СВІТОВА ТА ВІТЧИЗНЯНА МУЗИЧНА КУЛЬТУРА: NATIONALE UND INTERNATIONALE MUSIKKULTUR: СТИЛІ, ШКОЛИ, ПЕРСОНАЛІЇ STILE, KULTUREN, PERSÖNLICHKEITEN _________________________________________________________________________________________________________________ різновекторних тенденцій. У річищі однієї з них, множинність стилістичних витоків перероджується у єдність стилістики, що охоплює і концепційний рівень, і внутрішні процеси інтонаційно-стилістичного становлення. В інших випадках, полістилістика, як метод композиторської роботи, виявляє тяжіння до виходу на більш масштабний стильовий рівень, що дозволяє говорити про метастиль. Теоретичні міркування автора аргументуються аналітичними проекціями в творчість найяскравіших представників сучасної української композиторської школи – М. Скорика, Є. Станковича, В. Сильвестрова. Ключові слова: стилеутворення, евристична та інтегративна тенденції, полістилістика, моностиль, метастиль, сучасна українська композиторська школа. Iryna Kokhanyk. Between polystylistics and metastyle: about stylistic searches of Ukrainian composers at the turn of ХХ-ХХІ centuries. In this article the problem of contemporary music in the style creation is considered in the aspect of the interaction of multi-vector trends. In keeping with one of them, the multiplicity of stylistic plurality reborn in the unity of style that encompasses concept level, and the internal processes of intonation and stylistic development. In other cases, polystylistics as a method of composing the work discovers gravity before going wider stylistic level, which allows to speak about metastyle. Theoretical considerations of the author argued projections in creativity of the brightest representatives of contemporary Ukrainian composers' school – M. Skoryk, Е. Stankovych, V. Silvestrov. Keywords: building up style, heuristic and integrative trends, polystylistics, monostyle, metastyle, modern Ukrainian composers' school. Alla Vaysband DAS WERK ALS BEGEGNUNG: DREIECK «WERK» – «KOMPONIST» – «ADRESSAT» IN DER MUSIKÄSTHETIK VON VALENTIN SILVESTROV Zeitgemäß zu sein bedeutet mit seiner Zeit zu kämpfen, so wie man sich mit neun zehntel seiner ersten Skizze kämpft. Marina Zvetaeva Einleitung. Der vorliegende Artikel basiert auf den Audioaufnahmen von 12 Begegnungen mit einem der wohl bedeutendsten und originellsten zeitgenössischen Komponisten, Valentin Silvestrov – den dem breiten Publikum noch unzugänglichen einzigartigen Materialien, welche die ganze künstlerische Entwicklung des Meisters widerspiegeln und zugleich einen guten Einblick in seine musiktheoretischen Ansichten vermitteln. Unsere Hinwendung zu diesen Materialien hier kann zunächst im Bezug auf die Wertschätzung eines dem Komponisten unbekannten deutschen Musikkritikers begründet werden, der die 6-te Symphonie von Silvestrov als «Gabe an das Menschentum» bezeichnete und behauptete, dass man auf eine nächste solche Gabe noch langе warten müsse. Für unsren Zusammenhang ist diese Wertschätzung insofern wichtig, als МУЗИКОЗНАВСТВО У ДІАЛОЗІ MUSIKWISSENSCHAFT IM DIALOG _____________________________________________________________________________________________________ dass die Überlegungen zur Frage, was die Werke kennzeichnet, die – unter bestimmten Bedingungen! – als «Gabe an das Menschentum» wahrgenommen werden können, zu einem Schluss führen, der in einem deutlichen Einklang mit dem Thema dieses Symposiums steht und die Aktualität dieses Themas zusätzlich betont: Man darf wohl behaupten, dass Silvestrovs Werke auf eine eigentümliche Weise sowohl der immanenten Logik der musikalischen Entwicklung als auch den Erwartungen des Zuhörers Rechnung tragen 1 , d.h. eine spezifische Lösung für den Gegensatz zwischen der Autonomie der Musik und ihrer Funktionalität anbieten. Worin genau besteht nun das Spezifische dieser Lösung? Bevor wir einige Ansätze zur Beantwortung dieser Frage mithilfe der Selbstinterpretationen des Komponisten (der bei den Begegnungen gegebenen Erläuterungen zu seinem kompositorischen Verfahren sowie zu einer adäquaten Interpretation und Rezeption seiner Werke) anzudeuten versuchen, gilt es, diese Begegnungen etwas ausführlicher darzustellen, um somit in das Gesamtwerk des Komponisten einzuleiten und einen kleinen Einblick in seine musiktheoretischen Einsichten zu geben. Die Veranstaltungen wurden im Frühjhahr 2008 in Raum des Ukrainischen Komponistenverbandes (Kiew) organisiert. Als ihr Initiator und Moderator trat der ukrainische Komponist Sergej Pilutikov, der