KLASSIZISMUS Teil 1 Ca. 1740 – 1840 Wiederentdeckung der griechischen Architektur – Ausgrabungen in Paestum , Sizilien und Griechenland Abkehr von der ausufernden Ornamentik mit Verkröpfungen, konkav- konvexen Schwingungen des Barock und Rokoko Bezugnahme zur Größe und geometrischen Klarheit der römischen Antike, die vor allem in den Projekten Boullées auftaucht Die Lehre und die Regeln der klassischen Säulenordnungen, wie sie durch Vitruv begründet waren, verloren ihre normative Wirkung. Nicht mehr die Einhaltung bestimmter am menschlichen Körper orientierter Proportionen war nun maßgebend sondern die Wirkung eines Bauwerkes auf den Betrachter wurde zum wichtigsten Bezugspunkt. Ziel war es den Vorrang der Antike zu durchbrechen und zu übertreffen. Daraus sollte sich eine Wirkungsästhetik ergeben in deren Mittelpunkt Begriffe wie: gout, charactère und symmetrie (Geschmack, Charakter und Symmetrie) standen. „Der durch Proportionen und die Wahl bestimmter Stile gebildete spezifische Charakter eines Gebäudes müsse der jeweiligen Bauaufgabe angemessen sein.“ Dies führt bei der es Charaktere Gebäude es wiederum zu einer Architecture parlante – einer sprechenden Architektur, keine Hierarchie der Bauten mehr gab, sondern nur noch unterschiedliche der Bauten, die dem Betrachter sofort vermitteln sollten, um was für ein sich handelt bisweilen sogar was für Menschen darin wohnen. Leipzig 1788 Anonym Gebäude A scheint höher als B zu sein aufgrund der Dachneigung. A scheint nicht so bevölkert zu sein wie B, was an den weit auseinanderliegenden Schornsteinen ersichtlich wird. Gebäude C hat nichts Auffallendes. Hier wohnen ruhige und zufrieden Menschen in angenehmer Stille. Die Plinte des Hauses (der „Fuß des Hauses“). Dem Haus scheint etwas zu fehlen, wenn diese nicht vorhanden ist. Die abgeschrägte Plinte in M nimmt diesem an Höhe, macht es aber gleichzeitig lebhafter Gebäude N und O: N erscheint durch die Vertikalgliederung höher als O. Bei O werden die Geschosse durch Gurtgesimse betont. Gebäude P, hier ist die Tür sehr klein, es herrscht stille Feier. Es erfüllt uns mit Schwermut; es soll den Vorübergehenden mit stiller Ehrfurcht erfüllen. Gebäude Q: Die größere Tür macht das Gebäude lebhafter; es ist heiterer und zugänglicher. Gebäude R: Der feierliche Ernst verschwindet vollkommen; es sinkt zu einem ganz gemeinen Gebäude herab. Gebäude S: das durchschneidende Portal zerstört jede Feierlichkeit und Größe des Hauses. Tür und Freitreppe gehören zusammen. Die Treppe lädt ein, macht den Zugang beschwerlich oder leicht. Tür 1: verrät Sorglosigkeit oder Armut- weder gesunde noch angenehme Wohnung Tür 2: würde man gegenüber Tür 1 bevorzugen, weil Tür 1 eher nach dem Eingang eines unterirdischen Gewölbes anmutet (siehe unsere heutigen Hauseingänge! Tür 3: verspricht an einen sehr angenehmen Ort zu führen. Wie reinlich, wie wohlhabend und glücklich sein Besitzer! Tür 4: das Gebäude ist sehr bevölkert und zahlreichen Veranstaltungen gewidmet Treppe 5: Tempel in Mexico zu Verrichtung von Feierlichkeiten Tür 6: Höhe und Form deuten daraufhin, dass dies kein Haus zum Wohnen sein kann. Für viele ist die Treppe zu schmal..Die Treppe erfordert Entschlossenheit, der erhabene und der heroische Charakter verlangen steile Treppen mit hohen Stufen. Fenster - Größe und Stellung Die Brusthöhe des Fensters ist das unverkennbare Zeichen der Bewohnung. Die Bewohner in W wohnen bequemer und geräumiger. Sie stehen gesellschaftlich höher als die in V. Das erkennt man an den Fenstern: Gebäude V: große Fenster, dadurch im Innern hell erleuchtet, aber sie bedecken fast die ganze Fassade. - Daraus entsteht unangenehme Wirkung: Stark bevölkert und sehr eingeteilt. Dürftige Einteilung lässt auf armes und gemeines Volk schließen. Gebäude W: die kleineren Fenster geben eine freiere Fassade und vermitteln einen glücklicheren Zustand. Gebäude X: „...hier wimmelts von einem niedrigen