2014 Kindertagesstätten Ernst & Sohn Special September 2014, S. 50-56 A 61029 Neubau | Umbau | Sanierung Sonderdruck Plusenergie-Kinderhaus in Höhenkirchen-Siegertsbrunn Erste Messergebnisse des Leuchtturmprojekts Johann Reiß Hans Erhorn Anna Hoier U1_Kita.indd 1 SD_50-56_Kindertagesstätten_11-2014_cs6.indd 1 20.01.2015 16:11:36 20.01.15 17:23 SD_50-56_Kindertagesstätten_11-2014_cs6.indd 2 20.01.15 17:23 Projektvorstellungen PLUSENERGIE-KINDERHAUS IN ­HÖHENKIRCHEN-SIEGERTSBRUNN ERSTE MESSERGEBNISSE DES LEUCHTTURM­ PROJEKTS Bild 1. Plusenergie-Kinderhaus „Arche Noah“ in Höhenkirchen-Siegertsbrunn Johann Reiß ■ Hans Erhorn ■ Anna Hoier In Höhenkirchen-Siegertsbrunn entschied die Kommune, ein besonders nachhaltiges Kita-Gebäude zu bauen. Für das von einem interdisziplinären Team aus Architekten und Fachplanern mit Unterstützung des Fraunhofer IBP erarbeitete Konzept wurde die Gemeinde im Rahmen des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) durchgeführten Wettbewerbs „Gebäude mit Energie“ lobend erwähnt, weil die „vorgegebene Nutz­ energieanforderung durch ein sorgsam aufeinander abgestimmtes Gebäude- und Energiekonzept weit unterschritten“ wird. Wie derzeit in vielen Städten und Gemeinden müssen auch in Höhenkirchen-Siegertsbrunn Kindergarten-, Kinderkrippen- und Hortplätze geschaffen werden. Die Bürgermeisterin, gestützt von verschiedenen Bürgergruppen Sonderdruck aus: Ernst & Sohn Special 2014 · Kindertagesstätten SD_50-56_Kindertagesstätten_11-2014_cs6.indd 3 der etwa 50 km südlich von München gelegenen Gemeinde mit ca. 10.000 Einwohnern, entwickelte die Idee, ein besonders nachhaltiges und vorbildliches Gebäude zu bauen. Das Baugelände befindet sich in schwieriger topographischer Lage (kurze Südseite, begrenzte Höhen). Daher beauftragte die Gemeinde vorab das Fraunhofer-Institut für Bauphysik mit einer Machbarkeitsstudie, in der untersucht werden sollte, ob und wie ein Gebäude entstehen könnte, das einerseits über seine Gebäudehülle mehr Energie erzeugt als es insgesamt verbraucht und andererseits einen hohen thermischen Komfort aufweist. Es entstand ein Gebäude- und Energiekonzept, das mit regionalen Baustoffen realisierbar war, das auf einem sehr geringen Energiebedarf in allen Verbrauchssektoren fußt und dessen Deckung 3 20.01.15 17:23 Projektvorstellungen die am Standort verfügbaren regenerativen Energien sichern. Darüber hinaus sollte es die Nutzer in den Gebäudebetrieb aktiv mit einbeziehen und ein Vorbild für andere Gemeinden darstellen [1]. Das Gebäude wurde im August 2013 fertiggestellt und bezogen. Für das von einem interdisziplinären Team aus Architekten und Fachplanern mit Unterstützung des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik erarbeitete Konzept bekam die Gemeinde im Rahmen des vom Bundeministerium für Wirtschaft und Technologie durchgeführten Wettbewerbs „Gebäude mit Energie“ bereits zu Projektbeginn 2010 eine lobende Erwähnung mit der folgenden Begründung: „Die im Wettbewerb vorgegebene Nutzenergieanforderung wird durch ein sorgsam aufeinander abgestimmtes Gebäude- und Energiekonzept weit unterschritten. Durch thermische und photovoltaische Solarenergienutzung wird auch der Primärenergiebedarf auf weniger als die Hälfte des Referenzgebäudes gesenkt. Der integrale Planungsprozess sichert eine gute Abstimmung zwischen Architektur, Bauphysik und Gebäudetechnik und bezieht die Nutzer des Gebäudes über ein pädagogisches Konzept mit ein.