Diagnose: Demenz - Herausforderung in der Pflege

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Bachelorarbeit
Diagnose: Demenz Herausforderung in der Pflege
an der
Medizinischen Universität Graz
Studiengang Gesundheits- und Pflegewissenschaft
im Rahmen der Lehrveranstaltung
„Grundlagen für Evidence Based Nursing“
Betreuerin: Mag. phil. Dr. phil. Susanna Schaffer
Billrothgasse 6
8010 Graz
Verfasst von: Petra Karpf
Matrikelnummer: 1033176
Graz, September 2012
Zusammenfassung
Meine Arbeit „Diagnose: Demenz – Herausforderung in der Pflege“ beschreibt
Möglichkeiten zur Pflege und Betreuung von desorientierten und verwirrten
Menschen, welche aufgrund ihrer psychischen Erkrankung in ihrer Selbstständigkeit
eingeschränkt sind und Hilfe bei der Bewältigung des Alltags brauchen.
Als Methode wählte ich die Literaturrecherche und wurde in der Medizinischen
Universitätsbibliothek Graz fündig. Des Weiteren nützte ich die Suchmaschinen
„google“ und „google scholar“ für Informationen.
Im ersten Teil der Arbeit wird die Krankheit aus medizinischer Sicht beleuchtet. Dabei
gehe ich unter anderem auf die Symptome, die Diagnosestellung und die
Behandlungsmöglichkeiten, welche sich in medikamentöse und nicht-medikamentöse
gliedern, ein. Darauf folgend beantworte ich die erste Forschungsfrage mit Hilfe des
psychobiografischen Konzepts von Böhm, der Validation von Naomi Feil, des
personenzentrierten Ansatzes von Tom Kitwood und der basalen Stimulation. Die
zweite Forschungsfrage wird im dritten Teil der Arbeit behandelt, welche spezielle
pflegerische Aspekte im Alltag von demenzkranken Menschen erklärt. Im
Besonderen beschäftige ich mich mit den Schwerpunkten Kommunikation,
Körperpflege, Ess- und Schlafverhalten, Mobilität und zuletzt mit der
Alltagsgestaltung.
Schlüsselwörter: Demenz, Pflegekonzepte, Validation, psychobiografisches Modell,
personenzentrierter Ansatz, Dementia Care Mapping, basale Stimulation,
Verwirrtheit, Alltag mit Demenz
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung ...............................................................................
6
2. Demenz aus medizinischer Sicht .........................................
7
2.1 Definition von Demenz ......................................................................
7
2.2 Symptome .........................................................................................
7
2.3 Differentialdiagnosen .........................................................................
9
2.4 Ursachen ........................................................................................... 10
2.5 Demenzformen .................................................................................. 11
2.5.1 Primäre Form ............................................................................. 11
2.5.2 Sekundäre Form ........................................................................ 12
2.6 Diagnostik ......................................................................................... 12
2.7 Schweregrade der Demenz ............................................................... 14
2.7.1 Leichte Demenz ......................................................................... 14
2.7.2 Mittelschwere Demenz ............................................................... 15
2.7.3 Schwere Demenz ....................................................................... 15
2.8 Therapie ............................................................................................ 15
3. Pflegemodelle für die Betreuung von
demenzkranken Menschen ................................................... 18
3.1 Psychobiografisches Pflegemodell nach Erwin Böhm ....................... 18
3.1.1 Inhaltliche Aspekte des psychobiografischen Pflegemodells ..... 18
3.1.2 Interaktionsstufen ....................................................................... 20
3.1.3 Ziele des psychobiografischen Pflegemodells ........................... 21
3.2 Validation nach Naomi Feil ................................................................ 21
3.2.1 Validation und ihre Anwendung ................................................. 22
3.2.2 Ziele der Validation .................................................................... 22
3.2.3 Validationsanwender .................................................................. 23
3.2.4 Veränderungen durch Validation ................................................ 23
3.3 Basale Stimulation ............................................................................. 23
3.3.1 Ziele der basalen Stimulation ..................................................... 24
3.3.2 Arten der basalen Stimulation .................................................... 24
3.4 Personenzentrierte Pflege nach Tom Kitwood .................................. 27
3.4.1 Bedürfnisse demenzkranker Menschen ..................................... 28
3.4.2 Dementia Care Mapping (DCM) ................................................. 29
4. Pflegerische Aspekte im Umgang mit
demenzkranken Menschen ................................................... 31
4.1 Kommunikation .................................................................................. 31
4.2 Körperpflege ...................................................................................... 33
4.3 Essverhalten ..................................................................................... 34
4.4 Schlafverhalten .................................................................................. 34
4.5 Mobilität ............................................................................................. 35
4.6 Alltagsgestaltung ............................................................................... 36
5. Schlussfolgerung .................................................................. 38
6. Literaturverzeichnis .............................................................. 39
Abbildungsverzeichnis ............................................................. 41
Tabellenverzeichnis .................................................................. 41
1. Einleitung
Die Demografie unserer österreichischen Gesellschaft veränderte sich in den letzten
Jahrzehnten enorm. Im Besonderen zeigt sich das in der demografischen Alterung.
Die Menschen werden immer älter und die Zahl der Demenzerkrankungen steigt.
Laut dem Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz sind
zurzeit ca. 100000 Menschen in Österreich an Demenz erkrankt. Jede/r Dritte der
über 95 Jährigen leidet an dieser Krankheit (Gleichweit, Rossa 2009, S. 12). Laut
Schätzungen wird die Zahl der Betroffenen im Jahr 2050 doppelt so hoch sein
(http://www.bmask.gv.at/site/Soziales/Pflege_und_Betreuung/Betreuende_und_pfleg
ende_Angehoerige/Demenz abgerufen am 6. August 2012).
Meine ersten Kontakte mit dementen Menschen hatte ich bei meinem intramuralen
Praktikum im LKH Graz auf der Station „Spezielle Neurologie“ und vor allem bei
meinem extramuralen Praktikum in einer Langzeitpflegeeinrichtung in Graz.
Da der Großteil der zu pflegenden Personen an Demenz erkrankt war, stieg mein
Interesse für dieses Thema. Anfangs stellte es für mich eine Unsicherheit dar, diesen
Menschen zu begegnen. Die Situation im Pflegeheim zeigte sich mir sowohl für die
Bewohner/Bewohnerinnen als auch für die Pflegenden nicht zufriedenstellend. Mit
viel Empathie versuchte ich mich in die Gedankenwelt dieser Menschen zu
versetzen. Der Umgang mit demenzkranken Personen beschäftigte mich weiterhin,
sodass ich beschloss, meine Bachelorarbeit über dieses Thema zu verfassen.
Deshalb begab ich mich auf Literaturrecherche, um mehr über diese Krankheit zu
erfahren und stieß auf folgende für mich wichtige Forschungsfragen:
1. Welche Pflegemodelle unterstützen die Betreuung demenzkranker
Menschen?
2. Welche pflegerischen Aspekte gibt es im Umgang mit demenzkranken
Menschen, um deren Lebensqualität und Lebenszufriedenheit zu steigern?
Das Ziel meiner Arbeit ist es zu zeigen, dass die doch unheilbare Krankheit nicht nur
aus einem negativen Blickwinkel betrachtet wird, sondern, dass es zahlreiche
Methoden gibt, die den Alltag demenzkranker Menschen erleichtern und deren
Lebensqualität und –zufriedenheit steigern.
6
2. Demenz aus medizinischer Sicht
Im ersten Teil meiner Arbeit wird das Krankheitsbild Demenz näher erläutert.
2.1 Definition von Demenz
Unter dem dementiellen Syndrom wird laut der internationalen Klassifikation
psychischer Störungen von 2011 die Folge einer zerebralen Krankheit verstanden,
welche vermehrt im höheren Alter auftritt. Demenz ist meist eine chronische oder
fortschreitende Erkrankung, welche sich auf sämtliche Funktionen des Gehirns
auswirkt und so viele kortikale Fähigkeiten, angefangen vom Gedächtnis, der
Orientierung und dem geordneten Denken über die Auffassung, Sprache und
Urteilsfähigkeit bis hin zur Lese- und Rechenfähigkeit, beeinträchtigt. Das
Bewusstsein bleibt unbeeinflusst (Dilling, Mombour et al. 2011, S. 73).
Demenz wird vom lateinischen Wort „dementia“ abgeleitet und „(…) bedeutet so viel
wie ohne Geist oder ohne Verstand“ (Gatterer, Croy 2005, S. 10). Es ist kein
einheitliches klinisches Krankheitsbild, sondern ein Syndrom. Darunter wird ein
Zustandsbild, das auf vielen verschiedenen Ursachen beruht, verstanden. Genauso
bringt diese Erkrankung viele unterschiedliche Symptome mit sich, wobei das
Hauptsymptom die Gedächtnisstörung ist. Auf Grund des Verlustes vieler
intellektueller und kognitiver Fähigkeiten wirkt sich die Krankheit stark auf das Leben
der Betroffenen und deren Angehörigen aus, denn die Lebensqualität wird mehr und
mehr eingeschränkt und der/die Demenzkranke ist auf Unterstützung angewiesen
(Gatterer, Croy 2005, S. 10).
2.2 Symptome
Das Leitsymptom und meistens auch das erste Symptom dieser organischen
Krankheit ist der Abbau der Gedächtnisleistungen. Anfangs ist ein Verlust des
Kurzzeitgedächtnisses bemerkbar, doch mit Fortschreiten der Krankheit betrifft
Demenz auch das Langzeitgedächtnis (Gatterer, Croy 2005, S. 10). Manchmal wird
bei Beginn der Krankheit eine depressive oder ängstliche Stimmung beobachtet
(Haupt, Jochheim et al. 2009, S. 413).
