach Branemark (Adell et
al.1985) sieht für maschinierte Fixturoberflächen eine unbelastete Einheilzeit von
drei Monaten im Unterkiefer, und sechs Monaten im Oberkiefer vor. Dabei wird die
Primärstabilität
unter
anderem
über
den
seitlichen
Anpressdruck
der
Titanschrauben in der unterdimensionierten Bohrstellen im Sinne einer optimalen
Kongruenz nach Schroeder erreicht. Im Weiteren sind die anteilige Quantität der
Kompakta
in
zahnlosen
Kieferabschnitten
und
die
darin
geschnittenen
Gewindegänge ausschlaggebend. In diesem Konzept ist ursprünglich der
geringere
Kortikalisanteil
im
Oberkieferknochen
für
den
späteren
Belastungszeitpunkt der Implantate gewählt.“ (Schindler 2008)
Die Grundregel für alle provisorischen Versorgungen nach Implantation besteht
darin, dass eine Belastung in der Zentrik und Exzentrik auf das periimplantäre
Weichgewebe möglichst vermieden werden sollte. Auf diese Weise wird eine
optimale Einheilung des Implantates gewährleistet. (GerwinV.Arnetzl 2009)
Möglichkeiten der Lückenversorgung nach der Implantation bis zum Zeitpunkt der
definitiven prothetischen Versorgung:
•
Sofortversorgung (immediate loading) in Nonokklusion (kein Kontaktpunkt
und großer Abstand zu den unteren Inzisivi)
•
Sofortbelastung
•
Wiedereinklebung der bereits vorhandene Marylandbrücke
22
•
Oslo Brücke
•
Tiefziehschiene mit Kunststoffzahn
•
Teilprothese/Klammerprothese (Schleimhautgetragen und somit keine
adäquate Interimsversorgung)
•
CAD/CAM gefräste Maryland-Brücke (siehe Seite 24, Von der CAD/CAM
gefrästen Implantationsbohrschablone, bis zum Provisorium)
Grundvoraussetzung ist, dass das Provisorium zahngetragen ist, und keine
Druckstellen verursacht. „Um Lücken zuverlässig und komplikationslos offen zu
halten, sollte einer Maryland-Brücke Vorzug gegeben werden.“ (Jakse 2008b) Bei
der Versorgung mit einer Oslobrücke besteht die Gefahr von Druckstellen und
daher ist diese nicht das Mittel der Wahl. (Jakse 2008b) Auch die
Klammerprothese stellt als rein schleimhautgetragene Interimslösung keine
adäquarte Versorgung dar.
ad Sofortversorgung (immediate loading) bzw. Sofortbelastung
Durch neueste Implantatoberflächen (mikroraue Materialoberflächen) und Formen
(dynamische Gewinde), die die Osseointegration fördern wurde es möglich, ein
Implantat mit hoher Primärstabilität (mindestens 35 Ncm) einzubringen und auch
sofort prothetisch zu versorgen. (Schindler 2008) (Jakse 2008)
„Die vergrößerten Oberflächen führen zu einem signifikant
höheren Knochenkontakt bereits intraoperativ und damit zu
einer erhöhten Primärstabilität. Dies gilt nun als wesentliche
Voraussetzung für die Sofortbelastung“ (Jakse 2008a) Eine
Sofortbelastung wie auch Sofortversorgung ist meist nur bei
optimalen Verhältnissen, d.h. ein knöchernes bukko-linguales
Abbildung 13: weisses
Abutment im
hochästhetischen Bereich
Knochenangebot von mindestens 6mm und ein vertikales
Knochenangebot
von
mindestens
10mm
sowie
einer
adäquaten
Weichgewebssituation möglich. Dank modernster Technologien ist es heutzutage
möglich die Mesiostruktur (Abutment) in Keramik zu gestalten bzw. das
Titanabutement mit einem Keramikabutement zu verblenden. (siehe Abbildung 13)
Dieses wird mittels provisorischer Restauration versorgt, um etwaigen gingivalen
Veränderungen (Rezessionen) entgegenzusteuern.
23
Bei einer Sofortversorgung, sollte in der dynamischen Okklusion kein Kontakt mit
dem Antagonisten bestehen, um das Implantat in der Einheilphase (drei bis vier
Monate nach Implantation) nicht unnötig zu belasten. Beim Konzept der
Sofortbelastung wird die Suprakonstruktion (Krone) vom ersten Tag an in
Okklusion gestellt und zentrisch wie exzentrisch belastet.
„Leichte Zug und Druckbelastungen haben eine positive Auswirkung auf das
Implantatbett,
denn
dadurch
werden
Knochenresorptionen
weitgehend
vermieden.“ (Jakse 2008a)
Von der CAD/CAM gefrästen Implantationsbohrschablone, bis zum Provisorium
Beim Cerec Winter Opening 2009 wurde von Dr. Arnetzl 2009 eine
schablonengeführte Implantation vorgestellt, die mittels CAD/CAM Verfahren
hergestellt wird. Die Schaltlücke wird mit einem Stift versehen. (siehe Abbildung
14) Dieser entspricht der Verlängerung der Implantatachse. Mittels Camera wird
dieser Stift eingescannt, (siehe Abbildung 14) die Bohrschablone konstruiert und
aus einem Kunststoffblock (siehe Seite 25 Abbildung 17) gefräst. Anschließend
wird ein Führungsschacht im Ponticbereich bei bereits festgelegter Angulation
einpolymerisiert. (siehe Seite 25 Abbildung 15) Nach der Implantation wird der
Bohrkanal mit Komposit verschlossen und die Schiene zu einer Marylandbrücke
(siehe Seite 25 Abbildung 16) umfunktioniert. (GerwinV.Arnetzl 2009)
Abbildung 14: Implantatangulation wiedergegeben durch den Stift im Gipsmodell und eingescannte
Situation im Cerec 3
24
Abbildung 15: CAD/CAM gefräßte Bohrschablone aus Kunststoff
Abbildung 16: Maryland Brücke als Interimslückenversorgung
Abbildung 17: Kunststoffblock (CAD-Temp)
2.1.6 Weichgewebe
Neben dem ästhetischen Aspekt der Lückenversorgung hat das Provisorium wie
bereits erwähnt eine wichtige Aufgabe bezüglich Emergenzprofil.
Nach frühestens 4 bis 6 Wochen ist der Verlauf des Weichgewebes stabil und erst
dann sollte die Agenesielücke definitiv versorgt werden. (Kokich und Kinzer
2005b)
25
„Die Weichgewebsgirlande kann umso schöner erhalten werden, je früher das
definitive Abutment (siehe Abbildung 18) eingegliedert
wird und nicht mehr gewechselt werden muss.“
Bezogen
auf
das
Hartgewebe
verhindert
eine
Sofortversorgung/Sofortbelastung bereits von Beginn
des
Knochen-
Implantatkontaktes
Inaktivitätsatrophie
durch
eine
Übertragungen
von
Mikrobewegungen auf das Implantatbett. (SzmuklerMoncler
et
al.
1998).
(Schindler
2008)
Auch
Abbildung 18:
Gingivaformer/Einheilschraube
von Nobel Biocare (Nobel Active)
Einheilkappen (Gingivaformer) stehen zur Ausformung
eines ästhetischen Emergenzprofiles zur Verfügung. Es ist hier jedoch ebenfalls
eine adäquate Primärstabilität des Implantates (35ncm) von Nöten.
Durch
mehrmaliges
kontrollieren
bzw.
auswechseln
des
Gingivaformers
(unterschiedliche Größen und Formen) kann das Emergenzprofil optimiert werden.
„Um zusätzlich Weichgewebsvolumen zu erhalten, kann auch eine Augmentation
mit einem subepithelialen Bindegewebstransplantat (Connective Tissue Graft —
CTG) vorgenommen werden (siehe Abbildung 19 und 20), entweder im Rahmen
der Socket Preservation oder auch erst bei Implantation. Verschiedene
Tunnelierungstechniken haben hier einen großen Fortschritt gebracht und
ermöglichen vielfach eine weit gehende Wiederherstellung von verloren
gegangenem Weichgewebe und natürlicher Ästhetik.“ (Wimmer 2010)
Abbildung 19: Subepitheliales Bindegewebstransplantat (Spenderregion Gaumen) regio 12 bei
bilateraler Aplasie der oberen lateralen Inzisivi
Abbildung 20: st.p. Weichgewebsaugmentation und Implantation regio 12
26
2.1.6.1 Pink Esthetic Score (PES)
„Der Pink Esthetic Index untersucht die periimplantären Weichgewebe um
Einzelzahnimplantate. (…) Damit kann man die Ergebnisse von verschiedenen
chirurgischen und prothetischen Protokollen objektivieren.“ (Führhauser et al.
2009) Die maximal zu erreichende Punkteanzahl liegt bei 14. Die sieben Aspekte
die bewertet werden in Abbildung 21 beschrieben und können jeweils mit Null,
einem oder zwei Punkten bewertet werden.
Bewertung 0-1-2
höchster möglicher Score 14
Abbildung 21: Pink Esthetic Score (PES) nach Führhauser et al. 2009
1.) mesiale Papille
2.) distale Papille
3.) Höhe des Gingivalrandes
4.) Kontur des Gingivalbogens
5.) bukkale Knochenkontur
6.) Stippelung der Gingiva
7.) Farbe der Gingiva
2.2 Autotransplantation von Zähnen - Lückenöffnung
2.2.1 Definition
Eine Transplantation ist im Allgemeinen eine operative Verpflanzung eines
Gewebes oder Organs von einer Stelle zu einer anderen. In der Zahnheilkunde
bedeutet Transplantation die Verpflanzung von Zähnen bzw. Zahnkeimen in
neu geschaffene Alveolen im Kieferknochen.
