Anatomische und funktionelle Grundlagen für die

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10 Anatomie des Unterarms und der Handwurzel 108
11 Anatomie der Mittelhand und Finger
152
12 Karpale Funktion und Morphometrie
184
13 Postoperative Röntgendiagnostik
197
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Anatomische und
funktionelle Grundlagen
für die Diagnostik an der
Hand
Anatomie Unteram, Hand
10 Anatomie des Unterarms und der Handwurzel
R. Schmitt, F. Unglaub
Das Wichtigste in Kürze
Die Anatomie ist die Grundlage der radiologischen Diagnostik.
Am Unterarm und an der Hand sind viele anatomische Strukturen
auf engem Raum benachbart. Zur sicheren Differenzierung des
Normalbefunds von Krankheitsentitäten mit nosologischer Zuordnung werden in den folgenden Kapiteln Detailkenntnisse in einer
Trias aus Anatomie, klinischer Bedeutung und Bildgebung vermittelt. Neben dem knöchernen Skelett und den Gelenken des Unterarms und der Handwurzel werden systematisch die extrinsische Muskulatur mit den Sehnen in den Extensorenfächern und
im Karpaltunnel, die Nerven und Arterien sowie der ulnokarpale
Komplex und die karpalen Ligamente vorgestellt. Die Biomechanik und Morphometrie der Hand werden in Kap. 12 abgehandelt.
10.2 Anatomie des Unterarms
10.2.1 Knöchernes Skelett des
Unterarms
Distaler Radiusabschnitt
▶ Anatomie. Der distale Abschnitt des Radius ist Baustein sowohl des Radiokarpalgelenks als auch des distalen Radioulnargelenks, für die er separate Gelenkflächen (Fossa scaphoidea radii,
Fossa lunata radii und Incisura ulnaris radii) vorhält. Von allen
Radiussegmenten ist der distale Teil am kräftigsten entwickelt.
Besonders augenfällig ist der mächtige Processus styloideus radii,
dem eine wichtige biomechanische Funktion in der Stabilität und
Beweglichkeit im Handgelenk zukommt. Das Lister-Tuberkel (Tuberculum dorsale radii) ist eine Landmarke an der dorsalen Radi-
a
b
c
usseite, wo es die Strecksehnenfächer II und III voneinander
trennt. Ein differenziertes Oberflächenrelief ist an allen Seiten
des Radius sichtbar (▶ Abb. 10.1 und ▶ Tab. 10.1). Besonders hingewiesen werden muss auf die Inklinationen der radiokarpalen
Gelenkfläche des Radius nach ulnar und palmar.
▶ Klinische Bedeutung. Den distalen Radiusabschnitt betreffen
folgende Krankheitsbilder:
● Distale Radiusfrakturen gehören zu den häufigsten Frakturen
am menschlichen Skelett (s. Kap. 17). Häufig handelt es sich um
osteoporotische Frakturen. Sie können extra- oder intraartikulär verlaufen. Dabei müssen auch karpale Begleitverletzungen
berücksichtigt werden.
● Am Radiokarpalgelenk manifestiert sich frühzeitig eine Arthrosis deformans auf dem Boden von Gelenkfehlstellungen nach
Radiusfrakturen (s. Kap. 17 u. Kap. 27), bei der Skaphoidpseudarthrose („SNAC Wrist“, s. Kap. 20 u. Kap. 27) und im Rahmen
einer skapholunären Dissoziation („SLAC Wrist“, s. Kap. 23 u.
Kap. 27). Wegen der sphärischen Form der Fossa lunata radii
und der hemisphärischen Form des Lunatums ist die Arthrose
im radiolunären Kompartiment meist deutlich geringer als in
der radioskaphoidalen Artikulation.
● Bei chronischer Radiussubluxation entsteht eine Arthrose des
distalen Radioulnargelenks (s. Kap. 17 u. Kap. 27).
● Bevorzugter Manifestationsort von Riesenzelltumoren ist der
distale Epiphysenabschnitt des Radius (s. Kap. 44).
● Die Madelung-Deformität umfasst als Fehlbildung auch den distalen Radiusabschnitt (s. Kap. 16).
▶ Bildgebung. Basisdiagnostikum für Pathologien am Radius sind
die in Neutralstellung exponierten Projektionsradiogramme des
Handgelenks in 2 Ebenen. Indirekt kann in der seitlichen Röntgenaufnahme das Pronator-quadratus-Zeichen Hinweise auf krankhafte Veränderungen am Radius geben, wie z. B. bei Infektionen
d
e
Abb. 10.1 Anatomie des distalen Radiusabschnitts. Oberflächendarstellung aus einem 3D CT-Datensatz nach Entfernung der Ulna und der
Handwurzel.
a Ansicht von palmar. 1 = Facies palmaris radii (Ansatz des M. pronator quadratus), 2 = Crista palmaris radii (Ursprung des Lig. radioscaphocapitatum
und Lig. radiolunotriquetrum palmare).
b Ansicht von radial. 3 = Spitze des Processus styloideus radii (Ursprung des Lig. collaterale radiale), 4 = Tuberculum radii (Ansatz des M. brachioradialis),
5 = radiale Rinne für die Sehnen des M. abductor pollicis longus und M. extensor pollicis brevis.
c Ansicht von dorsal. 6 = Tuberculum radii (Lister-Tuberkel), 7 = dorsoulnare Rinne für die Sehnen des M. extensor pollicis longus und M. extensor
digitorum communis, 8 = dorsoradiale Rinne für die Sehnen des M. extensor carpi radialis longus und M. extensor carpi radialis brevis, 9 = radiale
Rinne für die Sehnen des M. abductor pollicis longus und M. extensor pollicis brevis, 10 = Crista dorsalis radii (Ursprung des Lig.
radiolunotriquetrum dorsale).
d Ansicht von ulnar. 11 = Incisura ulnaris radii (Artikulation mit dem Ulnakopf), 12 = Crista ulnaris radii (Ursprung des Discus ulnocarpalis).
e Ansicht von distal. 13 = Interfacettenprominenz (Teilung der beiden Fossae radii), 14 = Fossa scaphoidea radii (Artikulation mit dem Skaphoid),
15 = Fossa lunata radii (Artikulation mit dem Lunatum).
108
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10.1 Übersicht
10.2 Anatomie des Unterarms
Seite
Anatomische Struktur
Nachbarschaft
Distal
konkave, dreieckförmige Fossa scaphoidea radii
Skaphoid mit proximalem Pol
sagittal verlaufende Interfacettenprominenz
Lig. radioscapholunatum (Testut)
Lig. scapholunatum
konkave, quadratische Fossa lunata radii
Lunatum mit proximaler Zirkumferenz
glatte, konkave Fläche der Radiusmetaphyse
M. pronator quadratus
Palmar
Dorsal
palmare Radiuskante in querem Verlauf
Lig. radiolunotriquetrum palmare (pRLTL)
raue Dreiecksfläche des Processus styloideus radii
Lig. radioscaphocapitatum (RSCL)
breite Rinne radialseitig
Sehnen des Extensor carpi radialis longus (ECRL) und brevis (ECRB)
Tuberculum dorsale Listeri in Radiusmitte
trennt 2. und 3. Extensorenfächer, Ansatz des Retinaculum extensorum
enge Rinne direkt ulnar des Lister-Tuberkels
Sehne des Extensor pollicis longus (EPL)
breite Rinne weiter ulnarseitig
Sehnen des Extensor digitorum (ED) und Extensor indicis proprius (EIP)
dorsale Radiuskante mit querem Verlauf
Lig. radiolunotriquetrum dorsale (dRLTL)
Radial
glatte Dreiecksfläche des Processus styloideus radii
Ursprung des Lig. collaterale radiale (CRL)
Sehne des Abductor pollicis longus (APL)
Sehne des Extensor pollicis brevis (EPB)
radiales Ende der dorsalen Radiuskante
Ansatz der Brachioradialis-(BR-)Sehne
Ulnar
konkave Incisura ulnaris radii
Ulnakopf
distal abschließende Knochenleiste
Ursprung des Discus ulnocarpalis (TFC)
und Frakturen. Für die weiterführende Diagnostik bei intraartikulären Mehrfragmentfrakturen des Radius und bei Früharthrosen
im Radiokarpal- und/oder distalen Radioulnargelenk ist die CT am
besten geeignet, mit der nicht nur dislozierte Fragmente, sondern
auch die radiokarpale Gelenkfläche und der subchondrale Knochen überlagerungsfrei analysiert werden können. Domänen der
MRT sind die Detektion von okkulten Radiusfrakturen und das Staging von Knochentumoren am distalen Unterarmabschnitt.
Distaler Ulnaabschnitt
▶ Anatomie. Der Ulnaschaft geht nach distal in den kräftigeren
Ulnakopf über (▶ Abb. 10.2 und ▶ Tab. 10.2). Der semihemisphärische, nach radial und distal mit Gelenkknorpel überzogene Ulnakopf artikuliert einerseits über die Circumferentia articularis
mit dem Radius im distalen Radioulnargelenk, andererseits im ulnokarpalen Gelenkkompartiment über den TFCC mit der ulnarseitigen Handwurzel. Ulnar zu den Gelenkflächen des Ulnakopfes
finden sich 2 charakteristische Landmarken, an denen der TFCC
peripher befestigt ist: Zum einen der Processus styloideus ulnae
in ulnodorsaler Position mit der Insertion des ulnodistalen Zügels, zum anderen radialseitig hiervon die Fovea capitis ulnae für
die Insertion des ulnoproximalen Zügels.
Tab. 10.2 Topografische Anatomie des distalen Ulnaabschnitts.
Seite
Anatomische Struktur
Nachbarschaft
Distal
glatte Gelenkfläche zur Artikulation mit dem TFCC
Discus ulnocarpalis (TFC)
Fovea capitis ulnae radial des
Processus styloideus ulnae
Insertion des ulnoproximalen Diskuszügels
Palmar
hyaliner Gelenkknorpel radialseitig
distales Radioulnargelenk
Dorsal
Rinne zwischen Ulnakopf und
Processus styloideus ulnae
Sehne des Extensor carpi
ulnaris (ECU)
Radial
Circumferentia articularis zur
Artikulation mit Radius
Incisura ulnaris radii
Ulnar
Processus styloideus ulnae in
ulnodorsaler Position
Insertion des ulnodistalen
Diskuszügels
▶ Klinische Bedeutung. Der Ulnakopf ist der zentrale Drehpunkt, um den der Radius im distalen Radioulnargelenk während
der Umwendbewegungen rotiert. Aufgrund der nur geringen knöchernen Stabilisierung des Gelenkes spielen bei der Drehbewegung die Weichteile die entscheidende Rolle. Neben der Rotationsbewegung sind zusätzlich Gleitbewegungen in der axialen
Ebene aufgrund der im Vergleich zum Ulnakopf größeren Incisura
ulnaris radii möglich.
● Der Processus styloideus ulnae ist häufig bei distalen Radiusfrakturen abgerissen und neigt dann zur Pseudarthrosenbildung (s. Kap. 17).
● Bei palmarer Subluxation des Radius wird der Ulnakopf prominent und kann zum sog. Caput-ulnae-Syndrom mit degenerativer Ruptur der Strecksehnen führen (s. Kap. 29).
● Bei länger bestehender Subluxation sowie nach traumatischer
Gelenkflächenzerstörung kommt es zur Arthrose im distalen
Radioulnargelenk (s. Kap. 27).
● Biomechanisch wichtig ist die relative Länge der Ulna (sog. „Ulnavarianz“) im Vergleich zum Radius. Eine Plusvarianz der Ulna
führt über die vermehrte axiale Druckbelastung zunächst zur
Schädigung des ulnokarpalen Komplexes, später zum ulnokarpalen Impaction-Syndrom mit ossären Umbauten an Lunatum
und Triquetrum, geringer am Ulnakopf (s. Kap. 31).
● Chronische Läsionen der ulnaren Diskusinsertionen können zu
enthesiopathischen Ausziehungen und/oder zystoiden Einschlüssen am Processus styloideus ulnae bzw. an der Fovea capitis ulnae führen.
10
▶ Bildgebung. Die Ulnavarianz lässt sich exakt im dorsopalmaren Projektionsradiogramm bestimmen, wenn die Aufnahmen in
Neutralstellung angefertigt wurden. Schwieriger ist im seitlichen
Radiogramm der Nachweis diskreter Subluxationen im distalen
Radioulnargelenk. Hierzu eignen sich axiale CT- und MRT-Schichten wesentlich besser. Mit der axialen CT können zum einen eine
dynamische Instabilität im distalen Radioulnargelenk in Abhängigkeit vom Grad der Umwendbewegung, zum anderen frühe
Formen einer Arthrosis deformans nachgewiesen werden.
109
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Tab. 10.1 Topografische Anatomie des distalen Radiusabschnitts.
a
b
ECU
c
e
Ulna
dRUL
pRUL
Radius
d
f
10.2.2 Membrana interossea
antebrachii
▶ Anatomie. Die Membrana interossea ist eine straffe, syndesmosenartige Verbindung aus Kollagen und elastischen Fasern
(▶ Abb. 10.3). Sie erstreckt sich in einer mittleren Breite von
11 mm zwischen den interossären Kanten (Margines interossei)
des Radius und der Ulna, wobei sie in Supination ausgespannt ist.
Nach einer Lücke beginnt die Membran erst 7–10 cm distal des
Radiuskopfs und des Olekranons zusammen mit der Chorda obliqua (Weitbrecht-Band). Verstärkt durch das zentrale Band, verlaufen die Fasern der dünnen Membran über eine Strecke von ca.
11 cm schräg von proximal-radial nach distal-ulnar. Nach peripher läuft die Membrana interossea in Verstärkungszügen aus,
wobei der palmare, longitudinale Bandzug (Septum falciforme)
unter dem M. pronator quadratus liegt, während der dorsale,
mehr schräg verlaufende Bandzug der isometrische Stabilisator
des distalen Radioulnargelenks ist. Die Membrana interossea
dient mehreren Unterarmflexoren und -extensoren als Ansatz.
110
Abb. 10.2 Anatomie des distalen Radioulnargelenks und des Ulnakopfs.
a Oberflächendarstellung aus einem CT-Datensatz. Ansicht von ulnopalmar.
b Oberflächendarstellung aus einem CT-Datensatz. Ansicht von distal in Neutralstellung
nach Entfernung der Handwurzel. Der Ulnakopf ist in der Incisura ulnaris radii zentriert.
c Weichteilstrukturen des distalen Radioulnargelenks im Schema. Der hyaline Gelenkknorpel ist hellblau dargestellt. Beachte die
Reservelänge der Gelenkkapsel. dRUL = Lig.
radioulnare dorsale, pRUL = Lig. radioulnare
palmare, ECU = Sehne des M. extensor carpi
ulnaris.
d Weichteilstrukturen des distalen Radioulnargelenks in einem axialen T2*w GRE-Bild.
e Unterschiedliche Positionen des Ulnakopfs
zur Incisura ulnaris radii während der Pronation (oben) und Supination (unten). Aufgrund ihrer spiralförmigen Anordnung sind
die beiden radioulnaren Ligamente während
der Pro- und Supination in unterschiedlicher
Intensität angespannt.
f Das Lig. radioulnare dorsale (Pfeil) entspringt
ebenso wie das palmare Partnerband direkt
vom kompakten Knochen des Radius. Hierdurch sind die Bänder vom Discus ulnocarpalis abgrenzbar.
▶ Klinische Bedeutung. Die Membrana interossea gewährleistet
den stabilen Zusammenhalt von Ulna und Radius in Ruhe und
während der Umwendbewegungen.
● Die Kombination aus proximaler Radiusfraktur und distaler Ulnafraktur bei der Essex-Lopresti-Verletzung sowie den Galeazzi- und Monteggia-Dislokationsfrakturen ist wahrscheinlich auf
die Verlaufsrichtung der Fasern von proximal-radial nach distal-ulnar zurückzuführen.
● Bei der Essex-Lopresti-Verletzung ist neben dem frakturierten
Radius auch die Membrana interossea rupturiert und die Stabilität und Funktion des Unterarms und des distalen Radioulnargelenks beeinträchtigt (s. Kap. 17).
▶ Bildgebung. Am besten wird die Membran in den axialen
Querschnittsbildern der Sonografie und MRT erfasst. Mit der dynamischen Sonografie können die Membranspannung und funktionelle Membrandefekte während der Umwendbewegung oder
Muskelanspannung überprüft werden. Bei insuffizienter Membrana interossea wird durch Schallkopfdruck die Muskulatur zur
Gegenseite verschoben und das „Hernienzeichen“ ausgelöst. Vorteil der MRT ist die synoptische Wiedergabe der Knochen-Membran-Muskel-Einheit.
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Anatomie Unteram, Hand
Chorda obliqua
Membrana interossea
Septum falciforme
Abb. 10.3 Anatomie der Membrana interossea. Schemazeichnung in
supinatorischer Rotation des Unterarms, in dessen mittlerem Drittel
sich die Membran als Fläche aufspannt.
