Samuel Tscharner 14.04.2017 Wissen über das Fremdpsychische Einleitung Die Frage, ob wir Wissen über das Fremdpsychische haben können, ist ein populäres Forschungsfeld in der Philosophie des Geistes und wird zunehmend auch von den Neurowissenschaften tangiert. Unser Alltagsverstand mag uns des Öfteren das Gefühl verleihen, dass wir wissen, was in den Köpfen unserer Mitmenschen vor sich geht. Über Gestik, Mimik und natürlich die verbalen Äusserungen anderer stehen uns in den meisten Situationen des Alltags genug Informationen zur Verfügung, um einigermassen problemlos die Interessen anderer antizipieren zu können und uns daran anzupassen, um Konflikte zu vermeiden. In diesem Fokus mag dieses Wissen genügen, doch es handelt sich wohl eher um ein Wissen, wie (knowing-how) man mit anderen umgehen soll, denn um ein wissen, dass (knowing-that) dies und jenes in den Köpfen der Leute vorgeht. Allzu leicht können wir uns darüber täuschen oder getäuscht werden, was die Signale der anderen Person bedeuten und selbst wenn unsere Deutungskraft genügte, um eine funktionierende Interaktion zu ermöglichen, wissen wir noch lange nicht, ob das Gedeutete korrekt war, sondern lediglich, dass unser Verhalten aufgrund des Gedeuteten adäquat war. Ich möchte daher im Folgenden ein paar Pro- und Kontraargumente aus der Debatte über die These anführen, dass wir Wissen eines naturwissenschaftlichen Standards über das Fremdpsychische haben können. Zum Schluss werde ich kurz meine eigenen Gedanken dazu kundtun. Kurze Überwindung des Dualismus Seit der cartesianische Substanz-Dualismus weitestgehend aus dem Spektrum der vertretenen Ansichten verschwunden ist, von Gilbert Ryle „the dogma of the ghost in the machine“ (Ryle, 1949) genannt, hat sich eine eher naturalistische Herangehensweise an die Probleme der Philosophie des Geistes eingestellt. Dieser Ansicht zufolge sind mentale Zustände ein Teil der physikalischen, biologischen Realität und können von den Naturwissenschaften in einer objektiven Perspektive beschrieben werden. Bei Davidson (1970) findet man ein populäres Argument für die Identität von mentalen und physikalischen Phänomenen. Er schliesst darauf, indem er davon ausgeht, dass mentale Phänomene physikalische Phänomene verursachen können. Wenn dies der Fall ist, müsse es ein Gesetz geben, das dieses kausale Verhältnis erklärt. Da sich solch ein Gesetz nicht mit mentalen Termini beschreiben lässt, muss es physikalische Beschreibungen für das Mentale geben. Dies ist allerdings nur ein Argument aus einer ganzen 1 Reihe mehr oder weniger starken naturalistischer Positionen. So findet man bei den Churchlands1 sogar die Auffassung, dass unser gesamtes alltagspsychologisches Vokabular als vorwissenschaftliche Fehlkonstruktionen zu verwerfen und durch neurobiologische Termini zu ersetzen seien (Newen, 2013). Rückkehr zum Dualismus Der wohl populärste Einwand gegen solche Positionen stammt von Thomas Nagel (1974). Durch das Bewusstsein werde das alte Leib-Seele-Problem aufrechterhalten, denn es sei bewussten Erfahrungen eigen, dass es irgendwie ist, sie zu haben. Dieser subjektive Charakter von bewussten mentalen Zuständen sei durch eine funktionale Erklärung wie die Davidsons nicht greifbar. Sie reduziere lediglich die kausalen Zusammenhänge mentaler Zustände, nicht aber die Bewusstheit der Zustände. Bewusste Erfahrungen hätten subjektive Qualitäten, die an eine Erste-Person-Perspektive gebunden sind und