7
„Es ist, als würde ich dem Vater in Zeitlupe beim Verbluten zusehen. Das
Leben sickert Tropfen für Tropfen aus ihm heraus. Die Persönlichkeit sickert
Tropfen für Tropfen aus der Person heraus“ (Geiger 2011, S. 12).
Demenzkranke sind in ihren intellektuellen Fähigkeiten eingeschränkt. Sie haben
Schwierigkeiten beim Bilden von Urteilen und Verfassen von Kritik und beim
abstrakten Denken. Auch sind sie in ihrer Orientierung beeinträchtigt. Oft akzeptieren
die Betroffenen die Einschränkung ihrer kognitiven Leistung nicht (Gatterer, Croy
2005, S. 10).
Des Weiteren ist typisch, dass die Erkrankten Erkenntnisstörungen (Agnosie) haben.
Nicht nur Sprachstörungen wie die Aphasie, sondern auch Beeinträchtigungen in der
Motorik, zum Beispiel das Ausführen von zielgerichteten und kontrollierten
Bewegungen, zeigen sich. Außerdem ist das Lese- und Rechenvermögen reduziert.
Er/Sie ist oft schlecht gelaunt, depressiv, unmotiviert und leicht gereizt (Schröder
2006, S. 10).
„Er hatte sich verändert, sein bedrückter Gesichtsausdruck sprach nicht mehr
von der Verzweiflung darüber, vergesslich zu sein, sondern von der tiefen
Heimatlosigkeit eines Menschen, dem die ganze Welt fremd geworden war“
(Geiger 2011, S. 55).
Merkfähigkeit, Motivation und Leistungsbereitschaft sind reduziert. Nicht
eingeschränkt sind allerdings die Vigilanz und das Bewusstsein eines/r
Demenzkranken (Gatterer, Croy 2005, S. 30).
Im weiteren Verlauf der Krankheit können Demenzkranke inkontinent, immobil und
somit bettlägerig und pflegebedürftig werden, da die Ausscheidungsfunktionen und
wie bereits erwähnt die Bewegungsfähigkeit beeinträchtigt sind (Haupt, Jochheim et
al. 2009, S. 413).
Auswirkungen des dementiellen Syndroms zeigen sich im Alltag der Patienten.
Der/Die Demenzkranke hat Probleme sein/ihr Leben selbstständig zu organisieren,
denn alltägliche Aktivitäten wie sich zu kleiden oder sich zu pflegen werden im Laufe
8
der Krankheitsentwicklung immer langsamer und mit größeren Schwierigkeiten
ausgeführt (Haupt, Jochheim et al. 2009, S. 413).
2.3 Differentialdiagnosen
Differentialdiagnosen der Demenz sind vor allem das Delir und die Depression, denn
diese Krankheiten weisen als Symptom eine deutliche Beeinträchtigung der
kognitiven Fähigkeiten auf (Wetterling, Lanfermann 2002, S. 156).
Die Unterschiede zwischen der Demenz und den beiden Differentialdiagnosen sind
in Tabelle 1 ersichtlich.
Demenz
Beginn
Delir
schleichend über Monate plötzlich
Depression
schleichend über einige
Tage
Bewusstsein
klar
getrübt
klar
Affektivität
-
Angst
meist keine
häufig
sehr häufig
-
Depressive
häufig
meist keine
obligat
Aufmerksamkeit
normal  reduziert
deutlich reduziert
normal  reduziert
Auffassung
reduziert
reduziert
normal  reduziert
Orientierung
oft beeinträchtigt
gestört, v.a.
normal
Stimmung
zeitlich
Gedächtnis
-
Kurzzeitge-
gestört
gestört
kaum gestört
oft beeinträchtigt
gestört
oft beeinträchtigt
meist keine
häufig optisch u.
meist keine
dächtnis
-
Langzeitgedächtnis
Halluzinationen
akustisch
Wahn
meist kein
häufig
meist kein
Sonstige
Schlaf-Wach-Umkehr
oft Schlaf-Wach-
Ein- und
Umkehr
Durchschlafstörungen
psychopatholog.
Symptome
9
Psychomotorik
meist normal 
verringert/ge-
meist normal 
verringert/gesteigert
steigert (stark
verringert/gesteigert
wechselnd)
Sprache
Wortfindungsstörungen
inkohärent
normal
Obstipation, Müdigkeit
 Aphasie
Körperliche
meist keine 
häufig: Tremor,
Symptome
extrapyramidale
Schwitzen,
Störungen
Tachykardie
Tab. 1: Differenzierung Demenz – Delir – Depression (Wetterling, Lanfermann 2002,
S. 156)
2.4 Ursachen
Die Ursache für diese psychische Störung ist bis heute noch nicht völlig erforscht. Es
wird davon ausgegangen, dass erbliche Faktoren und Umwelteinflüsse eine Rolle bei
der Entstehung der Krankheit spielen. Aus medizinischer Sicht ist bekannt, dass
Demenz „(…) eine psychische Störung (…)“ ist, „(…) die auf den Verlust von
neuronalen Verbindungen zwischen den Ganglienzellen und auf den Zerfall bzw. die
Zerstörung von Ganglienzellen selbst zurückzuführen ist“ (Gatterer, Croy 2005, S.
12).
Die genauen Ursachen sind abhängig von der jeweiligen Art der Demenz, welche im
folgenden Kapitel genauer erklärt werden.
10
2.5 Demenzformen
Abb. 1: Demenz-Formen (Keller 2009, http://www.weka.de/altenpflege/6586-.html?content_id=30288661&newsletter=apf_apa_09_19_22930260/Diagnose_Dem
enz%3A_Formen_und_Symptome_(Teil_2)&va=22930260 abgerufen am 23. Juli
2012)
Wie in Abbildung 1 ersichtlich, wird beim dementiellen Syndrom zwischen „(primäre)
hirnorganische und (sekundäre) nicht-hirnorganische Demenzformen“ unterschieden
(Gatterer, Croy 2005, S. 12).
2.5.1 Primäre Form
Ca. 90% aller Demenzkranken leiden an der hirnorganischen Demenzform. Bei
dieser Demenzform bilden „neurodegenerative oder vaskuläre (gefäßbedingte)
Veränderungen“ die Ursache (Gatterer, Croy 2005, S. 12).
1. Alzheimer-Demenz: Hier liegen neurodegenerative Veränderungen vor. Das
bedeutet, dass sich die Nervenzellen ohne ersichtlichen Grund reduzieren.
Acetylcholin, ein wichtiger Neurotransmitter, der für das Speichern und
Abrufen von Informationen verantwortlich ist, wird zu wenig gebildet.
Außerdem sind Eiweißablagerungen aus Amyloid im Gehirn typisch.
Die genauen Ursachen für die Alzheimer-Demenz, welche häufiger als die
vaskuläre Demenz vorkommt, sind bis heute noch ungeklärt.
Wissenschaftliche Forschungen ergeben allerdings, dass zunehmendes Alter,
weibliches Geschlecht, genetische Belastungen, Rauchen und Alkohol
11
Risikofaktoren sind. Der Verlauf der Krankheit ist meist schleichend und
kontinuierlich (Gatterer, Croy 2005, S. 14 – 17).
2. Vaskuläre Demenz: Durch gefäßbedingte Ursachen wie zum Beispiel einem
Schlaganfall aufgrund einer Minderversorgung des Gehirns mit Sauerstoff
oder Durchblutungsstörungen, kann eine vaskuläre Demenz entstehen.
Risikofaktoren für die Entstehung der Krankheit sind Hypertonie, Rauchen,
Diabetes mellitus und Hypercholesterinämie. Im Unterschied zur AlzheimerDemenz weist die vaskuläre Demenz einen plötzlichen Beginn auf und
schreitet stufenweise voran (Gatterer, Croy 2005, S. 19).
3. Mischform: Dies ist eine Kombination dieser beiden hirnorganischen
Demenzarten (Gatterer, Croy 2005, S. 12).
2.5.2 Sekundäre Form
Bei der nicht-hirnorganischen Demenz bilden andere organische Krankheiten die
Ursache für die Verhaltens-, Befindlichkeits- und kognitiven Veränderungen. Gründe
für die Entstehung dieser Demenzform können zum Beispiel Hirnverletzungen,
Herzkreislauferkrankungen, Hirngeschwulste aber auch Medikamente, Alkohol und
andere Drogen sein (Gatterer, Croy 2005, S. 12).
2.6 Diagnostik
Für die Diagnose des dementiellen Syndroms müssen laut dem „Diagnostic and
Statistical Manual“ folgende Kriterien erfüllt werden: „Eine nachweisbare
Beeinträchtigung des Kurz- und Langzeitgedächtnisses und mindestens eines der
folgenden vier Merkmale (…):
1.) Beeinträchtigung des abstrakten Denkvermögens
2.) Beeinträchtigung des Urteilsvermögens
3.) Störung höherer kortikaler Funktionen, wie Aphasie (…), Apraxie, (…),
Agnosie (…) und konstruktiver Aufgaben (…)
4.) Persönlichkeitsveränderungen (…)“
(Gatterer, Croy 2005, S. 31).
