INHALTSVERZEICHNIS - Dipartimento di Lingue, Letterature e

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INHALTSVERZEICHNIS
Vorwort
S.
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Wortakzent, Barbara Vogt
1. Einleitung
2. Wie wird der Akzent realisiert?
3. Phonemischer Akzent
4. Rhythmischer Akzent
5. Die Silbe als Träger des Akzents
6. Morphologische Faktoren in der Akzentverteilung
7. Prosodische Faktoren in der Wortbildung
Aufgaben und Übungen
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Sprache im Kleid der Schrift: Gegenüberstellung italienischer
und deutscher Rechtschreibung, Barbara Hans-Bianchi
1. Einleitung
2. Der Buchstabe
3. Die Buchstabenverbindung
4. Die Schreibsilbe
5. Das Morphem
6. Das Wort
7. Der Satz
Aufgaben und Übungen
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Wie werden neue Substantive, Adjektive und Verben
gebildet? Mophologische, syntaktische und semantische Aspekte
der produktiven Wortbildungsverfahren, Katharina Gemperle
1. Vorbemerkungen
2. Konstituenten und Grundverfahren der Wortbildung
3. Substantivische Wortbildung
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4. Adjektivische Wortbildung
5. Verbale Wortbildung
Aufgaben und Übungen
Literatur
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Die Modalverben, Klaus Ruch
1. Die Grundbedeutung der Modalverben
2. Der epistemische Gebrauch der Modalverben
Aufgaben und Übungen
Literatur
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Vergangenheitstempora im Italienischen und Deutschen,
Nicole Schumacher
1. Die Lernaufgabe
2. Grammatischer Aspekt und sprachspezifische Perspektivierung
3. Deutsche und italienische Vergangenheitstempora im Vergleich
Aufgaben und Übungen
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Rund ums Gerund: Das gerundio und seine Wiedergabe im
Deutschen, Waltraud Sattler
1. Einleitung
2. Verschiedene Wiedergabemöglichkeiten des gerundio im
Deutschen
Aufgaben und Übungen
Literatur
Die Sprache der Dichter und Denker: Bewegt die Satzklammer
den Geist?, Marita Kaiser
1. Überlegungen zu Sprachbau und Sprachverhalten
2. Das Grundprinzip der deutschen Wortstellung: die Satzklammer
und ihre topologischen Felder
3. Die Besetzung von Vor- und Mittelfeld
4. Die Reihenfolge der Satzglieder im Mittelfeld
5. Das Nachfeld
Aufgaben und Übungen
Literatur
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Die Valenz italienischer und deutscher Verben,
Martina Nied Curcio
1. Tesniere und die Valenzgrammatik
2. Ergänzungen und Angaben und ihre Klassifikation nach
Ulrich Engel
3. Valenzwörterbücher und ihre Anwendung in der Didaktik
Deutsch als Fremdsprache
4. Konvergenzen und Divergenzen zwischen den Ergänzungen
im Deutschen und Italienischen
Aufgaben und Übungen
Literatur
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Verben mit Präpositivergänzung und ihre Pro-Formen,
Marita Kaiser
1. Die Präpositionalphrase
2. Präpositionalphrase und Präpositivergänzung
3. Zur Einheit von Verb und Präposition
4. Gebrauch der Präpositionen
5. Die Präpositivergänzung und ihre Ersatz-Formen (Pro-Formen)
6. Pro-Formen in Frage- und Relativsatz: wo-Bildungen
7. Prof-Formen in Antwort- und Hauptsatz: da-Bildungen
8. Eine Auswahl häufig gebrauchter Verben mit fester Präposition
Aufgaben und Übungen
Literatur
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Falsche Freunde und ihre Verwandten, Christine Twittmann
1. Falsche Freunde – Echte Freunde: Versuch einer Definition
2. Typologie der Falschen Freunde
3. Falsche Freunde vermeiden
Aufgaben und Übungen
Literatur
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Polyseme italienische Verben zwischen Syntax und Semantik,
Martina Nied Curcio
1. Verbale Polysemie aus der kontrastiven Perspektive
2. Polysemie und Valenz
3. Polysemie und Semantik
Aufgaben und Übungen
Literatur
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7
Kleine Wörter: Abtönung und Modalpartikeln,
Peggy Katelhön
1. Einleitung
2. Modalpartikeln und Abtönung
3. Funktionen deutscher MP
4. Italienische Formen der Abtönung
Aufgaben und Übungen
Literatur
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Lösungen zu den Aufgaben und Übungen
Wortakzent (Vogt)
Sprache im Kleid der Schrift (Hans-Bianchi)
Wie werden neue Substantive, Adjektive und Verben gebildet?
(Gemperle)
Die Modalverben (Ruch)
Vergangenheitstempora im Italienischen und Deutschen (Schumacher)
Rund ums Gerund (Sattler)
Die Sprache der Dichter und Denker:…(Kaiser)
Die Valenz italienischer und deutscher Verben (Nied Curcio)
Verben mit Präpositivergänzung (Kaiser)
Falsche Freunde und ihre Verwandten (Twittmann)
Polyseme italienische Verben zwischen Syntax und Semantik
(Nied Curcio)
Kleine Wörter: Abtönung und Modalpartikeln (Katelhön)
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Beitragende
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VORWORT
Das vergleichende Sprachstudium kann nur dann
zu sichren und bedeutenden Aufschlüssen über
Sprache, Völkerentwicklung und Menschenbildung
führen, wenn man es zu einem eignen, seinen Nutzen und Zweck in sich selbst tragenden Studium
macht. (W. v. Humboldt)
Die Kontrastive Linguistik, als eine vergleichende sprachwissenschaftliche
Beschreibungs- und Analysemethode konfrontiert Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen zwei – oder mehreren – Sprachsystemen. Hinsichtlich des
Sprachenpaars Italienisch-Deutsch sind nach dem Erscheinen von Figge/ De
Matheis’ „Sprachvergleich Italienisch-Deutsch“ (1976) in den letzten Jahren
wichtige wissenschaftliche Veröffentlichungen erschienen. Auch Übungsbücher und Lehrwerke für den DaF-Erwerb, die auf kontrastiv interessante Aspekte der italienischen und deutschen Sprache eingehen, wurden publiziert.
Trotzdem blieben fachtheoretische Publikationen und fachdidaktische Anwendungen in diesem Bereich in der Regel getrennt.
Da sich die Kontrastive Linguistik als Methode jedoch nicht nur theoretisch an der Sprache orientiert, sondern auch an den Bedürfnissen der Lernenden und an einer möglichst direkten und effektiven Anwendung interessiert
ist, ist es m.E. wichtig, beides – die sprachwissenschaftliche Auseinandersetzung und die sprachpraktische Anwendung – miteinander zu verbinden. Ziel
dieses Buches ist es, einerseits die wissenschaftliche Beschäftigung mit
sprachwissenschaftlichen Themen anzuregen (dafür wurden in allen Beiträgen
die neuesten wissenschaftlichen Publikationen eingearbeitet), andererseits
aber auch den direkten Bezug zum Spracherwerb herzustellen. Aus diesem
Grund – und das ist neu – enthalten alle Beiträge sowohl eine wissenschaftliche analytische Beschreibung des kontrastiv interessanten Phänomens als
auch einen sprachpraktischen Aufgaben- und Übungsteil. Die ausgewählte
Bibliographie soll dem Lernenden als Unterstützung für eine weitere und vertiefende Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex dienen.
9
Auch bei der Auswahl und Erarbeitung der Themen spielte die Lernerperspektive die entscheidende Rolle. Phänomene wie Wortakzent, Orthografie,
Wortbildung, Modalverben, Vergangenheitstempora, Gerund, Satzklammer,
verbale Valenz, Verben mit Präpositivergänzung, falsche Freunde, Polysemie
und Modalpartikeln bereiten den italienischen DaF-Lernenden oft Schwierigkeiten; Divergenzen werden oft nicht bewusst wahrgenommen, und Konvergenzen werden im Sprachlernprozess noch zu selten für einen positiven
Transfer benutzt.
Der Band wendet sich insbesondere an Studierende der Germanistik, die
das Fach „Lingua e Traduzione: Lingua Tedesca (L-LIN/14)“ an italienischen
Universitäten studieren. Jedoch sehe ich prinzipiell auch die Möglichkeit der
Anwendung bei Lernern mit Deutsch als Muttersprache, die sich dem Studium der italienischen Sprache widmen.
Aufgrund der linguistischen Beschreibung und der reichen Anzahl an Aufgaben und Übungen (inkl. Lösungen) kann das Studien- und Übungsbuch in
wissenschaftlichen Vorlesungen und Seminaren und im sprachpraktischen
Unterricht eingesetzt werden. Es eignet sich sowohl für die gemeinsame Arbeit in der Gruppe als auch für das Selbststudium, gerade durch seine intensive Übungsphase und den am Ende des Bandes eingefügten Lösungsschlüssel.
Mit dieser neuartigen Konzeption soll der Band eine weitere Lücke in der
Reihe der Publikationen schließen, die in den letzten Jahren aufgrund der
Etablierung und Ausdifferenzierung der Disziplin ‚Germanistische Linguistik’
(L-LIN/14) nach der Hochschulreform in Italien erschienen sind. Es soll den
Studierenden eine Stütze in ihrer Auseinandersetzung mit linguistischen Phänomenen der deutschen Sprache und der deutschen Sprache selbst sein. Letzteres ist der wesentliche Grund dafür, dass das Buch bei einem italienischen
Verlag nicht wie üblich auf Italienisch, sondern in deutscher Sprache verfasst
wurde. Die Metasprache orientiert sich an einer korrekten Wissenschaftssprache, wird aber einfach und klar gehalten, damit sich die Studierenden auf den
Inhalt konzentrieren können, ohne gleichzeitig den Spracherwerb vernachlässigen zu müssen. Grundkenntnisse der deutschen Sprache (B1) werden jedoch
vorausgesetzt.
Ich möchte allen Beitragenden ganz herzlich danken, für ihre Beiträge und
ihre hilfreichen Kommentare, und vor allem dafür, dass sie sich bereit erklärt
haben, bei diesem Projekt mitzuarbeiten und es zu unterstützen, denn nur
dadurch konnte seine Realisierung ermöglicht werden.
Rom, im September 2008
Martina Nied Curcio
10
WORTAKZENT
Barbara Vogt
1. Einleitung
Dem Akzent wird im Fremdsprachenunterricht meistens wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Lehrer und Lerner verlassen sich darauf, dass der Akzent
automatisch und ohne Mühe mitgelernt wird. Auf der anderen Seite trägt der
Akzent wesentlich zu einem guten Gelingen der gesprochenen Kommunikation bei. So gibt es beispielsweise im Deutschen große Unterschiede zwischen
akzentuierten und nicht-akzentuierten Silben, die Deutsch-Lernern vor allem
im Hinblick auf das Hörverständnis und auf die Aussprache Probleme bereiten können. Außerdem spielen Akzent-Fragen auch oft in der Wortbildung
eine Rolle. Im Folgenden soll vor allem auf diese beiden Aspekte eingegangen werden, die im Fremdsprachenunterricht von Bedeutung sein können.
Zuvor wird kurz erklärt, wie Akzent realisiert wird (Kap. 2) und welche Funktionen er haben kann (Kap. 3 und 4).
2. Wie wird der Akzent realisiert?
Akzent ist ein linguistisches Phänomen, mit dessen Hilfe bestimmte Einheiten (Silben) in einer mündlichen Äußerung hervorgehoben werden können.
In diesem Beitrag beschränken wir uns auf den Wortakzent oder lexikalischen
Akzent. Damit ist das Akzentmuster gemeint, das im (mentalen) Lexikon regelhaft für ein bestimmtes Wort vorgesehen ist.
Im Deutschen und Italienischen kennen wir neben den Bezeichnungen akzentuiert/ nicht akzentuiert (accentato/ non accentato) auch noch betont/ unbetont (tonico/ atonico). Meistens werden sie als Synonyme verwendet. Letztere Termini weisen jedoch auch darauf hin, dass eine Veränderung des Tons
11
dazu beitragen kann, einen Akzent zu realisieren. Aber es gibt mehrere phonetische Korrelate des Akzents, also Korrelate, die sich auf die physikalischen
Charakteristiken des Sprechlauts beziehen. Im Allgemeinen werden heute vor
allem drei Faktoren unterschieden:
1. die Tonhöhe (im Englischen pitch genannt); sie kann variiert werden,
indem der Sprecher die Stimmbänder je nachdem schneller oder langsamer vibrieren lässt. Je schneller sie vibrieren, desto höher wird der
Ton; es handelt sich also um den Verlauf der Grundfrequenz F0,
2. die Intensität des Lautes; indem der Sprecher den Atemdruck verstärkt oder verringert, ändert sich auch die Lautstärke,
3. die Vokallänge (betonte Vokale sind in der Regel auch länger).
Es ist bis heute für viele Sprachen nicht eindeutig geklärt, wie die einzelnen
phonetischen Parameter1 zusammenwirken, um eine Akzent-Wirkung zu erzeugen. Auch variieren die Sprachen bezüglich der eingesetzten Mittel.
Nespor (1993: 65) stellt fest, dass im Italienischen Vokallänge und Intensität
die wichtigsten phonetischen Korrelate sind. Bertinetto (1981: 79, 86) hebt
vor allem die Dauer hervor. Im Hinblick auf das Deutsche wird heute dagegen davon ausgegangen, dass es in erster Linie die Veränderung der Tonhöhe
ist, mit deren Hilfe der Akzent realisiert wird (Eisenberg 2004: 128, BehmeGissel 2005: 11).
Auch wenn die phonetischen Mittel variieren und man noch nicht genau
weiß, wie sie zusammenwirken, ist es doch angemessen, Akzent als phonologische Ordnungseinheit anzusehen. Es handelt sich um eine kognitive Größe,
die von anderen phonologischen Phänomenen getrennt werden kann und die
nicht aufgrund der Art ihrer phonetischen Realisierung, sondern aufgrund
ihrer Funktion, mündliche Rede zu strukturieren, wichtig ist (Fox 2000: 215).
3. Phonemischer Akzent
Wenn der Akzent nicht auf eine bestimmte Silbe im Wort festgelegt ist
(z.B. der letzten wie im Französischen oder der ersten wie im Finnischen),
kann er auch genutzt werden, um Bedeutungen zu differenzieren. Dies bezeichnet man auch als phonemischen Akzent. So unterscheiden sich beispielsweise die Wörter 'Tenor (contenuto, significato) und Te'nor (tenore/ cantan-
1
Dauer, Energie und Grundfrequenz sind gleichzeitig akustische Parameter.
12
te)2 nur durch die unterschiedliche Akzentuierung. Im Deutschen ist der Akzent aber nur in wenigen Minimalpaaren bedeutungsunterscheidend:
(1)
'August (Vorname) vs. Au'gust (Monatsname)
Systematischer wird dagegen der Wortakzent zur Unterscheidung von Bedeutung in zusammengesetzten Verben verwendet (s. auch den Beitrag von
Gemperle in diesem Band).
(2)
'unterstellen (mettere sotto) vs. unter'stellen (imputare)
a. Ich habe das Auto untergestellt.
b. Ihm wird Bestechung unterstellt.3
Auch im Italienischen gibt es einige Beispiele, in denen der Akzent bedeutungsunterscheidend ist:
(3)
a. 'ancora
b. 'pero
vs.
vs.
an'cora
pe'rò
Systematisch finden wir dagegen den Akzent für die Kennzeichnung morphologischer Kontexte: So verlangen beispielsweise die meisten Verben im
Passato remoto in der 3. Person Singular den Akzent auf der letzten Silbe.
(4)
a. 'amo
b. 'canto
vs.
vs.
a'mò
can'tò
4. Rhythmischer Akzent
In Kapitel 2 haben wir den Akzent funktional als phonologische Ordnungseinheit bestimmt. Eine der ordnenden Funktionen des Akzents besteht
darin, die Sprache rhythmisch zu gliedern. In der Sprache manifestiert sich
Rhythmus mittels der möglichst regelmäßigen Abfolge von bestimmten Einheiten. In der metrischen Phonologie versucht man, Akzentmuster zu beschreiben, indem man die Silben zu größeren Einheiten (Konstituenten) zusammenfasst. Diese rhythmischen Grundeinheiten werden als metrische Füße
bezeichnet.
2
Der Hauptakzent kann durch einen hochgestellten Strich und ein Nebenakzent durch einen
tiefgestellten Strich ausgedrückt werden. Außerdem wird die betonte Silbe durch Fettdruck
hervorgehoben.
3
Vgl. Beispiel 16.
13
Ein metrischer Fuß besteht typischerweise aus einer prominenten (starken)
Silbe und einer nicht-prominenten (schwachen) Silbe oder aus einer einzelnen
Silbe. Prominenz bedeutet in Bezug auf das Deutsche und Italienische, dass
die Silbe akzentuiert ist und die phonetischen Korrelate aufweist, über die
oben gesprochen wurde (Länge, Intensität und Wechsel der Grundfrequenz).
Einen Fuß, in dem die erste Silbe betont wird, nennt man Trochäus. Ein Fuß,
in dem die zweite Silbe akzentuiert wird, heißt Jambus. Diese Termini hat
man der traditionellen Versmetrik entnommen. So geht man davon aus, dass
z.B. im Deutschen und Italienischen die metrischen Füße typischerweise aus
einem Trochäus bestehen. Man kommt zu dieser Annahme, weil in einem
langen Wort die Nebenakzente vor dem Hauptakzent normalerweise auf der
ersten, dritten und eventuell fünften Silbe akzentuiert werden:
a. (ֽo. no.)(ֽma. to.) po. ' e. ti. co 4
b. (ֽo. no.)(ֽma. to.) po.' e. tisch
1 2
3 4
5
(5)
Die Betonung der ungeraden Silben ergibt also einen trochäischen Rhythmus (hm ta, hm ta ….)5. Die Existenz bestimmter Akzentstrukturen in einer
Sprache, die regelmäßig wiederkehren, war einer der Gründe, eine phonologische Konstituente „metrischer Fuß“ zu postulieren. Außerdem existieren auch
phonologische Regeln, die sich auf diese Konstituente beziehen und die auf
diese Weise ihre Existenz beweisen. Ein Argument dafür, dass ein metrischer
Fuß als phonologische Repräsentation existiert, ist beispielsweise das Einsetzen des glottalen Plosivs6, der immer nur am Anfang eines Fußes zum Einsatz
kommt: [ʔ]Atem oder The[ʔ]ater vs. Thea (vgl. Wiese 2000: 59).
5. Die Silbe als Träger des Akzents
Lange wurde allein der Vokal als Hauptträger des Akzents angesehen;
heutzutage ist man jedoch der Auffassung, dass der Akzent nicht nur die Realisierung der Vokale betrifft, sondern die gesamte Silbe. Der Akzent gehört
also zu den suprasegmentalen (prosodischen) Merkmalen der Sprache; das
sind Merkmale, die dem Segment nicht inhärent zukommen, die sich über
4
Die Punkte signalisieren hier die Silbengrenze.
Vgl. Alber 2007: 148.
6
Dieser Konsonant entsteht, wenn man die Öffnung zwischen den Stimmbändern kurz verschlieβt und dann die Luft auf einmal herausströmen lässt. Man kann diesen Laut üben, indem
man versucht, zu husten. Dabei entsteht dann dieser Laut (Alber 2007: 17).
5
14
mehr als ein Segment erstrecken und vom Kontext abhängig sind. Weitere
Beispiele für prosodische Merkmale außer dem Akzent sind z.B. der Ton, die
Quantität und die Intonation (Ramers 2001: 55).
Silben entstehen, wenn wir die einzelnen Laute zu größeren Einheiten oder
Konstituenten zusammenfassen. Im Deutschen hat der Akzent – anders als im
Italienischen – großen Einfluss auf die Realisierung der Silben. Es wird zwischen Vollsilben und Reduktionssilben unterschieden. Reduktionssilben sind
Silben, in denen die Vokale Schwa [ə] wie in 'mü.de ('mü.d[ə]) und das vokalisierte <r>7 wie in 'Kin.der ('Kin.d[ɐ])8 vorkommen. Diese Silben können nie
betont werden. Auch gibt es im Deutschen anders als im Italienischen silbische Konsonanten, die den Schwa-Laut ersetzen können. Sie heißen deshalb
„silbisch“, weil sie als Silbenkern9 fungieren; an der Aussprache des Konsonanten selbst ändert sich nichts: z.B. <raten> wird – bei schneller, also normaler Aussprache – als 'ra.[tĦ]10 ausgesprochen. Auch die silbischen Konsonanten werden nie betont. Im Italienischen gibt es in der Standardsprache
weder silbische Konsonanten noch Schwa-Laute noch das vokalisierte <r>;
dies kann – wie gesagt – v.a. zu Schwierigkeiten im Hörverständnis oder bei
Diktaten führen.
6. Morphologische Faktoren in der Akzentverteilung
Viele Faktoren können die Position des Akzents beeinflussen. Eine wichtige Rolle spielen morphologische Informationen. So fällt im Deutschen in
zweisilbigen, nativen Wörtern der Akzent in der Regel auf die erste Silbe, die
oft mit dem Stamm-Morphem zusammenfällt: Beispielsweise liegt den Formen lesen und Leser das Stamm-Morphem -les- zugrunde. Beide Formen
werden auf der Stammsilbe betont: 'Le.ser, 'le.sen.
7
Die spitzen Klammern bedeuten, dass das Wort in graphematischer Schreibweise wiedergegeben wird.
8
Die eckigen Klammern geben eine phonetische Schreibweise wieder. Der Schwa-Laut
und das vokalisierte <r> sind mittlere, zentrale Vokale, die sich sehr ähnlich sind. Wer Muttersprachlern aufmerksam zuhört, kann sie jedoch leicht unterscheiden.
9
Eine Silbe besteht obligatorisch aus dem sogenannten Silbenkern (Nukleus). In der Regel
sind das die Vokale. Als Onset (oder Anfangsrand) bezeichnen wir den/die Konsonanten, die
dem Nukleus vorausgehen. Die Konsonanten, die eine Silbe schließen, werden als Endrand
(oder Koda) bezeichnet.
10
Silbische Konsonanten werden mit einem Strich unter dem Konsonanten gekennzeichnet.
15
6.1. Flexion
Der Akzent verbleibt auch auf dieser Position, wenn das Wort flektiert
wird, da die Flexionsformen aus Schwa-Silben bestehen und Schwa-Silben,
wie schon gesagt, nie betont werden können.
(6)
'Arbeit, ge'arbeitet, 'arbeitete
6.2. Derivation
Die Mehrzahl der nativen Derivations-Suffixe ist neutral, was die Akzentverteilung betrifft (vgl. Duden Bd. 4 72005: 49). Das heißt, das Wort wird
abgeleitet, ohne dass sich der Akzent verschiebt:
a. 'Sonne → 'sonnig
b. 'Ende → 'endlich
(7)
Es kann aber auch sein, dass der Akzent neu verteilt werden muss. So gibt
es Affixe, die den Akzent tragen und den Akzent im Ausgangswort verschieben. Dies zeigen folgende nicht-native Suffixe:
a. 'Bäcker → Bäcke'rei,
b. natio'nal → Nationa'list
c. effek'tiv → Effektivi'tät
(8)
Andere Suffixe gehorchen bestimmten Regeln: So fixiert das Suffix –isch
den Akzent auf der vorhergehenden Silbe, wenn diese akzentuierbar ist.
a. 'China → chi'nesisch
b. A'merika → ameri'kanisch
(9)
6.3. Komposition
In Komposita fällt im Deutschen der Akzent auf den ersten Teil, der zweite
Teil erhält einen schwächeren Akzent. In italienischen Komposita dagegen ist
die am stärksten betonte Silbe im zweiten Teil zu finden. Deshalb heißen zwei
berühmte Deutsche auch: 'Schumacher und 'Beckenbauer11:
(10)
11
a. 'Staubֽsauger
b. 'Fahrֽschule
vs.
vs.
ֽaspira'polvere
ֽ auto'scuola
Beispiele aus Alber 2004: 65.
16
7. Prosodische Faktoren in der Wortbildung
Die Beispiele in (6) - (10) haben gezeigt, dass die Verteilung des Akzents
auf morphologische Informationen Rücksicht nimmt, dass also z.B. die Ableitung eines Wortes mit einem bestimmten Suffix die Akzentstruktur des abgeleiteten Wortes verändert, die Flexion dagegen die Akzentverteilung nicht
beeinflusst. Umgekehrt können aber auch prosodische Faktoren wie der Akzent in morphologischen Prozessen eine Rolle spielen. Da dieser Aspekt in
den Grammatiken und im Fremdsprachenunterricht oft vernachlässigt wird,
sollen hier zum Abschluss einige Beispiele für prosodisch konditionierte
Wortbildungsprozesse gegeben werden.
7.1. Präfixverben
Die meisten Präfixe sind Verbpräfixe. In diesem Kapitel wird detaillierter
auf diese Gruppe eingegangen. Folgende Präfixe, die ein <e> enthalten (be-,
ent-, emp-, er-, ge-, ver-, zer-), verändern in der Regel die Akzentstruktur
nicht (vgl. in (11), Spalte II). Präfixe, die auch als selbständige Wörter (meistens Präpositionen wie an, ab, auf, aus, bei, nach, zu etc.) existieren, ziehen
dagegen den Akzent an (vgl. in (11) Spalte III). Der Stamm, also die Verbwurzel, erhält einen schwächeren Akzent:
(11)
I
a. 'laden
b. 'fallen
II
be'laden
ge'fallen
aber:
aber:
III
'abֽladen
'aufֽfallen
Die akzentuierten Präfixe in zusammengesetzten Verben können als selbständige Wörter betrachtet werden, da sie auch die Akzentstruktur eines
Kompositums (Präposition + Verb) aufweisen, d.h. auf dem ersten Teil den
Hauptakzent tragen (vgl. zum Komposita-Akzent Beispiel (7)). Die nichtakzentuierbaren Präfixe dagegen gehören „untrennbar“ zum Verb12.
(12)
a. 'abֽfahren: Ich fahre ab. (trennbar)
b. er'fahren: Ich erfahre wieder einmal nichts. (untrennbar)
Das Partizip Perfekt der Verben mit akzentuiertem Präfix wird mit dem
12
Die Präfixe können terminologisch auseinander gehalten werden; so werden trennbare
Präfixe auch Verb-Partikel, Halbpräfixe oder unfeste Präfixe etc. genannt. Im Text wird an den
Termini trennbares vs. untrennbares Präfix festgehalten. Die Darstellung folgt Wiese (2000: 98
ff.).
17
Morphem ge- gebildet, das unmittelbar an die Wurzel angehängt wird. Das
Partizip der Verben, die ein unbetontes Präfix haben, wird ohne ge- gebildet:
(13)
a. 'abֽfahren: Ich bin gestern abgefahren
b. er'fahren: Ich habe wieder einmal nichts erfahren.
Dies erscheint zunächst als willkürlich, lässt sich jedoch mit Hilfe prosodischer Informationen auflösen: Die Bildung des Partizip Perfekts mit ge- hängt
davon ab, ob die folgende Silbe den Hauptakzent trägt: Nur dann kann das
Morphem ge- realisiert werden: Folgende Darstellung macht den Zusammenhang deutlich, wobei der dicke, schwarze Punkt für den Hauptakzent steht:
ge + [ ● ◦] oder ge + [●].
Kann dieser Bedingung nicht entsprochen werden, wird auf die geMarkierung verzichtet. Dies ist der Fall, wenn ein morphologisch einfaches
Verb – ungewöhnlicherweise – nicht auf der ersten Silbe betont wird oder
wenn das Verb mit einem unbetonten Präfix versehen wird:
(14)
a. ko.'pie.ren: ko.'piert
b. er.'fah.ren: er.'fah.ren
*ge.ko.'piert
*ge.er.'fah.ren
*ge + [◦ ● ]13
*ge + [◦ ● ◦ ]
Präfixverben mit akzentuierten Präfixen können wie gesagt als Komposita
aufgefasst werden. Die Affigierung mit ge- erfolgt zuerst an dem Verb (wenn
es Initialbetonung aufweist), danach wird das Kompositum mit der Präposition gebildet:
(15)
a. auffallen: auf + ge.'fal .len (ge + [ ● ◦])
b. ausdiskutieren: aus + dis.ku.'tiert (*ge + [◦ ◦ ●])14
Das Besondere an trennbaren Verben ist also, dass sie dem ge-Morphem
erlauben, sich an die betonte Silbe der Wurzel zu hängen.
Die normalerweise akzentuierten Präfixe (z.B. durch-, auf-, unter-, etc.)
können auch unbetont realisiert werden. Die Bedeutung des Verbs verschiebt
sich in diesem Fall. Meistens wird eine eher konkrete Bedeutung durch eine
abstrakte ersetzt. An der Bedingung für eine Realisierung der Markierung mit
ge- ändert sich nichts: Ist das Präfix akzentuiert, so hat die Kombination
Komposita-Struktur; d.h. gegebenenfalls erfolgt die Markierung mit ge-, bevor das Präfix mit dem Verb kombiniert wird. Ist das gleiche Präfix nicht13
14
Ungrammatische Formen werden mit einem Stern signalisiert.
Nebenakzente werden im Folgenden nicht gekennzeichnet.
18
akzentuiert, weist das präfigierte Verb eine Akzentstruktur auf, die die Markierung mit ge- verhindert:
(16)
unter'stellen: unterstellt
(*ge+ [ ◦ ◦ ●])
a. Dem Politiker wird Korruption unterstellt.
'unterֽstellen: untergestellt unter + (ge+[ ● ])
b. Ich habe das Auto bei Michael untergestellt.
7.2. Die Suffixe -heit und -keit
Mit den beiden Suffixen -heit und -keit kann man aus Adjektiven abstrakte
Nomen ableiten. Sie treten in komplementärer Verteilung auf, was ebenfalls
mit der Akzentstruktur zu tun hat (vgl. Beitrag von Gemperle).
-heit: Das Suffix -heit tritt auf, wenn die vorausgehende Silbe betont ist: (gesund → Ge'sundheit); dies gilt auch für einsilbige Adjektive (schön →
Schönheit).
-keit: Das Suffix -keit tritt auf, wenn die vorausgehende Silbe unbetont ist15:
('traurig → Traurigkeit).
Ausnahmen können Adjektive sein, die mit einer Schwa-Silbe enden wie
z.B.: Sicherheit (aber Heiserkeit). Dies kann mit dem besonderen Status des
Schwa-Lauts zusammenhängen: Schwa kann einerseits als unbetonter Vokal
angesehen werden, was die Suffigierung mit -keit zur Folge hat. Der SchwaLaut kann aber auch ignoriert werden, was dann zur Suffigierung mit -heit
führt.
7.3. Die Bildung des Plurals im Deutschen
Auch in der Plural-Bildung spielt die Akzentstruktur eine Rolle. Normalerweise zählt die Pluralbildung zu den chaotischen Kapiteln in den Grammatiken. Dabei wird oft eine erstaunliche Regelmäßigkeit übersehen: Die meisten Plural-Formen weisen am Wortende die gleiche Struktur, nämlich eine
trochäische Fußstruktur auf, wobei die unbetonte Silbe als Vokal immer einen
Schwa-Laut enthält:
15
Die Darstellung folgt Wiese 2000: 98 ff.
19
(17)
a. Vater → 'Vä.ter
b. Schwes.ter → 'Schwes.tern
c. Frau → 'Frau.en
Wenn man nur drei Regeln kombiniert, so kann man für eine große Zahl
an Nomen die Pluralform abdecken. Was die wohl frequentesten Endungen -e
und -en betrifft, so lassen sich folgende Regelmäßigkeiten feststellen16:
1. Maskulina und Neutra bilden den Plural mit der Endung -e; (vgl. aber
Punkt 3): das Boot → die Boote; der Tag → die Tage.
2. Feminina bilden den Plural auf -en: die Last → die Lasten; die Frau →
die Frauen; die Neuigkeit → die Neuigkeiten.
3. Das in den obigen Suffixen enthaltene -e wird getilgt, wenn das Nomen
bereits eine Abfolge aus betonter Silbe und unbetonter Silbe mit Schwa
enthält: Statt der Pluralendung -e erscheint also keine Endung (Nullplural), statt -en tritt nur -n auf.
Zu diesen drei Basis-Regeln existieren viele Zusatz-Regeln bzw. Ausnahmen, auch haben wir die Pluralendungen -er und -s und den Umlaut überhaupt
nicht angesprochen. Wichtig ist aber in diesem Kontext, dass die Pluralformen
trotz großer segmentaler Unterschiede in Bezug auf die Akzentstruktur eine
große Einheitlichkeit aufweisen: Fast alle Nomen weisen im Plural am Wortende eine Sequenz aus betonter und unbetonter Schwa-Silbe auf. Endet das
Wort auf einer betonten Silbe, so wird entweder ein Schwa (überwiegend
Maskulina und Neutra) angehängt oder ein Schwa mit einem Konsonanten
(im Falle der Feminina überwiegend -en). Enthält das Nomen am Wortende
bereits eine Schwa-Silbe, kann bei Maskulina und Neutra eine Null-Endung
auftreten; vgl.: der Lehrer (Sg.) → die Lehrer (Pl.); das Muster (Sg.) → die
Muster (Pl.); bei Feminina dagegen wird nur der Konsonant angehängt; vgl.
die Schwester (Sg.) → die Schwestern (Pl.) (vgl. auch Wiese 2000: 107).
Die unterschiedlichen Suffixe für die drei Genera werden deutlich bei
Wörtern, die in Orthographie und Aussprache übereinstimmen, aber unterschiedliches Genus haben. Feminina bilden den Plural typischerweise mit -n,
Neutra und Maskulina mit -e oder – falls bereits ein Schwa-Laut vorhanden ist
– mit Nullplural:
(18)
16
a. die Steuer (tassa) → die Steuern
b. das Steuer (timone) → die Steuer
Vgl. Duden 72005: 183 und Wiese 2000: 136.
20
In diesem Beitrag sollte kurz aufgezeigt werden, in welchen Bereichen
Akzentfragen im Fremdsprachenunterricht mit Deutsch als L2 wichtig werden
können. Zwei Aspekte sind hervorgehoben worden: Zum einen spielt der Akzent im Deutschen eine große Rolle bei der Realisierung von Silben; d.h. anders als in den romanischen Sprachen gibt es im Deutschen Schwa-Laute, die
nicht betont werden können. Ist man sich des Mechanismus nicht bewusst, so
kann dies leicht zu Problemen im Hörverständnis, in der Aussprache oder bei
Diktaten führen. Zum anderen wurde darauf hingewiesen, dass der Akzent
auch die Wortbildung beeinflusst. Auf diese Zusammenhänge wird in den
(geschriebenen) Grammatiken nicht immer hingewiesen, doch gibt es auch in
diesem Bereich Regeln, die für den Deutsch-Lerner wichtig sind. Auch die
nachfolgenden Übungen beziehen sich gerade auf diese beiden Aspekte.
Aufgaben und Übungen
A. Übungen zur Akzentsetzung
A1. Manchmal ist es (auch für Muttersprachler) gar nicht so einfach, zu bestimmen,
auf welcher Silbe der Akzent liegt. Bestimmen Sie in folgenden Wörtern den Akzent.
Wenn Sie Zweifel haben, probieren Sie einfach alle Silben aus. (Wenn Sie die Wörter
laut schreien oder extrem skandieren, wird Ihnen klarer, wo der Akzent liegt.)
a. diatriba, sanscrito, amaca, salubre, eremo, gratuito, leccornia, monolito, motoscafo, piroscafo.
b. Motor, Elefant, Ameise, Urlaub, Pelikan, liebkosen, Papagei, Arbeit17.
A2. In den folgenden Wörtern ist der Akzent phonemisch, d.h. bedeutungsunterscheidend: Sprechen Sie die Wörter mit unterschiedlicher Akzentuierung aus und stellen
Sie die verschiedenen Bedeutungen fest (evtl. mit Hilfe des Wörterbuchs).
a. Heroin, damit, Roman, modern, August, (M)misstrauen.
b. abito, accomodati, abbaio, capitano, circuito, calamita, bacino, occupati.
A3. Die Akzentverteilung kann beim Erlernen einer Fremdsprache zu Schwierigkeiten führen, wenn Wörter gleicher Bedeutung (und gleicher Etymologie) in Ausgangsund Zielsprache unterschiedliche Akzente haben (vgl. auch den Beitrag von Twittmann zu den Falschen Freunden). Verteilen Sie in folgenden Wörtern den Akzent und
sprechen Sie die Wörter laut aus.
Musik
Professor
Fotograf
17
vs.
vs.
vs.
musica
professore
fotografo
Physik
Synthese
Elisabeth
Beispiele teilweise aus: http://www.locuta.com/accent.html.
21
vs.
vs.
vs.
fisica
sintesi
Elisabetta
Pinguin
Republik
Analyse
Mikroben
vs.
vs.
vs.
vs.
pinguino
repubblica
analisi
microbi
Akademie
autonom
Embryo
Methode
vs.
vs.
vs.
vs.
accademia
autonomo
embrione
metodo
A4. Sehen Sie sich folgende Wortfelder an und notieren sie die Akzentverteilung. In
welchen morphologischen Kontexten wird der Akzent verschoben und wann verbleibt
er auf der Wurzel?
a. schreib-: abschreiben, aufgeschrieben, Schreiber, Schreiberei, Beschreibung,
beschrieb.
b. frag-: Frage, gefragt, Befragung, fragten, Befrager, Umfragen, fraglich, abgefragt.
A5. Im Folgenden sehen Sie einige Stammformen. Bilden Sie möglichst viele abgeleitete oder flektierte Wörter und beobachten Sie, wie der Akzent verteilt wird.
seh-, red-, sing-, lob-.
B. Übungen zu unbetonten Reduktionssilben
B1. Kennzeichnen Sie in folgenden Sätzen die Schwa-Vokale und sprechen Sie die
jeweiligen Silben als Reduktionssilben mit Schwa oder mit silbischen Konsonanten
aus. (Denken Sie daran: Ein Schwa-Laut kann nicht akzentuiert sein!).
a. Inge und Marlene leben gemeinsam in einem alten Haus.
b. Seine Hunde und Katzen machen uns das Leben schwer.
c. Inzwischen kannst du deine Sachen holen.
B2. Das <r> wird im Deutschen am Silben- oder Wortende oft vokalisiert; so hört
man z.B. in Tor eigentlich kein <r>, sondern nur das vokalisierte [ɐ]: To[ɐ]. Rutscht
das <r> auf Grund der Pluralflexion wieder an den Silbenanfang, so hört man wieder
ein <r> (To.[re]). Vor dem Silbenende bedeutet, dass dem vokalisierten Laut auch
noch ein Konsonant folgen kann: Herd [he:ɐt]. Geht dem <r> ein Schwa voraus (es
muss sich dann also um eine unbetonte Silbe handeln), wird die ganze Sequenz <er>
auf [ɐ] reduziert (z.B. Lehr[ɐ]). Gliedern Sie die folgenden Wörter in Sprechsilben
und bestimmen Sie, ob konsonantisches oder vokalisches <r> vorliegt.
Klavier, Radiergummi, radieren, Ohr, Ohren, Trauer, traurig, hören, Hörgerät, Lehrer, leer, Nummer, nummerieren, leider, Mutter, Nachbar, Nachbarin.
C. Akzent in Komposita
C1. Bilden Sie aus folgenden alphabetisch geordneten Wörtern eine Wortkette und
sprechen Sie die Komposita dann laut aus.
Apfel, Baum, Bein, Bruch, Tür, Frage, Garten, Haus, Preis, Schloss, Stück, Tisch,
Zeichen.
Apfelbaum→Baumhaus→Haus….
22
D. Akzentstruktur und Präfixverben
D1. Markieren Sie in folgenden Verbformen den Hauptakzent.
aufstehen, bedeuten, anziehen, abgehen, gefallen, befestigen, zurückkommen, wiederholen, empfangen.
D2. Markieren Sie in folgenden Partizip-Formen den Hauptakzent.
wiederholt, wiedergesehen, entsagt, überholt, vorbereitet, aufgestiegen, bestanden,
abgeschafft, gefallen, eingefallen, durchfahren, durchgefahren.
D3. Bilden Sie das Partizip Perfekt für folgende Verbformen und markieren Sie den
Akzent sowohl für den Infinitiv als auch für das Partizip. Sprechen Sie dann die Formen laut aus.
a. bekommen - ankommen - entkommen
b. ausgehen - entgehen - vergehen
c. gefallen - auffallen - zerfallen
d. bestehen - aufstehen - anstehen
e. anstellen - abstellen - bestellen
D4. Finden Sie die Bedeutungen folgender Verben (evtl. im Wörterbuch) und kontrollieren Sie, ob das Präfix akzentuiert ist oder nicht bzw. ob es sowohl betont als auch
unbetont realisiert werden kann. Bilden Sie dann zu jedem Verb einen Satz im Perfekt.
übersetzen, überfahren, überlegen, überreden, überlaufen, unterstellen, unterbrechen,
unterschreiben, unterkommen, durchbrechen, durchdrücken, durchlaufen, umfahren,
umstellen, umschreiben, umgehen, wiederholen, wiedersehen, widerrufen, missbrauchen, vollbringen.