10.2.3 Distales Radioulnargelenk
(DRUG)
▶ Anatomie. Im distalen Radioulnargelenk rotiert der mobile
Radius um die Ulna als dem statischen Zentrum (▶ Abb. 10.2). Artikulationspartner sind der mit hyalinem Knorpel überzogene
Teil des Ulnakopfes (Circumferentia articularis ulnae) und die Incisura ulnaris radii („Sigmoid Notch“), eine konkave Vertiefung an
der Ulnarseite des Radius mit dorsalen und palmaren Knochenleisten. An diesen entspringen die beiden Ligg. radioulnaria und
stabilisieren zusammen mit den übrigen TFCC-Elementen das Gelenk. Am ebenfalls knorpelfreien distalen Rand der Incisura hat
der Discus ulnocarpalis seinen Ursprung. Die Gelenkkapsel ist
nach proximal zum Unterarm hin in Form eines Recessus sacciformis weit.
▶ Klinische Bedeutung. In den proximalen und distalen Radioulnargelenken, die beide als gewichtstragend gelten, werden die
prosupinatorischen Umwendbewegungen durchgeführt. Die Rotationsachse verläuft diagonal durch den Unterarm, nämlich vom
Radiuskopf proximal zum Ulnakopf distal. Das distale und proximale Radioulnargelenk bilden eine funktionelle Einheit, weshalb der Unterarm auch als ein Gelenk betrachtet werden kann.
● Subluxationen und Luxationen im DRUG sind die Folgen einer
Gelenkflächeninkongruenz und/oder Insuffizienz der stabilisierenden Bänder.
● Eine hypoplastische Incisura ulnaris radii mit palmarer Radiusluxation liegt bei der Madelung-Deformität vor (s. Kap. 16).
● Häufiger ist die deformierte Incisura ulnaris radii jedoch Folge
einer intraartikulären Radiusfraktur (s. Kap. 17).
● Eine Insuffizienz der radioulnaren Führung wird bei konstitutioneller Bandlaxizität sowie bei degenerativer oder traumatischer Bandruptur beobachtet.
● Es gilt die Regel, dass ein TFCC-Schaden sekundär zur DRUG-Instabilität führt und dass eine Kausalitätsbeziehung auch umgekehrt besteht (s. Kap. 18).
▶ Bildgebung. Aufgrund seiner anatomischen Ausrichtung wird
das distale Radioulnargelenk am besten in der axialen Ebene abgebildet. Deshalb sind die CT und MRT die bildgebenden Methoden
der Wahl, wenn eine Fehlartikulation im DRUG vermutet wird
oder das Ausmaß der Arthrose bestimmt werden soll. Normalerweise ist in Neutralstellung der Ulnakopf in der Incisura ulnaris radii zentriert, während in Pronation und Supination eine geringgradige Dezentrierung physiologisch ist. Ein Instabilitätskriterium ist
auch der verbreiterte Gelenkspalt zwischen Ulnakopf und Incisura
ulnaris radii. Beim Instabilitätsverdacht im distalen Radioulnargelenk ist das Projektionsradiogramm der Gegenseite hilfreich.
10
10.2.4 Fascia antebrachii
▶ Anatomie. Die Fascia antebrachii ist die oberflächliche Körperfaszie des Unterarms. Sie ist die Fortsetzung der Fascia brachii des
Oberarms bzw. der Aponeurosis m. bicipitis brachii (Lacertus fibrosus). Anatomisch trennt die Fascia antebrachii die Schicht des subkutanen Fettgewebes von der Unterarmmuskulatur. Jeweils an den
Außenseiten des Unterarms ziehen septenartige Faszien in die Tiefe zur periostalen Anheftung an den Radius und die Ulna. Zusammen mit der Membrana interossea antebrachii, die sich zwischen
den Radius- und Ulnaschäften ausspannt, trennen die Blätter der
Fascia antebrachii die Muskelgruppen der Flexoren- und Extensorenlogen. Nach distal geht die Fascia antebrachii zunächst in quer
verlaufende Verstärkungszüge zur Zügelung der Flexoren und Extensoren über, nämlich palmar in das Retinaculum flexorum und
dorsal in das Retinaculum extensorum. Nach distal ist die Palmaraponeurose die Fortsetzung des Retinaculum flexorum in die Hohlhand, während sich am Handrücken die Fascia dorsalis manus aus
dem Retinaculum extensorum entwickelt. Die Handrückenfaszie
steht mit dem Extensorenapparat der Finger einschließlich des
Connexus intertendineus sowie den Metakarpalia in Verbindung.
▶ Klinische Bedeutung. Der Fascia antebrachii kommen nur wenige Funktionen zu.
● Sie wirkt stabilisierend auf die extrinsische Unterarmmuskulatur und die Haltefunktion der beiden Retinakula am UnterarmHand-Übergang.
111
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10.2 Anatomie des Unterarms
Anatomie Unteram, Hand
●
●
Die Fascia antebrachii kann die Ausbreitung von oberflächlichen
Infektionen in die tiefen Gewebeschichten verhindern (s. Kap. 42).
Bei lokalen Unterbrechungen oder Insuffizienzen der Fascia antebrachii kommt es zu den seltenen Muskelhernien, die bei
Kontraktion besonders hervortreten (s. Kap. 29).
Aufgrund von Perforansgefäßen aus der A. radialis und A. ulnaris ist die Fascia antebrachii gut durchblutet und deshalb für
Faszienlappen zur Defektdeckung geeignet.
▶ Bildgebung. Die Fascia antebrachii kommt ebenso wie das Retinaculum flexorum und Retinaculum extensorum übersichtlich
in den axialen Querschnittsbildern der Sonografie, CT und MRT
zur Darstellung, wobei in der MRT der höchste Kontrast zum subkutanen Fettgewebe und zur Muskulatur erzielt wird.
10.2.5 Muskeln des Unterarms
Einteilungen
▶ Extrinsische und intrinsische Muskeln. Funktionell werden
extrinsische Muskeln, die vom Unterarm zur Hand ziehen, unterschieden von intrinsischen Muskeln, die ausschließlich an der
Hand lokalisiert sind. Eine andere funktionelle Einteilung sieht
vor
● extrinsische Muskeln für die Motorik des Handgelenks,
● extrinsische und intrinsische Muskeln für die Fingergrobmotorik sowie
● intrinsische Muskeln für die Fingerfeinmotorik.
▶ Flexoren und Extensoren. In der Schnittbilddiagnostik ist die
Kategorisierung der Unterarmmuskel mit Unterscheidung von 3
Flexorengruppen und 2 Extensorengruppen am einfachsten. Die
5 Muskelschichten sind in den koronalen MRT-Bildern der
▶ Abb. 10.4a (oberflächliche Flexoren), ▶ Abb. 10.4b (mittlere
Flexoren), ▶ Abb. 10.4c (tiefe Flexoren), ▶ Abb. 10.5a (oberflächliche Extensoren) und ▶ Abb. 10.5b (tiefe Extensoren) illustriert.
▶ Logen. Eine modifizierte Muskelzuordnung in ebenfalls 5
Gruppen resultiert, wenn man den Verlauf der Unterarmmuskeln
in topografischen berücksichtigt. Auf diese im anatomischen und
chirurgischen Sprachgebrauch verbreitete Einteilung wird nachfolgend Bezug genommen (▶ Tab. 10.3). In der MRT gelingt die
Muskelzuordnung zu den 5 Logen anschaulich in axialen Bildern.
Tab. 10.3 Muskulatur des Unterarms. Die Muskeln sind in der Reihenfolge von radial nach ulnar aufgelistet.
Ursprung
Ansatz
Innervation
M. brachioradialis
Lateralseite des distalen Humerus, Septum
intermusculare laterale
Processus styloideus radii
N. radialis (C 5–C 6)
M. extensor carpi radialis longus
Epicondylus radialis humeri, Lig. anulare radii
Basis des Metakarpale II
R. profundus n. radialis (C 6–C 7)
M. extensor carpi radialis brevis
Epicondylus radialis humeri, Lig. anulare radii
Basis des Metakarpale III
R. profundus n. radialis (C 6–C 7)
M. supinator
Epicondylus radialis humeri, Ulna, Lig. anulare
radii
Radius
R. profundus n. radialis (C 6–C 7)
M. pronator teres
Epicondylus ulnaris humeri (Caput humerale)
Processus coronoideus ulnae (Caput ulnare)
Radius
N. medianus (C 6)
M. flexor carpi radialis
Epicondylus ulnaris humeri
Basis des Metakarpale II
N. medianus (C 5–C 7)
M. palmaris longus
Epicondylus ulnaris humeri
Palmaraponeurose
N. medianus (C 7–Th 1)
M. flexor digitorum superficialis
Epicondylus ulnaris humeri, Processus coronoideus ulnae (Caput humeroulnare)
Radius (Caput radiale)
Mittelphalangen II–V
N. medianus (C 5–C 7)
M. flexor carpi ulnaris
Epicondylus ulnaris humeri (Caput humerale),
Olekranon (Caput ulnare)
Hamatum, Basis des
Metakarpale V
N. ulnaris (C 8–Th 1)
Muskel
Radiale Gruppe
Oberflächliche Flexoren
Tiefe Flexoren
M. flexor pollicis longus
Radius
Endphalanx I
N. medianus (C 6–C 8)
M. flexor digitorum profundus
Ulna, Membrana interossea
Endphalangen II–V
N. medianus und N. ulnaris
(C 6–Th 1)
M. pronator quadratus
Palmarseite der Ulna
Palmarseite des Radius
N. medianus (C 5–C 7)
Epicondylus radialis humeri
Dorsalaponeurosen II–V
R. profundus n. radialis (C 6–C 8)
Oberflächliche Extensoren
M. extensor digitorum communis
M. extensor digiti minimi
Epicondylus radialis humeri
Dorsalaponeurose V
R. profundus n. radialis (C 6–C 8)
M. extensor carpi ulnaris
Epicondylus radialis humeri (Caput humerale), Ulna (Caput ulnare)
Basis des Metakarpale V
R. profundus n. radialis (C 7–C 8)
M. abductor pollicis longus
Dorsalseiten von Radius und Ulna, Membrana
interossea
Basis des Metakarpale I,
Trapezium
R. profundus n. radialis (C 7–C 8)
M. extensor pollicis brevis
Dorsalseiten von Radius und Ulna, Membrana
interossea
Basis der Grundphalanx I
R. profundus n. radialis (C 6–C 7)
M. extensor pollicis longus
Ulna, Membrana interossea
Endphalanx I
R. profundus n. radialis (C 6–C 7)
M. extensor indicis proprius
Dorsalseite der Ulna
Strecksehne II
R. profundus n. radialis (C 7–C 8)
Tiefe Extensoren
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●
10.2 Anatomie des Unterarms
Radiale Gruppe
▶ Anatomie. Diese Muskelgruppe (▶ Abb. 10.4a, ▶ Abb. 10.5 u.
▶ Abb. 10.6) nimmt aufgrund ihrer Lage und Funktion eine Sonderstellung am Unterarm ein. Die radiale Muskulatur entspringt
am Epicondylus lateralis (radialis) humeri und an der Streckseite
des Unterarms. Die Muskeln inserieren entweder bereits am Radius oder weiter peripher am proximalen Mittelhandabschnitt
streckseitig. Die radiale Muskelgruppe wird vom N. radialis (R.
profundus) innerviert.
BB
B
BR
BR
PT
PT
FCU
FCU
PL
FDS
FCR
APL
10
a
b
B
BR
SP
FDP
FDP
APL
FPL
FCU
PQ
c
Abb. 10.4 Anatomie der Flexorenmuskulatur des Unterarms. Dargestellt sind jeweils koronale Schichten in MRT-Rekonstruktionen aus einer T1w
3D-VIBE-we-Sequenz. APL = M. abductor pollicis longus, B = M. brachialis, BB = M. biceps brachii, BR = M. brachioradialis, FCR = M. flexor carpi radialis,
FCU = M. flexor carpi ulnaris, FDP = M. flexor digitorum profundus, FDS = M. flexor digitorum superficialis, PQ = M. pronator quadratus, PT = M.
pronator teres, SP = M. supinator.
a Oberflächliche Schicht der Flexorenmuskulatur des Unterarms.
b Mittlere Schicht der Flexorenmuskulatur des Unterarms.
c Tiefe Schicht der Flexorenmuskulatur des Unterarms.
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FDS
Anatomie Unteram, Hand
TB
TB
BR
AN
FCU
SP
ECRL/B
ECRL/B
FCU
ECU
EDC
APL
EIP
APL
EPB
a
EPB
b
Abb. 10.5 Anatomie der Extensorenmuskulatur des Unterarms. Dargestellt sind jeweils koronale Schichten in MRT-Rekonstruktionen aus einer
T1w 3D-VIBE-we-Sequenz. AN = M. anconeus, APL = M. abductor pollicis longus, BR = M. brachioradialis, ECRL/B = Mm. carpi radialis longus et brevis,
EDC = M. extensor digitorum communis, EDM = M. extensor digiti minimi, EIP = M. extensor indicis proprius, EPB = M. extensor pollicis brevis, EPL = M.
extensor pollicis longus, FCU = M. flexor carpi ulnaris, SP = M. supinator, TB = M. triceps brachii.
a Oberflächliche Schicht der Extensorenmuskulatur des Unterarms.
b Tiefe Schicht der Extensorenmuskulatur des Unterarms.
●
●
●
M. brachioradialis (BR): Dieser Muskel liegt am weitesten oberflächlich an der Radialseite des Unterarms, wo er konturbildend
wird. Nachbarschaftsbeziehungen bestehen proximal zum N.
radialis, den der Muskel überdeckt, und peripher zur A. radialis,
die auf dem Muskel gelegen ist. Der M. brachioradialis inseriert
am Processus styloideus radii noch vor dem Handgelenk.
Mm. extensores carpi radiales longus und brevis (ECRL, ECRB):
Der ECRB-Muskel wird am Ellenbogen zunächst vom ECRL-Muskel überdeckt, anschließend ziehen beide Muskeln und deren
Sehnen parallel nach peripher. Ungefähr 4 cm proximal des
Handgelenks überkreuzen die ECRL- und ECRB-Sehnen diejenigen des M. abductor pollicis longus (APL) und des M. extensor
pollicis brevis (EPB) (sog. Intersektion-Region), um danach das
zweite Strecksehnenfach zu passieren. Noch vor Ansatz an den
Metakarpalia II und III werden die ECRL- und ECRB-Sehnen am
radialseitigen Handrücken von der EPL-Sehne überkreuzt.
M. supinator (SP): Der Supinatormuskel entspringt am Epicondylus humeri radialis, Lig. collaterale radiale, Lig. anulare und
an der Lateralseite der Ulna, um nach longitudinal-schrägem
Verlauf an der Lateralseite des proximalen Radiusdrittels zu inserieren. Er besteht aus 2 Schichten (Pars profunda und Pars superficialis), zwischen denen der R. profundus n. radialis verläuft. In ca. 30 % aller Individuen ist die Pars superficialis am
Tunneleingang zur sog. Frohse-Arkade verdickt.
Oberflächliche und tiefe Flexorengruppen
▶ Anatomie. Mit Ausnahme des M. pronator quadratus, der seine
Lokalisation am distalen Unterarm hat, entspringen alle extrinsischen Beugemuskeln am Epicondylus medialis (ulnaris) humeri
114
und an der Beugeseite des Unterarms (▶ Abb. 10.4). Peripher inserieren die Flexoren entweder am palmaren Unterarm oder nach
Verlauf ihrer Sehnen über die Handgelenke palmarseitig an der
Mittelhand sowie an den Mittel- und Endphalangen der Finger.
Mit Ausnahme des M. flexor carpi ulnaris und des ulnaren Bauches des M. flexor digitorum profundus, die vom N. ulnaris versorgt werden, erfolgt ihre Innervation über den N. medianus.
● M. pronator teres (PT): Der oberflächlich gelegene, zweiköpfige
Muskel entspringt sowohl am Humerus (Caput humerale) als
auch am Processus coronoideus ulnae (Caput ulnare). Durch den
spitzen Winkel zwischen beiden Muskelbäuchen zieht der N.
medianus in dem von einem fibrösen Bogen überdachten Pronatorkanal. Nach schrägem und ulnarem Verlauf zum M. flexor
carpi radialis setzt der PT-Muskel am mittleren Radiusdrittel an.
● M. flexor carpi radialis (FCR): Er verläuft im oberflächlichen
Kompartiment zwischen dem M. pronator teres, dem M. palmaris longus und dem M. flexor digitorum superficialis. Im distalen Unterarmdrittel geht er in seine Sehne über, die oberflächlich zur A. radialis und zur FPL-Sehne verläuft. Am Trapezium zieht die FCR-Sehne durch einen osteofibrösen Kanal.
● M. palmaris longus (PL): Der schlanke Muskel verläuft parallel
zum FCR-Muskel an dessen ulnarer Seite. Am Handgelenk zieht
er oberhalb des Retinaculum flexorum nach peripher.