27
2.2.2 Transplantationsterminologie
• Autogene Transplantation bzw. Autotransplantation:
Spender und Empfänger sind dasselbe Individuum (z.B.: ein Zahn im Mund
desselben Patienten wird von einer Stelle an eine andere transplantiert.)
• Isogene Transplantation bzw. Isotransplantation:
Spender und Empfänger sind genetisch identisch (z.B.: Transplantation bei
eineiigen Zwillingen)
• Allogene Transplantation bzw. Allotransplantation:
Spender und Empfänger sind genetisch different, sie gehören aber
derselben Spezies an. (z.B.: ein Zahn wird von einem Patienten zu einem
anderen Patienten transplantiert)
• Xenogene Transplantation bzw. Xenotransplantation:
Spender und Empfänger gehören nicht derselben Spezies an. (z.B.:
Transplantation eines menschlichen Zahnes in ein Tier) (Schroll 1998)
2.2.3 Prä- und Intraoperative Vorgehensweise
Vor jeder Transplantation ist, wie auch vor einer implantologischen Versorgung
eine allgemein- und zahnmedizinische Anamnese obligatorisch.
Die drei Hauptindikationen für eine Transplantation sind laut Zachrisson
asymmetrisch verteilte multiple Aplasien, ein traumatisches Ereignis oder
angeborene fehlende obere Schneidezähne. (Björn er al. 2004) Als
entscheidender Faktor für den Erfolg eines Transplantates wird in der
Fachliteratur das Entwicklungsstadium des Spenderzahnes angeführt. Die
Stadien 3 und 4 nach Moorees et al. werden als die besten Zeitpunkte für eine
Transplantation
beschrieben.
(siehe
Tabelle
3,
siehe
S31)
Das
Transplantatbett (Neoalveole) sollte dem Spenderzahn ein ausreichendes
Knochenlager
zur
Verfügung
stellen.
Hiermit
können
druckbedingte
Verletzungen des parodontalen Bindegewebes und Wachstumsgranuloms und
die resultierenden Folgeschäden minimiert werden. „Auch die Entfernung des
28
Spenderzahnes sollte atraumatisch erfolgen, um eine größtmögliche Schonung
des Zahnsäckchens und des Desmodontes gewährleisten zu können.“
(Strbac und Gruber 2008) Das Transplantat wird in die Neoalveole in
Infraokklusion eingesetzt und mit einer Kreuznaht fixiert, die nach einer Woche
entfernt werden kann. „Nach der Transplantation des Spenderzahnes in die
Empfängerregion beginnt bei Zähnen mit einer unvollständigen Wurzelbildung
nach vier Tagen vom Foramen apicale aus ein Revaskularisierungsprozess.
Das nekrotische Pulpengewebe wird nach einigen Wochen vollständig durch
Gefäße und mesenchymale Zellen ersetzt.“ (Strbac und Gruber 2008).
Dieser Prozess lässt sich nach einigen Monaten radiologisch durch eine
Obliteration der Pulpa feststellen. (Strbac und Gruber 2008) Obwohl diese
obliterierten Zähne oft auf diverse Vitalitätstests (z.B.: elektronischer
Pulpentester) negativ reagieren ist keine endodontische Therapie erforderlich.
Geht die Pulpenobliteration sehr schnell (innerhalb eines Jahres) von statten
ist eine endodontische Behandlung indiziert um eine Perforation (fausse route)
bei etwaigen späteren Eingriffen (apikale Probleme) zu vermeiden. (Björn et al.
2004)
Bei
Zähnen
die
bereits
ein
vollständig
abgeschlossenes
Wurzelwachstum und ein fast geschlossenes Foramen apicale aufweisen,
kommt es nur im Bereich des Foramen apicale zu einer Revaskularisation und
im Rest der Pulpa zu einer Nekrose. Deshalb sollte in diesen Fällen, um den
frühzeitigen Verlust des Transplantates zu vermeiden, der Zahn endodontisch
behandelt werden. (Strbac und Gruber 2008)
In einer Studie von Czochrowska et al. aus dem Jahr 2000 über
Autotransplantationen, wurde bei 40 Patienten 45 Prämolaren in die
Oberkieferfrontregion transplantiert (39 zentrale und 6 laterale Inzisivi wurden
ersetzt). Dabei zeigte sich radiologisch eine Obliteration der Pulpa an allen 45
Prämolaren (Obliterationsrate von 100%). Ein Transplantat (2,2%) wies
Zeichen einer Ankylose auf (Infraokklusion) und zwei weitere eine beginnende
entzündliche Resorption der Wurzel, die durch eine endodontische Behandlung
gestoppt werden konnte. (Czochrowska et al. 2000)
29
Eine weitere Studie von Czochrowska et al. aus dem Jahr 2002, hatte das Ziel,
den ästhetischen Aspekt bei Transplantationen von Prämolaren in die
Oberkieferfrontregion zu evaluieren. Die Ergebnisse waren wie folgt:
• Die unteren Prämolaren führen zu einem ästhetischeren Ergebnis in der
Oberkieferfrontregion, als die oberen Prämolaren.
• 75% der Prämolaren, die in die Oberkieferfrontregion transplantiert wurden,
zeigten einen Interdentalraum der vollständig mit der Papille ausgefüllt war.
(Dies korreliert mit den Ergebnissen die Implantate bezüglich Weichgewebe
erzielen.)
• Die Patientenzufriedenheit lag bei 75%.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass ein Viertel der Patienten mit dem
erzielten ästhetischen Ergebnis unzufrieden waren, wobei die Autoren der Studie
der Ansicht sind, dass bei einer genauen interdisziplinären Vorgehensweise
(Chirurgie, Kieferorthopädie, Prothetik) die Transplantation von Prämolaren eine
Methode ist, die in der Oberkieferfrontregion zu vorhersagbaren ästhetischen
Ergebnissen führt. (Czochrowska et al. 2002) Der Erfolg einer Transplantation ist
stark geknüpft an die chirurgische Vorgehensweise und verlangt dem Chirurgen
sehr viel Erfahrung, Geschick und Sorgfalt ab. Dies ist ein Grund dafür, dass die
Autotransplantation von Prämolaren sich nicht als Goldstandard etabliert hat.
(Czochrowska et al. 2000)
Implantologische
Lösungen
Patientenzufriedenheit
von
in
90%
der
auf.
Oberkieferfront
Zachrisson
tendiert
weisen
trotz
eine
höherer
Patientenzufriedenheit bei implantologischen Versorgungen (bezüglich Haltbarkeit
wie auch Ästhetik) zu Lösungen auf Transplantatbasis. Die Gründe dafür sind auf
Seite 31 in Tabelle 2 angeführt.
30
Transplantat
Implantat
Biologischer Ersatz
Künstlicher Ersatz
induziert Wachstum des Alveolarknochens
Benötigt Alveolarknochen
Die Prognose für parodontale Heilung Ankylose (Osseointegration)
liegt bei 90%
Die Transplantatposition kann
kieferorthopädisch (3 – 4 Monate nach
Die Implantatposition kann nicht verändert
dem chirurgischen Eingriff) verändert
werden.
werden
Physiologische Eruption, analog zu den Keine Eruption
Nachbarzähnen
Normale Entwicklung der interdentalen Regelmäßige
interdentale
Papille
Rezessionen
Langzeitstudien (siehe Tab.4 Seite 34)
Fehlen von Langzeitstudien
(> 40 Jahre)
(>10 - 15Jahren)
gingivale
Tabelle 2: Ergebnisvergleich von autotranplantierten Prämolaren versus implantologischen Lösungen
nach einem traumatischen Ereignis in der Oberkieferfront (Strbac und Gruber 2008)
Stadium0: Kronenbildung fast abgeschlossen, es erfolgt initiale Wurzelbildung
Stadium1: Wurzelbildung zu einem ¼ abgeschlossen, Transplantation möglich
Stadium2: Wurzelbildung bis zur Hälfte abgeschlossen
Stadium3: Bildung der Wurzel zu ¾ abgeschlossen
Stadium4: vollständige Wurzelbildung mit weit offenem Foramen apicale
Stadium5: halbgeschlossenes Foramen apicale
Stadium6: Foramen apicale fast komplett geschlossen
Tabelle 3: Entwicklungsstadien nach Moorees et al. (Strbac und Gruber 2008)
31
Studie
Bjercke et
Beobachtungs-
Patienten-
Anzahl
Stadium der
Überlebens-
zeitraum in
alter
Zähne
Wurzelbildung
rate
Jahren/ ø
Jahre/ø
3-13/6,2
8-19/11,8
34
unvollständig
100%
1-18/6,3
10-58/6,3
82
unvollständig
96%
5/-
9-31
317/53
unvollständig/
95%/98%
Slagvold
1974, 1978
Kristerson
1985
Andreasen et
al. 1990
vollständig
Tabelle 4: Langzeitergebnisse nach Autotransplantation von Prämolaren (Strbac und Gruber 2008)
32
2.3 CONTRA prothetische Versorgung – kieferorthopädischer
Lückenschluss:
Im Zuge der kieferorthopädischen Weiterentwicklung wurden etliche Studien
bezüglich des Lückenschlusses in der Front durchgeführt. „Dahan, Lenz und
Heideborn
sowie
Nawrath
favorisierten
unabhängig
voneinander
den
kieferorthopädischen Lückenschluss im Wechselgebiss und bei Engstand, jedoch
nicht bei generalisierten Lücken und bei Erwachsenen sowie möglichst nur bei
isoliertem Fehlen einzelner Zähne. Ein sagittales Missverhältnis wurde schon
damals als Kontraindikation angegeben.“ (Kahl-Nieke 2002) Bei Patienten die dem
progenen Formenkreis zuzuordnen sind, darf aufgrund des vergrößerten
Unterkiefers,
im
Oberkiefer
kein
Lückenschluss
erfolgen,
da
dies
eine
Verkleinerung des oberen Zahnbogens zur Folge hat.