12
Bedeutend ist, dass die kognitiven und motorischen Einschränkungen das Erledigen
von Alltagsaktivitäten, das Sozial- und Beziehungsleben beeinträchtigen. Diese
Störungen dürfen „nicht während eines Delirs (einer „kurzfristigen Verwirrtheit“)
auftreten“ und „es sollen Hinweise auf einen spezifischen organischen Faktor, der
einen ätiologischen Zusammenhang mit der Störung nahe legt, vorhanden sein“
(Gatterer, Croy 2005, S. 31). Des Weiteren muss festgestellt werden, dass den
Beeinträchtigungen keine psychische Störung zu Grunde liegt (Gatterer, Croy 2005,
S. 31).
Zur Diagnosestellung werden zu Beginn eine ausführliche Anamnese und im
Folgenden viele verschiedene Untersuchungen mit dem Patienten/der Patientin
durchgeführt wie zum Beispiel internistische und neurologische Untersuchungen,
Blutabnahmen, EKG, EEG, MRT und CT. Eine Positronen-Emissions-Tomographie
und eine Single-Photon-Emissions-Computertomographie werden zum Ausschluss
von Differentialdiagnosen gemacht, denn damit kann „die Durchblutung, der
Stoffwechsel, die Glukoseverteilung und die Rezeptorendichte und Aktivität von
Gehirnarealen untersucht werden (…)“ (Gatterer, Croy 2005, S. 32). Außerdem
werden Tests zur Beurteilung der kognitiven Fähigkeiten und Beeinträchtigungen
gemacht. Dazu gehören unter anderem der Mini-Mental-State-Fragebogen, der
Uhrentest, eine Depressionsskala und wenn möglich eine Fremdanamnese durch
Angehörige. Häufig finden diese Untersuchungen in Spezialzentren wie zum Beispiel
in einer Memory-Klinik oder in Gedächtnisambulanzen statt (Gatterer, Croy 2005, S.
32; 46).
Um festzustellen, ob eine Alzheimer oder eine vaskuläre Demenz vorliegt, wird der
Ischämie-Score nach Hachinski berechnet, welcher sich in die Anamnese und die
medizinischen Befunde gliedert. Allerdings ist anzumerken, dass endgültig eine
Demenz des Alzheimer-Typs erst mittels einer „(…) Gewebeprobe aus dem Gehirn
oder durch die Untersuchung des Gehirns (…)“ des verstorbenen demenzkranken
Menschen ermittelt werden kann (Gatterer, Croy 2005, S. 34f).
Eine Diagnose darf nicht aufgrund rein körperlicher Symptome gestellt werden, denn
„erst in fortgeschrittenen Stadien sind diskrete neurologische Auffälligkeiten
13
feststellbar“. Um eine Depression auszuschließen, wird eine „psychiatrische
Untersuchung“ durchgeführt (Lektorat Pflege, Menche 2011, S. 1247).
Die ersten Symptome werden von dem/der Betroffenen oft nicht erkannt oder er/sie
verleugnet sie. Erst wenn die Angehörigen die Verhaltensveränderungen und den
Verlust an Erinnerungen bemerken, schreiten sie ein und kontaktieren oftmals den
Hausarzt/die Hausärztin. Diese/r verweist gegebenenfalls seinen Patienten/seine
Patientin an einen Facharzt/eine Fachärztin weiter, welche/r die Diagnose stellt,
wobei dafür eine Zusammenarbeit von verschiedenen Fachdisziplinen sowie mit dem
Patienten/der Patientin und seinen/ihren Angehörigen wichtig ist. Entscheidend ist,
dass die Symptome „mindestens sechs Monate“ bestehen müssen (Gatterer, Croy
2005, S. 30f).
2.7 Schweregrade der Demenz
Es wird zwischen drei Schweregraden des dementiellen Syndroms unterschieden:
der leichten, der mittelschweren und der schweren Demenz (Lektorat Pflege, Menche
2011, S. 1246). In folgender Abbildung 2 ist ein Uhrentest sichtbar, welcher die
Stadien der Demenz widerspiegelt.
Normale Leistung
Leichte Demenz
Mittelschwere Demenz
Schwere Demenz
Abb. 2: Uhrentest (Stiftung Warentest 2007, http://www.test.de/Demenz-undAlzheimer-Wie-Sie-helfen-koennen-1494425-2494425/)
2.7.1 Leichte Demenz
Eine leichte Demenz liegt vor, wenn die Betroffenen in ihrer gewohnten Umgebung
die meisten Alltagsaktivitäten noch ausüben können, jedoch bereits über
Beeinträchtigungen klagen wie zum Beispiel das Vergessen von Erlebnissen vor
kurzer Zeit, Wortfindungsstörungen, anfängliche Probleme sich in fremder
Umgebung zurechtzufinden oder anspruchsvolle Tätigkeiten zu erledigen, jedoch
14
können sie noch ein unabhängiges Leben führen. Oft treten
Stimmungsschwankungen auf (Lektorat Pflege, Menche 2011, S. 1246).
2.7.2 Mittelschwere Demenz
Menschen mit einer mittelschweren Demenz leiden bereits zusätzlich an Störungen
des Langzeitgedächtnisses und vermehrt an Orientierungsstörungen. Sie verlieren
zunehmend die Fähigkeit Alltagsaktivitäten auszuführen, einfache Aufgaben können
noch erledigt werden. Die Betroffenen sind nun bereits in einem Stadium, in dem sie
ihre Krankheit nicht mehr verbergen können und auf Hilfe und Unterstützung, zum
Beispiel in Form einer Aufsichtsperson, angewiesen sind (Lektorat Pflege, Menche
2011, S. 1246).
2.7.3 Schwere Demenz
Personen mit einem höheren Grad an Demenz sind hilfsbedürftig und brauchen
Unterstützung in allen Lebensbereichen. Ihre motorischen Fähigkeiten verlieren sie
mehr und mehr und erkranken zunehmend an körperlichen Komplikationen. Zudem
können sie nur noch wenige Wörter sprechen (Lektorat Pflege, Menche 2011, S.
1246).
2.8 Therapie
Die einzelnen Therapien lassen sich in drei Gruppierungen einteilen:
1. „Basistherapie“: Dazu zählen regelmäßige Kontrollen und die medizinische
Behandlung von Begleiterkrankungen und Risikofaktoren wie Übergewicht,
Hypertonie oder Hypercholesterinämie (Haberstroh, Pantel 2011, S. 27 – 29).
2. „Nicht-medikamentöse Therapie“:
a. „Kognitiv-aktivierende Maßnahmen“: Zum Beispiel „(…)
Gedächtnisprogramme, kognitives Training oder auch das
Realitätsorientierungstraining (ROT), zielen darauf ab, die kognitiven
Fähigkeiten von Menschen mit Demenz zu verbessern oder zumindest
zu aktivieren und zu fördern“ (Haberstroh, Pantel 2011, S. 27 – 29).
Allerdings sollten solche Trainings nur bei Demenz im leichten Stadium
durchgeführt werden, denn ansonsten betonen sie den
Gedächtnisverlust der Betroffenen und bewirken eine frustrierte
15
Stimmung. Dies kann dazu führen, dass sich die Demenzkranken
immer mehr zurückziehen (Haberstroh, Pantel 2011, S. 27 – 29).
b. „Ressourcen-orientierte Maßnahmen“: Diese Maßnahmen
konzentrieren sich auf die Verbesserung von nicht-kognitiven Faktoren
und tragen somit zur Förderung der Lebensqualität bei.
„Musik(therapie), Ergotherapie, Kunst- und Tanztherapie, Validation,
basale Stimulation (…), Verhaltenstherapie/-management (…)“ können
in jedem Krankheitsstadium angeordnet werden (Haberstroh, Pantel
2011, S. 27 – 29).
c. „Schulung der Pflegepersonen“: Erwähnenswert dabei ist die
Psychoedukation. Wichtig ist, dass nicht nur das Pflegepersonal,
sondern auch die Angehörigen Informationen über den richtigen
Umgang mit einem demenzkranken Menschen erhalten, denn durch
deren Hilfe stehen sie im unmittelbaren Kontakt mit dem/r Betroffenen
und beeinflussen seine/ihre Lebensqualität (Haberstroh, Pantel 2011,
S. 27 – 29).
3. Medikamentöse Therapie
a. „Behandlung der kognitiven Symptome“: Cholinesterasehemmer
beeinflussen sowohl kognitive Fähigkeiten wie zum Beispiel das
Leistungsniveau als auch nicht-kognitive Fähigkeiten. Des Weiteren
zeigen Memantine bei starker Alzheimer-Demenz gute Erfolge
(Haberstroh, Pantel 2011, S. 27 – 29).
b. „Behandlung der nicht-kognitiven Symptome“: Psychopharmaka, vor
allem Neuroleptika, Antidepressiva und Hypnotika, werden zur
Behandlung von Depressivität, Wahnstörungen, Unruhe, Aggressivität
und Störungen des Tag-Nacht-Rhythmus eingesetzt (Haberstroh,
Pantel 2011, S. 27 – 29).
c. „Behandlung des vaskulären Risikoprofils“: Die Hypertonie, der
Blutzucker und der Cholesterinwert im Blut werden durch Optimierung
bzw. Senkung behandelt (Haberstroh, Pantel 2011, S. 27 – 29).
Bei all den genannten Therapiearten von Demenz ist wichtig zu beachten, dass nie
alle Behandlungen für jeden Patienten/jede Patientin gleich passend sind. Die
16
Therapie muss individuell auf den Betroffenen/die Betroffene abgestimmt werden.
Des Weiteren gibt es für manche nicht-medikamentöse Verfahren noch keine
wissenschaftliche Wirksamkeitsnachweise (Haberstroh, Pantel 2011, S. 27 – 29).
17
3. Pflegemodelle für die Betreuung von demenzkranken Menschen
Bei der Recherche nach passender Literatur zum Thema „Betreuung von
demenzkranken Menschen“ bin ich auf verschiedene Pflegemodelle gestoßen. Diese
beschreiben den Umgang mit dementen Personen und liefern wichtige Informationen
und Hilfestellungen für die Angehörigen und die Pflegenden. Dadurch wird die
Betreuung, Begleitung und Förderung verwirrter Menschen erleichtert, unterstützt
und verbessert. Im Folgenden möchte ich nun einen Auszug aus einigen
Pflegekonzepten bringen.