● M. flexor digitorum superficialis (FDS): Proximal hat der Muskel 2 Köpfe, das Caput humerale mit Ursprung am Epicondylus
humeri ulnaris und das Caput radiale mit Ursprung an der Beugeseite des proximalen Radiusabschnitts. Beide Muskelköpfe
werden durch eine fibröse Arkade verbunden, unter der der N.
medianus und die A. ulnaris durchziehen. Am Unterarm liegt
der FDS-Muskel oberflächlich zum M. flexor digitorum profun-
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EPL
EDM
10.2 Anatomie des Unterarms
FCU
U
ECRL
FCR
B
BR
B
BB
FDP
ECU
U
FCU
EDC
SP
PT
FDS
R
ECRL/B
PT
BR
FCR
EPL
EDM
ECU
U
APL
EDC
FCU
FDP
R
ECRL/B
FDS
BR
FCR
EPL
ECRL/B
EDM
10
EDC
EPB
APL
R
FPL
ECU
U
PQ
FDP
FDS
FCR
PL
●
●
FCU
dus, M. flexor pollicis longus, zum N. medianus sowie zum N.
ulnaris und zur A. ulnaris. Eine tiefere Lage hat er gegenüber
dem M. palmaris longus, M. flexor carpi radialis, M. pronator teres und der A. radialis. Nach muskulotendinärem Übergang am
distalen Unterarm verlaufen die FDS-Sehnen III und IV im Karpaltunnel oberflächlich zu den FDS-Sehnen II und V, radialseitig
begleitet von der FPL-Sehne und vom N. medianus.
M. flexor carpi ulnaris (FCU): Er entspringt zweiköpfig am Epicondylus humeri ulnaris (Caput humerale) und am Olekranon
bzw. am proximalen Ulnaschaft (Caput ulnare). Beide FCU-Muskelbäuche sind über die Osborne-Faszie verbunden und bilden
mit ihr zusammen den distalen Anteil des Kubitaltunnels, in
dem der N. ulnaris verläuft. Im distalen Unterarmdrittel verläuft die FCU-Sehne oberflächlich, an der radialen Seite begleitet vom N. ulnaris und der A. ulnaris. An der Handwurzel zieht
die FCU-Sehne zunächst zum Pisiforme, um anschließend über
das Lig. pisohamatum bzw. das Lig. pisometacarpeum am Hamatum bzw. an der Basis des Metakarpale V anzusetzen.
M. flexor pollicis longus (FPL): Der lange Daumenbeuger hat
sich beim Mensch als selbstständiger Muskel von den tiefen Fingerbeugern abgespalten. Nach langstreckigem Ursprung am Radiusschaft und der Membrana interossea zieht der FPL-Muskel
in der tiefen Schicht neben dem FDP-Muskel und dem N. interosseous anterior nach peripher zum Karpaltunnel. Auch hier
liegt die FPL-Sehne in der Tiefe radialseitig zu den FDP-Sehnen.
●
●
M. flexor digitorum profundus (FDP): Der kräftigste Unterarmmuskel entspringt langstreckig an der Beugeseite des Radius
und der Membrana interossea und zieht mit 4 Muskelbäuchen
in der Tiefe nach peripher. Diese gehen im distalen Unterarmabschnitt in die FDP-Sehnen II–V über, die konvergierend die
Tiefe des Karpaltunnels durchziehen. An der Mittelhand divergieren die Flexorensehnen wieder.
M. pronator quadratus (PQ): Der flache, quadratisch geformte
Muskel liegt beugeseitig in der Tiefe zwischen den distalen Radius- und Ulnaabschnitten, zwischen denen er mit leicht schrägem
Verlauf ausgespannt ist. Im proximalen Abschnitt überdeckt er
die Membrana interossea. Gegenüber den palmar verlaufenden
Sehnen des M. flexor digitorum profundus ist der M. pronator
quadratus durch die synoviale Verschiebeschicht des ParonaRaums (Spatium antebrachii palmare distale) getrennt. Innerviert
wird der PQ-Muskel vom N. interosseus anterior des N. medianus.
Oberflächliche und tiefe Extensorengruppen
▶ Anatomie. Von den extrinsischen Streckmuskeln (▶ Abb. 10.5)
entspringt die oberflächliche Gruppe am Epicondylus lateralis
(radialis) humeri und den angrenzenden Unterarmfaszien, während die tiefe Gruppe erst an den distalen Abschnitten der Ulna
und der Membrana interossea beginnt. Nachdem die Extensorensehnen das Handgelenk überkreuzt haben, setzen sie jeweils
streckseitig an den Mittelhandbasen sowie an den Mittel- und
115
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Abb. 10.6 Anatomie der Unterarmmuskulatur
in Querschnittsbildern. Axiale Schichten einer
T1w FSE-Sequenz. In der Bildfolge von oben
nach unten finden sich axiale Schichten in Höhe
des Ellenbogens, durch das proximale (ellenbogennahe) Unterarmdrittel, durch das mittlere
Unterarmdrittel und durch das distale (handgelenksnahe) Unterarmdrittel. AN = M. anconeus, APL = M. abductor pollicis longus,
B = M. brachialis, BB = M. biceps brachii,
BR = M. brachioradialis, ECRL/B = Mm. carpi
radialis longus et brevis, EDC = M. extensor
digitorum communis, EDM = M. extensor digiti
minimi, EPB = M. extensor pollicis brevis,
EPL = M. extensor pollicis longus, FCR = M. flexor
carpi radialis, FCU = M. flexor carpi ulnaris,
FDP = M. flexor digitorum profundus,
FDS = M. flexor digitorum superficialis,
PL = M. palmaris longus, PQ = M. pronator
quadratus, PT = M. pronator teres, R = Radius,
SP = M. supinator, U = Ulna.
FDP
Anatomie Unteram, Hand
Klinische Bedeutung und Bildgebung
▶ Klinische Bedeutung. Intakte Flexoren- und Extensorenmuskeln sind Voraussetzung für die normale Halte- und Greiffunktion der Hand und Finger.
● Beim Linburg-Comstock-Syndrom besteht eine Verbindung
zwischen der FPL-Sehne und der FDP-II-Sehne, wodurch die
116
●
●
●
Flexion im Daumen-IP-Gelenk automatisch zur Flexion im DIPGelenk II führt.
Im Gegensatz zu den oberflächlichen Flexoren (FDS) haben die
tiefen Flexoren (FDP) nur einen gemeinsamen Muskelbauch,
weshalb einzelne Flexionen in den DIP-Gelenken im Gegensatz
zu den PIP-Gelenken kaum möglich sind. Zusätzlich sind die
tiefen Beugesehnen noch durch intertendinäre Fasern verbunden und somit gekoppelt (Quadriga-Phänomen).
Die FDS-Sehnen IV und V sind häufig gekoppelt und können
dann nur zusammen bewegt werden. Die FDS-Sehne V kann
partiell nicht angelegt sein (s. Kap. 15).
Der palmar am distalen Unterarm gelegene Parona-Raum wird
dorsal vom M. pronator quadratus, seitlich vom M. flexor carpi
radialis und ulnaris und palmar von den Flexorensehnen gebildet. In diesem Bereich können sich eitrige Infekte ausbreiten
bzw. weitergeleitet werden (s. Kap. 42).
Die Muskelwirkungen auf die Handgelenke (distales Radioulnargelenk, Radiokarpal- und Mediokarpalgelenke) sind in ▶ Tab. 10.4
zusammengefasst, die Muskelwirkungen an den Fingergelenken
in Kap. 11. Auf das Handgelenk haben die langen Flexoren und Extensoren der Finger nur eine Nebenwirkung.
● Pathologische Zustände der Unterarmmuskulatur betreffen die
diffuse Muskelatrophie bei Inaktivität, die fokale Atrophie bei
Denervierung, das Muskelödem mit nachfolgender Fibrose
beim Kompartment-Syndrom sowie das traumatische Muskelhämatom (s. jeweils Kap. 29).
● Definierte Atrophien der Unterarmmuskeln können aus Nervenkompressionssyndromen resultieren: Beim Kubitaltunnelsyndrom wird der N. ulnaris im Kubitaltunnel komprimiert,
beim Supinatorlogensyndrom liegt eine Kompression des R.
profundus n. radialis an der Frohse-Arkade zwischen den beiden Bäuchen des M. supinator vor, beim Pronator-teres-Syndrom ist der N. medianus im Pronatorkanal zwischen den Köpfen des M. pronator teres lädiert (s. jeweils Kap. 47).
● Spezifische Tumorentitäten umfassen das intramuskuläre Lipom, das intramuskuläre Hämangiom sowie die seltenen
Weichteilsarkome (s. jeweils Kap. 45).
▶ Bildgebung. Die topografische Zuordnung der extrinsischen
Muskeln am Unterarm gelingt am besten in axialen MRT-, CTund sonografischen Schichten, ebenso wie die Identifikation der
Gefäß-Nerven-Straßen des Unterarms (▶ Abb. 10.7c). Methodischer Vorteil der MRT ist der überlegene Weichteilkontrast,
Vorteil der Sonografie die Möglichkeit der dynamischen Untersuchung. Beurteilungsparameter sind die Kontinuität, das Volumen und die faszikuläre Binnenstruktur des Muskels, die Muskelsepten sowie das Muskel-Fett-Verhältnis.
10.2.6 Arterien des Unterarms
Nach Aufzweigung des gemeinsamen Gefäßstamms der A. brachialis versorgen die A. radialis und A. ulnaris gemeinsam die
Hand und die Finger (▶ Abb. 10.7 und ▶ Tab. 10.5). Prinzipiell ist
jedes der beiden Gefäße für sich alleine in der Lage, die arterielle
Perfusion in der Peripherie über präformierte Kollateralwege aufrechtzuerhalten. Jedoch existieren zahlreiche Gefäßvarianten an
der Hand, insbesondere an den arteriellen Hohlhandbögen, sodass eine kollaterale Zirkulation über diese Wege gewährleistet
sein muss. Klinisch wird die Durchgängigkeit der handversorgenden Gefäße mithilfe des Allen-Tests geprüft.
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Endphalangen der Finger an. Alle Unterarmextensoren werden
vom R. profundus n. radialis innerviert.
● M. extensor digitorum communis (EDC): Zusammen mit den
übrigen Extensoren hat er seinen Ursprung am Epicondylus humeri radialis. Er überdeckt zunächst den M. supinator. Danach
verläuft der EDC-Muskel oberflächlich an der Unterarmstreckseite in der Mitte zwischen M. extensor carpi radialis brevis (Radialseite) und dem M. extensor digiti minimi und M. extensor carpi
ulnaris (Ulnarseite). Im distalen Unterarmdrittel gibt der Muskel
4 Extensorensehnen für die Finger II–V ab. Diese passieren das
Retinaculum extensorum im 4. Strecksehnenfach, um am Handrücken zu den Fingergrundgelenken hin zu divergieren.
● M. extensor digiti minimi (EDM): In oberflächlicher Lage zwischen den EDC- und ECU-Muskeln spannt sich der schlanke Muskel langstreckig bis kurz vor das Handgelenk aus, von wo aus seine Sehne durch das 5. Extensorenfach zieht. Anschließend biegt
er nach ulnar ab, um sich in Höhe der Kleinfingergrundphalanx
mit der Strecksehne V an deren Ulnarseite zu vereinigen.
● M. extensor carpi ulnaris (ECU): Der Muskel verläuft oberflächlich an der Ulnarseite des Unterarms zum Ulnakopf. Hier passiert er zunächst das 6. Strecksehnenfach in einer Rinne zum
Processus styloideus ulnae und zieht anschließend durch einen
fibrösen Kanal an der Dorsalseite des ulnokarpalen Komplexes.
Direkt anschließend inseriert die ECU-Sehne am Tuberculum
ulnare der Metakarpale-Basis V.
● M. extensor pollicis longus (EPL): Er gehört zusammen mit den
EPB-, APL- und EIP-Muskeln zur tiefen Extensorenschicht und
entspringt demzufolge erst peripher im mittleren Ulnaabschnitt und an der Membrana interossea. Die EPL-Sehne hat einen charakteristischen Verlauf: Sie zieht ulnar des Tuberculum
Listeri durch das 3. Strecksehnenfach, biegt dann nach radial ab,
um zunächst die Tabatière zu erreichen, deren ulnare Begrenzung sie bildet. Anschließend überkreuzt sie die ECRL- und
ECRB-Sehnen und zieht in langem Verlauf nach peripher.
● M. extensor pollicis brevis (EPB): Er kommt vom distalen Radiusdrittel und der Membrana interossea und verläuft schräg in
der Tiefe zwischen den APL- und EPL-Muskeln zum 1. Extensorenfach. Dieses passiert die EPB-Sehne zusammen mit der APLSehne. An der Streckseite des Daumens ist die EPB-Sehne radial
zu der des EPL lokalisiert.
● M. abductor pollicis longus (APL): Überdeckt vom M. supinator, beginnt der APL-Muskel schon im mittleren Unterarmabschnitt und zieht dann diagonal nach radial zum 1. Extensorenfach, das er zusammen mit der EPL-Sehne durchzieht. Nach
kurzem Verlauf inseriert er dann am Tuberculum radiale der
Metakarpale-I-Basis.
● M. extensor indicis proprius (EIP): Im Gegensatz zum EDCMuskel gehört der eigenständige Strecker des Zeigefingers zur
tiefen Extensorengruppe. Er entspringt erst weit peripher an
der Dorsalseite der Ulna. Seine Sehne zieht durch das 4. Extensorenfach und vereinigt sich nach kurzem Verlauf an der Ulnarseite des Grundgelenks mit der Strecksehne II.
10.2 Anatomie des Unterarms
Tab. 10.4 Wirkungen der extrinsischen Muskeln auf die Handgelenke (Radiokarpalgelenk, Mediokarpalgelenk, distales Radioulnargelenk). Unterschieden werden „Hauptmuskeln“ als primäre Akteure einer Artikulation von „Nebenmuskeln“ als zusätzliche Akteure im Nebenschluss.
Ebene / Gelenk
Bewegung
Hauptmuskeln
Nebenmuskeln
Sagittalebene:
● Radiokarpalgelenk
● Mediokarpalgelenk
Flexion
80–85°
M. flexor carpi radialis
M. flexor carpi ulnaris
M.
M.
M.
M.
flexor digitorum superficialis
flexor digitorum profundus
flexor pollicis longus
abductor pollicis longus
Extension
85–90°
M. extensor carpi radialis longus
M. extensor carpi radialis brevis
M.
M.
M.
M.
M.
extensor
extensor
extensor
extensor
extensor
Radialduktion
20–30°
M. flexor carpi radialis
M. extensor carpi radialis longus
M. extensor carpi radialis brevis
M.
M.
M.
M.
flexor pollicis longus
extensor indicis
extensor pollicis longus
abductor pollicis longus
Ulnarduktion
40–45°
M. flexor carpi ulnaris
M. extensor carpi ulnaris
M. extensor digiti minimi
Pronation
80–90°
M. pronator teres
M. pronator quadratus
M. brachioradialis
M. flexor carpi radialis
M. extensor carpi radialis longus
M. palmaris longus
Supination
80–90°
M. supinator
M. biceps brachii
M. abductor pollicis longus
M. extensor pollicis longus
M. brachioradialis
Axialebene:
Radioulnargelenke
●
Tab. 10.5 Arterien des Unterarms und der Hand.
Arterie
Arterienast
Verlauf
A. radialis
A. recurrens radialis
rückläufig zum Rete articulare cubiti
A. ulnaris
Arcus palmaris superficialis
R. carpalis palmaris
zum Rete carpi palmare
R. palmaris superficialis
zum Arcus palmaris superficialis
R. carpalis dorsalis
retrograd zum Rete carpi dorsale
A. recurrens ulnaris
retrograd durch den FCU-Ursprung
A. interossea recurrens
zu den Rr. interosseae, ein Ast zum Rete cubiti
A. interossea posterior
zu den Unterarmextensoren
A. interossea anterior
palmar auf der Membrana interossea
R. carpalis dorsalis
zum Rete carpi dorsale
R. carpalis palmaris
zum Rete carpi palmare
R. palmaris profundus
zum Arcus palmaris profundus
Aa. digitales palmares communes
zwischen Arcus und Fingergrundgelenken
Aa. digitales palmares propriae
seitlich-palmar an den Fingern
A. princeps pollicis
an der Palmarseite des Daumens
Aa. metacarpales palmares
in die Aa. digitales palmares
A. radialis indicis
an der Radialseite des Zeigefingers
Arteria brachialis
▶ Anatomie. Nach Verlauf im Sulcus bicipitalis medialis wendet
sich die A. brachialis nach kubital zwischen die beiden Humeruskondylen, um sich danach in Höhe des Collum radii in die A. radialis und A. ulnaris aufzuteilen. Vorher gibt sie noch die A. profunda
brachii zur Versorgung der Oberarmmuskulatur und je eine A. collateralis ulnaris superior bzw. inferior zum Rete articulare cubiti ab.
▶ Klinische Bedeutung. Die A. brachialis kann folgende Varianten und Pathologien aufweisen:
● Abgangsvarianten der Unterarmarterien mit Ursprung von
einer der 3 Unterarmarterien bereits in Nähe der Axilla oder in
Form einer gedoppelten A. brachialis sind häufig (s. Kap. 15).