„Aus ästhetischer Sicht vertritt der erste Prämolar den Eckzahn gut, der Eckzahn
den
seitlichen
Inzisivus
mittelmäßig
(andere
Farbe)
und
der
seitliche
Schneidezahn den zentralen Inzisivus nur ungenügend.“ (Kahl-Nieke 2002)
„Bereits 1953 plädierte Carlson und 1970 Tuverson bei fehlenden seitlichen
Inzisivi für den orthodontischen Lückenschluss. Sie relativierten die Diskrepanz
zwischen seitlichem Schneide- und Eckzahn als ein Hauptproblem des
orthodontischen
Lückenschlusses
mit
der
mangelhaften
Überlebensrate
prothetischer Restaurationen.“ (Kahl-Nieke 2002) Harzer und Reinhardt bewerten
den indikationsgerechten, orthodontischen Lückenschluss als gleichberechtigte
Alternative zum prothetischen Lückenschluss. (Kahl-Nieke 2002)
„Ein kieferorthopädischer Lückenschluss reduziert die Behandlungskosten und die
Behandlung kann bald nach dem Entfernen der festsitzenden Apparatur
abgeschlossen werden. (…) Basierend auf wissenschaftlichen Studien und der
klinischen Erfahrung darf man mit Recht bezweifeln, dass eine Lückenöffnung und
prothetische
Versorgung
eine
bessere
Langzeitprognose
besitzt
als
ein
kieferorthopädischer Lückenschluss.“ (Zachrisson und Stenvik 2005) Tuverson
und Zachrisson stehen der Lückenöffnung und der Implantatversorgung im
seitlichen Schneidezahnbereich skeptisch gegenüber, denn ihrer Ansicht nach ist
die Farbe des Eckzahnes den benachbarten Zähnen ähnlicher als die Farbe von
Keramikkronen. (siehe Seite 34 Abbildung 22a,b) (Zachrisson und Stenvik 2005)
33
Abbildung 22a: prothetischer Misserfolg regio 22
Abbildung 22b: adäquate implantologisch - prothetische Versorgung des aplastischen
12ers; st.p. Auto(retromolar) - und Xenotranplantat (Bio Oss)
„Bei strenger Indikationsstellung zum einseitigen Lückenschluss und Beachtung
der Morphologie des Eckzahnes im Vergleich zum kontralateralen seitlichen
Schneidezahn, wurde das Ergebnis von den Patienten als ästhetisch ansprechend
beurteilt. (Abbildung 23a) Schon in einer der ersten Untersuchungen zur
ästhetischen Bewertung von Zahnfehlstellungen wurde festgestellt, dass bei
korrekter axialer Inklination und Anpassung der Form im lückenfreien Gebiss die
Mesialisierung des Eckzahnes anstelle des seitlichen Inzisivus gut toleriert wird,
solange nur die Mittellinie und somit die Symmetrie beibehalten wird.“ (Wriedt et
al. 2007)
Abbildung 23a: unilateraler Lückenschluss regio 12
Abbildung 23b: bilateraler Lückenschluss regio 12 und 22
Die Einstellung einer exakten Mittellinie stellt eine der größten Herausforderungen
für den Kieferorthopäden dar. „Die häufigste Therapieform ist die Substitution
durch den Eckzahn. Dieser kann wenn erforderlich durch prothetische Lösungen
(Veneer, Krone) dem oberen lateralen Inzisivus angepasst werden. Die
Mesialisierung des Eckzahnes ist laut Kokich eine exzellente Lösung um die
Lücken zu versorgen, jedoch müssen die Indikationen für diese Therapieform
gegeben sein. Als Indikationen für einen Lückenschluss wird eine distale
Okklusion/Bisslage (dental) und große Frontzahnstufe, flaches Höcker–Fissuren–
Relief bei ungesicherter Okklusion, protrudiert stehende Frontzähne, kleine
34
apikale Basis, Platzmangel im kleinen Zahnbogen, sowie der offene Biss, das
vertikale Wachstumsmuster und der Profilverlauf (konvexes Mundprofil, kleine
Nase) angeführt.“ (Wriedt et al. 2007)
Ergänzend zu den eben angeführten Punkten wurde von Kokich Form und Farbe
des Caninus und die Höhe der Lachlinie besprochen. (siehe Seite 41-43)
In einer retrospektiven Studie von Robertsson und Mohlin aus dem Jahr 2000
wurde an 50 Patienten mit einem durchschnittlichen Alter von ca. 26 Jahren die
subjektive Zufriedenheit des Patienten bezüglich Ästhetik mit jener des
behandelten Zahnarztes verglichen und anschließend Kiefergelenk, Funktion und
parodontale
Gesundheit
analysiert.
Prothetische
Lösungen
durch
Einzelzahnimplantate wurden aus dieser Studie ausgenommen. Aus diesem
Patientenpool wurden 30 Patienten mittels einer Mesialisierung des Caninus
therapiert. Bei 20 Patienten wurde eine Lückenöffnung durchgeführt, wobei 12
Patienten
dieser
Gruppe
mit
einer
Kunststoffbrücke,
und
8
mit
einer
Porzellan/Goldbrücke versorgt wurden. Das Ergebnis dieser Befragung ergab,
dass jene Patienten die mittels kieferorthopädischem Lückenschluss behandelt
wurden, zufriedener waren und sich subjektiv gesünder fühlten, als jene die
prothetisch versorgt wurden.
Auf Kiefergelenk und Funktion hat ein kieferorthopädischer Lückenschluss laut
Robertsson und Mohlin keinen Einfluss. (Robertsson und Mohlin 2000)
„In einer Nachuntersuchung an 30 Patienten nach kieferorthopädischen
Lückenschluss
werteten
kieferorthopädischen
Harzer
und
Lückenschluss
Reinhardt
als
den
indikationsgerechten
gleichberechtigte
Alternative
zum
prothetischen Lückenschluss. (…) Zwar waren bei ihrem Probandengut okklusale
Interferenzen aufgetreten, jedoch keine negative Folgen für die Kiefergelenke bzw.
Muskulatur.“
Als
ein
wichtiges
Problem
spricht
Prof.
Crismani
2009
die
gingivale
Blauverfärbung an, die entstehen kann wenn die bukkale Knochenlamelle
resorbiert wird. Im Gegensatz zu Zähnen und Transplantaten können die
Implantate die bukkale Knochenlamelle nicht halten. Auch die gingivale Retraktion
und der Verlust der interdentalen Papille (vor allem die Distale) mit den
sogenannten „schwarzen Dreiecken“, dürfen bei implantologischen Lösungen
nicht außer Acht gelassen werden. (Crismani 2009)
35
2.4 Möglichkeiten des kieferorthopädischen Lückenschlusses
bei Verlust oder Aplasie von ein oder zwei lateralen
Schneidezähnen im Oberkiefer sind prinzipiell: siehe
Abbildung 24
a)
die
Seitenzahnreihe
mesialisiert,
so
im
dass
Oberkiefer
ohne
wird
vollständig
Ausgleichsextraktion
im
Unterkiefer insgesamt eine Klasse-II-Okklusion auf der
betroffenen Seite resultiert.
b)
Alternativ kann bei Platzdefizit und insbesondere bei
skelettaler
Klasse-III-Tendenz
bzw.
Anomalie
eine
ausgleichende Entfernung von zwei Zähnen im Unterkiefer
indiziert
sein,
so
dass
eine
Klasse-II-Okklusion
im
Eckzahnbereich und eine Klasse-I-Verzahnung im Molarenund Prämolarenbereich entsteht.
c)
Als dritte Variante bieten sich insbesondere zur Vermeidung
einer frontalen Knochenatrophie eine Mesialisierung des
Eckzahnes und ersten Prämolaren und das Belassen einer
Lücke mesial des zweiten Prämolaren an. Daraus resultieren
eine anteriore Klasse-II- und eine posteriore Klasse-IOkklusion. (Diedrich 2002)
Abbildung
24:
Behandlungsalternativen
Schneidezähnen
beim
Verlust
von
einem
oder
beider
seitlichen
36
2.4.1 Ausgleichsextraktion
„Die Ausgleichsextraktion zur Anpassung der Zahnzahl von Ober- und Unterkiefer
muss ebenso vor jedem orthodontischen Lückenschluss sorgfältig abgewogen
werden. Auch hier erleichtert ein ausgeprägter Platzmangel im Kiefer ohne
Nichtanlage die Entscheidung. Die Ausgleichsextraktion hängt jedoch nicht nur
von der Platzbilanz, sondern auch von der skelettalen Konfiguration des
Gesichtsschädels ab. Bei beidseitiger Klasse II ohne Engstand im Unterkiefer
kann im Einzelfall auf die ausgleichende Extraktion verzichtet werden. Bei
skelettaler Klasse III ist die alleinige Reduktion der Zahnzahl asymmetrisch, oder
auch
symmetrisch
nur
im
Oberkiefer
kontraindiziert,
da
sie
bei
rein
kieferorthopädischen Behandlungsziel dem unerwünschten Wachstum des
Unterkiefers Vorschub leisten. (…)
Sollte die Behandlungsstrategie in Richtung kombiniert kieferorthopädischkieferchirurgische Therapie gehen, so kann die Zahnextraktion im Unterkiefer
problematisch werden. Auch die Germektomie der Weisheitszähne in den
Quadranten ohne Zahnverlust bzw. Extraktion gilt als eine die Zahnzahl
ausgleichende Maßnahme.“ (Diedrich 2002)
2.5 Der Eckzahn aus gnathologischer Sicht
Der Eckzahn ist am besten geeignet, um lateralen Kräften standzuhalten, da er die
längste
Wurzel
besitzt
und
von
starkem
Knochen
umgeben
ist.