Valentin Silvestrov über mehr als 20 Jahren persönlich kannte und mit ihm viele private Gespräche über (seine) Musik führte. Unter wenigen Ausnahmen folgten die Begegnungen einer chronologischen Reihenfolge und wurden nach dem gleichen Prinzip gestaltet: Während er sie mit kleinen, oder auch umfassenden Einführungen begleitete, zeigte der Komponist zunächst die Audioaufnahmen 1 Vgl. dazu die vom Komponisten selbst formulierte Kriterien eines gelungenen Musikwerkes. Kennzeichnenderweise thematisiert ein von ihnen den Aspekt der Autonomie des Werkes auch dem Autor gegenüber: Soll das Werk gelingen, dann drückt es sich selbst aus, nicht der Autor. Soll das Werk nicht gelingen, dann drückt der Autor etwas in ihm aus. Das andere Kriterium betont dagegen den Aspekt der Funktionalität, - die Fähigkeit eines gelungenen Musikwerkes, den Test des mehrmaligen Hörens zu bestehen. «Es gibt Texte, die kleinen ewigen Motoren ähnlich sind. Selbst wenn wir sie viele Male hören, langweilen sie uns nicht. Ganz im Gegenteil, mit jedem Mal scheinen sie besser und besser zu werden, und dann geht man beim Hören von der schlichten Aufnahme der Information zum Genießen des Textes selbst über. Der Mensch liebt den Text nicht dafür, dass Letzterer irgendwelche Information beinhaltet, sondern dafür, dass man in ihm wohnen kann – wie in einem Haus oder in einem kleinen Häuschen. Und das genießt er. Es gibt auch andere Texte, die einfach eine Information vermitteln. Nachdem sie ihre Funktion erfüllt haben, verschwinden sie». Systematische Analyse und geschichtliche Kontextualisierung der Musikästhetik von Silvestrov bilden zwar keinen Zweck dieses Artikels, – vielmehr verfolgt er die Absicht, einige der musiktheoretischen Auffassungen vom Komponisten unter dem Hauptaspekt dieses Symposiums zu präsentieren. Trotzdem wollte ich am dieser Stelle auf eine m.E. bemerkenswerte Tatsache verweisen, dass der Komponist hier das in der heutigen Musiktheorie recht seltenes Wort «Genießen» benutzt, das Hans Robert Jauss zu einem der zentralen Begriffe seiner Ästhetik erhoben und in der Polemik gegen Adornos negative Ästhetik ausgespielt hat. СВІТОВА ТА ВІТЧИЗНЯНА МУЗИЧНА КУЛЬТУРА: NATIONALE UND INTERNATIONALE MUSIKKULTUR: СТИЛІ, ШКОЛИ, ПЕРСОНАЛІЇ STILE, KULTUREN, PERSÖNLICHKEITEN _________________________________________________________________________________________________________________ seiner ausgewählten Werke 1 . Danach startete eine umfangreiche Diskussion, bei der sowohl der Moderator, als auch sehr zahlreiche Besucher Fragen stellen dürften. Dem Vorhaben von Sergej Pilutikov gemäß, sollten die Veranstaltungen einem «tiefen Eintauchen» in die Welt des Valentin Silvestrov dienen. Und in der Tat war bei diesen ein ganzes Sektrum an verschiedenen – ganz konkreten und sehr allgemeinen – Fragen gestellt, die alle wichtigen Aspekte seines Schaffens beleuchteten: Ursachen der Zuwendung zur Dodekaphonie und Avantgarde in den 60 Jahren und die Gründe für die stilistische Wende zur «Postavangarde» in den 70-en; Kennzeichen der «Postavangarde» in der Silvestrovs Musik und Gründe, die es verbieten, diese Wende im Sinne der Rückkehr des Komponisten zur traditionellen Ästhetik zu deuten; Berührungspunkte zwischen der Musikästhetik von Silvestrov und Zen und seine Stellung zu Stockhausen, Bowles, Xenakis und Nono – den Komponisten, mit denen er sich immer wieder kritisch auseinandersetzte; Sinn und Bedeutung des Phänomens «Postludie» und seine Rolle im Werk des Komponisten; Gründe für Wiederholung gleicher Elemente in seinen Werken und die Grenze, welche den Archetypus des kompositorischen Stils von Selbstzitieren trennt; Klärung seiner Begriffe «Ikone für Gehör», «Stummheit der Sprache», «mündliche Musik», «schwacher Stil», «Hypermelodie», «Metamusik» usw.; Funktionen der Verdoppelungen der Stimmen in seinen Orchesterpartituren und seinen Werken für Stimme (bzw. Geige) und Klavier; Prinzipien der Aufführung der Pausen in seinen Werken usw. Über dies hinaus was bei diesen Veranstaltungen eine ganze Reihe von allgemein theoretischen und ästhetischen Fragen diskutiert, die natürlich ebenfalls von Silvestrovs Werken inspiriert worden waren: Wesen, Ursprung und verschiedene Funktionen der Musik; Verhältnis der Begriffe «Musik» und «Klаngkunst»; geschichtliche Stellung, Funktionen und Kennzeichen der musikalischen Avantgarde (eine der Zitaten dazu: «Man kann ein Stück in CDur schreiben und ein Avantgardist sein 2 «, oder: «von neuer Musik in der Geschichte bleibt die Pause»); gemeinsame Gesetze, die sowohl der Avantgarde als auch der traditionellen Musikästhetik zugrunde liegen; Verhältnis von Avantgarde und Kanon («in der avantgardistischen Musik soll jeder Mensch einen eigenen Kanon finden»); Differenzierung der Begriffe «direkte» und «indirekte Aktualität», Funktionen der Melodie in der Musik und 1 Der Umfang dieser von ihm gezeigten Werke reichte von seinen frühen seriellen Kompositionen für Klavier bis hin zu Liedern, die er erst eine Woche oder sogar ein Tag von der Veranstaltung komponierte. 