daher liessen sie sich von der naturwissenschaftlichen Dritte-Person-Perspektive nicht fassen. Damit hatte Nagel dem ominösen Qualiabegriff neue Stärke verliehen und zugleich eine neue Form des Dualismus eingeführt, einen Eigenschaftsdualismus.2 Doch Davidsons Argument kann auch auf Qualia angewendet werden: Wenn sie irgendeine kausale Wirkung auf materielle Vorgänge haben, dann müssen sie sich in einem naturwissenschaftlichen Vokabular fassen lassen. Frank Jackson bot eine Lösung für dieses Problem mit der These, dass Qualia lediglich Epiphänomene ohne kausale Wirkungen sind. (Jackson, 1982). Mit seinen Gedankenexperimenten von Mary und Fred lanciert er jedoch gleichzeitig ein Argument gegen den Physikalismus. Er zeigte auf, dass wir über phänomenale Erfahrungen etwas über die Welt lernen, dass die Physik nicht beschreiben kann. Heute bezeichnet man diese Argumentation als „Knowledge-Argument“. Seine Gedanken-experimente funktionieren folgendermassen, wobei das erste weitaus bekannter ist als das zweite: Mary, eine Farbwissenschaftlerin, lebt in einem schwarz-weissen Raum und hat noch nie Farben gesehen. Dennoch lernt Mary in ihrem Raum alles, was es aus wissenschaftlicher Perspektive über Farben zu wissen gibt: Sie kennt die Wellenlängen aller Farben und kann ihnen alle geläufigen Namen für Farben zuordnen, sie kennt die neuronalen Prozesse bei der Verarbeitung von Farben, sie weiss um die psychologischen Wirkungen von Farben, sie kann zu jeder Farbe gewisse Gegenstände benennen, die typischerweise diese Farbe besitzen usw. 1 Gemeint ist das kanadische Ehepaar Paul und Patricia Churchland. Es sind beide PhilosophInnen. Nagel verwendet denn Begriff „Qualia“ zwar nicht selbst, spricht jedoch in seinem gesamten Aufsatz darüber. Historisch geht der Qualiabegriff auf C.I. Lewis zurück, der Qualia als Eigenschaften von Sinnesdaten ansah. (Tye, 2016). 2 2 Kurzum, sie kennt alle naturwissenschaftlichen Fakten über Farben und Farbwahrnehmung. Das Argument von Jackson, das intuitiv enorm plausibel erscheint, ist, dass Mary etwas Neues über die Welt lerne, sobald sie aus ihrem Raum trete und Farben sehe. Sie lerne etwas, das sie trotz ihres umfassenden Wissens über Farben vorher noch nicht gewusst habe und auch nicht hätte wissen können, nämlich wie es ist, Farben zu sehen. Fred indes sieht eine Farbe mehr, wo alle anderen Menschen nur Rot sehen. Auch wenn man in seiner Netzhaut eine neue oder zusätzliche Zapfenart finden würde und die gesamte zusätzliche Prozessierung dieser Informationen im Gehirn beschreiben würde, so würden wir doch nie erfahren, wie diese andere Farbe aussieht, die Fred bewusst wahrnimmt. Wir könnten niemals physikalisch beschreiben, wie es ist, die Farbe zu sehen, die Fred sieht. Diese Beispiele würden zeigen, so Jackson, dass der Physikalismus falsch sei, obschon oder gerade weil Qualia nicht in die Kausalkette einwirken würden. Eine verwandte Auffassung findet man bei David Chalmers (1996). Er verneint nicht nur explizit, dass Qualia physikalisch erklärt werden können, sondern ebenso, dass Qualia physische Entitäten sind. Er baut seine Argumentation primär auf dem Gedankenexperiment über philosophische Zombies auf. Die Idee philosophischer Zombies ist mit der Darstellung der Zombies aus Hollywood kaum zu vergleichen. Es handelt sich dabei um den Gedanken, dass wir uns eine Welt vorstellen können, die physikalisch mit der unseren identisch ist, in der jedoch unsere