Die
Eckzahnführung hält die Muskelaktivität im physiologischen Bereich und überträgt
angemessene Kräfte auf die Kiefergelenke, dies reduziert zudem das Risiko einer
Störung des Kausystems. (Magheri 2002) Der Eckzahn ist der zweithäufigste
impaktierte Zahn (0,8-3,5%) nach dem Weisheitszahn.
Die Führungstheorie nach Miller und Bass
Als Ursache für die Impaktion der Eckzähne werden zwei unterschiedliche
Theorien genannt. Bei der Führungstheorie wird das Fehlen des seitlichen
Schneidezahnes als Leitstruktur für den Durchbruchspfad des Eckzahnes für die
Impaktion verantwortlich gemacht. Die genetische Theorie macht erbliche
Faktoren für die Impaktion verantwortlich.
„Bei dem Durchbruchsvorgang übt die Eckzahnkrone einen Druck auf die Wurzeln
der seitlichen Schneidezähne aus und führt so zwischenzeitlich zu einer
Fächerstellung der oberen Schneidezähne.
37
Dies ist etwa im 9. Lebensjahr der Fall und wird
als „ugly duckling stage“ bezeichnet.“ (siehe
Abbildung 25) (Seemann 2006)
Becker et al. (1999) fügten anhand ihrer
Untersuchungen ergänzend hinzu, dass hypound dysplastische Veränderungen sowie
Spätentwicklungen der oberen lateralen Inzisivi
Abbildung 25: ugly duckling stage
das Risiko einer Impaktion erhöhen, da in solchen Fällen eine unförmige Wurzel
vorliege und diese nicht als Leitstruktur dienen könne. (Becker 1999)
2.6 Okklusionskonzepte:
„Die wechselseitig geschützte Okklusion (organische Okklusion)
•
Die Seitenzähne stoppen die Schließbewegung des Unterkiefers in der
maximalen Interkuspitation (maximaler Vielpunktkontakt).
•
Die Frontzähne berühren sich in der zentrischen Okklusion nur federleicht.
•
Die Seitenzähne diskludieren bei Exkursionsbewegungen des Unterkiefers
unter
Front-Eckzahnführung.
Bei
Protrusion
führt
die
gesamte
Frontzahngruppe, bei Laterotrusion nur die Eckzähne und die Frontzähne
der Arbeitsseite.
•
Die Front schützt den Seitenzahnbereich vor unerwünschtem okklusalen
Trauma durch Disklusion bei Exkursionen.
•
Der Seitenzahnbereich schützt die Front vor protrusiver Überbelastung
durch Abstützung der Okklusion in maximaler Interkuspitation.
38
2.6.1 Okklusionskonzepte der dynamischen Okklusion
Eckzahngeschützte Okklusion:
Die Führung der Bewegung erfolgt durch die Eckzähne, die übrige Front- und
Seitenzahnbereich diskludiert. Die reine steile Eckzahnführung ist im natürlichen
Gebiss selten. Bei der dominanten Eckzahnführung stehen in jeder geführten
Unterkieferposition außerhalb der IKP (Interkuspitationsposition) sofort alle
Schneide- und Seitenzähne in vollständiger Disklusion. (Parsche 2006)
Front- Eckzahngeschützte Okklusion: (entspricht anteriore Gruppenfunktion nach
Slavicek)
Die Führung der Bewegung erfolgt durch die gesamte Frontzahngruppe der
Laterotrusionsseite, der Seitenzahnbereich diskludiert. Dieses Okklusionskonzept
kommt im natürlichen Gebiss am häufigsten vor (57%). Alle Seitenzähne stehen in
jeder geführten Unterkieferposition außerhalb der IKP sofort in vollständiger
Disklusion. Die Front- Eckzahngeschützte Okklusion ist das Konzept der Wahl im
natürlichen Gebiss. (Parsche 2006) (Slavicek 1982)
Unilateral
balancierte
Okklusion:
(entspricht
Gruppenfunktion
der
Laterotrusionsseite nach Slavicek)
Die Führung der Bewegung erfolgt gleichmäßig durch den Eckzahn, die bukkalen
Höcker der Prämolaren und den mesiobukkalen Höcker des ersten Molaren der
Laterotrusionsseite. Es diskludiert nur die Balanceseite. Die unilateral balancierte
Okklusion findet sich im natürlichen Gebiss in zweiter Häufigkeit.
Bilateral balancierte Okklusion:
Simultan
bilateral
gleichmäßige
und
posterior-anterior
Gleitkontakte
bei
äquilibrierte
Artikulation
durch
Okklusion.
Allseitig
Front-Eckzahnführung,
Gruppenführung, Balancekontakte und Protrusionskontakte ohne Disklusion.
Dieses Konzept findet in der Totalprothetik Anwendung.“ (Parsche 2006) (Slavicek
1982)
Protrusionsbewegung (gilt für alle oben angeführten Okklusionskonzepte mit
Ausnahme der bilateral balancierten Okklusion)
„Bei der protrusiven Bewegung führen alle Frontzähne, aber in dominanter Weise
auch die bukkalen Außenflächen des unteren ersten Prämolaren zur distalen
Fossa des oberen Eckzahnes.“ (Slavicek 1982)
39
2.6.1.1 Okklusionkonzept der dynamischen Okklusion bei
Mesialisierung des Caninus
In der Literatur gibt es keinen Hinweis auf ein bestimmtes Okklusionskonzept,
dass bei einer Mesialisierung des Caninus angestrebt werden muss.
Kokich et al vertritt die Meinung, dass die Disklusion auf der Laterotrussionsseite
über die vordere Gruppe (Front- Eckzahngeschütze Okklusion) erfolgen sollte,
wobei der mesialisierte erste Prämolar die Funktion des Caninus übernimmt.
(Kokich und Kinzer 2005a) Kennedy et al 1999 favorisiert eine Gruppenführung.
(unilateral balancierte Okklusion). (Kennedy 1999)
2.6.2 Funktion und Ästhetik beim kieferorthopädischen
Lückenschluss
2.6.2.1 Zwei Arten von Malokklusion bei denen eine Mesialisierung
des Caninus indiziert ist:
1. Bei einem Patienten mit einer Angle Klasse II Vezahnung (im
Seitenzahn- wie im Frontzahnbereich) bei dem der Caninus an
der Position der lateralen Inzisivus durchgebrochen ist und kein
Unterkieferengstand
Behandlungsziel
vorliegt,
eine
ist
dentale
das
Klasse
II
Verzahnung beidseits. (siehe Abbildung 26)
(Der
mesiobukkale
Höcker
des
unteren
Abbildung 26: Angel
Klasse II Verzahnung im
Seitenzahnbereich
ersten Molaren steht in der Fossa des oberen
ersten Molaren) Der erste Prämolar nimmt die Position des
Caninus ein.
2. Bei einem Patienten mit einer Angle Klasse I Verzahnung und
einem
massiven
Ausgleichsextraktion
Unterkieferengstand,
das
Mittel
der
bei
Wahl
ist,
dem
sollte
eine
die
Mesialisierung des Eckzahnes in Betracht gezogen werden.
(Kokich und Kinzer 2005)
40
2.6.2.2 Gesichtsprofil
Ein gerades ausgeglichenes Profil ist die beste Voraussetzung
für eine ästhetische und funktionell zufriedenstellende Lösung,
aber
auch
ein
gemäßigtes
konvexes
Gesichtsprofil
ist
durchaus akzeptabel. (siehe Abbildung 27)
Bei Patienten mit einem gemäßigten konvexen Gesichtsprofil,
Unterkieferrücklage und fliehendem Kinn ist der Lückenschluss
nicht das Mittel der Wahl, denn dabei endet man zu
Therapieschluss im Rückgesicht. (Kokich und Kinzer 2005a)
Abbildung 27: gerades,
ausgeglichenes
Gesichtsprofil
Wie schon erwähnt trifft dies auch auf Patienten die dem progenen Formenkreis
(kleiner Oberkiefer, großer Unterkiefer) zuzuordnen sind zu, denn der schon kleine
Oberkiefer wird durch einen Lückenschluss noch kleiner.
2.6.2.3 Form und Farbe des Caninus
Bevor
der
Caninus
mesialisiert
wird,
ist
es
wichtig,
die
maxilläre
Frontzahngrößenrelation zu evaluieren, denn bei Übergröße müssen mittels ASR
(Approximaler Schmelzreduktion siehe 2.6.4 auf Seite 45) die Zähne verschmälert
werden, um einen normalen Überbiss (2mm) und eine normale sagittale Stufe
(Overjet: 1mm) einstellen zu können. (siehe Tabelle 1 Zahngrößen nach
Mühlreiter - De Jonge S 3)
Der Caninus hat normalerweise eine um durchschnittlich 1,2mm breitere Krone
und seine konvexe bukkale Fläche ist viel größer als der obere laterale Inzisivus.