Pöbel“, Ärmlichkeit der Seitenrisalite, die gewölbten oberen Fenster verraten „...belachenswerten Bettlerstolz“ Gebäude Y: ist still und einsam. Kleine Gesellschaft von Menschen. Einfaches und ernstes Profil des Hauses. Von den Verzierungen Die Kolonnaden Der Eindruck der Höhe nimmt ab, je weiter die Pfeiler auseinander stehen. Das Gebäude b scheint brauchbarer zu sein als a - weil es nicht nur für die Säulen da zu sein scheint. Die Regel: „Je reicher die Kolonnade ist, desto mehr zieht sie unsre Aufmerksamkeit von dem Geist des Gebäudes ab. Sie frappiert, aber sie rührt nicht. Sanfte Charaktere also, überhaupt alle, die Bewunderung und stilles Nachdenken erwecken sollen, vertragen keine zahlreichen Säulenstellungen. Vielmehr sind diese dem lebhaften, prächtigen und heroischen Charakter eigen.“ Charakter beruht in der Architektur immer auf sichtbaren Merkmalen Charakterlehre taucht im 18. Jahrhundert das erste mal auf. Die französische Charakterlehre weist Formen, Dekorationen und Gebäudeteilen eine bestimmte Bedeutung zu. Bestimmte Element verleihen dem Gebäude eine bestimmte Bedeutung einen bestimmten Charakter „Der caractère ist die Ausdrucksfunktion eines Gebäudes. Der caractère hat in der Architekturtheorie des 18. Jh. die Aufgabe, die Zweckbestimmung von Gebäuden durch entsprechende Dimensionierung und Dekoration unmittelbar einsichtig zu machen. Zugleich soll die Bedeutung der jeweiligen Bauaufgabe und die soziale Rangstellung des Besitzers deutlich werden...“ Boulée: Entwurf zu Neue Oper, Paris Boulée: Entwurf zu Neue Oper, Paris Boullée: Stadttore Boullée: Kenotaph „Um diesen Monumenten eine düstere Atmosphäre zu sichern, ließ ich die Oberflächen schmucklos. Die ungeteilte Masse vermittelt eine Aura von Unveränderlichkeit.“ Boullée: Kenotaph für Newton, 1784 Äußeres bei Nacht Die Kugel stellt als vollkommene Form das Universum dar. „Unter der Kunst, einem Werk Charakter zu verleihen, verstehe ich die Anwendung aller geeigneter Mittel, so dass im Betrachter nur die Empfindungen hervorgerufen werden, die für dieses Thema zutreffen, die ihm wesentlich sind und für die es geeignet ist.“ Der erhöhte Sarkophag wir zu dem einzigen Fixpunkt in der Unendlichkeit des Raumes. „Wohin man auch blickt, immer gewahrt man (wie in der Natur) eine einzige durchlaufende Oberfläche. „Man sieht ein Monument, in dem der Betrachter wie durch einen Zauber in die Lüfte gehoben und auf den Dämpfen der Wolken in die Unendlichkeit des Raumes getragen wird.“ Die vor die leere Wand gestellten Atlanten tragen das Universum als Zusammenfassung des menschlichen Wissens Boulée: Lesesaal der National-Bibliothek (Entwurf) Boullée: Metropole Claude-Nicolas- Ledoux 1736 - 1806 Claude- Nicolas Ledoux (1736 - 1806) Haus der Flurwächter, nach 1785 gezeichnet Die Kugel als vollkommene Verkörperung des Erhabenen Die Kugel aus Stein wäre technisch unlösbar gewesen. Es handelt sich wohl eher um ein Symbol als um ein Wohnhaus. Ledoux Haus der Flußinspektoren der Loue Wasser und Felsen werden als emblematische Motive benutzt um die Architektur zum sprechen zu bringen Ledoux, Werkstatt der Reifenmacher „Ganz eine Schöpfung der stereometrisch konstruierenden Phantasie...“ Das Kreismotiv weist auf die Bestimmung des Gebäudes hin: hier sollen die Reifen für die Tonnen hergestellt werden, in denen das Salz der Saline von Chaux bewahrt und verschickt wird. Ledoux Jean- Jacques Lequeu ( 1757 - 1825?) Claude-Nicolas- Ledoux Oben: erstes Projekt für die Saline von Chaux 1773 2. Projekt für die Saline von 1775 Hierarchisierung der Verkehrswege in Haupt- und Nebenstraßen; Verbindung von Stadt und Landschaft; funktional getrennte Gebäude, jeweils nach den jeweiligen Bedürfnissen gestaltet 2. Projekt für die Saline von Chuax 1775 Die Auflösung des barocken Verbandes hin zum Pavillonsystem. Die Körper beginnen sich zu lösen und „freizuschwimmen“ Saline von Chaux Perspektive des Marktes