“ Architektur Die langgestreckte, parallel zur Nord-Süd-Achse verlaufende Rechteckform des Grundstücks schien auf den ersten Blick für eine maximale Solarenergienutzung nicht besonders geeignet zu sein. Um die Südfläche des Baukörpers zu vergrößern, schufen die Architekten für das zweigeschossige Gebäude drei nach Süden orientierte Fassadenflächen, indem sie das Gelände vor der Südseite des Untergeschosses schräg nach oben auslaufen ließen (Bild 2). Im Untergeschoss gruppieren sich um einen zentralen Kern mit Treppe, WCs und Aufzug Räume für Technik, Abstellräume und eine 32 m2 große Küche sowie Räume für das Personal und die Mittagsbetreuung. Der 86 m2 große Mehrzweckraum befindet sich an der Südfassade, die nahezu vollflächig verglast ist. Im Erdgeschoss befindet sich gebäudemittig ein großer nach oben bis zur Obergeschossdecke offener Flur. Nördlich des Flurs liegen die Kindergartenräume und südlich die Kinderkrippenräume. Beide Bereiche sind jeweils in drei Abschnitte unterteilbar und können zwei Gruppen beinhalten, während der mittlere Raum gemeinsam genutzt wird. Dem Kindergarten sind zwei Nebenräume sowie WCs und Garderobe angegliedert. Bei der Kinderkrippe sind neben den WCs und der Garderobe zwei Schlafräume untergebracht. Das Obergeschoss umfasst den Kinderhort und Personalräume. Vom Obergeschossflur aus gelangt man auf die im Süden liegende Terrasse. Die für die Energieerzeugung vorgesehenen Photovoltaikmodule liegen auf der Dachflä- Bild 2. Gebäudeschnitt 4 SD_50-56_Kindertagesstätten_11-2014_cs6.indd 4 Bild 3. Gebäude-Längsschnitt che. Diese setzt sich als offene Stahlkonstruktion über der Terrasse fort. Um ausreichend Tageslicht im Obergeschoss zu erhalten, ist ein ca. 4 m breiter Streifen parallel zur Südfassade nicht mit PV-Modulen belegt worden. Die Überdeckung der Terrasse mit PV-Modulen trägt zur Energiegewinnung und auch zur Verschattung bei (Bild 3). Gebäudekonzept Wände, Boden und Decke des Untergeschosses sind in Beton ausgeführt. Sowohl der Boden als auch die Außenwände sind von außen mit einer Perimeterdämmung gedämmt. Erd- und Obergeschoss wurden in Holzbauweise errichtet. Die Außenwände bestehen aus einer zweilagigen PfostenRiegel-Konstruktion aus kreuzweise versetzten tragenden Holzständern mit Gefachdämmung. Auf der Außenseite ist eine hinterlüftete Holzschalung angebracht (Bild 4). Die In- Sonderdruck aus: Ernst & Sohn Special 2014 · Kindertagesstätten 20.01.15 17:23 Projektvorstellungen Bild 6. Bodenaufbau der Terrasse im 1. OG Bild 4. Schnitt durch das Außenwand-/Deckensystem nenseite schließt mit einer 4 cm dicken Gipsfaserschicht ab. Dahinter liegt die Installationsebene für die Heiz- und Stromleitungen. Decken und tragende Innenwände bestehen aus Vollholzplatten. Aus Brandschutzgründen wurden sie mit Gipskartonplatten beplankt. Die restlichen Trennwände sind in Trockenleichtbauweise erstellt worden. Die Decke ist als Multifunktionsdecke ausgebildet, die nicht nur Raum für die Versorgungsleitungen, Leuchten und Lautsprecher bietet, sondern auch Schallschutzelemente enthält, die als Baffeln ausgebildet zwischen den