(Crismani 2009)
Oft ist es notwendig, dass der Kieferorthopäde den Caninus in
seiner Größe reduziert um eine richtige Okklusion einstellen zu
können und ein ästhetisches Ergebnis zu erzielen. Meist muss
der Kieferorthopäde sowohl inzisal als auch palatinal Schmelz
reduzieren, um den Caninus der vertikalen Position des
lateralen Inzisivus anzupassen. (siehe Abbildung 28) Muss der
Caninus massiv in seiner Größe reduziert werden, ist eine
Abbildung 28:
Rekonturierung des
Caninus
prothetisch-restaurative Lösung indiziert. Anhand eines Set-UpModelles in Wachs kann man dann das Behandlungsziel simulieren.
41
Vor dem Lückenschluss, muss eine Evaluation der Kronenbreite an der SchmelzZementgrenze anhand eines Röntgenbildes erfolgen. Ein Caninus mit einer
schmalen mesiodistalen Breite an der Schmelz-Zementgrenze ersetzt den oberen
lateralen Inzisivus bezüglich Ästhetik besser, als jener mit einer Breiten. Neben
der Größe sollte auch die Farbe dem zentralen Inzisivus angepasst werden, wobei
laut Kokich und Kinzer (2005a) der mesialisierte Caninus maximal ein bis zwei
Grade dunkler sein darf. Die bewährteste und konservativste Methode ist das
Bleichen (Bleaching). Ist dies ohne Erfolg, ist die Indikation für ein Veneer
gegeben. Laut Kokich und Kinzer ist der ideale Caninus für eine Substitution des
oberen lateralen Inzisivus, jener der dieselbe Farbe wie der zentrale Inzisivus hat,
an der Schmelzzementgrenze bukko-lingual und mesio-distal schmal ist und labial
eine abgeflachte Oberfläche besitzt. (Kokich und Kinzer 2005a) Der erste
Prämolar, der die Eckzahnposition einnimmt, benötigt häufig eine okklusale
Korrektur am lingualen Höcker.
In einer Studie der Universitätsklinik Mainz wurden ästhetische Parameter
überprüft, die unbewusst die Entscheidung des Kieferorthopäden für oder gegen
einen Lückenschluss bei Aplasie oder traumatischem Verlust des lateralen
Inzisivus beeinflussen, ohne dabei genauere kieferorthopädische Überlegungen
anzustellen. Acht Behandler beurteilten subjektiv unter dem Aspekt pro/kontra
Lückenschluss Fotos von 200 Probanden. (Kokich 2004)
Es zeigte sich, dass nicht nur ein Parameter allein für die Entscheidung pro/kontra
Lückenschluss aus ästhetischer Sicht verantwortlich ist. Die Entscheidung des
Kieferorthopäden fällt eher pro Lückenschluss aus, wenn der Caninus eine etwas
breitere und nicht zu spitz zulaufende Form hat und die Unterschiede zwischen
Caninus und zentralem Inzisivus in Farbton, Farbintensität und Helligkeit möglichst
gering sind. (Wriedt 2007)
42
2.6.2.4 Therapeutische Konsequenz bei hoher Lachlinie
Bei Patienten mit einer hohen Lachlinie muss darauf geachtet werden, dass die
marginale Gingivagrenze des Caninus mit jener des zentralen Inzisivus
übereinstimmt. Dies ist wichtig um den Caninus an der
Position des lateralen Inzisivus zu verschleiern.
Die marginale Gingiva der Prämolaren liegt weiter
koronal als die des zentralen Inzisivus. Wird diese vom
Patienten als störend empfunden, kann dies mittels
Veneer
behoben
und
die
ideale
Kronenlänge
Abbildung 29: Prominente
Caninuswurzel
eingestellt werden. Verläuft der Gingivarand der Eckzähne zu weit apikal, müssen
die Eckzähne kieferorthopädisch extrudiert werden, um eine optimale gingivale
Ästhetik zu erhalten. (Crismani 2009) Ein ästhetisches Problem bei hoher
Lachlinie, kann auch eine prominente Caninuswurzel darstellen. (siehe Abbildung
29) (Kokich und Kinzer 2005a)
2.6.3 Aufgaben der Kieferorthopädie beim orthodontischen
Lückenschluss :
„Allgemein ist zu sagen, dass je geringer das Dentitionsalter, das heißt, je mehr
Zähne distal der Schneidezahnlücke noch nicht durchgebrochen sind bzw. sich im
Durchbruch befinden, um so erfolgreicher wird der vollständige körperliche
Lückenschluss ohne umfangreiche mechanische Intervention sein. Dies ist durch
die natürliche Mesialwanderungstendenz und mesiale Neigung der Eckzähne und
Prämolaren beim Durchbruch begründet. Daher hat sich der Zeitpunkt zu Beginn
des späten Wechselgebiss mit dem Zahnwechsel in der Stützzone (mesial des
ersten Molaren bis distal des lateralen Inzisivus) als günstig für den
Therapiebeginn herausgestellt. Durch Entfernung störender anresorbierter oder
erhaltener Milchzähne (gelenkte Extraktion) kann ein wesentlicher Anteil des
Lückenschlusses „spontan“ erfolgen.“ (Diedrich 2002)
43
Der Kieferorthopäde muss sich beim Kleben der Brackets stärker an der
marginalen Gingivagrenze orientieren und weniger an der Schneidekante.
• Beim Kleben der Brackets wird das 2er Bracket auf den 3er geklebt und das
3er Bracket auf den 4er usw. um die Torquewerte und Höhen der jeweiligen
ersetzten Zähne anzustreben.
Höhenwerte (von der Inzisalkante in Richtung apikal mittels Messkreuz
nach Bantleon)
•
•
zentraler Inzisivus: 4mm
•
mesialisierter Caninus: 3,5mm
•
mesialisierter erster Prämolar: 4,5mm
Der 3er an der 2er Position muss einem Reshaping (Rekonturierung)
unterzogen werden. (siehe Seite 44/45, Abbildung 30)
•
Der 4er an der 3er Position muss ebenfalls einem Reshaping unterzogen
werden, indem der palatinale Höcker und eventuell die approximalen
Flächen leicht beschliffen werden, um in Form und Funktion dem Eckzahn
zu gleichen. (Andreasen 1993)
•
Das Okklusionskonzept bei der Laterotrusionbewegung wird in der Literatur
kontroversiell diskutiert. Kokich bevorzugt eine Front–Eckzahngeschütze
Okklusion, aber auch eine unilateral balancierte Okklusion kann als
angestrebtes Okklusionskonzept herangezogen werden. (Kennedy 1999)
44
Abbildung 30: Rekonturierung des Caninus während der Eruptionsphase
A) Irreguläre gingivale Architektur
B) Die Schneidekante wirkt sich auf die eigentliche Breiten- Höhenrelation der Krone
aus
C) Die kieferorthopädische Intrusion ist notwendig um eine restaurative Verlängerung
des zentralen Inzisivus zu ermöglichen.
D) Professionelle Kompositrestauration der Inzisalkanten
E) Kieferorthopädische Extrusion der beiden Canini.
F) Die ideale Länge des Caninus entspricht den fehlenden lateralen Inzisivi.
G) Ausgeglichene vertikale Diskrepanz zwischen dem Caninus und dem zentralen
Inzisivus.
H) Kompositrestauration der mesioinzisalen Ecke
Um eine korrekte sagittale Stufe zu erreichen, ist es notwendig,
den Caninus zu rekonturieren. (siehe Abbildung 31)
Ist
trotz
Rekonturierung
ästhetische
oder
zufriedenstellend,
auch
kann
(Reshaping)
und
funktionelle
nach
der
Bleaching,
Ergebnis
das
nicht
kieferorthopädischen
Behandlung eine restaurativ-prothetische Lösung angestrebt
werden (Veneer, Krone) oder mittels Komposit das Ergebnis
verbessert werden. (Kokich und Kinzer 2005a)
Abbildung 31:
Rekonturierung des
Caninus
45
2.6.4 Approximale Schmelzreduktion (ASR)
Hauptursachen für eine ASR sind neben dem koronalen und radikulären Engstand
auch ein „Reshaping“ des mesialisierten Caninus bei Aplasie des oberen lateralen
Inzisivus (bi -wie auch unilateral). Vorsicht ist jedoch bei verrotierten Zähnen
geboten, denn dadurch könnten die „falschen“ Approximalflächen beschliffen
werden.
Bezüglich der ASR im Seitenzahnbereich ist die Ausgangssituation günstiger,
denn es herrscht viel interradikulärer Platz und es liegt meist eine geringere
Verrotierung vor.
mesial 11
distal 11
mesial 12
distal 12
mesial 13
distal 13
0,3mm
0,3mm
0,3mm
0,3mm
0,3mm
0,6mm
Unterkiefer 0,2mm
0,2mm
0,2mm
0,2mm
0,2mm
0,2mm
Oberkiefer
Tabelle 5: Empfehlung nach Fillion bezüglich ASR im Frontzahnbereich (Jost-Prinkmann 2007)
Empfehlung nach Sheridan bezüglich ASR im Seitenzahnbereich: < 0,5 mm pro
Approximalfläche
OK: erster und zweiter Prämolar + erster Molar = Platzgewinn von < 6mm
UK: erster und zweiter Prämolar + erster Molar = Platzgewinn von < 5,5mm
(Jost-Prinkmann 2007)
Jost-Prinkmann 2007 zufolge, ist von einer ASR per Hand mit Diamantstreifen und
anschließend mit Polierstreifen abzuraten, da die Politur unzureichend ist und
somit eine Prädilektionsstelle für Schmelzläsionen erzeugt wird.