E. Akzentstruktur und Suffigierung
E1. Bestimmen Sie in folgenden Wörtern den Akzent. Welche Suffixe sind akzentuiert? Übersetzen Sie die Wörter ins Italienische und vergleichen Sie die italienischen
Suffixe mit den deutschen.
analysieren, Heiterkeit, Müdigkeit, Gesellschaft, Vorbereitung, national, Sozialist,
Wahrheit, Neuigkeit, Doktorand, Universität, kindlich, kindisch, berechenbar, Nervosität, schreckhaft, würdig.
E2. Vergleichen Sie die folgenden Wortpaare und stellen Sie fest, ob sich der Akzent
verschiebt oder nicht.
Monat - Monate, national - Nationalist, Japan - japanisch, neu – Neuheit.
E3. Bilden Sie aus folgenden Adjektiven (eventuell mit Hilfe eines Wörterbuchs)
Nomen und achten Sie dabei auf die Allomorphie -heit/ -keit. (Manchmal ist es notwendig zusätzlich -ig einzufügen: z.B.: sprachlos → Sprachlos-ig-keit).
23
müde, schlapp, neu, fröhlich, traurig, flüssig, wichtig, farbig, lebendig, ewig, privat,
schön, dumm, taub, blind, unendlich, doof, schwierig, richtig, krank.
E4. Bilden Sie den Plural folgender Nomen mit Hilfe der Endungen -e (Maskulina
oder Neutra) oder -en (Feminina). Achten Sie darauf, dass die Abfolge am Wortende
betont – unbetont sein muss und verzichten Sie auf das <e> in der Endung, wenn es
diese Abfolge stört.
die Tante
der Onkel
der Tisch
der Schüler
die Nichte
die Sache
die Sonne
der Sessel
der Kellner
die Freude
die Nation
die Schwester
das Mädchen
der Freund
die Frau
E5. Folgende Substantive haben unterschiedliche Genera. Bilden Sie jeweils die geeignete Pluralform dazu.
a. die Leiter (scala) vs. der Leiter (dirigente)
b. die Kiefer (pino silvestre) vs. der Kiefer (mascella).
Literatur
Alber B. (2007), Einführung in die Phonologie des Deutschen, Verona, QuiEdit.
Alber B. (2004), Einführung in die Morphologie des Deutschen, Trento, Uni-Service.
Behme-Gissel H. (2005), Deutsche Wortbetonung. Ein Lehr- und Übungsbuch, München, Iudicium.
Bertinetto P. (1981), Strutture prosodiche dell’italiano, Firenze, Studi di grammatica
italiana pubblicati dell’Accademia della Crusca.
Dudenredaktion (Hg.) (72005), Die Grammatik, Duden Bd. 4, Mannheim & Wien &
Zürich, Dudenverlag.
Eisenberg P. (22004), Grundriss der deutschen Grammatik 1: Das Wort, Stuttgart,
Metzler.
Fox A. (2000), The Phonology of Suprasegmentals, Oxford University Press.
Hall T. (2000), Phonologie. Eine Einführung, Berlin & New York, de Gruyter.
Nespor M. (1993), Fonologia, Bologna, il Mulino.
Ramers K. (2001), Einführung in die Phonologie, München, Fink.
Ramers K., Vater H. (1995), Einführung in die Phonologie, Hürth, Gabel.
Wiese R. (2000), The Phonology of German, Oxford, Clarendon Press.
24
SPRACHE IM KLEID DER SCHRIFT:
GEGENÜBERSTELLUNG ITALIENISCHER UND DEUTSCHER
RECHTSCHREIBUNG
Barbara Hans-Bianchi
1. Einleitung
Wer im Ausland Deutsch lernt, hat meist überwiegend mit der geschriebenen Sprache zu tun. Deutschstudierende an italienischen Universitäten müssen
in den verschiedenen Sprachprüfungen ihre passive und aktive Beherrschung
der Schrift unter Beweis stellen – über die Lese- und Schreibkompetenz im
Allgemeinen sehen viele Kurse auch eine Überprüfung der orthographischen
Kenntnisse in Form eines Diktats vor. Trotzdem wird die orthographische
Regelhaftigkeit in der Didaktik selten systematisch thematisiert.
Die Beherrschung der Regeln geschriebener Sprache ist vor allem soziokulturell von Bedeutung, z.B. bei Schriftkontakt mit der deutschsprachigen
Welt, da der Rechtschreibung eine starke Normfunktion zukommt. Außerdem
erleichtert die in der Orthographie festgeschriebene Schreibweise dem Lerner
den Zugang zu zahlreichen sprachlichen Regularitäten auf unterschiedlichen
Ebenen; gleichzeitig birgt sie aber auch die Gefahr der „spelling pronunciation“ in sich.
Die deutsche Orthographie ist gegenüber der des Englischen oder Französischen regelmäßiger, gegenüber der italienischen und spanischen hingegen
weist sie stärkere Abweichungen vom einfachen Lautprinzip auf. Das Schriftzeichen, d.h. das geschriebene Sprachzeichen, hat – der doppelten Artikulation des Sprachzeichens entsprechend – eine materielle (graphische) Form und
einen Inhalt. Gleichzeitig stellt es einen Bezug zur Lautebene, also der phonischen Form, her. Im Schriftzeichen sind nun zwei grundlegende Schreibprinzipien angelegt: der Lautbezug, der in Alphabetschriften als Grundprinzip der
Verschriftung gilt, und der als Phonographie bezeichnet wird; und der Bedeu-
25
tungsbezug, den wir Logographie1 nennen wollen. Diese beiden Grundprinzipien erfahren in verschiedenen Sprachen (bzw. deren Orthographien) eine
jeweils besondere Mischung. Allgemein ist das italienische als ein dominant
phonographisches, das deutsche hingegen als ein in vielen Aspekten eher
logographisches Schriftsystem zu charakterisieren2. Viele Schreibfehler sind
auf diese unterschiedliche typologische Gestalt zurückzuführen, und es
kommt beim Erwerb der deutschen Orthographie zu Interferenzphänomenen
aus dem italienischen und anderen orthographischen Systemen.
Im Folgenden greifen wir einige Regelbereiche der deutschen Orthographie heraus, die dem fortgeschrittenen (italienischen) Deutschlerner Probleme
bereiten (können). Dabei gehen wir von den kleineren zu den größeren Einheiten der Schreibung.
2. Der Buchstabe
Wenn wir sprechen, produzieren wir eine kontinuierliche Lautfolge mit
fließenden Übergängen. Beim Schreiben benutzen wir hingegen klar abgegrenzte, diskrete Einheiten ohne Bedeutungsbezug – die Buchstaben. Darin
liegt die Eigentümlichkeit der (alphabetisch) geschriebenen Sprache. Der
Laut, auf den der Buchstabe verweist3, wird durch diese graphische Erfassung
als isolierbar dargestellt und somit abstrahiert4. Oft werden verschiedene
Lautqualitäten oder -quantitäten von demselben Buchstaben abgedeckt5:
a. it. vedo - bello [e - ǫ]
(1)
b. it. zucca - zio [ȳ - ȶ]
c. dt. Wege [e: - ə]
d. dt. Bibel - Bild [i: - Ǻ]
Besondere Schwierigkeiten machen nun diejenigen Buchstaben, deren
Lautwert im Italienischen keine Entsprechung hat, wie die gerundeten Vor1
Den Terminus mit der hier gegebenen Bedeutung wird von Meisenburg (1998: 43) übernommen.
2
In der Fachliteratur wird von „phonologisch flachen“ (überwiegend phonographischen)
und „phonologisch tiefen“ Schriftsystemen gesprochen („shallow“ vs. „deep orthography“).
3
Allerdings haben nicht alle Einzelbuchstaben einen Lautwert, wie im Weiteren noch deutlich werden wird.
4
Wie groß diese Abstraktionsleistung der Buchstaben ist, kann man beispielsweise bei
Tophinke nachlesen (2002: 50).
5
Die Korrespondenzregeln zwischen Phonemen und Graphemen des Deutschen sind bspw.
bei Dieling - Hirschfeld (2003) und Eisenberg (2007a) nachzulesen.
26
derzungenvokale in den beiden Varianten [ø: - œ; y: - Y], geschrieben als
<ö> und <ü>6. Fortgeschrittene Lerner setzen oft einen Umlaut, wo keiner
erscheint (*söllte, *öffen, ich *müss). Der Zugang zu diesen Lauten und ihrer
Verschriftung kann nur durch eine entsprechende Gehör- und Sprechschulung
erreicht werden. Allerdings kann der morphosyntaktische Kontext immer
dann helfen, wenn der Umlaut eine morphologische Unterscheidungsfunktion
hat, wie in den folgenden Beispielen:
(2)
a. Mutter - Mütter (Singular - Plural),
b. Sucht - süchtig (Simplex - Derivat),
c. konnte - könnte (Indikativ Präteritum - Konjunktiv II) usw.
Nicht immer jedoch sind die Umlaute, wie hier, in Morphologie oder
Wortbildung funktional, oft erscheinen sie in der ganzen Wortfamilie, d.h. sie
sind lexikalisch konstant:
(3)
a. kühn (*kuhn-), Tücke (*tuck-), Bühne (*buhn-)
b. Löffel (*loff-), Möhre (*mohr-), usw.
Es empfiehlt sich in jedem Fall, die Wortfamilie im Zusammenhang zu
lernen und sich die Umlautung – am besten im Satzkontext – durch wiederholtes Sprechen einzuprägen.
Im Bereich der Konsonanten weist das Deutsche die glottalen Laute [h]
und [Ȥ] (Glottisverschluss) auf, die das Italienische nicht kennt7:
(4)
Heimat [haǺmǡ:t] - Eimer [ȤaǺmǠ]
Beide kommen nur im Morphemanlaut vor, jedoch erscheint nur das h in
der Schrift. Beide Laute werden von den Lernern im Anfangsstadium meist
gar nicht wahrgenommen, in fortgeschrittenen Lernphasen hingegen werden
sie oft verwechselt, wobei ein <h> geschrieben wird, wo nur ein Glottisverschluss zu hören ist. Auch hier empfehlen sich natürlich gezielte Hör- und
Sprechübungen8.
6
Die Umlaute <ä> und <äu> sind prinzipiell morphologisch begründet, die Aussprache ist
demgegenüber unproblematisch (s. Kapitel 5).
7
Während der konsonantische Laut [h] nicht als Phonem vorkommt, kennt das Italienische
den Buchstaben <h> mit rein diakritischer Funktion innerhalb von Di- und Trigraphen (<ch>,
<gh> usw.), bei Homophonen (<hanno> vs. <anno>) und in Fremdwörtern (<hotel>).
8
Bspw. in Rausch - Rausch (31993: 325-332) und Kaunzner (1997).
27
3. Die Buchstabenverbindung
Sowohl im Italienischen als auch im Deutschen gibt es komplexe graphische Einheiten, die mehrere (bis zu drei) Buchstaben zu einem Graphem verbinden.
(5)
a. it. chilo, ghetto
b. it. sciabola, scettro
c. dt. Schule, Straße
d. dt. Engel
Für fortgeschrittene Deutschlerner besteht eine Schwierigkeit darin, solche
Di- und Trigraphen von den entsprechenden Folgen einfacher Buchstaben zu
unterscheiden9. Oft spielt die Position im Wort oder das direkte Umfeld bei
der Interpretation eine Rolle. So ist die Folge <st> nur am Anfang eines Morphems als Digraph bzw. komplexes Graphem zu interpretieren, in allen anderen Positionen jedoch nicht (Stube vs. Liste). Dies kann man an der Aussprache zweifelsfrei erkennen ([ȓtu:bə] vs. [lǺstə]). Über Morphemgrenzen hinweg
können solche komplexen Grapheme nicht bestehen.
4. Die Schreibsilbe
Im Gegensatz zum Italienischen ist die Schreibung der Lautfolge im Deutschen in vielen Fällen abhängig von dem Bau und der Akzentuierung der Silben10. Typisch für die einfachen Wörter des Erbwortschatzes (in der flektierten Form) ist die metrische Struktur des Trochäus: betont - unbetont. Die unbetonten Silben weisen in der Schrift einen Vokal <e> auf, auch wenn dieser
nicht oder nur abgeschwächt gesprochen wird. Beim Lesen wie beim Sprechen ist eine zu starke Artikulierung der unbetonten Silbe zu vermeiden.
Normalerweise liegt der Akzent (in Wörtern des deutschen Erbwortschatzes) auf dem Wortstamm bzw. auf der Silbe, welche die lexikalische Bedeu-
9
Dieses Problem ergibt sich im Italienischen normalerweise nicht, da sowohl die Silbenstruktur als auch die Wortkomposition andere Eigenschaften aufweisen und dem Zusammenstoß mehrerer Konsonanten an der Morphemgrenze entgegenwirken.
10
Der Wortakzent wird im Italienischen normalerweise nur bei mehrsilbigen Wörtern mit
Endbetonung graphisch gekennzeichnet: virtù, affinità, guiderò. Bei einsilbigen Wörtern dient
der graphische Akzent hingegen der lexikalischen Disambiguierung: dà (Verb) vs. da (Präp.).
In den meisten Fällen wird der Akzent in der Schrift nicht explizit angezeigt.
28
tung trägt. Aber in Wortbildungen kann er eine andere Position erhalten. Hier
einige Beispiele11:
a. ●●
b. ●
c. ●●●
d. ●●●●
e. ●●●
(6)
schlafen, Häuser
schlief, Haus
einschlafen, Mietshäuser
ausgeschlafen, Reihenhäuser
geschlafen, Gehäuse
Die betonten Silben können im Deutschen nach den Kriterien des Silbenschnittes (bzw. der Vokalquantität) und der Silbenkoda unterschieden werden12. Die Schrift hilft hier meist bei der Zuordnung, ist aber nicht immer
eindeutig, wie die Tabelle 1 zeigt.
Tabelle 1: Die graphische Gestalt der verschiedenen Silbentypen im Deutschen13
betonte SILBE
fester Anschluss (→ Kurzvokal) loser Anschluss (→ Langvokal)
A- unmarB- markiert
C- unmarD- mardurch
kiert durch
kiert
kiert
„Schärfung“
„Dehnung“
Söhne,
1- offen (keine
mischen,
Hütte, Wille,
Hüte, Bibel,
konsonantische
kochen, sinSommer, Mitte… Mode, suwohnen,
chen…
Miete,
Koda)
gen…
Waage…
Kante, Hüfte, kannte, Mittler,
Blut, Weg,
mahnte,
2- geschlossen
(konsonantische Bilder, Lust… Schwimmbad…
Ton, Mond,
Sohn,
Koda)
Ruhm,
stur…
Mehl,
viel…
Die grau unterlegten Felder zeigen die Hauptkombinationen an: orthographisch markiert sind normalerweise der Kurzvokal in der offenen Silbe (1B)
11
Vgl. Rausch - Rausch (1993: 123). Die Regeln zur Wortbetonung sind in der DudenGrammatik (72006: 48-50) sehr klar dargestellt. Siehe auch den Beitrag von Vogt in diesem
Band. Die hier benutzte graphische Symbolisierung der Akzentmuster lehnt sich an Rug (2007)
an.
12
Es handelt sich um das, was bei Tophinke als „Silbenanschlusstyp“ und „Silbentyp“ bezeichnet wird (2002: 56).
13
Diese Tabelle stellt eine Kreuzung der Darstellungen in Noack (2002: 85) und Hinney
(2004: 76) mit eigenen Ergänzungen dar.
29
und der Langvokal in der geschlossenen Silbe (2D). Wenn keine Markierung
gegeben ist, wird normalerweise der Vokal in der offenen Silbe lang (1C), in
der geschlossenen Silbe aber kurz gesprochen (2A). Es gibt allerdings zahlreiche Ausnahmen von dieser Grundtendenz, die zum Teil auf die morphematische Konstantschreibung (2B) oder andere Regelprinzipien, auf die Rolle
mehrteiliger Grapheme (1A) oder auch auf Inkohärenzen des Systems selbst
zurückzuführen sind (2C vs. 1D)14.
Auf der lautlichen Ebene gibt es im Deutschen – im Unterschied zum Italienischen – keine Doppelkonsonanten. Hier liegt ein häufig zu beobachtendes
Ausspracheproblem für Italiener, vor allem beim Lesen, während die Geminaten beim Schreiben eher ignoriert werden. Die primäre Funktion der „Schärfung“ durch Schreibgeminaten besteht in der Kennzeichnung der Silbenstruktur (s. Tabelle1: 1B): der betonte Vokal ist kurz, er wird abrupt abgebrochen,
d.h. die unbetonte Silbe folgt mit festem Anschluss. Der Konsonant, der in der
Schrift gedoppelt wird, bildet das Silbengelenk, d.h. er gehört beiden Silben
an (Bsp.: Hütte [’hYtʜƽ])15. Beim Dehnungs-h kommt es vor, dass die Studierenden zwar ein <h> schreiben, dieses aber an der falschen Stelle im Wort
erscheint. Fehler wie *whonen, *sthet sind keine Seltenheit16.
Eng verwandt mit dem Dehnungs-h ist das silbentrennende <h>17, das zwischen zwei direkt aufeinander folgenden Vokalen erscheint: gehen (Dehnung
in: er geht), Mühe (Dehnung in: sie bemüht sich). Sowohl bei der Dehnung als
auch bei der Silbentrennung handelt es sich um Langvokale, nur die Silbenstruktur ist eine andere18. Das geschriebene <h> hat hier keinen eigenen
Lautwert, darf also beim Lesen nicht aspiriert werden.
14
Inkohärenzen mit diesem Modell sind naturgemäß v.a. auch im Bereich der Fremd- und
Lehnwörter zu registrieren, den wir hier jedoch ausklammern.
15
Das [tʜ] bildet das Silbengelenk. Als Geminaten werden [k] als <ck> und [ts] als <tz> geschrieben. Zum Verhältnis zwischen dem Silbengelenk und der graphischen Konsonantendopplung: Duden (72006: 76-78).
16
Derartige Fehler sind meist als einfache „Verschreiber“ (slips of the pen) einzustufen, oft
kann aber auch eine (motorische) Interferenz aus dem Englischen vorliegen, wo die Folgen th,
wh, gh usw. häufig erscheinen. Vgl. hierzu auch die Fehlerstatistiken und -klassifikationen in
Katelhön (2007) und Hans-Bianchi (2007).
17
Oft findet man auch die Bezeichnung „silbeninitiales h“, so in der Dudengrammatik. Der
Begriff ist m.E. irreführend, da ein <h> in silbeninitialer Position, d.h. vor Vokal, aspiriert
werden müsste.
18
Die Regel kennt allerdings Ausnahmen, d.h. nicht immer erscheint in der entsprechenden
Position das <h> als Zeichen der Silbengrenze.
30
Im Deutschen sind die unbetonten Silben in normaler Rede generell wenig
artikuliert. Da sie gleichzeitig aber häufig Träger der grammatischen Information sind, ist die korrekte Identifizierung dieser Silben von großer Bedeutung.
Die grammatische Funktion gestattet andererseits, das Defizit an lautlicher
Differenzierung durch sprachliches Wissen auszugleichen.
Die s-Laute und ihre Verschriftung stellen ein Sonderproblem dar, denn
hier stehen zwei lautlichen Varianten drei Schreibvarianten gegenüber: <s>,
<ss> und <ß>. Eine Opposition zwischen einfachem <s> und scharfem <ß>
gibt es nur nach langen Vokalen und Diphthongen, wo <ss> ausgeschlossen
ist. In der Aussprache wird hier unterschieden zwischen stimmhaftem [z] und
stimmlosem [s]. Nach Kurzvokal steht im Silbengelenk ein <ss>, d.h. in denselben Fällen wie alle anderen Doppelkonsonanten19.
5. Das Morphem
Das Morphem ist die kleinste Spracheinheit, die eine Bedeutung hat. In der
deutschen Orthographie spielt das Prinzip der Morphemkonstanz eine wichtigere Rolle als im Italienischen, d.h. das Deutsche tendiert dazu, die graphische Einheitlichkeit eines Morphems zu bewahren, auch wenn es unterschiedliche lautliche Realisierungen (Allomorphe) gibt20. Das bedeutet, dass das
Morphemkonstanzprinzip mitunter dem Phonemkonstanzprinzip gegenläufig
ist.
(7)
a. it. <pregio - pregiato> [’pre:ȴǤ - pre’ȴa:tǤ]
b. it. <amico - amici> [a’mi:kǤ - a’mi:ȷi]
(8)
a. dt. <Brauch - Bräuche> [braȚx - brǤǺϧə]
b. dt. <Wand - Wände> [vant - vǫndƽ]
Es gibt allerdings, auch im Deutschen, eine Reihe von Ausnahmen von
diesem Prinzip:
19
Gallmann (2007) spezifiziert hierzu: Die Ausnahmen (und die Ausnahmen von den Ausnahmen) sind von der gleichen Art wie bei den allgemeinen Verdoppelungsregeln, zum Beispiel bei Funktionswörtern und Suffixen: ‹bis› (vgl. ‹mit›, ‹von›); ‹des› vs. ‹dessen› (vgl. ‹in›
vs. ‹innen›); ‹dass› (vgl. ‹dann›); ‹-nis› vs. ‹-nisse› (vgl. ‹-in› vs. ‹-innen›). Sonderproblem:
‹das› vs. ‹dass› (Homonymieprinzip).
20
Warum dieses Prinzip gerade im Deutschen wichtig ist, wird in Hans-Bianchi (2007:
81f.) diskutiert. Dort wird auch eine Gegenüberstellung der logographischen Wortschreibungen
im Italienischen und Deutschen vorgenommen.
31
(9)
a. it. <famiglia - familiare>
b. it. <lungo - lunghi>
c. dt. <nehmen - nimm>
d. dt. <kommen - kam>
Wie schon in Kapitel 4 beschrieben wurde, haben Schreibgeminaten im
Deutschen die Funktion, das Silbengelenk in offenen Silben mit festem Anschluss zu kennzeichnen. Um nun innerhalb derselben Wortfamilie graphische
Einheitlichkeit herzustellen, werden die Geminaten auch in die geschlossene
Silbe übertragen, wo sie phonographisch überflüssig sind: bellen > bellt vs.
Welt.
Das Phänomen der Auslautverhärtung betrifft die stimmhaften Konsonanten, die am Ende eines Wortes oder eines Morphems stehen21; die Stimmhaftigkeit wird in dieser Position neutralisiert, d.h. der Konsonant wird stimmlos
gesprochen: Bund [bȚnt]. Sobald eine weitere (vokalisch anlautende) Silbe
folgt, ist die Aussprache stimmhaft: des Bundes [bȚndƽs]. Die Orthographie
zeigt die Auslautverhärtung nicht an, d.h. sie behält ein einheitliches Schriftbild in allen Formen bei, wie man an dem Beispiel sehen kann.
Die Schreibung mit Umlaut <ä, äu> ist fast ausschließlich unter das Morphemkonstanzprinzip einzuordnen; die Aussprache entspricht einem offenen
[ǫ] bzw. dem Diphtong [ǤǺ], ist also identisch mit derjenigen von <e, eu>.
Lediglich im Falle von <ä> als offenem Langvokal [ǫ:] in Wörtern wie Lähmung gibt es in der Hochlautung eine Opposition <e> vs. <ä>22.
6. Das Wort
Was wir als Wort definieren, ist weitgehend durch die Schrift bedingt und
hat sich in der Geschichte der einzelsprachlichen Alphabetsysteme erst langsam herausgebildet. Die Setzung der Leerstellen kann relevant für die Bedeutung bzw. die Funktion sein23:
(10)
a. it. <capo - capostipite>
b. it. <all’ora - allora>
21
Hierzu Di Meola (2007: 34-36); Linke et al. (2001: 68 und 432).
Genaueres in Duden (72006: 35, 54), dort transkribiert als [æ].
23
Allerdings teilen die homophonen Formen meist nicht denselben Kontext und es würde
daher ohnehin selten zu Missverständnissen kommen.
22
32
c. dt. <Haus - Hausfrau>
d. dt. <in dem - indem>
Zwischen den beiden Sprachen gibt es im Bereich der Wortabgrenzung einige Unterschiede: im Deutschen ist die Kompositabildung (mit Zusammenschreibung) vor allem, aber nicht nur, im Nominalbereich sehr produktiv
(Lohnerhöhung, Wendehals) 24, im Italienischen werden im Pronominalbereich häufig Klitika gebildet, die dann mit dem Vorangehenden zusammenzuschreiben sind (dimmelo! vs. me lo dici?)25.
Im Bereich der Wortschreibung stellt die sog. Substantivgroßschreibung
eine Eigentümlichkeit der deutschen Orthographie dar. Eigentlich handelt es
sich hier aber nicht um die Kennzeichnung der Wortklasse Substantiv, sondern um die visuelle Hervorhebung des Kerns einer Nominalphrase26. Wie
langsam das Lesen vorankommt, wenn Wortabgrenzung und Majuskeln fehlen, kann man in der Übung E1 sehen. In Kapitel 7 wird noch einmal darauf
Bezug genommen.
Das Wort (als Lexem und als Teil einer Wortfamilie) ist aber auch als individuelle Bedeutungseinheit orthographisch relevant und kann besondere
graphische Muster aufweisen, die diese Individualität oder auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe des Wortschatzes signalisieren. So geben bestimmte
Schreibweisen Hinweise auf die (etymologische oder fremdsprachliche) Herkunft eines Wortes27: Theologie, Rhythmus, Visum… Power, Liaison, Shampoo…Auch Funktionswörter entziehen sich oft den allgemeinen orthographischen Regeln: ihr, ihnen, ihm mit <ih>, sonst <ie>.
In anderen Fällen werden homophone Wörter rein graphisch differenziert:
Mal - Mahl, Seite - Saite. Besondere Grapheme wie <v, x> können meist nur
24
Im Englischen – das ja als verwandte L2 oft eine gewisse Interferenzkraft besitzt – verhält sich die Rechtschreibnorm anders als im Deutschen: viele Komposita werden getrennt
geschrieben: health care, waiting room, school day; es gibt aber auch die Zusammenschreibung: proofread, storyteller, schoolmate, wintertime; sowie die Schreibung mit Bindestrich:
time-consuming, T-shirt, empty-handed.
25
Gerade im Bereich der Getrennt- und Zusammenschreibung hat die Rechtschreibreform
einige Änderungen vorgenommen, eine gewisse Variabilität bleibt jedoch bestehen: staubsagen
vs. Staub saugen usw; vgl. Eisenberg (2007b: 7-14).
26
Das erkennt man daran, dass auch substantivierte Verben, Adjektive usw. im Satz groß
geschrieben werden, vgl. Röber (2007: 72f.). Da der Kern einer NP der wichtigste Bedeutungsträger ist, kommt dieses Verfahren vor allem dem schnellen leisen Lesen zugute.
27
In diesem Bereich hat die Rechtschreibreform neue Schreibungen anerkannt, so dass es
nun hier z.T. mehrere akzeptierte Varianten gibt, nämlich eine, die sich an der Originalsprache
orientiert, und eine andere, die eher den deutschen Regeln folgt; Duden (72006: 94). Auch in
der Aussprache bestehen mitunter verschiedene Varianten nebeneinander; vgl. Duden (72006:
59f.).
33
mithilfe der Wortidentität korrekt gesetzt werden, sind also nur auf lexikalischer Ebene erschließbar: viel – fiel, Vater - fahren, Wechsel - Hexe. Mit anderen Worten: diese orthographischen Besonderheiten müssen auswendig
gelernt werden.
7. Der Satz
Was wir als Satz definieren, ist weitgehend durch die Schrift bestimmt.
Wenn wir schreiben lernen, müssen wir gleichzeitig den Bau „korrekter“, d.h.
dem Medium der Schrift angemessener, sprachlicher Einheiten erwerben28.
Das gilt natürlich sowohl für das Deutsche als auch für das Italienische. Zeichensetzung und Textgestaltung sind die zwei wichtigsten Bereiche der
Schriftsprache, die die metasprachliche Aufgabe haben, den Text zu strukturieren und für den Leser zu „portionieren“. Bei der Festlegung der Satzeinheit
– und deren Kennzeichnung durch Punkt, Ausrufezeichen, Fragezeichen –
bestehen keine wesentlichen Unterschiede zwischen unseren beiden Sprachen.29 Der Großschreibung, die ebenfalls bei der „leserfreundlichen Textpräsentation“ mitspielt, hat das Deutsche hingegen eine spezifische Rolle zugewiesen: Die Kerne von Nominalgruppen werden durch eine Majuskel hervorgehoben. Dieses Prinzip betrifft folgerichtig nicht nur die Wortklasse der Substantive, sondern alle Wortarten, die im Satz als Kern einer NP fungieren30.
(10)
Beim Laufen kommt die Alte immer ins Schwitzen.
Die Interpunktionsregeln des Deutschen gelten als stark grammatikalisiert,
d.h. sie basieren mehr auf syntaktischen als auf prosodisch-intonatorischen
Grundlagen.31 Vor allem bei der Kommasetzung wird dieser Unterschied
greifbar. Wir können hier die Regeln nicht im Detail darstellen, sondern nur
weniges herausgreifen, was in der kontrastiven Perspektive relevant ist32.
Vor und, oder usw. erscheint nur dann (fakultativ) ein Komma, wenn
selbstständige Sätze miteinander verknüpft werden:
28
Mehr dazu bei Feilke (1996).
Vgl. Stammerjohann (1992).
30
Im Italienischen gibt es keine solche Funktion der Majuskel, wohl aber eine Funktionalisierung auf anderer Grundlage; vgl. Dardano (1994: 410) und Hans-Bianchi (2005: 202).
31
Vgl. Stammerjohann (1992: 555f.); auch nach der Rechtschreibreform hat sich daran
nichts Grundlegendes geändert.
32
Die aktuellen Regeln zur deutschen Kommasetzung in ihrer Gesamtheit sind nachzulesen
bei: IDS (2006: §§71-79) und Eisenberg (2007a: 82-89). Simone (1991) stellt die Funktionen
des Kommas im Italienischen und deren Erwerb beim Kind dar.
29
34
(11)
Ich fotografierte die Berge(,) und meine Frau lag in der Sonne.
Nebensätze und meist auch erweiterte Infinitivsätze werden durch ein
Komma bzw. durch Kommas abgegrenzt33:
(12)
a. Als wir nach Hause kamen, war es schon spät.
b. Das Buch, das ich dir mitgebracht habe, liegt auf dem Tisch.
c. Sie sagte, sie komme morgen.
d. Sie öffnete das Fenster, um frische Luft hereinzulassen.
e. Er wurde beim Versuch, den Tresor zu knacken, vom Nachtwächter
überrascht.
Ein immer wieder auftretendes Problem bei Deutschlernern ist die Abgrenzung adverbialer Satzteile im Vorfeld des Satzes durch ein Komma34:
(13)
*Leider, kommt mein Vater erst nächste Woche wieder aus dem Krankenhaus.
Aufgaben und Übungen
A. Übungen zu den Buchstaben
A1. Die Umlaute ü und ö. Überlegen Sie bzw. schlagen Sie im Wörterbuch nach:
Welche Umlaute sind in der Morphologie oder der Wortbildung funktional, welche
sind lexikalisch konstant?
a. Die Körner müssen erst geröstet werden.
b. Ich würde am liebsten Klaviermusik von Mozart hören.
c. Meine beiden jüngsten Söhne erfinden gerne Lügengeschichten.
d. Die beiden Schüler küssen sich heimlich im Park.
e. Sein Interesse an den Schönen Künsten wird von dem neuen Lehrer gefördert.
f. Die Geschichte handelt von einem Königssohn und den zwei Töchtern eines Müllers.
A2. Mit oder ohne <h>? Setzen Sie, wo nötig, ein <h>. Denken Sie auch an die Großschreibung. Lesen Sie laut (und achten Sie dabei auch auf den Glottisverschluss).
a. Das ___oftor ist ___über Nacht ver___eist.
b. Wenn die ___ampel rot ist, muss man an___alten.
c. Wer kann sich noch an diesen ___armlosen aber ___intelligenten Film ___aus
den Fünfzigern ___er___innern?
33
Die Beispielsätze stammen aus IDS (2006).
Es handelt sich um die interpunktorische Abtrennung adverbialer Bestimmungen, die im
Italienischen häufig vorkommt, im Deutschen jedoch nicht vorgesehen ist; vgl. Stammerjohann
(1992: 552).
34
35
d.
e.
Wir können uns nicht lange im ___alten Gast___aus auf___alten. Wir müssen
bald ___eimfahren.
In unserem Kranken___aus gibt es eine ___ausgezeichnete ___abteilung für
___innere Medizin.
A3. Wo steht ein <h>? Hier haben sich etliche Fehler eingeschlichen. Korrigieren Sie,
indem Sie in den unterstrichenen Wörtern ein <h> einfügen, streichen oder verschieben, wo Sie es für nötig halten. Kontrollieren Sie mit dem Wörterbuch und schreiben
Sie das korrigierte Wort noch einmal ganz.
a.
Hast du Lust, mit mir zu verrheisen?
b.
Die Situation vereißt nichts Gutes.
c.
Beheren Sie uns recht bald wieder!
d.
Die Kinder stehen eng beiheinander und erzhälen sich Geschichten.
e.
Mein Vater ist Behamter.
f.
Du solltest den Text noch einmahl umharbeiten.
g.
Ich finde das ehwige Erhumsitzen langweilig.
h.
Er will die Warheit nicht höhren.
i.
Diese Würstchen sind nicht besohnders schmackhaft.
B. Übung zu den Di- und Trigraphen
Segmentieren Sie jedes Wort in seine morphologischen Bestandteile. Markieren Sie
alle komplexen Grapheme st, sp, ch, sch, chs (achten Sie dabei auf die wortinterne
Position). Lesen Sie es nun laut und kontrollieren Sie mit dem Wörterbuch (Angabe
zur Aussprache).
Namenstag, verstopfen, testen, Wachstation, Glastopf, entspannen, bestellen, Fuchsbau, Wespennest, Bundestag, Großstadt, Verspätung, Pestseuche, feststecken, Buchstabenkasten, Arbeitspause, Lachsalve, Busticket.
C. Übungen zur Schreibsilbe
C1. Einfache und abgeleitete Wörter. Kennzeichnen Sie zunächst den Wortstamm35
und dann den Wortakzent. Wo fallen beide zusammen, wo nicht?
a. Heirat - verheiratet - unverheiratet
b. kommen - Einkommen - mitbekommen
c. Scheidung - bescheiden - Bescheidenheit
d. Geschrei - Gebirge - gerne
e. holen - überholt - Erholung
f. versagen - Aussage - unsagbar
g. Heimat - beheimatet - heimatlos
h. vorhersehen - unvorhergesehen
35
Der Begriff „Stamm“ ist hier im weitesten Sinne zu verstehen: gemeint ist die Silbe, die
als lexikalischer Bedeutungsträger fungiert.
36
C2. Nominalkomposita. Kennzeichnen Sie den Wortakzent und vergleichen Sie die
Komposita untereinander: wo liegt der Akzent?36
a. In der Altstadt stehen noch einige Fachwerkhäuser.
b. Das Informationszentrum liegt im Bahnhofsviertel.
c. Den Bewerbungsantrag können Sie bis zum Monatsende hier abgeben.
d. Du bist wirklich ein Spielverderber und ein Störenfried!
e. Um die Jahrhundertwende hat es hier ein schlimmes Hochwasser gegeben.
f. Der Elfmeter war ungültig, weil der Spieler vor der Elfmetermarke stand.
g. Die Innenpolitik der Koalitionsregierung wurde überwiegend positiv bewertet.
C3. Lange Vokal - kurze Vokale. Schreiben Sie die Minimalpaare: einmal Kurzvokal
- einmal Langvokal. In <spitzen Klammern> stehen die Buchstaben ohne orthographische Dehnung oder Dopplung. In (runden Klammern) erscheinen Buchstaben, die
nur bei einem der beiden Wörter vorkommen. Bilden Sie Sätze mit den beiden Wörtern (achten Sie auch auf die Großschreibung).
a. w <i> <s> en
b. l <a> <s> en
c. r <o> <b> e
d. w <a> <t> e(n)
e. g <a> <s> e
f. z <i> <m> e(r)n
g. s <i> <z> en
h. b <e> <t> e(l)n
C4. Langvokale: markiert und unmarkiert. Kennzeichnen sie alle Langvokale37. Welche sind in der Schrift markiert, welche nicht? In welchem Silbentyp (offen - geschlossen) befinden sie sich jeweils?
a. Vor dem Schlafen betet sie immer.
b. Es lohnt sich nicht, auf ihn zu warten, er wird nicht mehr kommen.
c. Ich habe keine Lust, noch länger hier zu stehen, ich friere schon.
d. Dieser Zahn muss gezogen werden!
e. Wir leben nun seit gut zehn Jahren hier und fühlen uns sehr wohl.
f. Möchtest du diesen Roman einmal lesen?
g. Der Weg zum Ruhm ist meist sehr beschwerlich.
h. Diese Waage ist nicht für Personen geeignet.
36
Nominale und andere Komposita sind für den Lerner deshalb problematisch, weil sie als
lexikalische Einheit mit eigener Bedeutung identifiziert werden müssen. Ein Kompositum weist
einen Hauptakzent und eventuell auch einen Nebenakzent auf. Die Konstituenten behalten ihre
Schreibweise im Großen und Ganzen unverändert bei. Allerdings werden häufig Fugenelemente eingebaut und alle Konstituenten außer dem ersten verlieren ihre Anfangsmajuskel. Vgl.
Rausch - Rausch (31993: 169-170).
37
Gemeint sind die Langvokale bei allen Wörtern, auch bei Funktionswörtern, die im Satz
natürlich unbetont bleiben; vgl. Rausch - Rausch (31993: 126). Da Diphtonge immer Langvokale sind, werden sie hier nicht berücksichtigt.
37
i.
j.
Als er kam, war der Saal noch leer.
Wie viel Mehl braucht man für diesen Kuchen?
C5. Das silbentrennende <h>. Bilden Sie möglichst viele zweisilbige Wörter (Verben,
Substantive - teils im Plural, Adjektive). Achtung: nicht überall steht ein <h> an der
Silbengrenze! Arbeiten Sie, wenn nötig, mit dem Wörterbuch und bedenken Sie die
Großschreibung. Schreiben Sie Sätze.
blä
bö
dre
flie
lei
kü
mä
mü
nä
re
reu
ru
sä
se
we
wei
wie
zie
en
e
h
ern
ung
ig
C6. Die verschiedenen Funktionen des Buchstaben <h>. Ordnen Sie den Buchstabensalat: Welche Wörter sind gemeint? Die Großbuchstaben helfen. Bestimmen Sie jeweils die Funktion des <h> im konkreten Fall.
1- glottales Phonem;
2- Dehnungs-h / silbentrennendes h;
3- Teil eines Di- oder Trigraphen.
FUNKTION(EN):
a. Beim Augenarzt kann man einen eehSstt machen.
_______
1 - 2 - 3
b. Wie geht es dir? - Ehrlich gesagt, ziemlich ccehhlst.
________
1 - 2 - 3
c. Bei schönem Wetter hat man von hier oben eine wunderbare Achisstu.
________
1 - 2 - 3
d. Auf diesem Bauernhof wird hauptsächlich chhiKlmu produziert.
________
1 - 2 - 3
e. Am Sonntag heiraten Tom und Inge. Kommst du mit zur ceHhiotz?
________
1 - 2 - 3
38
f.
g.
h.
i.
Darf ich heute Abend mit Ute und Rolf aeeghnsu?
________
1 - 2 - 3
Ich glaube, ich habe zu viel gegessen, ich habe ein wenig aBcehhuw.
________
1 - 2 - 3
Wer meinen entlaufenen Hund wieder findet, bekommt 50 € Beghlnnou.
_________
1 - 2 - 3
Wie spät ist es? - Hörst du es nicht? Die hmrrTuu schlägt gerade 12.
_______
1 - 2 - 3
C7. Die unbetonten Endsilben. Bilden Sie mindestens 20 Wörter aus den folgenden
Wortteilen (inklusive flektierte Formen). Sprechen Sie die Wörter deutlich und benutzen Sie sie in einem Satzzusammenhang.
Beispiel: ge-steh-en: Der Täter wird das Verbrechen bald gestehen!
1. Teil
geabgläubvervorentbezuaus-
2. Teil
-wick-wand-sag-steh-zwink-bess-länd-zweif-ig-
3. Teil
-e
-er
-en
-ern
-eln
C8. Sonderfall <s> - <ss> - <ß>. Setzen Sie die passende s-Variante an die Stelle der
angegebenen Lautung: stimmlos [s] - stimmhaft [z]. Der Satzzusammenhang weist
auf die Bedeutung hin. Beachten Sie die Vokallänge (Sie können sich mit dem Wörterbuch helfen).
a. Dieses Kleid ist völlig verschli[s]en, das kannst du nicht mehr tragen.
b. Ich darf nicht verge[s]en, vorm Schlafengehen die Tür zu verschlie[s]en.
c. Wei[s]t du, wohin die nächste Gruppenrei[z]e geht?
d. Man sollte das Unkraut mit der Wurzel ausrei[s]en.
e. Er hat immer eine Menge wei[z]e Ratschläge für mich übrig!
f. Ihr mü[s]t ihn unbedingt von mir grü[s]en!
g. Die Sparka[s]e ist gleich hier links neben dem Schlo[s].
h. Wann fährt der nächste Bu[s] zum Me[s]ezentrum?
i. Am Flu[s] liegen eine Menge Kie[z]el herum.
j. Hast du den breiten Ri[s] in der Wand gesehen? Der ist sicher gefährlich.
k. Ein neuer Mercedes? Ihr lebt aber auf gro[s]em Fu[s]!
l. In der Finsterni[s] kann man die Stra[s]e gar nicht erkennen.
m. Der Schrank hat leider nicht die richtigen Ma[s]e für mein Zimmer. Er ist einfach zu breit!
n. Als das Kind weinte, nahm die Mutter es auf den Scho[s].