Deckenbalken eingebracht wurden. Zur Verbesserung des Wärmespeichervermögens kamen zusätzlich Module mit Phasenwechselmaterialien (PCM) zum Einsatz (Bild 5). Die Erdgeschossdecke, die im südlichen Bereich des Grundrisses den Terrassenboden des Obergeschosses darstellt, ist auf der Oberseite mit 4 cm dicken Vakuumdämmpaneelen gedämmt. Diese Dämmung hat den Vorteil, dass eine hohe Dämmwirkung bei niedrigem Bodenaufbau möglich ist und somit keine Stufe zwischen dem Obergeschossfußboden und dem Terrassenboden entsteht (Bild 6). Die Holzfenster sind mit einer 3-Scheiben-Wärmeschutzverglasung ausgeführt. Der Uw-Wert liegt je nach Fenstergröße zwischen 0,65 W/m2K und 0,85 W/m2K. In jedem Raum gibt es mindestens ein Fenster, das motorisch geöffnet werden kann. Diese Funktion wird vor allem für die Nachtlüftung benötigt. Vor diesen Fenstern ist ein Sicherheitsnetz aus Stahldraht angebracht, um vor Vogelein- Bild 5. Beleuchtung sowie Akustikbaffeln und PCM-Module zwischen den Deckenbalken Sonderdruck aus: Ernst & Sohn Special 2014 · Kindertagesstätten SD_50-56_Kindertagesstätten_11-2014_cs6.indd 5 stiegen und Einbrüchen bei nächtlich geöffneten Fenstern zu schützen. In der Bautafel sind die U-Werte und Aufbauten der Hüllflächen zusammengestellt. Die für den Sonnenschutz installierten Jalousien werden automatisch gesteuert. Sie werden außerhalb der Heizperiode auf der Ost- und Westseite um 6.00 Uhr automatisch geschlossen. Auf der Westseite erfolgt das Schließen auch um 17.00 Uhr. Ein manuelles Übersteuern ist jederzeit möglich. Im oberen Drittel des Fensterbereichs können die Lamellen jeweils in eine lichtlenkende Stellung gebracht werden. Energie- und Wärmeerzeugung Die Erzeugung der Wärme für das Beheizen der Räume und die Trinkwassererwärmung erfolgt mit zwei im Technikraum untergebrachten Wasser-/Wasser-Wärmepumpen. Primärseitig dient ein Saug- und Schluckbrunnen für die Wärmeentnahme aus dem Erdreich. Für einen energieeffizienten Betrieb der Wärmepumpen läuft die Wärmeverteilung auf sehr niedrigem Temperaturniveau. Die Vor- und Rücklauftemperaturen für die Fußbodenheizung liegen bei 35 °C und 27 °C. Wärmepumpe 1 hat eine Leistung von 26,1 kW und versorgt die Heizungsanlage. Die Wärmeübertragung im Gebäude erfolgt über die Fußbodenheizung und durch die Lüftungsanlage. Wärmepumpe 2 (26 kW) dient der Trinkwassererwärmung. Zusätzlich trägt die Solarthermieanlage (VakuumRöhrenkollektoren nach dem Heatpipe-Prinzip mit einer Aperturfläche von 29 m2) zur Trinkwassererwärmung und zur Heizungsunterstützung bei. Zur Speicherung der erzeugten Wärme werden zwei Pufferspeicher mit je 3.000 l eingesetzt. Für die Stromerzeugung sind auf dem Flachdach 192 Solarmodule mit jeweils 250 Wpeak Leistung installiert (Bild 7). Sie haben eine Neigung zur Waagerechten von 5 °. Die installierte Leistung liegt bei 48 kWpeak. Bild 7. Solarmodule auf dem Flachdach, im Hintergrund die Vakuumröhrenkollektoren 5 20.01.15 17:23 Projektvorstellungen Lüftung Die Räume werden außerhalb der Heizzeit über geöffnete Fenster belüftet, um den Stromaufwand für die Ventilatoren so gering wie möglich zu halten. Alle Fenster sind mit Motoren ausgestattet. Sie werden durch Drücken eines Schalters geöffnet, der sich immer in Sichtverbindung zum entsprechenden