● Das Struther-Ligament am distalen Humerusdrittel medialseitig
kann neben der Kompression des N. medianus auch eine solche
der A. brachialis bewirken. Pathognomonisch ist im Röntgenbild ein suprakondylärer Sporn (s. Kap. 47 u. Kap. 48).
●
●
●
10
Die A. brachialis kann durch dislozierte Fragmente einer ellenbogennahen Humerusfraktur bis hin zum Komplettverschluss
verletzt werden.
Embolische Verschlüsse im Oberarmbereich sind im Vergleich
zu denen des Unterarms selten und führen zur kritischen Ischämie (s. Kap. 48).
Die A. brachialis ist nur selten Manifestationsort der Arteriosklerose.
▶ Bildgebung. Als Basisuntersuchung sollte die Duplexsonografie zum Einsatz kommen, die auch der Bestimmung des Verschlussdruckes und des Arm-Knöchel-Index (ABI) dient. Weiterführende Methoden sind die MR- und CT-Angiografie, mit denen
die großen Seitenäste am Ober- und Unterarm sowie an der Hand
bis zu den Fingergrundgelenken dargestellt werden können.
Goldstandard für die Diagnostik der Arterien der oberen Extremität ist die selektive Katheterangiografie in DSA-Technik, mit der
117
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Koronalebene:
Radiokarpalgelenk
● Mediokarpalgelenk
●
carpi ulnaris
digitorum
indicis
digiti minimi
pollicis longus
Anatomie Unteram, Hand
AP
AI
AI
AU
FPL
AR
FCU
AU
AR
c
AU
FCR
AR
Abb. 10.7 Anatomie der Unterarmarterien.
AB = A. brachialis, AP = Arcus palmaris, AR = A.
radialis, AU = A. ulnaris, AI = A. interossea,
FCR = M. flexor carpi radialis, FCU = M. flexor
carpi ulnaris, FPL = M. flexor pollicis longus.
a Unterarmarterien dargestellt in selektiver
Katheter-Angiografie (DSA-Technik).
b Unterarmarterien in der kontrastverstärkten
MR-Angiografie. Koronale MIP-Darstellung.
c Axiale MRT (T1w FSE fs) mit Darstellung der
Unterarmarterien.
AI
a
b
AB
aufgrund der hohen In-Plane-Auflösung auch kleinste Digitalarterienäste abgebildet werden.
Arteria ulnaris
▶ Anatomie. Unmittelbar nach Abgang aus der A. brachialis unterkreuzt die A. ulnaris den M. pronator teres, bevor sie die A. recurrens ulnaris mit 2 Ästen und die A. interossea communis abgibt. Dann wendet sich die A. ulnaris zunehmend zur Ulnarseite.
Ab der Unterarmmitte zieht die Arterie zusammen mit dem N. ulnaris innerhalb der ulnaren Gefäß-Nerven-Straße nach peripher.
Ihr Leitmuskel ist der M. flexor carpi ulnaris (FCU). Am Handgelenk tritt die A. ulnaris in die Guyon-Loge ein, hier in radialer
Position zum N. ulnaris. Am Tunnelausgang teilt sich die Arterie
in einen R. superficialis a. ulnaris zur Füllung des Arcus palmaris
superficialis, der weitgehend von der Ulnararterie gespeist wird,
und in einen R. profundus a. ulnaris zur Mitversorgung des Arcus palmaris profundus.
▶ Klinische Bedeutung. Verschlüsse der A. ulnaris kommen bei
diesen Entitäten vor:
● Häufigste Okklusionsentität der A. ulnaris ist das meist repetitiv-traumatisch induzierte Hypothenar-Hammer-Syndrom (Ulnar-Hammer-Syndrom) am distalen Unterarmabschnitt und in
der Guyon-Loge (s. Kap. 48).
● Weitere Verschlussursachen sind die periphere Embolie und
die Raynaud-Syndrome (s. jeweils Kap. 48).
● Arteriosklerotische Verschlüsse sind selten.
▶ Bildgebung. Es gelten die diagnostischen Kriterien der Duplexsonografie, der Katheterangiografie sowie der MR- und CTAngiografie, s. A. brachialis.
Arteriae interosseae
▶ Anatomie. Trotz des Abgangs aus der A. ulnaris muss die A. interossea communis mit ihren beiden Gefäßästen als eigenständiges Gefäß neben der A. radialis und A. ulnaris betrachtet werden.
Nach einer Länge von nur 1 cm teilt sich das Gefäß am proximalen Rand der Membrana interossea auf. Die A. interossea ante-
118
rior zieht zusammen mit dem gleichnamigen Nerv (NIA) auf der
Membrana interossea sowie zwischen den FDP- und FPL-Muskelbäuchen nach peripher (palmare Zwischenknochenstraße). Das
Gefäß versorgt die Flexorenmuskulatur und endet am Handgelenk in dünnkalibrigen palmaren und dorsalen Gefäßnetzen.
Die A. interossea posterior verläuft zuerst unter dem M. supinator, anschließend zusammen mit dem N. interosseus posterior
(NIP) zwischen den tiefen und oberflächlichen Extensorenschichten (dorsale Zwischenknochenstraße). Aus dem Gefäß gehen die
A. interossea recurrens zum Ellenbogen, Muskeläste für die Extensoren und Terminalgefäße für das Handgelenk ab.
▶ Klinische Bedeutung. Die Aa. interosseae verhalten sich bei
Verschlüssen anders als die A. radialis und A. ulnaris:
● Beim Raynaud-Syndrom bleiben die interossären Arterien noch
lange durchgängig, wenn die A. radialis und A. ulnaris bereits
verschlossen sind (s. Kap. 48).
● Bei Gefäßverschlüssen embolischer oder traumatischer Genese
dienen die Aa. interosseae als Kollateralarterien (s. Kap. 48).
● Es bestehen Anastomosen zwischen der A. interossea anterior
und posterior. Hierdurch lassen sich im Versorgungsgebiet der
A. interossea posterior große Insellappenplastiken heben (Interossea-posterior-Lappenplastik).
▶ Bildgebung. Es gelten die diagnostischen Kriterien der Duplexsonografie, der Katheterangiografie sowie der MR- und CTAngiografie, s. A. brachialis (S. 117).
Arteria radialis
▶ Anatomie. Die A. radialis verläuft in der radialen Gefäß-Nerven-Straße zwischen M. brachioradialis und M. flexor carpi radialis nach distal bis zum M. pronator quadratus. Hier verläuft das
Gefäß nach dorsoradial in die Tabatière ab und teilt sich in einen
R. superficialis a. radialis zur Versorgung des Arcus palmaris superficialis und in einen R. profundus a. radialis. Auf dem Weg zum
tiefen Hohlhandbogen durchbricht der R. profundus a. radialis zunächst den M. interosseous dorsalis I und gibt anschließend die A.
princeps pollicis, die A. radialis indicis sowie 3 kleinere Aa. palmares metacarpeae für die übrigen Finger ab. Für die Fingerversor-
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AB
10.2 Anatomie des Unterarms
Nerv
Nervenast
Qualität
Verlauf und Innervation
N. radialis
Rr. musculares
motorisch
M. triceps brachii
Mm. extensores carpi radiales longus et brevis
M. brachioradialis
N. cutaneus brachii posterior
sensibel
Dorsalseite des Oberarms
N. cutaneus antebrachii posterior
sensibel
Dorsalseite des Unterarms
R. profundus
motorisch
alle Unterarmextensoren
M. supinator
M. abductor pollicis longus
N. interosseus posterior
sensibel
Handgelenk einschließlich Periost
R. superficialis (Nn. digitales dorsales)
sensibel
Dorsalseite der radialen 2½ Finger
Rr. musculares
motorisch
Unterarmflexoren und -pronatoren (Ausnahme: FCU und ulnarer
FDP-Teil werden vom N. ulnaris versorgt)
N. interosseus anterior
motorisch
M. pronator quadratus
M. flexor pollicis longus
M. flexor digitorum profundus II
R. palmaris
sensibel
palmarseitiger Thenarbereich
Rr. musculares
motorisch
Thenarmuskeln (Ausnahmen: M. adductor pollicis, Caput profundum
des M. flexor pollicis brevis und Mm. lumbricales I und II)
Nn. digitales palmares communes
sensibel
Palmarseiten der radialen 3½ Finger
Nn. digitales palmares proprii
sensibel
Palmarseiten der radialen 3½ Finger
Rr. musculares
motorisch
M. flexor carpi ulnaris
M. flexor digitorum profundus (ulnarer Teil)
N. medianus
N. ulnaris
R. palmaris
sensibel
Unterarm und Hypothenar
R. superficialis
sensibel
Palmarseite der ulnaren 1½ Finger
R. dorsalis
sensibel
Dorsalseite der ulnaren 2½ Finger
R. profundus
motorisch
Mm. interossei
Mm. lumbricales III und IV
M. adductor pollicis
Caput profundum des M. flexor pollicis brevis
alle Hypothenarmuskeln
N. musculocutaneus
N. cutaneus antebrachii lateralis
(Auswahl)
sensibel
Radialseite des Unterarms
Fasciculus medialis
N. cutaneus antebrachii medialis
(Auswahl)
sensibel
Ulnarseite des Unterarms
gung jedoch bedeutsamer sind 3 Aa. digitatae communes, die aus
dem oberflächlichen Hohlhandbogen entspringen, um sich noch
an der Mittelhand in die Aa. digitatae propriae aufzuzweigen.
▶ Klinische Bedeutung. Am distalen Unterarmabschnitt kann
die A. radialis aufgrund ihres oberflächlichen Verlaufs an der radiopalmaren Oberfläche des Radius palpiert werden.
● Unmittelbar proximal hiervon werden bei niereninsuffizienten
Patienten arteriovenöse Dialyse-Shunts vom Typ Brescia-Cimino
zwischen der A. radialis und der V. cephalica antebrachii angelegt, bei Revisionsoperationen auch am proximalen Unterarm.
● In der modernen Kardiochirurgie dient die A. radialis zunehmend
auch als Spendergefäß für einen arteriellen Koronarbypass.
● Die A. radialis bietet aufgrund ihrer vielen distalen Perforatorgefäße gute Bedingungen für Fasziokutan- und Faszienlappenplastiken zur Defektdeckung. Auch können aufgrund der stark
verzweigten Gefäßnetze aus der A. radialis vaskularisierte Knochenspäne gehoben werden, z. B. zur operativen Therapie der
Skaphoidpseudarthrose (s. Kap. 13 u. Kap. 20).
● Ebenso wie die A. ulnaris kann die A. radialis im Rahmen einer
peripheren Embolie okkludiert sein (s. Kap. 48).
● Arteriosklerotische Verschlüsse der A. radialis sind trotz häufig
massiver Gefäßwandkalzifikationen selten (s. Kap. 48).
10
▶ Bildgebung. Es gelten die diagnostischen Kriterien der Duplexsonografie, der Katheterangiografie sowie der MR- und CTAngiografie, s. A. brachialis (S. 117).
Vor Anlage eines arteriovenösen Dialyse-Shunts vom Typ BresciaCimino sowie bei der Evaluation der Shuntdurchgängigkeit muss
die A. radialis sorgfältig auf Stenosen und Verschlüsse untersucht
werden, ebenso beim Hypothenar-Hammer-Syndrom.
10.2.7 Nerven des Unterarms
Vorgestellt werden die Muster der Nervenversorgung an Unterarm und Handwurzel, während die Nervenanatomie an der Mittelhand und an den Fingern in Kap. 11 beschrieben wird. Es existieren viele Varianten hinsichtlich Nervenursprung und -verlauf
sowie hinsichtlich nervaler Anastomosen (z. B. zwischen N. medianus und N. ulnaris in Unterarmmitte als Martin-Gruber-Anastomose und am Handgelenk als Riche-Cannieu-Anastomose). Auf
die Nervenvarianten wird nicht eingegangen, hierzu wird auf die
anatomische Literatur verwiesen. ▶ Tab. 10.6 und die ▶ Abb. 10.8,
▶ Abb. 10.9 und ▶ Abb. 10.10 fassen die Nervenanatomie an Unterarm und Hand zusammen.
119
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Tab. 10.6 Nerven des Unterarms und der Hand.
Anatomie Unteram, Hand
▶ Anatomie. Der N. radialis (▶ Abb. 10.8) verläuft spiralig um
den Humerusschaft, um ca. 10 cm proximal des Ellenbogengelenks durch das Septum intermusculare laterale die Beugeseite
zu erreichen. Hier verläuft er zwischen M. brachialis und M. brachioradialis. Nach Abgabe von Hautästen zur Dorsalseite des Unterarms sowie von motorischen Fasern zu den Unterarmextensoren teilt sich der N. radialis in Höhe des Capitulum humeri in einen tiefen und einen oberflächlichen Ast.
Der R. profundus n. radialis tritt zunächst in die sog. Supinatorloge ein, innerhalb der er von folgenden Strukturen überkreuzt wird:
● zunächst von einem fibrösen Band in Höhe der Nerventeilung,
● gefolgt von einem Gefäßgeflecht aus der A. recurrens radialis
(„Leash of Henry“),
● dann von der Pars superficialis des M. supinator mit einem
fibrös verstärkten Rand (Frohse-Arkade) und schließlich
● vom ECRB-Muskel.
▶ Klinische Bedeutung. Wegen der vorbereitenden Extensionsstellung vor Ausführen der meisten Hand- und Fingergriffe wird
der N. radialis als „Vorbereitungsnerv“ bezeichnet.
● Durch eine Humerusschaftfraktur (Holstein-Lewis-Fraktur)
kann der Hauptstamm des N. radialis geschädigt werden.
● Beim Supinatorlogensyndrom (N.-interosseus-posterior-Syndrom, Radialistunnelsyndrom) besteht für den R. profundus n.
radialis ein Engpass an einer oder mehreren Stellen der Supinatorloge, die vom Eintritt des Nervs zwischen M. brachioradialis
und M. brachialis bis zum Austritt unter dem distalen Rand des
M. supinator reicht (s. Kap. 47). Es resultiert eine gemischtförmige Läsion mit Hypästhesie an der Streckseite des distalen Unterarmabschnitts und fehlender Streckfähigkeit des Daumens
im Grundgelenk durch die Schädigung des motorischen Astes
zum M. extensor pollicis brevis. Das sensible Läsionsausmaß
bezieht die radialen Finger mit ein, wenn zusätzlich der oberflächliche R. superficialis n. radialis betroffen ist.
● Das schmerzhafte Wartenberg-Syndrom (Cheiralgia paraesthetica) ist das Kompressionssyndrom des sensiblen R. superficialis
n. radialis (s. Kap. 47). Ursache ist eine perineurale Fibrose am
distalen Unterarmabschnitt, wo der tiefe Nervenast zwischen
dem M. brachioradialis, M. extensor carpi radialis longus und
M. abductor pollicis longus zur Oberfläche steigt. Das Wartenberg-Syndrom darf nicht verwechselt werden mit dem Wartenberg-Zeichen (Abduktionsstellung des Kleinfingers bei der
Ulnarisparese).
Nach der Tunnelpassage zieht der tiefe Radialisnerv in die dorsale
Zwischenknochenstraße zwischen die tiefen und oberflächlichen
Extensoren. Hier gibt er mehrere motorische Äste zu den Extensoren ab, bevor er am distalen Unterarmabschnitt zum N. interosseus posterior zur sensiblen Versorgung des Handgelenks
wird.
Der R. superficialis n. radialis verläuft am Unterarm in der radialen Gefäß-Nerven-Straße, zunächst zwischen M. supinator
und M. brachioradialis, im mittleren Drittel zusammen mit der
A. radialis entlang dem M. brachioradialis. Im distalen Drittel erreicht er zwischen dem M. brachioradialis und dem M. extensor
carpi radialis longus die Unterarmfaszie, die er perforiert, wonach
BB
NR
BR
RPNR
SP
RPNR
RSNR
RSNR
ECRL
SP
FPL
ECRL
BR
BR
FPL
RSNR
a
b
c
Abb. 10.8 Anatomie des N. radialis am Unterarm. BB = M. biceps brachii, BR = M. brachioradialis, ECRL = M. extensor carpi radialis longus,
FPL = M. flexor pollicis longus, NR = N. radialis, RPNR = R. profundus n. radialis, RSNR = R. superficialis n. radialis, SP = M. supinator.
a Schemazeichnung mit Blick von radiokubital auf den Ellenbogen.
b Axiale MRT-Schichten (T1w FSE) durch das proximale und mittlere Unterarmdrittel. Die Nervenquerschnitte sind mit Kreisen umgeben.
c Langstreckiger Verlauf des R. superficialis n. radialis (Pfeilköpfe) in einer schräg-koronalen Schicht (MPR aus einer 3D-VIBE-Sequenz rekonstruiert).