2 Da es in diesem Text um Zitieren von noch nicht publizierten Materialen geht, können wir hier und weiter keine Literaturnachweise geben. МУЗИКОЗНАВСТВО У ДІАЛОЗІ MUSIKWISSENSCHAFT IM DIALOG _____________________________________________________________________________________________________ Unterscheidung zwischen «Melodie» und «Melodismus»; Kennzeichne und Ursachen der Krise der Symphonie im 20 Jh. und ihre Parallele zur Krise des Romans; sein Verständnis von Kitsch und seine Stellung zur Banalität («Angst vor Banalität wird selbst zu einer anderen Form der Banalität»); Sinn und Bedeutung des Formalismus in der Kunst und vieles mehr. Wohl der größte Teil der Fragen war aber dem kompositorischen Verfahren von Valentin Silvestrov gewidmet, bei deren Beantwortung er kennzeichnenderweise von der Beschreibung seines eigenen Verfahrens zur Reflexion über die Positionen des Zuhörers und des Interpreten überging. 1. Das Verhältns «Werk» – «Komponist» Silvestrovs Erläuterungen zu seiner kompositorischen Methode lassen sich am Besten vor dem Hintergrund von zwei zeitgenössischen Tendenzen verstehen, mit denen er sich immer wieder kritisch auseinandersetzte. Die erste Tendenz betrifft das «Wozu» der schöpferischen Arbeit und meint das Streben der Komponisten, ihre Meisterschaft und die Eigentümlichkeit ihres Verfahrens zu demonstrieren («Ich bin der Komponisten!»), sowie ihre Autonomie gegenüber dem Schaffensprozesses und seinem Erzeugnis – dem Werk – zu verteidigen. Diese Einstellung, die er mit dem Begriff der «Individualität» bezeichnet, um ihm den Begriff der «Persönlichkeit» entgegenzusetzen, setzt Silvestrov mit dem in der zeitgenössischen Musik zu beobachtenden selbstgenügsamen Streben nach der Aktualität in Verbindung, das ihm insofern gefährlich zu sein scheint, als es die zunehmende Verselbstständigung der Musik (ihre Distanzierung vom Zuhörer) zu seiner Folge hat: «In den 60- und 70-Jahren spielte in der Musik das Streben nach einer direkten Aussage eine große Rolle. Das heißt das Streben zur unmittelbaren Demonstration der Aktualität der Sprache. Manche Komponisten verfolgen dieses Streben noch heute, und gehen dabei bis hin zur Überaktualität – Aktualität der Aktualität, Aktualität der Aktualität der Aktualität… Und so verlieren wir uns in der Unendlichkeit dieser Aktualität». Die zweite Tendenz, die Silvestrov mit dem Begriff der «Papiermusik» bezeichnet, betrifft das «Wie» des kompositorischen Verfahrens und meint das Streben der Komponisten, ein fertiges, vorgegebenes Können und Wissen zum Ausgangspunkt seiner schöpferischen Tat zu nehmen. Auch diese Tendenz beurteil der Komponist als ein Weg, der zur Kluft zwischen einem zeitgenössischen Musikwerk und Zuhörer, d.h. zum Konflikt zwischen Autonomie der Musik und ihrer Funktionalität führt: «Wird die Schule, shole, die Sholastik in einem guten Sinne den Anfang des Prozess des Komponierens bilden, dann werden wir Musik für Musik produzieren, diese Musik werden nur СВІТОВА ТА ВІТЧИЗНЯНА МУЗИЧНА КУЛЬТУРА: NATIONALE UND INTERNATIONALE MUSIKKULTUR: СТИЛІ, ШКОЛИ, ПЕРСОНАЛІЇ STILE, KULTUREN, PERSÖNLICHKEITEN _________________________________________________________________________________________________________________ Musiker hören, diese Musiker werden weitere Musiker ausbilden usw., – so ein geschlossener Kreis.» Die Darstellung der vom Komponisten angebotenen Alternative – seines schöpferischen Verfahrens, das den oben erwähnte Konflikt lösen sollte – ist am Sinnvollsten mit zwei Aussagen zu beginnen, die schon bei der ersten, einleitenden Begegnung gegeben worden waren. Die erste dieser Aussagen formuliert eine Art allgemeines Gesetztes der kompositorischen kompositorischen Tätigkeit: «Musik soll aus dem Schweigen geboren werden. Das wichtigste ist hier – der Maß des Schweigens. Gerškovič sagte über große Meister (Schönberg, Berg, Webern, Bеethoven, Mozart, Bach): Musik ist nicht das, was klingt, sie ist in Struktur des Schweigens. Im Prinzip