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BRIEF DES HERAUSGEBERS
Liebe Leserin,
lieber Leser,
in meiner Eigenschaft als Herausgeber des
Nebenwerte-Journal, aber auch als Aktionär bin ich ein politischer Mensch, muss
es sogar sein, da offenbar anders als in früheren Jahren politische Börsen nicht nur
kurze Beine haben. Damit wurde ausgedrückt, dass die von politischen Ereignissen ausgelösten Kursbewegungen in der
Regel nicht allzu lange andauerten – von
Kriegen oder Inflation einmal abgesehen.
Inzwischen habe ich jedoch den Eindruck,
dass sehr wohl Politiker in zahlreichen Institutionen immer mehr über Wohl und
Wehe der Wirtschaft entscheiden, da sie
im zunehmenden Maße in die Märkte eingreifen und Marktmechanismen aushebeln.
„Kakophonie“ ist griechisch
Gerade in den vergangenen Wochen brauste eine „Kakophonie“ durch die Medien
und hier vor allem durch die Talkshows.
„Kako“ stammt wie viele Wortstämme aus
dem Griechischen und bedeutet „Schlecht,
Übel, Miss...“; mit Kakophonie ist im engeren Wortsinn „Missklang“ gemeint. Wenn
alle durcheinander singen oder sprechen
entsteht eben dieser Eindruck. Ich kann
mich erinnern, dass dieser Ausdruck vom
damaligen Kanzler Schröder benutzt wurde, um im Vorfeld der HartzIV-Gesetze den
vielstimmigen und unterschiedlichen Chor
in der SPD, deren Mitglieder ihm partout
nicht folgen wollten, zu beschreiben. Die
SPD ist derzeit verdächtig still, der misstönende Chor besteht vor allem aus Experten
und Politikern anderer Parteien, die sich zu
Finanz- und Wirtschaftsthemen äußern.
Wenn es nicht unser aller Portemonnaie
und die Depots einer Bevölkerungsminderheit betreffen würde, wäre das alles nicht so
schlimm.
Wir waren die Ersten
Es ist ja so leicht, jetzt, da das Kind in den
Brunnen gefallen ist, Schuldige zu suchen.
Hier zu Lande wird gerne vergessen, wie
schnell Deutschland die Maastricht-Kriterien nicht beachtete, dass Frankreich sich
anschloss und dass Griechenland im Grunde uns folgte. Von der erschlichenen Aufnahme in den Euro will ich gar nicht sprechen. Diejenigen Gläubiger, die griechische Staatsanleihen gekauft haben, müssten nach marktwirtschaftlichen Regeln
auch das Risiko tragen. Wenn unsereins
eine Unternehmensanleihe kauft und das
Untenehmen geht pleite, dann bleiben wir
auf dem Verlust sitzen, und je höher das
Verlustrisiko, desto höher der Zins – das ist
Nebenwerte-Journal 7/2011
ter“ oder „ungeordneter“ Staatsbankrott für
das jeweilige Land, für Europa und die
Weltwirtschaft hätte. Der Geldtransfer an
unsolide wirtschaftende Staaten war ebenfalls ausgeschlossen. Da traf es sich gut,
dass die Europäische Zentralbank vor dem
Druck der Politik einknickte und ihre Rolle
als Hüterin der Währung ausweitete auf
die Rolle als Hüterin griechischer Gläubiger: Ein Sündenfall, wie ich meine.
Ratingagenturen beobachten nur
Klaus Hellwig über einige
Regeln für Anleihegläubiger
eine einfache Regel, nach der die Märkte
funktionieren.
Fallierte Papiere für die Sammler
Jeder Anleger, der sich mit Wirtschaftshistorie befasst und speziell die Sammler Historischer Wertpapiere kennen nicht nur wertlose Aktien, sondern auch ebenso häufig
fallierte Anleihen sämtlicher Körperschaften, von Staaten bis zu Kommunen: Seit
Jahrhunderten zahlen nicht alle Schuldner
ihre Schulden zurück und Gläubiger verlangen bei mangelnder Bonität als Prämie
einen höheren Zins. Es ist daher unverständlich, dass die Gläubiger Griechenlands durch Politiker, die stets fremdes
Geld, nämlich das Geld der Steuerzahler,
einsetzen, von Risiken freigestellt werden
sollen. Es sollte nicht nur an die gedacht
werden, die das Geld aufgenommen, sondern auch an diejenigen, die das Geld gegeben haben. Es ist natürlich leicht, marode
Staatsanleihen zu kaufen, wenn die Steuerzahler eines anderen Landes dafür garantieren.
Schuldenregeln verhindern Pleite
Der springende Punkt bei den ganzen Diskussionen wird jedoch kaum oder gar
nicht angesprochen: Die von der Regierung Kohl und dem damaligen Finanzminister Theo Waigel gegen heftigen Widerstand anderer europäischer Länder eingeführten Verschuldungsregeln sind nicht
eingehalten und die durchaus vorgesehenen automatisierten Strafen nicht angewendet worden. Hätten diese Grenzen gehalten, müssten wir nicht darüber sprechen, welche Auswirkungen ein „geordne-
Geradezu als abenteuerlich empfinde ich es,
wenn jetzt plötzlich auch noch nach einer
„unabhängigen“ europäischen Ratingagentur gerufen wird, da die „bösen“ US-Ratingagenturen den Daumen senken und ihre Einstufungen anpassen. Die Aufgabe dieser Unternehmen ist es doch, einzuschätzen, wie
hoch das Ausfallrisiko eines bestimmten Assets ist – nicht mehr und nicht weniger. Natürlich werden von ihnen (s. Subprime-Krise)
auch Fehler gemacht, doch glaubt jemand,
eine europäische Agentur, die vermutlich
von einer EU-Behörde ins Leben gerufen
und mit Hunderten von Beamten bestückt
wird, könne dem griechischen Staat ein besseres Rating bescheinigen? Wenn Griechenland mit seinen 11 Millionen Einwohnern
und einer kaum vorhandenen Industrie
€ 340 Mrd. Staatsschulden anhäufen kann,
dann ist doch viel zu lange „geschlafen“
worden. Ich glaube nicht, dass private Anleger in derartigen Staatsanleihen engagiert
sind. Die Käufer waren institutionelle Adressen, die allerdings auch die eingesammelten
Mittel der Kleinsparer einsetzten.
Der Zinssatz beinhaltet das Risiko
Private Anleger, die eher auf Zinsen als auf
Aktien und Dividenden setzen (und dafür
vom Staat mit einer geringeren Besteuerung
„belohnt“ werden), dürften eher in Unternehmensanleihen investiert sein. Und sie
wissen auch, wenn Ihnen 9 % Zinsen geboten werden, dass die Anleihe ein größeres Risiko beinhaltet als ein Papier mit 3 %
Zins. Der Bankrott des Emittenten oder zumindest ein Kursverlust wird in solchen Fällen doch akzeptiert. Warum soll es bei
Staatsanleihen anders sein? Das Risiko,
auch als Mitglied der Eurozone einen
Staatsbankrott zu erleiden, weil niemand
hilft, würde Anleiheschuldner und -gläubiger sehr vorsichtig stimmen.
Herzlichst Ihr
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