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er sich im Subkutangewebe aufzweigt. Oberflächlich zum Retinaculum extensorum teilt sich der R. superficialis n. radialis in 4
oder 5 dorsale Digitalnerven zur sensiblen Versorgung der
Streckseite des Daumens und Zeigefingers sowie der Radialseite
des Mittelfingers bis in Höhe des Mittelgelenks.
Nervus radialis
10.2 Anatomie des Unterarms
▶ Bildgebung. Die Darstellung des N. radialis, seiner Nervenäste
und der umgebenden Tunnelstrukturen stellt hohe Ansprüche an
die Bildgebung. Hierfür werden im Ultraschall hochfrequente
Schallköpfe und in der MRT 3D-Dünnschichtdatensätze benötigt.
Während im Ultraschall die Schnittführung entsprechend des
Nervenverlaufs ausgerichtet werden kann, sind in der MRT axiale
Schnittbilder am aussagekräftigsten für den Nachweis von Radialispathologien. Wie bei anderen Nervenkompressionssyndromen
kann sich der N. radialis im Falle einer Kompression hyperintens
in T2w Sequenzen darstellen. Dieses Kriterium ist jedoch wegen
des geringen Nervendiameters wenig sensitiv und auch bei großer Überlappung zu Normalbefunden wenig spezifisch. Beim Supinatorlogensyndrom werden perineurale Tumoren (Bursitis bicipitoradialis, Ganglion oder Lipom im M. supinator) zuverlässig in
der MRT nachgewiesen. Beim Wartenberg-Syndrom kommt eine
perineurale Fibrose nur dann zur Darstellung, wenn in der radialen Gefäß-Nerven-Straße ausreichend viel Fettgewebe die Abgrenzung des Nervs gegenüber der A. radialis und der Brachioradialis- bzw. ECRL- und ECRB-Muskulatur zulässt.
●
Nervus medianus
▶ Klinische Bedeutung. Wegen seiner Bedeutung für die präzisen Hand- und Fingerbewegungen wird der N. medianus auch als
der „feinmotorische Nerv“ bezeichnet.
● Die mit Abstand häufigste Kompressionsneuropathie ist das
Karpaltunnelsyndrom, meist verursacht durch eine raumfordernde Tendovaginose der Flexorensehnen, seltener durch Ganglien, rheumatoide Arthritis, Diabetes mellitus, Schwangerschaft
oder knöcherne Stenosen bei Instabilitäten, Traumen oder
Arthrosen (s. Kap. 46). Seltene Ursachen sind Anomalien des
M. palmaris brevis oder bis in den Karpalkanal reichende FDSMuskelbäuche (s. Kap. 15) sowie beim akuten Karpaltunnelsyndrom das akute Hydroxylapatit-Kalksalzdepot (s. Kap. 34).
Schließlich erreicht der Hauptstamm des N. medianus die mittlere
Gefäß-Nerven-Straße, wo er in einer Rinne zwischen den FDSund FDP-Muskeln nach peripher zieht. Er innerviert alle Flexoren
und Pronatoren mit Ausnahme des M. flexor carpi ulnaris und der
2 ulnaren Muskelbäuche des M. flexor digitorum profundus. Am
distalen Unterarm verläuft der N. medianus mehr radial und oberflächlich zwischen den FDS-, FCR- und den Palmaris-longusSehnen. Zirka 8 cm proximal der Rascetta geht der sensible R. palmaris für die Handfläche ab. Danach tritt der N. medianus in den
knapp 3 cm langen Karpaltunnel ein, wo er abgeflacht zwischen
dem Retinaculum flexorum und den FDS-Sehnen liegt. Vorher
zieht der N. interosseus anterior auf der Membrana interossea
nach peripher und versorgt motorisch den M. flexor pollicis longus, M. flexor digitorum profundus II (und III) sowie M. pronator
quadratus.
BB
10
BB
BR
FDS
PT
NM
PT
NM
SP
PT
FDS
PT
FDS
NM
FDP
PT
FPL
FA
FDS
FPL
FDS
a
b
NM
c
Abb. 10.9 Anatomie des N. medianus am Unterarm. BB = M. biceps brachii, BR = M. brachioradialis, FA = Frohse-Arkade, FDP = M. flexor digitorum
profundus, FDS = M. flexor digitorum superficialis, FPL = M. flexor pollicis longus, NM = N. medianus, PT = M. pronator teres.
a Schemazeichnung mit Blick von kubital auf den Ellenbogen.
b Axiale MRT-Schichten (T1w FSE) durch das proximale und distale Unterarmdrittel. Die Nervenquerschnitte sind mit Kreisen umgeben.
c Langstreckiger Verlauf des N. medianus (Pfeilköpfe) in einer schräg-koronalen Schicht (MPR aus einer 3D-VIBE-Sequenz rekonstruiert).
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▶ Anatomie. Der N. medianus (▶ Abb. 10.9) verläuft gemeinsam
mit der A. brachialis im Sulcus bicipitalis medialis. Neben der Arterie gelegen, tritt er in Höhe des Ellenbogengelenkes zwischen
die beiden Köpfe des M. pronator teres ein. Auf seinem Weg dorthin passiert der N. medianus 3 potenzielle Engpässe:
● Zuerst wird der N. medianus von der Bizepsaponeurose überspannt,
● dann tritt er in den Pronatorkanal zwischen den beiden Köpfen
des M. pronator teres ein, wobei zahlreiche Variationen möglich
sind,
nach Abgabe des kräftigen N. interosseus anterior und Überkreuzung der A. ulnaris passiert der N. medianus einen fibrösen Bogen zwischen den Köpfen des M. flexor digitorum superficialis.
Anatomie Unteram, Hand
●
●
Beim Pronator-teres-Syndrom wird der N. medianus an einer
der anatomischen Engstellen am proximalen Unterarm komprimiert, am häufigsten im Pronatorkanal zwischen den Köpfen
des M. pronator teres, selten unter dem Struther-Ligament, der
Bizepsaponeurose oder unter der Arkade des M. flexor digitorum superficialis (s. Kap. 47).
Ähnlich wird das klinisch charakteristische Interosseus-anterior-Syndrom (Kiloh-Nevin-Syndrom) durch eine Kompression
des Nervs am M. pronator teres, an der FDS-Arkade oder durch
einen atypischen Ursprung des M. flexor pollicis longus verursacht, wodurch keine Flexion in den Endgelenken des Daumens und Zeigefingers durchgeführt werden kann (s. Kap. 47).
Der sensible R. palmaris n. mediani kann iatrogen mit Ausbildung eines Neuroms bei der Karpaldachspaltung verletzt werden.
▶ Bildgebung. Die Diagnose eines Karpaltunnelsyndromswird in
der Regel klinisch und elektrophysiologisch gestellt. Radiogramme dienen dem Ausschluss einer knöchernen Stenose. Die Sonografie oder MRT sollten beim klinischen Verdacht auf eine Raumforderung oder eine erregerassoziierte Tendovaginose als KTSUrsache durchgeführt werden. Neben deren Nachweis sind die
bildgebenden Leitsymptome des KTS das Nebeneinander von abgeflachtem und pseudoneuromartig verdicktem Nerv. Der N. medianus kann sich im Falle einer Kompression hyperintens in T2w
Sequenzen darstellen. Dieses Kriterium ist bei großer Überlappung zu Normalbefunden wenig spezifisch, insbesondere, wenn
fettsaturierte T2w Sequenzen akquiriert werden, die den Nerv
per se signalreich erscheinen lassen. Die MRT kann postoperativ
häufig die Ursachen für ein Therapieversagen (unvollständige
Spaltung, perineurale Narbe, posttraumatisches Neurom) nachweisen. Soll die Ursache für ein Pronator-teres-Syndrom oder ein
Interosseus-anterior-Syndrom bildgebend abgeklärt werden, ist
die kontrastverstärkte MRT die Methode der Wahl.
Nervus ulnaris
▶ Anatomie. Der N. ulnaris (▶ Abb. 10.10) verlässt den Sulcus bicipitalis medialis, um am Epicondylus humeri medialis nach dorsal in den Ulnartunnel umgeleitet zu werden. Der Ulnartunnel
wird vom knöchernen Sulcus n. ulnaris, dem Lig. collaterale ulnare und dem Kubitaltunnel-Retinakulum zwischen dem ulnaren
Epikondylus und Olekranon gebildet. Zwischen humeralem und
medialem Kopf des M. flexor carpi ulnaris, überspannt vom
Osborne-Ligament, zieht der N. ulnaris unter die sog. tiefe FlexorPronator-Aponeurose und tritt danach zwischen dem M. flexor
carpi ulnaris und M. flexor digitorum profundus in die ulnare Gefäß-Nerven-Straße ein. Am Unterarm versorgt der N. ulnaris nur
diese beiden Muskeln motorisch, dabei vom FDP-Muskel nur den
ulnaren Teil. Sensible Äste gehen variabel nach palmar und dorsal
ab. In Nachbarschaft zum FCU-Muskel und der A. ulnaris erreicht
der N. ulnaris das ulnare Handgelenk. Er tritt hier zwischen dem
Lig. palmare carpi und dem Retinaculum flexorum in die GuyonLoge ein, wo er zwischen dem Pisiforme und der A. ulnaris verläuft. Entweder noch innerhalb oder am Ausgang des Tunnels
teilt sich der Nerv in einen überwiegend sensiblen R. superficialis
n. ulnaris und einen motorischen R. profundus n. ulnaris.
Nach dem Guyon-Tunnel taucht der R. profundus n. ulnaris in
die Tiefe ab, um zwei weitere Tunnelabschnitte zu passieren: zuerst den Pisohamatum-Tunnel zwischen Pisiforme, Hamulus ossis
hamati, Lig. pisohamatum und einer fibrösen Arkade am Ursprung der Hypothenarmuskulatur, anschließend den OpponensTunnel, der ein fibromuskulärer Schlitz am Ursprung des M. opponens digiti minimi ist. Der R. superficialis n. ulnaris teilt sich
nach Verlauf unter dem M. palmaris brevis in den N. digiti proprius V für die Ulnarseite des Kleinfingers und den N. digiti communis IV für die gegenüberliegenden Seiten des Klein- und Ringfingers auf.
NU
NU
KT
OF
NU
FCU
FDP
FCU
FCU
FDP
FDS
a
b
c
Abb. 10.10 Anatomie des N. ulnaris am Unterarm. FCU = M. flexor carpi ulnaris, FDP = M. flexor digitorum profundus, FDS = M. flexor digitorum
superficialis, FPL = M. flexor pollicis longus, NU = N. ulnaris, KT = Kubitaltunnel, OF = Osborne-Faszie.
a Schemazeichnung mit Blick von der ulnaren Seite auf den Ellenbogen.
b Axiale MRT-Schichten (T1w FSE) durch das proximale und mittlere Unterarmdrittel. Die Nervenquerschnitte sind mit Kreisen umgeben.
c Langstreckiger Verlauf des N. ulnaris (Pfeilköpfe) in einer koronalen Schicht (MPR aus einer 3D-VIBE-Sequenz rekonstruiert).
122
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●
10.3 Unterarm-Hand-Übergang
▶ Bildgebung. Der N. ulnaris ist in seinem Verlauf im Sulcus n.
ulnaris, am Unterarm und in der Guyon-Loge der Sonografie zugänglich, nicht jedoch in der Peripherie einschließlich der Pisohamatum- und Opponens-Tunnel. Kompressionssyndrome sind
durch das Nebeneinander von abgeflachten und pseudoneuromartig verdickten Nervensegmenten gekennzeichnet. Die gleichen
Kriterien gelten auch in der MRT, die gegenüber der Sonografie
den Vorteil der übersichtlicheren Darstellung von perineuralen
Pathologien, z. B. von fibrösen Arkaden und Narben, bietet. Die
MRT sollte deshalb bevorzugt beim Ulnartunnelsyndrom und in
der Abklärung postoperativer Beschwerden eingesetzt werden.
Der N. ulnaris kann sich im Falle einer Kompression hyperintens
in T2w Sequenzen darstellen. Dieses Kriterium ist bei großer
Überlappung zu Normalbefunden aber unspezifisch, insbesondere in fettsaturierten T2w Sequenzen, in denen der Nerv häufig
auch im Normalbefund signalreich zur Darstellung kommt.
10.2.8 Gefäß-Nerven-Straßen des
Unterarms
In ▶ Tab. 10.7 werden die Gefäße und Nerven des Unterarms zu 5
topografisch charakteristischen Gefäß-Nerven-Straßen zusammengefasst. Hierdurch wird die Bildanalyse in axialen Schichten
erleichtert.
Tab. 10.7 Gefäß-Nerven-Straßen am Unterarm.
Gefäß-Nerven-Straße
Leitstrukturen
Radiale Gefäß-Nerven-Straße
●
●
●
Dorsale Zwischenknochen-Straße
●
●
●
Ulnare Gefäß-Nerven-Straße
●
●
●
Mittlere Gefäß-Nerven-Straße
●
●
Palmare Zwischenknochen-Straße
●
●
M. brachioradialis
R. superficialis n. radialis
A. radialis
M. extensor digitorum
R. profundus n. radialis und
N. interosseus posterior
A. interossea posterior
M. flexor carpi ulnaris
N. ulnaris
A. ulnaris
M. flexor carpi radialis
N. medianus
A. interossea anterior
N. interosseus anterior
10.3 Anatomie des UnterarmHand-Übergangs
10.3.1 Handgelenk (Articulatio
antebrachiocarpea)
▶ Anatomie. Am Unterarm-Hand-Übergang wird das Radiokarpalgelenk (Articulatio radiocarpea) vom Ulnokarpalgelenk (Articulatio ulnocarpea) unterschieden (▶ Abb. 10.11a). Das Verhältnis
der axialen Lastübertragung an den radio- und ulnokarpalen Gelenkkompartimenten beträgt 80 zu 20 bei Neutralvarianz der Ulnalänge. Das Radiokarpalgelenk besteht aus der Artikulation zwischen Fossa scaphoidea radii und dem proximalen Skaphoidpol
sowie der Artikulation zwischen Fossa lunata radii und Lunatum
(▶ Abb. 10.11b). Zusammen mit dem Ulnokarpalgelenk handelt
es sich um ein Ellipsoidgelenk mit 2 Freiheitsgraden. Die Gelenkflächen des Unterarms bilden die Pfanne, die proximale Handwurzelreihe den Kopf des Gelenks. Wichtige Merkmale sind die
Inklinationen der Radiusgelenkfläche nach ulnar und palmar. An
der ulnaren Seite des distalen Radiusabschnitts befindet sich die
konkave Gelenkfläche der Incisura ulnaris radii zur Artikulation
mit dem Ulnakopf im distalen Radioulnargelenk (▶ Abb. 10.2).
Peripher und extraartikulär finden sich an den Gelenkkompartimenten leistenartige Erhöhungen für die Gelenkkapseln und
extrinsischen Karpalligamente. Diese umfassen am Radius palmar das Lig. radioscaphocapitatum (RSCL), Lig. radiolunotriquetrum palmare (pRLTL) und Lig. radioulnare palmare (RUPL), dorsal das Lig. radiolunotriquetrum dorsale (dRLTL) und Lig. radioulnare dorsale (RUDL) und ulnar den Discus ulnocarpalis (TFC).
10
Abb. 10.11 Anatomie des Radiokarpalgelenks.
a Die koronale MPR einer CT-Arthrografie zeigt
die radiokarpalen und ulnokarpalen Kompartimente sowie den ulnokarpalen Komplex
(TFCC) und die intrinsischen Ligamente.
b Darstellung der radioskaphoidalen und
radiolunären Artikulationen in VRT-Bildern
eines CT-Datensatzes. Jeweils Blick von ulnar
auf die Handwurzel nach partieller Entfernung
der Handwurzelknochen.
a
b
123
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▶ Klinische Bedeutung. Der N. ulnaris ist der „Nerv für den
Power-Griff“, da das kraftvolle Zugreifen durch die intrinsischen
Thenar- und Hypothenarmuskeln bewerkstelligt wird.
● Das Kubitaltunnelsyndrom (Sulcus-ulnaris-Syndrom, Ulnarisrinnensyndrom) ist ein Kompressionssyndrom, das im gleichnamigen, osteofibrösen Ellenbogenkanal durch eine knöcherne
oder bindegewebige Enge verursacht wird, selten durch einen
Engpass an der Struther-Arkade oder an einer variablen Aponeurose um die proximalen Flexorenabschnitte (s. Kap. 47).
● Das Ulnartunnelsyndrom wird in 2 Unterformen an der Handwurzel hervorgerufen: Beim eigentlichen Syndrom der GuyonLoge wird der Hauptstamm des N. ulnaris in der Guyon-Loge
mit kombinierten, sensiblen und motorischen Ausfällen komprimiert, während bei einer Nervenschädigung im Pisohamatumoder Opponens-Tunnel rein motorische Ausfälle resultieren
(s. Kap. 47).
● Selten kann auch ein M. anconeus epitrochlearis als akzessorischer Muskel zur Nervenkompression im Kubitaltunnel führen
(s. Kap. 47).
