Architektur und Philosophie - Grundlagen

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Grundlagen
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Ludger Schwarte
Gründen und Abreißen.
Der Platz der Architektur im System
der Philosophie
Architekturphilosophie – Theorie der Grundlegung Arché
be­
deutet im Griechischen Anfang, Ursprung oder Quelle; dann
auch Ursache, Grund, Prinzip und schließlich Anführung, Herrschaft, Regierung. Es rührt vom Verb archein her, das das
Anfangen, Veranlassen, Vorangehen und Versuchen bezeichnet.
Versteht man das Gründen – dem Verb tektainomai entsprechend,
aus dem jedwede „Archi-Tektur“ hervorgeht – als ein Bauen von
Grundlagen, so ist einerseits zu fragen, worin dieses Bauen – vor
jeder Planbarkeit und Zwecksetzung – überhaupt besteht, was seine
Voraussetzungen, seine Bedingungen, seine Begriffe, seine Medien
und Instrumente sind.
Andererseits muss die Philosophie der Architektur auch
zu klären versuchen, was ein Grund ist, wie wir dazu kommen,
etwas zu ergründen oder zu begründen, welche Eigenschaften
eine Grundlage auszeichnet und wie es gelingen kann, etwas zu
gründen. Gibt es neben physischen (Kausalität) und moralischen
(Begründung) Gründen noch spezielle, architektonische? Das
Bauen eines Grundes operiert in einer Zone der Ungewissheit, in
einer Leere vor allem Anfang. Die Notwendigkeit des Gründens
rührt aus dieser Grundlosigkeit, die zu begreifen die dritte Aufgabe
ausmacht.
Architekturphilosophie ist aus meiner Sicht eine transversale Disziplin, die die traditionellen Felder der Philosophie nicht
nur um eine völlig neue Fragestellung bereichert, sondern auch
auf neue Weise durchquert und miteinander verknüpft. Wie im
Folgenden zu zeigen sein wird, lässt sich Architektur genau als
Bindeglied zwischen physischen, ästhetischen und moralischen
Gründen auffassen. Das Architektonische ist das Ensemble aus
Ludger Schwarte – Gründen und Abreißen
physischen, ästhetischen, moralischen, politischen und ähnlichen
Anlässen, etwas zu tun. Eine Philosophie der Architektur wird
daher auf verschiedene etablierte Teilbereiche der Philosophie
zurückzugreifen haben.
Darüber hinaus ist zu konstatieren, dass architekturphiloso­
phische Untersuchungen, die sich mit systematischem Interesse auf
eine einzelne philosophische Teildisziplin beziehen, von großem
Gewinn sowohl für diese wie für die Architekturphilosophie sind.
Dies ist innerhalb der praktischen Philosophie durch Arbeiten
jeweils zur Ästhetik und zur Ethik der Architektur gezeigt worden,
ergänzt durch Positionen, die ihren Fokus eher auf den Bereich der
Politik oder der Handlungstheorie legen. Ähnliches ist zu erwarten,
wenn Forschungen nun daran gehen, systematisch die Felder der
theoretischen Philosophie unter die architekturphilosophische Lupe
zu nehmen – vor allem die Ontologie, die Epistemologie oder die
Wahrnehmungslehre.
Architekturphilosophie wird aber vor allem dann relevant –
und dies erklärt vielleicht ihr Auftauchen in jüngerer Zeit – , wenn
nicht mehr wie selbstverständlich davon auszugehen ist, dass alles,
was vorhanden ist, einen zureichenden Grund haben muss, warum
es ist. Wenn Gründe gegeben sein müssen, damit Notwendigkeiten
auftreten, so wird der Zustand, in dem diese Gründe nicht gegeben
sind, fraglich. Architektur kann unterschiedliche Arten von
Gründen, physische Zwänge ebenso wie Motivationen, erschaffen
oder eben auch unwirksam machen beziehungsweise zerstören.
