Psychosomatosen und funktionelle Störungen Unter Psychosomatosen versteht man Störungen, bei denen kein organischer Befund nachweisbar ist und bei denen psychische Faktoren bei der Entstehung und Aufrechterhaltung der Symptome eine bedeutende Rolle spielen. Häufig vorkommende Beschwerden dabei sind funktionelle Beschwerden des Herz-Kreislauf-Systems, des Magen-Darm-Bereiches und des Skelett- und Muskelsystems. So kann Angst z. B. dazu führen, dass im Körper Adrenalin ausgeschüttet wird, was u.a. die MagenDarm-Peristaltik hemmt und bei längerem Bestehen zu Verdauungsstörungen führen kann. Dieser Zusammenhang findet auch im täglichen Sprachgebrauch seinen Niederschlag: „Das liegt mir schwer im Magen.“ Behandlungsmöglichkeiten Die psychosomatische Medizin ist bestrebt, einer Krankheit jeweils eine bestimmte psychische Ursache zuzuordnen. Dabei darf aber nicht verallgemeinernd vorgegangen werden. Denn bei lang anhaltenden Belastungen – und diese liegen psychosomatischen Erkrankungen meist zugrunde – spielt das individuell unterschiedlich geschwächte Immunsystem eine große Rolle. Patientinnen und Patienten, die an körperlichen Symptomen leiden, fühlen sich oft missverstanden und werden als „eingebildete“ Kranke hingestellt. Häufig dauert es sehr lange, bis psychosomatische Erkrankungen als solche erkannt werden. Dies kann auch daran liegen, dass die Art und Weise ihrer Beschwerden mitunter allein auf körperliche „Fehlfunktionen“ hinweisen. Deshalb hat zuerst eine körperliche Abklärung der Beschwerden zu erfolgen. Ein klassisches Beispiel für die Verschiebung von psychischen zu körperlichen Ursachen ist das Magengeschwür, das früher zu den bekanntesten psychosomatischen Erkrankungen zählte. Seit der Entdeckung des Bakteriums ¡ Helicobacter pylori in der erkrankten Magenschleimhaut haben körperliche Funktionen ein hohes Gewicht bei der Beurteilung dieser Krankheit gefunden. Eine einwöchige Behandlung mit Antibiotika führt in mehr als 90 % zu einer Beseitigung des Erregers und zu einer Heilung. Auch viele Angsterkrankungen und Panikstörungen werden heute als unmittelbare Folge von vereinzelt auftretenden Herzrhythmusstörungen gesehen. Mit der Behandlung der Grunderkrankung Herzrhythmusstörung kommt es auch zu einer deutlichen Abnahme der Panikattacken. Unbestritten ist allerdings, dass bei vielen Erkrankungen wie Übergewicht, Bluthochdruck, Zuckerkrankheit, Rückenbeschwerden und bei vielen chronischen Erkrankungen psychische Faktoren eine bedeutsame Rolle spielen. Eine psychosomatische Therapie versucht, die einseitige „Verkörperung“ rückgängig zu machen. Der Patient bzw. die Patientin lernt, die Wünsche in Sprache umzuwandeln. Dabei ist zu bedenken, dass viele Krankheiten zwar auf psychosomatischem Weg entstanden sind, sich dann aber verselbstständigt haben und unter Umständen mit Psychotherapie allein nicht mehr zu behandeln sind. Diagnose Symptomatik Vorkommen im Kindesund Jugendalter ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit/Hyperaktivitätsstörung) Aufgaben nicht zu Ende bringen können, Zerstreutheit, erhöhte Ablenkbarkeit, Unruhe, Zappeligkeit, nicht stillsitzen können, nicht warten können, häufig unterbrechen und stören ca. 5 % eines Jahrgangs sind davon betroffen Aggressiv-dissoziale Störung aggressives Verhalten gegenüber Menschen und Tieren, Betrug, Diebstahl, Zündeln, Vandalismus, Schuleschwänzen und Weglaufen von zu Hause ca. 5 –7 % eines Jahrgangs betroffen, überwiegend Knaben Autoaggressives Verhalten, Selbstverletzung absichtlich herbeigeführter Schmerz durch zumeist oberflächliches Ritzen mit spitzen Gegenständen wie Messern, Rasierklingen, Spitzern, Glasscherben an den Unterarmen, Oberschenkeln oder am Bauch. Absichtlich herbeigeführte Verbrennungen oder Verletzungen durch Anschlagen etc. ca. 0,6 – 0,75 % eines Jahrgangs davon betroffen, überwiegend Mädchen, Altersschwerpunkt: 12 –18 Jahre Depressive Störung (Major Depression) Antriebslosigkeit oder erhöhter Antrieb, Konzentrationsschwierigkeiten, Grübeln, Ängste, Schlafstörungen, Gereiztheit, Agitiertheit, Gefühle der Sinnlosigkeit und Schuld, Leistungsverlust, Suizidgedanken bei Kindern ca. 1– 3 % betroffen, bei Jugendlichen ca. 1– 6,4 % eines Jahrgangs Angststörung vermehrtes Schwitzen, trockener Mund, Zittern, Erhöhung der Pulsfrequenz, Verstärkung der Atmung, Angst zu sterben oder „verrückt zu werden“, Vermeidungs- und Fluchtverhalten, psychosomatische Beschwerden ca. 10 % eines Jahrgangs davon betroffen, häufigste Störung im Kindes- und Jugendalter Sozialphobie eine Sonderform der Angststörung: deutliche Furcht, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen, sich peinlich oder erniedrigend zu verhalten oder klare Vermeidung der angstauslösenden Situationen. Sie tritt bei sozialen Ereignissen auf wie Essen oder Sprechen in der Öffentlichkeit, Begegnung von Bekannten, Teilnahme an Gruppen oder Festen ca. 1– 4,6 % eines Jahrgangs davon betroffen Magersucht Gewichtsverlust wird zum Inhalt des Denkens und Handelns: eingeschränkte Nahrungsauswahl, übertriebene körperliche Aktivitäten, selbstinduziertes Erbrechen und Abführen und der Gebrauch von Appetitzüglern und ¡ Diuretika, körperliche Funktionsstörungen (Zahn- und Haarverlust, Ohnmacht etc.) ca. 0,5 % eines Jahrgangs davon betroffen, überwiegend Mädchen Zwangsstörung wiederholte Bewegungen oder Bewegungsabläufe (Waschzwang, Kontrollzwang etc.), Zwangsgedanken (z. B. Grübelzwang) bei Kindern ca. 2 %, bei Jugendlichen ca. 1– 4 % eines Jahrgangs betroffen Psychosomatik Psychosomatosen Therapien ADHS aggressivdissoziale Störung autoaggressives Verhalten depressive Störung Angststörung Sozialphobie Magersucht Zwangsstörung Fächerübergreifendes Lernen Besprechen Sie im Fach Religion oder Ethik die Begriffe Psyche / Seele / Geist. Versuchen Sie, sie gegeneinander abzugrenzen. Sehen Sie zu diesen Begriffen auch im Internet unter www.wikipedia.de nach. www.psychologen.at www.klassezukunft.at www.netdoktor.at Aufgabe, Experiment Das Klassenklima übt einen wesentlichen Einfluss auf das psychische Wohlbefinden von Schülerinnen und Schülern, Lehrerinnen und Lehrern aus. Sprechen Sie in Ihrer Klasse über das Klassenklima. Wodurch wird es beeinflusst, wodurch kann es verbessert werden? Abb. 2 Symptome und Häufigkeiten der wesentlichen psychischen Krankheitsbilder im Kinder- und Jugendalter 87 Über die Natur kompakt für HLW © 2010 Verlag E. DORNER GmbH, Wien