Anatomie Unteram, Hand
▶ Klinische Bedeutung. Im Radiokarpalgelenk wird mehr als die
Hälfte der gesamten Flexions-Extensions-Umfänge von jeweils
80–90° ausgeführt sowie annähernd vollständig die Radialduktion von 20–30° und die Ulnarduktion von 40–45°. Die quere Rotationsachse der Radio- und Mediokarpalgelenke als Einheit verläuft durch das Lunatum, die sagittale Rotationsachse durch das
Kapitatum.
● Die Radiusgelenkfläche kann durch intraartikuläre Radiusfrakturen in unterschiedlichem Ausmaß zerstört werden (s. Kap. 17).
● Bei unzureichender Reposition und Stabilisierung entstehen in
der Folge radiokarpale Sekundärarthrosen (s. Kap. 27).
● Spezielle Arthroseformen sind die sog. „SNAC Wrist“ (s. Kap. 20
u. Kap. 27) bei der Skaphoidpseudarthrose und die sog. „SLAC
Wrist“ (s. Kap. 23 u. Kap. 27) bei der skapholunären Dissoziation.
● Weitere Arthroseursachen sind die ulnare Translokation des
Karpus (s. Kap. 23), die Lunatumnekrose im Endstadium
(s. Kap. 30) und deutlich häufiger die Mitbeteiligung des
Gelenks bei der Polyarthrose (s. Kap. 27).
▶ Bildgebung. Konventionelle Radiogramme geben einen guten
Überblick über den Zustand des Radiokarpalgelenks. Die Weite
des radiokarpalen Gelenkspalts, die mit der Höhe des hyalinen
Gelenkknorpels korreliert, beträgt am intakten Gelenk 1,5–
2,0 mm. Mit der hochaufgelösten CT kann die Radiusgelenkfläche
einschließlich der subchondralen Grenzlamelle bei intraartikulären Radiusfrakturen und initialen Arthrosen genauer als im Röntgenbild beurteilt werden. Pathologische Druckbelastungen gehen
in T2w MRT-Sequenzen mit einem subchondralen Knochenmarködem, initiale Arthrosen mit einem Knorpelödem und fortgeschrittene Arthrosestadien mit einer Knorpelhöhenminderung
und Signalabsenkung einher.
10.3.2 Ulnokarpaler Komplex (TFCC)
Der ulnokarpale Komplex (TFCC für Triangular Fibrocartilage
Complex) nimmt als kissenartiger Puffer und Stabilisator den
Raum zwischen dem Ulnakopf und dem ulnaren Handwurzelabschnitt ein (sog. Ulnokarpalgelenk). Ungefähr 20 % der axialen
Kraft- bzw. Druckbelastung des Handgelenks werden über den
Discus ulnocarpalis als „Stoßdämpfer“ übertragen (80 % erfolgen
über das radiokarpale Kompartiment). Mit dem direkt benachbarten distalen Radioulnargelenk (DRUG) bildet der TFCC eine
funktionelle Einheit und ist dessen wichtigster Stabilisator. Über
seine peripheren Ligamente stabilisiert der TFCC nicht nur das
DRUG, sondern auch die ulnare Handwurzelseite. Der ulnokarpale Komplex ist domartig aus fibrokartilaginären und ligamentären Elementen aufgebaut (▶ Tab. 10.8 und ▶ Abb. 10.12).
Tab. 10.8 Ulnokarpaler Komplex.
Aufbau
●
●
●
●
●
●
●
124
Discus ulnocarpalis (TFC, Triangular Fibrocartilage)
Lig. ulnolunatum
Lig. ulnotriquetrum
Meniscus ulnocarpalis (Meniscus homologue)
Lig. collaterale carpi ulnare
Ligg. radioulnaria palmare et dorsale
Sehnenscheide des M. extensor carpi ulnaris
Discus ulnocarpalis (TFC)
▶ Anatomie. Der aus Faserknorpel bestehende Diskus (TFC = Triangular Fibrocartilage) entspringt breitflächig am hyalinen Gelenkknorpel des Radius in Höhe der Incisura ulnaris
(▶ Abb. 10.12b u. ▶ Abb. 10.12d). Nach horizontalem Verlauf inseriert er an der Ulna mit 2 peripheren Bandzügeln, die ein streifiges Aussehen haben. Der ulnoproximale Zügel, der für die Stabilität im distalen Radioulnargelenk wichtig ist, zieht zur Fovea capitis ulnae, der ulnodistale Zügel zur Spitze des Processus styloideus
ulnae (Insertionstyp I) (▶ Abb. 10.12b, ▶ Abb. 10.12d u.
▶ Abb. 10.12e). Zwischen beiden Zügeln findet sich gut vaskularisiertes Bindegewebe (Lig. subcruentum). Selten endet der Diskus
mit einem breitflächig inserierenden Monofaszikel am Processus
(Insertionstyp II). Im axialen Querschnitt imponiert der Diskus als
gleichseitiges Dreieck. In seiner aus lamellaren Kollagenfasern
aufgebauten Peripherie (Limbus) hat der Discus ulnocarpalis eine
größere Höhe als im Zentrum. Der Discus ulnocarpalis weist eine
spezielle Vaskularisation dergestalt auf, dass nur die Peripherie
aufgrund der hier einstrahlenden Nutritialgefäße gut durchblutet
ist („vaskularisiertes Segment“), während der radiale und zentrale
Diskusabschnitt aus bradytrophem Gewebe bestehen („avaskuläres Segment“). Die Durchblutung ist U-förmig mit Gefäßen im
palmaren und dorsalen sowie ulnaren Bereich des Discus ulnocarpalis. An den Außenseiten des Diskus sind die Ligg. radioulnaria
(▶ Abb. 10.12a u. ▶ Abb. 10.12c) sowie palmar das Lig. ulnolunatum und Lig. ulnotriquetrum (▶ Abb. 10.12h) fixiert.
▶ Klinische Bedeutung
● Der ulnoproximale Zügel spielt für die Stabilität des distalen
Radioulnargelenks die entscheidende Rolle (s. Kap. 12).
● Unterschieden werden degenerative, traumatische und kombinierte Diskusläsionen.
● Degenerative Diskusläsionen manifestieren sich am TFCC bereits im 3. Lebensjahrzehnt (s. Kap. 18). Sie beginnen mit mukoiden Einschlussformationen in den radialen und zentralen
Segmenten des Discus ulnocarpalis und führen nach Erreichen
der Oberfläche zu häufig asymptomatischen Diskusperforationen. Bei Plusvarianz der Ulna werden degenerative Diskusläsionen häufig symptomatisch und gehen dann mit Läsionen des
ulnokarpalen Gelenkknorpels, Rupturen der peripheren TFCCBänder und des Lig. lunotriquetrum und subchondralen Umbauten im Ulnakopf sowie am Lunatum und/oder Triquetrum
einher (ulnokarpales Impaction-Syndrom, s. Kap. 31).
● Traumatische Diskusläsionen werden bei impaktierten Radiusfrakturen angetroffen (s. Kap. 17), aber auch isoliert beim Sturz
auf das dorsal extendierte Handgelenk oder durch eine abrupte
Drehbewegung des Handgelenks bei fixiertem Unterarm verursacht (s. Kap. 18). Traumatische Läsionen liegen meist zentral
oder ulnar und imponieren gegenüber den degenerativen
Läsionen als länglicher Schlitz. Insbesondere die ulnarseitigen,
traumatischen Diskusläsionen können mit einer Instabilität im
distalen Radioulnargelenk einhergehen. Die radialseitigen Rupturen gelten als selten (s. Kap. 18).
▶ Bildgebung. Der Discus ulnocarpalis stellt sich in allen MRTSequenzen hypointens dar. Er verläuft in koronalen Schichten horizontal. Durch die zirkuläre Erhöhung des Limbus präsentiert
sich der Diskus in sagittalen und koronalen Querschnitten als bikonkave Scheibe. Dabei ist er in Abhängigkeit von der Ulnalänge
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Am Ulnakopf entspringen palmar das Lig. ulnolunatum (ULL) und
das Lig. ulnotriquetrum (UTL).
10.3 Unterarm-Hand-Übergang
ulnoapikale Fixation
Lig.collaterale
ulnare
Lig. lunotriquetrum
ulnobasale Fixation
des Discus ulnocarpalis
radiale Fixation
Meniscus
homologue
Lig. ulnotriquetrum
Lig. ulnolunatum
Recessus ulnaris
hyaliner Gelenkknorpel
Lig. radioulnare
palmare
Recessus sacciformis
Gelenkkapsel
a
10
c
d
e
f
g
h
Abb. 10.12 Anatomie des ulnokarpalen Komplexes (TFCC).
a Schemazeichnung mit Blick von palmar auf den TFCC. Der Recessus ulnaris ist am ulnaren Rand sichtbar.
b Schemazeichnung eines koronalen Schnitts durch den TFCC. Der Discus ulnocarpalis entspringt am Gelenkknorpel des Radius und inseriert mit
einem basalen Zügel an der Fovea capitis ulnae sowie einem distalen Zügel an der Spitze des Processus styloideus ulnae.
c Das Lig. radioulnare dorsale entspringt direkt an der Kortikalis der Radiushinterkante (Pfeil). Koronale MRT dorsalseitig durch die Handwurzel
(PDw FSE fs).
d Discus ulnocarpalis (TFC) in einer koronalen MRT (T1w FSE fs nach Gadolinium) durch die Handwurzelmitte. Der ulnoproximale Zügel verlässt kurz
vor Erreichen der Fovea capitis ulnae die Schichtebene. Beachte den chondralen Ursprung des Diskus am Radius (Pfeil).
e Discus ulnocarpalis (TFC) in einer koronalen MRT (PDw FSE fs). Der ulnoproximale Zügel (Pfeil) und der ulnodistale Zügel (offener Pfeil) sind in der
Schichtebene vollständig dargestellt.
f Meniscus homologue (Pfeile) mit geschwungenem Verlauf an der ulnopalmaren Seite des TFCC. Koronale MRT-Schicht (T1w FSE fs nach
Gadolinium).
g Der Recessus ulnaris (praestyloideus) durchbricht mit seinem Foramen den Meniscus homologue und liegt proximal und ulnar von diesem.
Koronale Schicht (T1w FSE fs) einer MR-Arthrografie.
h Das Lig. ulnotriquetrum (Pfeil) verläuft an der ulnopalmaren Seite der Handwurzel zwischen Diskus und Triquetrum. Sagittale Schicht (T1w FSE fs)
einer MR-Arthrografie.
125
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b
Anatomie Unteram, Hand
MRT-Symptom
Anatomisches Korrelat
„Pitfall“ bzw. Differenzialdiagnose
Hyperintenses, vertikal verlaufendes Band am
radialen Ursprung
hyaliner Gelenkknorpel der Incisura ulnaris
radii
Diskusabriss vom Typ ID nach Palmer mit
Flüssigkeitsverhalt
Hyperintenses Areal zwischen den ulnaren Bandzügeln und dem Processus styloideus ulnae
Fettgewebe zwischen den beiden Diskuszügeln
Komplettruptur vom Typ IB nach Palmer mit
Flüssigkeitsverhalt
Flächenhafte Signalanhebung ulnarseitig
Magic-Angle-Effekt bei schrägem Faserverlauf
Komplettruptur vom Typ IB nach Palmer mit
Flüssigkeitsverhalt
Hyperintenses Areal palmar des Processus styloideus ulnae
Flüssigkeitsverhalt im Recessus ulnaris
Diskusdegeneration vom Typ IIC bis IIE nach
Palmer mit Flüssigkeitsverhalt
Hypointense, schmale Linie in Höhe des Diskuszentrums
Oberfläche des hyalinen Gelenkknorpels
am Ulnakopf und Lunatum
Diskusdegeneration vom Typ IIA (Ausdünnung)
versus IIC (Perforation)
unterschiedlich dick. Bei der Ulna-Neutralvarianz wird die Diskushöhe im Zentrum mit 1,1 ± 0,6 mm, am dorsalen Rand mit 1,8
± 0,6 mm und am palmaren Rand mit 1,4 ± 0,6 mm angegeben.
Der signalarme Diskus entspringt radial am signalreichen Knorpel der Incisura ulnaris radii, wo der hyaline Gelenkknorpel nicht
mit einem radialen Diskusabriss vom Typ ID nach Palmer verwechselt werden darf. Im Gegensatz hierzu haben die radioulnaren Ligamente ihren Ursprung direkt an der ebenfalls signalarmen Kortikalis des Radius. Ulnarseitig imponieren die ulnoproximalen und ulnodistalen Diskuszügel ebenso wie der Diskus selber hypointens. In dickschichtigen 2D-Sequenzen kann aufgrund
des Teilvolumeneffekts der Eindruck entstehen, als ob die grazilen Fasern die Ansatzorte der Fovea capitis ulnae bzw. des Processus styloideus ulnae nicht erreichen würden. Zwischen den ulnaren Diskuszügeln interponiertes Fettgewebe ist Ursache für ein
hyperintenses Areal an der ulnaren Diskusseite. Die proximale
Diskusoberfläche grenzt direkt an den hyalinen Gelenkknorpel
des Ulnakopfs an, die distale Oberfläche an den Gelenkknorpel
von Lunatum und Triquetrum. Untersuchungstechnisch kann bei
zentralen Läsionen die Diskusoberfläche am sichersten mit der
CT- und MR-Arthrografie beurteilen werden, während die für periphere Läsionen relevante Diskusvaskularisation letztlich nur in
der kontrastverstärkten MRT überprüft werden kann. Die Fallstricke der TFCC-Diagnostik in nativen T2w Sequenzen sind in
▶ Tab. 10.9 zusammengestellt.
Ligamentum radioulnare palmare (RUPL)
und Ligamentum radioulnare dorsale
(RUDL)
▶ Anatomie. Im Gegensatz zum Diskus nehmen die beiden als
„Steuerbänder“ wirkenden Ligamente ihren Ursprung direkt von
der Kompakta des Radius (▶ Abb. 10.12a u. ▶ Abb. 10.12c). Die
Bänder verlaufen in der Gelenkkapsel in engem Kontakt zum Discus ulnocarpalis, von dem sie durch eine dünne, bildgebend nicht
auflösbare Zellschicht abgetrennt sind. Nach ulnar konvergierend, ziehen sie bis kurz vor den Processus styloideus ulnae, wo
sie sich mit dem ulnoproximalen Diskuszügel vereinigen. Durch
ihren spiralförmig verflochtenen Aufbau können die beiden Steuerbänder während der gesamten prosupinatorischen Umwendbewegung das distale Radioulnargelenk unter Spannung halten.
▶ Klinische Bedeutung. Die radioulnaren Ligamente stabilisieren durch ihre Fixation am Radius, Diskus und Ulnakopf sowohl
das distale Radioulnargelenk als auch den ulnokarpalen Komplex.
126
●
●
●
●
●
Bei einer traumatisch oder degenerativ bedingten Bandinsuffizienz stellt sich zuerst eine Instabilität im distalen Radioulnargelenk ein, gefolgt von einer sekundären Schädigung der übrigen TFCC-Abschnitte (s. Kap. 18).
Pathoätiologisch kann sich die Schädigungsfolge auch umgekehrt manifestieren.
Ist das Lig. radioulnare palmare betroffen, subluxiert der Radius
nach palmar. Umgekehrt führt die dorsale Bandschädigung zu
einem dorsalen Abdriften des Radius im distalen Radioulnargelenk (s. Kap. 12).
Zu jedem Zeitpunkt der Umwendbewegung ist zumindest ein
Teil des oberflächlichen oder tiefen Ligamentes angespannt
und stabilisiert so das distale Radioulnargelenk. Ein Abriss der
ulnodistalen Bandstruktur vom Processus styloideus ulnae
führt in der Regel zu keiner Instabilität im distalen Radioulnargelenk, der Abriss der Processus-Spitze bei der distalen Radiusfraktur bleibt meist klinisch asymptomatisch.
Wird in der MRT eine Subluxationsstellung im distalen Radioulnargelenk erkannt, dann sollten sowohl die Ligg. radioulnaria
als auch der Discus ulnocarpalis hinsichtlich möglicher Schädigungen analysiert werden.
▶ Bildgebung. Die beiden radioulnaren Bänder haben ein streifenförmiges Aussehen in den T2w und T2*w Sequenzen. Dies
wird – wie bei den anderen karpalen Ligamenten – durch das Nebeneinander von ligamentären Kollagenfasern und lockerem Bindegewebe hervorgerufen. Die beiden Bänder entspringen palmarbzw. dorsalseitig an den knorpelfreien Ecken der Incisura ulnaris
des Radius, sind also im Gegensatz zum Diskus nicht durch einen
signalreichen Gelenkknorpel vom signalarmen Knochen getrennt
(▶ Abb. 10.12a u. ▶ Abb. 10.12c). Mit konvergierendem Verlauf
ziehen sie nach ulnar bis kurz vor den Processus styloideus ulnae,
den sie jedoch durch die Vereinigung mit dem ulnoproximalen
Diskuszügel nicht erreichen. Aufgrund des nach ulnar konvergierenden Verlaufs (▶ Abb. 10.2) laufen die Bänder aus streng koronalen MRT-Schichten heraus und werden deshalb ebenso wie der
Discus ulnocarpalis nur segmentweise abgebildet.