Fenster befindet. Aus Sicherheitsgründen ist das Öffnen und Schließen der Fenster nur bei gedrücktem Schalter möglich. Während der Heizzeit sollen die Fenster geschlossen bleiben. In dieser Zeit erfolgt die Lüftung über die beiden Lüftungsanlagen. Anlage 2 versorgt die Nass- und Sanitärräume und Anlage 1 alle übrigen Räume. Bei tiefen Außenlufttemperaturen kann die Zuluft durch einen Grundwasserwärmetauscher vorgewärmt werden. Die Steuerung der Lüftungsanlage 1 erfolgt grundsätzlich raumweise über den CO2-Gehalt der Raumluft. Ist der Schwellenwert in keinem Raum überschritten, wie beispielsweise bei Nutzungsbeginn zu erwarten ist, läuft die Anlage im Grundlastbetrieb. Diese Betriebsweise wird durch Zeitschaltung freigegeben. Am Morgen vor Nutzungsbeginn erfolgt eine etwa halbstündige „Spülung“ der Räume. Beim Betrieb der Lüftungsanlage sollte keine Fensterlüftung stattfinden. Da dies jedoch nicht ausgeschlossen werden kann, ist eine raumweise Abschaltung vorgesehen worden. Der Schwellenwert für die Umschaltung vom „Grundlastbetrieb“ in den „Normalbetrieb“ liegt bei einer CO2-Konzentration von 900 ppm über der Außenluftkonzentration, die i. d. R. einen Wert von ca. 380 ppm hat. Beide Lüftungsanlagen sind mit einer hocheffizienten Wärmerückgewinnung ausgestattet. Die Zuluft kann nachgewärmt werden, um eventuelle Zugerscheinungen durch die Lüftung zu vermeiden. In den Gruppenräumen zeigen installierte Lüftungsampeln die Qualität der Raumluft an (Bild 8). Besonders in der Sommerzeit, wenn nur über die Fenster gelüftet wird, sind Lüftungsampeln hilfreich zur Einschätzung der Luftqualität. Die Lüftungsanlage 2 ist ganzjährig in Betrieb. Die Grundstufe wird während der Nutzungszeit über eine Zeitsteuerung freigegeben. Die Stufe 2 geht bei Präsenz in Betrieb. Um auch im Sommer angenehme Raumlufttemperaturen ohne energieaufwändige Kühlung zu erhalten, wurde die sommerliche Nachtlüftung über einen Solarkamin realisiert. Er befindet sich etwa im Zentrum des Gebäudes über dem offenen Flurbereich (Bild 9). Diese Einrichtung ermöglicht die aktive Durchlüftung für alle Nutzräume des Gebäudes sowohl gleichzeitig als auch separat. Zwei Ziele können damit umgesetzt werden: Zum einen kann die Querlüftung während des Tages unterstützt werden und zum anderen ist eine automatische Nachtlüftung möglich. Der Solarkamin kann nach unten zum Foyer und nach außen in jede Himmelsrichtung geöffnet werden. Im geschlossenen Zustand hat er keinerlei Funktion. Im geöffneten Zustand Bild 8. Eine im Gruppenraum an die Wand montierte Lüftungsampel sind neben der Öffnung 6 SD_50-56_Kindertagesstätten_11-2014_cs6.indd 6 Bild 9. Solarkamin, der insbesondere der sommerlichen Nachtlüftung dient zum Foyer zwei der oberen jeweils über Eck liegenden Seiten geöffnet. Bei Windanströmung öffnen sich jeweils die windabgewandten, im Windsog liegenden Seiten. Während die Unterstützung der natürlichen Lüftung tagsüber ausschließlich manuell nach Bedarf eingesetzt wird, ist für eine effektive Nachtauskühlung des Gebäudes (einschließlich der Entladung der PCM-Module) eine automatische Steuerung notwendig. Wenn im Sommer die Raumlufttemperatur nachts in einem Raum über 24 °C liegt und gleichzeitig die Außenlufttemperatur einen niedrigeren Wert aufweist, öffnet sich der