Herztag 2008

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Differenzialdiagnose
körperlicher Leitsymptome
Dr. med. Timo Specht
Facharzt für Innere Medizin und für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
Chefarzt und Ärztlicher Direktor, Fachklinik Aukrug
„Körperliche Beschwerden
ohne ausreichende organmedizinische Erklärung“
Depression?
Somatoform?
Angst?
Symptom
Essstörung?
Sucht?
Wahn?
Dissoziativ?
Nicht bei allen „körperlichen Beschwerden mit seelischer
Ursache“ liegt eine somatoforme Störung vor.
 Viele psychische Störungen können sich (primär)
körperlich präsentieren.
 Psychisch Kranke können auch körperlich krank sein.
 Psychische Erkrankung kann auch körperlich krank
machen.
Sowohl… als auch…
„Dualismus einer Medizin für
seelenlose Körper und
körperlose Seelen“
(Thure von Üexküll, 1908-2004)
Wie erreichen Sie Ihre Patienten?
Achten Sie auf das Setting
Holen Sie die Menschen ab wo sie stehen
Erheben Sie einen genauen klinischen Befund
Zeigen Sie Interesse am Subjektiven
Fragen Sie was Sie wissen wollen
Lassen Sie den Menschen die Wahl
Weisen Sie auf mögliche Zusammenhänge zunächst allgemein hin
Fragen Sie nach der Auslösesituation und der Subjektiven
Krankheitstheorie
Wechseln Sie die Perspektive zwischen Körper und Seele
Wie verbinden Sie Körper und Seele im Gespräch?
„Bei vielen Menschen mit körperlichen Krankheiten führt seelische
Belastung im Alltagsleben zu einer Verstärkung der
Beschwerden. Kennen Sie das auch?“
„Solche Beschwerden können verschiedene Ursachen haben,
körperliche und seelische. Glauben Sie, dass Ihre Luftnot eher
auf ein Körper- oder eher auf ein Seelenkonto geht?“
„An welcher Stelle Ihres Körpers spüren Sie diese Traurigkeit
besonders?“
2/3 der Patienten,
die im Rahmen einer
Depression
69%
körperliche
Beschwerden
andere
ihren Hausarzt aufsuchen
tun dies aufgrund von
körperlichen Beschwerden
Kopfschmerz
Rückenschmerz Krämpfe Erschöpfung
Nackenverspannungen Herzklopfen
Muskelschmerz
Magenbeschwerden
Abdominelle Beschwerden
Allg. Schwäche
Sehnenschmerz
Beklemmungen in der Brust
Schwindel
Benommenheit
S3-Leitlinie Unipolare Depression 12‘2009
Tabelle 2: Beschwerden, die auf eine
depressive Störung hinweisen
• Körperliche Abgeschlagenheit
• Schlafstörungen
• Appetitstörungen, Magendruck,
Gewichtsverlust, Obstipation, Diarrhöe
• Diffuser Kopfschmerz
• Druckgefühl in Hals und Brust, Globusgefühl;
• Funktionelle Störungen von Herz und
Kreislauf (z. B. Tachykardie, Arrhythmie,
Synkopen), Atmung (z. B. Dyspnoe), Magen
und Darm
• Schwindelgefühle, Flimmern vor den Augen,
Sehstörungen
• Muskelverspannungen, diffuse neuralgiforme
Schmerzen
• Libidoverlust, Sistieren der Menstruation,
Impotenz, sexuelle Funktionsstörungen;
• Gedächtnisstörungen.
Depressive Patienten
leiden nicht nur unter Traurigkeit,
sondern unter einer Reihe
seelischer und körperlicher Beschwerden,
die die Leistungsfähigkeit deutlich
beeinträchtigen
Leitsymptom Thoraxschmerz
Angina pectoris / Akuter Myokardinfarkt /
Tako-Tsubo-Cardiomyopathie / Perimyokarditis / Aortenstenose
Hypertone Krise / Aneurysma dissecans
Lungenembolie / Pleuritis / Pneumothorax
Refluxösophagitis / Boerhaave-Syndrom /
Pankreatitis / Gallenkolik
Vertebragen / Wirbelfraktur /
Herpes zoster / Interkostalneuralgie
Depressive Störung / Somatoforme Störung / Angststörung /
Alkohol- oder Medikamentenentzug / Schizophrene Psychose
Panikstörung (F 41.0)
Typischerweise ist Angst (-Attacke) das Leitsymptom
Nicht situativ gebunden („Aus heiterem Himmel“)
Thoraxschmerz ist Teil einer ausgeprägten vegetativen BegleitSymptomatik, die aber subjektiv ganz im Vordergrund stehen kann
Meist fehlt aber die Fokussierung auf den Körper
Die „Red Flags“
Alarmsymptome als Hinweis
auf organische Erkrankung:
–
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–
–
–
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Kurze Anamnese
Fieber / Nachtschweiß
Gewichtsverlust
Blut im Stuhl
Progrediente Beschwerden / Schmerzen
Aufwachen wegen Beschwerden
Labor: Anämie, Leukozytose, CRP
1. Drehschwindel, Dauer < 1 min, oft mit Übelkeit:
Paroxysmaler Lagerungsschwindel
2. Drehschwindel, Dauer > 1 min, Kopfschmerz, Licht- und
Lärmempfindlichkeit:
Vestibuläre Migräne
3. Drehschwindel, Dauer > Stunden, Hörverlust, Tinnitus:
M. Menière
4. Drehschwindel, Dauer > Tage, gerichtete Gangabweichung /
Fallneigung:
Neuritis vestibularis
5. Schwankschwindel, Dauer > Tage, Zunahme im Dunkeln und beim
Gehen
Bilaterale Vestibulopathie
6. Schwankschwindel, Gang- und Standunsicherheit, Fallangstattacken,
Vermeidung auslösender Situationen
Phobischer Schwankschwindel
Anamnese
Art:
Dreh-, Schwank- und Benommenheitsschwindel
Dauer:
Sekunden, Minuten, Stunden, Tage, Wochen, Immer
Auslösbarkeit:
In Ruhe, bei (best.) Bewegung, bei Dunkelheit, situativ
Begleitsymptome:
Tinnitus, Hörminderung, Doppelbilder, Kopfschmerzen,
Lähmungen, Ataxie
Dissoziative Störungen F44
 Betreffen Störungen der körperlichen Funktionen, die
normalerweise unter willentlicher Kontrolle stehen und Verlust der
sinnlichen Wahrnehmung
 Chronische Störungen, besonders Lähmungen und
Gefühlsstörungen, entwickeln sich, wenn der Beginn mit unlösbaren
Problemen oder interpersonalen Schwierigkeiten verbunden ist
 Funktionsverlust offensichtlich Ausdruck emotionaler Konflikte oder
Bedürfnisse
Die Symptome verkörpern häufig das Konzept der betroffenen
Person, wie sich eine körperliche Krankheit manifestieren müsste
Zusammenfassung
Wenn es schwierig wird …
… orientieren Sie sich an der Anamnese und am
klinischen Befund
Zum Verständnis einer Erkrankung gehört …
… der psychosoziale Kontext
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