3.1 Psychobiografisches Pflegemodell nach Erwin Böhm
Erwin Böhm, geboren am 16. April 1940 in Wien, als Krankenpfleger tätig, widmete
sich bereits früh Fachgebieten der Psychiatrie. Er schrieb Bücher über die
Krankenpflege und die Pflege demenzkranker Menschen. 1985 veröffentlichte er sein
erstes Buch mit dem Titel „Krankenpflege – Brücke in den Alltag“. Bald darauf, 1988,
erschien das Buch „Verwirrt nicht die Verwirrten“, mit welchem er große Erfolge
erzielen konnte, denn darin beschreibt Böhm ein Reaktivierungskonzept, welches
„(…) den Bewohnern Hilfe zur Selbsthilfe geben“ soll (ENPP-Boehm GmbH o.J.,
http://www.enpp-boehm.com/de/enpp-boehm-gmbh/erwin-boehm.html abgerufen am
23. Juli 2012). Aufgrund seiner erfolgreichen Arbeit erlangte er im Jahr 2008 das
goldene Ehrenzeichen der Republik Österreich. Er gilt als der „(…) Begründer der
Psychobiographischen Pflegetheorie und des Psychobiographischen Pflegemodells
(…)“, denn er entwickelte damit einen „(…) ganzheitlichen und äußerst
praxisorientierten Ansatz für die Geriatrie, Gerontopsychiatrie und Psychogeriatrie
(…)“ (ENPP-Boehm GmbH o.J., http://www.enpp-boehm.com/de/enpp-boehmgmbh/erwin-boehm.html abgerufen am 23. Juli 2012). Als erster Pflegeforscher
konzipierte er somit ein Modell für die Betreuung und Pflege von Menschen mit
psychischer Beeinträchtigung (Messer 2009, S. 56).
3.1.1 Inhaltliche Aspekte des psychobiografischen Pflegemodells
Böhm kritisierte die bisherige Arbeitsweise mit psychisch betagten
Patienten/Patientinnen und stellte mit seinem Ausspruch „‚Wir alle sind zum Leben,
zum Wiederaufleben und Lebendig-sein und nicht zum Aufheben in einer bestimmten
Institution geschaffen‘“ „(…) die bisher übliche somatisch orientierte Sichtweise in
Frage“ (Messer 2009, S. 56). Während seiner Arbeit in der Gesundheits- und
18
Krankenpflege fiel ihm auf, dass die Pflegekräfte den
Heimbewohnern/Heimbewohnerinnen alle Tätigkeiten abnahmen. Die
Bewohner/Bewohnerinnen wurden nicht dazu animiert und motiviert, die Tätigkeiten
selbst auszuführen. Die Menschen vereinsamten daraufhin und hatten keine eigenen
Aufgaben mehr zu erledigen. Daraufhin entwickelte Böhm 1965 das
Reaktivierungsmodell, welches besagt, dass die Demenzkranken selbst versuchen
sollen, ihre Alltagsaktivitäten eigenständig auszuüben. Er wollte die Menschen
motivieren, aktiv und selbstständig alltägliche Tätigkeiten, die ihnen von früher
bekannt waren, wieder aufzunehmen. Dazu musste im Vorfeld eine Recherche
mittels Biografiearbeit mühsam durchgeführt werden (ENPP-Boehm GmbH o.J.,
http://www.enpp-boehm.com/de/enpp-boehm-gmbh/erwin-boehm.html abgerufen am
23. Juli 2012).
Für ihn ist es wichtig, dass zuerst auf die Biographie und somit auf die Psyche und
Persönlichkeit des Demenzkranken eingegangen wird, ehe die Körperteile in den
Mittelpunkt der Pflege gerückt werden. Das besagt auch sein Ausspruch „‚Zuerst
muss die Seele bewegt werden‘“ (Messer 2009, S. 56; 58).
Böhm legt in seinem psychobiographischen Pflegemodell fest, dass die „(…)
gefühlsmäßigen (emotionalen) und triebhaften Bedürfnisse (…)“ eines
demenzkranken Menschen erkannt werden müssen (Messer 2009, S. 57). Die
Biographie wird mit dem Patienten/der Patientin erarbeitet, denn laut Böhm entsteht
aus der Lebensgeschichte die Erkrankung, welche eher „‚(…) als seelisches
Problem verstanden (…)‘“ wird (Messer 2009, S. 57). Nicht nur die Lebensgeschichte
wie Familie, Wohnort, Schulbildung und beruflicher Werdegang, sondern auch Werte,
Normen und prägende Lebensereignisse des/der Demenzkranken sind für die Pflege
wichtig. Durch dieses Gespräch werden die Betroffenen reaktiviert und ihre
Gewohnheiten und individuellen Bedürfnissen werden ihnen bewusst. Dadurch
erkennen sie einen Sinn für das selbstständige Mitarbeiten in der Pflege (Messer
2009, S. 57f).
Viele Demenzkranke befinden sich bereits in einem schweren Stadium der
Krankheitsentwicklung und weisen erhebliche Beeinträchtigungen in der
Kommunikation auf. Genau diese Personen möchte Böhm über Töne, Berührungen
19
oder Stimmungen erreichen wie zum Beispiel mittels Gerüche, Gegenstände, Tiere
oder Menschen (Messer 2009, S. 57).
Wie bereits erwähnt, ist für ihn die Beziehung zwischen Pflegekraft und dem/der zu
Pflegenden besonders wichtig. Er vertritt die Meinung, „(…) dass die Haltung der
Pflegekraft die Handlung bestimmt. (…) Denn die Sichtweise der Pflegenden
bestimmt die Pflegeform und die Haltung, den Ausdruck der Pflegeden“ (Messer
2009, S. 58). Durch die Biografiearbeit lernt der/die Pflegende seinen Patienten/seine
Patientin besser kennen und ändert dadurch auch seine/ihre Sichtweise in der Pflege
(Messer 2009, S. 58).
Des Weiteren ist es für Böhm von Bedeutung, dass eine Pflegediagnose erstellt wird,
um die Situation des Patienten/der Patientin genau zu verstehen. Diese
Pflegediagnose ist jedoch von „(…) der ärztlichen Diagnose, der Pflegeanamnese,
dem Patienten/Klientenstatus (psychisch, physisch und sozial) dem
differentialdiagnostischen Ausgang (…)“ und „(…) der Biographieerhebung, -arbeit“
abhängig (Messer 2009, S. 59f).
3.1.2 Interaktionsstufen
„Böhm unterscheidet in seinem Modell verschiedene Stufen der Erreichbarkeit oder
Interaktionsstufen, in denen sich ein Mensch befinden kann“ (Messer 2009, S. 59).
Durch die Einteilung der Demenzkranken in ihre jeweilige Stufe kann besser
herausgefunden werden, wie es ihnen geht und welche Ressourcen und
Kompetenzen sie aufbringen. So kann der/die Betroffene individuell und speziell
gefördert werden (Messer 2009, S. 59).

„Reaktivieren 1: Sozialisation, historische, regionale Geschichte und Zeitgeist
 Reaktivieren 2: Mutterwitz je nach Region, ironischer Witz, Dialekt und
Muttersprache
 Reaktivieren 3: Emotionale Grundbedürfnisse, höhere Akkus der Seele
 Reaktivieren 4: Prägung, Aphorismen, bestimmte Verhaltensmuster,
Milieusprache, Sprüche der Region, Arbeiter, Bürger etc.; Was macht mich
wichtig? Was erregt mich? Wie mache ich was nach meinem Stil?
 Reaktivieren 5: Höhere und niedere Triebe und Motive
20
 Reaktivieren 6: Intuition, Aberglaube, Volksbrauchtum und Religion
 Reaktivieren 7: Urkommunikation“
(Messer 2009, S. 59)
3.1.3 Ziele des psychobiografischen Pflegemodells
Mit seiner Pflegetheorie will Erwin Böhm die Psyche des Menschen wiederaufbauen,
aufrecht erhalten und verbessern. Des Weiteren sind verbliebene Fertigkeiten und
Fähigkeiten intensiv und kontinuierlich zu fördern. Unabhängig davon ist es wichtig,
seine/ihre Identität und Persönlichkeit zu respektieren (ENPP-Boehm GmbH o.J.,
http://www.enpp-boehm.com/de/enpp-boehm-gmbh/erwin-boehm.html abgerufen am
23. Juli 2012).
Er möchte in der Pflege erreichen, dass die betagten Menschen wieder aktiv im
Leben stehen und sich nicht zurückziehen, was ein Fortschreiten ihrer Krankheit
verursachen kann (Messer 2009, S. 58).
3.2 Validation nach Naomi Feil
„In den Schuhen des anderen gehen“ ist ein bekannter Leitgedanke des
Pflegekonzepts „Validation“, welches ab 1963 in den USA von Naomi Feil entwickelt
wurde (Feil, de Klerk-Rubin 2010, S. 15). Validation ist eine Methode zur Behandlung
und Pflege von desorientierten alten Menschen. (Feil, de Klerk-Rubin 2010, S. 167).
Es geht darum, sehr alte, mangelhaft orientierte oder desorientierte Menschen
besser verstehen zu können und sich in sie hineinzuversetzen. Beim Validieren
werden die Gefühle eines/r anderen anerkannt und ihm/ihr dadurch gezeigt, dass
„(…) seine Gefühle wahr sind“ (Feil, de Klerk-Rubin 2010, S. 15).
Besonders wichtig in der Validation ist das Einfühlungsvermögen. Durch das
Kennenlernen der Gefühle des/der anderen wird Vertrauen geschaffen, welches
erneut Selbstwertgefühl erzeugt und Stress reduziert. Durch die Validation kann ein
desorientierter, alter Mensch seine verlorene Würde wiedererlangen (Feil, de KlerkRubin 2010, S. 15).