ist das eine philosophische Idee, sie kann man aber auch empfinden. Nehmen wir zum Beispiel die Fünfte Symphonie von Beethoven. Ihr Anfang : ta-ra-ta-tam .. ta-ra-ta-tam… – das sind ganz gewöhnliche Formeln, sie existierten damals und existieren immer noch. Außerhalb dieser Musik war aber eine so starke Ladung der Elektrizität des Schweigens, dass sie sich einfach wie ein Blitz entladen hat. Diese Figuren, diese Bazillen – genau sie sind die Zeichen des Überganges aus dem Schweigen. Vielleicht fesseln gerade sie den Komponisten, setzen sich fest, und indem er sich ihnen unterzieht, fühlt er sich gefangen, versinkt in den Schaffensprozess und bleibt an es gebunden». Mit der zweiten Formulierung bezeichnete Valentin Silvestrov das Eigentümliche seines kompositorischen Verfahrens, das er als «lyrisches» bestimmte und dem «dramatischen» entgegensetzte. «Vor kurzem habe ich mit Gubajdulina gesprochen. In ihrer Kompositionen stützt sie sich – ebenso wie z.B. Pärt oder Knaifel – auf die Zahl, indem sie quasi der pythagoreischen Idee folgen, dass die Zahl der Welt zugrunde liegt. Ich verstehe es so, dass die Zahl das Licht sei. Meiner Meinung nach soll der Komponist aber nicht aus dem Licht, sondern von voller Dunkelheit ausgehen. Wenn du von Dunkelheit ausgehst, dann kennst du keine Proportionen, keine unbetonten Noten, keine Betonungen – überhaupt nichts. Das alles gibt es natürlich, aber du kennst nichts davon. Und wenn du das zu erkennen beginnt, dann entsteht die Zahl. Die eine Sache ist es also, wenn man mit der Zahl beginnt, die andere – wenn man erst zur Zahl kommt. Wenn der Text schon geschrieben ist, dann ist er die Zahl, die aus der Dunkelheit geboren ist. Das sind zwei ganz unterschiedliche Vorgänge». Der Sinn dieser Aussage wurde bei der zweiten Begegnung verdeutlicht, als der Komponist das Spezifische seines «lyrischen Bewusstseins» mit Hilfe der Begriffe die «Rationalität» und das «lebendige Gehör» geschildert hat: «Wenn wir ein Werk komponieren, sollen wir alle unsere Kenntnisse quasi МУЗИКОЗНАВСТВО У ДІАЛОЗІ MUSIKWISSENSCHAFT IM DIALOG _____________________________________________________________________________________________________ vergessen; vergessen, um handeln zu können, um etwas entstehen zu lassen. Und wenn etwas schon entstanden ist – erst dann kann man es analysieren. Ich spreche über den lyrischen Typus des Bewusstseins, zu dem ich mich zurechne. Deswegen ist es für mich sehr wichtig, dass der Komponist ein lebendiges Gehör hat. Soll es abwesend sein, dann heißt es, dass ich den Ursprung meiner Tätigkeit rationalisiere. Der Ursprung darf nicht rational sein. Das Ergebnis dagegen – es soll zum Rationalen hinführen. Denn in der Zeit, als wir das Werk aufzuschreiben beginnen, dann werden wir klüger und vernünftiger. Und erst wenn wir das Werk schon vollenden hasst, erst dann können wir sagen, warum wir es so und nicht anders gemacht haben. Wenn ich aber vom Anfang an vom Rationalen ausgehen werde, dann kann ich gar nichts machen. Der Raum wird für mich verschlossen. Das versuchst du – das gab es schon, dies erinnert an das und dies an jenes». Nach seinen Zeugnissen ist dem Komponisten die Notwendigkeit dieses Rückgriffs auf das lebendige Gehör (die Notwendigkeit der Geburt der Musik aus dem Schweigen) erst in Laufe seiner künstlerischen Entwicklung ganz deutlich geworden. Als der amerikanische Musikkritiker Harold Schönberg die Anwesenheit der Melodie in seinem frühen Werk «Spektren» gelobte, sah Valentin Silvestrov dies dagegen als einen Nachteil: Ein Zeichen dafür, dass es ihm nicht gelungen ist, die Entfremdung zu gewinnen, die er bei dem Stockhausen bewunderte, – dem Komponisten, dessen Musik er damals hoch schätzte. Später ist es ihm aber deutlich geworden, dass auch avantgardistische Kompositionen, bei denen man scheinbar alles machen kann, was er machen will, eine Verbindung brauchen. Ein negatives Beispiel einer solchen Verbindung fand Silvestrov in den Werken der «polnischen Schule», die damals mit solchen «Kategorien des abstrakten Expressionismus» operierten wie «laut-leise, Spannung-Entspannung». Dies schien ihm eine voreilige Lösung zu sein und seine Alternative dazu sah folgenderweise aus: «Man muss die Werke dagegen mit irgendwelchen «Setzlingen für Gehör» besiedelt, damit diese Welt auch von solchen Dingen durchgedrungen wird, welche… für die wir die Musik lieben!» Ein erstes Beispiel dafür, wie der Komponist dieses Gebot in seinen avantgardistischen Werken realisierte, bieten die schon