GESUNDHEIT DEM FROST einheizen Ein Spaziergang bei Minusgraden tut Körper und Gemüt gut – so lange wir nicht VOR KÄLTE SCHLOTTERN. Mit unseren Tipps halten sich sogar Gfrörli von Kopf bis Fuss warm. Text Caroline Kienberger I m Winter leiden viele Menschen un­ ter den frostigen Temperaturen. Draussen in der Kälte kommt man­ cher schnell ins Schlottern. Drinnen hält das Frösteln noch über Minuten an. Doch warum frieren wir überhaupt? «Das ist eine natürliche Schutzfunktion», erklärt Professor Mike Recher, Facharzt für Inne­ re Medizin und Immunologie/Aller­ gologie am Universitätsspital Basel. Frie­ ren verhindert, dass die sogenannte Kerntemperatur im Rumpfbereich unter 37 Grad fällt. Die lebenswichtigen Organe wie Herz, Lunge oder Leber funktionieren sonst nicht mehr. Nehmen die Nervenrezeptoren in der Haut Kälte wahr, geben sie die Informa­ tion ans Gehirn weiter. Dieses gibt umge­ hend den Befehl, das körpereigene «Heiz­ programm» zu starten: Die Muskeln fangen an zu zittern und produzieren so Wärme. Damit die Kerntemperatur trotz Kälte stabil bleibt, muss der Körper an­ derswo die Durchblutung drosseln, um so den Wärmeverlust zu reduzieren. «Das geschieht in Händen, Füssen, Ohren und Nase, den sogenannten Akren», sagt Re­ cher. «Diese liegen weit von den inneren Organen entfernt, die Temperatur darf hier kurzfristig auch weit unter 37 Grad fallen.» Die Folge: Die Akren werden kalt, weil sich die Adern zusammenziehen und nur noch wenig Blut und somit Wärme hindurchfliesst. Nicht jeder Mensch empfindet Kälte gleich intensiv. Frauen frieren zum Bei­ spiel schneller als Männer, obwohl ihr Körper einen höheren Fettanteil besitzt. Der Facharzt erklärt: «Fett isoliert zwar, produziert aber relativ wenig Wärme. Da­ für sind die Muskeln zuständig. Weil Frauen eine geringere Muskelmasse ha­ ben, ist ihnen schneller kalt.» Egal, ob Sie ein Gfrörli sind oder schon abgehärtet – mit folgenden 10 Tipps sind Sie prima gegen die Kälte gerüstet. 1. Zwiebelprinzip anwenden Wer lange an der frischen Luft unterwegs ist, schützt sich am besten mit dem Zwie­ belprinzip und trägt mehrere Kleider­ schichten übereinander, wie die einzel­ nen Lagen einer Zwiebel. Dabei gilt: Ein paar dünne Schichten wärmen besser als eine einzige dicke, weil sich zwischen den einzelnen Lagen Luftpolster bilden, welche die Wärme isolieren. Das Zwie­ belprinzip funktioniert bei lockerer Klei­ dung am besten. «Muskeln produzieren Wärme. Frauen haben weniger Muskelmasse als Männer, sie frieren schneller.» 70 Schweizer Familie 4/2015 Mike Recher, Immunologe Wärme scheibchen­ weise: Die Schärfe des Ingwers regt die Durchblutung an, die Körper­ temperatur steigt. 2. Die richtige Kleidung wählen Auch das Material spielt bei der Kleider­ wahl eine grosse Rolle. Ideal sind Daunen, Faserpelz und Wolle. Eine Daunenjacke isoliert die Körperwärme, da die Federn stark verästelt sind und viel Luft spei­ chern. Zum Darunterziehen eignet sich Faserpelz. Der künstliche Stoff ist leicht, wärmt aber sehr. Auch ein Wollpullover ist ideal. Er saugt Schweiss auf, ohne sich feucht und kalt anzufühlen. Verzichten sollte man dagegen auf Baumwolle: Doppelt gut: Die Wollmütze. Die Wolle hält warm und schützt die kälteempfind­ lichen Ohren. ­ inmal nass geschwitzt, trocknet sie nur E sehr langsam. Viskose und Polyester haben ebenfalls kaum wärmende ­ Eigenschaften. 3. Eine Mütze tragen Im Volksmund heisst es, dass wir die meiste Körperwärme über den Kopf ver­ lieren. Diese These ist wissenschaftlich jedoch widerlegt: Jede Körperpartie gibt gleich viel Wärme ab. Eine Mütze macht aber trotzdem Sinn, denn in der KopfFotos: Plainpicture, Getty Images und Gesichtshaut liegen viele Nerven­ enden. Deshalb spüren wir die Kälte dort besonders stark. Mit einer Kopfbedeckung sind zudem die empfindlichen Ohren ge­ schützt. Wer Ohrringe trägt, sollte darauf achten, diese ebenfalls zu bedecken. Der Metallschmuck leitet Kälte und kühlt das umliegende Gewerbe stark ab. grösseren Hohlraum, in dem sich ein iso­ lierendes Luftpolster bilden kann. Zur Not helfen Taschenwärmer, kleine Gel-Kissen mit einem integrierten Metallplättchen, das sich erwärmt. Sind die Finger trotz­ dem klamm, reibt man die Handflächen eine Minute stark aneinander oder ballt die Hände abwechselnd zur Faust. 