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Validation eine Kombination aus
folgendem ist:
21
 „einer grundlegenden, einfühlsamen Einstellung,
 einer Entwicklungsmethode für alte, mangelhaft orientierte und desorientierte
Menschen, die uns hilft, ihr Verhalten zu verstehen, und
 eine spezifische Technik, die diesen Menschen hilft, ihre Würde
wiederzugewinnen“
(Feil, de Klerk-Rubin 2010, S. 15)
3.2.1 Validation und ihre Anwendung
Menschen, die zwar an einer geistigen Behinderung oder einer Geisteskrankheit
leiden, jedoch orientiert sind, werden nicht validiert. Weitere Ausschlusskriterien für
Validation sind kein hohes Alter und ein organisches Trauma wie zum Beispiel eine
Sprachstörung aufgrund eines Schlaganfalls. Validation wird nur bei desorientierten,
alten Menschen (80 Jahre oder älter), bei denen keine psychische Erkrankung
voraus gegangen ist, durchgeführt. Die Ursache der Desorientierung darf keine
körperliche Vorerkrankung sein, sondern sie entsteht aufgrund einer Kombination
von physischen, psychischen und sozialen Verlusten (Feil, de Klerk-Rubin 2010, S.
43f).
3.2.2 Ziele der Validation
 „Dazu beitragen, dass ältere Personen möglichst lange in ihren eigenen
Wohnungen bleiben können
 Wiederherstellen des Selbstwertgefühls
 Reduktion von Stress
 Rechtfertigung des gelebten Lebens
 Lösen der unausgetragenen Konflikte aus der Vergangenheit
 Reduktion chemischer und physischer Zwangsmittel
 Verbesserung der verbalen und nonverbalen Kommunikation
 Verhindern eines Rückzugs in das Vegetieren
 Verbesserung des Gehvermögens und des körperlichen Wohlbefindens
 Pflegern Freude und neue Energie schenken
 Familien helfen, mit ihren desorientierten Angehörigen zu kommunizieren“
(Feil, de Klerk-Rubin 2010, S. 15f)
22
3.2.3 Validationsanwender
Validationsanwender sind Personen, die sehr alte, desorientierte Menschen in ihrer
eigenen Lebenswelt mit Empathie begegnen und deren Gefühle zu verstehen und zu
respektieren versuchen. Sie holen diese Menschen in ihrer Welt ab, in der sie sich
gerade befinden, um sie vor der Isolation zu bewahren (Feil, de Klerk-Rubin 2010, S.
52 – 56). Validationsanwender akzeptieren die Meinungen des alten Menschen,
geben kein Urteil und keine Ratschläge ab, sondern sind „vertrauensvolle Zuhörer“
(Feil, de Klerk-Rubin 2010, S. 53). „Die Aufgabe der Validationsanwender liegt darin,
dem sehr alten, desorientierten Menschen bei der Erfüllung der letzten
Lebensaufgabe zu helfen: in Frieden zu sterben“ (Feil, de Klerk-Rubin 2010, S. 53).
3.2.4 Veränderungen durch Validation
„Validation ist ein Prozess, durch den verwirrte, sehr alte Menschen verbal und
nonverbal kommunizieren können, egal was sie gerade auf dem Herzen haben oder
wo sie in Gedanken sind“ (Feil, de Klerk-Rubin 2010, S. 56)
Validation wirkt sich in langsamen Schritten positiv auf das Verhalten desorientierter,
alter Menschen aus. So verbessern sich unter anderem die Sitzhaltung und der
Gang, unkontrollierte Bewegungen nehmen ab und die verbale und nonverbale
Ausdrucksfähigkeit wird gesteigert. Die Menschen lernen wieder fröhlicher zu sein
und entwickeln ein größeres Selbstwertgefühl, welches ihr Wohlbefinden und ihre
Lebensqualität steigert. Nicht nur die Betroffenen selbst, sondern auch deren
Verwandte und Pflegende werden durch Validation positiv beeinflusst. Sie erleben
wieder mehr Freude, bekommen Lebensenergie und können mit ihren
Familienmitgliedern stressfreier umgehen (Feil, de Klerk-Rubin 2010, S. 56f.).
3.3 Basale Stimulation
Basale Stimulation ist ein Konzept, welches ursprünglich vom Psychologen Prof. Dr.
Andreas Fröhlich für behinderte Kinder entwickelt wurde und in Zusammenarbeit mit
Christel Bienstein in die Pflege integriert wurde (Messer 2009, S. 86). Für Bienstein
bedeutet basale Stimulation „‚(…) den Menschen dort abzuholen, wo er wahrnehmen
kann, und ihn von dort ausgehend zu fördern. Basale Stimulation knüpft an die
primärsten Wahrnehmungserfahrungen des Menschen an. Sie setzt nichts voraus‘“
(Gatterer, Croy 2005, S. 176).
23
Die basale Stimulation wird bei der Behandlung und Pflege von schwer dementen
Personen angewandt, um deren Wahrnehmung zu erhalten, zu fördern oder wieder
herzustellen (Gatterer, Croy 2005, S. 176). Die Betroffenen gelangen zu einem
bewussten Erleben des eigenen Körpers (Messer 2009, S. 86). Es wird
angenommen, dass selbst Personen mit schwerer Wahrnehmungsbeeinträchtigung
Berührungen, „(…) Gleichgewichtsreaktionen und Vibrationen spüren“ können
(Gatterer, Croy 2005, S. 176).
Bei der Durchführung aller Maßnahmen ist wichtig, dass das Wohlbefinden des
Menschen beachtet wird und nur solche Interventionen durchgeführt werden, welche
der schwer beeinträchtigten Person helfen (Gatterer, Croy 2005, S. 176). Des
Weiteren darf es zu keiner Reizüberflutung kommen (Messer 2009, S. 79).
3.3.1 Ziele der basalen Stimulation
Die Ziele von basaler Stimulation sind die Förderung und Verbesserung der
Wahrnehmung, der Bewegung und der Kommunikation. (Gatterer, Croy 2005, S.
176). Da wahrnehmungsbeeinträchtigte Personen auf Sinnesreize reagieren, kann
durch mehrmaliges Stimulieren der Sinne verhindert werden, dass sich diese
Menschen zurückziehen und isoliert leben (Stoppe 2007, S. 118). Außerdem können
alte Erinnerungen der Demenzkranken durch Stimulationen mit Gegenständen oder
Nahrungsmitteln geweckt werden (Messer 2009, S. 87f).
3.3.2 Arten der basalen Stimulation
Körperstimulation durch Druck, Gleichgewichtsstimulation durch das „Schaukeln im
Schaukelstuhl“, haptische Stimulation durch das Einreiben des eigenen Körpers mit
einer Creme oder auch vibratorische Stimulation durch das Halten eines elektrischen
Rasierers in der Hand sollen helfen, dass sich schwer beeinträchtigte Menschen
selbst wahrnehmen und begreifen können (Messer 2009, S. 88f). Andere Formen der
Stimulation sind die olfaktorische Stimulation durch bekannte Gerüche wie zum
Beispiel das eigene Parfüm, und die visuelle Stimulation durch das Anschauen von
Fotos aus der Vergangenheit (Messer 2009, S. 88f). Eine Stimulation kann jedoch
auch mit Nahrungsmittel durchgeführt werden. Durch süße, salzige und saure
Speisen können die Sinnesreize angeregt werden (Stoppe 2007, S. 118).
24
 Körperstimulation
Am meisten Bedeutung in der basalen Stimulation kommt der „(…) Förderung des
somatischen Wahrnehmungsbereiches“ zu (Gatterer, Croy 2005, S. 177).
Das Ziel dieser Stimulation ist es, dass die beeinträchtigte Person ihr bewusstes
Körperempfinden wiedererlangt und lernt, ihren Körper zu spüren und sich dabei
durch Berührung, Ganzwaschung, atemstimulierende Einreibung, Massagen und
begrenzende Lagerung wohlzufühlen (Gatterer, Croy 2005, S. 177).
Durch harmonische Berührungen der Pflegeperson erfährt der Patient/die Patientin
Sicherheit, Wohlgefühl und Beruhigung. Die Konzentration auf den Schmerz wird
reduziert. Je nachdem auf welche Art und in welchem Tempo die Berührungen
erfolgen, zeigt der/die Betroffene unterschiedliche Reaktionen. Diese können sich in
Zurückziehen, Blockieren, Zuwenden zur Pflegeperson und in Wohlwollen
ausdrücken. Besonders bedeutend sind Initialberührungen, welche meistens am Arm
oder an der Hand ausgeführt werden. Bei Menschen mit
Bewusstseinsbeeinträchtigung wird als erstes eher die Schulter oder der Brustkorb
berührt (Gatterer, Croy 2005, S. 177f).
Mit Druck wird immer von der Körpermitte in die Peripherie gestrichen. Dadurch wird
sowohl durch die Hand des Pflegenden als auch durch die unterschiedlichen
Materialen zur Berührung wie zum Beispiel Waschlappen oder Schwämme, eine
Reizauslösung bewirkt. Wichtig ist unter anderem die Wassertemperatur, denn ein
Wechsel der Wassertemperatur regt erneut die Reize an. Durch Kleidung wird die
Körperwahrnehmung und Körpererfahrung gefördert (Gatterer, Croy 2005, S. 180f).
Damit Berührungen, Waschungen und Massagen eine Wirkung erzielen, sollten
folgende Punkte beachtet werden.
 „Für Ruhe und eine angenehme Atmosphäre sorgen
 Überhastete Arbeitsweise vermeiden
 Den Beginn und das Ende von Pflegehandlungen durch Initialberührung
kennzeichnen
 Die Berührung für den Berührten deutlich, aber angenehm wahrnehmbar
machen
25
 Keine oberflächlichen, streifenden, abgehackten Berührungen, keine
punktuellen Berührungen
 Die Berührungen ruhig, mit flächig aufgelegter Hand und konstantem Druck
durchführen.“
(Gatterer, Croy 2005 S. 177)
In der Praxis werden viele verschiedene Formen der Körperstimulation angewandt:
 Basalstimulierende Ganzwaschungen
Das Ziel von Ganzwaschungen ist die Verbesserung der eigenen
Körperwahrnehmung des Patienten/der Patientin. Im Folgenden möchte ich drei
verschiedene Formen der Ganzkörperwäsche vorstellen. Entscheidend für diese
Behandlung ist die Haarwuchsrichtung des Betroffenen/der Betroffenen. Je nachdem
in welche Richtung gestrichen wird, löst es bei den Patienten/Patientinnen
unterschiedliches Empfinden aus (Gatterer, Croy 2005, S. 178).