Doppelgänger - die müssen gegeben sein, sonst wären die Welten nicht physikalisch identisch - keine bewussten Erfahrungen machen. Diese Zombie-Doppelgänger wären von aussen durch alle wissenschaftlichen Untersuchungsmethoden nicht von uns zu unterscheiden, jedoch in ihrem „Innern“ sind sie leer. Angenommen ein Mensch aus unserer aktualen Welt würde eine Mögliche-Welten-Reise machen und bei seiner Rückkehr versehentlich in der Zombiewelt anstatt in unserer Welt landen, er hätte keine Chance einen Unterschied festzustellen. Chalmers Argument gegen den Materialismus funktioniert dann folgendermassen (Chalmers, 1996, S.123): 1. In unserer Welt gibt es bewusste Erfahrungen („conscious experience“) 2. Es gibt eine logisch mögliche Welt, die physikalisch mit unserer identisch ist, in welcher die positiven Fakten über das Bewusstsein („positive facts about consciousness“) aus unserer Welt nicht gelten. 3. Daher sind Fakten über das Bewusstsein zusätzliche Fakten über unsere Welt, die über die physikalischen Fakten hinausgehen. 4. Also ist Materialismus falsch. 3 Es ist anzumerken, dass Chalmers hier unter Bewusstsein (consciousness) allein den phänomenalen Begriff des Geistes versteht, Qualia oder das was Qualia tragen, nämlich phänomenale Eigenschaften oder Qualitäten, den er dezidiert vom psychologischen Begriff des Geistes unterscheidet: ,,On the phenomenal concept, mind is characterized by the way it feels; on the psychological concept, mind is characterized by what it does.“ (Chalmers, 1996, S.11). Chalmers ist dafür bereit, eine Reihe von Konzepten als psychologisches Bewusstsein und physikalisch erklärbar zu klassifizieren, welche intuitiv in ihrer Komplexität den phänomenalen Bewusstseinszuständen in nichts nachstehen. Zu diesen Konzepten zählt er unter anderem Selbstbewusstsein, Wachsein, Introspektion und Wissen. Seine Argumentation dreht sich ausschliesslich, um die Irreduzibilität und Unfassbarkeit des phänomenalen Bewusstseins bzw. von Qualia und er gilt daher auch als einer der wenigen verbliebenen Dualisten. Widerstand gegen den Dualismus Die schärfste Kritik an der qualia-dualistischen Position, die mir bekannt ist, dürfte diejenige von David Lewis sein. In seinem Aufsatz What Experience Teaches (Lewis, 2007) zeigt er zunächst auf, dass das, was Erfahrung lehrt, nicht identisch ist mit Wissen de se, d.i. Wissen, mit dem wir uns subjektiv in der Welt verorten und zwar, weil wir immer noch wissen, wie es ist eine Erfahrung zu haben, wenn wir sie nicht mehr aktuell de se haben. Als nächstes konstatiert er, dass die gesamte Argumentation über Qualia den phänomenalen Aspekt von Erfahrung immer schon als gegeben hinnimmt. Man kann die Hypothese, dass es phänomenale Informationen gibt, nicht neutral aufstellen, ohne im Vornherein vorauszusetzen, dass Informationen über Erfahrungen phänomenale Informationen sind, denn wenn die Hypothese falsch ist, gibt es immer noch Erfahrungen und doch gibt es keine phänomenale Information darin. Am Schluss stellt er dann als alternative Erklärung, was dieser phänomenale Aspekt sein soll, die Fähigkeitshypothese auf: „Die Fähigkeitshypothese besagt, dass das Wissen, wie eine Erfahrung ist, einfach im Besitz dieses Vermögens besteht sich an etwas zu erinnern, sich etwas vorzustellen oder etwas wiederzuerkennen. […] Es ist kein Wissen-dass. Es ist Wissen-wie. Daher ist es nicht verwunderlich, dass kein Unterricht erklären kann, wie eine Erfahrung ist. Unterricht vermittelt Information, eine Fähigkeit ist etwas anderes.