39
D. Übungen zu den Morphemen
D1. Doppelkonsonanten. Einfach oder doppelt? Füllen Sie die Lücken aus. Suchen
Sie ein Wort der gleichen Familie.
a. Der bli_[n]_de Hu_[n]_d ra_[n]_te plötzlich los und kna_[l]_te gegen die
Wa_[n]_d.
b. Es geht uns um die Vermi_[t]_lung neuer Erke_[n]_tnisse.
c. Hier du_[f]_tet es nach La_[m]_braten.
d. Geben Sie mir die vo_[l]_ständige Li_[s]_te der Ma_[n]_schaftsmi_[t]_glieder.
e. Der Arzt verba_[n]_d die Wu_[n]_de, so schne_[l] er ko_[n]_te.
f. Seitdem unserem Kollegen gekü_[n]_digt wurde, vermi_[s]_t Peter ihn sehr.
g. Sie hatte die Ho_[f]_nung, dass dieser si_[n]_lose We_[t]_streit ba_[l]_d zu Ende
sein würde.
D2. Auslautverhärtung. Wählen Sie den richtigen Buchstaben. Schreiben Sie ein
anderes Wort der gleichen Familie, bei dem der Verschlusslaut als Anlaut der zweiten
Silbe hörbar wird.
d/t
run_
v/f
bra_
g/k
Zwer_
bun_
Scha_
klu_
gesun_
akti_
Lo_
Mun_
Beru_
Wer_
b/p
lie__t
zir__t
ge__t
hu__t
d/t
Gestal_
bal_
mil_
Schil_
D3. Umlaut <ä / äu>. Von welchem Grundwort mit <a> bzw. <au> sind die nachfolgenden Wörter abgeleitet? Suchen Sie noch weitere Ableitungen.
Verkäufer, Siebenschläfer, Häuschen, Pächter, Gärtner, täglich, Kälber, Wälder,
Händler, Hähnchen, länger, Lämmer, Häschen, erträglich.
D4. <e / eu> vs. <ä / äu>. Schreiben Sie die Reime. Suchen Sie selbst noch weitere
Reime.
a. Gib mir die Zeitung, aber die heutige! Hast du das kleine Kind gesehen, das
hellh__________?
b. Bring mir doch mal eine Kerze! Meine Hände sind voll Druckerschw_________.
c. Hier sind so viele Leute! Was bedeutet das ganze Gel___________?
d. Er spricht wie ein Romanheld! Ich weiß nicht, wie er das alles im Gedächtnis
beh___________!
e. Ich wäre gern ein Kelte. Doch ertrage ich keine K___________.
40
E. Übungen zum Wort
E1. Das Wort als graphische Einheit. Untergliedern Sie die Sätze des folgenden Textes in (graphische) Wörter und schreiben Sie sie, wo nötig, groß. Unterstreichen Sie
bei mehrsilbigen Wörtern die betonte Silbe und lesen Sie den Text dann laut.38
Gesternwareinschlechtertagfürmich.
Zuerstbinicheinehalbestundezuspätaufgestanden. Deshalbwarmeinbusschonabgefahren, undichhabedasfahrradgenommen. Dasdauertenatürlichlänger, undsokamicheinestundezuspätinsbüro. Meinchefwardarübernichtglücklich, dennichwarnichtzumtreffenmitdenkollegengekommen. Nacheinerkurzenzeithabeichdannplötzlichhalsschmerzenbekommen. Beiderfahrtmitdemfahrradhatteichmicherkältet, aberdashabeichdemchefnichtgesagtundhabeeinfachweitergearbeitet. Nachmittagsbinichdannwiedermitdemfahrradnachhausegefahren, unddawaresschonrichtigkalt. Ichhabemichdannsofortinsbettgelegtundbineingeschlafen.
E2. Das Wort in seiner Individualität. Identifizieren Sie das Wort nach seinem Klang
(Sinnzusammenhang!) und schreiben Sie es orthographisch korrekt.
a.
In ein [laby’rǺnt] kommt man leicht hinein, aber schwer wieder hinaus.
b.
Ich esse gerne Gemüse, besonders [’brǤkǤli].
c.
d.
Kannst du mir das Programm [’daȚnloȚdən]?
Die Arznei bekommt man nur in der [apo’te:kə].
e.
Gibst du mir bitte deine [’imǫǺl-a’drǫsƽ]?
f.
Der [ty:p] hat vielleicht einen komischen [lȚk].
g.
Ich glaube, dieser [psy’çja:tǠ] hat selbst einen [knaks]!
h.
Ich liebe [’jogȚǠt] mit [va’nǺlƽ]geschmack.
i.
Am schönsten sind diese alten Töpfe aus [e’maǺl].
j.
[ȢuǠna’lǺstən] sollten hinter die [kulǺsƽn] schauen.
F. Übungen zum Satz
F1. Wort und Satz. Untergliedern Sie den folgenden Text in Sätze und (graphische)
Wörter und schreiben Sie, wo nötig, groß. Unterstreichen Sie alle Substantivierungen
(durch Konversion).
Ichweißnichtmehrwarumundwozuichlebemiristderglaubeandensinnmeinesdaseinsabhandengekommendasgingübervielestufenabwärtseineenttäuschungmiteinemmädchendiebeobachtungderleereundverlogenheitimlebenmeinerreligiösenelternunddergesellschaftringsumderleistungszwanginderschulederselbstmordmeinesfreundesdasschei38
Die Wortakzente spielen im fließend gesprochenen oder gelesenen Text nicht immer dieselbe Rolle, je nach der Satzbetonung kann die betonte Silbe, v.a. bei Funktionswörtern wie
Artikeln usw., abgeschwächt sein.
41
ternderpolitischenlinkendasversagenderkirchenworankönntemansichhaltendaistnichts39
F2. Kommasetzung. Welche Kommas sind korrekt? Welche nicht? Wo fehlt ein
Komma? Korrigieren Sie.
Die Geschichte, die ich Ihnen erzählen will hat eigentlich gar keinen Inhalt, vielleicht,
ist es gar keine Geschichte, aber ich muss sie Ihnen erzählen. Vor zehn Jahren, spielte
sich eine Art Vorgeschichte ab, und vor wenigen Tagen rundete sich das Bild… Denn,
vor wenigen Tagen fuhren wir über jene Brücke die einst stark und breit war, eisern
wie die Brust Bismarcks auf zahlreichen Denkmälern, unerschütterlich wie die
Dienstvorschriften; es war eine breite, viergleisige Brücke über den Rhein und auf
viele schwere Strompfeiler gestützt und damals, fuhr ich dreimal wöchentlich mit
demselben Zug darüber: montags mittwochs und samstags.40
Literatur
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http://www.personal.uni-jena.de/~x1gape/Ortho/V_Eszett_Skript.pdf
(abgerufen
am 06.06.2008).
39
40
Textausschnitt aus: Vom Sinn des Lebens von Luise Rinser.
Es handelt sich um den Anfang des Textes Über die Brücke von Heinrich Böll.
42
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48-65.
43
WIE WERDEN NEUE SUBSTANTIVE, ADJEKTIVE UND VERBEN GEBILDET? MORPHOLOGISCHE, SYNTAKTISCHE UND
SEMANTISCHE ASPEKTE DER PRODUKTIVEN
WORTBILDUNGSVERFAHREN
Katharina Gemperle
1. Vorbemerkungen
Innerhalb der Morphologie können wir die zwei Hauptbereiche Flexion
und Wortbildung (WB) unterscheiden1. Die Deklination und die Konjugation
stellen den morphologischen Prozess der Ausbildung syntaktischer Wörter
dar. Bei der WB hingegen entstehen aus vorhandenem Wortmaterial neue
Lexeme. Nach Erben (2006: 63) wird „Wortbildung [...] verstanden als geregelter Aufbau lexikalischer Einheiten aus einem oder mehreren Vertretern der
Klasse Morphem. Geregelt nennen wir den Aufbau deshalb, weil er von morphologischen, syntaktischen und semantischen Einschränkungsregeln sowie
von mehr oder weniger reihenhaft produktiven Baumustern bestimmt wird.“
Der Begriff Wortbildung kann sowohl den Prozess als auch das Produkt der
Wortbildung bezeichnen.
Der Wortschatz einer Sprache wird dauernd erneuert. Im Deutschen geht
der weitaus größte Teil der Neologismen auf WB zurück2. Spontane Neubildungen können durch regelmäßigen Gebrauch allmählich in den usuellen
Wortschatz gelangen. Lässt sich ein Wort aus seinen Bestandteilen erschließen, spricht man von motivierter WB. Die Bedeutung zahlreicher durch WB
entstandener Wörter ist jedoch synchron betrachtet nicht (mehr) transparent;
1
Vgl. u.a. Linke et al. (2004: 61-78), Blasco Ferrer (1999: 190f.).
Das Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache (1961-1977) (zitiert nach Barz 2005:
646) gibt folgende Verteilung innerhalb der Neologismen an: 83% WB, 12% Umdeutung, 5%
Entlehnungen.
2
44
in diesen Fällen sprechen wir von demotivierten Wortbildungen3. Oft ist die
Geschichte eines durch WB entstandenen Begriffes sehr komplex (z.B. Entlehnungen aus Fremdsprachen). In diesem Studienbuch betrachten wir die
WB-Arten und -Produkte synchron.
2. Konstituenten und Grundverfahren der Wortbildung
Durch WB entstandene Wörter unterscheiden sich von primären Wörtern,
von syntaktischen Fügungen, von Entlehnungen sowie von Kunstwörtern.
Insgesamt umfasst die deutsche Sprache zwischen 300‘000 bis 500‘000 Wörter und Phraseologismen 4.
Die produktivsten Verfahren der WB im Deutschen sind die Komposition,
die Derivation und die Konversion. Hauptkriterien zur Unterscheidung der
WB-Arten stellen einerseits die Anzahl der wortfähigen unmittelbaren Konstituenten (UK)5 dar, andererseits die Wortart der Basis sowie des WBProduktes. Wörter, die auf dieselbe Basis zurückgeführt werden können, gehören unabhängig von der WB-Art zur selben Wortfamilie, z.B. lesen > S: der
Lese-saal6 (Komposition), die Vor-les-ung (Derivation), das Lesen (Konversion); A: leser-lich; V: vor-lesen etc.
Bei der Komposition werden nach einer Art „Baukastensystem“ aus (mindestens) zwei UK (Lese-saal), bei der Derivation aus mindestens einer UK
(Les-er) neue Wörter gebildet. Bei der Konversion hingegen steht der Wortartenwechsel im Vordergrund; hier handelt es sich stets um Transposition: das
Lesen (S)7 < lesen (V). Eine untergeordnete Rolle spielen weitere WB-Arten
wie die Kurzwortbildung (VW < Volkswagen), die Kontamination (Ostalgie
< Osten + Nostalgie) oder die oft onomatopoetische reduplizierende WB
(Blabla, wauwau). Die verschiedenen Verfahren treten oft kombiniert auf,
z.B. Komposition und Derivation. Um den WB-Prozess zu erschließen, muss
die Reihenfolge analysiert werden: bei Schau-spiel-er handelt es sich um eine
3
Das Urteil, ob es sich um motivierte oder demotivierte WB handelt, hängt vom Sprachvermögen und Sprachwissen eines Sprechers ab. Ein Wort wie Gefährt wird noch heute von
den meisten Sprechern auf das Verb fahren zurückgeführt, während bei der analogen WB
Gerät der Zusammenhang mit raten nicht mehr transparent ist (vgl. Barz 2005: 644).
4
Vgl. Barz (2005: 646).
5
Vgl. Barz (2005: 668). Die UK tritt oft nur in erweiterten Wortformen auf: z.B. les-: lesen, Les-er etc.
6
Um die einzelnen Konstituenten für die Wortbildung hervorzuheben, wird in diesem Beitrag der Bindestrich benutzt. Diese Schreibweise entspricht jedoch nicht den geltenden Orthographieregeln.
7
Nachstehend werden folgende Abkürzungen verwendet: S: Substantiv, A: Adjektiv, V:
Verb, Adv.: Adverb.
45
substantivische Derivation mit Suffix -er aus dem Kompositum Schau-spiel.
Im Deutschen herrscht besonders bei der Bildung neuer Substantive eine
viel stärkere Tendenz zur Komposition als zur Derivation8, während im Italienischen – wie in den romanischen Sprachen überhaupt – die Derivation für
alle Wortarten die produktivste WB-Art darstellt. Im Folgenden werden die
wichtigsten Merkmale der produktivsten WB-Prozesse kurz vorgestellt.
2.1. Komposition: Zusammensetzung aus zwei wortfähigen Konstituenten
Komposita bestehen aus zwei oder mehr eigenständigen Wörtern, lassen
sich aber grundsätzlich auf zwei wortfähige Hauptkomponenten zurückführen.
Diese können ihrerseits durch Komposition, Derivation oder weitere WBArten entstanden sein (Winter-[schluss-verkauf]). Durch Komposition entstehen neue Wörter aller flektierbaren Wortarten. Auch als Basis kommen wortfähige Konstituenten aller Wortarten in Frage: Glück-s-pilz (S < S+S), himmel-blau (A < S+A), staub-saugen (V < S+V), vor-gestern (Adv. <
Präp.+Adv.) etc.
Um die Zusammensetzung eines Wortes für den Leser verständlicher zu
machen, kann zwischen die beiden (Haupt)Elemente ein Bindestrich in die
Kompositionsfuge eingefügt werden. Handelt es sich bei einem der Elemente
(meist dem ersten) um ein Kurzwort, ist der Bindestrich obligatorisch: ICEZuschlag (< Intercity Express).
In anderen Fällen wird die Schnittstelle dadurch deutlich, dass in die
Kompositionsfuge zwischen den beiden Hauptkonstituenten ein sog. Fugenelement oder Fugenmorphem eingefügt ist (s. Glück-s-pilz). Ihr Vorkommen
hängt vor allem von phonetischen Merkmalen ab. Die primär prosodische und
artikulatorische Funktion besteht darin, das Kompositum einerseits transparenter zu machen, andererseits die Aussprache zu erleichtern9. Fugenelemente
werden vom Erstglied bestimmt. Sie kommen besonders häufig nach Substantiven vor, sowohl zur Bildung neuer Substantive (S < S + S: Kind-er-garten
als auch neuer Adjektive (A < S + A: arbeit-s-frei). Das Fugenelement -o
kommt nur bei Konfixen10 wie Etn-o-logie vor.
8
Vgl. Barz (2005: 688).
Vgl. Taino (2005: 103-104).
10
Konfixe werden in der neueren Literatur zur WB als besondere Gruppe von Wortbausteinen unterschieden. Dabei handelt es sich um fremdsprachige Grundmorpheme wie bio, phil,
video etc., die (im Deutschen) nur gebunden vorkommen. Im Unterschied zu anderen Affixen
tritt eine Untergruppe sowohl als Präfix (Phil-o-sophie) als auch als Suffix (bibli-o-phil) auf.
Einige Konfixe können auch als Bestandteile von Komposita verwendet werden. Sie lassen sich
9
46
In semantisch-syntaktischer Hinsicht unterscheiden wir Kopulativkomposita von Determinativkomposita. Bei den selten vorkommenden Kopulativkomposita besteht keine Hierarchie zwischen den beiden Konstituenten: ein Radio-wecker (radio-sveglia) ist zugleich Radio und Wecker. Auf der anderen
Seite zeichnet sich die umfangreiche Gruppe der Determinativkomposita
durch das hierarchische Verhältnis zwischen den beiden Konstituenten aus:
Im Deutschen stellt das rechts stehende Element semantisch und grammatikalisch das Grundwort (auch: Kopf oder Determinatum) dar; die linksstehende
Konstituente wird Bestimmungswort oder Determinans genannt, weil diese
die Bedeutung der rechtsstehenden Basis einschränkt: ein Personen-sucher ist
ein Gerät, mit dem man Personen sucht. Zwar steht im Italienischen das
Grundwort vorwiegend links: cerca-persone, doch sind daneben auch Determinativkomposita mit rechtsstehender Basis gebräuchlich, z.B. bei WB aus
dem Griechischen: cosmo-nauta dt. Kosmo-naut/ Raum-fahrer. Das komplexe
semantische Verhältnis zwischen Bestimmungswort und Grundwort sehen wir
uns unter 3.1. genauer an.
2.2. Derivation: Ableitung durch Affigierung
Bei der Derivation entstehen neue Wörter durch Affigierung einer wortfähigen Basis. Je nach Stellung sprechen wir von Präfixen (links von der Basis:
wieder-sehen/ ri-vedere), Suffixen (rechts: Schön-heit/ bell-ezza) oder Zirkumfixen (umfassen die Basis: Ge-red-e)11. Mit der Derivation tritt oft ein Umlaut
auf: Haus > Häus-chen, blau > bläu-lich, lachen > läch-eln.
Suffixe legen die Wortart des Stammes fest, bei Substantiven auch deren
Genus und Deklinationstyp. In der Übersicht ‚Native und fremdsprachige
Affixe’ (s. unten) sind deshalb die substantivischen Suffixe nach ihrem Genus
geordnet12. Außerdem wird (in Klammern) die Pluralform angegeben.
Charakteristisch ist die Affinität bestimmter Affixe zu bestimmten Wortarten der Basis. So ist heute etwa das Suffix -ung äußerst produktiv in der Bildung neuer deverbaler (d.h. aus Verben gebildeter) Substantive.
Bezüglich ihrer etymologischen Herkunft unterscheiden wir native oder
heimische von fremdsprachigen Präfixen und Suffixen. Viele Affixe, die an
der WB im Deutschen beteiligt sind, stammen aus Fremdsprachen, vorwiezum Teil mit nativen wie mit fremdsprachigen Konstituenten kombinieren (Bio-Bauer, BioProdukte). Vgl. u.a. Donalies (2007: 12-14, 52, 57) und Barz (2005: 664-667).
11
Schließlich zählen auch Infixe, die innerhalb der Basis eingefügt werden, zu den Affixen,
doch kommen sie im Deutschen nicht vor, außer wir betrachten das Affix ge- des Partizips II
von trennbaren Verben als Infix: an-ge-kommen.
12
In seltenen Fällen kommen (v.a. für fremdsprachige Suffixe) zwei Genera in Frage, was
meist etymologisch bedingt ist: z.B. -ier: der Pionier, aber das Papier.
47
gend aus dem Lateinischen oder aus romanischen Sprachen, insbesondere aus
dem Französischen, aber auch aus dem Griechischen und vermehrt aus dem
Englischen. Diese Internationalismen kommen meist auch im Italienischen
und anderen romanischen Sprachen sowie im Englischen vor (Universität università - university etc.)13.
Die nativen Affixe sind aus Wörtern mit lexikalischer Bedeutung herausgewachsen. Dadurch, dass sie für analoge WB als Kompositionselement verwendet wurden, verblasste im Laufe der Sprachentwicklung ihre eigenständige Bedeutung; aus dem wortfähigen Lexem wurde ein reihenbildendes Affix14.
2.3. Konversion: WB in der Funktion der Transposition
Bei der Konversion steht die Transposition eines Wortes in eine andere
Wortart im Vordergrund. Dabei kann das Ausgangswort ohne Abwandlung
transponiert werden, weshalb die Konversion manchmal auch als affixlose
Ableitung eingeordnet wird15.
Um reine Transposition handelt es sich bei der sehr produktiven Substantivierung von Verben: lesen > das Lesen (immer Neutrum)/ beim Lesen (leggendo). Adjektive werden ohne Abwandlung entweder in unflektierter Form
substantiviert: rot > das Rot oder sie behalten wie die substantivierten Partizipien die Flexionsendung bei, die weiterhin der Adjektivdeklination folgt. Semantisch handelt es sich dabei entweder um a) Personenbezeichnung: m./ f.
der/die/eine/- Reich-e, aber: ein Reich-er; der/die/eine/- Angestellt-e, aber: ein
Angestellt-er; der/die/eine/- Deutsch-e, aber: ein Deutsch-er oder um b) Adjektivabstrakta: Neutrum: das Nützlich-e16. Auch andere Wortarten werden
affixlos in Substantive transponiert, z.B. Adverbien: das Gestern oder Pronomen: das Ich.
13
Hier lauern die falschen Freunde (sprachliche Interferenzen), weil die analog gebildeten
Wörter in den verschiedenen Sprachen oft andere (Teil-)Bedeutung angenommen haben; Bsp.
it. dirigente (di un’azienda, → dt. leitender Angestellter, Abteilungsleiter) ≠ dt. Dirigent (des
Orchesters) → it. direttore d’orchestra. (s. Beitrag von Twittmann in diesem Band.)
14
Beispielsweise ist das Suffix -schaft etymologisch mit dem Verb „schaffen“ verwandt
und bedeutete in einer früheren Sprachstufe ‚Zustand’, ‚Beschaffenheit’; ‚Verhalten’. Dieses
Suffix geht auf zwei ehemals selbstständige Substantive zurück: 1) Althochdeutsch scaf ‚Gestalt’, ‚Beschaffenheit’ und 2) Mittelhochdeutsch schaft ‚Geschöpf’, ‚Gestalt’. Beide traten
schon in germanischen Sprachstufen in Zusammensetzungen auf und wurden wie Suffixe gebraucht (vgl. Herkunftswörterbuch, Duden 7, 2001: 704).
15
Manche Theorien zählen die Konversion ohne Abwandlung nicht zur WB. Beispielsweise Altmann - Kemmerling (2000: 39, 54, 127, 151) ordnen sie als „grammatische Transposition“ den rein syntaktischen Prozessen zu.
16
N.B.: etwas Schönes – una cosa bella.
48
In anderen Fällen liegt Konversion durch innere Abwandlung des Grundvokals vor: bei den nominalen Basen Substantiv und Adjektiv vermehrt durch
Umlaut17, Bsp. falsch > fälschen, bei (starken) Verben vorwiegend durch Ablaut, Bsp. fliegen > Flug18, messen > Maß. Auch aus (schwachen) Verben
können durch Weglassen der Infinitivendung Substantive entstehen: spielen >
das Spiel, kaufen > der Kauf. Oft verbindet sich der Umlaut der inneren Abwandlung mit einem Präfix (sprechen > Ge-spräch) oder mit einem Suffix
(Haus > Häus-chen, blau > bläu-lich).
2.4. Kurzwortbildung
Kurzwörter werden vor allem aus Substantiven und aus syntaktischen Fügungen gebildet. Sie sind von den Schreibabkürzungen wie Dr. oder d.h. zu
unterscheiden, die im vollen Wortlaut gelesen werden: <Doktor> bzw. <das
heißt>. Kurzwörter unterscheiden sich nach den Segmenten, die sie von der
Vollform übernehmen:
a)
unisegmentale Kurzwörter aus der Kopfsilbe: Uni < Universität, Limo
< Limonade oder aus der Schlusssilbe: Bus < Omnibus
b)
multisegmentale Kurzwörter: 1. Buchstabenwörter/ Initialwörter: ZDF
< Zweites Deutsches Fernsehen; 2. Silbenkurzwörter: Adidas < Adi
(Spitzname für Adolf) Dassler (Nachname des Firmengründers); 3.
Mischkurzwörter: Azubi < Auszubildender (apprendista).
Im Unterschied zum Italienischen, das zur lautlichen Verbindung der einzelnen Bestandteile der Kurzwörter tendiert, werden diese im Deutschen
überwiegend phonetisch ungebunden ausgesprochen: USA → it. ['usa] vs. dt.
['u:?εs'?a:]19.
Substantivische Kurzwörter behalten ihr Genus bei. Im Vergleich zu den
entsprechenden Vollformen sind sie sprachökonomischer: Sie sind einfacher
zu schreiben, auszusprechen und einzuprägen und lassen sich einfacher als die
Vollform für Verbindungen zu neuen komplexen Wörtern verwenden, z.B. die
BSE-Krise (< bovine spongiform encephalopathy).
Anschließend an diese kurze Übersicht über die wichtigsten WB-Prozesse
und die beteiligten Konstituenten sehen wir uns im Folgenden die produktivsten Verfahren an, die zur Bildung neuer S, A und V dienen.
17
Der Umlaut geht etymologisch auf die substantivische Pluralbildung zurück.
Bei einigen Substantiven, die aus der Konversion von Verben hervorgingen, entspricht
der Ablaut nicht mehr dem heutigen Paradigma, wie z.B. der Flug vs. Präteritum flog.
19
Nur in Ausnahmefällen sind sowohl gebundene als auch ungebundene Aussprache möglich: FAZ: [fats] neben ['εf?a:?'tsεt].
18
49
Substantive machen innerhalb des Wortschatzes und folglich auch als
Zielwortart der Neubildungen den größten Anteil aus. Bei der substantivischen WB sind alle WB-Arten produktiv, doch die Komposition hat hier im
Vergleich zu den anderen Zielwortarten die zahlreichsten und differenziertesten Modelle entwickelt. Auch die Suffigierung nimmt im Deutschen vorwiegend bei der substantivischen WB eine bedeutende Stellung ein, während die
Präfigierung typisch ist für die verbale WB. Bei der WB von Adjektiven
schließlich treten eine erstaunliche Menge von Konstituenten auf, die sich in
einem Übergangsstadium vom Kompositionselement zum Affix befinden.
Anhand dieser sog. Affixoide lässt sich die diachrone Entwicklung von einem
selbstständigen Lexem zu einem reihenbildenden Affix beobachten.
3. Substantivische Wortbildung
Wie wir gesehen haben, bestimmt der im Deutschen rechts stehende
grammatikalische Kopf – d.h. bei der Komposition das Grundwort, bei der
Suffigierung das Suffix – das Genus, die Deklinationsklasse und die Pluralbildung des WB-Produkts. Nur dieser Kopf wird dekliniert20. Als Basis kommen sowohl für die Komposition als auch für die Derivation grundsätzlich
alle flektierbaren Wortarten (S, A, V) in Frage, seltener auch Präpositionen,
Adverbien, Partikeln oder syntaktische Fügungen.
3.1. Substantivische Komposition
Da Kopulativkomposita nur einen sehr geringen Teil der Komposita ausmachen, gehen wir hier nur auf die äußerst differenzierte Semantik der Determinativkomposita ein. Während im Italienischen die Relation zwischen
zwei Begriffen explizit aufgelöst werden muss, bleiben diese Grundrelationen
im Deutschen implizit21: z.B. kann ein Holz-haus ein Haus aus Holz (casa
fatta di legno) oder aber ein Haus zur Aufbewahrung von Holz (casetta per il
legno) bezeichnen. Bei einem usuellen Kompositum ist die Bedeutung konventionalisiert, bei okkasionellen WB liegt die Interpretation der Neubildung
20
Auch adjektivische Attribute beziehen sich morphologisch und semantisch auf diese Basis: ein sonniger Herbst-tag → ein sonniger Tag im Herbst. Manchmal werden Attribute –
absichtlich oder unabsichtlich – falsch verwendet, z.B. so müsste z.B. grüner Minzegeschmack
wörtlich als *grüner Geschmack von Minze interpretiert werden (*‚profumo verde della menta’), aber aufgrund unseres Weltwissens können wir erschließen, dass der Geschmack von
grüner Minze gemeint ist.
21
Vgl. Hepp (2005: 99).
50
hingegen beim Rezipienten22. Zur Interpretation komplexer semantischer Relationen zwischen den beiden Hauptkonstituenten eines Kompositums ziehen
auch Muttersprachler bekannte sprachliche Muster und ihr Weltwissen heran.
Hier kann nur kurz auf einige Grundmuster hingedeutet werden.
Bei den meisten Determinativkomposita handelt es sich um endozentrische
WB23, d.h. der semantische Kern liegt innerhalb des Kompositums. Häufig
schränkt das Erstglied das Zweitglied bezüglich der semantischen Grundrelationen Raum, Zeit, Grund etc. ein24:
• lokal → wo?
• temporal → wann?
• kausal→ warum?
• final → wozu?
• instrumental → womit?
• konditional → warum?/
aus welchem Grund?
• konstitutional/
substantiell → woraus?
• modal → wie?
• possessiv → wessen?
Bauch-schmerzen: Schmerzen im Bauch (mal di
stomaco, dolore allo stomaco)
Sommer-urlaub = Urlaub während des Sommers
(vacanze estive → vacanza durante l‘estate)
Freuden-tränen = Tränen vor Freude (lacrime di
gioia → per la gioia)
Unfall-versicherung = Versicherung gegen Unfall
(assicurazione contro gli infortuni)
Ball-spiel = Spiel mit dem Ball (gioco con la palla)
Tagungs-akten = Akten anlässlich der Tagung (atti del
convegno → in occasione del convegno)
Leder-schuh = Schuh aus Leder (scarpa di cuoio)
Steh-party = Pary im Stehen (un party all’impiedi)
Königs-palast = der Palast des Königs (il palazzo
reale/ del re)
Eine bedeutende Stellung nehmen die Rektionskomposita ein, die eine syntaktische Beziehung zwischen den beiden Konstituenten ausdrücken. Dabei
handelt es sich um Determinativkomposita mit deverbalem Zweitelement, die
sich valenzgrammatisch auflösen lassen, wobei das Bestimmungswort die
Leerstelle des Verbs besetzt: z.B. Tennis-spieler → jemand, der Tennis spielt.
Auch die Agens- beziehungsweise die Patiensrolle wird übernommen: a) aktiv: Radio-hörer = jemand, der Radio hört, b) passiv: Haus-durchsuchung =
das Haus wird durchsucht.
Exozentrische Determinativkomposita, auch Possessivkomposita genannt,
zeichnen sich hingegen durch ihren außersprachlichen Bezug aus. Sie benennen ein Lebewesen nach einer typischen Eigenschaft und können als „pars pro
toto“ gedeutet werden: z.B. bezeichnet Löwen-mäulchen (bocca di leone)
22
Mit der Vagheit bzw. Mehrdeutigkeit von Komposita wird in Bereichen wie Literatur,
Werbung, Jugendsprache oder auch in Witzen bewusst gespielt.
23
Vgl. Di Meola (22007: 73).
24
Vgl. u.a. Barz (2005: 727-730) und Lohde (2006: 66ff., 75).
51
nicht wörtlich das „Mäulchen eines Löwen“, sondern eine Pflanze, deren Blüte so aussieht25.
3.2. Substantivische Derivation
Die einzelnen Affixe verbinden sich systematisch mit bestimmten Basen,
z.B. V + -er: Mensch oder Sache, der/die etwas tut, lesen > Les-er, kopieren
> Kopier-er. Deshalb ist in der folgenden Liste die üblicherweise als Basis
verwendete Wortart vermerkt (vgl. auch Übersicht: Native und fremdsprachige Affixe).
3.2.1. Transponierung
Einige Suffixe haben die Funktion, aus Substantiven oder aus einer anderen Wortart ein neues Substantiv mit folgenden Bedeutungen zu bilden26:
a) Geschehens- und Zustandsbezeichnung
Basis: Verb → Verlauf oder Resultat eines Geschehens, Geschehen als Einzelakt oder als Kontinuum
V
V
V
+ -, -[e]r
+ -nis
+ -ung
der Traum, der Fehl-er
das Verhält-nis27
die Prüf-ung
→ iteratives, unerwünschtes Geschehen:
Ge-
V
V
[+ -e]
+ -[er]ei
das Ge-schrei, das Ge-red-e
die Lauf-erei
Basis: Adjektiv bzw. Part. I oder II → Adjektivabstrakta
A
A
A
A
A
++ -e
+ -heit/[ig]keit
+ -nis
+ -schaft
das Blau
die Reif-e
die Sicher-heit/ Sparsam-keit/ Traurig-keit
die Finster-nis
die Bekannt-schaft
Basis: Substantiv → Sustantivabstrakta
S
S
S
+ -schaft
+ -[er]ei
+ -tum
die Freund-schaft
die Kind-erei
das Brauch-tum
25
Dieses Muster kommt oft bei Zusammensetzungen aus A + S (Dickkopf/testa dura) oder
S + S Holzkopf/testa di legno) vor, vgl. u.a. Lohde (2006: 37f., 82f.).
26
Nach Barz (2005: 734-741), vgl. u.a. auch Altmann - Kemmerling (2000: 125-126), Lohde (2006: 116, 143), Marx (1994: 82ff.).
27
Dabei kann auch die Basis modifiziert werden: hier mit Umlaut → verhalten - verhält.
52
b) Personenbezeichnungen
A/ Part. I/II + S/ V + -(l)er
Adj./ Part./ S + -i/ -o28
der Deutsche, der Angestellte
der Lehr-er, der Künst-ler
der Normal-o, der Gruft-i
c) Gegenstandsbezeichnungen
[Ge-] V
V
V
V
V
+ -sel
+ -ung
+ -e
+ -er
+ -nis
das Ge-schreib-sel (lo scarabocchio),
das Rät-sel
die Wohn-ung
die Hup-e
der Aufkleb-er (l‘adesivo)
das Zeug-nis
d) Ortsbezeichnungen
S/ V
V
+ -[er]ei
+ -e
die Ziegel-ei, die Druck-erei
die Bleib-e (posto dove stare, alloggio)
e) Instrumentenbezeichnungen
V
+ -er
der Toast-er
syntaktische Fügung + -er: der Scheibenwisch-er (< die Scheibe
V
V
+ -e
+ -el
wischen)
die Brems-e
der Heb-el
3.2.2. Modifikation
Der reichen Auswahl an Suffixen steht bei der substantivischen Derivation
eine relativ geringe Zahl von Präfixen gegenüber, die teils nicht mehr produktiv (Miss-) oder sehr selten sind (Ur-).
a) Diminuierung29
S + -chen, -lein30:
S + -i
lexikalische Wörter
das Blüm-chen, das Büch-lein
Mutt-i, Vat-i
Klein-(wagen); Kleinst-(wohnung), Liliput-
28
Häufig bei okkassionellen Neubildungen und in der Jugendsprache.
Besonders zur Diminuierung sowie zur Augmentation verfügt das Italienische über eine
reiche Auswahl an Suffixen, die neben der reinen Modifikation weitere Nuancen zum Ausdruck
bringen, wofür man im Deutschen z.B. auf Adjektive wie „klein“ zurückgreift: -ino/ -(i)cino/
-olino, -etto (pensierino: kleine Aufmerksamkeit), -ello/-(i)cello/-erello (alberello: kleines
Bäumchen), -uccio/-uzzo (viuzza/o: schmaler Weg; z.T. auch negativ), -(u)olo; -otto, - acchiotto, -iciattolo (fiumiciattolo: kleines/mickriges Bächlein); vgl. Dardano et al. (1989: 472f).
30
Bei Diminutivformen mit -chen oder -lein wird der Stammvolkal häufig umgelautet.
29
53
als Erstglied31:
(format), Mini-(golf), Zwerg-(staat) etc.
b) Augmentation
Erz-:
lexikalische Wörter
als Erstglied:
Erz-schurke
Jahrhundert-(sommer), Mammut(veranstaltung), Mega-(hit), Monster-(party), Rekord-(verlust) etc.
c) Negation
Un-:
Miss-:
das Un-glück (vgl. it. in-, dis-, s-)
der Miss-erfolg
d) Taxierung
→ „falsch, schlecht“: Miss- das Miss-verständnis
Under Un-mensch, das Un-wort
Fehldie Fehl-anzeige
→ „ursprünglich, schon immer“: Ur- der Ur-heber, der Ur-einwohner
→ „wichtig“ Haupt-:
der Haupt-grund
e) Movierung
→ „weiblich“: -in
f) Kollektivbezeichnung
-schaft
-heit
Ge-…[-e]
die Student-in (vgl. it. -essa)
die Eidgenossen-schaft
die Mensch-heit
das Ge-wölk, das Ge-summ-e
Die Beispiele zeigen, dass manche Suffixe polysem sind, z.B. -er kann
sowohl eine Person als auch ein Gerät meinen, die eine Tätigkeit ausführen
oder -heit kann entweder als Adjektivabstraktum fungieren oder ein Kollektiv
bezeichnen. (s. auch Beitrag von Vogt in diesem Band.)
3.3. Fugenelemente in der substantivischen Wortbildung
Die meisten Fugenelemente der substantivischen WB entsprechen bestimmten Deklinationsendungen, vorwiegend dem Genitiv Singular -s und
dem Nominativ Plural -e, -er oder –en32. Sie werden aber auch in Formen
übernommen, wo sie paradigmisch nicht vorkommen, z.B. -s bei Substantiven
31
Neben einer relativ kleinen Zahl von Präfixen steht eine Reihe lexikalischer Wörter mit
modifizierender Funktion.
32
In diesem Fall sprechen wir von paradigmischen Fugenelementen, vgl. z.B. Barz (2005:
722).
54
im Feminin, die den Genitiv ohne -s bilden: Bsp. Arbeit (f.): Arbeit-s-zimmer,
oder Pluralformen mit -e/ -er/ -en, auch wenn sie einen Singular bezeichnen,
z.B. Hühn-er-fleisch (auch für das Fleisch von einem einzigen Huhn). Erstgliedrige Substantivderivate mit den Suffixen -heit, -keit, -schaft, -ung, -ion,
-ität werden vorwiegend mit -s verbunden: Freundschaft-s-beweis.
4. Adjektivische Wortbildung
4.1. Adjektivische Komposition
Viele Adjektive werden mit Erst- oder Zweitgliedern gebildet, die wegen
ihrer Wortfähigkeit als Kompositionskonstituente angesehen werden können.
Andererseits tendieren sie zur Reihenbildung, dem typischen Merkmal der
Derivationsaffixe. Wegen dieser Stellung zwischen Kompositionselement und
Affix werden sie – je nach Stellung – als Präfixoide bzw. Suffixoide eingeordnet.
Bei den lexikalischen Erstgliedern handelt es sich oft um Substantive, die
wie bei der substantivischen WB modifizierend wirken, sei es a) vergleichend: schnee-weiß = weiß wie Schnee (bianchissimo, candido), sei es b)
graduierend, was im Italienischen häufig einem absoluten Superlativ entspricht: blitz-sauber = (pulitissimo).
Einige native Suffixoide sind äußerst produktiv. Wie bei Derivaten liegt
der semantische Kern auf dem Erstglied; häufig taucht jedoch bei substantivischen Erstgliedern das für die Komposition typische Fugenelement auf. Nachstehend eine kleine Auswahl an sehr produktiven synonymischen, antonymischen und weiteren Suffixoiden (in Klammern die Wortart des Erstgliedes)33:
a) native Suffixoide mit synonymischer Bedeutung
(S)
(S)
(S)
(S)
(S)
(S)
(S)
(S)
-gemäß
-gerecht
-bereit
-fertig
-förmig
-artig
-reich
-voll
Beispiele
vertrags-gemäß
vertrags-gerecht
abflug-bereit
abflug-fertig
stern-förmig
stern-artig
tränen-reich
gefühl-voll
Paraphrase34
gemäß Vertrag
dem Vertrag entsprechend
bereit/ fertig zum Abflug
in der Form eines Sterns
nach Art eines Sterns, wie ein Stern
(reich an =) mit vielen Tränen
(voller =) mit viel Gefühl
33
Vgl. besonders Lohde (2006:174) und Barz (2005: 758).
Wie Lohde (2006: 159ff.) feststellt, handelt es sich bei diesen WB-Produkten oft um
Rektionskomposita.
34
55
(S/V) -wert
lesens-wert
(S/V) -würdig
(V) -freudig
(V) -lustig
vertrauens-würdig
wander-freudig
wander-lustig
-wert: oft passivisch → wert, gelesen zu
werden
des Vertrauens würdig
das Wandern bereitet Freude/ Lust
b) native Suffixoide mit antonymischer Bedeutung
(S)
-freundlich
(S)
-voll
(S/V) -reich
↔ -feindlich
↔ -frei
↔ -arm
umwelt-freundlch
sorgen-voll
schadstoff-reich
↔ umwelt-feindlich
↔ sorgen-frei
↔ schadstoff-arm
c) weitere native Suffixoide:
(S/V) -fähig
(S)
-süchtig
(S)
-müde
= fähig, etwas zu tun
= süchtig nach etwas
= einer Sache müde sein
arbeits-fähig
fernseh-süchtig
schul-müde
In Fachsprachen oder als okkasionelle Bildungen treten sehr häufig Partizipialkomposita auf, vor allem mit substantivischem Erstglied: S + Part. I oder
Part. II, beispielsweise alter-s-bedingt (d.h. durch das Alter bedingt).
4.2. Adjektivische Derivation
Die adjektivische Präfigierung dient vorwiegend der Modifikation: besonders häufig verwendet wird die Negation un-35.
