Mag. Karl Friedl Geschäftführender Gesellschafter der bene Consulting Quelle: bene Consulting N a c h h a l t i g v o n i nn e n h e r a u s LEE D ® G o l d - Q u a l i t ä t b e i b e n e C o n s u l t i n g für Projekt in Frankfurt Die Unfallkrankenkasse Hessen (UKH) entschloss sich, aufgrund wenig attraktiver Mietflächenangebote und einem Lebenszykluskostenvergleich, die Verantwortung für ein Bauprojekt zu übernehmen. Das Bauherrenprojektmanagement übernahm von Anfang an bene Consulting. Mit dem Projekt wurde die Grundlage für ein nachhaltig im Unternehmen wirkendes Gebäude gelegt. In einem ersten Quickcheck wird dem Objekt LEED Gold-Qualität avisiert. 1 Bauherrenverantwortung als Qualitätsgarant In der frühen Planungsphase sind Bauherren stark gefordert: Wesentliche Richtungsentscheidungen, welche die Nachhaltigkeit eines Gebäudes ökologisch, ökonomisch und soziokulturell bestimmen, sind zu treffen. Auch die Energieeffizienz und Kosten des Gebäudebetriebs werden im Wesentlichen bereits in der frühen Phase festgelegt. Oft sind sich Bauherren dieser Verantwortung für den Lebenszyklus der Büroimmobilie zu wenig bewusst. Es wird gerne nur die Höhe der Baukosten als bestimmender Entscheidungsfaktor herangezogen. Die folgenden Betriebs- und Energiekosten spielen eine untergeordnete Rolle. Die von bene Consulting in der Initiierungsphase durchgeführte Lebenszykluskostenberechnung ermöglicht von Anfang an einen ganzheitlichen Blick. Sie umfasst deutlich mehr, als die Kosten der Gebäudeentwicklung: Vollkosten sind gefragt! Grundlage Projektidee Quelle: bene Consulting Anforderungen Konstruktion Bauwerk Verschleiß Phase Ergebnis Initiieren Anforderungen Planen Ausführen Konstruktion Bauwerk Nutzen Verschleiß Umwidmen Projektidee 24 Abbildung 1: Lebenszyklusmodell Im Fall der Unfallkrankenkasse Hessen war sich der Bauherr seiner Verantwortung von Anfang an bewusst und definierte eine Projektorganisation, welche die Nutzerrolle und die Betreiberrolle neben der Leitungs-, Steuerungs- und Entwicklerrolle als fixen Bestandteil festlegte. Abbildung 2: Rollen und Aufgaben eines Bauherrn im Überblick Der Bauherr als Nutzer Die Verantwortung für die Qualität des Bauwerks trägt der Bauherr in der Rolle des Nutzers. Für ihn wird letztlich das Bauvorhaben realisiert. Als Nutzer formuliert der Bauherr als Ergebnis der Bedarfsplanung alle quantitativen und qualitativen Anforderungen im Nutzerbedarfsprogramm. Das reicht vom Nutzungskonzept, über den Flächen- und Raumbedarf, die betrieblich-funktionalen Erfordernisse sowie Gestaltungsanforderungen und Ausstattungsmerkmale bis hin zu Vorgaben bezüglich Budget und Zeitrahmen. Die Umsetzung dieser Vorgaben ist für die Akzeptanz und die Nachhaltigkeit des Gebäudes der wesentlichste Faktor. Deshalb achtet der Bauherr in der Rolle des Nutzers als Controller auf die Umsetzung seiner Anforderungen während der Planungs- und Realisierungsphase. Der Bauherr als Betreiber Als Betreiber sorgt der Bauherr während des gesamten Lebenszyklus für eine professionelle Gebäudebewirtschaftung. Ziel ist die Unterstützung und damit die Verbesserung der Produktivität des Kerngeschäfts der Nutzer. Während der Nutzungsphase ist der Bauherr für die Aufrechterhaltung des Betriebs verantwortlich und erledigt Aufgaben des operativen Facility Managements. In der Planungs- und Realisierungsphase sind Aufgaben des strategischen Facility Managements zu bearbeiten, um Chancen zur Professionalisierung der Gebäudebewirtschaftung zu wahren. So müssen z. B. für das wirtschaftliche Handeln in der Nutzungsphase geeignete Organisationskonzepte und Services entwickelt und implementiert werden. 