4. Handschuhe anziehen 5. Keine engen Schuhe kaufen Wer schnell kalte Hände hat, trägt am bes­ ten Fausthandschuhe. Sie haben einen Kalte Füsse vermiesen einem den schöns­ ten Winterspaziergang. Oft helfen schon ➳ Schweizer Familie 4/2015 71 GESUNDHEIT 8. Genug trinken Wärmen die Hände und nach dem Genuss auch von innen heraus: Heisse Marroni. Schuhe mit dicken Gummisohlen. Sie dürfen aber nicht zu eng sein, sonst ist die Blutzirkulation gestört. Kauft man sie eine Nummer grösser, hat auch noch ein zwei­ tes Paar warme Socken Platz. Diese sollten locker sitzen, damit der Sockenbund die Blutzufuhr nicht abschneidet. Zusätzliche Wärme spenden Einlagesohlen mit Alubeschichtung, Fell oder Filz. Sie isolieren und nehmen Feuchtigkeit auf. Bei vielen Menschen werden die Füsse aber trotz­ dem kalt. Mit einfachen Bewegungen, zum Beispiel durch Kreisen der Fuss­ gelenke oder Einkrallen der Zehen, kommt die Durchblutung wieder in Gang. 6. Wärmende Lebensmittel essen Gewisse Lebensmittel haben wärmende Eigenschaften, besagt die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM). «Wenn man friert, herrscht im Körper ein Ungleich­ gewicht der beiden Energien Yin und Yang», sagt Anita Meyer Hitz, Fachärztin für Innere Medizin und Expertin für Chi­ nesische Medizin. Yang ist die wärmende Energie. Fehlt sie, muss sie dem Körper über das Essen zugeführt werden. Die These ist wissenschaftlich kaum erforscht. Auffallend ist aber, dass eine warme Mahl­ zeit oft von innen heraus zu wärmen scheint. «Suppe, Eintopf oder Gulasch sind gut geeignet», so Anita Meyer Hitz. «Diese Gerichte haben einen hohen Ener­ giewert, weil man sie lange gekocht hat.» 72 Schweizer Familie 4/2015 Dasselbe gilt für gebratene und gebackene Speisen. Ebenfalls als wärmend gelten rotes Fleisch (Rind, Schwein, Wild), Fisch (vor allem Thun­ fisch, Kabeljau, Scholle), Wintergemüse (Randen, Kür­ bis, Lauch), Nüsse und Mar­ roni. Verzichten sollte man gemäss der Chinesischen Medizin auf Zitrusfrüchte, Tomaten und Gurken. «Al­ les, was man im Sommer gerne isst, sollte man im Winter prinzi­piell weglassen», rät die Expertin. 7. Das Essen scharf würzen Gewürze geben vielen Gerichten den be­ sonderen Pfiff. Sie heizen aber auch dem Körper ordentlich ein. «Unsere typischen Wintergewürze wie Kardamom, Zimt und Anis sind sehr wärmend», sagt Anita Meyer Hitz. Der Chinesischen Medizin zufolge haben auch Knoblauch, Koriander und Kümmel diese Eigenschaft. Intensiv wirken zudem Curry, Ingwer oder Chili. Die Schärfe reizt die Mundschleimhaut. Das regt die Durchblutung an, die Kör­ pertemperatur steigt. Vorsicht: Wer unter Hitzewallungen, Bluthochdruck oder Ma­ genproblemen leidet, sollte die Gewürze eher sparsam einsetzen. Wer schnell friert, sollte grundsätzlich darauf achten, viel zu trinken. Zu wenig Flüssigkeit verdickt das Blut, es kann nur mit Mühe in die kleinen Gefässe strömen. Am besten eignet sich Tee. Eine besondere Wirkung wird dem Ingwertee zugeschrie­ ben: Die Schärfe der Knolle sorgt für ein Wärmegefühl, die Inhaltsstoffe stärken das Immunsystem. Dazu den Ingwer schälen, ein paar Scheiben abschneiden und mit kochendem Wasser übergiessen. Einige Minuten ziehen lassen. Der Chine­ sischen Medizin zufolge sollte man allerdings auf Pfefferminztee verzichten. Dieser kühle den Körper herunter. Wis­ senschaftlich betrachtet liegt das am darin enthaltenen Menthol: Es dockt im Mund an die Kälterezeptoren an und erzeugt einen Eindruck von Kälte. 9. Alkohol wärmt nicht Gerade in den Skiferien wird gerne Glüh­ wein getrunken, um sich aufzuwärmen. Dabei sollte man aber vorsichtig sein: Weil Alkohol die Blutgefässe erweitert, wird uns zwar kurzzeitig warm. Zugleich stellt sich aber auch ein Kühlungseffekt ein, da viel Wärme über die unter Alkohol gut durchbluteten Akren verloren geht. 10. Genug schlafen Wenn man müde ist, friert man schneller. Der Körper stellt sich aufs Schlafen ein. Dabei sinkt der Blutdruck, und das Herz schlägt langsamer. Es verteilt weniger wärmendes Blut im Körper. Bei Müdigkeit braucht das Gehirn auch länger, um die Signale der Kälterezeptoren zu verarbei­ ten und den Wärmeprozess, also das Mus­ kelzittern, in Gang zu bringen. Ist man ausgeschlafen, hat der Körper mehr Ener­ gie, um sich vor Kälte zu schützen. ● KRANKHAFTES FRIEREN Häufiges Frieren kann durch eine Schilddrüsenunterfunktion bedingt sein. Dabei produziert die Schilddrüse zu wenig Hormone, der Stoffwechsel fährt herunter, es wird weniger Wärme er- zeugt. «Menschen mit einer auffälligen Neigung zu kalten Füssen und Händen können manchmal auch einen Grünen Star ohne erhöhten Augendruck entwickeln», warnt Mike Recher. Dies, weil die Durchblutung des Sehnervs reduziert ist. In seltenen Fällen kann Frieren einen Fieberschub oder Hautausschlag auslösen. Grund dafür sind genetische Veränderungen. Fotos: Plainpicture, Fotolia