Die primäre Funktion der adjektivischen Suffigierung besteht hingegen in
der Transponierung. Als Basis kommen entweder a) Verben mit aktivischer
bzw. passivischer Bedeutung oder b) Substantive in Frage, die einen Vergleich oder ein possessives Verhältnis ausdrücken36:
aktivisch
(-modal)
-bar
un-…-bar
a) Basis Verb
passivisch
(-modal)
[brenn-bar =
etwas kann
brennen]37
un-brenn-bar
brauch-bar =
etwas kann
gebraucht werden
un-brauch-bar
35
b) Basis Substantiv
vergleichend:
[nicht-]
„wie“
HabenRelation
---
---
---
---
Partizipialkomposita werden hingegen mit „nicht“ negiert: nicht altersbedingt.
Vgl. Barz (2005: 764-768).
37
In eckigen Klammern sind jene WB-Prozesse bzw. Bedeutungen vermerkt, die selten
vorkommen.
36
56
-haft
-ig
-(er)isch
-(er)lich
un-…-lich
stritt-ig
-los („ohne“)
be- …-t/
ge-…-t
-sam
un-…-sam
[stand-haft]
auffäll-ig
[mürr-isch]
wein-erlich
[un-schädlich]
folg-sam
un-folg-sam
-ig
kurz-leb-ig
rat-sam
un-rat-sam
syntaktische Fügung
-
verkäuf-lich
un-leser-lich
-
traum-haft
eis-ig
babylon-isch
kind-lich
-38
-
mangel-haft
hüg(e)l-ig
harmon-isch
absicht-lich
un-absichtlich
wolken-los
be-wald-et /
ge-tupf-t
frei-geist-ig
5. Verbale Wortbildung
Verbale Komposition (z.B. kennen lernen) ist sehr selten. Konversion
kommt häufiger vor: Salz > salzen. Neu gebildete oder aus Fremdsprachen
übernommene (abgeleitete) Verben sind schwach konjugiert: googeln - googelte - hat gegoogelt.
Für Ableitungen kommen als Suffixe nur -ier(en) mit den fremdsprachigen
Varianten -isier(en)/ -ifizier(en) sowie -(e)l(n) vor39. Weitaus die wichtigste
Rolle bei der Bildung neuer Verben spielt die Präfigierung (vgl. Übersicht:
Native und fremdsprachige Affixe). Im Vergleich zum Grundverb verändert
sich oft die Verbvalenz. Die Hauptfunktion des Präfixes be- besteht in der
Transitivierung: jdm. etw. schenken – jdn. [mit etwas] beschenken.
Während aus einigen Basen nur mit einem Verbzusatz ein Verb gebildet
werden kann, z.B. kalt > er-kälten (*kälten), existieren für andere Basen neben den präfigierten auch unpräfigierte Verben, die (meistens) eine unterschiedliche Bedeutung ausdrücken: z.B. klar > klären neben er-klären, abklären etc.
5.1. Trennbare Partikelverben vs. untrennbare Präfixverben
Bezüglich der Verbzusätze unterscheiden wir trennbare Partikeln von untrennbaren Präfixen, die sich durch folgende Charakteristika unterscheiden:
38
Negation mit nicht: nicht bäuerlich, nicht kindlich.
Dass die Suffigierung beim Verb nicht stark ausgebaut ist, erklärt sich dadurch, dass am
Wortende (außer beim Imperativ) die verbalen Flexionsmorpheme angefügt werden, die ihrerseits sehr komplex sein können: z.B. sag-t-est → -t: Präteritum, -est: 2. Pers. Sg.
39
57
Betonung
Part. II
Verbklammer
Basis
Partikelverb/
„trennbare Verben“
z.B. ab-, an-, auf-, aus-,
bei-, ein-, mit-, nach-, vor-,
zu- etc.
auf Partikel: 'ab-fahren
mit gezwischen Partikel und
Basis: ab-ge-fahren
ja: Der Zug fuhr ohne
Verspätung ab.
fast alle einfachen Verben
des Grund-wortschatzes
Präfixverb/
„untrennbare Verben“
be-, ent-/emp-, er-, ge-, miss-, ver-,
zerauf Verbbasis: er-'fahren
ohne ge(untrennbares Präfix belegt die
Position von ge-): er-fahren
nein: Sie erfuhr heute Morgen das
Resultat ihrer Prüfung.
einfache und komplexe Verben; bei
desubstantivischen oder deadjektivischen Verben vorwiegend einfache Basen
Neben den reinen Verbpartikeln und den reinen Verbalpräfixen gibt es
auch Verbzusätze, die entweder als trennbare Partikeln oder als untrennbare
Präfixe verwendet werden können und jeweils den entsprechenden oben genannten Merkmalen folgen, z.B.: durch-: 'durch-lesen vs. durch-'suchen;
über-: 'über-kochen vs. über-'holen; um-: 'um-ziehen vs. um-'schreiben; unter: 'unter-gehen vs. unter-'suchen; wieder-: 'wieder-sehen vs. wieder-'holen.
(vgl. Beitrag von Vogt.)
Unabhängig davon, ob es sich um Partikelverben oder Präfixverben handelt, folgt die Konjugation stets dem Paradigma des Basisverbs: fahren – fuhr
→ er-fahren – er-fuhr, ab-fahren – fuhr ab.
Bei den trennbaren Partikeln handelt es sich vorwiegend um Präpositionen
(an-, auf-, mit-, entgegen-, gegen-, hinter- etc.) sowie um adverbiale Erstglieder (fort-, heim-, hin-, her-); auch die Verbalpräfixe gehen etymologisch auf
Präpositionen und/ oder Adverbien zurück40.
5.2. Bedeutung einiger Verbalpräfixe
Obwohl die Bedeutung der Verbalpräfixe weitgehend verblasst ist, lassen
sich dennoch einige Grundbedeutungen unterscheiden.41 Viele Verbalpräfixe
sind polysem. Für ihr Verständnis ist es sinnvoll, nach der Wortart der Basis
zu fragen.
40
41
Vgl. Kluge - Seebold (1995), zitiert nach Altmann - Kemmerling (2000: 71).
Vgl. Barz (2005: 702-705), Rug - Tomaszewski (2001: 143-149).
58
1. Basis: Verb
a) Veränderung der Verbvalenz durch Transitivierung mit be-, er-, ver- oder
durch Inkorporation42
b) Aspekte des Geschehens:
- Anfang (ingressive Verben): er- : er-fahren (venire a sapere)
- Prozess, der im Gang ist oder zu Ende geht (egressive Verben): ver-blühen
(s-fiorire).
- Intensivierung: zer-schneiden (tagliare a pezzi), er-leuchten (il-luminare)
- Gegensatz, Negation: ver-wünschen (male-dire, imprecare), ent-eignen (espropriare), miss-achten (dis-prezzare)
- Fehler, Missglücken: sich ver-sprechen (sbagliarsi parlando), miss-verstehen
(fra-intere)
- Normüberschreitung: über-bewerten (sopra-valutare)
2. Basis: Substantiv
- „etwas versehen mit“ (applikative Verben: die Basis bezeichnet ein Material, einen Stoff): be-waffnen (armare), ver-korken (chiudere con un tappo)
- „etwas wegnehmen“ (privative Verben): ent-kernen (s-nocciolare)
- „zu X werden“ (ingressive Verben): ver-dunsten (evaporare)
- „etw./jdn. zu X machen“: ver-eisen (ghiacciare), zer-trümmern (distruggere)
3. Basis: Adjektiv
- vor allem kausative und ingressive Verben:
- „etw. Adj. machen“: ver-süßen (ad-dolcire), sich er-frischen (rin-frescarsi)
- „etw. wird Adj.“: er-müden (stancare, stancarsi), ver-alten (in-vecchiare)
Wie wir gesehen haben, nutzt die WB im Deutschen eine reiche Auswahl
an Verfahren, von der Komposition über die Derivation und die Konversion
bis zur Kurzwortbildung. Je nach Zielwortart sind spezifische WB-Prozesse
besonders produktiv. Für die semantische Erschließung wurden einige
Grundmuster aufgezeigt, doch um ein einzelnes Wort zu verstehen, muss stets
der Kontext berücksichtigt werden.
42
Bei der Inkorporation verbindet sich ein Substantiv mit einem Verb zu einem komplexen
Verb. Entweder bleibt die meist lokale oder temporale Relation implizit und muss in der Paraphrase als Präposition ergänzt werden: berg-steigen → auf den/einen Berg steigen oder die
Verbvalenz wird bloss umstrukturiert, die Präposition kommt dann als Verbzusatz vor: die
Mauer durch-bohren → durch die Mauer bohren.
59
ÜBERSICHT: NATIVE UND FREMDSPRACHIGE AFFIXE
S+
A+
V
S+
A
nur
S
Native und fremdsprachige Affixe der flektierten Wortarten
Substantiv (S), Adjektiv (A), Verb (V) sowie des Adverbs (Adv.)43
native
fremdspranative
fremdsprachige
Präfixe
chige Präfixe
Suffixe
Suffixe
ge-, miss44in-,
erz-, un-, ur-
native
Präfixe
Erz-, Haupt-;
Ge- [auch als
Zirkumfix:
Ge-…-e]
ko(m/n/r)-,
reanti-, dis-,
hyper-, il-/
im-/ ir-,
inter-, kol-,
non-, sub-,
super-,
trans-, ultra
fremdsprachige Präfixe
A(n)-, Anti-,
Pro-, Re-,
Ex-, Hyper-
Suffixe sind wortartspezifisch.
native
Suffixe
maskulin: -bold(e)45,
-ich(e), -i/o(s),
-ig(e), -[l]er 46(=),
-ling(e),
-(er)ian/-jan(e),
-(e)rich(e)
neutrum: -chen(=),
-lein(=), -nis (se),
-sal(e), -sel(=),
-tel(=),-tum (tümer),
-werk(e), -wesen(=),
-zeug(e)
feminin: -e,
-[er/el]ei(en),
-heit(en)/[ig]keit(en), -in(nen),
-schaft(en), -ung(en)
43
fremdsprachige
Suffixe
maskulin: -and/end(en),
-ant/[i]ent(en), -ar/
är(e), -ast(en), -at(en),
-eur/-ör(e)47, -[i]at(en), ier (e), -ing(e),
-[t]iker(=),
-asmus/ismus(a/ meist
nur Sg.), -ist(en),
-[at/it]or(en)
neutrum: -eau/-o(s),
-ier(e), -ett(e/ auch: -s),
-[i]um(en), -ma(-men),
-[a/e]ment(e)
feminin: -a(s/auch: -en),
-[i]ade(n), -age(n),
-anz/enz(en), -esse(n),
-ette(n), -euse(n),
-[er]ie(n), -ie(n) [<i:>],
-ik(en), -ine(n),
-[at]ion(en), -[i]tät(en),
-[at]ur(en)
Vgl. die Tabelle zum Affixbestand im Deutschen in Lohde (2006: 30) sowie in Barz
(2005: 699, 731-732, 761, 763).
44
kursiv: heute nicht mehr produktive oder sehr seltene Affixe.
45
In runden Klammern ist die Pluralendung vermerkt. (=) bedeutet, dass die Pluralform unverändert ist, bei ("=) wird der Vokal der Endung umgelautet, z.B. Fürsten-tum > Fürstentümer (Vgl. dazu auch den Beitrag von Vogt.).
46
fett: heute sehr produktive Affixe.
47
Eingedeutschte Schreibweise, vgl. auch -eau/-o: Buerau/Büro.
60
nur
A
nur
V
__
1)48 ab-, an-,
auf-, bei-,
ein-, nach-,
vor- etc.
2) be-, ent-,
er-, ver-,
wider-, zer3) durch-,
über-, um-,
unter-, wieder- etc.
para-, post-,
prä-
de(s)-, re-
-bar, -(e)n/-ern, -er,
-fach, -haft, -ig, -isch,
-lich, -los, -mäßig,
-sam
-(e)l, -(e)r, -ig
-abel/-ibel, -al, -ant/
-ent, -ar/-är, -ell, -esk,
-iv, -oid, -os/-ös
-ier, (-ifizier, -isier)
Aufgaben und Übungen
A. Übungen zur substantivischen Wortbildung
A1. Trennen Sie in folgenden Substantiven das (letzte) Suffix von der Basis. Suchen
Sie nun in der Übersicht der Affixe das Genus und die Pluralform.
Bücherei, Werkzeug, Ministerin, Reformation, Einheit, Gefängnis, Büro, Reisebegleiter, Natur, König, Fürstentum, Ballett, Übung, Freundlichkeit, Mädchen, Konsument,
Gesellschaft, Materie, Informatiker, Rede.
A2. Suchen Sie zu folgenden fremdsprachigen Basen das passende Suffix zur Transponierung in Substantive und ergänzen Sie den Artikel. Bei einigen Basen müssen Sie
zuvor ein Suffix oder eine Verbalendung abtrennen, Bsp. real - die Realität.
demonstrieren, Spion, national, rasieren, Journal, delikat, leasen, elegant, reparieren,
euphorisch.
Suffixe: -age; -ament/-ement; -anz/-enz; -asmus/-ismus; -esse; -ie/-erie; -ing; -ion/tion/-ation; -ität; -ur/-atur.
A3. Ergänzen Sie die folgenden Personenbezeichnungen (im Maskulin) durch die
Fremdsuffixe -and, -ant/-ent, -ar/-är, -ast, -at, -eur, -ier, -ist, -or/-ator,
Bsp.: der Redakt-eur.
Bank-, Bibliothek-, Cine-, Diplom-, Doktor-, Million-, Real-, Reform-.
A4. Suchen Sie z.B. in http://www.canoo.net (> Wortbildung > [Begriff eingeben]
Suchen) Substantive, die durch folgende lexikalische Wörter augmentativ modifiziert
werden. a. Riesen-, b. Spitzen-, c. Traum-, d. Affen-, e. Höllen-.
48
Präfixe der Verben können 1) trennbar, 2) untrennbar oder 3) sowohl trennbar als auch
untrennbar sein.
61
A5. Die folgenden Kurzwörter gehen auf Substantive zurück. Suchen Sie die Vollform und überlegen Sie, aus welchen Segmenten die Kurzwörter gebildet wurden.
a. Abi, b. Bafög (auch: BAföG), c. Hannes/Hans, d. WG, e. DIN, f. KaDeWe, g. Kripo,
h. U-Haft, i. Pkw, j. S-Bahn.
A6. Seit 1971 sammelt die Gesellschaft für deutsche Sprache jährlich das „Wort des
Jahres“ sowie das „Unwort des Jahres“. Diese Neologismen, Fremdwörter oder Wörter, deren Semantik abgewandelt wurde, bezeichnen ein Ereignis, das die Gesellschaft
im entsprechenden Jahr besonders beschäftigt hat. Versuchen Sie – unter Berücksichtigung des Jahres – die folgenden Wörter zu interpretieren. Analysieren Sie zunächst
die Konstituenten des (letzten) WB-Prozesses und schreiben Sie dann eine Paraphrase. (Vgl. http://www.gfds.de/index.php?id=11)
a. Raucherkneipe (2007), b. Rechtschreibfrieden (2006), c. Bundeskanzlerin (2007),
d. Teuro (2002), e. BRDDR (1989)
B. Übung zur adjektivischen Wortbildung
Suchen Sie z.B. im „Rückläufigen deutschen Wörterbuch“ (Muthmann, 2001) Adjektive mit folgenden Suffixen und Suffixoiden.
a. -reich, b. -stark, c. -voll, d. -schwer, e. -leicht, f. -süchtig, g. -sicher, h. -wert
C. Übungen zur verbalen Wortbildung
C1. Trennen Sie die Präfixe von der Basis und notieren Sie deren Wortart.
a. sich erkälten, b. verbessern, c. zerreißen, d. bemerken, e. gehören, f. besteuern,
g. vernarben, h. gefallen, i. zerkleinern, j. missbrauchen, k. bedrohen, l. entdecken,
m. erneuern, n. verbrauchen, o. erfinden.
C2. Suchen Sie im Wörterbuch oder in der Wortliste Ihres Lehrbuches je zwei Beispiele zu den folgenden Partikelverben mit
a. ab-, b. an-, c. auf-, d. aus-, e. bei-, f. ein-, g. mit-, h. nach-, i. vor-, j. zu-.
b. Welche Wortart überwiegt bezüglich der Basis?
C3. Unabhängig von der Wortart der Basis ist zer- meist negativ konnotiert: z.B. zerkochen (= zu lange kochen; solange kochen, bis das Gericht die Konsistenz/den Geschmack verloren hat). Auch folgende Präfixe können eine privative oder negative
Bedeutung ausdrücken bzw. unterstreichen: ent-, miss-, ver-, weg-, zer-. Kombinieren
Sie diese mit den unten stehenden Basen so, dass Verben mit negativer oder privativer
Bedeutung entstehen.
rechnen, reden, schmeißen, Gift, fremd, achten, täuschen, handeln, brechen, Nerven.
C4. Suchen Sie (in Augsts Wortfamilienwörterbuch der deutschen Gegenwartssprache) WB-Produkte, die zur Wortfamilie flieg- gehören, z.B. ab-fliegen, Ab-flug.
62
D. Gesamtübung
Suchen Sie im folgenden Text Wörter, die durch WB entstanden sind. Unterscheiden
Sie dabei WB durch a) Komposition, b) Derivation, c) Konversion. Überlegen Sie,
aus welchen Konstituenten die Wörter bestehen.
Ölpreise steigen deutlich
New York (dpa) - Die Ölpreise sind wieder deutlich gestiegen und haben sich dem
Rekordhoch der vergangenen Woche genähert. Der Preis für ein Barrel der US-Sorte
West Texas Intermediate zur Auslieferung im August stieg auf 137,88 Dollar. Das
waren 1,14 Dollar mehr als zum Handelsschluss gestern. Zeitweise war der USÖlpreis sogar bis auf 138,75 Dollar gestiegen. Die Organisation erdölexportierender
Länder signalisierte, die Fördermengen nicht noch weiter anzuheben. Man habe
bereits alles getan, um den Anstieg der Preise zu dämpfen.
Quelle: www.focus.de, 24.06.2008
Literatur
Altmann H., Kemmerling S. (2000), Wortbildung fürs Examen. Studien- und Arbeitsbuch, Wiesbaden, Westdeutscher Verlag.
Augst G., Müller K., Langner H., Reichmann A. (1998), Wortfamilienwörterbuch der
deutschen Gegenwartssprache, Tübingen, Niemeyer.
Barz I. (2005), “Die Wortbildung”, in Dudenredaktion (Hg.), Die Grammatik, Bd. 4,
Mannheim & Wien & Zürich, Dudenverlag, 641-772.
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Dardano M., Trifone P. (21989), “La formazione delle parole”, in Dardano M. et al.,
Grammatica italiana con nozioni di linguistica, Bologna, Zanichelli, 459-492.
Di Meola C. (22007), La linguistica tedesca. Un’introduzione con esercizi e bibliografia ragionata, Roma, Bulzoni.
Donalies E. (2007), Basiswissen Deutsche Wortbildung, Tübingen, Francke.
Dudenredaktion (Hg.) (2006), Das Herkunftswörterbuch, Duden Bd. 7, Mannheim &
Wien & Zürich, Dudenverlag.
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Hepp M. (2005), “Fremdsprachendidaktische Aspekte der gegenwartsdeutschen
Wortbildung”, in Di Meola C. et al. (Hgg.) Perspektiven Eins, Roma, Istituto Italiano di Studi Germanici, 89-102.
Linke A., Nussbaumer M., Portmann P.R. (52004), Studienbuch Linguistik, Tübingen,
Niemeyer.
Lohde M. (2006), Wortbildung des modernen Deutschen. Ein Lehr- und Übungsbuch,
Tübingen, Narr.
Marx S. (1994), Leggere e tradurre. La formazione delle parole in tedesco, Padova,
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Müller P. O. (Hg.) (2005), Fremdwortbildung. Theorie und Praxis in Geschichte und
Gegenwart, Frankfurt /M., Lang.
63
Muthmann G. (2001), Rückläufiges deutsches Wörterbuch. Handbuch der Wortausgänge im Deutschen, mit Beachtung der Wort- und Lautstruktur, Tübingen,
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Rug W., Tomaszewski A. (2001), Grammatik mit Sinn und Verstand, Neufassung,
Stuttgart, Klett.
Taino P. (2005), “Fugenelemente in der deutschen Wirtschaftssprache”, in Di Meola
C. et al. (Hgg.), Perspektiven Eins, Roma, Istituto Italiano di Studi Germanici,
103-114.
Nützliche Weblinks
Wörterbücher und Grammatik für Deutsch: http://www.canoo.net/ > Wortbildung
Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache des 20. Jh.: http://www.dwds.de/
Wortschatz Universität Leipzig: http://wortschatz.uni-leipzig.de/
Gesellschaft für deutsche Sprache: http://www.gfds.de/
64
DIE MODALVERBEN
Klaus Ruch
1. Die Grundbedeutung der Modalverben
Die Modalverben (verbi modali oder servili; im Folgenden auch MV) unterscheiden sich im Deutschen und Italienischen allein schon hinsichtlich ihrer
Zahl. Den fünf (sechs) deutschen Verben wollen, müssen, können, sollen,
dürfen, (mögen) stehen im Italienischen die drei Verben volere, dovere, potere
gegenüber. Dürfen und sollen spezifizieren also Bedeutungen, die im Italienischen entweder in den anderen Verben impliziert oder nicht lexikalisch repräsentiert sind und deshalb nur mit periphrastischen Mitteln1 ausgedrückt werden können.
Modalverben gehören zum großen Bereich der Realisierungsmittel der
Modalität als semantischer Kategorie des Satzes. Darunter sind alle sprachlichen Elemente zu verstehen, die es erlauben, „den Inhalt eines Satzes, den im
Satz beschriebenen Sachverhalt, in ein bestimmtes Verhältnis zu seiner Faktizität, also seinem Eintreten, seiner Realisierung zu setzen“ (Ruzicka 1973: 3).
MV bilden Systeme; ihren Systemcharakter gilt es herauszuarbeiten.
Modalverben in ihrer Grundbedeutung drücken das Verhältnis des Satzsubjekts zur Proposition aus, die als nicht-faktisch gekennzeichnet ist. Was
der Proposition zur Herstellung ihrer Faktizität fehlt, ist in den Verhältnissen
des Wollens, Müssens, Könnens usw. begründet, diese Verben antizipieren
den Vollzug der Verbhandlung. Ihre Bedeutung ist äußerst abstrakt, da sie
sich mit allen möglichen Tätigkeiten des Satzsubjekts verbinden lässt. Diese
Verbindung aber ist notwendig. Man kann nicht wollen, müssen etc. ohne
etwas Bestimmtes zu wollen, zu müssen etc. Sätze der Art Ich muss jetzt nach
Hause sind elliptisch zu lesen, also durch ein Verb wie z.B. gehen zu ergänzen. (s. Übung A1) Diese enge Beziehung zur inhaltlichen Bestimmung des
1
Eine Periphrase umschreibt ein Wort, oft unter Verwendung mehrerer Wörter.
65
Wollens, Müssens etc. kommt bei den deutschen Modalverben im Infinitiv des
abhängigen Verbs ohne die Präposition zu zum Ausdruck. (s. Übung A2 und
A3)
1.1. Das MV wollen: die Freiheit
Mit der Bedeutung variiert auch die Quelle, von der aus das im Modalverb
begründete Verhältnis zur Verbhandlung seinen Ausgang nimmt. Unter Quelle verstehen wir die Instanz, welche die folgende Verbhandlung antizipiert,
also eine Person, ein Umstand etc., welche auf die Realisierung der Verbhandlung hinwirkt. Wir beginnen – ganz wie im wirklichen Leben auch – mit wollen. Die modale Quelle des Verbs wollen liegt im Satzsubjekt. Es drückt die
Ansprüche, das Interesse dieses Subjekts hinsichtlich der eingebetteten Verbhandlung (IP = Infinitiv Phrase) aus. Mit dem Satz
(1)
a. Peter will nach Hause gehen.
wird die eingebettete Verbhandlung ‚nach Hause gehen’ auf eine in Peter
liegende Ursache bezogen, darin manifestiert sich seine Subjektivität. Sie
kann die konkreteren Formen des Wunsches, des Willens, des Anspruches, des
Vorsatzes, der Intention usw. annehmen. Da die Subjektivität in sich differenziert ist, lassen sich auch gradiente Bedeutungsabstufungen unterscheiden.
Eine auf den Punkt des Ichs konzentrierte Subjektivität erscheint als Wille,
eine die Bedürfnisse umfassende Subjektivität als Wunsch usw. Allen diesen
Formen ist gemeinsam, dass sie den Geltungsdrang der Subjektivität ausdrücken. Nichts anderes macht der italienische Satz
(1)
b. Pietro vuole andare a casa.
1.2. Das MV mögen: die Lust
Das semantisch nah verwandte Modalverb mögen unterscheidet sich von
wollen darin, dass der Ausgangspunkt des modalen Impulses nicht so sehr im
Willen, also in der virtuell auf einen Punkt konzentrierten Subjektivität liegt,
als vielmehr in diffusen und peripheren Randbereichen dieser Subjektivität.
Mit mögen lassen sich vorzugsweise Lust- und Unlustempfindungen ausdrücken, die das Subjekt als psychophysische Vorraussetzung für seine Willensbildung empfindet. Mit dem Satz
(2)
Ich mag dich.
66
ist kein Willensverhältnis ausgesagt, sondern ein Zustand, den das Subjekt
an sich selbst vorfindet und der nicht allein durch seinen Willen entstanden
ist. Das Italienische drückt diesen Unterschied durch einen anderen Valenzrahmen aus. Man vergleiche etwa die beiden Sätze
(3)
a. Lo voglio.
b. Gli voglio bene.
Der genannte Unterschied der Modalverben wollen und mögen beschränkt
sich dabei keineswegs auf den Gebrauch des Modalverbs als Vollverb. Wer
z.B. „nichts essen will“ macht vielleicht eine Diät. Wer jedoch „nichts essen
mag“, der hat keinen Appetit, d.h. dem fehlen die psychophysischen Voraussetzungen zum Essen. Mögen in Modalverbfunktion mit einer Infinitivergänzung kommt nur bei Negation vor.
(4)
Ich mag jetzt nicht ins Kino gehen.
Wo mögen die psychophysisch vermittelte Neigung zu einer Tätigkeit oder
Sache ausdrückt, bietet sich im Italienischen oft das Verb piacere an. Der Satz
(5)
a. Ich mag kein Bier.
ist am besten wiederzugeben mit
(5)
b. La birra non mi piace.
Hingewiesen sei noch auf die besondere Rolle, die mögen bei bestimmten
Konzessivsätzen spielt („Er ist ein genialer Hacker. Mag das Programm auch
noch so gut geschützt sein, am Ende knackt er es doch.“). (s. Übung A4)
1.3. Das MV müssen: Schluss mit lustig, die Notwendigkeit
Mit müssen drücken wir den entgegengesetzten Sachverhalt aus. Das Subjekt erscheint als das Ziel eines Sachverhaltes, der außerhalb seiner selbst
liegt; es ist Gegenstand der Objektivität, die auf es einwirkt. Dem Subjekt
gegenüber manifestiert sich die Objektivität als Notwendigkeit. Diese Notwendigkeit kann sich konkretisieren in Zwang, Pflicht, logische Notwendigkeit usw. Ähnlich wie bei wollen, ja sogar noch reichhaltiger, lässt sich bei
müssen die Modalquelle differenzieren in eine überlegene Gewalt (Zwang), in
sanktionierende Rechtsverhältnisse (Pflicht), in logische Schlussfolgerungen
der Art ‚“wenn nicht x, dann y, also x“ usw. - Mit dem Satz
67
(6)
a. Peter muss nach Hause gehen.
drücken wir die in einer äußerlichen Quelle begründeten Notwendigkeit
für Peter aus, nach Hause zu gehen, was auch immer der konkrete Grund sein
mag.
Dieses Verhältnis des Nicht-Faktischen steht dem ersten diametral gegenüber. Was Peter tun muss, ist der Freiheit seines Wollens entzogen bzw. er tut
gut daran, das zu wollen, was er muss. Auch der Satz
(6)
b. Pietro deve andare a casa.
drückt das gleiche aus. Mit dem italienischen Modalverb wird Peter zum
Gegenstand einer objektiv wirkenden Notwendigkeit, die auf seine Subjektivität keine Rücksicht nimmt.
1.4. Das MV können: die Synthese oder die Versöhnung
Das Modalverb können enthält die beiden Extreme Subjektivität und Objektivität, die sich bisher als Gegensätze wechselseitig ausgeschlossen haben,
als Bedeutungsmerkmale. Können ist die Vermittlung der beiden Extreme,
Fähigkeit und Möglichkeit. Jedes enthält jeweils das andere Extrem als sein
begriffliches Moment. Wer eine Fähigkeit erworben hat, der kann etwas, der
hat sich ein Stück der objektiv geltenden Realität angeeignet. Wem sich eine
Möglichkeit bietet, für den verliert die Objektivität ihren Gegensatz gegen das
Subjekt. Mit dem Satz
(7)
a. Peter kann Gitarre spielen.
wird ausgedrückt, dass sich Peter durch Übung und Fleiß in die Lage versetzt hat, Gitarre zu spielen. Er hat sich die Objektivität ein Stück weit angeeignet, indem er die Musik und die Technik des Gitarre-Spielen gelernt hat.
An seiner Fähigkeit hat auch die Objektivität ihren Anteil, denn als Können
gilt nur, was einen Widerstand überwunden hat. Im Können verbinden sich
Subjektivität und Objektivität zu einer Einheit. Da es die Subjektivität war,
die diese Vermittlung bewirkt hat, dominiert sie auch die Modalität: sie zeigt
sich als Fähigkeit. Die modale Quelle liegt innerhalb des Subjekts.
Wenn dieser Vereinigungsprozess der beiden ursprünglich einander gegenüberstehenden Extreme von der objektiven Seite aus erfolgt, ergibt sich die
Bedeutung der Möglichkeit.
68
(8)
a. Da du sowieso in die Stadt fährst, kannst du doch den Einkauf machen.
In dieser Bedeutung verliert die Objektivität ihren Gegensatz gegen das
Subjekt. Da es die dem Subjekt gegenüberstehenden Umstände sind, die die
Vermittlung der Subjektivität und der Objektivität bewirkt haben, dominieren
sie semantisch das MV mit der Bedeutung Möglichkeit. Die modale Quelle
liegt außerhalb des Subjekts.
Für den Ausdruck der Möglichkeit wird im Italienischen das Verb potere
benutzt
(8)
b. Visto che già vai in centro, puoi fare la spesa tu.
Auch das italienische Modalverb drückt aus, dass die Umstände, die Situation, die Gegebenheiten dem Subjekt die ihm Vollverb ausgesprochene Tätigkeit ermöglichen.
Für den Ausdruck der Fähigkeit benutzt das Italienische das Verb sapere.
Es hat das im Deutschen homonym enthaltene Bedeutungsmoment abgetrennt
und einem eigenen Lexem zugewiesen. “Sapere e dovere esprimono tutti e
due capacità, ma, mentre con sapere si tratta sempre della capacità di un soggetto animato, potere può essere costruito con un soggetto non animato e con
un significato di capacità dovuta a un agente-esperiente diverso dal soggetto.” (Renzi et al. 1995: 521) Die Parallele im Unterschied von Fähigkeit und
Möglichkeit zur Opposition ‚animiert’ vs. ‚nicht-animiert’ fällt ins Auge. Die
Übersetzung von (7a) wäre dementsprechend
(7)
b. Pietro sa suonare la chitarra.
Die Benutzung von potere in der Bedeutung Fähigkeit ist offensichtlich
blockiert. Ein Satz wie
(9)
Pietro può suonare la chitarra.
erfährt automatisch die Interpretation der Möglichkeit: Umstände erlauben
es, dass Peter Gitarre spielt. Zum Kreis der Möglichkeiten gehört hier auch
die Erlaubnis, die Peter von irgend jemandem gegeben wurde, der sich durch
sein Spiel gestört fühlen und es verbieten könnte. Die Ungewissheit in der
Interpretation dessen, was das Gitarrespielen von Peter ermöglicht, führt zur
Trennung der beiden Bedeutungsmomente in zwei Verben.
Die Konkurrenz mit potere in der Bedeutung von ‚erlauben’ führt also zu
der Suppletivform sapere.
Fähigkeit und Möglichkeit sind die verwandelten Formen von Subjektivi-
69
tät und Objektivität. Die italienische Sprache beschränkt sich auf die mit diesen beiden Begriffen gegebenen Positionen im Beziehungsschema der Modalverben. Nicht so die deutsche Sprache. Sie hält mit dürfen und sollen zwei
weitere Modalverben parat. Haben diese beiden Verben möglicherweise etwas
gemeinsam, was den Umstand erklärt, dass ihre Bedeutungen im Italienischen
nicht durch MV repräsentiert sind?
1.5. Die MV sollen und dürfen: der unsichtbare Dritte
Betrachten wir zunächst sollen. Mit dem Satz
(10)
a. Du sollst zum Chef kommen.
wird ausgedrückt, dass es der Wille des Chefs ist, dass sich das Satzsubjekt
zu ihm bewegt. Was die Handlung des Subjekts auslöst („zum Chef kommen“), ist der Umstand, dass eine weitere Person diese Handlung veranlassen
will. Im Fall des Satzes (10a) ist anzunehmen, dass diese weitere Person der
Chef selbst ist, der über eine Mittelsperson die Aufforderung ausspricht. Das
ist aber nicht notwendig. Wichtig ist nur, dass ein anderer Wille auf das Satzsubjekt einzuwirken versucht. Die mit sollen zum Ausdruck gebrachte Modalität bewegt sich also nicht mehr innerhalb der Opposition Subjektivität und
Objektivität, sondern nun ist es ein zweites ungenanntes, aber unterstelltes
Subjekt, von dessen Wille eine Wirkung auf das Satzsubjekt ausgeht. Sollen
stellt einen Bezug zwischen zwei Subjekten her. Sollen ist eine Konverse von
wollen (A soll etwas tun = jemand will, dass A etwas tut.) Die modale Quelle
ist eine dritte Person, die in der Kommunikationssituation, in der der Satz
geäußert wird, gewöhnlich nicht anwesend ist. Das semantische Merkmal von
sollen, das es von den bisher besprochenen Verben unterscheidet, lässt sich
als ‚intersubjektiv’ angeben. Sollen dient also nicht dem Ausdruck einer besonderen und minder gültigen Notwendigkeit, etwa einer moralischen Pflicht,
sondern die Quelle, von der aus die Realisierung einer Handlung erfolgt, hat
sich geändert.
Da die italienische Sprache den Unterschied zwischen willentlich (volitiv)
und objektiv (deontisch) gesetzter ‚Notwendigkeit’ nicht ausdrückt, mag eine
Übersetzung von Satz (10a) mit dovere in den meisten Fällen genügen: Devi
andare dal capo. Eine die Modalität präziser identifizierende Übersetzung
müsste jedoch lauten:
(10)
b. Il capo vuole che tu vada da lui.
70
Sie hat jedoch den Nachteil, dass die Modalquelle nicht nur allgemein
als fremder Wille angegeben wird, sondern sozusagen expliziert werden muss,
was zu Übersetzungsfehlern führen kann. Außerdem bleibt diese Formulierung hinter einer der Leistungen des Modalverbs zurück, nämlich der syntaktischen Reduzierung der Argumentstruktur.
Dieser zweite Wille kann auch kollektive Gestalt annehmen. Mit Geboten
des bürgerlichen Anstandes wie
(11)
Man soll mit Messer und Gabel essen.
wird zum Ausdruck gebracht, dass beim Prozess der Zivilisation auf die Gesellschaft als abstrakter, überindividueller Wille Bezug genommen wird. So
kann es auch zur Bedeutung von sollen als eines ‚dovere morale’ kommen,
also eines religiös, sozial, moralisch etc. kodierten Gebotes. Wichtig für das
Verständnis ist jedoch die Identifizierung der Modalquelle mit einem fremden
Willen. Mit sollen ist das Subjekt einem ganz anders gearteten Einfluss ausgesetzt, als es bei müssen der Fall ist. Es hat es mit einem entgegenstehenden,
fremden Willen zu tun, gegen den es gegebenenfalls auch seinen eigenen Willen durchsetzen kann. Was das Subjekt jedoch tun muss, lässt ihm diese Freiheit des Abwägens nicht.
Auch bei dem Modalverb dürfen interveniert eine andere Person. Mit dem
Satz
(12)
a. Du darfst gehen.
wird ausgedrückt, dass das Satzsubjekt vom Sprecher oder von einer
ungenannten Person die Erlaubnis erhalten hat zu gehen. Auch hier kommt ein
zweiter Wille ins Spiel, der auf das Satzsubjekt einwirkt, auch wenn die 'Wirkung' hier darin liegt, dass der implizit operierende zweite Wille darauf verzichtet, sich geltend zu machen, denn erlauben kann nur, wer mächtig genug
ist, das Erlaubte auch zu verbieten.
Im italienischen Modalverbsystem wird dürfen, wie bereits besprochen, durch potere wiedergegeben:
(12)
b. Puoi andare.
Die Erlaubnis wird also wie ein Vorkommen von Möglichkeit unter
anderen Möglichkeiten behandelt und nicht hinsichtlich ihrer besonderen Modalquelle unterschieden.
Was bei sollen als positive Wirkung eines fremden Willens auf das
71
Satzsubjekt Ausdruck findet, liegt hier negativ vor. Mit sollen wird die Geltung eines fremden Willens ausgedrückt, es hat neben dem Merkmal der Willensäußerung die Merkmale ‚intersubjektiv’ und ‚positiv’, dürfen hat die
Merkmale ‚intersubjektiv’ und ‚negativ’. Beiden gemeinsam ist das Merkmal
der ‚Intersubjektivität’, also die Tatsache, dass hier von einem weiteren Subjekt die Faktizität der Proposition abhängt und dieses zweite Subjekt semantisch unterschieden wird von den Modalquellen, die in der Auseinandersetzung des Subjekts mit der Objektivität ins Spiel kommen. Das deutsche Modalverbsystem unterscheidet also die Komponente ‚intersubjektiv’ von der
Komponente ‚deontisch’. Diese Komponente ‚intersubjektiv’ ist im Italienischen lexikalisch nicht repräsentiert. Sie kann nur periphrastisch ausgedrückt
werden, etwa so, wie es in der Übersetzung (10b) geschehen ist.
Eine weitere Schwierigkeit, die sich im Zusammenhang mit den unterschiedlichen Modalverbsystemen für den italienischen Deutschlerner ergibt, besteht im unterschiedlichen Verhalten der MV unter Negation. Dies
betrifft vor allem die Verben müssen und dovere. Der Satz:
(13)
a. Du musst nicht kommen.
Ist wie folgt zu paraphrasieren: Es ist nicht notwendig, dass du
kommst. Eine Alternative zum Modalverb ist das häufig gebrauchte
(13)
b. Du brauchst nicht (zu) kommen.
Die Negation im Satz Du musst nicht kommen hat weiten Skopus, d.h.
nicht nur die Proposition wird negiert, sondern auch die mit müssen gesetzte
Notwendigkeit zu kommen wird aufgehoben. Wenn aber für das Subjekt kein
Zwang zu einer Handlung besteht, dann beginnt seine Freiheit. Ein Vorgang,
der für italienische Muttersprachler nicht ganz leicht nachzuvollziehen ist,
operiert ihre Sprache doch ganz anders. Der Satz
(13)
c. Non devi venire.
drückt bei normaler Intonation ein Verbot aus und nicht die Freiheit zu
kommen oder es auch zu lassen. Die Negation hat engen Skopus. Die Bedeutung der Notwendigkeit von dovere bleibt erhalten, die Negation wirkt nur auf
venire. Der Zwang bleibt für das Subjekt von non devi venire erhalten, er
wirkt aber negativ und wird zum Verbot. In der Regel wird man Satz (13a)
mit
72
(13)
d. Non c’è bisogno che tu venga.
wiedergeben. Hier eine Übersicht über die Bedeutungen und Bedeutungskontraste der MV im Deutschen und Italienischen.
ÜBERSICHT: BEDEUTUNGEN DER MV
wollen
Wille, Absicht,
Vorsatz
☺
volere
volontà,
intenzione etc.
mögen
Lust, Neigung,
Vorliebe
☺
piacere
piacere
müssen
Notwendigkeit, Pflicht,
☺
Zwang, Schlussfolgerung
dovere
necessità,
dovere,
costrizione
nicht
müssen
aufgehobene Notwendig
keit, Freiheit
non dovere
divieto
können
Möglichkeit
☺
potere
possibilità
können
Fähigkeit
sapere
capacità
sollen
Auftrag durch
Dritte
---
---
dürfen
Erlaubnis durch
Dritte
potere
permesso
nicht
dürfen
Verbot
non dovere
divieto
Zusammenfassend also lässt sich feststellen, dass das deutsche Modalverbsystem von den Bedeutungen, die sich aus der Auseinandersetzung des Subjekts mit der Objektivität ergeben, eine weitere Bedeutung unterscheidet und
lexikalisch repräsentiert. Diese Bedeutung wurde mit dem Merkmal ‚Intersubjektivität’ angegeben. Soweit also die Gründe für die Nichtfaktizität der ausgesagten Sachverhalte in den Willensverhältnissen zwischen Subjekten liegen,
gelten sie der deutschen Sprache nicht gleich mit solchen, die in objektiven
Verhältnissen liegen. Die italienische Sprache trifft diese Unterscheidung
nicht. Ein Zwang, der aus natürlicher, sachlicher oder objektiver Notwendigkeit resultiert, und ein Zwang, der auf die Äußerung eines fremden Willens
zurückgeht, gelten ihr als gleich. Die italienische Sprache belässt es sozusagen
bei dem Handlungsaspekt, der sich aus der Interaktion zwischen Subjekt und
Objektivität ergibt. Die deutsche Sprache unterscheidet von diesem Hand73
lungsaspekt einen intersubjektiv vermittelten ‚sozialen’ Aspekt. Dieser sprachentypische Unterschied lässt sich auch in weiteren Modalfunktionen (Indirekte Rede, Modalpartikeln) zeigen.