2 Klares Briefing für nachhaltige Architektur Der Zielkatalog ließ bereits erkennen, dass die neue UKH nicht nur bei der Prävention sondern auch beim Bau neue Maßstäbe setzen sollte. Aus dem Unternehmensleitbild wurden konkrete Objektziele in den Themenbereichen „Organisation“, „Mitarbeiter“, „Wirkung“ und „Technik“ abgeleitet. Ergebnis des Nutzerbedarfsprogramms für die Krankenkasse: Ein kommunikatives Gebäude mit Flexibilität, Team- und Prozessorientierung für die Organisation, ein Gebäude zum Wohlfühlen für die Mitarbeiter, ein Gebäude mit Vorbildwirkung bei Er- Abbildung 3: Bürogebäude Unfallkasse Hessen, Leonardo-da-Vinci-Allee, Frankfurt a.M Quelle: B&V Braun Volleth Architekten GmbH Quelle: B&V Braun Volleth Architekten GmbH Quelle: bene Consulting Abbildung 6: Einblick Kombibüros mit vorgelagerter Sonderfläche Beim Haustechnikkonzept gelang es dem Bauherrn nach dem Grundsatz „So viel Technik wie nötig, so wenig wie möglich“ ein nachhaltiges Konzept zu entwickeln. Fassade Eine energetisch hochwertige Fassade mit kleinen Transmissionswärmeverlusten, bedingt durch einen Öffnungsanteil von ca. nur 50%, erweist sich als einer der wichtigsten Bausteine des Konzeptes. wettbewerbe 273/274 Quelle: B&V Braun Volleth Architekten GmbH gonomie, Arbeits- und Gesundheitsschutz, ein Gebäude, das Offenheit und Bescheidenheit demonstriert, ein Gebäude mit individuell beeinflussbarem Raumklima, ökologisch und energiewirtschaftlich mit zukunftssicheren Technikkonzepten sollte es sein. So entstand eine detaillierte Anforderungsbeschreibung als herausforderndes Briefing für die Planer. Die Berater von bene Consulting moderierten darauf aufbauend ein europaweites VOF-Verfahren, bei welchem von den Bewerbern Entwurfs- und Konzeptideen sowohl für Abbildung 4: Grundriss 1. Untergeschoss die Architektur als auch für die Haustechnikkonzepte gefordert wurden. In diesem transparenten, fairen und gesetzeskonformen Vorgehen wurde mit dem Architekturbüro B&V Braun Volleth ein geeigneter Planungspartner gefunden. Das Planungsteam entwickelte angespornt durch den einsatzfreudigen Bauherrn trotz engster Rahmenbedingungen, was Kosten- und Terminrahmen betraf, innovative Konzepte insbesondere was Flexibilität, Nutzerkomfort und Energiewirtschaftlichkeit betrifft. Die auf Basis der Ausführungsplanung durchgeführte Generalunternehmerausschreibung und Vergabe verlief problemlos und Abbildung 5: Grundriss Ergeschoss Das Gebäude besteht aus zwei 9-geschossigen Ribrachte sowohl auf der Kostenseite wie auch – wie saliten und einem trapezförmigen 7-geschossigen man jetzt nach zwei Jahren des Betriebs weiß – auf Mittelbau mit in Summe ca. 9.300 m2 BGF sowie der Qualitätsseite die erwarteten Ergebnisse. 