Meniscus homologue (MH)
▶ Anatomie. Der ulnokarpale Meniskus ist ein bindegewebiges
Relikt der Evolution, nämlich der Artikulation zwischen Ulnakopf
und Triquetrum, die bei Primaten noch nachweisbar ist. Das als
Falte imponierende Gebilde besteht im Zentrum aus lockerem
Bindegewebe, peripher aus einer synovialen Schleimhautfalte.
Der Meniskus entspringt am Dorsalrand des Discus ulnocarpalis
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Tab. 10.9 Diagnostische Fallstricke aufgrund von Signalalterationen am ulnokarpalen Komplex.
10.3 Unterarm-Hand-Übergang
▶ Klinische Bedeutung. Die Relevanz des Meniscus homologue
wird kontrovers diskutiert.
● Der Meniscus homologue kann beim Handgelenkstrauma verletzt werden und dann ulnarseitige Beschwerden verursachen
(s. Kap. 18).
● In moderatem Umfang stabilisiert er den TFCC und das Pisotriquetralgelenk. Wahrscheinlich kann seine Laxizität ursächlich
zur pisotriquetralen Arthrose beitragen.
▶ Bildgebung. Wegen seines Aufbaus aus Bindegewebe und
Schleimhaut hat der Meniskus in allen MRT-Sequenzen eine intermediäre Signalhöhe. Seine Darstellung gestaltet sich schwierig,
weil die meniskale Umschlagsfalte einen diagonalen Verlauf von
proximal-dorsal nach distal-palmar nimmt. In den orthogonalen
Standardebenen wird deshalb der Meniskus nur segmentweise
abgebildet. Noch am besten kommt er in Koronalschichten zur
Darstellung. Ein „Pitfall“ ist das Ostium zum Recessus ulnaris
(praestyloideus), der palmar an den Meniskus angrenzt und dessen Dach von Meniskusfasern gebildet wird.
Ulnokarpale Bänder:
Ligamentum ulnolunatum (ULL) und
Ligamentum ulnotriquetrum (UTL)
▶ Anatomie. Die ulnolunären und ulnotriquetralen Ligamente
sind in die palmare Kapsel des TFCC eingelassen. Die jeweils 1 cm
langen und 2 mm dicken Bänder bilden gleichseitig den ulnarseitigen Schenkel der proximalen V-Ligamentgruppe (▶ Abb. 10.12h).
Beide Bänder entspringen am Lig. radioulnare palmare und ziehen
in diagonalem bzw. longitudinalem Verlauf zum Lunatumvorderhorn bzw. zur Palmarseite des Triquetrums. Auf dem Weg dorthin
können sie auch Bandfasern zum Lig. lunotriquetrum abgeben. Als
periphere Verstärkungszüge des TFCC sind sowohl das Lig. ulnolunatum als auch das Lig. ulnotriquetrum gut vaskularisiert.
▶ Klinische Bedeutung. Die ulnokarpalen Ligamente sind wichtige Stabilisatoren sowohl der ulnaren Handwurzel als auch des
distalen Radioulnargelenks.
● Insuffizienzen des ulnolunären und/oder ulnotriquetralen
Bands sind ursächlich mitverantwortlich für mediokarpale und
radiokarpale Instabilitäten als nicht dissoziative Gefügestörungen (CIND).
● Ulnokarpale Bandläsionen verursachen am distalen Radioulnargelenk eine Instabilität des Radius, wodurch dieser in eine dorsale oder palmare Position gegenüber dem Ulnakopf gerät
(s. Kap. 12).
▶ Bildgebung. Die beiden Ligamente sind klein und stellen sich
deshalb nur inkonstant in den Standardebenen mithilfe von 2DSequenzen dar. Am sichersten gelingt ihre Abbildung in parasagittalen oder parakoronalen 3D-GRE-Dünnschichten, insbesondere im Rahmen einer Synovialitis, wo es zur Kontrastmittelanreicherung an den vaskularisierten Bändern kommt. Das
schräg zum Lunatum ziehende Lig. ulnolunatum wird in parasagittalen Schnitten dargestellt. Das am Triquetrum in einer rinnenförmigen Vertiefung inserierende Lig. ulnotriquetrum kann
sowohl mit parasagittalen als auch parakoronalen Schichten proximal der pisotriquetralen Artikulation abgebildet werden. Beide
Bänder können einen gemeinsamen Ursprung am Lig. radioulnare palmare haben. Gelegentlich werden in 3D-Sequenzen Bandfaszikel zum Lig. lunotriquetrum nachgewiesen.
Sehnenscheide des Musculus extensor carpi
ulnaris (ECU)
▶ Anatomie. Als sehr dünne Struktur ist die ECU-Sehnenscheide
in den dorsalen TFCC-Abschnitt integriert. Zusammen mit der
Sehne verläuft sie an der Dorsalseite des Ulnakopfes innerhalb
einer rinnenförmigen Vertiefung, in der sie durch das überspannende Retinaculum extensorum fixiert wird (▶ Abb. 10.13d).
▶ Klinische Bedeutung. Die Sehne des M. extensor carpi ulnaris
stabilisiert die dorsoulnare Seite des Handgelenks.
● Bei mechanischer Über- oder Fehlbelastung oder insuffizienter
Führung durch das Retinaculum extensorum kommt es zuerst
zur ECU-Tendovaginose, später zur ECU-Tendinitis (s. Kap. 29).
● ECU-Varianten mit gedoppelten oder mehrfach geteilten Sehnen werden als Prädilektionsfaktoren für eine Tendovaginose
bzw. Tendinitis angesehen (s. Kap. 15).
● Systemische Entzündungen, insbesondere die rheumatoide
Arthritis, manifestieren sich am ulnaren Handgelenk meist
schon im Frühstadium unter Einbezug der Sehnenscheide als
ECU-Tenosynovialitis (s. Kap. 36). Es resultieren häufig die Verlagerung der ECU-Sehne und nachfolgend ein Shift des Karpus
nach palmar.
10
▶ Bildgebung. Die ECU-Sehne kann in der Sonografie dynamisch
untersucht werden. Die flüssigkeitshaltige ECU-Sehnenscheide
wird in axialen, T2w MRT-Schichten als signalreicher Ring dargestellt. In der axialen Ebene werden auch rinnenförmige Vertiefungen an der Dorsalseite des Ulnakopfes sowie das Retinaculum
extensorum als fixierendes Band zur Abbildung gebracht. Im Vergleich zu TSE-Sequenzen kann die Sehnenscheide mit T2*w GRESequenzen besser gegenüber dem hypointensen Sehnenzentrum
abgegrenzt werden. Deren Differenzierung gelingt wegen des
Teilvolumeneffektes in den langen Achsen (koronale und sagittale Ebenen) erst, wenn eine Synovialitis mit oder ohne Sehnenscheidenerguss vorliegt.
Ligamentum collaterale ulnare (CUL)
▶ Anatomie. Es handelt sich um eine strangförmige Verdickung
der ulnaren Gelenkkapsel am Übergang zum Retinaculum extensorum. Das ulnare Kollateralband entspringt am Processus styloideus ulnae und verläuft zur Außenseite des Triquetrums und
Hamatums in oberflächlicher Lage zur direkt benachbarten ECUSehne.
▶ Klinische Bedeutung. Die Existenz des Lig. collaterale ulnare
wird in der Literatur kontrovers diskutiert. Während Anatomen
dessen Bedeutung anzweifeln, weil es die Radial- und Ulnarduktionsbewegungen beeinträchtigen würde, wurde auf die ulnare
Bandstruktur in neueren Arbeiten aus der Handchirurgie und der
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und zieht in schrägem Verlauf nach distal an die ulnopalmaren
Seiten des Triquetrums, Hamatums und der Metakarpale-Basen
IV/V (▶ Abb. 10.12f). In seinem Verlauf schwingt er sich um den
Processus styloideus ulnae und bildet dabei das Dach des Recessus ulnaris (praestyloideus).
Anatomie Unteram, Hand
Tab. 10.10 Strecksehnenfächer am distalen Unterarm und an der Handwurzel.
Extensorensehne(n)
I
●
Anatomische Besonderheit
M. abductor pollicis longus (APL)
M. extensor pollicis brevis (EPB)
Doppelung und Mehrfachfaszikel möglich
M. extensor carpi radialis longus (ECRL)
M. extensor carpi radialis brevis (ECRB)
liegen radial vom Lister-Tuberkel
●
III
●
M. extensor pollicis longus (EPL)
liegt ulnar vom Lister-Tuberkel, überkreuzt im Verlauf nach radial die EIP-, ECRL- und ECRBSehnen
IV
●
M. extensor digitorum (ED)
M. extensor indicis proprius (EIP)
mit separaten oder gemeinsamen Muskelbauch
●
V
●
M. extensor digiti minimi (EDM)
zieht bogenförmig nach ulnar
VI
●
M. extensor carpi ulnaris (ECU)
Doppelung und Mehrfachfaszikel möglich, eigene Sehnenscheide, in Pronation in der Rinne
des Ulnakopfes gelegen
●
II
●
bildgebenden Diagnostik wiederholt hingewiesen. Eine eigenständige Pathologie des ulnaren Kollateralbands ist nicht bekannt.
▶ Bildgebung. Als eigene Bandstruktur kann das ulnare Kollateralband in der MRT und in der hochaufgelösten Sonografie nicht
immer von der Gelenkkapsel abgegrenzt werden.
Recessus ulnaris (praestyloideus)
▶ Anatomie. An der Ulnarseite des Handgelenks findet sich der
Recessus ulnaris als Ausstülpung der ulnokarpalen Gelenkkapsel.
Er ist proximal des Pisiforme und palmar zum Processus styloideus ulnae lokalisiert. Die weiteren anatomischen Nachbarstrukturen sind nach distal hin der Meniscus homologue, der auch das
Ostium zum Rezessus bildet, radialseitig der ulnodistale Diskuszügel und ulnarseitig die ECU-Sehnenscheide (▶ Abb. 10.12a u.
▶ Abb. 10.12g).
▶ Klinische Bedeutung. Dem Recessus ulnaris kommt die Funktion eines Ausgleichreservoirs für die synoviale Gelenkflüssigkeit
im Ulnokarpalgelenk zu.
● Bei mechanischer oder entzündlicher Mehrproduktion kann
sich ein beträchtlicher Flüssigkeitsverhalt im Rezessus ansammeln, zumal das vom Meniskus gebildete Ostium eine Ventilfunktion hat.
● Im Gefolge kann sich eine symptomatische Synovialitis im Recessus ulnaris einstellen (s. Kap. 29).
▶ Bildgebung. Der Recessus ulnaris stellt sich in der MRT gut
dar, wenn er mit synovialer Flüssigkeit gefüllt ist. Dann werden
neben dem Pisiforme und dem Processus styloideus ulnae mit
dem Meniscus homologue distal, dem ulnoapikalen Diskuszügel
radial und der ECU-Sehnenscheide ulnar auch die übrigen Nachbarstrukturen sichtbar. In der Arthrografie stellt sich der Rezessus als ovaläres Gebilde mit stielförmiger Verbindung zum Radiokarpalgelenk dar.
10.3.3 Strecksehnenfächer
▶ Anatomie. An der Dorsalseite des distalen Unterarmabschnitts
verlaufen die Strecksehnen in 6 Fächern (▶ Abb. 10.13 u.
▶ Tab. 10.10). Sie werden hier vom Retinaculum extensorum
überspannt und mittels trennender Trabekel in Position gehalten.
Von radial nach ulnar finden sich folgende Fächer:
128
1. Strecksehnenfach mit Sehnen des M. abductor pollicis longus
und M. extensor pollicis brevis
● 2. Strecksehnenfach mit Sehnen des M. extensor carpi radialis
longus und M. extensor carpi radialis brevis
● 3. Strecksehnenfach mit Sehne des M. extensor pollicis longus
● 4. Strecksehnenfach mit Sehnen des M. extensor digitorum und
M. extensor indicis proprius
● 5. Strecksehnenfach mit Sehne des M. extensor digiti minimi
● 6. Strecksehnenfach mit Sehne des M. extensor carpi ulnaris
Die Extensorensehnen weisen mehrere Charakteristika auf:
● Etwa 4 cm proximal des Handgelenks überkreuzen am sog. „Intersektionspunkt“ die Sehnen des 2. Fachs (ECRL, ECRB) diejenigen des 1. Fachs (APL, EPB).
● Die proximal am Daumenstrahl gelegene Tabatière (Fovea radialis) wird von den Sehnen des 1. Fachs (APL, EPB) sowie der
Sehne des 3. Fachs (EPL) begrenzt (▶ Abb. 10.13a). Am Boden
der Tabatière befinden sich die A. radialis, die ECRL-Sehne und
das Skaphoid.
● Zwischen dem 2. und 3. Strecksehnenfach ist am distalen
Unterarmabschnitt das Tuberculum radii Listeri interponiert
(▶ Abb. 10.13d).
● Distal des Lister-Tuberkels überkreuzt die EPL-Sehne aus dem
3. Fach zuerst die EIP-Sehne aus dem 4. Fach, anschließend die
ECRL- und ECRP-Sehnen des 2. Fachs (▶ Abb. 10.13c).
● Während die Sehnen des 4. Fachs (ED, EIP) geradeaus nach peripher ziehen, verlaufen die Sehnen des 3. und 5. Extensorenfachs in Höhe des Handgelenks bogenförmig zum Daumen (EPL)
bzw. zum Kleinfinger (EDM) (▶ Abb. 10.13b u. ▶ Abb. 10.13c).
● Die ECU-Sehne (6. Fach) verläuft mit eigener Sehnenscheide in
einer Rinne des Ulnakopfs (▶ Abb. 10.13d). In Supination kann
die ECU-Sehne aus der Rinne subluxieren, physiologischerweise
nicht jedoch in der Pronationsstellung.
●
▶ Klinische Bedeutung. Die Strecksehnen, insbesondere ihre
Sehnenscheiden, sind in vielfältige Krankheitsprozesse einbezogen:
● Häufigste Krankheitsentität an den Strecksehnen ist die reaktive Tendosynovialose bei mechanischer Reizung durch berufliche oder sportliche Überlastung sowie bei knöcherner Achsenfehlstellung und an dorsalen Osteophyten (s. Kap. 29).
● Spezielle Tendosynovialosen betreffen am distalen Unterarmabschnitt das sog. Intersektionssyndrom an der Überkreuzung
der 1. von der 2. Strecksehne sowie an der Radialseite des
Handgelenks die Tendovaginose de Quervain der beiden Sehnen im 1. Fach (s. jeweils Kap. 29).
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Fach
10.3 Unterarm-Hand-Übergang
IV = EDC, EIP
EDM
EDC
EPL
ECRL
EPL
ECRB
Retinaculum
extensorum
b
c
V = EDM
I = APL
I = EPB
EDC
EDM
III = EPL
II = ECRL
ECRB
ECRL
ECU
II = ECRB
APL
a
VI
V
IV III
II
I
d
EPB
10
Abb. 10.13 Anatomie der Extensorensehnen am Handgelenk. APL = Sehne des M. abductor pollicis longus, ECRB = Sehne des M. extensor carpi
radialis brevis, ECRL = Sehne des M. extensor carpi radialis longus, ECU = Sehne des M. extensor carpi ulnaris, EDC = Sehnen des M. extensor digitorum
communis, EDM = Sehne des M. extensor digiti minimi, EIP = Sehne des M. extensor indicis, EPB = Sehne des M. extensor pollicis brevis, EPL = Sehne
des M. extensor pollicis longus.
a Schemazeichnung zu den Extensorensehnen und zum Retinaculum extensorum mit Blick von dorsal auf das Handgelenk.
b Strecksehnenfächer III–V und Retinaculum extensorum in einem koronalen MRT-Schnitt (T1w FSE fs nach Gadolinium). Der gute Kontrast basiert
auf einer reaktiven Synovialose.
c Strecksehnenfächer II und III in einem koronalen MRT-Schnitt (T1w FSE). Die EPL-Sehne überkreuzt die ECRL- und ERCB-Sehnen.
d Querschnittsanatomie in Höhe des distalen Radioulnargelenks in einer axialen MRT (T2* GRE) mit Abbildung der 6 Extensorenkompartimente.
●
●
Sehnenverletzungen können isoliert oder im Rahmen von distalen Unterarmfrakturen entstehen (s. Kap. 17). Die degenerative Ruptur der EPL-Sehne nach distaler Radiusfraktur wird meist
durch ein Hämatom im Strecksehnenfach III verursacht, selten
durch Reibung an einem Knochenfragment oder durch eine
überlange Schraube.
Die Sehnenscheiden der Extensoren sind bei der rheumatoiden
Arthritis letztlich immer als rheumatoide Tenosynovialitis befallen (s. Kap. 36). Die rheumatische Tendinitis kann zur Ruptur
der Strecksehnen des Daumens und Zeigefingers führen. Stellt
sich dagegen eine rheumatische Palmarluxation des Radius im
distalen Radioulnargelenk ein, kommt es zur mechanischen
Degeneration der Strecksehnen des Klein- und Ringfingers mit
häufiger Sehnenruptur (sog. Caput-ulnae-Syndrom).