2. Der epistemische Gebrauch der MV
Vergleichen wir die beiden folgenden Sätze:
(14)
a. Peter hat gestern anrufen wollen.
(= P. hatte die Absicht, gestern anzurufen)
(14)
b. Peter will gestern angerufen haben.
(= P. behauptet: er hat gestern angerufen)
Satz (14a) bringt zum Ausdruck, dass das Subjekt den Willen oder die Absicht hatte, anzurufen. Ein solcher Grundgebrauch der MV heißt auch lexikalischer oder „deontischer“ Gebrauch der MV. Die modale Quelle, das Subjekt
in diesem Fall, antizipiert den Vollzug der Verbhandlung. In (14b) dagegen
bringt der Sprecher zum Ausdruck, wie er den eingebetteten „szenischen“
Satz, „er hat angerufen“ beurteilt. Im Fokus des MV steht nicht wie in (14a)
die Verbhandlung anrufen als beabsichtigte Handlung, sondern die gesamte
Behauptung „er hat angerufen“. Was will Peter in (14a)? Anrufen. Was will
Peter in (14b)? Dass man ihm glaubt, dass er gestern angerufen hat.
Das Modalverb gibt die Quelle an, aus der der Sprecher seine Informationen schöpft. Im vorliegenden Fall ist das Satzsubjekt, das behauptet, etwas
getan zu haben, die modale Quelle, auf die sich der Sprecher bezieht und
durch die er dem Hörer den Geltungsgrad der Aussage mitteilt, also sagt, wie
weit die Behauptung mit der Realität übereinstimmt. Diese sprecherbasierte
Faktizitätsbewertung durch Angabe der Quelle rückt die MV in die Nähe der
deiktischen Zeichen (Zeigewörter), durch die der Sprecher, die Origo des
Satzes, dem Hörer gleichsam seine modalen Koordinaten mitteilt, also signalisiert, woher er die Information hat und wie deshalb ihr Wahrheitsgehalt zu
beurteilen ist. Die MV fungieren damit auch als ‚Modusmarker’, durch die der
Sprecher seine Bewertung des Faktizitätsgehaltes mitteilt. Ein solcher epistemischer Gebrauch ist auch in der italienischen Sprache bekannt, im Deutschen
scheint er jedoch häufiger vorzukommen, bzw. stellt den Lerner durch die
größere Zahl der beteiligten MV vor größere Probleme. Weitere Beispiele für
epistemischen Gebrauch:
Müssen als Ausdruck der Notwendigkeit bei epistemischem Gebrauch:
dass etwas als faktisch bewertet wird, kommt durch einen Schluss auf seine
74
Notwendigkeit zustande. Vergleichen wir zur Verdeutlichung die folgenden
Sätze.
(15)
a. Wir müssen die Rechnung noch bezahlen.
(= Wir sind verpflichtet, die Rechnung zu bezahlen.)
(15)
b. Peter muss die Rechnung schon bezahlt haben.
(= Es gibt nur diese Erklärung: Peter hat die Rechnung bezahlt.)
Mit sollen bezieht sich der Sprecher auf eine (eventuell identifizierbare)
externe Quelle, z.B. die Presse oder ein Gerücht.
(16)
a. Zur Demonstration sollen wir alle Trillerpfeifen mitbringen.
(=Jemand will, dass wir Trillerpfeifen mitbringen)
(16)
b. Bei der gestrigen Demonstration soll es zu Ausschreitungen gekommen sein.
(= Jemand sagt: gestern ist es zu Ausschreitungen gekommen.)
Mit können verweist der Sprecher auf die im Subjekt oder den Umständen
liegende Möglichkeit, dass die Satzaussage gilt.
(17)
Er kann sich getäuscht haben.
(= Ich halte es für möglich: er hat sich getäuscht.)
Zusammen mit dem Konjunktiv ermöglichen einige MV dem Sprecher, eine Aussage über die Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines Sachverhaltes zu
treffen.
(18)
Morgen könnte es regnen.
(= Ich halte es, begründet durch die Umstände, für möglich: morgen regnet es.)
(19)
Morgen dürfte es regnen.
(= Ich halte es für wahrscheinlich: morgen regnet es)
Eine Faktizitätsbewertung, die sich von sicherem Wissen unterscheidet,
liegt auch bei konzessivem Gebrauch von mögen vor.
(20)
Mögen die Leute denken, was sie wollen, ich bleibe bei meiner Meinung.
(= zugegeben, die Leute sind vielleicht anderer Meinung: das ist ohne Einfluss
auf meine Meinung)
Deiktisch gebrauchte MV weisen starke Einschränkungen bei den Flexionsformen auf. Praktisch findet meistens nur das Präsens Verwendung. Das
75
heißt, die Quelle, auf die die sprecherbasierte Faktizitätsbewertung Bezug
nimmt, ist aktiv, der Sprecher beurteilt das Geschehen von seiner Gegenwart
aus, das MV steht also im Präsens. Die referierte Verbhandlung dagegen kann
schon lange abgeschlossen sein, sie kann also in einem Tempus der Vergangenheit präsentiert werden (s. Übungen B1 und B2).
Aufgaben und Übungen
A. Übungen zur Grundbedeutung der Modalverben
A1. Finden Sie passende Verben, mit denen sich die folgenden elliptischen Sätze
sinnvoll ergänzen lassen.
a. Immer mehr Menschen können mindestens zwei Fremdsprachen
(...........................).
b. Danke, ich will kein Bier mehr (...............).
c. Jetzt dauert die Bergtour schon sechs Stunden. Ich kann nicht mehr
(......................).
d. Ich muss dringend in die Stadt (........................), mir fehlen frische Socken.
A2. Fügen Sie die Elemente zu ganzen Sätzen.
a. Petra – Computer, neu – kaufen – wollen
b. Sie – ohne Computer – nicht leben – können
c. Sie – täglich mindestens zwei Stunden – mit ihren Freundinnen – chatten – müssen
d. Außerdem – viele Mails – beantwortet werden – müssen
e. Computer des Vaters – sie – nicht benutzen – dürfen
f. Briefe schreiben – sie – nicht mehr – mögen
A3. Setzen Sie die Sätze aus Aufgabe 2 ins Präteritum und Perfekt.
A4. Formulieren sie die Sätze neu mit den MV wollen oder mögen.
a. Sie hatte vor, sich die Augenbrauen zu piercen.
b. Er hat keine Lust, auf die Party zu gehen.
c. Sie sagte zu ihm: „Bitte kommen Sie doch herein auf eine Tasse Kaffee.“ (Indirekte Rede)
d. Der Polizist verlangte von dem Ausländer den Pass.
e. Ich finde den Dozenten überhaupt nicht nett.
f. Beide Mannschaften waren entschlossen zu gewinnen.
g. Dir geht es offensichtlich darum, einen guten Eindruck zu machen.
h. Ich ertrage Haustiere nicht.
A5. Formulieren sie die Sätze neu mit den MV müssen oder sollen.
a. Es ist absolut notwendig, dass der Auftrag noch heute erledigt wird.
76
b.
c.
d.
e.
f.
g.
h.
Die Firma hat darum gebeten, dass der Auftrag noch heute erledigt wird.
Der Chef sagte zur Sekretärin: „Schicken Sie noch heute die Rechnung.“ (Indirekte Rede)
Die Sekretärin war leider gezwungen, nach Hause zu gehen.
Es gibt keinen Grund für dich Angst zu haben, der Hund beißt nicht.
Der Zahn tat so weh, dass ich gezwungen war, zum Arzt zu gehen.
Deine Frau hat angerufen, sie bittet darum, dass du sie vom Büro abholst.
Sie sind verpflichtet, den Schaden zu bezahlen.
A6. Formulieren sie die Sätze neu mit den MV können oder dürfen.
a. Ist es möglich, dass du mir 50 Euro leihst?
b. Dem Soldaten wurde erlaubt, die Kaserne zu verlassen.
c. Peter beherrscht zwei Fremdsprachen.
d. Ich habe eine Genehmigung, hier zu parken.
e. Es ist verboten, hier zu parken.
f. Hattest du Gelegenheit, die Band live zu erleben?
g. Es ist unmöglich, Mikroben mit bloßem Auge zu erkennen.
h. Erlauben Sie mir, Sie zum Essen einzuladen?
A7. Ergänzen Sie die fehlenden Modalverben.
Nach dem Abitur .............. Niko Medizin studieren. Mit Medizin ............. er jedoch
nicht sofort anfangen, weil sein Notendurchschnitt nicht für den NC reicht. Wenn er
sich in die Warteliste einträgt, .................... er bestimmt einige Jahre warten. Wie
.................. er diese Zeit sinnvoll nutzen? Er .................... zur Bundeswehr gehen,
aber als Soldat ................... er bestimmt nicht jeden Abend zu seiner Freundin fahren.
Sie hat ihm schon gesagt, wenn er sich in Uniform blicken lässt, .................. er sich
eine andere suchen. Sie ist der Meinung, er .................. Zivildienst machen, aber er
fürchtet, dass er dann in der Altenpflege arbeiten ................. . Was .............. er nur
tun?
A8. Antworten Sie nach folgendem Muster.
a. Was ziehst du zur Party an? – Ich weiß nicht, was ich anziehen soll.
b. Was bringst du Petra zum Geburtstag mit?
c. Wohin fährst du in den Ferien?
d. Welchen Film schaust du dir an?
e. Welche Hose kaufst du dir?
f. Was sagst du auf diesen Einwand?
B. Übungen zum epistemischen Gebrauch der MV
B1. Formulieren Sie die Sätze ohne MV neu, benutzen Sie lexikalische Mittel der
Faktizitätsbewertung (z.B. vielleicht, wahrscheinlich, bestimmt, ich vermute, dass
etc.).
a. Er trägt eine Rolex, er fährt ein dickes Auto, er muss viel Geld haben.
b. Die Schauspielerin will noch nie beim Schönheitschirurg gewesen sein.
77
c.
d.
e.
f.
Die Lösung dieser Aufgabe dürfte Ihnen nicht so leicht gelingen.
Was auch immer Peter dazu denken mag, morgen lasse ich mich tätowieren.
Das könnte ein Picasso sein, aber sicher bin ich nicht.
Man soll in diesem Club leicht neue Menschen kennen lernen.
B2. Ersetzen Sie die unterstrichenen Satzteile durch MV.
a. Ich habe gehört, dass Siemens tausend Mitarbeiter entlässt.
b. Wahrscheinlich regnet es morgen.
c. Es ist gar nicht so sicher, dass die Fahrt mit dem Zug teurer ist als mit dem Auto.
d. Er behauptet, den Politiker gut zu kennen.
e. Ich halte es durchaus für möglich, dass wir das Schiff noch erreichen.
f. Zugegeben, Peter ist möglicherweise intelligent, ich kann ihn aber trotzdem nicht
leiden.
g. Tanja erklärt, sie habe den Film schon dreimal gesehen.
h. Es ist anzunehmen, dass es noch nie so schwer war wie heute, Arbeit zu finden.
i. Wenn es so weitergeht, haben die Leute möglicherweise von der Marktwirtschaft
die Nase voll.
j. Forscher sagen, dass ein Pilz der größte lebende Organismus der Welt ist.
k. Es ist unmöglich, dass die Maschine schon gelandet ist.
l. Tanja redet kein Wort mehr mit mir, sie ist bestimmt beleidigt.
C. Übersetzungsübungen zu den verschiedenen Verwendungsweisen der MV
C1. Übersetzen Sie die Ausschnitte aus dem Dialog zwischen Günter Netzer und
Gerhard Delling am 26.06.08 im ZDF anlässlich des Spiels Spanien – Russland.
a. Das war ein schöner Erfolg der deutschen Mannschaft, denn das musste man
nicht unbedingt erwarten, dass sie gegen die Türken gewinnt.
b. Die Null steht, aber so soll es in der zweiten Halbzeit nicht bleiben.
c. Man muss nicht in Ehrfurcht erstarren vor dieser spanischen Mannschaft.
d. Man kann ein bisschen ängstlich sein, muss es aber nicht. Ich würde sogar sagen,
die deutsche Mannschaft darf es nicht.
C2. Diskutieren Sie die Bedeutung der MV in folgenden Beispielen und vergleichen
Sie eventuell mit vorhandenen Übersetzungen.
Hegel
Dies Gesetz [Liebe deinen Nächsten wie dich selbst, A.d.Autors] hat hiermit
ebensowenig einen allgemeinen Inhalt als das erste, das betrachtet wurde, und drückt
nicht, wie es als absolutes Sittengesetz sollte, etwas aus, das an und für sich ist. Oder
solche Gesetze bleiben nur beim Sollen stehen, haben aber keine Wirklichkeit; sie
sind nicht Gesetze, sondern nur Gebote.
(Hegel, Phänomenologie des Geistes. Kap. Die Gesetzgebende Vernunft)
78
Goethe
Hier ist des Volkes wahrer Himmel,
Zufrieden jauchzet groß und klein:
Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein!
(Johann Wolfgang von Goethe, Faust I, 2. Szene, Vor dem Tor)
Geschrieben steht: »Im Anfang war das Wort!«
Hier stock ich schon! Wer hilft mir weiter fort?
Ich kann das Wort so hoch unmöglich schätzen,
Ich muss es anders übersetzen.
...
Ist es der Sinn, der alles wirkt und schaftt?
Es sollte stehn: Im Anfang war die Kraft!
(Johann Wolfgang von Goethe, Faust I, 3. Szene, Studierzimmer)
C3. Übersetzen Sie ins Deutsche und/oder vergleichen Sie mit vorhandenen Übersetzungen2.
Altes Testament
- Non avere altri dèi di fronte a me.
- Onora tuo padre e tua madre.
Lewis Carroll
- Non sapevo che i gatti ghignassero a quel modo: anzi non sapevo neppure che i
gatti potessero ghignare.
- Tutti possono ghignare, - rispose la Duchessa; - e la maggior parte ghignano.
- Non ne conosco nessuno che sappia farlo, - replicò Alice con molto rispetto, e
contenta finalmente di conversare.
(Lewis Carroll, Alice nel Paese delle meraviglie: 19)
Il carnefice sosteneva che non si poteva tagliar la testa dove mancava un corpo da
cui staccarla; che non aveva mai avuto da fare con una cosa simile prima, e che non
voleva cominciare a farne alla sua età.
L'argomento del Re, era il seguente: che ogni essere che ha una testa può essere
decapitato, e che il carnefice non doveva dire sciocchezze.
(Lewis Carroll, Alice nel Paese delle meraviglie: 29)
Luigi Pirandello
- Oh oh oh, che c'entra Copernico! - esclama don Eligio, levandosi su la vita, col
volto infocato sotto il cappellaccio di paglia.
2
Die Texte von Caroll und Pirandello sind zu finden unter:
http://www.liberliber.it/biblioteca/licenze/.
79
- C'entra, don Eligio. Perché, quando la Terra non girava...
- E dàlli! Ma se ha sempre girato!
(Luigi Pirandello, Il fu Mattia Pascal: 6)
C4. Die wörtliche Übersetzung des italienischen Titels, z.B. „Wir sind keine Alkoholiker. Das hätte ich sagen wollen.“, geht nicht. Überlegen Sie warum und finden Sie
geeignete Übersetzungen.
Marco Rossari
Noi non siamo alcolizzati. Ecco cosa avrei voluto dire.
(Marco Rossari: Invano Veritas, edizioni E/O, Roma 2004: 137)
Literatur
Buscha J. (1984), „Zur Semantik der Modalverben“, Deutsch als Fremdsprache,
Sonderheft 1984., 212 - 216.
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Diewald G. (1999), Die Modalverben im Deutschen, Tübingen, Niemeyer.
Griesbach H. (2000), Sprachlehre. Deutsch als Fremdsprache, Ismaning, Hueber.
Lenz B. (1996), „Wie brauchen ins deutsche Modalverbsystem geriet und welche
Rolle es darin spielt“, Beiträge zur deutschen Sprache und Literatur 118, Tübingen, 393 - 422.
Milan C. (1995), „Das deutsche Modalverb sollen und seine Entsprechungen im Italienischen“, in Dahmen, W. (Hg.), Konvergenz und Divergenz in romanischen
Sprachen, Tübingen (= romanistisches Kolloquium VIII.), 151 - 190.
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Weinrich H. (1993), Textgrammatik der deutschen Sprache. Mannheim & Leipzig &
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York, de Gruyter.
.
80
VERGANGENHEITSTEMPORA
IM ITALIENISCHEN UND DEUTSCHEN
Nicole Schumacher
1. Die Lernaufgabe
Wenn italienische Deutschlernende mit den deutschen Tempora konfrontiert werden, wirkt vieles recht vertraut: Im Bereich der Vergangenheitstempora gibt es zum Beispiel das Perfekt als zusammengesetzte Form, die aus
dem Hilfsverb haben oder sein und dem Partizip II des Verbs gebildet wird.
Des Weiteren gibt es das Präteritum als einfache Form, die an das Imperfetto
erinnert, denn es enthält das Tempusmorphem -t-, das wie das vertraute -vTeil des Suffixes am Präsensstamm zur Realisierung von Person und Numerus ist. Wir haben es folglich mit einem Kontrastmangel zu tun, und Kontrastmangel lädt zum Transfer ein.
Doch gehen die genannten Formenähnlichkeiten auch mit einer Entsprechung im Gebrauch der Tempora einher? Ein erneuter Blick auf die Formen
im System der deutschen und italienischen Vergangenheitstempora kann hier
stutzig machen: Wieso gibt es – abgesehen von den Plusquamperfektformen
und verschiedenen modal schattierten Tempora – im Deutschen nur zwei
Tempora zur Bezeichnung von Vergangenem (Perfekt und Präteritum), im
Italienischen jedoch drei (Passato Prossimo, Imperfetto, Passato Remoto)?
Wo bleiben die Bedeutungen, die italienische Lernende durch drei verschiedene Tempora ausdrücken, wenn sie im Deutschen nur zwei zur Verfügung
haben?
Hinter den auf den ersten Blick vertraut wirkenden L2-Formen lauert eine
komplexe Lernaufgabe1. Eine zentrale Rolle spielt hierbei der Aspekt, der in
den italienischen, nicht aber in den deutschen Vergangenheitstempora grammatikalisiert ist. Obwohl Aspekt nicht Teil der Bedeutung des Perfekts oder
Präteritums ist, können im Deutschen Situationen in einer perfektiven oder
1
Vgl. Schumacher (2005: 6ff.).
81
imperfektiven Perspektive präsentiert werden. Somit gehört die sprachliche
Realisierung aspektualer Bedeutungen mit zur zu bewältigenden Lernaufgabe2. Dies zu erfassen ist für italienische Lernende – wie auch für Lernende mit
anderen Muttersprachen, in denen Aspekt grammatikalisiert ist – von besonderer Bedeutung. Denn sie suchen in der L2 nach sprachlichen Ausdrucksmitteln, mit denen die Bedeutungskomponenten ausgedrückt werden, die sie zu
realisieren gewohnt sind. Welches sind diese Bedeutungskomponenten? Und
wie werden sie im Deutschen realisiert?
Um diese Fragen zu beantworten, ist es zunächst notwendig, sich bewusst
zu machen, inwiefern Aspekt in den italienischen Vergangenheitstempora
grammatikalisiert ist und Lernprozesse beeinflussen kann (Kap. 2). Sodann
erfolgt eine kontrastive Analyse, in der die aspektualen Lesarten des deutschen und italienischen Perfekts (Kap. 3.1.), des Präteritums, des Imperfetto
und des Passato Remoto (Kap. 3.2.) und schließlich auf der pragmatischen
Kategorie der Distanz beruhende Lesarten der deutschen und italienischen
Vergangenheitstempora einander gegenüber gestellt werden (Kap. 3.3). Abschließend folgen Aufgaben und Übungen.
2. Grammatischer Aspekt und sprachspezifische Perspektivierung
Wenn in einer Sprache Aspekt grammatikalisiert ist, betrachten die Sprecher dieser Sprachen die Vorgänge, die sie in einer Äußerung darstellen wollen, „hinsichtlich ihres inneren Ablaufs“ (Schwarze 21995: 718). Sie geben zu
verstehen, ob eine Situation beispielsweise abgeschlossen oder resultativ,
progressiv, habituell oder kontinuativ ist: Wird die zu schildernde Situation
mit ihrem Endpunkt perspektiviert (abgeschlossen)? Weist sie das Ergebnis
eines vorangehenden Vorgangs auf (resultativ)? Wird eine Situation von einem bestimmten Blickpunkt aus in ihrem Verlauf präsentiert (progressiv)?
Wird eine regelmäßig wiederkehrende Situation dargestellt (habituell)? Werden zwei Situationen ohne ihre Endpunkte und gleichzeitig verlaufend ausgedrückt (kontinuativ)? Entsprechende Lesarten sind auf die beiden Bedeutungen perfektiv und imperfektiv zurückzuführen und lassen sich in folgender
Weise differenzieren:
l’aspetto imperfettivo considera l’evento in modo tale da escludere la <<visualizzazione del punto finale>>, mentre l’aspetto perfettivo include tale visualizzazione.
(Bertinetto 2001a: 25)
2
Vgl. Handwerker (2003: 141).
82
Diese Aspektbedeutungen sind in den italienischen Vergangenheitstempora insofern grammatikalisiert, als die Bedeutung [- Perspektivierung des Endpunkts] im Imperfetto, die Bedeutung [+ Perspektivierung des Endpunkts]
hingegen im Passato Remoto und im Passato Prossimo morphologisch realisiert werden3. Bevor in Kapitel 3 erläutert wird, inwiefern Aspektbedeutungen
zu verschiedenen Tempuslesarten führen, sei an dieser Stelle festgehalten,
dass italienische L1-Sprecher es gewohnt sind, in jeder Äußerung morphologisch zu realisieren bzw. zu interpretieren, ob eine Situation abgeschlossen
oder resultativ, progressiv, habituell oder kontinuativ ist.
In verschiedenen Studien zur sprachspezifischen Perspektivierung hat sich
gezeigt, dass der grammatische Aspekt in der L1 Lernende auch in der L2
beeinflusst4. In Schumacher (2008), einer Studie zur Rezeption deutscher
Vergangenheitstempora durch italienische Lernende, ist beispielsweise deutlich geworden, dass Sätze im Präteritum mit Adverbialen oder Verben, die
Endpunkte bezeichnen, durch italienische Muttersprachler eher habituell interpretiert werden, durch deutsche Muttersprachler hingegen eher abgeschlossen. Betrachten wir hierfür Satz (1) mit dem Adverbial bis Mitternacht.
(1)
Franza tanzte bis Mitternacht Tango.
Wegen des Kontrastmangels zwischen dem Präteritum und dem Imperfetto
tendieren italienische Deutschlernende dazu, die Gebrauchsbeschränkungen
des Imperfetto auf die des Präteritums zu übertragen: Da Franza ballava il
tango fino a mezzanotte nur habituell interpretiert werden kann, wird auch (1)
von italienischen Lernenden häufig habituell interpretiert. Deutsche Muttersprachler hingegen tendieren dazu, (1) als Äußerung über ein einmaliges Ereignis - z.B. von gestern Abend - zu verstehen5.
3. Deutsche und italienische Vergangenheitstempora im Vergleich
Um sich nun dem zentralen Unterschied zwischen den deutschen und italienischen Vergangenheitstempora nähern zu können, muss zunächst ein weiterer Blick auf die sprachliche Kodierung von Endpunkten geworfen werden.
Denn Endpunkte können nicht nur morphologisch, sondern auch lexikalisch
realisiert werden. Bei der lexikalischen Kodierung spricht man von inhärenten
Endpunkten und Telizität, bei der morphologischen Kodierung hingegen von
3
Vgl. Bertinetto (2001a: 41ff.).
Vgl. z.B. Carroll - von Stutterheim (2003).
5
Vgl. genauer Kapitel 3.2.
4
83
aktuell betrachteten Endpunkten und grammatischem Aspekt6.
Telizität gehört primär zum Lexikon einer Sprache und wird durch Verben
mit ihren Ergänzungen realisiert; aufstehen / alzarsi oder ein Einhorn erschaffen / creare un unicorno stellen als telische Ausdrücke inhärente Endpunkte
zur Verfügung, schlafen / dormire oder regnen / piovere stellen als atelische
Ausdrücke keine inhärenten Endpunkte zur Verfügung. Sowohl telische als
auch atelische Ausdrücke können in einer perfektiven oder imperfektiven
Perspektive, d.h. mit oder ohne vom Sprecher tatsächlich betrachteten Endpunkt, dargestellt werden7. In Aspektsprachen wie dem Italienischen geschieht dies durch morphologische Markierungen am Verb. Der Unterschied
zwischen Telizität und grammatischem Aspekt ist an (2) erkennbar:
Quando Artù entrò, Merlino creava un unicorno.8
(2)
Der telische Ausdruck creare un unicorno enthält zwar einen inhärenten
Endpunkt – die Fertigstellung des Einhorns –, dieser wird jedoch in der aktuellen Äußerung nicht realisiert. Durch das Imperfetto wird er vielmehr ausgeblendet. Der Sprecher betrachtet den Verlauf der Situation, ohne deren Ende
zu berücksichtigen.
Der wesentliche Unterschied zwischen den italienischen und den deutschen Vergangenheitstempora sei hier nochmals hervorgehoben: Mit jedem
italienischen Vergangenheitstempus wird morphologisch markiert, ob der
Sprecher einen Endpunkt in seine Betrachtung einer – atelischen oder telischen – Situation mit einbezieht, und dies ist bei den deutschen Vergangenheitstempora nicht der Fall. Das Passato Prossimo und das Passato Remoto
ermöglichen nur Lesarten mit Abgeschlossenheits- oder Resultativitätseffekten, das Imperfetto hingegen nur progressive, habituelle oder kontinuative
Lesarten. Entsprechende Gebrauchsbeschränkungen liegen beim Perfekt und
Präteritum nicht vor. Doch welche Lesarten ermöglichen die deutschen Tempora? Und mit welchen sprachlichen Mitteln wird im Deutschen der innere
Ablauf von Situationen bezeichnet, den italienische Deutschlerner gerne ausdrücken möchten?
3.1 Aspektuale Lesarten des Perfekts und des Passato Prossimo
Sowohl das deutsche als auch das italienische Perfekt lassen Resultatslesarten und Vergangenheitslesarten zu9. Das Perfekt ermöglicht perfektive und
6
Vgl. Bertinetto (2001b: 203ff.).
Vgl. genauer Bertinetto - Delfitto (2000: 192).
8
Beispiel aus Bertinetto (2001b: 198).
9
Die einzelnen Komponenten der Konstruktion ermöglichen dies: Der Komplex aus Hilfs7
84
imperfektive Vergangenheitslesarten, das Passato Prossimo hingegen nur
perfektive.
Aspektuale Perfektlesarten
Resultatslesarten
resultative
Gegenwartslesart (3)
Vergangenheitslesarten
resultative
Zukunftslesart (5)
perfektive Vergangenheitslesart (7)
imperfektive Vergangenheitslesarten (9), (10)
Abbildung 1: Aspektuale Perfektlesarten
Aspektuale Lesarten des Passato Prossimo
Resultatslesarten
resultative Gegenwartslesart (4)
perfektive Vergangenheitslesart (8)
resultative Zukunftslesart (6)
Abbildung 2: Aspektuale Lesarten des Passato Prossimo
Resultative Gegenwartslesarten liegen in (3) und (4) vor.
(3)
Er hat sich damit jetzt als Politgangster entlarvt.10
(4)
Con ciò adesso si è smascherato come bandito politico.
Mit beiden Äußerungen wird eine Aussage über den gegenwärtigen Zustand gemacht, in dem sich das Subjekt jeweils befindet. Dieser Zustand resultiert aus einer bestimmten Tätigkeit, die mit dem vorangehenden Ereignis
des Entlarvens verbunden wird. Die Verben sich entlarven und smascherare
sind telische Verben, die inhärent einen Endpunkt zur Verfügung stellen: den
Punkt, an dem die Person, auf die das Subjekt referiert, ihre wirklichen Absichten enthüllt hat11.
verb und Partizip II-Morphem liefert den Bedeutungsbeitrag [Vorzeitigkeit in Bezug auf einen
Nachzustand], das als Nullmorphem erscheinende Präsensmorphem liefert den Beitrag [NichtVergangenheit]. Dadurch werden der Konstruktion zwei Zeitintervalle zugeordnet: die Situationszeit, d.h. die Zeit, zu der die in der Äußerung realisierte Situation stattfindet, und die Zeit
des Nachzustandes dieser Situation. Je nach Kontext wird jeweils eins der beiden Zeitintervalle
ins Zentrum der Äußerung gerückt. Daraus entstehen dann Resultatslesarten bzw. Vergangenheitslesarten. Vgl. hierzu Musan (2002: 26ff.) sowie Schumacher (2005: 158ff.).
10
Hörbeleg: Tagesschau 19.8.03.
11
Resultatslesarten weisen oft telische Ausdrücke auf, weil sich in der Verbsemantik verankerte inhärente Endpunkte und ihre Nachzustände besonders gut dafür eignen, ins Zentrum
85
(5) und (6) sind Beispiele für resultative Zukunftslesarten.
(5)
Morgen habe ich es geschafft.
(6)
Domani ho finito.
Auch mit diesen Äußerungen werden jeweils Aussagen über den Zustand
des Subjekts getroffen. Dieser resultiert aus dem Ereignis des Schaffens bzw.
Beendens und liegt in der Zukunft. Wiederum stellen die Verben schaffen und
finire lexikalisch Endpunkte zur Verfügung: die Punkte, an denen etwas zu
Leistendes bewältigt ist. Resultative Zukunftslesarten unterliegen beim Passato Prossimo größeren Beschränkungen als beim Perfekt: Sie sind nur in einfachen Sätzen mit vorangestelltem Adverbial – wie in (6) – oder aber in eingebetteten Sätzen zulässig12. Beim deutschen Perfekt hingegen gibt es diese
Beschränkungen nicht; vgl. hierzu (5a) vs. (6a).
(5)
a. Ich habe es morgen geschafft.
(6)
a.*Ho finito domani.
Weitere Parallelen zwischen dem deutschen und dem italienischen Perfekt
bestehen darin, dass beide über perfektive Vergangenheitslesarten verfügen.
In (7) und (8) wird jeweils eine Aussage über das vergangene Ereignis des
Abreisens gemacht. Das Abreisen wird als Ganzes, mit seinem Endpunkt perspektiviert13.
(7)
Gianni ist um vier abgereist.
(8)
Gianni è partito alle quattro.
An (9) und (10) nun lässt sich erkennen, dass das deutsche Perfekt – im
Gegensatz zum Passato Prossimo – über imperfektive Lesarten verfügt.
(9)
Während Gianni gespielt hat, hat Maria gesungen.
(10)
Als wir nach Hause gekommen sind, hat Paolo gerade Giulio angerufen.
der Aussage gerückt zu werden. Vgl. Musan (2002: 97ff.), Schumacher (2005: 160ff., 237ff.).
12
Vgl. Bertinetto (2001a: 94ff.), Schumacher (2005: 239ff.).
13
Vgl. Schumacher (2005: 241ff.).
86
In (9) liegt eine typische kontinuative Situation mit zwei durch während
verbundenen Parallelsituationen vor. Beide Situationen werden als gleichzeitig interpretiert, und ihr jeweiliges Ende ist unbestimmt. Im während-Satz ist
ein Perfekt möglich. Ein Passato Prossimo wäre hier ungrammatisch:
(9)
a.*Mentre Gianni ha suonato, Maria cantava.
In (10) liegt eine typische progressive Lesart vor. Der temporale Nebensatz
bezeichnet die Zeit, für die die Aussage im Hauptsatz Gültigkeit hat. Perspektiviert wird nur ein Moment der Gesamtsituation des Anrufens, ein Moment
des Wählens, wohingegen der Endpunkt ausgeblendet wird. Beide Teilsituationen – das Nach-Hause-Kommen und das Anrufen – werden als gleichzeitig
interpretiert. Hervorgerufen wird diese progressive Lesart durch das Adverb
gerade.
Ein entsprechender Satz im Passato Prossimo lässt nur eine perfektive
Lesart zu. In einem Satz wie (10a) werden beide Situationen mit ihrem Endpunkt perspektiviert und als aufeinander folgend interpretiert14:
(10)
a. Quando siamo tornati a casa Paolo ha telefonato a Giulio.
Auch mit einem deutschen Perfekt wäre eine solche perfektive Lesart
möglich. Sie würde zum Beispiel durch ein Adverb wie sofort hervorgerufen:
(10)
b. Als wir nach Hause gekommen sind, hat Paolo sofort Giulio angerufen.
Es zeigt sich, dass im Deutschen nicht morphologische Tempusmarkierungen, sondern lexikalische Mittel wie die Adverben gerade und sofort die
aspektualen Lesarten auslösen. Neben Adverbien spielt hier auch die Telizität
der Verben eine Rolle: Ohne Adverbien wie gerade oder sofort wird unser
Beispielsatz von deutschen Muttersprachlern präferiert perfektiv interpretiert,
denn das telische Verb anrufen stellt inhärent einen Endpunkt zur Verfügung.
Beide Teilsituationen werden in (10c) als aufeinander folgend verstanden:
(10)
c. Als wir nach Hause gekommen sind, hat Paolo Giulio angerufen.
Ein entsprechendes atelisches Verb wie telefonieren wiederum ohne Adverbien ruft bei deutschen Muttersprachlern bevorzugt eine progressive Lesart
hervor; hier werden beide Teilsituationen als gleichzeitig interpretiert:
(10)
14
d. Als wir nach Hause gekommen sind, hat Paolo mit Giulio telefoniert.
Vgl. Squartini (1995: 119).
87
Wir sehen, dass die perfektiven und imperfektiven Vergangenheitslesarten
beim deutschen Perfekt durch lexikalische Mittel wie Konjunktionen, Adverbien oder Verben hervorgerufen werden. Die Konjunktion während führt im
Deutschen zu einer kontinuativen Lesart und ist durchaus mit einem Perfekt
kompatibel. Neben dem Adverb gerade löst beispielsweise auch ein Adverbial
wie zu der Zeit eine progressive Lesart aus. Zudem verfügt das Deutsche über
Verlaufskonstruktionen wie am + Infinitiv + sein, beim + Infinitiv + sein und
dabei sein zu + Infinitiv, um Sätze mit progressiver Bedeutung zu bezeichnen.
(vgl.den Beitrag von Sattler in diesem Band).
3.2. Aspektuale Lesarten des Präteritums, des Imperfetto und des Passato Remoto
Das Präteritum ermöglicht alle aspektualen Vergangenheitslesarten, die im
Italienischen auf das Imperfetto und das Passato Remoto verteilt sind.
Aspektuale Präteritumlesarten
perfektive Vergangenheitslesart (15, 18, 20)
imperfektive Vergangenheitslesarten
progressive Vergangenheitslesart (11)
kontinuative Vergangenheitslesart (16)
habituelle Vergangenheitslesart (13)
Abbildung 3: Aspektuale Präteritumlesarten
Aspektuale Lesarten des Imperfetto
imperfektive Vergangenheitslesarten
progressive Vergangenheitslesart (12)
kontinuative Vergangenheitslesart (17)
habituelle Vergangenheitslesart (14)
Abbildung 4: Aspektuale Lesarten des Imperfetto
Aspektuale Lesart des Passato Remoto
perfektive Vergangenheitslesart (19)
Abbildung 5: Aspektuale Lesart des Passato Remoto
88
Das Präteritum und das Imperfetto lassen imperfektive Vergangenheitslesarten zu. In (11) und (12) haben wir zunächst progressive Lesarten.
(11)
Als wir nach Hause kamen, rief Paolo gerade Giulio an.
(12)
Quando siamo tornati a casa Paolo telefonava a Giulio.
Bei diesen progressiven Lesarten bezeichnet der Temporalsatz mit als
bzw. quando – ebenso wie im Perfektsatz (10) – die Zeit, die vom Sprecher
betrachtet wird. Wiederum wird nur ein Moment des Wählens aus der Gesamtsituation des Anrufens perspektiviert, ohne dass ein Endpunkt berücksichtigt würde. Die Differenz zwischen (11) und (12) liegt in den sprachlichen
Mitteln, die die progressive Vergangenheitslesart hervorrufen: Ist es im Italienischen die morphologische Markierung des Imperfetto, durch die der Endpunkt der Situation ausgeblendet wird, so ist es im Deutschen nicht das Präteritum, sondern das Adverb gerade. Wie im entsprechenden Perfektsatz (10d)
erzeugen auch atelische Verben im Präteritum den gleichen imperfektivierenden Effekt, was an (11a) zu erkennen ist:
(11)
a. Als wir nach Hause gekommen sind, telefonierte Paolo mit Giulio.
Da das atelische Verb telefonieren keinen inhärenten Endpunkt liefert,
wird dieser Satz wiederum bevorzugt progressiv verstanden.
Auch habituelle Lesarten entstehen im Italienischen primär durch die –
morphologisch kodierte – Bedeutung des Imperfetto, im Deutschen hingegen
durch lexikalische Mittel wie Adverbien15. Typische habituelle Vergangenheitslesarten liegen in (13) und (14) vor.
(13)
Marco stand immer um 6 auf.
(14)
Marco si alzava alle 6.
In (13) liefert das Adverb immer den Bedeutungsbeitrag der Habitualität.
Weitere Frequenzadverbiale wie oft, regelmäßig oder jeden Montag würden
ebenso eine habituelle Lesart hervorrufen. In (14) hingegen ist ein entsprechendes Adverb nicht notwendig, denn die Interaktion zwischen dem telischen alzarsi und dem Imperfetto löst die habituelle Lesart aus: Für italienische L1-Sprecher kann der durch das Verb gelieferte inhärente Endpunkt
15
Bei imperfektiv-habituellen Lesarten werden Endpunkte insofern nicht berücksichtigt, als
die Anzahl und die Dauer mehrerer Einzelsituationen vom Sprecher ausgeblendet werden, vgl.
Bertinetto (2001a: 44ff.)
89
nicht zu einer perfektiven Lesart führen, weil das Imperfetto eine solche nicht
zuließe. Bei einer Interpretation von (14) versuchen sie somit, diesen inhärenten Endpunkt auszublenden. Folglich verstehen sie den Satz nicht so, dass
eine einzelne Situation in ihrer Abgeschlossenheit präsentiert wird, sondern
so, dass eine Gesamtsituation dargestellt wird, die aus mehreren Einzelsituationen besteht und ein offenes Ende hat.
Deutsche Muttersprachler hingegen interpretieren einen entsprechenden
Satz im Präteritum ohne Frequenzadverbial bevorzugt perfektiv.
(15)
Marco stand um 6 auf.
Da das Präteritum aspektual neutral ist und das telische Verb aufstehen einen inhärenten Endpunkt liefert, wird die in (15) bezeichnete Situation als
einzelnes Ereignis mit ihrem Endpunkt betrachtet. Ein Frequenzadverbial oder ein bestimmter Kontext - ist notwendig, um diese bevorzugte perfektive
Interpretation aufzuheben und eine habituelle Lesart auszulösen. Dies ist in
(13) der Fall. Habituelle Präteritumlesarten sind verbreitet und natürlich im
Deutschen, aber ohne Frequenzadverbiale oder einen geeigneten Kontext
werden Präteritumformen mit telischen Verben präferiert perfektiv verstanden16.
In (16) und (17) liegen kontinuative Vergangenheitslesarten vor.
(16)
Während Gianni zeichnete, las Maria.
(17)
Mentre Gianni disegnava, Maria leggeva.
Wie auch in (9) werden jeweils zwei Situationen ohne Endpunkt perspektiviert und als gleichzeitig ablaufend verstanden17.
Wie schon (15) gezeigt hat, besteht die zentrale Differenz zwischen dem
Präteritum und dem Imperfetto darin, dass nur das Präteritum über perfektive
Lesarten verfügt. Dies wird vor allem dann deutlich, wenn der sprachliche
Kontext eine einzelne Situation mit Endpunkt vorsieht:
(18)
Gestern regnete es zwei Stunden lang.
Hier spezifiziert das durative Grenzadverbial zwei Stunden lang das Geschehen, welches durch das Positionsadverb gestern einmalig auf der Zeitachse lokalisiert wird. Eine solche einzelne vergangene Situation mit adverbial
16
17
Vgl. Schumacher (2005: 54ff., 2008).
Vgl. Schumacher (2005: 259ff.).
90
spezifiziertem Endpunkt ist mit einem Imperfetto inkompatibel18:
(18)
a.*Ieri pioveva per due ore.
Sprachliche Mittel, die beim Präteritum zu einer perfektiven Interpretation
führen, sind wiederum Adverbiale – in diesem Fall durative Grenzadverbiale
wie zwei Stunden lang, bis Mitternacht, von 2 bis 3 Uhr – und telische Verben, wie am Beispiel von aufstehen in (15) erörtert wurde.