1. Beruhigende Ganzwaschung: Diese Ganzwaschung wird bei Menschen
durchgeführt, die eine Wahrnehmungsstörung aufweisen und ihren Körper
nicht mehr fühlen können. Sanfte Berührungen mit Hilfe von Waschlappen und
Handtüchern bewirken, dass die Patienten ruhiger und entspannter werden.
Indikationen für diese Form der Ganzwaschung sind: Hyperaktivität, Unruhe,
Verwirrtheit, Morbus Alzheimer, Einschlafstörungen, Schmerzen, Herzinfarkt
und bevorstehende Operationen. Bedeutend ist, dass die Bewegungen in
Haarwuchsrichtung und in sehr warmem Wasser erfolgen.
2. Belebende Ganzwaschung: Dabei wird der Körper gegen die
Haarwuchsrichtung mit lauwarmem oder kühlerem Wasser berührt. Das
verwendete Material ist rauer. Durch die Waschung wird der Patient/die
Patientin angeregt und aktiviert. Bei unruhigen und desorientierten Menschen
ist diese Waschung zu vermeiden.
3. Neurophysiologische Waschung: Diese Form wird bei Menschen mit einer
Halbseitenlähmung angewandt, damit der/die Betroffene seine/ihre
26
Aufmerksamkeit auf die gelähmte Körperhälfte richtet. Die Waschung erfolgt
ausgehend von der kranken Körperseite mit leichtem Druck zur gesunden.
(Gatterer, Croy 2005, S. 178)
 Atemstimulierende Einreibung
Die atemstimulierende Einreibung bewirkt „(…) bei Menschen mit schneller,
oberflächlicher Atmung, Einschlafstörungen, Verspanntheit, Schmerzen,
Stresssymptomatik (…)“ sowie bei „(…) Palliativpatienten, gerontopsychiatrischen
Patienten, Demenzkranken und Patienten mit Wahrnehmungsstörungen“
Entspannung, Beruhigung und eine tiefe Atmung (Gatterer, Croy 2005, S. 179). Die
Patienten/Patientinnen können dadurch ihren Körper besser spüren, sind
konzentrierter und der Schmerz wird reduziert (Gatterer, Croy 2005, S. 179).
 Massagen
Massagen wirken beruhigend und entspannend und fördern die Wahrnehmung des
eigenen Körpers. „Unruhe, Ein- und Durchschlafstörungen, Spastiken, Kontrakturen
und Sensibilitätsstörungen“ können durch Massagen positiv beeinflusst werden
(Gatterer, Croy 2005, S. 179).
3.4 Personenzentrierte Pflege nach Tom Kitwood
In der personenzentrierten Pflege nach Tom Kitwood steht die Frage „‚Was heißt es,
eine Person zu sein?‘“ im Mittelpunkt (Messer 2009, S. 76). Das Personsein bezieht
sich sowohl auf den demenzkranken Menschen als auch auf seine Angehörigen und
die Pflegenden. Tom Kitwood ist der Meinung, dass die Arbeit an und mit
Demenzkranken „(…) ihr Personsein – entsprechend dem Grad der
Krankheitsentwicklung – erhalten und bewahren kann“ (Messer 2009, S. 77).
Für ihn ist es wichtig, dass demenzkranke Menschen gleich behandelt werden wie
gesunde Menschen, denn jeder hat die gleichen Bedürfnisse und Rechte (Messer
2009, S. 77).
Eine Person mit Demenz soll aufgrund ihrer Erkrankung nicht als Objekt, sondern als
Subjekt mit ihrer eigenen Persönlichkeit, Individualität und ihren Ressourcen
gesehen werden (Messer 2009, S. 77).
27
„Der Mensch bleibt ein Mensch mit seiner Vergangenheit, Eigenheit und
Würde“ (Geiger 2011, Klappentext).
Die Pflege und Betreuung von demenzkranken Menschen kann positive
Auswirkungen auf die Krankheit haben. So können die Einschränkungen, welche
aufgrund der Erkrankung entstehen, durch eine positive Personenarbeit
ausgeglichen werden. Im Vordergrund dabei stehen das Wohl des Patienten/der
Patientin und die Befriedigung seiner/ihrer Bedürfnisse. Dadurch soll seine/ihre
Persönlichkeit und das Personsein erhalten bleiben und Selbstvertrauen gewonnen
werden. Es gibt zahlreiche positive Interaktionen in der Betreuung dementer
Menschen wie zum Beispiel das Erkennen von Gefühlen und Bedürfnissen, das
Anerkennen des/der Demenzkranken als wertschätzende Person und die
Zusammenarbeit des Patienten/der Patientin mit den Pflegenden, wodurch die
Selbstständigkeit des dementen Menschen gesteigert werden soll. Weitere positive
Interaktionen sind die Entspannung und das Feiern, wodurch der/die Betroffene das
Gefühl bekommt, mitten „(…) in der Gesellschaft zu sein (…)“, die Validation und das
Stützen und Halten, damit er/sie sich sicher und geborgen fühlt (IstaVea-Mathias
Berger o.J.,
http://www.istavea.de/index2.php?option=com_content&do_pdf=1&id=253 abgerufen
am 6. August 2012).
3.4.1 Bedürfnisse demenzkranker Menschen
In Kitwoods Pflegetheorie sind die Bedürfnisse der Patienten/Patientinnen von
besonderer Bedeutung, denn er ist der Meinung, dass sie ähnlich zu denen von
gesunden Personen sind, allerdings unterscheiden sie sich im Ausdruck. Menschen
mit Demenz drücken ihre Gefühle teils stärker, teils jedoch auch schwächer aus als
gesunde.
„Mögliche grundlegende Bedürfnisse sind laut Kitwood und Müller Hergl:“ (Messer
2009, S. 78)
 „Die Liebe (…)
 Das Verlangen nach Trost (…)
 Das Verlangen nach primärer Bindung, das durch anklammerndes Verhalten
(…) und ständiges Rufen ausgedrückt werden kann (…)
28
 Das Verlangen in eine Einbindung in kleine Gruppen (…)
 Das Verlangen nach Arbeit (…)
 Das Verlangen nach Identität (…)“
(Messer 2009, S. 78)
3.4.2 Dementia Care Mapping (DCM)
Zusätzlich zum personenzentrierten Pflegeansatz entwickelte Tom Kitwood ein
Programm namens Dementia Care Mapping, um die Lebensqualität und das
Wohlbefinden von demenzkranken Menschen zu untersuchen (Messer 2009, S. 28).
Evaluiert werden in diesem Verfahren 24 Verhaltenskategorien, das relative
Wohlbefinden, positive Ereignisse und personale Detraktionen wie zum Beispiel das
Einschüchtern oder das Ignorieren. Dabei begleitet ein DCM-Beobachter einen Tag
lang einen Demenzkranken/eine Demenzkranke und versucht sein/ihr Verhalten und
seine/ihre Situation in einer Pflegeeinrichtung zu erfassen. Alle Beobachtungen
werden in einem Beobachtungsprotokoll vermerkt (Messer 2009, S. 28f).
Im Folgenden möchte ich einen kleinen Auszug aus den Verhaltenskategorien
bringen:
 „Essen und Trinken
 Teilnahme an einem Spiel
 Schlafen und Dösen
 Völlig in sich gekehrt und sozial nicht einbezogen sein
 Selbstpflege
 Pflege erhalten
 Beschäftigung mit (Haus-) Arbeit
 Unabhängiges Gehen/Stehen/Fortbewegen“
(Messer 2009, S. 29)
Dadurch kann ermittelt werden, welche Auswirkungen bestimmte Interventionen auf
den Menschen haben und ob sie bei den Betroffenen Gefallen finden oder nicht. Ein
Einsatz des DCM-Programmes findet auch bei Menschen mit schnellem
Fortschreiten der Krankheit, starken Aggressionen und bei Rückzug der
Demenzkranken statt. Durch die Evaluation können die Ursachen und Gründe für
29
dieses Verhalten herausgefunden werden. Außerdem kann so die Pflege, Betreuung
und Begleitung dieser Menschen verbessert werden (Messer 2009, S. 28).
30
4. Pflegerische Aspekte im Umgang mit demenzkranken Menschen
Tom Kitwood bezeichnet in seinem Pflegekonzept die Betreuung und Pflege
demenzkranker Menschen als „(…) eine der anspruchvollsten Aufgaben (…), die es
im Leben gibt und die eine Gesellschaft zu vergeben hat“ (Messer 2009, S. 77), denn
sie brauchen zunehmend Unterstützung bei zahlreichen Alltagsaktivitäten wie zum
Beispiel Körperpflege, Essen und Trinken, Mobilisierung und Ausscheidung. Oftmals
wird jedoch die Hilfe von Angehörigen oder Pflegenden durch den
Demenzkranken/die Demenzkranke abgelehnt, weil er/sie nicht abhängig sein will
und teilweise auch seine/ihre aktuelle Situation falsch einschätzt. Er/Sie fühlt sich
hilflos und ängstlich, denn er/sie bemerkt, dass seine/ihre Unselbstständigkeit
voranschreitet (Gatterer, Croy 2005, S. 225f).