Solarkamin. Damit die warme Luft abströmen kann, öffnet sich automatisch der Nachtlüftungsflügel in dem entsprechenden Raum und kühle Nachtluft kann nachströmen. Die Innentüren zum Flur müssen dabei natürlich geöffnet sein. Der Solarkamin und die Nachtlüftungsflügel schließen wieder, wenn die Raumlufttemperatur die Außen­lufttemperatur annimmt oder unter 18 °C abfällt. Beleuchtung Durch den Einsatz von lichtlenkenden Sonnenschutzsystemen, tageslichtabhängigen Kontrollsystemen und Präsenzmeldern wird durch optimierte Tageslichtnutzung und zielgerichtete Steuerung eine Reduzierung des Energieverbrauchs erzielt. In Sanitär- und Verkehrsbereichen erfolgen Ein- und Ausschaltung über Präsenzsteuerung, wohingegen das Licht in Gruppenräumen und Büros aktiv eingeschaltet werden muss. Bei ausreichender Tageslichtversorgung oder fehlendem Präsenzsignal erfolgt dann eine automatische Dimmung bzw. Abschaltung. Als Leuchtmittel kamen überwiegend T16 An- bzw. Einbauleuchten mit je 28 W zum Einsatz. Die fensterlosen Sanitärbereiche wurden mit LEDBeleuchtung ausgestattet. Energiekennwerte Die Energiekennwerte wurden in Anlehnung an DIN V 18599 [2] berechnet, wobei auch alle elektrischen Verbraucher hinzugenommen wurden, die derzeit noch nicht in DIN V 18599 enthalten sind (Tabelle 1). Der so ermittelte (ausschließlich elektrische) Endenergiebedarf aller Energieverbraucher im Gebäude liegt bei 29,3 kWh/m2a und der Primärenergiebedarf bei 76,2 kWh/m2a. Sonderdruck aus: Ernst & Sohn Special 2014 · Kindertagesstätten 20.01.15 17:23 Projektvorstellungen Tabelle 1. Ergebnisse der Energiebedarfsberechnungen nach DIN V 18599 mit angepassten Randbedingungen (NGF = 1.286 m2) Energiebedarf (ohne PV-Anlage) Nutzenergie [kWh/a] Endenergie [kWh/ m2a] Primärenergie [kWh/a] [kWh/m2a] [kWh/a] [kWh/m2a] 22.504 17,50 Heizung 19.952 15,52 8.656 6,73 Warmwasser 7.763 6,04 3.719 2,89 9.668 7,52 Beleuchtung 8.335 6,48 8.335 6,48 21.672 16,85 Lüftung – – 5.954 4,63 15.479 12,04 sonstige Elektro­ verbraucher – – 11.000 8,55 28.600 22,24 36.050 28,0 37.664 29,3 97.923 76,2 Gesamt Ein Plusenergiehaus hat den Anspruch, mehr Energie zu erzeugen als es für den Betrieb benötigt. Das bedeutet, dass die mit den PV-Modulen erzeugte Energiemenge über dem Bedarf liegen muss. In Tabelle 2 ist im linken Bereich der Endenergiebedarf mit 29,3 kWh/m2a und im rechten Bereich die geplante photovoltaische Energieerzeugung mit 31,2 kWh/m2a angegeben. Somit wird mehr Strom am Gebäude erzeugt als im Gebäude verbraucht wird. Für die Beheizung und den Betrieb des Gebäudes werden außer Strom keine anderen Energieträger eingesetzt, d. h. der gesamte Stromverbrauch des Kinderhauses muss über die Stromgewinnung durch die PV-Anlage erfolgen. Es ist daher notwendig, den geernteten, den ins Netz eingespeisten und den im Gebäude verbrauchten Strom kontinuierlich aufzuzeichnen, damit die Bilanz „genutzte Energie“ und „erzeugte Energie“ erstellt werden kann. Das Messkonzept entstand parallel zur Gebäudeplanung. Der Einbau der Sensoren und Zähler erfolgte im Rahmen der baulichen und anlagentechnischen Umsetzung. Diese Arbeiten lagen im Aufgabenbereich des FraunhoferInstituts für Bauphysik. Die zweijährige Validierungsmessung nimmt die Hochschule Rosenheim vor. Während der Inbetriebnahmephase, die