Die Empfehlung nach Jost-Prinkmann lautet folgendermaßen:
1. Schritt: Oszillierende Diamantwabenscheibe
Vorteil: schneidet nur harte Gegenstände, auf der Schleimhaut
kommt es nur zu Vibrationen aber zu keinen Verletzungen
2. Schritt: Sof-Lex XT fein für 40 Sekunden
3. Schritt: Sof-Lex XT ultrafein für 40 Sekunden
Grundsätzlich gilt: Nicht mehr als 80 Sekunden pro Approximalfläche. (JostPrinkmann 2007)
46
„Zachrisson hat gezeigt, dass ausgedehntes Beschleifen mit Diamantbohrern und
guter Kühlung bei jungen Zähnen zu keinen Hypersensibilitäten führt. Wenn
Hypersensibilitäten festgestellt wurden, dann maximal für 1-3 Tage.“ (Kokich und
Kinzer 2005a)
3 Material und Methoden
3.1 Untersuchung der Häufigkeitsverteilung von Nichtanlagen
anhand des Patientengutes der kieferorthopädischen
Ordination Dr. Permann. (retrospektive Studie)
Die Durchsicht der Patientenkarteien erfolgte in den Ordinationen von Dr.
Permann in Graz und Bruck an der Mur. Es wurden jene Patienten verifiziert, die
ab dem Jahr 1994 in der Ordination Dr. Permann (Graz; Bruck/Mur)
kieferorthopädisch behandelt wurden und eine kongenitale Aplasie von bleibenden
Zähne aufwiesen, wobei die Weisheitszähne nicht berücksichtigt wurden. Auf die
lateralen Inzisivi wurde dabei besonderes Augenmerk gelegt und die Prävalenz
Seiten- (rechts, links oder bilateral) und geschlechtsspezifisch evaluiert. Die
betreffenden Zähne wurden mittels des Computerverarbeitungsprogramms Excel
erfasst und die Prävalenz mittels eines Balkendiagramms dargestellt.
3.2 Vergleichende Nachuntersuchung von Patienten mit
Nichtanlagen regio 12, 22 der Ordination Dr. Permann, die mit
Lückenschluss therapiert wurden. (retrospektive Studie).
Das Ziel dieser Studie war, anhand von dreißig kieferorthopädisch behandelten
Patienten mit Nichtanlagen regio 12, 22 der Ordination Dr. Permann, bei denen
ein Lückenschluss durchgeführt wurde, die Auswirkungen auf Okklusion,
Kiefergelenk und Ästhetik zu untersuchen.
Einschlusskriterien:
Die Aufnahme der Patienten mit einer uni- oder bilateralen Aplasie Regio 12/22
erfolgte randomisiert. Einschlusskriterien waren neben einer einseitigen oder
beidseitigen Nichtanlage der Zähne 12/22, bei denen im Rahmen einer
kieferorthopädischen Behandlung ein Lückenschluss durchgeführt wurde keine
weiteren Aplasien. Der Behandlungsabschluss lag mindestens drei Jahre zurück.
Am Ende der Behandlung wiesen die Patienten im Eckzahnbereich eine AngleKlasse II -Verzahnung auf.
47
Methoden:
Die Patienten wurden im Rahmen eines Recalls wiedereinbestellt. Anhand eines
Protokolls wurden Kiefergelenk, Rezession, Okklusion und Ästhetik wie folgt
beurteilt.
Klinische Beurteilung von Kiefergelenk und Okklusion:
Die klinische Untersuchung des Kiefergelenks und der Okklusion wurde anhand
des Neun-Fragen–Tests nach Krogh-Poulsen durchgeführt.
1. Öffnet der Patient weit genug (40mm♀, 50mm♂)
2. Öffnet er gerade und gleichmäßig
3. Ist der Interokklusalabstand akzeptabel (mind. 2mm)
4. Kann die Palpation von Muskeln ohne Schmerzen durchgeführt werden
5. Ist
er
ohne
Gelenkgeräusche
(Knacken
als
Leitsymptom
für
Diskusverlagerung, Reiben als Leitsymptom für Arthrose)
6. Ist er ohne Okklusalgeräusche
7. Kann er die rückwärtige UK-Lage ohne Schmerzen ertragen
8. Gleitet er von der retrudierten Kontaktposition gerade vorwärts in die
Interkuspidationsstellung
9. Gleitet er weniger als 1mm von der retrudierten Kontaktposition in die
Interkuspidationsstellung
Können alle diese Fragen mit „Ja“ beantwortet werden, so befindet sich das
Kausystem in Harmonie.
Klinische Beurteilung der Rezession:
Die Beurteilung der Rezession erfolgte mittels metrischer Methode mit Hilfe einer
millimetermarkierten Parodontalsonde. Die Distanz vom Gingivalrand bis zu einem
Referenzpunkt am Zahn (Schmelzzementgrenze/Kronenrand) wurde in Millimeter
angegeben.
48
Patientenzufriedenheit bezüglich Ästhetik:
Anhand eines Schulnotensystems wurde das subjektive ästhetische Empfinden
des Patienten evaluiert.
1… sehr zufrieden
2…zufrieden
3…befriedigend
4…nicht befriedigend
5…sehr unzufrieden
Frontzahninklination vor und nach kieferorthopädischer Therapie
Beurteilung mittels prä- und posttherapeutischer Fernröntgenanalyse nach ARGE
KFO.
Instrumentelle Analyse der Okklusion mittels Sam 3 Artikulator:
Abdrucknahme:
Mittels Alginatabdruck wurde im Labor ein Gipsabdruck erstellt.
Anfertigen eines zentrischen Registrats:
Die Beauty Pink® Wachsplatte wurde in ein 53°C heißes Wasserbad getaucht und
einmal gefalten. Das Oberkiefermodell wurde gleichmäßig auf die Wachsplatte
gedrückt um seichte Impressionen zu erzeugen und anschließend im Eiswasser
fixiert.
Mittels geschmolzenem Beauty Pink Wachs wurde ein „Front Jig“ (von 32 - 42) auf
das Plättchen aufgetropft. Sofort nach Auftropfen wurden im Mund des Patienten
Impressionen in RKP erzeugt und danach im Eiswasser fixiert.
Das Aluwachs wurde auf der Unterkieferseite der Platte in Regio 36 und 46, bzw.
33 und 43 aufgetropft und nochmals kurz im Wasserbad erweicht. Anschließend
wurden nochmals im Mund des Patienten Impressionen in der RKP erzeugt.
Bissgabel:
Nachdem das Kerr-Stangenwachs auf die Bissgabel aufgetragen wurde, wurden
mittels Oberkiefermodell seichte Impressionen erzeugt, um eine bessere
Platzierung derselben im Mund des Patienten zu ermöglichen.
49
Außenbogen:
Mittels Außenbogen wurde der Oberkiefer entsprechend seiner Lage zur AchseOrbital- Ebene in den Artikulator übertragen.
Einbau der Modelle in den SAM 3 Artikulator:
Die Kondylenbahnneigung wurde auf 35° und der Bennettwinkel auf 15°
eingestellt. Es folgte eine schädelbezogene Montage des Oberkiefers mit Hilfe des
Außenbogens und anschließend die gelenksbezogene Montage des Unterkiefer
mittels Beauty Pink.
Instrumentelle Analyse mittels SAM 3 Artikulatior:
Nun erfolgte die Analyse der dynamischen Okklusion anhand der einartikulierten
Modelle mit einer Shimstock- und Okklusionsfolie.
Untersucht wurden Protrusion und die Laterotrusion bzw. Mediotrusion.
Die
Mediotrusionsseite
wurde
auf
Balance-
unter
Hyperbalancekontakte
untersucht.
Die Laterotrusionsseite wurde auf unterschiedliche Okklusionskonzepte hin
untersucht:
• Eckzahngeschütze Okklusion
• Front-Eckzahngeschütze Okklusion
• Unilateral balancierte Okklusion
• Bilateral balancierte Okklusion
50
Ergebnisse
3.3 Resultate der deskriptiven epidemiologischen Studie in den
Ordinationen Dr. Permann Graz und Bruck an der Mur
3.3.1 Bruck a.d. Mur
Die Untersuchung der Häufigkeitsverteilung von Nichtanlagen anhand des
Patientengutes der kieferorthopädischen Ordination Dr. Permann Bruck/Mur ergab
folgendes:
Die Gesamtzahl der Patienten betrug 1595. Der Anteil an Frauen war mit 869
höher als der Anteil an Männern mit nur 726 Personen. Aus diesem Patientenpool
waren 45 Personen (2,8%) von einer uni-/bilateralen kongenitalen Aplasie der
oberen lateralen Inzisivi betroffen, wobei davon 25 Frauen (56%) und 20 Männer
(44%) waren. 24 Patienten (53,3%) litten an einer unilateralen Aplasie der oberen
lateralen Inzisivi, wobei der Zahn 12 in 16 Fällen (67%) und der Zahn 22 in 8
Fällen (33%) betroffen war. 21 Patienten (46,7%) hatten eine bilaterale Aplasie der
oberen lateralen Inzisivi.In der Ordination Dr. Permann Bruck an der Mur betrug
die Prävalenz von Nichtanlagen im bleibenden Gebiss für die unteren zweiten
Prämolaren 5,2%, für die oberen zweiten Prämolaren 2,4%, für die oberen
lateralen Inzisivi 4,3% und für die unteren lateralen und zentralen Inzisivi 0,4%.