2 Untergeschossen mit ca. 4.600 m2 BGF für Stell3 Das Ergebnis – soziokulturell, ökologisch plätze, Technik- und Lagerflächen. und wirtschaftlich nachhaltig Ergebnis der intensiven Bauherrenbemühungen ist ein Gebäude, auf das die Verantwortlichen stolz sind. Berichte 25 26 Abbildung 7: Energiekonzept, Schnitt Quelle: Schindler Ingenieurgesellschaft Wärme- und Kälteversorgung Im Hinblick auf die Minimierung des Primärenergiebedarfs und der damit einhergehenden CO2Emissionen für die Gebäudeheizung und Kühlung, wird eine oberflächennahe Geothermie für die Wärme- und Kälteversorgung genutzt. Als System zur Gewinnung von Wärme und Kälte aus dem Untergrund wurde auf dem Grundstück ein Erdwärmesondenfeld erstellt. Durch die Betriebsweise „Direkte Kühlung“ ist es möglich, den Kältebedarf der Betonkerntemperierung und der Randstreifenkühlung bis Anfang Juli ohne Kältemaschineneinsatz direkt aus dem Untergrund zu gewinnen. Durch die Anordnung und Länge der 68 Erdwärmesonden sowie der Betriebsparameter und Lastprofile können die Betonkerntemperierung und die Aktivierung der Bauteile sowohl im Heizfall als auch im Kühlfall vollständig über das vorgesehene Erdwärmesondenfeld versorgen. Es stehen im Heizfall mindestens 55 kW (Februar) bzw. ca. 138 MWh Wärme und im Kühlfall mindestens 65 kW (August) bzw. ca. 57 MWh Kälte für den Betrieb der Luftboxen zur Verfügung. Lüftung Die eingesetzten Luftboxen waren zum Planungszeitpunkt in Deutschland noch nicht im Einsatz. Entscheidungssicherheit brachten Kontakte zu renommierten Vertretern angewandter Forschung und Lehre (insbesondere Herr Univ. Prof. Dr.-Ing. Hausladen, TU München) und eine Studienreise in die Schweiz. Studienreisen sind eine wertvolle Methode, um sich bei innovativen Entscheidungen persönlich von deren Sinnhaftigkeit überzeugen zu können. 297 Zuluftgeräte versorgen über einen leichten Unterdruck die Büroräume mit temperierter Außenluft. Die Luftwechselrate beträgt 40 m3/Person. Die Luftboxen enthalten keine Mechanik. Der Vorteil gegenüber einer zentralen Versorgung ist u. a. die Ersparnis von Schachtflächen und somit ein Gewinn an Nutzflächen. Quelle: bene Consulting Quelle: B&V Braun Volleth Architekten GmbH Heizung Die Wärme wird mit einer Wärmepumpe und zusätzlicher Wärmerückgewinnung erzeugt. Diese nutzt die Abwärme sowie die Erdwärme aus den Erdsonden. Den Wärmeaustausch übernehmen die Betondecken (ca. 4.500 m2). Zusätzlich wird die Außenluft durch 28° C warmes Wasser erwärmt. Dies erfolgt in dezentralen Zuluftgeräten (Luftboxen) in jeder Büroachse. Zur individuellen, raumweisen Temperatur-Regelung steht ein Randstreifenelement, eingelassen in die Rohdecke, zur Verfügung. Abbildung 9: Luftbox als integraler Baustein der Fassade Abbildung 8: Randstreifentemperierung, Systemschnitt Kühlung Durch die Steuerung der Lüftung (Nachtauskühlung) und Nutzung der Geothermie kann das Gebäude durch die Wärmepumpe über die Bauteilaktivierung „entwärmt“ werden, sodass die Temperatur tagsüber im Sommerbetrieb 26° C nicht übersteigt. New Construction Existing Buildings LEED® Leadership in Energy and Environmental Design LEED® for Multiple Buildings/ Campus Commercial Interiors LEED® Core & Shell LEED® for Schools for Retail Homes Neighborhood Development LEED® for Laboratories Innovation & Design Proc. 5 Points Prerequisite 1 Fundamental Commissioning Sustainable Sites 14 Points Prerequisite 2 Minimum Performance Water Efficiency 5 Points Prerequisite 3 Refrigerant Management Energy & Atmosphere 17 Points Credit 1 (1-10P) Optimize Energy Performance Material & Resources 13 