erwähnten «Spektren». «Ich erinnere mich, dass in den «Spektren» für mich der Erstimpuls wichtig war. Der Erstimpuls, das Beginn eines Werkes – das ist ein solcher «Platzdarm», den wir erkennen sollen, den ich sogar spielen können soll – obwohl diese Kompositionen am Klavier gar nicht zu spielen sind! Aber diesen «Platzdarm» soll ich spielen können, damit man die ganze Komposition danach, auch wenn sie sehr komplex ist, nach Gehör erkennen könnte, und hier gibt es einen СВІТОВА ТА ВІТЧИЗНЯНА МУЗИЧНА КУЛЬТУРА: NATIONALE UND INTERNATIONALE MUSIKKULTUR: СТИЛІ, ШКОЛИ, ПЕРСОНАЛІЇ STILE, KULTUREN, PERSÖNLICHKEITEN _________________________________________________________________________________________________________________ bestimmten Wert.» Außer dem Erstimpuls war für den Komponisten auch die – durch das Gehör kontrollierte - Verbindung zwischen den einzelnen Schritten wichtig, deren Eignartigkeit er ebenfalls in der kritischen Auseinadersetzung mit der «Papiermusik» verdeutlichte. Auch in dieser Musik «gibt es eine Verbindung zwischen den einzelnen Schritten, die mit Gehör etwas zu tun hat. Es ist hier aber die Vorstellung davon verloren, dass man – sofern es möglich ist – bis zur Vollendung seines Komponierens die Erinnerung an den ersten Schritt beibehalten soll, mit dem man begonnen hat. Zwar gelingt das sogar beim Hören nicht immer, doch ist dies ein Orientierungspunkt. Gerade diese Verbindung mit dem ersten Schritt, den der Komponist in seinem Gedächtnis immer wach hält, macht die Form lebendig». Dies waren also die Grundideen, welche Valentin Silvestrov dazu bewegten, auch in den Werken seiner avantgardistischen Periode «die Form nicht an den Kontrasten zu verankern, sondern sie als Melodie, genauer – als Hypermelodie zu deuten». Eine besondere Modifikation dieses Prinzips der Orientierung einer avantgardistischen Komposition an «lebendiges Gehör» erprobte der Komponist zum ersten Mal in seinem Werk «Drama» (1970–1971). Die Entstehung dieses Werkes stellte er mit einer fundamentalen Krise um 1968 in einen Zusammenhang, die alle Komponisten seiner Meinung nach erlebten und die er als «Krise der Sterilität», bzw. als Erschöpfung des Potentials der neueren Musik bezeichnete. Zu einer weit verbreiteten Antwort auf diese Krise ist bekanntlich die Polystilistik geworden, die der Komponist aber als ein Konzept betrachtete, das eher für die mit Drama verbundene Musik geeignet war. Silvestrov wollte dagegen «eine Einheit aller musikalischen Systeme, der modalen, tonalen, atonalen und dodekaphonen erschaffen», er ging also «von dem musikalischen System und nicht vom Stil aus». Dabei war es ihm wichtig, dass alle diese Systeme schon in der ersten Auslegung der Idee verankert waren, aber nicht explizit blieben. Und dann könnte eine solche Möglichkeit entstehen – «sich an dem Gehör zu orientieren und das Potenzial zu realisieren, das schon im Erstimpuls verankert war. Das kann man damit vergleichen, dass das ganze System der tonalen Musik im C-Dur-Präludium aus dem Ersten Band des Wohltemperierten Klaviers verankert ist». Das Komponieren der polystilistischen und monostilistischen Werke soll, nach der Überzeugung von Silvestrov dem gleichen Prinzip folgen, das er auf folgende Weise formulierte: «Das Schaffen eines Werkes – egal ob mono- oder polystilistisch – muss sich an diesem Strom halten, in den du eintrittst. Dann ergibt sich ein Zusammenhang zwischen dem, was war und dem, was sein wird. Dieser Weg ist nicht einfach ein logischer Zusammenhang. Der logische Zusammenhang gibt dem Text eine МУЗИКОЗНАВСТВО У ДІАЛОЗІ MUSIKWISSENSCHAFT IM DIALOG _____________________________________________________________________________________________________ Art Status, aber wichtig ist, dass die Logik aus jener «Zugluft» (сквозняк) geboren wird, der du folgst». 2. Das Verhältnis «Werk»-«Komponist»-«Interpret» Die Bedeutung, welche Valentin Silvestrov der Aufführung (seiner) Werke zugeschreibt, lässt sich zunächst im Bezug auf seine Vorstellung verstehen, der zufolge Dynamik in der Musik der Avantgarde eine genauso wichtige Rolle spielt, wie das Intervall in der Musik der Tradition, so dass ihre falsche Interpretation für das Werk einfach tödlich sein könnte. Dieser Vorstellung gemäß versorgt er seine Partituren mit unzähligen Anweisungen zu Dynamik und Agogik und fordert von den Interpreten, diesen Anweisungen ganz genau zu folgen. Diese Genauigkeit bedeutet für ihn aber nur ein Kriterium einer gelungenen Interpretation. Darüber hinaus