Die Prävalenz von Nichtanlagen unter Frauen betrug 2,9%, jene unter Männern
2,8%. Auf Seite 52 Tabelle 6 ist die Häufigkeitsverteilung von Nichtanlagen in der
Ordination Dr. Permann Bruck a. d. Mur graphisch dargestellt.
51
Tabelle 6: Häufigkeitsverteilung von Nichtanlagen in der Ordination Dr. Permann- Bruck/Mur
52
3.3.2 Graz
Die Untersuchung der Häufigkeitsverteilung von Nichtanlagen anhand des
Patientengutes der kieferorthopädischen Ordination Dr. Permann Graz ergab
folgendes:
Die Gesamtzahl der Patienten betrug 5531, davon waren 3011 Frauen und 2320
Männer. Aus diesem Patientenpool waren 77 Personen (1,39%), davon 41 Frauen
(53,2%) und 36 Männer (46,8%), von einer uni-/bilateralen kongenitalen Aplasie
der oberen lateralen Inzisivi betroffen. 35 Patienten (45,5%) litten an einer
unilateralen Aplasie der oberen lateralen Inzisivi, wobei der Zahn 12 in 24 Fällen
(68,6%) und der Zahn 22 in 11 Fällen (31,4%) betroffen waren. 42 Patienten
(54,6%) hatten eine bilaterale Aplasie der oberen lateralen Inzisivi.
In der Ordination Dr. Permann Graz betrug die Prävalenz von Nichtanlagen im
bleibenden Gebiss für die unteren zweiten Prämolaren 1,7%, für die oberen
zweiten Prämolaren 1%, für die oberen lateralen Inzisivi 2,2% und für die unteren
lateralen und zentralen Inzisivi 0,7%. Die Prävalenz von Nichtanlagen unter
Frauen betrug 1,4%, unter Männern 1,6%. Auf Seite 54 Tabelle 7 ist die
Häufigkeitsverteilung von Nichtanlagen in der Ordination Dr. Permann Graz
graphisch dargestellt.
53
Tabelle 7: Häufigkeitsverteilung von Nichtanlagen in der Ordination Dr. Permann- Graz
54
3.4 Resultate der vergleichenden Nachuntersuchung von
Patienten mit Nichtanlagen regio 12, 22 der Ordination Dr.
Permann, die mit Lückenschluss therapiert wurden.
(retrospektive Studie).
Von den 35 schriftlich verständigten Patienten, bei denen ein kieferorthopädischer
Lückenschluss in den Ordinationen Dr. Permann durchgeführt wurde, sind neun
Patienten zu einer Nachuntersuchung erschienen.
Folgende Fragen des 9-Fragentestes nach Krogh-Poulsen konnten von allen
Pateinten mit ja beantworten:
•
Öffnet der Patient weit genug (Frage 1)
•
Ist der Interokklusalabstand akzeptabel (Frage 3)
•
Kann die Palpation von Muskeln ohne Schmerzen durchgeführt werden
(Frage 4)
•
Kann er die rückwertige UK-Lage ohne Schmerzen ertragen (Frage 7)
•
Gleitet er von der retrudierten Kontaktposition gerade vorwärts in die
Interkuspidationsstellung (Frage 8)
Auf die Frage öffnet der Patient gerade und gleichmäßig (Frage 2), konnte bei
einem Patienten eine leichte Deviation nach rechts festgestellt werden. Bezüglich
Gelenksgeräusche (Frage 5) konnte bei drei Patienten ein reziprokes Knacken auf
beiden Seiten und bei einem ein unilaterales Knacken rechts diagnostiziert
werden, wobei diese Patienten angaben, das dieses Knacken schon vor der
kieferorthopädischen Behandlung vorhanden war. Bei einem Patienten konnten
Okklusalgeräusche festgestellt werden. Vier Patienten wiesen ein Gleiten über
einem Millimeter auf. Jene Patienten bei denen der erste Prämolar eine
Führungsfunktion
bei
der
dynamischen
Okklusion
hatte,
wiesen
keine
Rezessionen auf. Die Frage des subjektiven Empfindens bezüglich Ästhetik
beantworteten vier mit sehr gut, vier mit gut und ein Patient mit Befriedigend.
Durch
den
orthodontischen
Lückenschluss
ergaben
sich
folgende
Okklusionskonzepte bei der dynamischen Okklusion: Drei Patienten wiesen eine
unilateral balancierte Okklusion, drei eine Eckzahngeschützte Okklusion und
weitere drei eine Front-Eckzahngeschützte Okklusion auf. Mediotrusionskontakte
konnten bei keinem der Patienten diagnostiziert werden.
55
4 Diskussion:
Aus
moderner
kieferorthopädischer
Sicht
sind
sowohl
Lückenöffnung
in
Kombination mit einer implantologischen Versorgung wie auch Lückenschluss
etablierte Methoden zur Behandlung von uni- oder bilateralen Aplasien der oberen
lateralen Inzisivi. Jedoch kann man feststellen, dass aufgrund der Fortschritte im
Bereich der Implantologie und Prothetik und der immer höheren ästhetischen
Ansprüche der Patienten, der kieferorthopädischen Lückenöffnung und der
anschließenden prothetischen Versorgung immer öfter der Vorzug gegeben wird.
Der Konsens bezüglich prothetischer Versorgung in der Literatur zielt auf eine
implantologische Versorgung ab. Prothetische Versorgungen bei denen der
gesunde zentrale Inzisivus und der Caninus beschliffen werden müssen sind
obsolet. Wobei hinzugefügt werden muss, dass es oft notwendig ist den zentralen
Inzisivus sowie den Caninus in den restaurativen Therapieplan (Veneer) mit
einzubeziehen, um optimale ästhetische Ergebnisse zu erzielen. Das immer
häufiger die Therapie der Wahl die kieferorthopädische Lückenöffnung ist, geht
nicht nur aus der Literatur hervor, sondern diese Entwicklung konnte ich auch
anhand der Therapiekonzepte aus dem Patientengut der Ordinationen Dr.
Permann feststellen. Bei der Evaluation der Patienten mit Nichtanlagen der oberen
lateralen Inzisivi war ersichtlich, dass in den 90er Jahren der kieferorthopädische
Lückenschluss durch eine Mesialisierung des Caninus öfter als Therapie gewählt
wurde als die kieferorthopädische Lückenöffnung.
In den letzten fünf bis acht Jahren machte sich eine Trendwende in der Therapie
in
Richtung
kieferorthopädischer
Lückenöffnung
und
implantologisch/
prothetischer Versorgung bemerkbar. Ursachen dafür liegen in den immer
besseren implantologischen Erfolgsraten (bezüglich Ästhetik wie auch Haltbarkeit)
und
den
immer
höheren
ästhetischen
Ansprüchen
der
Patienten.
Das
Hauptproblem der implantologischen Versorgung liegt darin, dass die Implantation
erst nach abgeschlossenem Wachstum (Frauen: 17. Lebensjahr, Männer 21.
Lebensjahr) durchgeführt werden darf, jedoch die kieferorthopädische Therapie
durchschnittlich mit dem 14. bis 16. Lebensjahr endet. In diesem Zeitraum muss
die Agenesielücke prothetisch versorgt werden. In der von Spear et al. (1997)
veröffentlichten Studie wird die Atrophie des Processus alveolaris nach
kieferorthopädischer Lückenöffnung mit einem Prozent beziffert, was aus meiner
56
Sicht zu optimistisch erscheint. Eindeutig bestätigt und in vielen Literaturstellen
bekräftigt ist die Tatsache, dass durch die kieferorthopädische Lückenöffnung die
Atrophie des Processus alveolaris reduziert werden kann. Der Knochenverlust
post extractionem schreitet viel rascher voran. Die Grundvoraussetzung für ein
ästhetisches Ergebnis ist ein adäquates Implantatbett und Emergenzprofil zu
schaffen.
Das
Standardprotokoll
Weichgewebsaugmentation
mittels
beinhaltet
laut
Prof.
subepithelialen
Lorenzoni
eine
Bindegewebstransplantat
(Connective Tissue Craft) und eine Hartgewebsaugmentation mittels xenogenem
Knochenersatzmaterials (Bio Oss). Tuverson und Zachrisson vertreten die
Meinung, dass die Langzeitprognosen bezüglich Implantate zu optimistisch
eingestuft werden und das mesialisierte Eckzähne bessere ästhetischere
Ergebnisse bringen als Keramikkronen. Diese Auffassung bezüglich Implantologie
wie auch prothetischer Lösungen ist heutzutage überholt. Aufgrund neuer
Materialien in der Prothetik und neuer chirurgischer Techniken, Implantatdesigns
und -oberflächen sind die ästhetischen wie auch die funktionellen Ergebnisse sehr
zufriedenstellend. Die Erfahrung und das Knowhow des Implantologen ist von
entscheidender Bedeutung, wenn es darum geht adäquate Resultate zu erzielen.