“ (Lewis, 2007, S.84) Lewis spielte eine gewisse Rolle in der Entwicklung des sogenannten Common-SenseFunktionalismus. Zumindest schrieb er das wohl beste Essay zur Veranschaulichung einer funktionalistischen Methodik in der Erklärung des Mentalen (Lewis, 1966). Wenn unsere 4 alltagspsychologischen Begriffe von mentalen Zuständen theoretische Begriffe seien und uns die Alltagspsychologie alle nötigen Begriffe liefert, um diese theoretischen Begriffe angemessen miteinander zu verknüpfen, dann könnten die Begriffe mentaler Zustände allein über die kausalen Rollen der bezeichneten mentalen Zustände definiert werden, was uns unter Umständen irgendwann ermöglichte, die theoretischen Begriffe der Alltagspsychologie beispielsweise durch neurobiologische Begrifflichkeiten zu ersetzen.3 Der Weg über den Common-Sense bzw. die Alltagspsychologie hat den Vorteil, dass man ein theoretische Beschreibung mentaler Zustände und ihrer kausalen Rollen entwickeln kann, die eine multiple Realisierbarkeit zulässt. Damit ist gemeint, dass die Träger der beschriebenen kausalen Rollen nicht allein menschliche neuronale Zustände sein müssen, sondern es können auch davon verschiedene tierische neuronale Zustände oder Zustände in den Schaltkreisen einer Maschine u.Ä. sein. Diese Überlegungen zur multiplen Realisierbarkeit lassen auch die eliminative Position der Churchlands für viele Naturalisten unattraktiv aussehen. Nichtsdestotrotz würden Chalmers, Jackson und Nagel wahrscheinlich auf die Irreduzibilität der phänomenalen Qualitäten bewusster Erfahrungen beharren. Michael Tye bietet im Stanford Artikel zu Qualia (Tye, 2016) ein Argument gegen die Fähigkeitshypothese von Lewis an: Obschon Mary alles über Farben weiss, wird sie bei der Sichtung eines bestimmten Rottons nicht fähig sein, diesen mit einer bestimmten Wellenlänge zu identifizieren. Sie wird ihn auch nicht vom Rotton der nächsten grösseren oder kleineren Wellenlänge unterscheiden können. Das heisst: Obschon Mary im Moment, in dem sie den entsprechenden Rotton sieht, weiss, wie es ist, diesen Rotton zu sehen, kann sie nicht sagen, um welchen spezifischen Rotton es sich handelt und wird auch nicht fähig sein, genau diesen Rotton wiederzuerkennen oder zu erinnern. Damit gerate die Fähigkeitshypothese von Lewis in Probleme. Ein Vertreter, der sich Lewis wiederum in vielen Dingen anschliessen würde, ist Daniell C. Dennett. Er schliesst sich der Ansicht an, dass es keinen guten Grund gebe, zu behaupten, dass das Bewusstsein nicht naturwissenschaftliche erforschbar sei und schlägt in seinem Buch Süsse Träume (Dennett, 2007) sogar eine Methode zur Erforschung des Bewusstseins vor, die er Heterophänomenologie nennt. Er stellt diese Methode als einen adäquaten Umgang mit subjektiven Daten (Beschreibungen subjektiven Erlebens) gekoppelt mit objektiven Messdaten vor. Man müsse die subjektive Perspektive zwar ernst nehmen, aber sie dennoch nicht als Untersuchungsmethode, sondern als Untersuchungsobjekt behandeln. Die subjektiven 3 Für eine starke Charakterisierung des Common-Sense-Funktionalismus siehe auch (Braddon-Mitchell und Jackson, 2007) 5 Aussagen werden als aufrichtig geschildert angenommen, jedoch als wahrheitswertneutral aufgefasst und mit den wissenschaftlichen Daten zu erklären versucht. Zur Veranschaulichung nennt Dennett unseren phänomenalen Eindruck, dass wir am