In (19) und (20) haben wir perfektive Vergangenheitslesarten des Präteritums und des Passato Remoto19:
(19) Quel mattino, verso le 5, Giovanni andò a scuola, *ma non vi giunse mai.
Qualcosa di misterioso accadde.
(20) An jenem Morgen, so gegen 5, ging Giovanni zur Schule, *kam dort aber nie
an. Etwas Mysteriöses geschah.
In beiden Fällen ist ein sprachlicher Kontext unzulässig, in dem ein Ereignis die Situation des Zur-Schule-Gehens unterbricht, so dass diese nicht zum
Abschluss gelangt. Dadurch kommt es zu einem Widerspruch zwischen der
Aussage, dass Giovanni die Situation beendet hat, d.h. in der Schule angekommen ist, und der Aussage, dass er dort nicht angekommen ist. Dass der
zweite Teilsatz auch in (20) ungrammatisch ist, liegt nicht am Präteritum,
sondern an dem telischen Ausdruck zur Schule gehen. Der inhärente Endpunkt führt hier wiederum zur perfektiven Interpretation. Dass diese im
sprachlichen Kontext aufgehoben werden kann, lässt sich an (20a) erkennen;
hier führt das imperfektivierende gerade zur Ausblendung des Endpunkts.
(20)
a. An jenem Morgen, so gegen 5, ging Giovanni gerade zur Schule, kam dort
aber nie an. Etwas Mysteriöses geschah.
Hier liegt wiederum eine progressive Lesart vor, die im Italienischen typischerweise vom Imperfetto realisiert wird20, im Deutschen hingegen vom
Perfekt oder Präteritum mit imperfektivierenden lexikalischen Mitteln.
Dass das Passato Remoto – ebenso wenig wie das Passato Prossimo – kontinuative Lesarten zulässt, zeigt sich an (21):
18
Vgl. Squartini (1995: 120).
Vgl. Bertinetto (2001a: 24ff.), Schumacher (2005: 266ff.).
20
Die Verbalperiphrase aus stare + Gerundium wird im vorliegenden Artikel nicht
berücksichtigt, weil sie nicht vollständig grammatikalisiert ist (vgl. Bertinetto 2001a: 129ff., s.
auch Beitrag von Sattler in diesem Band). Zudem ist zu vermuten, dass sie wenig
transferanfällig ist.
19
91
(21)
*Mentre Gianni suonò, Maria cantava.
Dass das Präteritum wegen seiner aspektualen Neutralität durchaus auch
kontinuative Lesarten zulässt, hat bereits Beispiel (16) veranschaulicht.
Es wird deutlich – so lässt sich resümieren –, dass die deutschen Vergangenheitstempora in aspektualer Hinsicht über weniger Gebrauchsbeschränkungen verfügen als die italienischen. Gleichwohl ist die Wahl zwischen Perfekt und Präteritum nicht beliebig, was sowohl in der Linguistik als auch in
der Didaktik zu den vieldiskutierten Klassikern gehört21. Für die Frage nach
der Austauschbarkeit beider Tempora ist nicht Aspekt, sondern vor allem die
pragmatische Dimension der Distanz zentral.
3.3 Distanz statt Aspekt
Das Präteritum lässt nur Vergangenheitslesarten, nicht jedoch Resultatslesarten zu, d.h. es ermöglicht keine Aussagen über gegenwärtige oder zukünftige Nachzustände22. Es ist vielmehr ein Tempus, das Distanz signalisiert.
Diese wird im Präteritalmorphem kodiert und hat eine temporale, eine relevanzbezogene und eine deiktische Dimension23.
Die temporale Dimension der Distanz besteht darin, dass die Zeit, für die
die Aussage Gültigkeit hat, immer mit einem zeitlichen Abstand vor der Äußerungszeit liegt. Deshalb sind Resultatslesarten mit Adverbien wie jetzt oder
morgen ungrammatisch:
(22)
*Er entlarvte sich damit jetzt als Politgangster.
(23)
*Morgen schaffte ich es.
Entsprechende Beschränkungen gelten für das Passato Remoto, denn auch
das Passato Remoto ist ein Distanztempus24.
Die im Präteritalmorphem verankerte Distanz beinhaltet des Weiteren eine
subjektive, sprecherbezogene Dimension: Eine auszudrückende Situation wird
als nicht relevant für die Gegenwart betrachtet. Im Gegensatz dazu wird durch
das Präsensmorphem im Perfekt markiert, dass eine Situation relevant ist. Wie
21
Vgl. für Überblicke Schumacher (2005: 74ff. bzw. 13ff.).
Das Präteritum verfügt nicht über ein Hilfsverb, ein Partizip und ein Präsensmorphem,
die in ihrer Interaktion auch zu Resultatslesarten führen können.
23
Vgl. Schumacher (2005: 186ff.).
24
Für dialektale und textsortenspezifische Faktoren bei der Verwendung des Passato Remoto vgl. Bertinetto - Squartini (1996) sowie Schumacher (2005: 224/225, 271ff.).
22
92
nicht zuletzt auch aus (22) und (23) zu folgern ist, sind Perfekt und Präteritum
nur dann durcheinander ersetzbar, wenn im Zentrum der Aussage eine vergangene Situation steht, d.h. bei den Vergangenheitslesarten. Was ihre
Gebrauchspräferenzen hierbei betrifft, so sind nicht aspektuale Faktoren wie
bei den italienischen Vergangenheitstempora ausschlaggebend, sondern der
subjektive Faktor der Relevanz, die der Sprecher einer Situation für den konkreten Gesprächskontext beimisst.
Entsprechende Gebrauchspräferenzen des Perfekts und Präteritums werden
in Anlehnung an Weinrich (1993) auch durch die Konzepte des Besprechens
und Erzählens erfasst. Bei den besprechenden Tempora wird dem Hörer in
einer Kommunikationssituation eine gespannte Rezeptionshaltung nahegelegt;
es wird signalisiert, dass der Sprecher bereit ist, über seine Aussage zu diskutieren. Bei den erzählenden Tempora wird dem Hörer oder Leser eine entspannte Rezeptionshaltung nahegelegt; es wird darum gebeten, die Diskussion
über die einzelnen Aussagen zunächst einmal aufzuschieben, um eine Erzählung entfalten zu können25. Durch den Relevanzfaktor und die Konzepte des
Besprechens und Erzählens wird erklärbar, dass das Präteritum bevorzugt in
schriftlichen Texten und beim - mündlichen und schriftlichen - Erzählen verwendet wird. Denn in diesen Kontexten werden Situationen ausgedrückt, die
nicht unmittelbar für die jeweilige Sprechsituation relevant sind26, vgl. hierfür
(24) versus (25):
(24)
Gestern passierte viel. Er entlarvte sich als Politgangster...
(25) Genug ist genug. Er hat sich damit gestern endgültig als Politgangster entlarvt.
(24) ist eine typische mündliche Erzählsituation, in der eine entspannte
Rezeptionshaltung nahegelegt wird, weil die Situation nicht als relevant eingestuft wird. In (25) wird deutlich, dass sich selbst bei den Vergangenheitslesarten des Perfekts die Intuition ergibt, dass eine Äußerung für die konkrete
Sprechsituation relevant ist, obwohl eine Aussage über eine vergangene Situation gemacht wird27.
Es wird deutlich, dass Distanz die Grundlage für den textsortenspezifischen Gebrauch von Perfekt und Präteritum ist. Dies sei zum Schluss noch
einmal im Zusammenhang mit der deiktischen Dimension von Distanz veranschaulicht. Im Gegensatz zum Perfekt kann das Präteritum nicht unmittelbar
in Bezug auf das deiktische Zentrum einer Sprechsituation, sondern nur a25
Vgl. Weinrich (1993: 198ff.).
Vgl. für dialektale und textsortenspezifische Faktoren bei der Verwendung des Präteritums Welke (2005: 321ff.).
27
Vgl. Schumacher (2005: 197 ff.).
26
93
naphorisch interpretiert werden. Gleiches gilt für das Imperfetto28. Anaphern
realisieren insofern Distanz, als ihre Interpretation nicht auf der Basis des Hier
und Jetzt der Sprechsituation erfolgen kann, sondern auf eine von dieser Origo
entfernt liegende Situation rückverweist. Das Präteritum ist eine solche Anapher. Wenn das Präteritum am Anfang von literarischen Texten erscheint, so
wird die Intuition erzeugt, als befinde man sich perspektivisch sogleich in der
fiktiven Welt des Textes. Denn die deiktische Dimension der Distanz beinhaltet auch die Möglichkeit, einen Perspektivwechsel zu realisieren, indem das
deiktische Zentrum von einer faktischen Sprechsituation in die fiktive Welt
eines literarischen Textes verschoben wird. Diese typische Funktion des Präteritums, als Erzähltempus in literarischen Texten zu fungieren, lässt sich
beispielsweise an einigen Sequenzen aus Alessandro Bariccos Questa storia /
Diese Geschichte (2008: 7, 25) erkennen:
(26)
Lau die Mainacht in Paris neunzehn hundert drei.
Hunderttausend Pariser ließen die Hälfte der Nacht in ihren Wohnungen zurück, als sie zu den Bahnhöfen Saint-Lazare und Montparnasse strömten.
(27)
Ultimo hieß so, weil er das erste Kind war.
Durch die Präteritalformen, die jeweils zu Beginn einzelner Abschnitte erscheinen, signalisiert der Autor Baricco einen Perspektivwechsel von seiner
faktischen Origo in die fiktive Welt der Erzählung, zur Origo des Erzählers.
Betrachten wir im Vergleich hierzu die Originaltexte (Baricco 2005: 7, 23):
(29)
Tiepida la notte di maggio a Parigi, mille novecento tre.
Dalle loro case, centomila parigini lasciarono a metà la notte, scolando in
massa verso le stazioni Saint-Lazare e Montparnasse, stazioni ferroviarie.
(30)
Ultimo si chiamava così perché era stato il primo figlio.
Weder das deutsche noch das italienische Perfekt können eine solche
Funktion übernehmen, die faktische Origo in die fiktive Welt des Erzählens
zu verschieben. Wie an den Originalsequenzen aus Questa storia sichtlich ist,
können sowohl das Passato Remoto (29) als auch das Imperfetto (30) diese
deiktische Verschiebung signalisieren. Im Gegensatz zum Passato Remoto
jedoch, das wie das Präteritum typischerweise als Text- und Erzähltempus zu
klassifizieren ist, ist das Imperfetto nicht auf diese Domäne beschränkt. Das
Imperfetto ist nicht nur in Texten und mündlichen Distanzsituationen verbreitet, sondern ebenso in mündlichen, nicht-distalen Kommunikationssituatio28
Vgl. Schumacher (2005: 249).
94
nen. Wie die vorangegangenen Ausführungen gezeigt haben, unterscheidet es
sich vom Passato Prossimo und vom Passato Remoto in aspektualer Hinsicht.
Das Präteritum hingegen unterscheidet sich vom Perfekt nicht aspektual, sondern bezüglich der pragmatischen Kategorie der Distanz. Deshalb wird es
seltener als das Imperfetto in der mündlichen Sprache verwendet. Deutsche
L1-Sprecher gebrauchen es mündlich vor allem beim Erzählen. Zudem
verwenden sie es bevorzugt als Schrifttempus, insbesondere auch in
literarischen Texten.
Aufgaben und Übungen
A. Analysieren Sie die Hauptsätze hinsichtlich ihrer Telizität und ihrer aktuellen
aspektualen Interpretation.
a. Als ihr Bruder angerufen hat, hat Letizia gerade CDs gebrannt.
b. Als ihr Bruder anrief, hat Letizia sofort CDs gebrannt.
B. Welche Lesarten lassen sich den folgenden Sätzen zuordnen?
a. Sie haben das Ziel erreicht. (Navigationssystem im Auto)
b. Als wir nach Hause gekommen sind, hat er gelesen.
c. Während ihr Bruder gekocht hat, hat Letizia gelesen.
d. Gleich ist er angekommen. (Bergsteiger kurz vor dem Gipfel)
C. Welche Lesarten lassen sich den folgenden Sätzen zuordnen?
a. Als das Telefon klingelte, las Paolo gerade sein neues Buch.
b. Letizia schlief gestern Mittag zwei Stunden lang.
c. Paolo spielte oft bis zum Abend Klavier.
d. Letizia fuhr am Sonntag mit dem Rad ins Theater.
D. Geben Sie jeweils ein Beispiel für die folgenden Perfektlesarten.
a. resultative Gegenwartslesart des Passato Prossimo:
_____________________________________________________________________
b. resultative Gegenwartslesart des Perfekts:
_____________________________________________________________________
c. progressive Vergangenheitslesart des Perfekts:
_____________________________________________________________________
d. kontinuative Vergangenheitslesart des Perfekts:
_____________________________________________________________________
E. Geben Sie jeweils ein Beispiel für die folgenden Präteritum- und ImperfettoLesarten.
a. progressive Vergangenheitslesart des Präteritums:
_____________________________________________________________________
95
b. habituelle Vergangenheitslesart des Imperfetto:
_____________________________________________________________________
c. habituelle Vergangenheitslesart des Präteritums:
_____________________________________________________________________
d. perfektive Vergangenheitslesart des Präteritums:
_____________________________________________________________________
F. Warum werden in der folgenden Sequenz von deutschen L1-Sprechern typischerweise Perfektformen und nicht Präteritumformen gewählt?
Weißt du, was ich gerade gehört habe? In der Berliner Philharmonie hat es gebrannt!
G. Warum werden in der folgenden Sequenz von deutschen L1-Sprechern typischerweise Präteritumformen und nicht Perfektformen gewählt?
Das Gasthaus lag an der Staatsstraße am Ortseingang. Man konnte dort essen und
schlafen. Es gab auch eine Reparaturwerkstatt und eine Tankstelle. Alles gehörte
demselben Eigentümer. (Baricco 2008: 255)
Literatur
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Baricco A. (2008), Diese Geschichte, Aus dem Italienischen von Annette Kopetzi,
München, Carl Hanser Verlag.
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domain: The ‘perfective-telic confusion’”, in Cecchetto C. et al. (Hgg.), Semantic
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zu Sprache & Sprachen 5, Vorträge der 11. Jahrestagung der GESUS in Bratislava, München, Lincom Europa (= Edition Lingustik 49), 319-332.
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tense: Evidence from advanced learner varieties L1 Italian - L2 German”, in Walter, M. et al. (Hgg.), Fortgeschrittene Lernervarietäten. Korpuslinguistik und
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97
RUND UMS GERUND:
DAS GERUNDIO UND SEINE WIEDERGABE IM DEUTSCHEN
Waltraud Sattler
1. Einleitung
Das gerundio1 ist ein interessantes Phänomen der italienischen Sprache,
das im Deutschen keine direkte Entsprechung hat. Auf formaler und semantischer Ebene kommt es dem deutschen Partizip Präsens sehr nahe, das aber
aus stilistischen Gründen in den meisten Fällen kein akzeptables Äquivalent
ist.
Als spezifische Erscheinung der italienischen Sprache (mit Entsprechungen im Spanischen und im Französischen) ist das gerundio kein Thema im
einsprachigen Unterricht Deutsch als Fremdsprache. Aktuell wird es dann
plötzlich, wenn es um kontrastive Situationen geht, etwa beim Übersetzen,
oder wenn es bei Deutschlernenden zu Interferenzproblemen führt.
Wie die Erfahrung zeigt, beginnen die Unsicherheiten bei der Wiedergabe
des gerundio oft bereits bei der Interpretation seiner Funktion im Italienischen. Daher ist der erste Schritt zur Umsetzung in die Fremdsprache das
Bewusstsein über dieses Phänomen in der italienischen Muttersprache.
Serianni (2007: 484) definiert das gerundio in Anlehnung an Antonini als
„un modo verbale di funzioni larghissime e non sempre definibili con precisione“. Enrica Fantino (in Bosco Coletsos - Costa 2006: 291) erklärt es unter
Bezugnahme auf Schwarze (1988) als “la forma avverbiale del verbo: con il
verbo ha infatti in comune il sistema di valenza, con l’avverbio la caratteristi1
Ich schließe mich L. Pusch (1978) an und optiere für die italienische Bezeichnung, um zu
signalisieren, dass sich das gerundio von den Gerundialkonstruktionen anderer Sprachen, z.B.
Latein, Englisch und Französisch unterscheidet. Gerundio verwendet neben Pusch auch Lothar
Jung (1987); konkurrierend dazu finden sich in der Forschung bzw. in Grammatiken Gerund
(Serra Borneto 1982) und Gerundium (Schwarze 1988 und Krenn 1996).
98
ca di essere indeclinabile e di poter essere coordinato con altri avverbi o complementi”.
Das gerundio ist eine polyvalente Form: es kann sich auf alle Formen des
Verbs, auf Singular und Plural, auf maskuline und feminine Verbformen und
auf alle Tempora und Modi beziehen. Erst wenn man das Verb des Hauptsatzes liest, wird klar, auf welche Person oder Personen und auf welches Tempus
sich das gerundio bezieht2.
Das gerundio lässt den Eindruck von „Kompaktheit“ entstehen, indem es
zwei Handlungen oder Sachverhalte miteinander verbindet. Der Grad dieser
Relation kann variieren; so unterscheidet Renzi (in Renzi et al. 2001: 571 ff.)
in diesem Zusammenhang zwischen einem gerundio di predicato (1a) und
einem gerundio di frase (1b):
(1)
a. Paolo ha fatto ripartire la macchina spingendola.
b. Essendo stato aiutato da Giovanni, Paolo ha fatto ripartire la macchina.
Im Beispiel (1a) sind die beiden Handlungen far ripartire und spingere
sehr eng miteinander verbunden: die erste Aktion ist die Konsequenz der
zweiten. Man könnte auch sagen, dass es um dieselbe Handlung geht, die
unter zwei verschiedenen Aspekten beschrieben wird. Dieses gerundio lässt
sich als koextensiv zum Verb des Hauptsatzes interpretieren.
Bei (1b) können wir dagegen nicht sagen, dass far ripartire la macchina
und aiutare als eine Handlung zu sehen sind. Erstens haben wir zwei verschiedene Agenten, und zweitens besteht keine eindeutige zeitliche Beziehung. Die beiden Handlungen können gleichzeitig, aber auch zu verschiedenen Zeiten stattfinden.
1.1. Vorkommensweisen des gerundio3
Das einfache gerundio (gerundio semplice oder gerundio presente) drückt
im Allgemeinen Gleichzeitigkeit im Verhältnis zum Hauptsatz aus4. Das implizite Subjekt des gerundio (Renzi nennt es soggetto nullo) ist in der Regel
identisch mit dem Subjekt des Hauptsatzes (Ausnahme: absolutes gerundio):
2
Vgl. Krenn 1996: 564.
Vgl. Pusch (1980: 6-7), Beispiele und Ergänzungen von mir.
4
Serianni differenziert diese Aussage, indem er darauf hinweist, dass das gerundio presente
ein weiteres Spektrum von Einsatzmöglichkeiten hat; so kann es Gleichzeitigkeit ausdrücken
(„insegnandomi la geografia, mia madre mi raccontava di tutti i paesi dov’era stato mio padre
da giovane“), ebenso Vorzeitigkeit („tornavano ogni pomeriggio, dapprima preavvisando con
una telefonata” ) und schließlich auch Nachzeitigkeit („pensavo che l’altro riprendesse la
corsa, sorpassandomi”), vgl. Serianni (2006: 484). Die gleiche Beobachtung wird auch in
Renzi et al. (2001: 575) gemacht.
3
99
(2)
Lavorando insieme, le due amiche si vedono ogni giorno.
Das zusammengesetzte gerundio (gerundio composto oder gerundio passato) drückt Vorzeitigkeit im Verhältnis zum Hauptsatz aus. Auch hier hat das
gerundio in der Regel dasselbe Subjekt wie das finite Verb. Das gerundio
composto ist heute eher selten und wird vor allem in der Literatur und in der
Amtssprache verwendet. Es hat in den meisten Fällen kausale oder – mit
vorangestelltem pur – konzessive Funktion:
(3)
Avendo chiesto l’autorizzazione ha il diritto di passare.
(4)
Pur avendo vinto il concorso non è ancora stata assunta.
Das absolute gerundio (gerundio assoluto): Es hat ein eigenes Subjekt und
kann sowohl aus einem einfachen als auch aus einem zusammengesetzten
gerundio gebildet werden:
(5)
Parlando lei non posso parlare io.
(6)
Avendolo ordinato il medico lui lo deve accettare.
Das progressive gerundio: Es handelt sich um periphrastische Konstruktionen, die aus einer Form von stare und dem einfachen gerundio gebildet werden und zum Ausdruck eines progressiven Aspektes dienen. Daneben finden
sich auch andare und venire mit dem gerundio.
(7)
Che cosa stai facendo?
1.2. Funktionen des gerundio
In den verschiedenen Grammatiken und Untersuchungen zum gerundio ist
man sich einig, dass diese Form durch einen hohen Grad von Polyvalenz charakterisiert ist. Serra Borneto zeigt dies am Beispiel des Satzes Sbagliando si
impara. Er könnte mit fünf verschiedenen Paraphrasen wiedergegeben werden: a) Man lernt, wenn man Fehler macht (konditional); b) man lernt dadurch, dass man Fehler macht (instrumental); c) man lernt, sobald man Fehler
macht (temporal, Fortsetzung der Handlung); d) man lernt, während man Fehler macht (temporal, gleichzeitig); e) man lernt, weil man Fehler macht (kausal)5.
5
Serra Borneto (1982: 441). Es fehlt allerdings der Hinweis darauf, dass das entsprechende
Sprichwort im Deutschen „Aus Fehlern wird man klug“ lautet.
100
Das gerundio ist also eine kondensierte, synthetische Form, die sich durch
ein inexplizites Verhältnis zum Hauptsatz auszeichnet. 6In den meisten Fällen
ersetzt es einen bzw. mehrere mögliche Nebensätze, d.h. es kann je nach Kontext verschiedene Funktionen übernehmen, manchmal scheint es sogar mehrere Funktionen miteinander zu verbinden.
Wenn eine Explikation nötig wird (etwa bei einer Textinterpretation oder
einer Übersetzung) stellt sich nun die Frage, aufgrund welcher Kriterien man
entscheidet, ob ein gerundio z. B. eine kausale, modale, konzessive oder temporale Funktion hat. Diese Entscheidung erfolgt laut Renzi et al. (2001: 575)
mithilfe des Weltwissens („L’interpretazione del gerundio è legata alle conoscenze del mondo.“); in dieselbe Richtung geht Held (1982: 331), die meint,
das gerundio stelle in den meisten Fällen einen Nebensatz dar, den es je nach
seiner logischen Beziehung zum Kontext aufzulösen gilt.
Renzi et al. (2001: 576) zeigt auch, dass bei der Interpretation der gerundio-Funktion nicht nur außersprachliche Kenntnisse eine Rolle spielen, sondern auch die Position des gerundio im Satz und die Tatsache, ob es sich um
ein gerundio di predicato oder um ein gerundio di frase (s. 1.) handelt.
Das gerundio di predicato hat eine instrumentale, modale oder temporale
Funktion. Dabei ist die Unterscheidung von instrumental und modal nicht
immer einfach7; sie basiert vor allem auf pragmatischem Wissen: Die instrumentale Funktion liegt vor, wenn das Verb des Hauptsatzes ein Resultat des in
der gerundio-Konstruktion dargestellten Sachverhalts ausdrückt (È guarita
facendo questa cura omeopatica), eine modale Funktion liegt vor, wenn das
gerundio einen Modus (Camminava trascinando i piedi) oder einen Begleitumstand8 (Rispose sorridendo) ausdrückt. Die modale Funktion kann manchmal auch durch Koordination ausgedrückt werden (Lasciò il marito portando i bambini con sé (= e portò i bambini con sé ).
Das gerundio di frase übernimmt dagegen die kausale, konditionale oder
konzessive Funktion.
1.3. Die Interpretation des gerundio
Wie Fehleranalysen von Übersetzungen aus dem Italienischen ins Deutsche gezeigt haben, bereitet das gerundio sogar deutschen Muttersprachlern
Schwierigkeiten bei der Wiedergabe9. Das zeigt noch einmal, dass es sich hier
um einen komplexen Vermittlungsprozess handelt, bei dem neben Sprachwissen in der Ausgangs- und Zielsprache auch außersprachliche Faktoren wie
6
Vgl. Pusch (1980: XI.).
Die ausführlichste Untersuchung hierzu liefert Pusch (1980).
8
Diese Differenzierung stammt von Pusch, ebda.
9
Vgl. Jung (1987: 247f.).
7
101
Kontext und Weltwissen mitspielen. Dazu zwei Beispiele:
(8)
Non avendo né il suo partner né lei preso delle precauzioni è rimasta incinta.
Hier legt schon das Sprachwissen eine kausale Interpretation nahe: Ein gerundio composto hat in den meisten Fällen kausale Funktion. Auch das Weltwissen (in diesem Fall noch vor dem Sprachwissen!) legt eine kausale Interpretation nahe. Im folgenden Satz dagegen kann nur das Sprachwissen allein
helfen, das Subjekt des gerundio zu identifizieren:
(9)
Abbiamo visto la professoressa Gallo uscendo dall’aula.
In diesem Fall kann das Subjekt von uscendo nur noi sein, da wir wissen,
dass das gerundio (außer beim gerundio assoluto) dasselbe Subjekt wie der
Hauptsatz haben muss.
1.3.1. Die explizierende intralinguale Paraphrase
Vor der Übersetzung empfiehlt es sich daher, in einem ersten Schritt die italienische gerundio-Konstruktion zu analysieren und explizit zu machen.
Durch diese Operation der Desambiguierung wird das Subjekt, das Tempus
und die logische Beziehung zum Hauptsatz deutlich (z.B. temporal, kausal,
modal…). Im zweiten Schritt kann dann die Übersetzung erfolgen.
a) Die Identifizierung von Subjekt, Tempus und logischer Beziehung zum
Hauptsatz
(10)
a. Aspettando il tram ( = Quando/Mentre aspetto il tram) leggo il giornale.
Wenn/Während ich auf die Straßenbahn warte, lese ich die Zeitung.
b. Aspettando il tram ( = Quando/Mentre aspetti il tram) leggi il giornale.
Wenn/Während du auf die Straßenbahn wartest, liest du die Zeitung.
c. Aspettando il tram ( = Quando/Mentre aspetta il tram) legge il giornale.
Wenn/während sie/er auf die Straßenbahn wartet, liest sie/er die Zeitung.
d. Aspettando il tram (= Quando/Mentre aspettavo il tram) ho letto il giornale.
Wenn/Als/Während ich auf die Straßenbahn wartete, las ich die Zeitung.
b) Das unpersönliche Subjekt des gerundio
In manchen Fällen hat das gerundio bzw. der Hauptsatz ein unpersönliches
102
Subjekt, das ebenfalls durch eine Paraphrase identifiziert werden kann und je
nach Kontext im Deutschen mit „man“ bzw. „es“ wiedergegeben wird.
(11)
Succede camminando veloce ( = Succede quando si cammina veloce)
Das passiert, wenn man schnell geht.
(12)
Essendo piovuto (= Siccome è piovuto), le piante non vanno annaffiate.
Da es geregnet hat, brauchen die Pflanzen nicht gegossen zu werden.
c) Das Subjekt des gerundio in Passivsätzen
Auch in Passivsätzen ist das Subjekt des gerundio tendenziell mit dem
Subjekt des Hauptsatzes identisch. In diesem Fall kann nur eine temporale
Beziehung vorliegen:
(13)
Aspettando l’autobus (= mentre aspettava l’autobus), Paolo è stato visto dalla
vicina.
Als/während er auf den Bus wartete, wurde Paolo von der Nachbarin gesehen.
In manchen Passivsätzen kann das Subjekt des gerundio jedoch mit dem
Agens des Hauptsatzes identisch sein. In den folgenden Beispielen10 liegt eine
modale bzw. instrumentale Funktion vor.
(14)
La notizia è stata trasmessa (dalle varie agenzie) tacendo alcuni particolari.
(= le agenzie hanno taciuto alcuni particolari).
Die Nachricht wurde (von den Agenturen) übermittelt, wobei die Agenturen
einige Details verschwiegen /wobei einige Details verschwiegen wurden.
(15)
Il materiale è stato ricuperato (dai tedeschi) ricorrendo a tecniche sofisticate
(= i tedeschi sono ricorsi a tecniche sofisticate)
Das Material wurde (von den Deutschen) gerettet, wobei (indem) hochentwickelte Techniken eingesetzt wurden/ wobei (indem) die Deutschen hochentwickelte Techniken einsetzten.
1.4. Funktionale Äquivalenz
Wie wir gesehen haben, müssen wir uns bei der Übersetzung für eine der
vielen Funktionen entscheiden, die das gerundio enthält, und im Deutschen
eine der Möglichkeiten wählen, die diese Funktion wiedergeben. Die Übersetzung kann also nur eine funktionale und keine formal-ästhetische Äquiva10
Beispiele von Renzi et al (2001:581).
103
lenz garantieren.
In vielen Fällen ist die Interpretation des gerundio eindeutig, aber oft – vor
allem in literarischen Texten – gehen Bedeutungen verloren, die in der italienischen Form „simultan“ präsent sind. Deshalb lässt sich nicht immer von
einer völligen funktionalen Äquivalenz sprechen.
Neben dem Sprach- und dem Weltwissen spielen auch der Stil und der
Kontext eine Rolle, wenn es um die Entscheidung geht, für welche der zahlreichen Möglichkeiten der Wiedergabe man optiert (Serra Borneto (1982) hat
über vierzig Varianten ermittelt, mit denen das gerundio wiedergegeben werden kann!).
Es kann also kein „Rezept“ für die Übersetzung des gerundio geben; im
Folgenden sollen aber einige Möglichkeiten der Wiedergabe präsentiert werden, die einen Orientierungsrahmen liefern können.
2. Verschiedene Wiedergabemöglichkeiten des gerundio im Deutschen
Nachdem wir also im ersten Schritt das Subjekt, das Tempus und die
Funktion des gerundio (die logische Beziehung zum Hauptsatz) identifiziert
haben, bieten sich in den meisten Fällen zwei Möglichkeiten, diese Form im
Deutschen wiederzugeben: entweder mit einer Verbalphrase (Haupt- oder
Nebensatz) oder mit einer Nominalphrase (mit Präposition + Substantiv). Für
Nicht-Muttersprachler ist die Verbalphrase die „sicherere“ Option, da die
Nominalphrase nicht immer zu akzeptablen Ergebnissen führt.
Der Nominalstil kommt jedoch dem Prinzip der Sprachökonomie entgegen11; er gehört im Deutschen vor allem in den Bereich der Sach- und Fachtexte sowie der Amtssprache und ist daher bei der Übersetzung solcher
Textsorten vorzuziehen.
2.1. Bei Gleichzeitigkeit der Handlungen
Bei Gleichzeitigkeit der Handlungen kann das gerundio durch verschiedene
Verbalphrasen wiedergegeben werden:
a)
Koordination mit und
Bei der intralingualen Paraphrase einer gerundio-Konstruktion ergibt sich
11
Vgl. Jung (1987: 253).
104
in vielen Fällen eine Koordination mit e. Im Rahmen einer Stichprobenuntersuchung12 zeigte sich, dass diese Verwendung des gerundio sogar sehr häufig
ist. Neben dem Gebrauch der Nebensätze ist das eine recht einfach zu realisierende Möglichkeit der Wiedergabe. Um die Gleichzeitigkeit der Handlungen
zu unterstreichen, können das Präpositionaladverb dabei bzw. die Adverbien
gleichzeitig oder währenddessen verwendet werden.
(16)
b)
Lo sconosciuto uscì dalla casa accendendosi una sigaretta
(= e si accese una sigaretta.)
Der Unbekannte verließ das Haus und zündete sich (dabei) eine Zigarette an.
Temporaler Nebensatz (wenn/ während/ als)
(17)
Uscendo dalla casa lo sconosciuto si accese una sigaretta (=quando usci…).
Als der Unbekannte das Haus verließ, zündete er sich eine Zigarette an.
c) Nebensatz mit Präpositionaladverb (wobei/ wodurch/ womit…)
(18)
Lo sconosciuto uscì dalla casa accendendosi una sigaretta.
Der Unbekannte verließ das Haus, wobei er sich eine Zigarette anzündete.
Eine andere Möglichkeit besteht in der Wiedergabe durch eine Nominalphrase (mit Präposition während/ bei)
(19)
Uscendo dalla casa lo sconosciuto si accese una sigaretta (=quando usci…).
Beim Verlassen des Hauses zündete sich der Unbekannte eine Zigarette an.
Eine weitere Möglichkeit der Wiedergabe ist das Partizip Präsens. Die
deutsche Partizipialkonstruktion gleicht syntaktisch und semantisch gesehen
dem gerundio am ehesten: Wie das gerundio kann sich das Partizip Präsens
auf alle Formen des Verbs, auf Singular und Plural, auf alle Genera, Tempora
und Modi beziehen und könnte daher als vollkommen übersetzungsäquivalent
gelten:
(20)
Tenendo i bambini per mano attraversò la strada.
Die Kinder an der Hand haltend, überquerte sie die Straße.
Doch auf stilistischer Ebene führt diese Lösung in den meisten Fällen nicht
zu befriedigenden Ergebnissen; sie ist in literarischen Texten möglich, wirkt
12
Vgl. Jung, ebd.
105
aber oft veraltet und ist daher nicht „geläufigkeitsäquivalent“13.
Nur in wenigen Fällen kann das gerundio mit dem Partizip Präsens wiedergegeben werden. Empfehlenswert ist das aber nur beim einfachen gerundio
ohne Ergänzungen, vor allem wenn es sich um Ausdrücke des Modus oder
eines Begleitumstandes handelt.
(21)
Legge balbettando.
Er/Sie liest stotternd.
(22)
Ci salutò ridendo.
Er/Sie verabschiedete sich lachend.
2.2. Temporale Funktion
a) Wiedergabe durch Verbalphrase (Temporaler Nebensatz mit wenn/ während/ als/ nachdem)
(23)
Studiando, Eva ascolta musica classica.
a. Wenn/Während Eva lernt, hört sie klassische Musik.
b) Wiedergabe durch Nominalphrase: Hauptsatz mit Präposition (bei, während, nach)
(23)
b. Beim Lernen/ Während des Lernens hört Eva klassische Musik.
(24)
Avendo aspettato per cinque ore Eva se n’è andata..
Nach fünfstündigem Warten ist Eva weggegangen.
2.3. Kausale Funktion
a) Wiedergabe durch Verbalphrase (Kausaler Nebensatz mit da/ weil)
(25)
Avendo presentato una tesina durante il semestre, non deve più dare l’esame
orale.
a. Da er/sie während des Semesters ein Referat gehalten hat, braucht er/sie die
mündliche Prüfung nicht mehr zu machen.
b. Er/Sie braucht die mündliche Prüfung nicht mehr zu machen, weil er/sie
während des Semesters ein Referat gehalten hat.
b) Wiedergabe durch Nominalphrase (mit Präposition wegen/ durch)
13
Pusch (1978: 211).
106
(26)
Arrivando con un’ora di ritardo ho perso il treno per Parigi.
Wegen der einstündigen Verspätung/ Durch die einstündige Verspätung habe
ich den Zug nach Paris verpasst.
2.4. Modale Funktion
a) Wiedergabe durch Verbalphrase (Modaler Nebensatz mit indem/wobei)
(27)
Lasciò i presenti sghignazzando.
a. Er verließ die Anwesenden, indem/wobei er höhnisch lachte.
b) Wiedergabe durch Nominalphrase (mit Präposition unter)
(27)
b. Er verließ die Anwesenden unter höhnischem Lachen.
2.5. Instrumentale Funktion
c) Wiedergabe durch Verbalphrase (Instrumentaler Nebensatz mit indem/
dadurch, dass)
(28)
Passando un semestre in Germania ha migliorato molto il suo tedesco.
Indem/ Dadurch, dass er/sie ein Semester in Deutschland verbracht hat, hat
er/sie sein/ihr Deutsch sehr verbessert.
d) Wiedergabe durch Nominalphrase (mit Präposition durch)
(29)
Si è mantenuta agli studi facendo la babysitter.
Sie hat sich das Studium durch Babysitten finanziert.
2.6. Konditionale Funktion
Wiedergabe durch Verbalphrase (Konditionaler Nebensatz mit wenn/ falls
oder NS ohne Konjunktion)
(30)
Andando a guardare tra le facoltà della Sapienza il garante degli studenti è
rimasto lettera morta.
a. Wenn/ falls man in den Fakultäten der Sapienza nachsieht, ist der Garant für
studentische Interessen nur auf dem Papier geblieben.
b. Sieht man in den Fakultäten der Sapienza nach, ist der Garant für studentische Interessen nur auf dem Papier geblieben.
107
a) Wiedergabe durch Nominalphrase (mit Präposition bei)
(31)
Non ottenendo il quorum rimarrebbe in carica l’attuale amministrazione.
Bei Nichterreichen des Quorums bliebe die derzeitige Verwaltung im Amt.
2.7. Konzessive Funktion
a) Wiedergabe durch Verbalphrase (Konzessiver Nebensatz mit obwohl/auch
wenn)
(32)
Pur avendo una scolarizzazione maggiore molte ragazze preferiscono non fare
carriera.
a. Obwohl /Auch wenn sie eine bessere Schulbildung haben, machen viele
Mädchen lieber keine Karriere.
b) Wiedergabe durch Nominalphrase (mit Präposition trotz)
(32)
b. Trotz ihrer besseren Schulbildung machen viele Mädchen lieber keine Karriere.
2.8. Funktion des irrealen Vergleichs
In Verbindung mit come oder quasi drückt das gerundio einen irrealen
Vergleich aus, der im Deutschen nur durch eine Verbalphrase mit als ob/ als
wiederzugeben ist14.
(33)
Ella ascoltò questa mia spiegazione con curiosità, come dimenticando per un
momento la sua ostilità verso di me.
Sie hörte meine Erklärung mit Neugierde an, als ob sie ihre Feindseligkeit mir
gegenüber für einen Moment vergessen würde.
(34)
Mi guardò, come frugandomi nell’anima.
Er sah mich an, als ob er mein Innerstes erforschen wollte/ als wollte er mein
Innerstes erforschen.
14
Die italienischen Beispiele stammen von Krenn (1996: 570). In der konsultierten Literatur ist er der Einzige, der auf diese Funktion des gerundio hinweist.
108
2.9. Progressive Funktion
2.9.1. stare + gerundio
Diese periphrastische Konstruktion des gerundio drückt eine Handlung
aus, die noch nicht abgeschlossen ist.
In der Verbindung mit stare bezieht sich das Subjekt des gerundio nicht
notwendigerweise auf das Subjekt des Hauptsatzes wie in den oben behandelten Fällen.
a) Wiedergabe durch Verbalphrase (gerade etw. tun/ dabei sein, etwas zu tun)
Wenn die Konstruktion stare + gerundio eine Handlung in einem präzisen
Moment ausdrückt, kann sie im Deutschen mit dem Verb und dem Adverb
„gerade“ bzw. mit der Wendung „dabei sein, etwas zu tun“ wiedergegeben
werden.
(35)
Che cosa stai facendo?
Was machst du gerade?
(36)
Stavo pranzando quando la mia amica mi ha chiamato.
Ich aß gerade zu Mittag, als meine Freundin mich anrief.
(37)
Mentre stavo scrivendo quell’articolo mi è arrivata la bella notizia.
Während ich dabei war, diesen Artikel zu schreiben, erhielt ich die gute Nachricht.
(38)
Era da due anni che stavo lavorando su quel argomento e ormai non ne potevo più.
Ich arbeitete schon seit zwei Jahren an diesem Thema und nun reichte es mir.
b) Wiedergabe durch Nominalphrase ( mit Präposition an/ bei + substantivierter Infinitiv)
Diese Form findet sich vor allem in der gesprochenen Sprache und wird
fast ausschließlich bei Tätigkeitsverben ohne Ergänzung verwendet.
(39)
Cosa stai facendo? – Sto stirando.
Was machst du gerade? – Ich bin am Bügeln.
(40)
Stavo pranzando.
Ich war (gerade) beim/am Mittagessen…
109
2.9.2. andare + gerundio
Mit dieser Konstruktion wird eine fortgesetzte oder wiederholte Handlung
ausgedrückt. Sie kann nur durch eine Verbalphrase wiedergegeben werden
(z.B. mit: immer wieder/ immer mehr/ nach und nach/ allmählich)
(41)
I posti fissi vanno diminuendo.
Die festen Stellen gehen immer mehr zurück/ nehmen immer mehr ab/ verschwinden allmählich.
2.9.3. venire + gerundio
Mit dieser Konstruktion wird eine Handlung ausgedrückt, die sich ihrem
Abschluss nähert. Sie kann nur durch eine Verbalphrase wiedergegeben werden (z.B. mit: immer/ immer mehr/ nunmehr)
(42)
Mi vengo persuadendo che è impossibile lavorare con lui.
Ich komme immer mehr zur Überzeugung, dass es unmöglich ist, mit ihm zu
arbeiten.