nach Beginn der Monitoringphase startete und ca. ein Jahr dauert, arbeiten beide Institutionen zusammen, um einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten. Monitoring Im Rahmen des vom BMWi geförderten Vorhabens wird ein mindestens zweijähriges Monitoring durchgeführt. Es dient sowohl zur Validierung des Energiekonzepts als auch zur Betriebsoptimierung sowie zur Effizienzermittlung der umgesetzten innovativen Komponenten. Darüber hinaus wird das Zusammenspiel von Nutzer und Anlagentechnik ermittelt. Das Monitoring umfasst in den Räumen die kontinuierliche Messung der Raumlufttemperaturen, der relativen Luftfeuchten, der CO2-Konzentrationen, der Fensteröffnungszeiten und der Klimadaten wie Außenlufttemperatur, Außenluftfeuchte, Windgeschwindigkeit, Windrichtung und Solarstrahlung. Ferner werden alle Stromverbräuche für Wärmepumpen, Grundwasserpumpe, Umwälzpumpen, Ventilatoren und Beleuchtung einzeln erfasst. Auch der Stromverbrauch aller Nutzgeräte wird aufgezeichnet. Die von den Wärmepumpen erzeugte Wärme für die Beheizung des Gebäudes, die mit Wärmemengenzählern erfasst wird, gleichen zusammen mit den internen Gewinnen und den Solargewinnen die Transmis­sions- und Lüftungswärmeverluste aus. Das Messkonzept ist so ausgelegt, dass monatliche Energiebilanzen erstellt werden können. Erste Messergebnisse Nach Fertigstellung des Kinderhauses im Sommer 2013 ging die Messanlage in Betrieb. Zu Beginn mussten noch einige Einstellungen sowohl an der Messanlage als auch an der Heiz- und Lüftungsanlage angepasst werden. Seit Anfang Oktober 2013 liegen jedoch belastbare Messergebnisse vor. Der Gesamtenergieverbrauch, der alle elektrischen Verbraucher im Gebäude umfasst, ist für die Monate Okto­ ber 2013 bis einschließlich Juli 2014 in Bild 10 dargestellt. Wie zu erwar­ten, liegt in den Wintermonaten Dezember und Januar mit etwa 4.000 kWh der höchste Verbrauch vor, Tabelle 2. Zusammenstellung des Endenergiebedarfs und des Energieertrags (NGF = 1.286 m2) Endenergie Energieanteile Heizung, Trinkwarmwassererwärmung, Belüftung, Hilfsenergie, Beleuchtung, sonstige Elektroverbraucher PV-Anlage Gesamt Bedarf [kWh/m2a] [kWh/a] [kWh/m2a] 37.663 29,3 – – – – 40.096 31,2 37.663 29,3 40.096 31,2 Sonderdruck aus: Ernst & Sohn Special 2014 · Kindertagesstätten SD_50-56_Kindertagesstätten_11-2014_cs6.indd 7 Erzeugung [kWh/a] 7 20.01.15 17:23 Projektvorstellungen Bautafel Plusenergie-Kinderhaus „Arche Noah“, Höhenkirchen-Siegertsbrunn n Bauherr: Gemeinde Höhenkirchen-Siegertsbrunn n Architektur: ARGE Asböck Architekten GmbH, München, IB Hauser GmbH, Kassel n Energiekonzept: Fraunhofer-Institut für Bauphysik, Stuttgart n Bauphysik: IB Hauser GmbH, Kassel n HLS: IB Bloos - Däumling - Huber, München n Elektro: IB Wilhelm, Stubenberg n Monitoring: Hochschule Rosenheim Bild 10. Endenergie für Beheizung, Belüftung, Trinkwarmwassererwärmung und Nutzung sämtlicher Elektrogeräte sowie die mit der PV-Anlage erzeugte Energiemenge Bild 11. Kumulierter Energieverbrauch und mittels PV-Anlage erzeugter Energieertrag (Fotos/Grafiken: Fraunhofer IBP) wobei er im Dezember infolge der Ferien­zeit über die Feiertage etwas niedriger ist. In den Sommermonaten liegen die Werte etwa zwischen 500 kWh und 1.000 kWh. Im Diagramm sind auch die