Rande unseres Sichtfelds ebenfalls farbig sehen, obschon dies faktisch nicht der Fall ist: ,,Die Frage, die gestellt und beantwortet werden muss, lautet: Warum glauben Menschen, dass ihr Sehfeld von der Mitte bis zum Rand gleichermassen detailliert und farbig ist? Und nicht: Da ja die Sehfelder von Menschen von der Mitte bis zum Rand gleichermassen detailliert und farbig sind (das ist, was sie und erzählen) – warum sind sie dann nicht in der Lage, Dinge zu identifizieren, von denen sie sehen, dass sie sich in den parafovealen Teilen ihres Sehfelds bewegen?" (Dennett, 2007, S.55) Schluss – Positionsbeziehung Freilich ist die obige Übersicht über die Diskussion der Erfassbarkeit des Mentalen in weiten Teilen unvollständig. Dennoch lässt sich daraus ersehen, wie verschieden die Positionen in dieser Debatte sind, wo die Differenzen von Kleinigkeiten bis hin zu riesigen ontologischen Streitpunkten reichen. Die dualistischen Positionen bestechen zwar mit ihren intuitiv plausiblen Gedankenexperimenten und Betrachtungen, jedoch sind ihre Fundamente schwächer als sie scheinen. Lewis macht diese Schwächen mit den vorgestellten Argumenten mehr als ersichtlich und Dennetts Methode der Heterophänomenologie überzeugt vor allem, weil sie eine tatsächlich Praxis beschreibt, die womöglich zur treffenden Charakterisierung des subjektiven Moments von Erfahrung führen könnte. Das Argument von Tye gegen die Fähigkeitshypothese vermag nicht zu überzeugen. Es setzt voraus, dass die Fähigkeitshypothese beinhaltete, dass Mary im Fall ihres Freigangs in den Farben für jedes Knowing-That auch ein entsprechendes Knowing-How erwerben müsste. Dies scheint der Hypothese von Lewis keineswegs inhärent zu sein. Genauso wie ein Knowing-That nicht hinreichende Bedingung ist für ein KnowingHow, wie das Gedankenexperiment von Mary trefflich veranschaulicht, genauso wenig ist ein Knowing-How hinreichende Bedingung für ein Knowing-That; Ich kann Fahrrad fahren, ohne die physikalischen Bedingungen dafür zu kennen. Ich könnte jedoch nicht Fahrrad fahren, wenn die physikalischen Bedingungen dies nicht zulassen würden. Solange Mary also Farben sieht, erinnern und erkennen kann, die sie theoretisch mithilfe von Messgeräten auf ihr Knowing-That zurückführen könnte, besteht für die Fähigkeitshypothese keine Gefahr. Ein Problem wäre es, wenn sie plötzlich Farben wahrnehmen würde, die in keiner Weise auf ihr umfassendes Wissen 6 über Farben reduziert werden könnte. Der Fall von Fred und seiner ausserordentlichen Rotwahrnehmung müsste diesbezüglich besser analysiert und auf seine Möglichkeit hin überprüft werden, um dem Argument von Tye mehr Kraft zu geben. Der Fall von Chalmers ist dagegen viel komplizierter, weil sein System auf modallogischen Überlegungen fusst, für die es zwar sehr wohl eine Semantik gibt, aber dabei ist keineswegs klar, welche Gültigkeiten dieser Semantik sinnvollerweise zugeschrieben werden können, wenn wir Erkenntnisse über unsere Welt generieren wollen. Ich persönlich halte die Zombieargumentation nicht für überzeugend, ohne hier eine durchdachte Kritik der Modallogik verfassen zu können. Das Problem mit der Argumentation liegt darin, dass eine logische Möglichkeit für sich noch überhaupt nicht für die Realität bedeuten muss. Ob die phänomenalen Qualitäten von Erfahrungen physikalische Eigenschaften sind oder nicht, ist letztlich ein Urteil, dass empirisch gefällt werden muss; Es ist ein synthetisches