scheint es ihm wichtig zu sein, dass der Musiker bei der Aufführug seiner Werke dem Weg nachgeht, welchen der Komponist bei dem Schaffen dieser Werke gegangen ist. «Wenn der Komponist etwas schafft, geht er von Dunkelheit aus und bewegt sich von einem vollkommenen Unverständnis zum Verständnis. Im Ergebnis erscheint das Licht, das Licht – es ist der Text selbst. Nun kommt der Interpret, er hat schon das Licht, das heißt – den Text. Und wenn er einfach das Licht aufführen wird – dann bekommen wir eine Tautopologie. Denn dieses Licht hat der Autor aus Dunkelheit gewonnen! Hier ist eine Rückbewegung wichtig, gerade in dieser Rückbewegung besteht die Aufgabe des Interpreten. Wenn er diesen Text lernt, soll er dieses Licht in seiner Persönlichkeit quasi «einschmelzen» und es in die Dunkelheit zurückversetzen, aus der es entstanden ist. In jene gesellige Dunkelheit. Dank diesem umgekehrten Schritt entsteht die Verbindung zwischen Interpreten und Komponisten. Das Werk wie das Grab von Muhammad befindet sich zwischen den beiden Magneten. Und dann entsteht dieses wunderbare Etwas, wenn der Interpret nicht bloß zu einem Vollzieher, sonder zu einem Mitautor wird. Er vollzieht einen umgekehrten Schritt und schafft die Musik!». Dabei – und das ist vielleicht das Entscheidende – geht es dem Komponisten nicht bloß darum, dieses Mitautor-Sein von seinen Interpreten zu fordern, sondern auch die notwendigen Bedingungen dazu zu schaffen: Mit guten Gründen, die hier nicht im Einzelnen expliziert werden können, stellt er die Komplexität seiner eigenen Musik für den Interpreten der Komplexität einer anderen Art entgegen, die (wie. z.B. diejenige von ständig wechselnden komplexen Rhythmen und Metren) den Musiker zu einem bloßen Vollzier des Willens des Komponisten macht, ohne ihm die Möglichkeit zu bieten, seine Pesönlichkeit bei der Interpretation der Werke zu realisieren. СВІТОВА ТА ВІТЧИЗНЯНА МУЗИЧНА КУЛЬТУРА: NATIONALE UND INTERNATIONALE MUSIKKULTUR: СТИЛІ, ШКОЛИ, ПЕРСОНАЛІЇ STILE, KULTUREN, PERSÖNLICHKEITEN _________________________________________________________________________________________________________________ 4. Das Verhältnis «Werk»-«Komponist»-«Zuhörer» Silvestrovs Vorstellungen von einer gebotenen Rezeption (seiner Werke) wurden in der kritischen Auseinandersetzung mit einer heutzutage weit verbreiteten Tendenz formuliert, – der Gewohnheit, die Musik beim Hören zu kritisieren. Von dieser Gewohnheit war der Komponist selbst, so sein Bekenntnis, nicht ganz frei. Vielleicht eben deswegen versuchte er sie immer wieder und immer neu – mit Hilfe von prägnanten Metaphern und Gleichnissen – zu bekämpfen: «Wenn du bei einem Konzert ein Stück zum ersten Mal hört, – so klingt eine seiner Formulierungen – besonders das Stück eines Autors, dem du nicht ganz vertraust, dann wirst du das Gefühl nicht los, dass du eine Entscheidung treffen muss – ob dieses Stück gut, oder schlecht ist. Und deshalb – das kenne ich von mir selbst – fängst du an, die Musik zu kritisieren, anstatt sie zu hören. Stellen sie sich vor: Sie sagen etwas und ich kritisiere Sie: Ihre Sprechweise ist irgendwie falsch und Ihre Lippen bewegen sich auch nicht so, wie ich es gerne hätte» (Lachen). «Und ich überhöre einfach alles, was Sie sagen. Musik wird auch oft auf dies Art und Weise gehört: Dies ist falsch und jenes ist nicht in Ordnung. Versuchen Sie Mal die Musik doch anders zu hören! Wenn sie einfach aufmerksam zuhören werden, dann entsteht die kritische Einstellung von selbst. Aber Sie werden die Botschaft dieser Musik erhalten. Diese Botschaft wird ihre Vor- und Nachteile haben, doch Sie werden sie hören! Wenn ich die Musik während des Hörens kritisiere, verschwende ich eigentlich sehr viel Zeit. Weil ich beim Kritisieren die Verbindungen verliere, von daher entsteht die Unzufriedenheit. Und dann stellt sich heraus, dass die Unzufriedenheit dadurch bedingt war, dass ich nicht in Prozess des Hörens hineingekommen bin – und alles ist schief gelaufen…». Die Unzulässigkeit einer solchen Art des Hörens für die Wahrnehmung seiner eigenen Musik begründete der Komponist an Hand eines sehr kennzeichnenden Beispiels einer misslungenen Rezeption seiner «Serenade für Streichorchester». Einmal hörte er diese «Serenade» zusammen mit einem jungen Mann aus dem Westeuropa. «Zuerst war er ganz zufrieden, als dann aber die Melodie erschien, sagte er enttäuscht: «Wozu ist das?». Er hat nicht gehört, dass die Ansätze zur Entstehung dieser Melodie von Anfang an da waren. Sein Gehör war