„(…) wenn es dunkel wird, kommt die Angst. Da irrt der Vater rat- und rastlos
umher wie ein alter König in seinem Exil. Dann ist alles, was er sieht,
beängstigend, alles schwankend, instabil, davon bedroht, sich im nächsten
Moment aufzulösen. Und nichts fühlt sich an wie zu Hause“ (Geiger 2011, S.
12).
Deshalb ist es wichtig, behutsam und mit Empathie dem/der Betroffenen zur Seite zu
stehen und ihn/sie in seiner/ihrer Selbstständigkeit zu bestärken (Gatterer, Croy
2005, S. 225f). Zusätzlich ist zu beachten, dass demenzkranke Menschen sehr
sensibel und leichter verletzbar sind (Kojer, Schmidl 2011, S. 20).
Im Folgenden gehe ich auf unterschiedliche pflegerische Aspekte im Alltag eines
Menschen mit Demenz ein.
4.1 Kommunikation
Demenzkranke Menschen „(…) können ihre körperlichen und seelischen
Beschwerden nicht mehr gedanklich reflektieren; sie erleben sie vorwiegend oder
ausschließlich auf der Gefühlsebene“ (Kojer, Schmidl 2011, S. 20).
Wie bereits bei den Symptomen der Demenz erwähnt wurde, wird die Sprach- und
Sprechfähigkeit mit Fortschreiten der Erkrankung eingeschränkt. Demenzkranke
31
Menschen haben Schwierigkeiten, ihre Gefühle und Bedürfnisse mit Worten
auszudrücken (Kojer, Schmidl 2011, S. 13f).
Deshalb sollte der Gesprächspartner versuchen auf den Demenzkranken/die
Demenzkranke einzugehen und durch Einfühlungsvermögen eine Beziehung zu
ihm/ihr aufzubauen. So können die Wünsche und Sorgen leichter erfasst und dem
dementen Menschen Gefühle von Wärme, Liebe, Nähe, Verständnis und Zuwendung
gegeben werden. Um eine Beziehung zum/r Betroffenen aufzubauen, eignet sich
dafür besonders gut die Methode von Naomi Feil, welche bereits im vorherigen
Kapitel beschrieben wurde (Kojer, Schmidl 2011, S. 13f).
„,Wer den Patienten verstehen möchte, muss versuchen, sich in seine
Gefühlswelt einzufühlen‘“ (Gottschlich 2007, S. 24).
Bei der Kommunikation mit demenzkranken Personen ist wichtig zu wissen, dass
nicht nur mit lauter und klarer Stimme gesprochen werden muss, sondern auch viel
Geduld ins Gespräch eingebracht werden muss. Zusätzlich sind Mimik, Gestik und
Tonfall Hilfsmittel, um die Kommunikation zu erleichtern bzw. zu verbessern. Genaue
Beobachtungen helfen Sorgen und Ängste der Betroffenen herauszufinden (Kojer,
Schmidl 2011, S. 13 – 15).
Unabhängig vom Stadium der Krankheit können demente Menschen Ja-NeinEntscheidungen treffen. Durch Reaktionen wie Lächeln, Blickkontakt halten oder
durch Abwehrhaltungen können sie ihre Antwort auf Fragen zeigen. Demenzkranke
müssen mangels Selbstvertrauen beim Treffen eigener Entscheidungen ermutigt
werden. „Dies gelingt am besten durch
 den Aufbau einer tragfähigen Beziehung zur Betreuerin,
 die Schaffung einer Atmosphäre der Sicherheit und Geborgenheit,
 einfache, verständliche Information,
 wiederholte Gespräche ohne Zeitdruck,
 Signale der Betreuerin wie „Du bist nicht allein“, „Ich bleibe bei Dir“, „Ich helfe
Dir“, „Wir schaffen das gemeinsam“
(Kojer, Schmidl 2011, S. 19).
32
Demenzkranke Menschen benutzen oft Symbole, um sich auszudrücken und sich zu
verständigen. Die Symbole stehen für Dinge, Menschen, Ereignisse oder auch für
Gefühle und Bedürfnisse. Mit Fortschreiten der Erkrankung ersetzen die Betroffenen
ihr Gesagtes durch Bewegungen und Handlungen. Für die Angehörigen ist es
manchmal schwierig, diese Symbole zu erkennen. Verstehen sie jedoch den
Demenzkranken/die Demenzkranke, können sie leichter eine Beziehung zu ihm/ihr
aufbauen, entsprechend auf die Signale reagieren und die richtige Hilfe und
Unterstützung anbieten (Kojer, Schmidl 2011, S. 21).
4.2 Körperpflege
Die Körperpflege ist ein essentieller Bestandteil der Betreuung von demenzkranken
Menschen, denn ihr „(…) Interesse an Sauberkeit (…)“ sinkt im Laufe der Krankheit
(Gatterer, Croy 2005, S. 226). Sie vergessen nicht nur den Nutzen von alltäglichen
Gegenständen für die Körperpflege wie zum Beispiel Zahnbürste, Kamm oder
Duschbad, sondern entwickeln auch Schwierigkeiten diese zu verwenden.
Demenzkranke Menschen zeigen ein anderes Gefühl für Sauberkeit, denn sie
glauben sich bereits gewaschen zu haben und halten es nicht für nötig, sich täglich
zu waschen (Gatterer, Croy 2005, S. 226).
Um eine Abwehrreaktion des/der Demenzkranken zu verhindern, kann die tägliche
Pflege erleichtert werden, indem die früheren Gewohnheiten des Patienten/der
Patientin berücksichtigt und die Würde und Intimsphäre geachtet werden. Wichtig ist,
dass Sicherheitsvorkehrungen im Bad getroffen werden wie zum Beispiel das
Verwenden von Haltegriffen und rutschfesten Matten in der Dusche oder der
Badewanne, damit ein Sturz vermieden werden kann. Bei Unsicherheiten in der
Dusche gibt es die Möglichkeit, einen Duschsitz zu benutzen (Gatterer, Croy 2005, S.
226).
Unterstützung brauchen Demenzkranke auch beim Ankleiden. Sie haben die
Reihenfolge der Kleidungsstücke beim An- und Ausziehen vergessen. Große
Probleme bereitet das Zuknöpfen von Hemden oder Blusen, da die Feinmotorik
beeinträchtigt ist. Als Angehöriger/Angehörige oder Pflegender/Pflegende ist es
wichtig darauf zu achten, dass die Kleidung regelmäßig gewechselt wird, denn
genauso wie bei der Körperpflege haben demente Menschen kein Gefühl für ein
gepflegtes Aussehen (Gatterer, Croy 2005, S. 226).
33
Mit Fortschreiten der Erkrankung kommt es zu Harn- und Stuhlinkontinenz. Dies stellt
für den Betroffenen/die Betroffene ein erhebliches Problem dar und erfordert von den
Angehörigen Verständnis. Hilfreich ist, mit dem/der Demenzkranken einen „(…)
regelmäßigen Toilettengang (…)“ zu entwickeln (Gatterer, Croy 2005, S. 227f).
4.3 Essverhalten
Im Verlauf der Erkrankung verändert sich das Essverhalten und die selbstständige
Essenseinnahme wird schwieriger, sodass Demenzkranke zunehmend auf
Unterstützung angewiesen sind. Hilfestellungen sind unter anderem das regelmäßige
Einnehmen von Nahrung am gleichen Ort und zur gleichen Zeit, das Verwenden von
nicht zerbrechlichem Geschirr ohne starke Musterungen, welches sich von der
Unterlage abheben sollte und das Schneiden der Speisen in mundgerechte Stücke
(Gatterer, Croy 2005, S. 226f).
Es kann vorkommen, dass die Nahrung verweigert wird. In diesem Fall sollte
erkundet werden, warum der/die Demenzkranke die Speise nicht isst (Gatterer, Croy
2005, S. 196). Möglicherweise treten Schluckprobleme aufgrund einer nicht
passenden Zahnprothese, einzunehmender Medikamente oder einer zu großen
Essensmenge auf. Zu beachten ist, dass der/die Betroffene aufrecht sitzt und
während dem Essen viel trinkt. Häufig ist es notwendig, ihn/sie an das Trinken zu
erinnern, da er/sie möglicherweise darauf vergisst und dies in Folge zu gesteigerter
Verwirrtheit führen kann (Gatterer, Croy 2005, S. 226f). Unterstützend kann ein
Trinkplan zur Bilanzierung der getrunkenen Menge aufgestellt werden (Gatterer, Croy
2005, S. 195).
Schwer demenzkranke Menschen können nicht mehr selbst essen und müssen die
Speisen verabreicht bekommen. Sofern noch möglich, ist eine „,geführte
Nahrungsaufnahme‘“ sinnvoll (Gatterer, Croy 2005, S. 197). Eine aufrechte
Körperhaltung ist beim Eingeben von Nahrung notwendig, um eine Aspiration zu
verhindern (Gatterer, Croy 2005, S. 197).
4.4 Schlafverhalten
Generell ist zu erwähnen, dass das Schlafverhalten sehr individuell ist. Mit
zunehmendem Alter reduziert sich das Schlafbedürfnis aufgrund von wenig
34
Bewegung oder einem kurzen Schlaf im Laufe des Tages auf circa sechs Stunden
oder weniger. Zudem kann die Biografie eines Menschen, zum Beispiel der Beruf als
Landwirt oder Bäcker den Schlaf-Wach-Rhythmus beeinflussen.
Demenz wirkt sich nicht sehr auf das Schlafverhalten aus, sondern kann beim
Betroffenen/bei der Betroffenen ein verstärktes Bedürfnis von Ruhe und Schlaf
auslösen. Mit Fortschreiten der Krankheit erhöht sich die Liegezeit im Bett. Die
Pflege und Betreuung des Menschen ist abhängig vom Schlafbedürfnis. Verbringt
der/die Betroffene viel Zeit im Bett, sind ein Krankenbett und eine entsprechende
Weichlagerungsmatratze zu empfehlen. Das Krankenbett wird nicht nur für ein
gesteigertes Wohlbefinden des Patienten/der Patientin angeordnet, sondern
erleichtert die Pflege und Mobilisation des/der Demenzkranken. Durch eine
besondere Matratze können Druckstellen und in weiterer Folge Druckgeschwüre
vorgebeugt werden (Gatterer, Croy 2005, S. 185f).