Auch die Prämolaren- Autotransplantation wird in meiner Arbeit erläutert und von
Zachrisson favorisiert. Er vertritt die Meinung, dass der klinische Erfolg nicht nur
von einer anhaltenden Osseointegration abhängig ist, sondern auch von einer
harmonischen Integration der Zahnkrone in den Zahnbogen bestimmt wird. Dieser
Voraussetzung wird seiner Ansicht nach durch Prämolarentransplantate in der
Oberkieferfront besser Folge getragen. Meiner Meinung nach führt eine moderne
augmentative (Hart-/Weichgewebe), implantologische und prothetische Lösung
ebenso
zu
guten,
wenn
Oberkieferfrontzahnbereich.
nicht
besseren
Bekräftigt
wird
ästhetischen
dies
durch
Ergebnissen
eine
Studie
im
von
Czochrowska et al. 2002, die das ästhetische Ergebnis der Transplantate in der
Oberkieferfront evaluierte. 75% der Patienten waren mit dem bezüglich Ästhetik
erreichten Ergebnis zufrieden. Im Gegenzug werden Patientenzufriedenheitsraten
von bis zu 90% bei implantologischen Lösungen publiziert. (Czochrowska und
Stenvik 2002) Die individuelle Entscheidung pro/contra Lückenöffnung ist in erster
Linie von der dentalen und skelettalen Analyse abhängig.
Kontraindikationen für einen Lückenschluss sind Patienten die dem progenen
Formenkreis
zuzuordnen
sind,
sowie
Patienten
mit
ausgeprägter
57
Unterkieferrücklage. Indikation für einen Lückenschluss ist die Prognathie des
Oberkiefers.
Kontraindikationen für eine Lückenöffnung sind ein kleiner Unterkiefer und/oder
Nichtanlagen in dem betroffenen Zahnbogen.
Indikationen
für
eine
Lückenöffnung
sind
die
Kontraindikationen
des
Lückenschlusses. (Skelettale Klasse III und ausgeprägte skelettale Klasse II)
Die Frage Lückenschluss oder Lückenöffnung ist eine sehr Komplexe und die
jeweiligen Pros und Contras sollten in die Planung mit einfließen und mit dem
Patienten besprochen werden. Die Auswirkungen des Lückenschlusses, und der
daraus resultierende Verlust der Front-Eckzahnführung auf das stomatognathe
System werden kontroversiell diskutiert. „Nach Harzer und Reinhart stellt der
Lückenschluss eine Alternative zur Lückenöffnung dar, die nach Droschl, Moser,
Kubein und Krüger sowie Slavicek nicht akzeptabel ist, weil es zum Verlust der
Front-Eckzahnführung kommt.“ (Diedrich 2002)
Bezüglich Okklusionskonzept bei einer Mesialisierung des Caninus gibt es keine
eindeutigen Richtlinien. Wie auch beim gesunden Menschen eine Front–
Eckzahnführung bei der Laterotrusionsbewegung das Konzept der Wahl sein
sollte, ist dieses Okklusionskonzept auch bei einer Mesialisierung des Caninus
anzustreben. Aber auch eine unilateral balancierte Okklusion wird in der Literatur
als akzeptables Behandlungsergebnis definiert. Die Protrusionsbewegung erfolgt
bei beiden Konzepten über die Frontzähne.
Meine
retrospektive
Therapiestudie
hat
gezeigt,
dass
bei
korrekter
Indikationsstellung, und Adaptation des Caninus an den lateralen Inzisivus
(Reshaping, Bleaching, korrekte Angulation) beim Lückenschluss gute ästhetische
wie auch funktionelle Ergebnisse erzielt werden konnten. Auch andere Studien
zeigten, dass der Lückenschluss keinen Einfluss auf das Kiefergelenk und die
Funktion hat. (Robertsson 2000) Voraussetzung hierfür ist, dass nur ausgewählte
Patienten für einen kieferorthopädischen Lückenschluss herangezogen werden.
„Grundsätzlich
werden
unabhängig
von
fachspezifischen
Kriterien
Einflussfaktoren, die durch den Patienten bedingt sind, übergeordnet bewertet: die
zu erwartende Kooperationsbereitschaft über mehrere Jahre, einschließlich der
Akzeptanz für eine festsitzende Apparatur und eine gute Mundhygiene bzw.
Anzeichen für eine Verbesserung der Mundhygiene.
58
Ebenso fällt bei einem Patienten mit dysgnathem Gebiss die Entscheidung für den
Lückenschluss leichter, da eine umfangreiche kieferorthopädische Maßnahme
zum isolierten Schluss einer Zahnlücke bei Eugnathie wegen des gestörten
Aufwand-Nutzen-Verhältnisses nicht indiziert ist.“ (Kahl-Nieke 2002) „Im späten
Wechselgebiss und im bleibenden Gebiss wird die Lückenöffnung und spätere
prothetische Versorgung nicht selten favorisiert.“ (Diedrich 2002)
Pro/contra Lückenschluss ist eine sehr individuelle Fragestellung, die nach der
Beurteilung aller Planungsunterlagen (Orthopantomogramm, Fernröntgen, Fotos,
Modelle) und Abwägen der Vor- und Nachteile der beiden Methoden mit dem
Patienten gemeinsam entschieden werden muss.
59
5 Konklusion
Die kieferorthopädische Öffnung der Agenesielücken 12 und 22 wie auch der
kieferorthopädische Lückenschluss in dieser Region haben als therapeutische
Lösungsmöglichkeiten beide ihre Berechtigung. Belässt man den Eckzahn an
seiner physiologischen Position kommt es zu keiner Beeinflussung der
Gesichtszüge, der Statik und Funktion. Die Problemstellung die sich daraus ergibt,
ist die Lückenversorgung der lateralen Inzisivi. Das Hauptargument für die
Versorgung dieser Lücken mit Einzelzahnimplantaten ist, dass die Nachbarzähne
in keinster Weise involviert werden. Wobei hinzugefügt werden muss, dass es oft
notwendig ist den zentralen Inzisivus, sowie den Caninus in den restaurativen
Therapieplan (Veneer) mit einzubeziehen, um eine optimale Frontzahnästhetik zu
erzielen. Der Kieferorthopäde hat dabei die Aufgabe adäquaten intercoronalen wie
auch interradiculären Platz zu schaffen, und ein ansprechendes Emergenzprofil
sowie durch die Distalisation der Eckzähne, suffizienten Knochen für den
Implantologen bereitzustellen. Bei implantologischer Versorgung dürfen jedoch
nicht die möglichen ästhetischen Misserfolge auf lange Sicht außer Acht gelassen
werden. Der kieferorthopädische Lückenschluss ist eine kostengünstigere und
raschere Methode Agenesielücken der oberen lateralen Inzisivi zu versorgen,
wobei diese Art der Therapie nicht bei jeder Indikation angewandt werden kann.
Die ästhetische Beeinträchtigung durch Form und Farbe des Eckzahnes kann mit
einfachen Maßnahmen (reshaping, bleaching, uvm.) gut an einen oberen lateralen
Inzisivus angepasst werden. Auch ein unilateraler Lückenschluss führt zu
adäquaten
ästhetischen
wie
auch
funktionellen
Ergebnissen
unter
der
Voraussetzung einer exakten Mittellinieneinstellung.
60
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63
Anhang –Fragebogen
Posttherapeutische Untersuchung (mind. drei Jahre nach
Therapieende) von Patienten mit Nichtanlagen 12 und/oder 22
und kieferorthopädischen Lückenschluss.
Name des Patienten:
Aplasie bei:
Klinische Untersuchung des Kiefergelenks und der Okklusion
Neun- Fragen –Test nach Krogh- Poulsen durchgeführt.
1. Öffnet der Patient weit genug (40mm♀, 50mm♂):
2. Öffnet er gerade und gleichmäßig:
3. Ist der Interokklusalabstand akzeptabel (interokklusaler Sprechabstand
2mm):
4. Kann die Palpation von Muskeln ohne Schmerzen durchgeführt werden:
5. Ist er ohne Gelenkgeräusche ( Knacken als Leitsymptom für
Diskusverlagerung, Reiben als Leitsymptom für Arthrose):
6. Ist er ohne Okklusalgeräusche:
7. Kann er die rückwärtige UK-Lage ohne Schmerzen ertragen:
8. Gleitet er von der retrudierten Kontaktposition gerade vorwärts in die
Interkuspidationsstellung:
9. Gleitet er weniger als 1mm von der retrudierten Kontaktposition in die
Interkuspidationsstellung:
Klinische Beurteilung der Rezessionen im Oberkiefer
Metrische Beurteilung der Rezession mittels millimetermarkierter
Parodontalsonde:
Patientenzufriedenheit bezüglich Ästhetik:
Subjektives ästhetisches Empfinden des Patienten:
1… sehr zufrieden
2…zufrieden
3…befriedigend
4…nicht befriedigend
5…sehr unzufrieden
64
Frontzahninklination vor und nach kieferorthopädischer Therapie:
(Beurteilung mittels prä- und posttherapeutischer Fernröntgenanalyse nach ARGE
KFO.)
•
Prätherapeutische Frontzahninklination:
•
Posttherapeutische Frontzahninklination:
Instrumentelle Analyse der Okklusion mittels Sam3 Artikulator,
einartikulierten Modellen und einer Shimstock/Okklusionsfolie:
Okklusionskonzepte: Laterotrusionsseite
• Eckzahngeschütze Okklusion
• Front-Eckzahngeschütze Okklusion
• Unilateral balancierte Okklusion
• Bilateral balancierte Okklusion
Balance/Hyperbalancekontakte: Mediotrusionsseite
Klinische Beurteilung der Gesichtsästhetik nach subjektiven empfinden
65
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