ÜBERSICHT: WIEDERGABEMÖGLICHKEITEN DES GERUNDIO15
Funktion
Ausdruck der
Gleichzeitigkeit
Temporale
Funktion
Kausale Funktion
Modale Funktion
Verbalphrase
mit
Nominalphrase
mit
und
während
wobei
während + Gen.
bei + Dat.
als
während
wenn
nachdem
wobei
weil
da
wodurch
gleichzeitig:
bei + Dat.
während + Gen
nachzeitig:
nach + Dat.
wegen + Gen.
aufgrund + Gen.
durch + Akk.
unter + Dat.
mit + Dat.
bei + Dat.
indem
wobei
Anmerkungen
Bei Wiedergabe
mit und evtl. Angaben: dabei,
gleichzeitig, währenddessen
(selten: Partizip
Präsens)
selten: Partizip
Präsens
15
Diese Tabelle basiert auf Jung (1987: 253). Zu berücksichtigen: nicht alle Varianten sind
stilistisch gleich gut.
110
Instrumentale
Funktion
Konditionale
Funktion
Konzessive
Funktion
Funktion des
irrealen Vergleichs
Progressive
Funktion:
stare + gerundio
indem
dadurch, dass
wodurch
womit
wenn
falls
obwohl
wenn… auch
durch + Akk.
bei + Dat.
im Fall + Gen.
trotz + Gen.
als ob/ als
gerade…..
dabei sein + Infinitiv
am/beim… sein +
substant. Infinitiv
andare + gerundio
immer mehr
nach und nach
allmählich
venire + gerundio
immer mehr
nunmehr
bei + Dat.
Aufgaben und Übungen
A. Kombinieren Sie: Welche gerundio-Form hat welche Funktion? Gibt es auch Fälle
mit mehreren möglichen Funktionen?
a. Girando l’angolo l’ho visto scappare.
b.
Pur protestando energicamente non ho
ottenuto niente.
irrealer Vergleich
“Mia mamma”, disse l’uomo,
stringendola con tenerezza.
Koordination mit “und”
Digiunando per settimane ha perso
dieci kg.
modal
Vedendola arrivare in ritardo mi
arrabbiai moltissimo.
konzessiv
f.
Capirai tutto ripassando il capitolo.
konditional
g.
Passando le vacanze in Grecia le ragazze
si divertivano molto.
instrumental
c.
d.
e.
111
h.
i.
j.
Passando un semestre ad Heidelberg ha
migliorato molto il suo tedesco.
kausal
Non avendo prenotato, non abbiamo
trovato posto al ristorante.
temporal
Lo guarda, come volendo misurare la
distanza che lo separa da lei.
B. Ergänzen Sie nun die Übersetzung der oben stehenden Sätze.
Bei manchen Sätzen gibt es mehrere Möglichkeiten.
a. ………… ich um die Ecke bog, sah ich ihn weglaufen. (temporal)
Ich bog um die Ecke .……. sah ihn weglaufen. (Koordination mit „und“)
b.
…………. ich heftig protestierte, habe ich nichts erreicht. (konzessiv)
…………. meines heftigen Protestes habe ich nichts erreicht. (konzessiv)
c.
- „Meine Mami“, sagte der Mann, ……/…… er sie zärtlich an sich drückte.
(modal/ temporal)
- „Meine Mami“, sagte der Mann ….. drückte sie zärtlich an sich. (Koordination
mit „und“)
d.
………/ .…… er/sie wochenlang fastete, hat er/sie 10 kg abgenommen.
(instrumental/ kausal)
…………..wochenlanges Fasten hat er/sie 10 kg abgenommen. (instrumental)
e.
………/……ich sah, dass sie zu spät kam, wurde ich sehr wütend. (temporal/kausal)
f.
Du wirst alles verstehen, ………./……… du das Kapitel wiederholst. (instrumental/konditional/temporal)
………../……… Wiederholen des Kapitels wirst du alles verstehen. (instrumental/konditional/temporal)
g.
……. sie die Ferien in Griechenland verbrachten, amüsierten sich die Mädchen
sehr. (temporal)
h.
…… /………. sie ein Semester in Heidelberg verbracht hat, hat sie ihr Deutsch
sehr verbessert. (instrumental)
i.
………... wir nicht reserviert hatten, haben wir im Restaurant keinen Platz gefunden. (kausal)
j.
Sie schaut ihn an, ………. wollte sie die Entfernung messen, die sie von ihm
trennt. (Vergleich)
112
Sie schaut ihn an, ………. sie die Entfernung messen wollte, die sie von ihm
trennt. (Vergleich)
C. Übersetzen Sie die folgenden gerundio-Konstruktionen und verwenden Sie zur
Wiedergabe der instrumentalen Funktion indem, dadurch, dass und durch.
Beispiel: mangiando sano
- indem man gesund isst
- dadurch, dass man gesund isst
- durch gesundes Essen
a. leggendo (lesen)
b. aspettando pazientemente (geduldig warten)
c. cantando forte (laut singen)
d. bussando alla porta (anklopfen)
e. recitando una poesia (ein Gedicht aufsagen)
f. guardando attentamente (aufmerksam hinschauen)
D. Übersetzen Sie die folgenden gerundio- Konstruktionen und verwenden Sie zur
Wiedergabe der progressiven Funktion „gerade“, „dabei sein“ und „am/beim“
Beispiel: Max si sta lavando i denti.
- Max putzt sich gerade die Zähne.
- Max ist dabei sich die Zähne zu putzen.
- Max ist gerade am Zähneputzen. (ugs.)
a. Piero sta facendo le valigie. (Koffer packen)
b. Carlo sta facendo una torta. (Kuchen backen)
c. Enrico sta pulendo la casa. (putzen)
d. Alessandro sta studiando. (lernen)
e. Stefano sta mettendo in ordine la stanza. (aufräumen)
f. Paolo sta giocando a calcio. (Fußball spielen)
E. Geben Sie die folgenden Sätze jeweils durch Koordination mit und wieder. Benutzen Sie die angegebenen Vokabeln.
Beispiel: È partita lasciando un grande disordine.
(sie – abreisen – groß – Unordnung – hinterlassen)
Sie ist abgereist und hat eine große Unordnung hinterlassen.
a.
Laura entrò salutando tutti.
(hereinkommen – grüßen – alle).
b.
L’intervistato replicò duramente parlando di “censura profondamente ingiusta”.
(der Interviewte – reagieren – scharf – sprechen – von – zutiefst – ungerecht –
Zensur)
c.
Il ministro della salute indiano ha chiesto alle icone del cinema di dare il buon
esempio smettendo di fumare nei film.
(indisch – Gesundheitsminister – auffordern – Filmstars – mit gutem Beispiel vorangehen – in – Filme – mit – rauchen – aufhören)
113
d.
I carabinieri hanno sequestrato un quintale di stupefacenti arrestando un uomo
in un parcheggio di un’area di servizio.
(Carabinieri – 100 kg – Rauschgift – beschlagnahmen – auf – Parkplatz – Raststätte – Mann – festnehmen)
e.
Due uomini armati hanno fatto irruzione nell’ufficio, e, minacciando i dipendenti,hanno chiesto 5000 Euro.
(zwei Männer – bewaffnet – stürmen + Akk. – Büro – bedrohen – Angestellte –
verlangen)
f.
Il ragazzo è scappato facendo perdere le proprie tracce.
(Junge – weglaufen – verschwinden – spurlos)
g.
Si guardò attorno incuriosita, studiando tutte quelle facce nuove.
(sie – sich umschauen – neugierig – studieren – alle – neu – Gesicht)
h.
Mi caricai sulle spalle lo zaino, tenendo in ciascuna mano un bagaglio.
( Ich – laden – mir – Rucksack – auf – Schultern – halten – in – jede – Hand–
Gepäckstück)
F. In den folgenden Sätzen hat das gerundio die Funktion eines „Modus“ bzw. „Begleitumstandes“; Sie können es mit dem Partizip Präsens übersetzen. Hier dürfen Sie
auch das Wörterbuch verwenden.
Beispiel: Il bambino è venuto da me piangendo.
Das Kind kam weinend zu mir.
a.
b.
c.
d.
e.
Quell’uomo si avvicinò zoppicando.
Vieni con me, disse sorridendo.
Guardandosi intorno attentamente raggiunse l’uscita.
Esitando un po’ accettò l’offerta.
Mi rivolse queste parole quasi gridando.
G. In den folgenden Sätzen hat das gerundio instrumentale/modale bzw. temporale
Funktion. Benutzen Sie die Präpositionen „bei“, „durch“ oder „mit“.
Beispiel: Si è rotta il braccio sciando.
Sie hat sich beim Skifahren den Arm gebrochen.
a.
b.
c.
d.
e.
f.
g.
Abbiamo passato la serata ridendo e scherzando.
Si è rotto il piede ballando il tango.
Ascoltando regolarmente questo CD potrai migliorare anche la pronuncia.
Leggendo il giornale mi è venuta questa idea.
Anche urlando non mi convincerai.
Sbagliando si impara.
Non era chiaro se la porta si apriva spingendo o tirando.
114
H. Verwenden Sie bei der Wiedergabe der folgenden Sätze Präpositionaladverbien
(„womit“, „wobei“ „wodurch“). Suchen Sie unbekannte Wörter im Wörterbuch.
Beispiel: L’automobilista è passato col rosso, provocando un grave incidente.
- Der Autofahrer fuhr bei Rot über die Ampel, wodurch er einen schweren Verkehrsunfall verursachte.
a. Gli sciatori sono stati salvati utilizzando anche un elicottero.
b. La bibliotecaria ha messo i libri antichi nella vetrina facendo attenzione che i
titoli fossero ben visibili.
c. Nel mercato delle automobili, le marche nazionali hanno registrato oltre 73 mila
immatricolazioni, migliorando di 0,3 punti la propria quota di mercato e raggiungendo il 31,6% del totale.
I. Rekapitulieren Sie noch einmal alle potentiellen Funktionen des gerundio und übersetzen Sie dann:
a. Paolo ha fatto ripartire la macchina spingendola.
b. Essendo stato aiutato da Giovanni, Paolo ha fatto ripartire la macchina.
c. Lavorando insieme, le due amiche si vedono tutti i giorni.
d. Avendo chiesto l’autorizzazione ha il diritto di passare.
e. Pur avendo vinto il concorso non è ancora stata assunta.
f. Parlando lei non posso parlare io.
g. Avendolo ordinato il medico lui lo deve accettare.
h. È guarita facendo questa cura omeopatica.
i. Camminava trascinando i piedi.
j. Sì, rispose sorridendo.
k. Lasciò il marito portando i bambini con sé.
l. Non avendo né lei né il suo partner preso delle precauzioni è rimasta incinta.
m. Abbiamo visto la professoressa Gallo uscendo dall’aula.
n. Pur avendo gli stessi genitori hanno dei caratteri completamente diversi.
o. Avendo perso la password non riesco più a leggere le e-mail.
p. Avendo io in tasca i biglietti lei non è riuscita a partire.
q. Presto le donne potrebbero procreare facendo a meno dell’intervento maschile.
r. Esaminando i tre principali gruppi linguistici, lo studio pubblicato da “Science”
è giunto ad una conclusione interessante.
s. Avendo sentito bussare alla porta e avendo detto “Avanti” vidi entrare una signora bionda.
t. Nel dopoguerra la presenza femminile nelle scuole andava aumentando.
u. Era l’argomento principale di cui si stava occupando in quegli anni.
J. Übersetzen Sie folgende Ausschnitte aus Andante con tenerezza von Laura Mancinelli (2007, Torino, Einaudi).
a. Forse avevo commesso un peccato di superbia chiedendo di scrivere la mia tesi
su Giacomo Leopardi. (53)
b. Quanti siete quest’anno! – esclamò il professore vedendoci. […] Bene, bene,
vedo che andiamo aumentando. L’anno scorso eravate tre. (54)
115
c.
d.
e.
f.
g.
h.
Ho scoperto la letteratura medievale, ricchissima e talmente sconosciuta, allora,
che i corsi di tedesco cominciavano dal Settecento, ignorando tutto quello che
c’era stato prima. (54)
Mi sedevo alla macchina da scrivere su cui stavo ribattendo la mia tesi di laurea.
(56)
… a Rapallo mi sentivo a casa mia, essendo la città a pochi chilometri da Cavi.
(131-132)
Terminati gli impegni universitari scappai a Cavi, godendo avidamente del sole e
dell’acqua (132).
Lì portai a termine il mio ultimo libro di germanistica, una storia della letteratura medievale […] su cui avevo lavorato già a lungo traducendo le opere che più
mi piacevano. (132)
…La fatica di quel libro a cui stavo lavorando da più di due anni…(134)
K. Übersetzen Sie den folgenden (gekürzten) Ausschnitt aus der Kurzbiographie von
Laura Conti:
Laura Conti, unica autrice italiana di „ecologia narrata“, nacque a Udine e trascorse la giovinezza a Milano dove frequentò la facoltà di medicina. Di famiglia antifascista, nel 1944 entrò nelle brigate del Fronte della gioventù, e nell’agosto dello
stesso anno venne arrestata e deportata in un campo di smistamento di Bolzano.
Nel 1965, nel romanzo „la condizione sperimentale”, avrebbe raccontato di un lager
di transito, trasferendo per la prima volta una tale esperienza in una narrazione. Nel
campo di concentramento costruì una fitta rete di comunicazione con i partigiani e
fece memoria di questo intenso e sofferto periodo della storia, curando nel 1961
l’imponente „Bibliografia della stampa clandestina antifascista”.
Venne liberata il 1 maggio 1945. Riprese gli studi di medicina, laureandosi nel 1949.
Si specializzò in medicina occupandosi in particolare di ortopedia infantile.
Alla sua professione di medica affiancò l’impegno politico nel Partito Comunista
Italiano ricoprendo tra il 1960 e il 1970 la carica di Consigliera provinciale a Milano.
Arrivò all’ ecologia attraverso tre tappe: dalla medicina, rendendosi conto che le
vere conquiste nel campo della salute possono essere fatte solo nell’ambito della
prevenzione; dalla scoperta dei nessi fra l’economia e l’ecologia, e, infine, dalla
constatazione di una inadeguatezza della scienza rispetto alla tecnologia.
Nel 1976, con l’incidente avvenuto a Seveso, il suo nome venne conosciuto dal grande
pubblico in quanto con coraggio condusse per anni una durissima campagna contro
quanti volevano minimizzare il disastro ed eludere responsabilità politiche e civili.
Nel 1978 scrisse „Una lepre con la faccia da bambina”, un romanzo ispirato a quel
dramma. Nello stesso periodo cominciò ad affrontare i problemi e i limiti della scelta
nucleare, contro la quale si oppose spiegandone le ragioni scientifiche.
Nella convinzione che la cultura ambientalista dovesse tradursi in una pratica politica, lavorò alla fondazione della Lega per l’Ambiente (più tardi Legambiente) diventando una presenza autorevole nell’ambientalismo italiano.
(Sara Sesti/ Liliana Moro, Scienziate nel tempo. 60 biografie. Milano 2006: 162f.)
116
Literatur
Übungsbücher (nicht mehr im Handel)
Gras Ferraresi B., Tomelleri Kromberg L. (1994), Confronti/ Vergleiche, Bologna,
Zanichelli, 172-177.
Fuchs H. P., Poznanski M. C. (ohne Jahr), Strukturen. Ein Deutschkurs für Fortgeschrittene. Übungen zur Übersetzung, Rom, LEDE, 155-156.
Forschungsliteratur:
Bosco Coletsos S., Costa M. (Hgg.) (2006), Italiano e tedesco. Un confronto, Alessandria, Edizioni dell’Orso, 291-293.
Held G. (1982), “La struttura del gerundio-participio presente nell’analisi critica delle
traduzioni. Discussione di un metodo contrastivo”, SLI 20, 315-338.
Jung L. (1987), „Fehleranalyse Italienisch-Deutsch. Il gerundio”, in Destro A. et al.
(Hgg.), Tradurre, Teoria ed esperienze, Bolzano, Provincia Autonoma, 247-256.
Pusch L. F. (1978), „Das Gerundio als Ausdruck der Gewichtung: Eine kontrastive
Untersuchung am Deutschen und Italienischen“ in Schwarze, C., Kasusgrammatik
und Sprachvergleich. Kontrastive Analysen zum Italienischen und Deutschen,
Band 2, Tübingen, Narr, 188-230.
Pusch L. F. (1980), Kontrastive Untersuchungen zum italienischen gerundio. Instrumental- und Modalsätze und das Problem der Individuierung von Ereignissen,
Tübingen, Niemeyer.
Serra Borneto C. (1982), „Zur Übersetzung des italienischen Gerunds ins Deutsche.
Eine konfrontative Studie“ ZPhon (Zeitschrift für Phonetik, Sprachwissenschaft
und Kommunikationsforschung) 35, 439-453.
Grammatiken
Krenn H. (1996), Italienische Grammatik, Ismaning, Hueber, 564-577.
Renzi L., Salvi G., Cardinaletti A. (Hgg.) (2001), Grande grammatica italiana di
consultazione, Vol. II, Bologna, il Mulino, 571-592.
Schwarze, C. (1988), Grammatik der italienischen Sprache, Tübingen, Niemeyer,
189-192.
Serianni, L. (2006), Grammatica italiana. Italiano comune e lingua letteraria. Novara, De Agostini, 484-486.
117
DIE SPRACHE DER DICHTER UND DENKER:
BEWEGT DIE SATZKLAMMER DEN GEIST?
Marita Kaiser
1. Überlegungen zu Sprachbau und Sprachverhalten
Während Italienisch gerne als eine Sprache der Heiligen und Helden charakterisiert wird, ist Deutsch eine Sprache, die gerne den Dichtern und Denkern zugeordnet wird.
Ob nun Heilige, Helden, Dichter oder Denker, Sprache ist – in welcher
Weste auch immer – „Tätigkeit“, ist „wirkende Kraft“. Sie ist nicht ein „da
liegender, in seinem Ganzen überschaubarer (…) Stoff“, sondern ein „sich
ewig erzeugender Prozess“ (Humboldt 1903/1936, Bd.8: 58). Sie macht „von
endlichen Mitteln einen unendlichen Gebrauch“ (ebd., S. 99).
Dennoch ist festzuhalten, dass jede Sprache entsprechend ihrer spezifischen Form über ein determiniertes – von anderen Sprachen verschiedenes –
Inventar an semantischen und strukturellen Möglichkeiten verfügt, innerhalb
derer der Mensch seine Gedanken ordnet, Informationen speichert, die Welt
versteht und innerhalb derer er sich ausdrückt, d.h. sprachlich agiert. W. v.
Humboldt (1767-1859) hat in seinen Forschungen „Über die Verschiedenheit
des menschlichen Sprachbaus und ihren Einfluss auf die geistige Entwicklung
des Menschengeschlechts“1 die Theorie vertreten, dass die Sprache das Denken und die Wahrnehmung von Welt der jeweiligen Mitglieder einer Sprachgemeinschaft auf eine bestimmte Art und Weise strukturiert und determiniert2.
1
W. v. Humboldt (1835), S. 144-367.
Zu weiteren Vertretern dieser von Humboldt erarbeiteten sprachwissenschaftlichen Konzeption zählen in Deutschland vor allem Leo Weisgerber (1899-1985), Walter Porzig (18951961) und Jost Trier (1894-1970), sowie unabhängig davon in Amerika die ethnolinguistisch
motivierten Vertreter der Sapir-Whorf-Hypothese, bei der es sich um eine von Benjamin Lee
Whorf (1897-1941) auf der Basis der Sprachauffassung seines Lehrers Edward Sapir (18841939) entwickelten Forschungshypothese gleichen Charakters handelt.
2
118
Beruht sprachliches Handeln prinzipiell auf vier Kompetenzen und zwar
auf einem im mentalen Lexikon gespeicherten Inventar von Einzelelementen
in Form von Lauten und Wörtern, auf den Verknüpfungsregeln dieser Einzelelemente in Form von syntaktischen Strukturen, auf der Integration von Aussage und Bedeutung auf sinnhafter, propositionaler Ebene und auf der Integration des Satzes in den laufenden Diskurs, bzw. in den situativen Kontext (vgl.
Bußmann 32002: 637), so verdeutlicht gerade das Zusammenwirken, die Interaktion dieser vier Kompetenzen, wie beim „worten“ der Welt die menschliche Erkenntnis in direkter Relation zu den semantischen und strukturellen
Möglichkeiten ihrer Sprache steht.
Geht man nun von einem kompletten sprachlichen Determinismus oder
von einer wechselseitigen Beeinflussung von Sprache und Denken aus, so ist
doch festzuhalten, dass die Eigenschaften von Sätzen oder von Konstituenten
des Satzes wichtige Signale der kommunikativen Struktur darstellen, weil sie
in direkter Beziehung zum gedanklichen Inhalt der Äußerung stehen (vgl.
Schwarze 1988: 680), oder: die Äußerung bestimmter Inhalte steht in direktem Bezug zum Satz, seiner Form und Funktion.
„Diese mentale Grammatik ist mit dem mentalen Lexikon verbunden, das den Wortschatz einer Sprache enthält. Während die Eigenschaften der Lexikoneinheiten nicht
durch Regeln abgeleitet und daher Element für Element gelernt werden müssen, besteht das grammatische System aus Regeln und Prinzipien, die festlegen, in welcher
Weise die Lexikoneinheiten zu komplexen Syntagmen (also zu größeren Einheiten, in
erster Linie zu Sätzen) kombiniert werden können.“ (Jungen – Lohnstein 2006: 9)
Beim Erwerb des Deutschen als Fremdsprache erweist sich also gerade das
grammatische System als ein sprachliches Identifikationselement, das sich
immer wieder – gerade weil es auf Regeln und Prinzipien beruht – an den im
Spracherwerbsprozess erworbenen sinngebenden, muttersprachlichen Strukturen orientiert, die vor allem hinsichtlich der Syntax in einem starken Kontrast
zum Deutschen stehen:
Während der italienische Satz in seiner linearen Struktur (vgl. Schwarze
1988: 323f.) den Gedanken auf eine kontinuierliche Weise begleitet, beruht
der deutsche (und niederländische) auf einem Grundprinzip des diskontinuierlichen3 Satzbaus, der durch die sog. Satzklammer (auch Verbklammer, Prädikatsklammer oder verbale Klammer) charakterisiert ist:
„Das Deutsche weist neben der Zweitstellung des finiten Verbs noch die Eigenheit
auf, die weiteren Prädikatsteile (z.B. infinite Verben oder trennbare Verbzusätze) an
die letzte Position im Satz zu stellen. Man spricht hier von der verbalen Klammer des
3
Vgl. Kessel – Reimann 2005: 2, die von einem “diskontinuierlichen Prädikat” sprechen.
119
Deutschen. Diese hat den Nachteil, dass der Leser/Hörer einer Nachricht unter Umständen sehr lange auf die eigentliche Satzaussage warten muss, nämlich dann, wenn
die Prädikatsteile sehr weit voneinander entfernt stehen.“ (Kessel – Reimann 2005: 9),
wie zum Beispiel:
(1)
Der Polizeichef hörte den Politiker auf seiner langen Reise gegen den erneut
aufblühenden Rassismus in Südafrika
a. ab.
b. viele interessante Dinge sagen.
(2)
Karin hat ihrem Freund den Kinobesuch bei schlechtem und den Spaziergang
bei schönem Wetter
a. zu-/abgesagt.
b. vorgeschlagen.
c. versprochen.
Die Position des mehrteiligen Prädikats im Deutschen erfordert also die
Kernaussage des Satzes bis zum Ende wach zu halten, um ihn wirklich verstehen zu können (vgl. Gras Ferraresi - Tomelleri Kromberg 1994: 119 ). Dies
bedingt eine Spannung im Satz, die sowohl bei der Produktion als auch bei
der Rezeption besondere Aufmerksamkeit verlangt und vielleicht gerade deshalb nicht nur das sprachliche Verhalten, sondern auch die Mentalität, die
sprachliche Kultur einer Sprachgemeinschaft im weitesten Sinne beeinflusst:
Die bewusste Platzierung einzelner Satzelemente auf ein bestimmtes, zu definierendes, verbales Ziel hin bedarf einer Art der Konzentration, die vielleicht
eine Kultur des sprachlichen Agierens bevorteilt hat, in der ungestörtes Aussprechen-Lassen und gezieltes Zuhören so hoch bewertet werden. Vielleicht
liegt auch in dieser gespannten Ausformulierung durch gezielte Platzierung
der einzelnen Satzelemente eine Ursache für jenes tiefsinnige, nachdenkliche
sinnierende Element deutscher Weltansicht, das sich für die logische Verknüpfung komplexer Systeme, deren kontinuierlicher Hinterfragung und Weiterentwicklung, wie z.B. in der Philosophie, so gut eignet.
Bildet zwar der Satz eine relativ selbständige, abgeschlossene sprachliche
Einheit, so wird er in der Regel zusammen mit anderen Sätzen zu einem Text
in der geschriebenen Sprache oder einem Diskurs in der gesprochenen Sprache kombiniert. Dabei markieren die Interpunktion im Text und der Intonationsverlauf im Diskurs sowohl grammatische als auch semantische Aspekte
der Sprache, die sich im Deutschen anders als im Italienischen hauptsächlich
an syntaktischen Strukturen orientieren (vgl. Behrens 1989). Die Kennzeichnung des Satzes durch eine klare Interpunktion oder Intonation bildet gerade
auch wegen der Endposition einzelner Prädikatsteile und der damit bedingten
Spannung im Satz einen wichtigen Faktor beim Verstehen von Text und Diskurs. Erlaubt der Satzbau auch komplexeste Strukturen, so ist es vor allem im
fremdsprachlichen Bereich ratsam, nur eine begrenzte Anzahl von Kompo120
nenten zu einem Satz zusammenzusetzen damit dieser nicht kollabiert. Öfter
mal einen Punkt zu setzen, erfordert das Thema, den Inhalt einer sprachlichen
Handlung – oft im Kontrast zum Italienischen – in mehrere kleine sprachliche
Einheiten (Sätze) zu zerlegen, die dann entsprechend der Regeln der Kohäsion
und Kohärenz aufeinander bezogen den kognitiv-kommunikativen Sinnzusammenhang des Gesamttextes oder -diskurses ergeben4.
Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass der deutsche Satzbau nicht nur hinsichtlich des grammatischen Regelsystems in starkem Kontrast zur muttersprachlich erworbenen, italienischen mentalen Grammatik
steht, sondern auch darüber hinaus das kommunikative Verhalten in der
Sprachverwendung wesentlich beeinflusst. Unterliegen auch grammatische
und kommunikative Kompetenz unterschiedlichen Regeln und Prinzipien, so
wird doch gerade auch am sprachlichen Verhalten unterschiedlicher Kulturen
deutlich, wie grammatische Strukturen und Relationen die Kultur sprachlicher
Interaktion prägen können.
2. Das Grundprinzip der deutschen Wortstellung: die Satzklammer
und ihre topologischen Felder
Entsprechend einer Redensart behauptet sich im Deutschen als der stärkere, rechtmäßige und damit entscheidende Partner im Diskurs, wer das letzte
Wort hat. Ob sich dies aus der Endposition vieler Prädikatsformen ableitet,
bleibt dahin gestellt. Sicher ist jedoch, dass das letzte Wort in vielen Satzarten
entscheidend ist für die formale, grammatische Richtigkeit des Satzes und für
seine Bedeutung und Funktion im Kontext.
„Wenn wir (also) sprechen oder etwas schreiben, so sind unsere Äußerungen nicht einzelne unzusammenhängende Wörter, sondern größere Kombinationen von Wörtern, das heißt Sätze. Es ist leicht zu sehen, dass die Wörter
nicht wahllos zu Sätzen kombiniert werden können“ (Meibauer et al. 22007:
121), sondern einem Regelsystem folgen5. Für die Beschreibung dieses
Regelsystems ist im Deutschen vor allem die Position des Verbs von zentraler
4
Kohäsion oder auch grammatische Kohärenz bezeichnet jene Elemente in einem Text, die
zur Verknüpfung der Textteile führen, wie z.B. durch Wiederholungen, Rekurrenzen, Textverweisen, Pro-Formen, Ellipsen, Konjunktionen, etc. Die semantische Kohärenz betrifft den
inneren Zusammenhang, die verdeckte Verknüpfung von Textelementen durch das Weltwissen,
das Sprechhandlungswissen und das Textsortenwissen der Kommunikationspartner (vgl. u.a.
Kürschner 62008: 223ff.; Kessel – Reimann 2005: 199ff.; Adamzik 2004; Beaugrande – Dressler 1981; Bußmann 32002: 357; Knobloch 1994; Rickheit – Schade 2000).
5
Die Regeln, nach denen Wörter zu grammatischen Sätzen kombiniert werden, sind der
zentrale Gegenstand der Syntax (Lehre vom Bau der Sätze).
121
Bedeutung. Der traditionellen Schulgrammatik6 folgend übernehmen Verben
als eine konjugierbare Wortart im Satz die Funktion des Prädikats, das auf das
Subjekt bezogene Vorgänge, Zustände oder Handlungen bezeichnet. In seiner
Kongruenz bezüglich Person und Numerus ist das Prädikat mit der finiten
Verbform direkt auf das Subjekt bezogen. So besteht ein Satz in seiner minimalen Form aus mindestens diesen zwei Satzgliedern: dem „prädikativen
Teil, der ein finites Verb enthalten muss, und einem nominalen Satzglied an
Subjektstelle.“ (Pospiech 52005: 125)7. Neben Subjekt und Prädikat als Mindestbesetzung für einen Satz können weitere Satzglieder in Form von Objekten, adverbialen Bestimmungen und Attributen den Satz in seiner Komplexität
erweitern. Hier eine Übersicht (nach Kürschner 62008: 176):
6
Da die Grammatikbeschreibung vom Griechischen auf das Lateinische und schließlich auf
die deutsche Sprache übertragen wurden, bildet die Terminologie der lateinischen Grammatik
das Grundgerüst zahlreicher Grammatiken in Schule und Universität und auch im Bereich DaF.
Deshalb werden hier die Grundbegriffe der Syntax aus dieser Perspektive beschrieben. “Die
Wortarten- und Satzgliedlehre der traditionellen Schulgrammatik verbindet formale und inhaltliche Aspekte der Syntax mit Grundkategorien der Logik.” (Pospiech 52005: 128)
7
Ausgehend von der Dependenzgrammatik bestimmt das Verb auf Grund seiner Valenz
Zahl und Art aller obligatorischen Elemente des Satzes. (s. auch den Beitrag von Nied Curcio
zur Valenz in diesem Band sowie Dürr – Schlobinski 32006: 109-164)
122
Die Satzart wird dann vor allem durch die Stellung des finiten Verbs als
notwendigem Teil des Prädikats in seiner syntaktischen Struktur und kommunikativen Funktion gekennzeichnet. Aus den drei Verb-Stellungen im Deutschen: Erst-, Zweit- und Letztstellung, leiten sich unter Berücksichtigung des
Modusgebrauchs und der Intonation/Interpunktion (mindestens) vier Satzarten
ab: Aussage-, Frage-, Aufforderungs- und Ausrufesatz:
Stellung des Verbs:
Verb-Erststellung
= Stirnsatz
Satzart:
Entscheidungsfrage:
Aufforderungssatz:
(Befehlssatz)
Ausrufesatz
(Wunschsatz8)
Beispiel:
Trinkst du einen Kaffee?
Fährt sie mit dem Auto?
Nimm die Medizin!
Schreibt einen Aufsatz!
Ginge doch die Sonne auf.
Wäre doch endlich Sommer.
Verb-Zweitstellung
= Kernsatz
Hauptsatz:
Aussagesatz
Ergänzungsfrage:
Er geht nach Hause.
Ich möchte den Bus nehmen.
Warum kommt er so spät?
Wohin gehst du?
Verb-Letztstellung
= Spannsatz
Nebensatz:
durch Subjunktion
oder Relativwort
…, dass er nach Hause geht.
…, weil sie einen Brief liest.
…, die Karin heisst.
Gilt in der Regel, dass Hauptsätze Kernsätze und Nebensätze Spannsätze
sind, so dient diese Unterteilung der Satztypen auch um die Form des Satzes
näher zu bestimmen.
„Haben wir lediglich ein finites Verb (in Zweitstellung) dann liegt ein einfacher Satz
vor. Wenn mehr als ein finites Verb (und damit mehr als ein Prädikat) vorkommt,
dann ist das zunächst ein komplexer (= zusammengesetzter) Satz. Er kann eine Satzreihe (Parataxe) mit einer Reihung von Hauptsätzen9 oder ein Satzgefüge (Hypotaxe)
mit einer hierarchischen Struktur von Hauptsatz/Hauptsätzen und mindestens einem
untergeordneten Nebensatz sein.“ (Kessel – Reimann 2005: 6)
Neben mehreren Prädikaten in einer Satzreihe oder einem Satzgefüge existiert auch im einfachen Satz das mehrteilige Prädikat, das sich aus zwei Bestandteilen zusammensetzen kann: Dem finiten, d.h. nach Person, Numerus,
8
Der Wunschsatz bezeichnet einen konjunktivischen Ausrufesatz und wird in einigen
Grammatiken als eigene Satzart bezeichnet.
9
Es handelt sich hierbei um die Hauptsätze, die hauptsächlich durch die sogenannten aduso
(aber, denn, und, sondern, oder) Konjunktionen miteinander verbunden werden.
123
Tempus, Modus, Genus konjugierten Verb und dem infiniten, d.h. nach Tempus und Genus bestimmten Verbzusatz (= Infinitiv oder Partizip). Das mehrteilige Prädikat:
finitesVerb
Vollverb
Hilfsverb:
haben/sein
hatte/war
werden
werden
werden
Modalverb
….
infiniter Verbzusatz
-- / Präfix
Tempus/Genus/Modus
Präsens/Präteritum
Partizip II
Partizip II
Infinitiv
Partizip II +
Infinitiv: haben/sein
Partizip II
Infinitiv
Perfekt
Plusquamperfekt
Futur I
Futur II
Passiv
Modus
Diese zwei Teile eines einzigen Prädikats bilden zusammen die sogenannte
Satzklammer, „d.h. der finite Teil des konjugierten Verbs umrahmt zusammen
mit dem infiniten Teil die Verbalphrase. Auch Verben mit trennbaren Präfixen bilden eine Prädikatsklammer.“ (Pospiech 52005: 132) Das zweiteilige
Prädikat wird deshalb als diskontinuierlich bezeichnet, weil die zwei Teile
durch andere Satzglieder voneinander getrennt werden und nicht wie im Italienischen kontinuierlich aufeinander folgen, wie zum Beispiel:
(3)
Ho comprato carne e verdura per la cena sta sera.
Ich habe Fleisch und Gemüse für das Abendessen heute Abend gekauft.
Aus der Diskontinuität von finitem und infinitem Prädikatsteil leitet sich
die Einteilung des deutschen Satzes in topologische Felder10 ab, die durch die
Satzklammer bestimmt werden: Das finite Verb bildet in Verberst- (V1) und
Verbzweitstellung (V2) die linke Satzklammer und in Verbletztstellung (VL)
die rechte Klammer.
„Die Position vor der linken Klammer in V2-Sätzen wird gewöhnlich als Vorfeld
(VF) und die Position hinter der rechten Klammer als Nachfeld (NF) bezeichnet, zu
denen noch das Mittelfeld (MF) als die Position zwischen der linken und rechten
Klammer hinzukommt.“ (Meibauer et al. 22007: 123):
10
Dieser Bezeichnung „liegt die Annahme zugrunde, dass die Sätze im Deutschen aus mehreren aufeinander folgenden Bereichen bestehen, die mit einzelnen Wörtern oder Wortfolgen
besetzt sind und die auch als (…) Stellungsfelder bezeichnet werden (dazu Engel 1970, Reis
1980 und vor allem Höhle 1986).” (Meibauer et al. 22007: 123)
124
Satzklammer
Vorfeld
(a) ٪
٪
(b) ٪
(c) ٪
٪
(d) ٪
linke Klammer
Hast
Ginge
Hör
Kommst
Wäre
Kommt!
(g) Sie
(h) Er
(i) Ich
Wer
Darauf
(j) Er
Er
(k) Ich
schläft.
segelt
möchte
ist
kannst
ist
hat
weiss,
(l) ٪
(m) ٪
٪
, was
, die
, dass
Mittelfeld
du einen Kaffee
doch die Sonne
endlich
rechte Klammer
getrunken?
auf.
auf
den Bus
so spät
du noch lange
heute besser
heute Mittag
nehmen.
gekommen?
warten.
geschwommen
versucht
sie
er ihm ein Buch
ist.
hat lesen müssen.
geschenkt hat.
Nachfeld
damit!
du?
doch …..
gerne.
als ich.
zu essen.
was in der
Tasche ist.
Bezüglich der Besetzung der topologischen Felder lassen sich entsprechend der Verbstellung im Satz folgende Regeln aufstellen:
Generell gilt (vgl. auch Meibauer et al. 22007: 125):
- Mittelfeld, rechte Satzklammer und das Nachfeld müssen nicht unbedingt
besetzt sein.
- Die linke Satzklammer ist immer besetzt.
- Nur V2-Sätze haben ein Vorfeld.
- „Weil infinite Verben nicht in der linken Satzklammer stehen können, sind
alle V1- und V2-Sätze finit und alle infiniten Sätze VL-Sätze.“
- In allen VL-Sätzen muss die rechte Klammer besetzt sein.
Stirnsatz: Verberststellung (V1)
Diese Satzart weist kein Vorfeld auf. Bei einem einteiligen Prädikat besteht
der Satz mindestens aus der linken Satzklammer: (d) Aufforderungssatz. Bei
der Entscheidungsfrage (c) oder dem Wunschsatz (c) folgt der linken Klam-
125
mer das Nachfeld11. Bei einem zweiteiligen Prädikat besteht jeder Typ des
Stirnsatzes mindestens aus der linken Satzklammer, dem Mittelfeld und der
rechten Satzklammer (a), der sich gegebenenfalls ein Nachfeld anschließen
kann (b).
Kernsatz: Verbzweitstellung (V2)
Diese Satzart hat immer eine Vorfeldbesetzung, der sich beim einteiligen
Prädikat zumindest die linke Satzklammer (g) anschließt. Bei zweiteiligem
Prädikat müssen zumindest Vorfeld, linke und rechte Satzklammer (i) besetzt
sein. Die Besetzung des Mittel- und Nachfelds ist fakultativ (j) oder hängt von
der Satzform (j) ab.
Spannsatz: Verbletztstellung (VL)
Diese Satzart wird in der Regel durch einen Kernsatz (Haupt-, Aussagesatz)
eingeleitet. Der Spannsatz besteht dann mindestens aus der linken und rechten
Satzklammer (l), in der Regel jedoch auch aus dem Mittelfeld, in dem zumindest das Subjekt des Satzes erscheint (m). Die linke Klammer wird durch die
Subjunktion, das Relativwort oder das Fragewort bei der Ergänzungsfrage in
ihrer indirekten Form besetzt.
Kontrastiv kann hier als Regel für den Hauptsatz festgehalten werden:
- Während im Italienischen das mehrteilige Prädikat als Einheit auftritt,
können im Deutschen finites und infinites Verb durch bestimmte Satzglieder voneinander getrennt werden:
(4)
-
Ho visto un film al cinema.
Ich habe einen Film im Kino gesehen.
Im Italienischen ist die Position des Prädikats frei bestimmbar. Im Deutschen befindet sich die finite Verbform immer in der zweiten Position
(linke Satzklammer). Dem konjugierten Verb kann also nur ein Satzelement vorausgehen, auch wenn es aus mehreren Wörtern besteht oder sogar aus einem kompletten Nebensatz:
(5)
Impariamo il tedesco.
Wir lernen Deutsch.
(6)
[Molti allievi] [si] trovano già sul livello A2.
Viele Schüler befinden sich bereits auf dem Niveau A2.
11
Ich lehne mich hier an das Konzept Kürschners an: Wenn beim einteiligen Prädikat keine
rechte Klammer existiert, kann auch kein Mittelfeld existieren. Der linken Klammer folgt in
diesem Fall das Nachfeld, das bei Kürschner Nachstellungsfeld heißt. (Kürschner 62008: 202)
126
(7)
[Oggi] [mio marito] [si] trova a Parigi.
Heute befindet sich mein Mann in Paris.
(8)
Dopo aver visto il film, [gli amici] andarono al bar.
Nachdem sie den Film gesehen hatten, gingen die Freunde ins Café.
Als Regel für den Nebensatz gilt:
- Der Nebensatz im Italienischen weist keine strukturellen Unterschiede
zum Hauptsatz auf. Im Deutschen hingegen besetzt das finite Verb im untergeordneten Nebensatz12 immer die letzte Position im Satz. Als einzige
Ausnahme gilt hier der doppelte Infinitiv bei den zusammengesetzten Zeiten der Modalverben.
- Das Subjekt folgt im Nebensatz fast immer der linken Satzklammer, die
durch die Subjunktion oder das Relativwort besetzt ist.
- Das Präfix trennbarer Verben vereint sich im Nebensatz wieder mit dem
Verbstamm.
- Bei den zusammengesetzten Zeiten der Modalverben (Futur/Perfekt/
Plusquamperfekt) steht das finite Verb als Ausnahme unmittelbar vor dem
doppelten Infinitiv.