geschlossen. Er handelte nur im Bereich des Gesicherten – «Aha, es passiert nichts Schlimmes. Alles scheint in Ordnung zu sein. Stil? – Gibt es». – Das heißt der Mensch sitzt und erspürt, dass das eine qualitätsvolle Arbeit ist. Und das genügt ihm. Das ist eine andere Art des Hörens, wenn man nicht die Botschaft hört, sondern schaut, wie sich die Lippen bewegen. Trittst du in den Prozess des Hörens ein, dann wird die Melodie für dich zu einer Gabe oder einer Entdeckung. Solltest du in diesen Prozess nicht eintreten, – «na, ja, bei Ihnen ist МУЗИКОЗНАВСТВО У ДІАЛОЗІ MUSIKWISSENSCHAFT IM DIALOG _____________________________________________________________________________________________________ wieder diese Melodie, wie es sie auch in der älteren Musik gab». Derjenige, der in den Prozess des Hörens eintritt, nimmt auch die Zusammenhänge war. Für ihn wird dieses C-Moll organisch, sonst steht es ganz fremd.» Schon dieser Kommentar lässt schließen, dass ein adäquates Hören für die Entstehung eines Musikwerkes von Silvestrov nicht weniger wichtig, als eine adäquate Interpretation ist. Noch deutlicher spricht dafür eine seiner allgemeinen Formulierungen, mit der er über die Bedeutsamkeit eines adäquaten Hörens für die Musik der Avantgarde im Ganzen spricht und sie dabei systematisch begründet: «Es gibt Systeme, in denen diese notwendige Verbindung von Anfang an garantiert ist, z.B. – das tonale System. Du brauchst nur zu beginnen – und Dominanta-Tonika tragen dich schon von selbst. Die Aufgabe des Komponisten besteht in diesem Fall darin, im Rahmen dieses anonymen Systems sein eigenes Wort sagen zu können, ohne die ihm vorgegeben Verbindungen zu zerstören. In der Musik der Avantgarde sieht die Sache schwieriger aus. Hier entscheidet alles die Initiative und außerdem – Hinhören und Verbindungen, von denen ich schon gesprochen habe. Sind sie vorhanden, dann gibt es auch eine Hoffnung, dass jemand seinen Fokus des Verstehens und des Hörens adäquat einstellt und diese Verbindungen begreift. Das heißt er wird nicht nur denken, dass dieser Teil des Werkes mit jenem verbunden ist, sondern auch spüren, das er «verwoben» («завязана») und nicht einfach so komponiert ist». Zusammenfassung Versuchen wir nun die oben zitierten Äußerungen von Valentin Silvestrov im Lichte der Hauptfrage dieses Symposiums zusammenzufassen, so lassen sich vier Grundcharakteristika seines kompositorischen Verfahrens erkennen, die sich als seine Antwort auf die von ihm hinterfragte Situation der zunehmenden Verselbstständigung und Entfremdung der Musik gegenüber dem Zuhörer verstehen lassen und somit im Sinne der vom Komponisten angebotenen spezifischen Lösung für den Gegensatz zwischen Autonomie und Funktionalität gedeutet werden können. 1. Beginnt man mit dem ganz Offensichtlichen und auf der Oberfläche Liegenden, so ist zunächst auf eine wechselseitige Rollenübernahme des Komponisten und des Zuhörers zu verweisen, welche den Schaffensprozess von Silvestrovs kennzeichnet: Der Komponist tritt bei diesem als Zuhörer auf («Man muss den Zuhörer in sich selbst haben»), die Aufgabe des Zuhörers besteht dagegen darin, «sein Fokus des Verstehens und des Hörens adäquat einzustellen» und somit zum Mitvollzieher zu werden, d.h. an der Entstehung des Werkes teilzuhaben. СВІТОВА ТА ВІТЧИЗНЯНА МУЗИЧНА КУЛЬТУРА: NATIONALE UND INTERNATIONALE MUSIKKULTUR: СТИЛІ, ШКОЛИ, ПЕРСОНАЛІЇ STILE, KULTUREN, PERSÖNLICHKEITEN _________________________________________________________________________________________________________________ 2. Ferner ist von einer eigentümlichen Ambivalenz zu sprechen, welche Silvestrovs Verhältnis zum Adressaten seiner kompositorischen Tätigkeit charakterisiert. Einerseits erheben seine Werke einen gewissen Universalitätsanspruch, indem sie auf die oben beschriebene vielfältige Weise sowohl der Erwartungen eines erfahrenen Zuhörers entsprechen, dessen musikalische Wahrnehmung die immanente Logik der Entwicklung der musikalischen Sprache nachvollzogen hat, als auch den Bedürfnissen des «naiven Gehörs» Rechnung tragen 1 . Andererseits richten sich diese Werke an einen ganz bestimmten und zur Zeit noch recht engen Kreis von Zuhörern, die dazu bereit und fähig sind, die Bedürfnisse des «naiven Gehörs» (des Gehörs eines «naiven» Musikliebhabers) nicht von vorneherein als eine Art Banalität und Sentimentalität abzuwerten und auch die Musik, welche auf diese Bedürfnisse antwortet und sie zugleich weiterentwickelt als eine zeitgemäße anzuerkennen. 