Wird das erhöhte Schlafbedürfnis des/der an Demenz Erkrankten als belastend
empfunden, kann sich daraus eine Schlafstörung entwickeln. Alternativ zu
Schlaftabletten können verschiedene Vorkehrungen getroffen werden, um den Schlaf
zu verbessern. So etwa helfen eine Tasse Milch mit Honig oder Kakao,
unterschiedliche Teesorten, pflanzliche Schlafmittel wie Baldrian oder auch
homöopathische Mittel und Duftstoffe. Beruhigende und entspannende Musik, basale
Stimulation und Massagen können das Einschlafen erleichtern. Ratsam ist es,
schlafstörende Unterbrechungen zu vermeiden und vor dem Schlafengehen „(…) die
Toilette aufzusuchen (…)“ um eine Schlafunterbrechung aufgrund von Harndrang zu
vermeiden (Gatterer, Croy 2005, S. 188).
Bei der Einnahme von Schlafmitteln ist zu beachten, dass diese Restwirkungen am
nächsten Morgen aufweisen können und die Sturzgefahr somit steigt (Gatterer, Croy
2005, S. 185 – 188).
4.5 Mobilität
Im frühen Stadium von Morbus Alzheimer ist die Mobilität nicht beeinträchtigt,
ausgenommen auf Grund von Grunderkrankungen. Es kann vorkommen, dass sich
der Drang zur Bewegung erhöht und die Sicherheit und Koordination dabei abnimmt.
Immobilität zeigt sich erst im späteren Stadium der Krankheit. Allerdings kann die
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Motorik bei anderen Formen der Demenz oder bei zusätzlichen Erkrankungen bereits
früher eingeschränkt werden (Gatterer, Croy 2005, S. 188).
Das Verletzungsrisiko bei Demenzkranken ist aufgrund ihres Krankheitsbildes erhöht.
Deshalb sollten Risikofaktoren wie zum Beispiel Teppiche oder rollende Möbelstücke
vermindert bzw. ausgeschlossen und entsprechende Sicherheitsvorkehrungen
getroffen werden. Dazu zählen unter anderem das Anbringen von Haltegriffen und
rutschfesten Matten im Badezimmer und eine gute Beleuchtung. Des Weiteren
sollten bei Bedarf Gehhilfen benützt werden, um Stürze vorzubeugen. So bleiben die
Betroffenen trotz der Mobilitätseinschränkung aktiv und verhindern einen
Bewegungsmangel, welcher Obstipation zur Folge haben kann. Bei Benutzung eines
Rollstuhls ist darauf zu achten, dass der Patient/die Patientin regelmäßig mobilisiert
wird und sich keine Druckstellen entwickeln (Gatterer, Croy 2005, S. 189f).
Ist die Erkrankung schon weit fortgeschritten, so dass der/die Demenzkranke
bettlägerig ist, wird eine Umlagerung im Intervall von zwei bis drei Stunden zur
Vermeidung von Hautdefekten empfohlen. Zusätzlich sind Notrufarmbänder von
Vorteil, um bei Bedarf rasch Hilfe zu erlangen (Gatterer, Croy 2005, S. 189f).
4.6 Alltagsgestaltung
Wie bereits erwähnt, beeinflusst die Erkrankung alle Lebensbereiche des Menschen.
Abhängig vom Stadium der Krankheit und vom Zuhause (Pflegeheim oder eigene
Wohnung) gestaltet sich der Alltag (Gatterer, Croy 2005, S. 235). „Der Tagesablauf
sollte gut strukturiert sein, ein gezieltes Trainingsprogramm enthalten und viel Zeit für
Spaß lassen“ (Gatterer, Croy 2005, S. 212). Wichtig ist, dass sich die Aktivitäten an
Gewohnheiten und Interessen des/der Demenzkranken orientieren (Gatterer, Croy
2005, S. 238).
Trotz des zunehmenden Verlusts der Selbstständigkeit in alltäglichen
Angelegenheiten, sollten demenzkranke Personen als vollwertige Menschen
behandelt werden. Wichtig ist, sie als nicht hilflos anzusehen, sondern sie zur
Ausübung von Tätigkeiten zu ermutigen und aufzufordern. Entscheidend ist jedoch
das Maß der Forderung, denn eine Überforderung ist zu vermeiden. Demenzkranke
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sollten nicht auf ihre Fehler aufmerksam gemacht werden, sondern das Gefühl
bekommen, gebraucht zu werden (Gatterer, Croy 2005, S. 235).
Im Alltag ist es wichtig, dass die Betroffenen durch aktive Tätigkeiten „sich (…)
spüren, sich bestätigt (…) fühlen, suchende Unruhe (…) vermeiden“, ihre
Selbstständigkeit verbessern und dadurch in weiterer Folge ihr Selbstwertgefühl und
ihre Lebensqualität gesteigert wird (Gatterer, Croy 2005, S. 235). Diese Aktivitäten
können zum Beispiel Kochen, Lesen, Zeichnen, einfache Tätigkeiten im Haushalt
und Fotos anschauen sein. Sinnvoll sind regelmäßige Spaziergänge, Einkäufe und
Ausflüge wie der Besuch eines Tierparks, der Stadt oder eines Gasthauses
gemeinsam mit der demenzkranken Person. Eine andere Unterhaltungsmöglichkeit
ist das Singen von alten bekannten Liedern oder das Anhören von Musik. Spiele wie
„,Mensch ärgere dich nicht‘“, Memorys oder verschiedene Puzzles lockern den Alltag
auf (Gatterer, Croy 2005, S. 235 – 238).
Ein Mensch mit schwerer Demenz kann auf Grund von Müdigkeit und geringer
Belastbarkeit die genannten Tätigkeiten nicht mehr ausführen (Gatterer, Croy 2005,
S. 212). Alle Aktivitäten, die dem/der Betroffenen gefallen und noch möglich sind,
können unternommen werden. Im Stadium der Bettlägerigkeit kann der/die Kranke
durch liebevolle Berührungen, Worte aber auch durch entspannende Musik und
angenehme Düfte beruhigt werden und somit Nähe und Zuwendung erfahren
(Gatterer, Croy 2005, S. 242).
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5. Schlussfolgerung
Wie der Ausspruch „Von Alzheimer reden heißt, von der Krankheit des Jahrhunderts
reden“ von Arno Geiger aus seinem Buch „Der alte König in seinem Exil“ aus dem
Jahr 2011 verdeutlicht, steigt die Anzahl der Neuerkrankung an Demenz stetig.
Dadurch erhalten Pflegekonzepte für die Betreuung und Unterstützung
demenzkranker Menschen eine immer größere Bedeutung. Da die Krankheit nicht
nur das Pflegepersonal, sondern auch die pflegenden Angehörigen vor ständig neue
Herausforderungen stellt, war es mir wichtig, in meiner Arbeit verschiedene
Möglichkeiten aufzuzeigen, demenzkranke Menschen trotz ihrer schweren und noch
unheilbaren Krankheit zu fördern und ihnen Lebensfreude zu schenken. Dies kann
einerseits durch Reaktivieren der Psyche des Menschen (Psychobiografisches
Pflegemodell nach Erwin Böhm), durch Hineinversetzen in das Denken und Handeln
einer erkrankten Person (Validation nach Naomi Feil), durch Hinführen zu einer
bewussteren Körperwahrnehmung (Basale Stimulation) oder durch das Eingehen auf
grundlegende Bedürfnisse des Menschen (Personenzentrierte Pflege nach Tom
Kitwood) geschehen. Einsatz finden diese Pflegemodelle in der Bewältigung der
Alltagssituation eines/einer Demenzkranken, sei es bei der Körperpflege, bei der
Einnahme von Mahlzeiten oder bei der Mobilisierung. Besondere Bedeutung wird
dabei der Kommunikation beigemessen, die sehr viel Verständnis,
Einfühlungsvermögen und Zuwendung erfordert. Deshalb stellt die Betreuung eines
demenzkranken Menschen eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe dar.
Beenden möchte ich meine Arbeit mit einem Zitat:
„,Da mein Vater nicht mehr über die Brücke in meine Welt gelangen kann,
muss ich hinüber zu ihm‘“ (Geiger 2011, Klappentext).
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6. Literaturverzeichnis
Feil N., de Klerk-Rubin V. (2010) Validation. Ein Weg zum Verständnis verwirrter
alter Menschen. 9. Auflage, Ernst Reinhardt Verlag, München.
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IstaVea-Mathias Berger (o.J.) Personenzentrierter Ansatz nach Tom Kitwood.
http://www.istavea.de/index2.php?option=com_content&do_pdf=1&id=253 (6. August
2012)
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Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Keller C. (2009) Diagnose Demenz: Formen und Symptome (Teil 2).
http://www.weka.de/altenpflege/6586-.html?content_id=30288661&newsletter=apf_apa_09_19_22930260/Diagnose_Dem
enz%3A_Formen_und_Symptome_(Teil_2)&va=22930260 (23. Juli 2012)
Abb. 2: Stiftung Warentest (2007) Demenz und Alzheimer. Wie Sie helfen können.
http://www.test.de/Demenz-und-Alzheimer-Wie-Sie-helfen-koennen-14944252494425/ (25. Juli 2012)
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Wetterling T., Lanfermann H. (2002) Organische psychische Störungen.
Hirnorganische Psychosyndrome. Steinkopff Verlag, Darmstadt.
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