Urteil. Das Problem mit synthetischen Sätzen ist nun, dass sie im passenden logischen Setting stets logisch möglich zu sein scheinen. Es ist logisch möglich eine Welt zu postulieren, die allein aus Schuhen besteht. Genauso widerspricht sich das Postulat eines Gottes oder eines fliegenden Spaghettimonsters nicht selbst und stellt daher eine logische Möglichkeit dar. Daraus können wir aber noch nichts über unsere Welt ableiten. Sobald wir in der Zukunft neuronale Zustände festmachen können, die hinreichende Bedingungen für phänomenale Bewusstseinszustände darstellen, verfliegt die logische Möglichkeit von Chalmers Zombiewelt, weil wir dann ein neuronales Korrelat und einen phänomenalen Bewusstseinszustand in ihrer Bedeutung gleichsetzen könnten. Damit würde Chalmers Zombiewelt einen möglichen analytischen Satz negieren und enthielte einen Selbstwiderspruch. Und selbst wenn wir dies in den nächsten 200 Jahren noch nicht geschafft hätten, so bestüde trotzdem immer noch die Möglichkeit in unserer Welt, dass es dieses neuronalen Korrelate gibt. Chalmers Dualismus verletzt daher sowohl heute als auch dann noch, dass Sparsamkeitsprinzip der Wissenschaften. Es ist klar, dass der Subjektivität in der Diskussion um das Fremdpsychische besondere Aufmerksamkeit gebührt, aber sie zu mystifizieren wird uns nicht weiterhelfen. Der Inhalt phänomenaler Erfahrung scheint doch stets aus physikalischen Entitäten zu bestehen. Dies gegeben und auch dass das Zustandekommen von phänomenaler Erfahrung auf physikalischen Vorgängen beruht, scheint die zwischengeschaltete Subjektivität trotzdem ein Faktum zu sein, dass sich so leicht nicht fassen lässt. Möglicherweise kann man es aber für die Frage nach dem Wissen über Fremdpsychisches ausklammern. So könnte doch das Wissen über die Existenz der Subjektivität bereits ausreichen, um das Bild zu füllen. 7 Bibliographie - Braddon-Mitchell, David, und Jackson, Frank, 2007, Philosophie of Mind and Cognition. An Introduction, Blackwell Publishing Ltd. - Chalmers, David, 1996, The Conscious Mind. In Serach of a Fundamental Theory, Oxford University Press. - Davidson, Donald, 1970, Mental Events, in: David J. Chalmers (Hrsg.), Philosophy of Mind. Classical and Contemporary Readings, Oxford University Press, 2002, S.116-125. - Dennett, Daniel C., 2007, Süsse Träume. Die Erforschung des Bewusstseins und der Schlaf der Philosophie, Suhrkamp Verlag. - Jackson, Frank, 1982, Epiphenomenal Qualia, in: The Philosophical Quarterly 32, S.127-136. - Lewis, David, 1966, Psychophysical and Theoretical Identifications, in: David Chambers (Hrsg.), philosophy of mind. classical and contemporary readings, Oxford University Press, 2002, S.88-93. - Lewis, David, 2007, Was die Erfahrung lehrt, in: Wolfang Spohn (Hrsg.), Bewusstsein und Materialismus, Vittorio Klostermann, S.53-88. Original: What Experience Teaches, in: Proceedings of the Russellian Society 13, 1988, S.29-57. - Newen, Albert, 2007, Philosophie des Geistes. Eine Einführung, Verlag C.H.Beck. - Nagel, Thomas, 1974, What is it like to be a bat?, in: Philosophical Review 83, S.435-450. - Ryle, Gilbert, 1949, Descartes Myth, in: David J. Chalmers (Hrsg.), Philosophy of Mind. Classical and Contemporary Readings, Oxford University Press, 2002, S.32-38. - Tye, Michael, 2016, Qualia, The Stanford Encyclopedia of Philosophy (Winter Edition), Edward N. Zalta (ed.), URL = <https://plato.stanford.edu/archives/win2016/entries/qualia/>. 8