▶ Bildgebung. Die Strecksehnen werden in der Sonografie als
echoreiche, faszikuläre Bänder und in allen MRT-Sequenzen hypointens dargestellt. Die Abgrenzung von Sehnen gegenüber Sehnenscheiden gelingt mit T2*w GRE-Sequenzen in axialen Schichten besonders gut. Das Lister-Tuberkel des Radius ist eine Landmarke zwischen dem 2. und 3. Sehnenfach. Geringe Flüssigkeitsmengen in den Sehnenscheiden gelten als physiologisch, wenn
sie weniger als die Hälfte der Sehnenzirkumferenz einnehmen.
Varianten können das 1. und 6. Strecksehnenfach betreffen, wo
die APL-/EPB-Sehnen bzw. ECU-Sehne doppelt oder mit mehreren Faszikeln angelegt sein können (s. Kap. 15). Hieraus resultiert
ein erhöhtes Binnensignal in der Sehne, ohne dass ein MagicAngle-Effekt oder eine Tendinitis vorliegt.
10.3.4 Karpaltunnel (Canalis carpi)
▶ Anatomie. Der Canalis carpi ist ein 2,5 cm langer osteofibröser
Tunnel an der Palmarseite der Handwurzel (▶ Abb. 10.14 u.
▶ Tab. 10.11). Proximal wird sein Boden durch das Kapitatum,
Hamatum und Triquetrum, die radiale Wand durch das Skaphoid
und die ulnare Wand durch das Pisiforme gebildet. Als Fortsetzung der Fascia antebrachii bildet das mehrschichtige, 1,6 mm dicke Retinaculum flexorum (Lig. carpi transversum), das am Tuberculum ossis scaphoidei und Pisiforme ansetzt, die Begrenzung
nach palmar. Im distalen Abschnitt ist der Karpaltunnel enger
und weniger oberflächlich gelegen. Den Boden bilden hier das
Kapitatum und Trapezoideum, die radiale Wand das Trapezium,
die ulnare Wand der Hamulus ossis hamati. Das Retinaculum flexorum setzt distal am Tuberculum ossis trapezii und am Hamulus
ossis hamati an.
129
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VI = ECU
EPL
Abb. 10.14 Anatomie des Karpaltunnels.
FCR = Sehne des M. flexor carpi radialis,
FDP = Sehne des M. flexor digitorum profundus,
FDS = Sehne des M. flexor digitorum superficialis, FPL = Sehne des M. flexor pollicis longus,
NM = N. medianus, RF = Retinaculum flexorum.
a Schemazeichnung zur Querschnittsanatomie
am Ausgang des Karpaltunnels.
b Schemazeichnung zur Querschnittsanatomie
am Eingang des Karpaltunnels.
c Sonografischer Längsschnitt durch den Karpaltunnel in Höhe des N. medianus.
d MRT-Axialschnitt (T2*w GRE) durch den
Karpaltunnel. Markiert sind der N. medianus
(Pfeil) und der N. ulnaris (offener Pfeil).
e MRT-Koronalschnitt durch den Karpaltunnel
(PDw FSE fs). Oberflächliche Schicht mit dem
N. medianus (Pfeile).
f MRT-Koronalschnitt durch den Karpaltunnel
(PDw FSE fs). Mittlere Schicht mit dem N.
ulnaris (offene Pfeile).
g MRT-Koronalschnitt durch den Karpaltunnel
(PDw FSE fs). Tiefe Schicht durch die Sehnen
der Flexoren.
FDP
FDS
c
a
FCR
FPL
NM-
RF
FDP
FDS
b
FCR
FPL
e
NM
RF
d
f
g
Tab. 10.11 Anatomische Begrenzungen des Karpaltunnels.
Begrenzung
Karpaltunneleingang
Karpaltunnelausgang
Boden
Kapitatum, Hamatum,
Triquetrum
Kapitatum, Trapezoideum
Dach
Retinaculum flexorum
Retinaculum flexorum
Radialseite
Skaphoid
Trapezium
Ulnarseite
Pisiforme
Hamulus ossis hamati
Durch den Karpaltunnel verlaufen je 4 Sehnen des M. flexor digitorum superficialis und des M. flexor digitorum profundus sowie die Sehne des M. flexor pollicis longus und der N. medianus.
Die Sehnen der Fingerflexoren liegen in einer gemeinsamen Sehnenscheide (sog. „ulnare Bursa“) in 2 Reihen übereinander, wobei
die FDS- und FDP-Sehnen III und IV jeweils oberflächlich zu den
Sehnen II und V lokalisiert sind. Die FDS-Sehne V ist im Querschnitt meist dünn und kaum erkennbar, gelegentlich kann sie
auch fehlen. Die FPL-Sehne verläuft im Karpaltunnel am weitesten radial innerhalb einer Rinne des Trapezium. Sie weist eine eigene Sehnenscheide auf (sog. „radiale Bursa“), die in 50 % der Fälle mit dem Synovialsack der Fingerflexoren kommuniziert. Der
N. medianus verläuft unmittelbar unter dem Retinaculum flexorum (▶ Abb. 10.14d). Er liegt meist radialseitig der Mittellinie in
Nachbarschaft zur FDS-Sehne II und FPL-Sehne, hat aber eine große Lagevariabilität. Die FCR-Sehne zieht außerhalb des Karpaltunnels zwischen den Faserschichten des Retinaculum flexorum.
Ebenfalls außerhalb des Karpaltunnel befinden sich die Sehne
M. palmaris longus, der zusammen mit dem M. palmaris brevis
130
die Spannung der Palmaraponeurose aufrechterhält, sowie die
Inhaltsstrukturen der Guyon-Loge.
▶ Klinische Bedeutung. Der Karpaltunnel kann für den N. medianus einen Engpass darstellen und eine Kompressionsneuropathie des Nervs hervorrufen (Karpaltunnelsyndrom).
● Häufigste KTS-Ursache ist eine Volumenzunahme der Flexorensehnenscheiden im Rahmen einer akuten oder chronischen
Tendovaginose (s. Kap. 46).
● Auch die Einengung des knöchernen Tunnelquerschnitts (lunäre
und perilunäre Luxationen, dislozierte Fragmente, Arthrosis
deformans bei SLAC oder SNAC Wrist) kann zum Karpaltunnelsyndrom führen (s. Kap. 20, Kap. 23 u. Kap. 27).
● Seltene Ursachen für ein KTS können anatomische Varianten
(akzessorische oder in den Tunnel reichende Muskelbäuche,
A. mediana), entzündliche Erkrankungen (Chondrokalzinose,
Gicht, Amyloidose), hormonelle Umstellungen (Schwangerschaft, Menopause) sowie Tumoren (Ganglion, Hämangiom,
Lipom, neurogene Tumoren) mit Lage im Karpaltunnel sein
(s. Kap. 15, Kap. 34, Kap. 45 u. Kap. 46). )
▶ Bildgebung. Methode der Wahl in der Bildgebung des Karpaltunnels ist der hochfrequente Ultraschall, der eine dynamische
Analyse des „Sehnenspiels“ ermöglicht. Je nach Anschallwinkel
kommen die Flexorensehnen echoreich bis echoarm zur Darstellung. In allen MRT-Sequenzen stellen sich die Flexorensehnen signalarm dar. Mit T2*w GRE-Sequenzen kann die signalarme Sehne gegenüber der Sehnenscheide mit intermediärer Signalhöhe
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Anatomie Unteram, Hand
10.3 Unterarm-Hand-Übergang
FDMB
PHL
FB
H
RPNU
ADM
RSNU
FDMB
FB
c
d
e
f
PCL
RF
PHT
P
PHL
FCR
a
RF
PCL
b
Abb. 10.15 Anatomie der Guyon-Loge. ADM = M. abductor digiti minimi, AU = A. ulnaris, FB = fibröser Bogen, FCU = M. flexor carpi ulnaris,
FDMB = M. flexor digiti minimi brevis, H = Hamulus ossis hamati, NU = N. ulnaris, P = Pisiforme, PCL = Lig. palmare carpi, PHL = Lig. pisohamatum,
PHT = pisohamataler Tunnel, RF = Retinaculum flexorum. RPNU = R. profundus n. ulnaris, RSNU = R. superficialis n. ulnaris.
a Schemazeichnung zu den die Guyon-Loge begrenzenden Bändern und Muskeln in palmarer Aufsicht. Blick in den pisohamatalen Tunnel
(geschwungener Pfeil).
b Querschnittsschemata in Höhe des Pisiforme (unten) und des Hamulus ossis hamati (oben).
c N. ulnaris (Pfeilkopf) am distalen Unterarmabschnitt vor Eintritt in die Guyon-Loge. Axiales MRT (T1w FSE).
d N. ulnaris in der Guyon-Loge, dargestellt im axialen Sonogramm.
e N. ulnaris in der Guyon-Loge. Bereits Teilung in den R. superficialis n. ulnaris (offener Pfeil) und den R. profundus n. ulnaris (Pfeil). Axiales MRT-Bild
(T1w FSE).
f R. superficialis n. ulnaris (offener Pfeil) und R. profundus n. ulnaris (Pfeil) nach Verlassen der Guyon-Loge. Axiales MRT-Bild (T1w FSE).
abgegrenzt werden. Dabei muss der Magic-Angle-Effekt beachtet
werden, der im Karpaltunnel wirksam werden kann, häufiger
jedoch weiter distal an der FPL-Sehne. Der N. medianus hat im
Ultraschall eine echoreiche, fibrilläre Echostruktur, in allen MRTSequenzen eine intermediäre oder gering hyperintense Signalhöhe im Vergleich zur Muskulatur.
Tab. 10.12 Anatomie der Guyon-Loge.
Begrenzung
Anatomische Struktur
Boden
●
●
Dach
10.3.5 Ulnartunnel (Guyon-Loge)
▶ Klinische Bedeutung. Das Syndrom der Guyon-Loge beschreibt die sensible und/oder motorische Schädigung des N. ulnaris in der Guyon-Loge.
● Akute Ursachen können Traumen, Frakturen und Luxationen an
der ulnaren Handwurzel oder ein akutes Hydroxylapatit-Kalksalzdepot sein (s. Kap. 21, Kap. 22 u. Kap. 34).
●
●
Ulnarseite
▶ Anatomie. Der Ulnartunnel (Synonym: Guyon-Loge) liegt
ulnopalmar in oberflächlicher Position zum Karpalkanal und beinhaltet die A. und den N. ulnaris. Der 1,5 cm lange osteofibröse
Kanal beginnt in Höhe des Pisiforme und endet am Hamulus ossis
hamati. Er wird von den in ▶ Tab. 10.12 aufgelisteten Strukturen
begrenzt.
Die Inhaltsstrukturen der Guyon-Loge sind der N. ulnaris mit
ulnarem Verlauf in direkter Nähe zum Pisiforme sowie radial
hiervon die A. und V. ulnaris (▶ Abb. 10.15). In variabler Höhe
teilt sich der N. ulnaris in der Loge in einen R. palmaris superficialis und R. palmaris profundus auf.
10
●
●
Radialseite
●
●
●
Retinaculum flexorum
Lig. pisohamatum
Lig. palmare carpi
evtl. Faszie des M. palmaris brevis
Pisiforme
M. flexor digiti minimi brevis
Aponeurosis palmaris
Hamulus ossis hamati
Chronische Nervenschädigungen können ein fibröser Sehnenbogen, Muskelvarianten, repetitive Traumen, intra-/perineurale
Narben nach Operation oder Trauma, Ganglien, Lipome oder
Nervenscheidentumoren sein (s. Kap. 47).
▶ Bildgebung. Die Inhaltsstrukturen der Guyon-Loge werden
übersichtlich in axialen Ultraschall- und MRT-Bildern dargestellt.
Anatomische Landmarke ist das Pisiforme, dem der N. ulnaris direkt benachbart ist. Die Differenzierung des Logeninhalts gelingt
am besten mit T1w FSE-Sequenzen, im Ultraschall durch das
Flusssignal in der A. ulnaris. Zur Abgrenzung der tiefen und oberflächlichen Nervenäste ist eine hochaufgelöste Bildgebung Voraussetzung.
131
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NU
Anatomie Unteram, Hand
Gelenkflächen zum
Trapezium und
Trapezoideum
Gelenkflächen zum
Trapezium und
Trapezoideum
distales Drittel
mit Tuberkulum
proximales Drittel
Gelenkflächen
zum Radius
Gelenkflächen
zum Radius
d
e
A. radialis
b
f
Abb. 10.16 Anatomie des Skaphoids.
a Schemazeichnungen mit Blick von palmar (linke Bildhälfte) und dorsal (rechte Bildhälfte) auf das Skaphoid mit anatomisch relevanten Strukturen.
b Schemazeichnung zur arteriellen Versorgung des Skaphoids über palmare und dorsale Äste aus der A. radialis.
c 2D-MPR einer CT des Skaphoids, streng sagittal.
d 2D-MPR einer CT des Skaphoids, schräg-sagittal parallel zur Kahnbeinlängsachse.
e 3D-VRT-Darstellung einer CT mit Blick von ulnar auf das Skaphoid (nach elektronischer Exartikulation der benachbarten Knochen).
f 3D-VRT einer CT mit Blick von dorsal auf das Skaphoid (nach elektronischer Exartikulation der benachbarten Knochen).
10.4 Anatomie der Handwurzel
10.4.1 Knöchernes Skelett der
Handwurzel
Die Handwurzel wird von 8 knöchernen Elementen gebildet, die
in 2 Reihen angeordnet sind, ergänzt durch das Pisiforme an der
palmaren Seite. Die proximale Handwurzelreihe besteht in der
Anordnung von radial nach ulnar aus dem Kahnbein (Skaphoid),
dem Mondbein (Lunatum) und dem Dreieckbein (Triquetrum).
Zwischen den 3 Knochen der proximalen Reihe sind in Interkarpalgelenken geringe Bewegungsausschläge möglich. Der proximalen Handwurzelreihe kommt die Funktion als „zwischengeschaltetes“ Element (im Englischen: „intercalated Segment“)
zwischen dem Unterarm und der distalen Handwurzelreihe zu.
Demgegenüber ist die distale Reihe als statische Einheit zu betrachten, in der 4 Knochen straff und ohne Relativbewegungen
durch kräftige Ligamente verbunden sind. Die distale Reihe besteht von radial nach ulnar aus dem großen Vieleckbein (Trapezium), dem kleinen Vieleckbein (Trapezoideum), dem Kopfbein
(Kapitatum) und dem Hakenbein (Hamatum). Die distale Handwurzelreihe ist über kräftige Bänder an die Mittelhand in Form
von weitgehend immobilen Amphiarthrosen gekoppelt.
Os scaphoideum („Skaphoid“)
▶ Anatomie. Sein Name kommt vom griechischen „skaphoeides“, dem deutschen „Boot“, und beschreibt die Form des Kahn-
132
beins. Das Skaphoid ist mit einer Längsausdehnung von 20–
25 mm der größte Knochen der proximalen Handwurzelreihe, die
es nach distal weit überragt. Deshalb besteht seine biomechanische Funktion u. a. darin, die Höhe von proximaler und distaler
Karpalreihe aufrechtzuerhalten und einen karpalen Kollaps zu
vermeiden. Das Skaphoid weist mehrere anatomische Besonderheiten auf (▶ Abb. 10.16):
● Die Längsachse des Skaphoids ist um ca. 45° nach distal-radial
und distal-palmar anguliert, wodurch das Skaphoid jeweils
schräg zu den orthogonalen Ebenen steht. Die besondere Orientierung muss in der Akquisition und Beurteilung von den Aufnahmen der Projektions- und Schnittbildradiologie berücksichtigt werden.
● Das Skaphoid hat in allen Raumebenen eine gekrümmte Form,
die zusammen mit der Gelenkflächenkonfiguration Ursache für
rotierende Kahnbeinbewegungen mit Kombinationen aus
Radialduktion und Flexion sowie Ulnarduktion und Extension
sind.
● Topografisch wird das Skaphoid in 3 Segmente unterteilt, das
proximale Drittel, das mittlere mit der Skaphoidtaille als
schmälstem Abschnitt und das distale Drittel einschließlich des
Tuberculum ossis scaphoidei an dessen radialer Seite.
● Das Skaphoid wird intraossär in retrograder Richtung von distal
nach proximal perfundiert (s. Kap. 20). Am wichtigsten ist die
dorsale Gruppe der Nutritialgefäße mit Ausgang vom dorsalen
Ast der A. radialis. Diese treten über eine dorsale Knochenleiste
von distal in das Kahnbein ein und versorgen nach retrogradem
Verlauf dessen proximal-ulnare Abschnitte. Die palmare Grup-
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c
dorsaler
Ast
palmarer
Ast
Gelenkflächen
zum Lunatum
a
Knochenleiste
mit Gefäßkanälen
mittleres Drittel
(Taille)
Gelenkflächen
zum Kapitatum
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