3. An dritter Stelle – um jetzt zu den beiden wohl wichtigsten und weniger evidenten Punkten unserer Zusammenfassung überzugehen – ist der synthetische Charakter des kompositorischen Verfahrens von Silvestrov zu erwähnen, das auf eine paradoxe, einzigartige Weise die Gegensätze von Passivität und Aktivität, kritischer Distanz und unmittelbarer Teilhabe, Technik und lebendigem Gehör vereinigt und sich somit jenseits der beiden Polaritäten setzt, die letztendlich zum Konflikt zwischen Autonomie und Funktionalität der Musik führen. Weder tritt der Komponist beim Schaffen seiner Werke nämlich als ein autonomer und selbstgäsetzlicher Herr über den Schöpfungsprozess 2 , noch wird er bei diesem Schaffen zu einem bloßen Medium, oder einem passiven Organ für die Realisation eines ihm heterogenen Kunstwollens 3 . Seinen Begriff der Persönlichkeit ebenso wie seine Metapher der Geburt der Musik aus dem Schweigen lässt sich in dem Sinne verstehen, dass es ihm bei seinem Komponieren darum geht, in einen Dialog mit dem Werk als seinem Gegenüber einzutreten (vgl. «die Musik soll Widerstand leisten» 4 ), d.h. bewußt und aktiv an der Fortsetzung eines außerhalb seines eigenen schöpferischen 1 Vgl. Silvestovs Verweis auf einen der Briefe von Mozart an dessen Vater, in dem der Komponist davon schreibt, dass ein Konzert seiner Zeit «eine Art Musik voraussetzt, die sowohl einem Unkundigen, als auch einem Musikkenner Vergnügen bereitet». 2 Als misslungen – ein Symptom einer Krise - betrachtet Silvestrov sein Werk «Hymnen» (1967), das mit dem Premium «Gaudeamus» gekennzeichnet wurde. «Als ich es komponierte – so begründet er diese seine Bewertung, hatte ich ein Gefühl, dass ich der Herr bin, dass ich tue was ich will, ohne irgendwelchen Widerstand der Musik zu erspüren»!. 3 Nicht von ungefähr hat er dem von ihm kritisierten Begriff der Individualität nicht derjenige der «Anonymität», sondern derjenige der «Persönlichkeit» entgegengestellt. 4 Vgl. dazu auch: «Ich gab ein Signal ab und die Musik antwortete mir, oder auch nicht, es war ein Dialog». МУЗИКОЗНАВСТВО У ДІАЛОЗІ MUSIKWISSENSCHAFT IM DIALOG _____________________________________________________________________________________________________ Aktes begonnenen Schaffensprozesses teilzunehmen, um das Ergebnis dieses Prozesses – das Werk – auf die Vollendung seitens des Rezipienten zu öffnen und somit die Bedingungen für seine Begegnung mit diesem Werk zu erschaffen. (Vgl. dazu seine wichtige Definition: «Das Lied ist eine Begegnung von verschiedenen Typen des Bewusstseins, bei der eine rein menschliche Solidarität entsteht»). 4. Und zum Schluss ist auf die grundsätzliche Parallelität zwischen der Tätigkeit des Komponisten und derjenigen des Interpreten und Rezipienten zu verweisen, die vom kompositorischen Verfahren von Valentin Silvestrov nicht nur vorausgesetzt, sondern darüber hinaus und vielmehr auch gefördert wird. In Verallgemeinerung und Erweiterung dessen, was der Komponist zur Analogie zwischen seinem Schaffensprozess und dessen Nachvollzug durch den Interpreten formulierte, kann man sagen, dass die Begegnung mit dem Werk von Silvestrov allein die Sache eines solchen Interpreten oder Zuhörers ist, der bereit ist, diesem Werk gegenüber nicht als Individualität, sondern als Persönlichkeit aufzutreten, d.h. sich bewusst und gezielt dem Gesetz zu unterwerfen, das auch der Entstehung des Werkes zu Grunde lag, bzw. seine Autonomie diesem Werk gegenüber unter den Bedingungen der Partizipation an seiner Entstehung (des «Eingetreten-Seins in den Strom» – den Prozess seiner Interpretation oder Rezeption) zu realisieren 1 . Алла Вайсбанд ПРОИЗВЕДЕНИЕ КАК ВСТРЕЧА: ТРЕУГОЛЬНИК «ПРОИЗВЕДЕНИЕ» – «КОМПОЗИТОР» – «АДРЕСАТ» В МУЗЫКАЛЬНОЙ ЭСТЕТИКЕ ВАЛЕНТИНА СИЛЬВЕСТРОВА Быть современным значит со своим временем бороться, как борешься с девятью десятыми первого черновика. Марина Цветаева Вступление. Предлагаемая статья основывается на аудиозаписях и расшифровках 12 встреч с одним из самых значительных и оригинальных современных композиторов, Валентином Сильвестровым, – уникальных, пока не доступных широкому читателю материалах, которые отображают весь путь творческой эволюции мастера и одновременно дают исчерпывающее представление о специфике его музыкальнотеоретических взглядов. Наше обращение к этим материалам в рамках данного симпозиума можно обосновать, прежде всего, отталкиваясь от 1 Vgl. Z.B.: «In diesem Prozess des Hörens wirst du mit dem Klingenden identisch. Du wirst mit ihm identisch und versuchst es quasi einzuholen».