über die Photovoltaikanlage erzielten monatlichen Solarbeiträge angegeben. Sie sind von November bis Januar minimal und steigen bis Juni auf knapp 6.000 kWh an. Im Juli ist der Wert kleiner als im Juni, da die Solarstrahlung im Juli unter der des Junis lag. Der Energieverbrauch vom 1. Ok­tober bis 31. Juli betrug 21.800 kWh (Bild 11). Dieser Verbrauch schließt alle Geräte, Wärmepumpen usw. ein, die elektrische Energie benötigen. Es ist zu erkennen, dass die Kurve von Beginn bis April etwa gleichmäßig ansteigt und während der Sommermonate deutlich flacher wird. Der kumulierte Energieertrag der PV-Anlage zeigt erwartungsgemäß das gegen­ teilige Verhalten. Während der Wintermonate verläuft sie relativ flach und steigt dann ab April deutlich an. Der gesamte Ertrag von Beginn bis 31. Juli 2014 liegt bei 24.230 kWh. Das in diesen 10 Monaten erzielte „Plus“ liegt somit bei 2.350 kWh. Obwohl der August und der i. d. R. ebenfalls sonnenreiche Monat September noch zum kompletten Jahr fehlen, hat das Gebäude bereits das gesteckte Ziel erreicht. Danksagung Die innovativen Komponenten, die integrale Planung, die wissenschaftliche Begleitung und das Monitoring werden im 8 SD_50-56_Kindertagesstätten_11-2014_cs6.indd 8 Gebäudekennwerte: n Bruttogrundfläche BGF (nach DIN 277): 1.620 m2 n Nutzfläche nach EnEV: 1.286 m2 n Beheizte Nettogrundfläche NGF (EBF): 1.286 m2 n Beheiztes Bruttovolumen V : 5.879 m3 e n Wärmeübertragende Hüllfläche A: 2.230 m2 n Hüllflächenfaktor A/V : 0,38 m–1 e n Spezifischer Transmissionswärmeverlust H’ : 0,303 W/m2K T U-Werte Gebäudehüllflächen: n Kellerwand 30 cm Stahlbeton, 30 cm Außendämmung (WLG 037): 0,13 W/m2K n Außenwand Holzrahmenbauweise (diffusionsoffen) mit 32 cm Dämmung hinter optimierter, kreuzweise versetzter Lattung und hinterlüfteter Fassade: 0,09 W/m2K n Pfosten-Riegel-Fassade (opak) südseitig angebracht, Paneele mit Vakuumdämmung wärmetechnisch optimiert: 0,20 W/m2K n Fenster mit hocheffizienten 3-Scheiben-Verglasungen in energetisch optimierten Holzrahmen: 0,65–0,85 W/m2K n Glasfassade: 0,62 W/m2K n Türen (transparent/opak): Eingangs- und Fluchttüren: 0,73–0,92 W/m2K n Dach: multifunktionales Holzbalken-Deckensystem mit 28 cm Dämmung (WLG: 030): 0,11 W/m2K n Dachterrasse: Holzbalken-Deckensystem mit 7 cm EPS-Dämmung und 4 cm Vakuumdämmpaneelen: 0,12 W/m2K n Bodenplatte: 30 cm Stahlbeton, beidseitig gedämmt (WLG 037, unten: 25 cm, oben: 7,5 cm), 6,5 cm Heizestrich: 0,12 W/m2K n Die auf die Nettogrundfläche von 1.286 m2 bezogenen Netto­ kosten der Kostengruppe 300 (Bauwerk) und Kostengruppe 400 (Anlagen) liegen bei ca. 1.800 €/m2 und 700 €/m2. Rahmen des Förderkonzepts „Energieoptimiertes Bauen – EnOB“ vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert. Literatur [1]Erhorn, H.; Hoier, A.: Machbarkeitsstudie und Energiekonzept für einen Kindergarten in Plusenergiebauweise in Höhenkirchen-Siegertsbrunn. Stuttgart 2010. [2] DIN V 18599: 2011 Teil 1 bis 11 „Energetische Bewertung von Gebäuden“. Berlin 2011. Weitere Informationen: Fraunhofer-Institut für Bauphysik, Abteilung Wärmetechnik, Nobelstraße 12, 70569 Stuttgart, Tel. (0711) 970 3380, Fax (0711) 970 3399, [email protected], www.ibp.fraunhofer.de/wt Sonderdruck aus: Ernst & Sohn Special 2014 · Kindertagesstätten 20.01.15 17:23