Dies scheint schon bei Arthur Schopenhauers Reflexion über die
Wurzel der Gründe auf: „Der Satz vom zureichenden Grunde, in
allen seinen Gestalten, ist das alleinige Princip und der alleinige
Träger aller und jeder Nothwendigkeit. Denn Nothwendigkeit hat
keinen andern wahren und deutlichen Sinn, als den der Unausbleiblichkeit der Folge, wenn der Grund gesetzt ist. Demnach ist
jede Notwendigkeit bedingt; absolute, d. h. unbedingte, Nothwendigkeit also eine contradictio in adjecto. Denn Nothwendig-Seyn
kann nie etwas Anderes besagen, als aus einem gegebenen Grunde
erfolgen.“1
Die Art der Gründe, die gesetzt werden, etablieren folglich jeweils andere, womöglich konfligierende Notwendigkeiten:
„Demnach giebt es […] eine vierfache Nothwendigkeit. 1) Die
logische, nach dem Satz vom Erkenntnißgründe […]. 2) Die physische, nach dem Gesetz der Kausalität […]. 3) Die mathematische,
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nach dem Satz vom Grunde des Seyns […]. 4) Die moralische,
vermöge welcher jeder Mensch, auch jedes Thier, nach eingetretenem Motiv, die Handlung vollziehen MUSS […], wenn sie gleich
nicht so leicht, wie jede andere, vorherzusagen ist […].“2
Dem Setzen eines Grundes geht etwas voraus, das man nicht
unbedingt als Nichts oder Chaos bezeichnen muss, sondern vielleicht besser als die Kontingenz materieller Prozesse denkt,
deren Ereignishaftigkeit potentiell gebändigt und in die zeitlichen
Entwicklungslinien und gewöhnlichen Folgebeziehungen überführt
werden kann. Was muss vorausgesetzt werden, damit es Gründe
geben kann?
Von den Gründen, die jemanden veranlassen, etwas zu tun, ist
in der praktischen Philosophie mit großer Selbstverständlichkeit die
Rede. Oft wird Grund dabei auch als Übersetzung des Latei­­nischen
ratio, des Englischen reason beziehungsweise des Französischen
raison gebraucht – „for what reason?“ beziehungsweise „par quelle
raison?“ wird übertragen als „aus welchem Grund?“ Dass Vernunft
und Grund sprachliche Äquivalente sind, mag erstaunen, denn auf
Gründe stößt man nur bei der Analyse des Funktionierens praktischer Vernunft; sie sind darin ein Teilbereich. Im Unterschied zu
Ursachen, die nicht nur die notwendige Voraussetzung von etwas
sind, sondern bewirken, dass etwas Bestimmtes aus ihnen folgt,
können bekanntlich objektive Gründe vorliegen, die ein Ereignis
notwendig machen, und doch geschieht nichts.
Gründe bestehen nicht einfach so – und zwar nicht, weil sie
erst reflexiv und analytisch aufgefunden werden müssten, sondern
weil nur dort Gründe das Handeln bestimmen können, wo es Freiheit gibt. Das ist alles andere als selbstverständlich. Denn es impliziert nicht nur, dass das Haben von Gründen zugelassen beziehungsweise zugestanden werden muss, sondern dass Gründe in der
Freiheit und durch die Freiheit gegründet werden müssen. Denn
das Geben von Gründen ist dem diskursiven Spiel des wechselseitigen Erklärens von Gründen für Aussagen, Überzeugungen oder
Handlungen als einem Rekurrieren auf eben diese Gründe vorgelagert. Auf die Abhängigkeit der Gründe vom Akt des Gründens hat
unter anderen Martin Heidegger hingewiesen.
Zunächst betont Heidegger, dass der Boden, auf dem wir
stehen, der Ort, an dem wir zur Welt kommen, nicht einfach Naturprodukte sind. Die Welt, in der das Dasein sich entfaltet, wird
entworfen und zugleich erschließt sie sich in diesem Entwurf. „Das
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