Points Credit 2 (1-3P) Optimize Energy Performance Indoor Envir. Quality 15 Points Credit … (…P) Berichte 27 Struktur des LEED-Systems 7% 22% 25% 20% 7% Innovation & Design (ID) Location & Linkages (LL) Sustainable Sites (SS) Water Efficiency (WE) Energy & Atmosphere (EA) Material & Resources (MR) Indoor Environmental Quality (EQ) Awareness & Education 19% LEED „New Construction“ Categories Abbildung 10: Struktur des LEED-Systems; LEED “New Construction” Categories 5 Fazit Die konsequente Ausrichtung der Planung auf die Bedürfnisse der Organisation und ihrer Menschen macht die Objekte nicht nur wirtschaftlicher sondern auch zu einer strategischen Unternehmensressource mit der Arbeitsproduktivität im Fokus. Für den Bauherrn ist der Neubau ein Ergebnis, auf das er stolz ist. Unter strengen Rahmenbedingungen und hohem Zeit- und Kostendruck entstand ein Gebäude, das in die Zukunft weist und Raum für ca. 260 Arbeitsplätze bietet: Die 9.300 m2 werden so strukturiert, dass sie flexibel, prozess- und teamorientiert sind, ein optimales Arbeitsklima schaffen und zugleich Vorbildwirkung hinsichtlich der Ökologie und Energiewirtschaft besitzen. Die Qualität von Prozess und Objekt ist nachhaltig, mit Weitblick geplant und gebaut – präventiv der aktuellen Nachhaltigkeitsdebatte vorgebaut. Wie sich dieses Ergebnis in offiziellen Zertifizierungssystemen, wie dem amerikanischen Standard LEED positionieren kann, wird nun im Detail geprüft. Vielleicht wird aus der Ersteinschätzung Gold doch noch Platin. LEED® Zertifizierung Das LEED-System des USGBC (Leadership in Environmental & Energy Design, US Green Building Council) ist das weltweit am weitesten verbreitete Zertifizierungssystem. Je nachdem ob es sich um einen Neubau, ein bestehendes Gebäude oder um eine Sanierung handelt, oder je nach Ausbaustandard des Gebäudes, sind die Aspekte unterschiedlich. Zudem wird für den Neubau noch nach Nutzungsart unterteilt. Das Gesamtsystem ist als 1-Punkte-System aufgebaut. Ausgezeichnet wird nach Metallfarben, Silber, Gold und Platin. Um Platin zu erreichen, müssen 73% der Punkte erfüllt werden. Für Gold sind immerhin 55% erforderlich. bene Consulting bene Consulting ist einer der führenden Bauherrenberater in Europa. Mit rund 50 Mitarbeitern an vier Standorten in Österreich und Deutschland unterstützt die bene Consulting Unternehmen bei der Entwicklung, Umsetzung und dem Betrieb vollständig anforderungsgerechter Büroimmobilien. Bei ihrer Beratungsleistung steht seit fast zwei Jahrzehnten die Nachhaltigkeit der individuellen Lösung beim Bauen und Betreiben im Vordergrund – in wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Sicht. Seit 2008 bringt die bene Consulting diese Erfahrung als aktives Mitglied in die Deutsche Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (DGNB) ein. www.beneconsulting.com wettbewerbe 273/274 4 Der Betrieb Aufgrund einer Neuorganisation im Kerngeschäft wurde nach zwei Jahren Gebäudenutzung bereits ein Drittel der Belegschaft innerhalb des Hauses problemlos umgezogen. Die Prüfung der Wirtschaftlichkeit durch die Entscheidungs- und Aufsichtsgremien während der Projektentwicklung wird nun im Betrieb fortgesetzt. Die gebäudeabhängigen Nutzungskosten, insbesondere auch die Energiekosten, liegen weit unter den Kennwerten anderer vergleichbarer Objekte.