3. Die Besetzung von Vor- und Mittelfeld
Das Vorfeld ist das Stellungsfeld, das vor der linken Satzklammer steht
und nur bei Kernsätzen vorkommt. Es kann durch Satzglieder besetzt werden,
die vor dem finiten Verb stehen können. Normalerweise wird das Vorfeld von
nur einem Satzglied besetzt. Entsprechend der Grundwortstellung SubjektVerb-Objekt (SVO) gilt im Deutschen – wie in den meisten Sprachen der
Welt –, dass „im einfachen Aussagesatz die Satzteile, die in Subjektfunktion
stehen, dem verbalen Prädikat vorangehen, und die Satzteile, die in Objektfunktion stehen, dem verbalen Prädikat nachgestellt sind.“ (Dürr – Schlobinski 32006: 132) Demzufolge befindet sich also in der Regel bei der normalen unmarkierten Wortstellung das Subjekt im Vorfeld und alle anderen Satzglieder wie z. B. Objekte und adverbiale Bestimmungen im Mittelfeld.
Im Unterschied zu dieser normalen Grundwortstellung (SVO) kann aber
auch entsprechend der Sprechsituation und der Absicht des Sprechers jedes
einzelne Satzglied aus dem Mittelfeld ins Vorfeld versetzt werden. Das im
Vorfeld genannte Satzglied erfährt so gemäß der kommunikativen Funktion
12
Hierbei handelt es sich um Nebensätze, die durch Relativworte oder Subjunktionen wie
z.B. weil, dass, nachdem, seitdem, etc. eingeleitet werden.
127
eine besondere Markierung13. Bezüglich des Satzbaus bedeutet dies für das
Subjekt, dass es im Deutschen dem finiten Verb direkt nachgestellt wird und
so durch Inversion ins Mittelfeld rückt. Hier einige Beispiele:
Satzklammer
Vorfeld
Ich
Peter
Einen Mantel
möchte
möchte
möchte
Mittelfeld
Peter einen Mantel
ich einen Mantel
ich Peter
kaufen.
kaufen.
kaufen
Wir
Heute
Den Unterricht
Um 8.15 Uhr
fangen
fangen
fangen
fangen
heute den Unterricht um 8.15 Uhr
wir den Unterricht um 8.15 Uhr
wir heute um 8.15 Uhr
wir heute den Unterricht
an.
an.
an.
an
Er
Letzte Woche
Ihr
hat
hat
hat
es ihr letzte Woche nicht
er es ihr nicht
er es letzte Woche nicht
gezeigt.
gezeigt.
gezeigt.
Abgesehen von der unbeweglichen, fest definierten Position des finiten
und infiniten Verbs, sind alle anderen Satzglieder beweglich. Sie können, ob
in Subjekt- oder Objektfunktion bis hin zu adverbialen Bestimmungen etc.,
relativ frei in Vor- oder Mittelfeld platziert werden. Befindet sich das Subjekt
im Vorfeld, so spricht man von einer normalen, unmarkierten Grundwortstellung. Befindet sich ein anderes Satzglied im Vorfeld, so erfährt dieses eine
besondere Markierung: entweder als betontes Element oder als Verbindungselement zu bereits Gesagtem. Das Deutsche tendiert „Altes“, bereits Erwähntes vor der neuen Information im Satz zu nennen. Das Neue – als Kernaussage – steht dann oft gegen Ende des Satzes. Deshalb wird das Vorfeld im Kontext eines Textes oder Diskurses meist durch bereits Erwähntes oder Bekanntes besetzt, wie zum Beispiel:
(9)
Ich kenne die Musikgruppe. Sie ist im September in Frankfurt aufgetreten.
Diese Stadt hat eine wunderbare Konzerthalle. Durch ihre einmalige Akkustik
wurde der Stil der Musikgruppe besonders hervorgehoben. ….
Darüber hinaus werden im Deutschen auch gerne temporale Adverbialbestimmungen an erster Stelle, im Vorfeld genannt. Neben diesen Satzgliedern
können außerdem im Vorfeld auch stehen:
13
Auch Topikalisierung oder Fokussierung genannt. (Vgl. Dürr – Schlobinski 32006: 134.)
128
Nebensatz :
Dass die Prüfung schwer ist, weiß ich.
Infinitiv mit zu:
Zu regnen hat es aufgehört.
Platzhalter es
Prädikatsteile:
Es hat ihn gefreut, dich zu sehen.
So heiß war es schon lange nicht mehr.
Hinzu kommt die Feuchtigkeit.
Nicht im Vorfeld zu nennen sind u.a. die meisten Partikeln, die Verneinung nicht, das Reflexivpronomen sich, das Personalpronomen es als Akkusativobjekt, das Indefinitpronomen ein im Akkusativ und Dativ.
Das Mittelfeld befindet sich zwischen den beiden Satzklammern und kann
durch die verschiedensten Satzglieder besetzt werden. Die Zahl und Art ist im
Prinzip unbegrenzt. Neben den obligatorischen, durch die Valenz des Verbs
bestimmten Ergänzungen14 und den fakultativen Ergänzungen können periphere Angaben jeglicher Art stehen. Die Reihenfolge der einzelnen Satzglieder ist relativ frei und wird nur durch wenige Regeln, die sich sogar teilweise
widersprechen, festgelegt. Wie bei der Vorfeldbesetzung spielen auch hier
nicht nur grammatische Faktoren eine Rolle, sondern vor allem auch semantische oder pragmatische Kriterien hinsichtlich der Markierung einzelner Satzglieder, die die Sprechsituation und Absicht des Sprechers unterstreichen helfen. Zum Beispiel:
Satzklammer
Vorfeld
Ich
möchte
Ich
möchte
Ich
möchte
Mittelfeld
Peter in Frankfurt einen Mantel
in Frankfurt Peter einen Mantel
Peter einen Mantel in Frankfurt
kaufen.
kaufen.
kaufen.
Ich
Ich
Ich
konnte
konnte
konnte
mich gestern wegen des Streiks mit Peter nicht
mich wegen des Streiks gestern nicht mit Peter
mich mit Peter nicht gestern wegen des Streiks
treffen.
treffen.
treffen.
Wir
Wir
Wir
Wir
fangen
fangen
fangen
fangen
heute den Unterricht um 8.15 Uhr
den Unterricht heute um 8.15 Uhr
heute um 8.15 Uhr den Unterricht
um 8.15 Uhr den Unterricht heute
an.
an.
an.
an
Er
hat
es ihr letzte Woche nicht
gezeigt.
14
Vgl. auch die Beiträge in diesem Band von Nied Curcio zur Valenz und von Kaiser zu
den Verben mit Präpositivergänzung und ihren Pro-Formen.
129
4. Die Reihenfolge der Satzglieder im Mittelfeld
Bei den Variationen in der Wortstellung spielt die Markierung einzelner
Satzglieder eine zentrale Rolle. Dennoch existieren einige Tendenzen im
Sprachgebrauch, die die Grundwortstellung im Mittelfeld regeln:
Subjekt ►Dativobjekt ►Akkusativobjekt ►Freie Adverbialien ►Gebundene
Adverbialien/ Genitivobjekt/ Präpositionalobjekt ►Prädikativ
Diese Abfolge der Satzglieder orientiert sich hauptsächlich an den folgenden Gesichtspunkten:
Art des Satzglieds:
Wert der Mitteilung:
Form des Satzglieds:
Bedeutung:
Stellung des Subjekts
Stellung des Objekts
Stellung der Adverbialbestimmungen
Stellung des Prädikativs
alt vor neu
bestimmt vor unbestimmt
Pronomen vor Nomen
belebt vor unbelebt
STELLUNGSTENDENZEN DER EINZELNEN SATZGLIEDER
Subjekt:
Objekt:
Adverbialbestimmungen:
Das Subjekt steht in der Regel an erster Stelle im Mittelfeld
- gleich nach der linken Klammer:
Mit Peter bin ich ins Kino gegangen.
…, weil ich mit Peter ins Kino gegangen bin.
In Form einer Nomengruppe stehen die Objekte nach dem
Subjekt und respektieren normalerweise folgende Reihenfolge:
Dativ- ► Akkusativ- ► Genitiv-/ Präpositionalobjekt
Gestern gab ich dem Mann das Buch der Weisen.
Ich diskutiere das Problem mit meinem Freund.
Generell stehen freie Adverbialbestimmungen vor gebundenen. Als freie zählen jene peripheren Angaben, die keine
obligatorische oder fakultative Ergänzung zum Verb darstellen.
Ich habe lange Zeit in Frankfurt gewohnt.
…, weil der Unterricht heute nur eine Stunde dauerte.
Sie sind im Sommer mit Freunden nach Paris gefahren.
130
Prädikativ:
alt vor neu:
bestimmt vor
unbestimmt:
Pronomen vor
Nomen:
belebt vor
unbelebt:
Die Stellung der freien Adverbialbestimmungen untereinander ist relativ frei. Generell orientiert sie sich an folgender Abfolge:
Zeit ► Grund ► Art und Weise ► Ort oder auch als (TeKaMoLo) bekannt.
Ob das Prädikativ als Teil des Prädikats oder als selbständiges Satzglied verstanden wird, seine Position befindet sich
immer an letzter Stelle im Mittelfeld vor der rechten Klammer.
Ich habe das Buch sehr langweilig gefunden.
Er wollte schon immer Lehrer werden.
…, weil ich mich seit gestern wirklich gut fühle.
Alte Information steht vor neuer Information.
Hans macht Urlaub.
Die Mutter schenkt Hans für den Urlaub Geld.
Die Mutter holt Geld auf der Bank.
Sie schenkt das Geld Hans für den Urlaub.
Nomen mit dem bestimmten Artikel (definite Nominalphrasen) haben die Tendenz links zu stehen. Die Definitheit
überwiegt den Kasus:
Er hat der Frau ein Buch geliehen.
Er hat das Buch einer Frau geliehen.
Nomen mit unbestimmtem Artikel oder artikellose Nomen
haben hingegen die Tendenz rechts zu stehen.
Er hat das Buch in den Ferien gelesen.
Er hat in den Ferien von morgens bis abends ein Buch gelesen.
Unmarkierte, d.h. schwach betonte Personal- und Reflexivpronomen stehen - unabhängig von ihrer Satzgliedfunktion unmittelbar nach der linken Satzklammer in der sogenannten Wackernagel-Position15 in folgender Reihenfolge:
Nominativ ► Akkusativ ► Dativ.
Dieses Prinzip gilt nur für die Nomengruppe. Es stellt
handlungsfähige, belebte Satzglieder (Menschen und Tiere) vor handlungsunfähige, unbelebte.
An dem Film hat dem Mann die Musik gefallen.
Der Lehrer lässt den Schüler das Quadrat zeichnen.
15
Wackernagel war der erste Sprachhistoriker, der diese Position exakt beschrieben hat
(Vgl. Duden Nr. 4 2006: 884).
131
5. Das Nachfeld
Das Nachfeld bezeichnet jenes topologische Stellungsfeld, das der rechten
Satzklammer folgt. Es kann in allen drei Stellungstypen (Kern-, Stirn- und
Spannsatz) vorkommen. Die Besetzung des Nachfeldes ist nicht obligatorisch.
Da es durch Satzglieder besetzt wird, die außerhalb der Satzklammer stehen
können, spricht man auch von Ausklammerung oder Ausrahmung. Im Nachfeld können stehen:
Nebensatz :
Ich weiß, dass die Prüfung schwer ist.
Infinitiv mit zu:
Es hat aufgehört zu regnen.
Vergleichssatz mit als oder
wie:
Präpositionalgruppe:
Apposition:
Relativsatz:
Sie hat für das Examen gelernt wie eine Verrückte.
Er hat länger geschlafen als ich.
Ich kann nichts mehr tun in dieser hektischen Zeit.
Man hat Herrn Sand angerufen, den Journalisten.
Ich habe den Mann gerufen, der dort sitzt.
Darüberhinaus erfolgt die Ausklammerung aber vor allem auch dann,
wenn komplexere Satzglieder aus dem Mittelfeld „ausgelagert“ werden, um
die Verständlichkeit und Übersichtlichkeit des Satzes zu gewährleisten. Diese
Tendenz zur Ausklammerung ist im Deutschen vor allem in der gesprochenen
Sprache, „aber auch zunehmend in der geschriebenen Hochsprache zu beobachten“ (Bußmann 32002: 106). Wie zum Beispiel:
(10)
Zunächst muss man mal unterscheiden bei der Universitätsreform zwischen
Reformen, die Geld kosten und solchen, die kein Geld kosten.
Aufgaben und Übungen
A. Analysieren Sie die folgenden Sätze: Bestimmen Sie die Satzklammer. Satzart, die
topologischen Felder und die folgenden Satzglieder: Subjekt (S), Objekt (O-Akk, ODat, O-Gen, O-Präp), Adverbiale Bestimmungen (TeKaMoLo).
100 Mark und ein fröhliches Weihnachtsfest16
a. Itzenplitz und ich waren jung verheiratet und wir besaßen eigentlich gar nichts.
b. Wenn man sehr jung, frisch verheiratet und sehr verliebt ist, spielt es keine große
Rolle, wenn man nichts hat.
c. Ich kann mich jedoch an ein Gespräch im Sommer im Stadtpark erinnern, bei
16
Nach: Hans Fallada (1980), Erzählungen. In G. B. Nielsen (Hg.), Easy Readers- Reihe B.
Dänemark: Sangill Bogtryk & offset, Holme Olstrup.
132
d.
e.
dem Itzenplitz sagte: „Ich muss immer so sehr mit dem Pfennig rechnen. Hätte
ich doch ein bißchen mehr Geld! Ich möchte mir so gern etwas kaufen.“
„Was würdest Du denn gerne kaufen?“, fragte ich. Itzenplitz begann in ihren
Gedanken zu suchen. Nachdem sie wirklich lange gesucht hatte, sagte sie: „Vor
allem möchte ich ein Paar Hausschuhe kaufen.“
Dieser Wunsch meiner Frau überraschte mich und machte mich sprachlos.Wir
haben dieses Gespräch im Hochsommer geführt, die Sonne brannte. Ich wünschte
mir in diesem Moment wegen der großen Hitze nur ein kaltes Bier und eine Zigarette an einem schattigen Ort.
B. Setzen Sie das finite Verb in die richtige Position.
a. In Frankfurt ____________ es ____________ viele Banken. (gibt)
b. Nach dem Essen ____________ sich ____________ die Kinder die Zähne.
(putzen)
c. Der Vater ____________ ihm ____________ ein Eis. (kauft)
d. ____________ Peter ____________ in Hamburg? (studiert)
e. Warum ____________ Peter ____________ in Hamburg? (studiert)
f. Schon wieder ____________ sein Fahrrad ____________ kaputt. (ist)
g. Vollkornbrot ____________ sie ____________ nicht gerne. (mag)
h. ____________ endlich ____________ die Tür zu____________! (macht)
C. Bilden Sie die Satzklammer: Setzen Sie das finite und infinite Verb in die richtige
Position.
a. In Frankfurt ____________ es ____________ bald noch mehr Banken
____________ . (wird/geben)
b. Nach dem Essen ____________ sich ____________ die Kinder die Zähne
____________. (haben/geputzt)
c. Der Vater ____________ ihm ____________ ein Eis ____________.
(hat/gekauft)
d. ____________
Peter
____________
in Hamburg ____________?
(hat/studiert)
e. Warum ____________ Peter ____________ in Hamburg ____________?
(hat/studiert)
f. Schon wieder
____________
sein Fahrrad
____________
kaputt
____________. (ist/gewesen)
g. Vollkornbrot
____________
sie
____________
nie ____________.
(hat/gemocht)
h. Jeden Tag ____________ er mit dem Zug ____________ zur Arbeit
____________. (ist/gefahren)
D. Welche Sätze sind richtig (r) und welche sind falsch (f)? Kreuzen Sie an.
r
a. Die Kinder sich die Hände waschen vor dem Essen.
b. Vor dem Essen sich waschen die Kinder die Hände.
133
f
r
f
c. Die Kinder waschen sich vor dem Essen die Hände.
d. Vor dem Essen waschen sich die Kinder die Hände.
e. Der Vater kauft das Spielzeug dem Kind.
f. Der Vater kauft dem Kind das Spielzeug.
g. Der Vater kauft es ihm.
h. Der Vater kauft ihm es.
i. Heute kauft er es ihm.
j. Heute kauft es ihm er.
k. Seit langem wir diskutieren das Projekt mit der Stadtverwaltung.
l. Seit langem diskutieren wir mit der Stadtverwaltung über das Projekt.
m. Seit langem diskutieren wir über das Projekt mit der Stadtverwaltung.
n. Zuerst stelle ich die Vase mit frischen Blumen auf den Tisch.
o. Zuerst ich stelle die Vase auf den Tisch mit frischen Blumen.
p. Zuerst ich stelle auf den Tisch die Vase mit frischen Blumen.
q. Zuerst stelle ich auf den Tisch mit frischen Blumen die Vase.
r. Sie schreibt einem Freund in Afrika den Brief.
s. Sie schreibt den Brief einem Freund in Afrika.
t. Sie schreibt dem Freund in Afrika einen Brief.
u. Sie schreibt einen Brief dem Freund in Afrika.
v. Am Meer es gibt viele Surfer.
w. Am Meer gibt es viele Surfer.
x. Abfährt der Zug um 10.00 Uhr?
y. Fährt ab der Zug um 10.00 Uhr?
z. Fährt der Zug um 10.00 Uhr ab?
E. Satzgefüge: Setzen Sie das finite Verb im Nebensatz in die richtige Position.
a.
Sie kam nicht zur Verabredung, obwohl ____________ sie es mir
____________ versprochen ____________. (hatte)
b.
Ich kann dir nicht helfen, weil ich ____________ kein Superman
____________. (bin)
c.
Ich weiß nicht, ob er ____________ morgen schon ____________ kommen
____________. (wird)
d.
So kam es, dass ich
____________
ein großartiger Künstler
____________. (wurde)
134
e.
Er will ein Haustier, das ____________ lange ____________ leben
____________. (wird)
f.
Er war sehr überrascht, als er ____________ das das Mädchen sagen
____________. (hörte)
g.
Er fühlt sich gesundheitlich viel besser, seitdem er ____________ nicht
mehr ____________ . (raucht)
F. Vervollständigen Sie die Sätze. Schließen Sie den Hauptsatz an den Nebensatz (im
Vorfeld) an.
a. Obwohl er ihn gesehen hatte, … (Er grüßte ihn nicht.)17
b. Nachdem der Benzinmotor von Nikolaus Otto entdeckt worden war, … (Carl
Benz konnte das erste Auto bauen.)
c. Weil der Computer erfunden wurde, …. (Wir können heute in Internet surfen.)
d. Bevor das Morsealphabet entwickelt wurde, … (Man konnte keine Nachrichten
über den Telegrafen schicken.)
e. Seitdem die UNO 1945 gegründet wurde, … (Die Mitgliedstaaten haben wichtige Entscheidungen gegen Kriege getroffen.)
f. Obwohl David Mathe üben muss, … (Er geht mit seiner Freundin aus.)
G. Verbinden Sie die Sätze zu einem Haupt- und Nebensatz. Setzen Sie die Prädikatsteile in die richtige Position. Die Subjunktionen werden gegeben.
a. Ein Bus fuhr gegen das Brandenburger Tor. Danach mussten alle Fahrgäste ins
Krankenhaus gebracht werden.
Nachdem ein Bus___________________________________________________
b. Man entdeckte eine Schlange im Badesee von Potsdam. Trotzdem badeten die Leute.
Obwohl man_______________________________________________________
c. In Frankfurt brach ein Löwe aus dem Zoo aus. Gleichzeitig stürzte in Hamburg ein
Flugzeug ab.
Während in Frankfurt________________________________________________
d. Ein Pilot ist auf dem Rhein gelandet. Er hatte kein Benzin mehr.
Weil ein Pilot______________________________________________________
e. Ein Schornsteinfeger fiel vom Dach. Er zog sich keine Verletzungen zu.
Als ein Schornsteinfeger_____________________________________________
f. Ein junger Mann schickt seiner Freundin in Amerika jeden Tag zehn SMS. Er muss
sein Handy oft nachladen.
Seitdem ein junger Mann_____________________________________________
17
Vgl. u.a. R. Schmitt (2001), Weg mit den typischen Fehlern!, Ismaning: Hueber. S. 86
135
H. Antworten Sie auf die folgenden Fragen, indem Sie jedes Mal alle Satzglieder
wiederholen. In einer zweiten Antwort ersetzen Sie – wo möglich – die Nomen durch
Pronomen.
Jeden Tag rauben lange Fahrzeiten zum Arbeitsplatz vielen Angestellten Nerven und
Zeit.
a. Was raubt vielen Angestellten jeden Tag lange Fahrzeiten zum Arbeitsplatz?
b. Was raubt vielen Angestellten jeden Tag Nerven und Zeit?
c. Wem rauben jeden Tag lange Fahrzeiten zum Arbeitsplatz Nerven und Zeit?
d. Wann rauben vielen Angestellten lange Fahrzeiten zum Arbeitsplatz Nerven und
Zeit?
e. Rauben lange Fahrzeiten zum Arbeitsplatz vielen Angestellten jeden Tag Nerven
und Zeit?
I. Texttsalat: Stellen Sie die Satzglieder in die richtige Reihenfolge (TeKaMoLo),
setzen Sie das Verb in die angegebene Zeit. Die Besetzung des Vorfeldes wird gegeben.
a. schenken/ wegen ihres Geburtstags/ er/ vor der Schule/ morgen/ ihr/ mit viel Liebe/
einen Ring.
= Futur
Morgen______________________________________________________________
b. fahren/ wegen der Prüfung/ er/ zur Universität/ gestern/ ihn/ schnell/ zu dieser Zeit/
kein Bus/ weil/ mit dem Auto/ bringen.
= Perfekt
Gestern______________________________________________________________
c. Letzten Monat/ ihn/ sie/ ihr/ vorstellen.
= Präteritum
Letzten Monat_________________________________________________________
d. Der Postbote/ werfen/ einem Mann/ gestern/ den Brief/ in den Postkasten/ nicht
richtig.
= Perfekt
Der Postbote__________________________________________________________
e. am Sonntag/ ihn/ er/ ihr/ mitbringen.
= Präsens
Am Sonntag___________________________________________________________
f. der Arzt/ prüfend/ dem Kranken/ auf die Stirn/ gestern/ wegen des hohen Fiebers/
die Hand/ legen/ im Krankenhaus.
= Perfekt
Die Hand_____________________________________________________________
g. geben/ dem Hund/ vorsichtig/ der Dieb/ einen Knochen. = Perfekt
Der Dieb_____________________________________________________________
h. wegen der Prüfungen/ nächstes Jahr/ müssen/ bis Ende Juli/ sein/ ich/ an der Universität
= Futur
Ich__________________________________________________________________
136
J. Ordnen Sie den folgenden Text18, indem Sie alle Regeln und Stellungstendenzen
beachten
Era
un monoposto
velocissimo,
ma
aveva al massimo
Es war
ein Einsitzer
sehr schneller, aber
er hatte höchstens
_____________________________________________________________________
sei ore
di autonomia:
perchè
non rientrava
sechs Stunden
Flugautonomie: Warum er
nicht kehrte zurück
_____________________________________________________________________
alla base?
Alle 14.30
il Lightning
fu
dato
per
zur Basis?
Um 14.30 Uhr die Lightning
wurde betrachtet
als
___________________________________________________________________
disperso.
In serata
si
sparse
la voce
che
vermisst.
Am Abend
sich
verbreitete
das Gerücht,
dass
___________________________________________________________________
„Saint- Ex“
era
sparito
senza lasciar tracce,
come il
„Saint Ex“
war
verschwunden spurlos
wie der
___________________________________________________________________
piccolo principe protagonista
del suo omonimo capolavoro,
della
kleine Prinz,
der Held
seines gleichnamigen Meisterwerks,
von
___________________________________________________________________
cui
scomparsa
Saint-Exupéry
aveva scritto
dessen
Verschwinden Saint-Exupéry
hatte
geschrieben
___________________________________________________________________
profeticamente: „So
che
è ritornato
sul suo
prophetisch:
„Ich weiß,
dass
er ist zurückgekehrt
auf seinen
___________________________________________________________________
pianeta,
perché al levar del giorno
non
ho
Planeten,
denn
bei Sonnenaufgang
nicht
ich habe
___________________________________________________________________
ritrovato
wiedergefunden
il suo corpo.“
seinen Körper.“ ________________________________
18
Nach: Barina, Il ritorno del piccolo principe. In: Il Venerdì di Repubblica, Nr. 287:
27.08.1993. S. 84 f.
137
Literatur
Adamzik K. (2004), Textlinguistik. Eine einführende Darstellung, Tübingen, Niemeyer.
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der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften, Nachdruck 1968, 9
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ihren Einfluss auf die geistige Entwicklung des Menschengeschlechts“, in Flitner
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138
DIE VALENZ ITALIENISCHER UND DEUTSCHER VERBEN
Martina Nied Curcio
1. Tesnière und die Valenzgrammatik
Die Einführung des Terminus Valenz (Wertigkeit) in die Linguistik wird
im Allgemeinen dem französischen Sprachwissenschaftler Lucien Tesnière
zugeschrieben1. Heute ist die Theorie bzw. Grammatik der Valenz weder in
Deutschland noch international homogen. Eine Reihe von Konzepten konkurriert miteinander und unterscheidet sich selbst in der Terminologie. Verschiedene Begriffe sind beispielsweise Strukturelle Abhängigkeitsgrammatik2,
Valenztheorie3, Dependenzgrammatik4 und Dependenz-Verb-Grammatik
(DVG)5. Im Italienischen wird in der Regel der Terminus Grammatica oder
Teoria della valenza verbale6 oder grammatica della dipendenza7 verwendet.
Der Begriff stammt aus der Chemie und bezeichnet dort „die Fähigkeit von
Atomen […], Wasserstoff-Atome einer bestimmten Anzahl im Molekül zu
binden bzw. zu ersetzen.“ (Bußmann 32002: 727). Tesnière überträgt dieses
Prinzip auf die Fähigkeit der Verben und nennt dies Valenz:
1
Sehr wahrscheinlich gebrauchte 1934 Karl Bühler jedoch als Erster die Begriffe
"Leerstellen" und "syntaktische Valenz": "...Das läßt sich auch so ausdrücken, daß die Wörter
einer bestimmten Wortklasse eine oder mehrere Leerstellen um sich eröffnen, die durch Wörter
bestimmter anderer Wortklassen ausgefüllt werden müssen." (Bühler 19652: 173). Tesnière
arbeitete schon Ende der 30er Jahre an seiner Grammatiktheorie; doch erst nach seinem Tod
konnte das Manuskript „Eléments de syntaxe structurale“ (1959) veröffentlicht werden.
Ursprünglich bezog sich die Valenz auf die syntaktischen Sachverhalte; seit Tesnière hat
der Begriff jedoch eine starke Erweiterung zur semantischen, kommunikativen und kognitiven
Seite erfahren.
2
Tesnière in Heringer et al. (1980: 119).
3
Welke (1988: 11).
4
Vgl. Weber (21997).
5
Vgl. Rall – Engel - Rall 1977; Engel 1988.
6
Vgl. Bianco 1986; Blumenthal - Rovere 1998.
7
Bianco (1996: 105).
139
„Tous les verbes ne sont pas également susceptibles de régir trois actants. Les uns ne
peuvent en comporter que deux, d'autres un seul, d'autres même pas du tout. Nous exprimerons cette constatation, en disant que la valence des verbs diffère“. (Tesniere
1953:9)
Er erklärt, dass zwischen den Elementen im Satz verschiedene Abhängigkeitsbeziehungen bestehen. Das Verb steht im Zentrum des Satzes und eröffnet Leerstellen für die Mitspieler, die „actants“. Diese hängen von ihm ab. Die
Aktanten werden im Deutschen im Allgemeinen Ergänzungen (auch: Komplemente) genannt.
Die Eigenschaft eines Wortes, Glieder zu regieren, nennt man Rektion. So
wie ein spezifisches Atom Elektronen bindet, so bindet das Verb – als atomarer Kern des Satzes – andere Elemente an sich. Es besteht eine hierarchische
Ordnung, bei der das Verb als Regens fungiert und die anderen Satzglieder als
Dependentien von ihm abhängen8.
Tesnière klassifiziert die Verben nach der Anzahl ihrer Leerstellen, die sie
füllen können. Es gibt nullwertige, einwertige, zweiwertige und dreiwertige
Verben. In den letzten Jahren liest man auch von vierwertigen Verben9. Bei
diesen Verben werden auch die nicht obligatorischen Satzglieder mitgezählt,
während man in den meisten Publikationen oft nur die obligatorischen Ergänzungen des Verbs berücksichtigt10.
Im Folgenden sollen einige Beispiele gezeigt werden:
•
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
•
(6)
0-wertige Verben:
blitzen (es):
regnen (es)11:
schneien (es):
sein (es):
werden (es):
Es hat geblitzt.
Es hat geregnet.
Hoffentlich schneit es.
Es ist Nacht./ Es ist kalt.
Es wird Nacht. /Es wird kalt.
1-wertige Verben:
geben (es):
Es gibt viele Museen.12
8
Es ist Tesnière zu verdanken, dass sowohl die traditionelle Dichotomie von transitiven und
intransitiven Verben als auch die von Subjekt und Prädikat überwunden und somit die Sonderstellung des Subjekts beseitigt werden konnte.
9
Vgl. Gross (1998: 92), Pittner - Berman (2004: 44). Auch Ulrich Engel listet in seiner
Grammatik Satzmuster mit vier Ergänzungen auf (1988: 206ff.).
10
Bußmann 2002: 728, Helbig - Buscha (1991: 627f.), Duden (72005: 787).
11
Subjektlose Verben brauchen im Deutschen das unpersönliche Pronomen es, eine Art
Scheinsubjekt, das jedoch Bestandteil des Verbs ist (Engel 1988: 190). Es handelt sich meist
um Witterungsverben. Das Pronomen ist obligatorisch, es kann nicht weggelassen werden.
140
(7)
(8)
(9)
(10)
•
(11)
(12)
(13)
(14)
(15)
•
(16)
(17)
(18)
(19)
(20)
•
gehen (es):
schlafen:
träumen:
wachsen:
Es geht um eine wichtige Frage.
Rainer schläft.
Helena hat schlecht geträumt.
Die Pflanze ist gewachsen.
2-wertige Verben:
anrufen:
gehören:
kaufen:
sein:
wohnen:
Sie hat mich angerufen.
Die Tasche gehört mir.
Wir haben ein neues Auto gekauft.
Meine Kinder waren gestern krank.
Wohnst du auch in Rom?
3-wertige Verben13:
bedanken:
erzählen:
geben:
sagen:
schenken:
Er hat sich bei ihr für das tolle Geschenk bedankt.
Die Großmutter hat ihren Enkeln ein Märchen erzählt.
Hast du ihr das Buch schon gegeben?
Ich habe ihr gesagt, dass wir nicht kommen können.
Er hat seiner Freundin eine Tasche geschenkt.
4-wertige Verben:
(21)
(22)
(23)
(24)
bringen:
liefern:
kaufen:
übersetzen:
(25)
verkürzen:
Die Mutter bringt dem Jungen das Essen ans Bett.
Die Firma lieferte dem Kunden das Produkt ins Haus.
Mein Mann kauft mir zum Geburtstag immer Blumen.
Luisa hat den Text vom Deutschen ins Italienische
übersetzt.
Man hat die Schulzeit von 13 Jahren auf 12 Jahre
verkürzt.
Als graphische Darstellung für die Struktur der Sätze wählte Tesnière das
Stemma. Elemente des Stemmas sind Knoten, die die Wörter eines Satzes
repräsentieren und den Verbindungslinien zwischen ihnen, die die Abhängigkeitsbeziehungen verdeutlichen (Tesnière nennt sie connexions). Damit muss
sich die Darstellung im Stemma – im Gegensatz zum Konstituentenstrukturbaum – strikt auf die tatsächlich im Satz realisierten Wörter beschränken.
Bspw. kommt dem Satz (20) Er hat seiner Freundin eine Tasche geschenkt
folgendes Stemma zu:
12
13
Die vom Verb abhängigen Ergänzungen sind mit „_______“ unterstrichen.
Häufig geht es hier um Verben des „Sagens“ und des „Gebens“.
141
hat … geschenkt
er
Freundin
Tasche
seiner
eine
2. Ergänzungen und Angaben und ihre Klassifikation nach Ulrich
Engel
Neben der Anzahl der Ergänzungen bestimmen die Verben auch die Art
der Ergänzungen. Das wohl bekannteste Modell für die Klassifizierung der
Ergänzungen, das auch Eingang in die Didaktik Deutsch als Fremdsprache
gefunden hat, stammt von Ulrich Engel und enthält 11 verschiedene Ergänzungsklassen14:
Abk.
ESUB
EAKK
EGEN
EDAT
EPRP
Ergänzung
Subjekt
Akkusativerg.
Genitiverg.
Dativerg.
Präpositiverg.
Anapher
Pers.pron. im Nominativ
Pers.pron. im Akkusativ
dessen oder deren
Pers.pron. im Dativ
Präposition + Pers.pron.
oder da(r)- + Präposition
Beispiel
Dieses Buch ist interessant.
Sie fragte ihren Vater.
Er erinnerte sich seiner.
Hilf dem kleinen Kind.
Wir verlassen uns auf euch.
Wir verlassen uns darauf.
ESIT
EDIR
EEXP
Situativerg.
Direktiverg.
Expansiverg.
ENOM
EADJ
EVRB
Nominalerg.
Adjektivalerg.
Verbativerg.
da, deshalb
hin, dahin oder von dort
(um) soviel oder soweit
oder solange
es, so, als solches, so
es geschehen, dass/ob es
geschieht, dass/ob es so
ist, u.a.
Wir wohnen in Rom.
Wann fährst du nach Mailand?
Sie hat 10 kg zugenommen.
Er ist 5 km gelaufen.
Ich bin Student.
Die Vorlesung ist langweilig.
Ich muss noch Vokabeln lernen.
Sie glaubt, dass sie Recht hat.
Er versucht, pünktlich zu sein.
14
Aus diesem didaktischen Grund werde ich mich bei den nachfolgenden Beschreibungen
bezüglich der Klassifikation und der Terminologie auf die Engelsche Konzeption beziehen. Die
Tabelle folgt dem Engelschen Schema von 1998: 187, die Beispiele wurden abgeändert. Abkürzungen: „-erg.“ = Ergänzung, „Pers.pron.“ = Personalpronomen.
142
In der Tabelle steht für jede Ergänzung eine Abkürzung, die komplette Bezeichnung, die Anapher15 und entsprechende Beispielsätze.
Für die oben genannten Beispiele von 1-wertigen Verben (6)–(10) gilt,
dass das Verb geben (es) eine Akkusativergänzung benötigt (viele Museen),
das Verb gehen (es) eine Präpositivergänzung (um eine wichtige Frage). Die
Verben schlafen, träumen und wachsen brauchen unbedingt ein Subjekt (Rainer, Helena, die Pflanze). 2-wertige Verben realisieren immer ein Subjekt und
oft noch eine Akkusativergänzung (mich in (11) und ein neues Auto (13)) oder
eine Dativergänzung (mir in (12)) aber auch wie in (14) eine Adjektivalergänzung (krank) oder wie in (15) eine Situativergänzung (in Rom). Da es sich bei
vielen 3-wertigen Verben meist um die Übermittlung (verbal oder konkret)
einer Sache an eine Person oder an einen Ort handelt, gibt es immer eine Subjektergänzung (er (16), die Großmutter (17), du (18), ich (19) und er (20)),
häufig eine Akkusativergänzung (ein Märchen (17), das Buch (18), eine Tasche (20)) und gleichzeitig eine Dativergänzung (ihrem Enkel (17), ihr (18,
19), seiner Freundin (20)). Im Beispiel (16) werden zwei Präpositivergänzungen realisiert: bei ihr und für das tolle Geschenk16. In (19) haben wir eine
Verbativergänzung (dass wir nicht kommen können). 4-wertige Verben können folgende vier Kombinationen von Ergänzungen haben: Sub-akk-dat-dir
(21, 22), Sub-akk-dat-prp (23), Sub-akk-prp-prp (24) und Sub-akk-prp-exp
(25). Man nennt diese Kombinationen auch Satzmuster17.
Wie aus einigen Beispielen hervorgeht, müssen nicht immer alle Ergänzungen realisiert werden, d.h. sie können weggelassen werden18. Diese Ergänzungen nennt man fakultative Ergänzungen – im Gegensatz zu den obligatori15
Mit Hilfe der Anaphern (Pronomina, Artikel und Adverbien) lassen sich die Ergänzungen
definieren und ersetzen.
16
Das Thema der Präpositivergänzung wird im Beitrag von Kaiser „Verben mit Präpositivergänzung und ihre Pro-Formen“ ausführlich behandelt.
17
„Die Kombination der Ergänzungen eines bestimmten Verbs bildet das zu diesem gehörige Satzmuster: Satzmuster und Verbvalenz stimmen insofern überein. In den Satzmustern
sind die meisten Ergänzungen obligatorisch; würden sie weggelassen, so entstünde ein unkorrekter Satz. Einige Ergänzungen sind aber fakultativ, können also jederzeit weggelassen werden. Der Unterschied von obligatorischen und fakultativen Ergänzungen spielt beim Bilden von
Sätzen eine wichtige Rolle. Berücksichtigt man diesen Unterschied mit, markiert man also jede
fakultative Ergänzung im Satzmuster zusätzlich, so erhält man den Satzbauplan. Er kann als
ausreichend detaillierte Anweisung zur Erzeugung korrekter Sätze verstanden werden.“ (Engel
1988: 198f.).
Zu beachten ist, dass diese Satzmuster bzw. Satzbaupläne keine Auskunft über die Anordnung der einzelnen Ergänzungen im Satz geben. (Vgl. Beitrag von Kaiser zur Satzklammer.)
18
In der gesprochenen Sprache geschieht dies recht häufig, da eine fehlende Ergänzung aus
der Situation und dem Kontext erschlossen werden kann.
143
schen Ergänzungen, die unbedingt im Satz anwesend sein müssen. Im Satz
(11) kann man bspw. die Akkusativergänzung weglassen, ohne dass der Satz
ungrammatisch wird; in (16) sogar beide Präpositivergänzungen bei ihr und
für das tolle Geschenk.
(11)
(16)
a. anrufen:
a. bedanken:
Sie hat nicht angerufen.
Er hat sich bedankt.
In den Beispielsätzen (12) und (15) sind die Ergänzungen obligatorisch;
lässt man sie weg, werden die Sätze ungrammatisch (durch * gekennzeichnet).
(12’) gehören:
(15’) wohnen:
*Die Tasche gehört.
*Wohnst du auch?
Interessant ist, dass es bezüglich der obligatorischen und fakultativen Ergänzungen zwischen den Verben geben und schenken einen Unterschied gibt.
Während bei geben die Dativergänzung obligatorisch ist, ist sie bei schenken
fakultativ:
(18’) geben:
(20) a. schenken:
*Hast du das Buch schon gegeben?
Er hat eine Tasche geschenkt.
Bei 4-wertigen Verben können meist zwei Ergänzungen weggelassen werden, ohne dass sich die Bedeutung des Verbs ändert. Dabei sind es oft Ergänzungen, zu denen eine Präposition gehört (z.B. Direktivergänzung, Expansivergänzung):
(23)
(24)
a. kaufen:
a. übersetzen:
Mein Freund kauft immer Blumen.
Luisa hat den Text übersetzt.
Wie oben ersichtlich wurde, dient zur Ermittlung der obligatorischen Ergänzungen die Eliminierungsprobe (auch: Weglasstest). Streicht man obligatorische Ergänzungen, so entsteht ein ungrammatischer Satz.
(15’) wohnen:
(22’) liefern:
*Wohnst du auch?
*Die Firma lieferte dem Kunden ins Haus.
Hinzu kommt, dass sich die Bedeutung des Verbs beim Weglassen einer
Ergänzung nicht ändern darf:
(26)
(26)
Sabina verspricht sich eine gute Note.
a. Sabine verspricht sich.
144
(aspettarsi qc.)
(prendere una papera)
Die Akkusativergänzung (eine gute Note) im Satz (26) ist demnach eine
obligatorische Ergänzung ist.
Außer den Ergänzungen können Angaben (Tesnière nennt sie circonstances) in einem Satz hinzutreten. Sie können fast beliebig hinzugefügt werden
und sind außerdem syntaktisch weglassbar, d.h. der Satz ist ohne sie nie ungrammatisch19. Meist bestimmen sie das zeitliche (te), kausale (ka), modale
(mo), räumliche (lokal), usw. Umfeld20.
(27)
Sie hat mich seit letztem Jahr nicht angerufen.
(28)
Wir haben letzten Samstag(te) in einem Autohaus in Stuttgart (lo)
ein neues Auto gekauft.
(29)
Wir haben am Sonntag (te) wegen eines Bahnstreiks (ka) meine Tante
mit dem Auto (mo) besucht.
Die Unterscheidung zwischen fakultativen Ergänzungen und Angaben ist
nicht immer einfach, denn beide können im Satz weggelassen werden. Die
Eliminierungsprobe ist kein Kriterium der Abgrenzung zwischen fakultativen
Ergänzungen und Angaben. Die Angaben sind jedoch nie valenzgebunden. Im
Beispielsatz (30) kann man sowohl auf der Straße als auch Ball weglassen.
Jedoch gibt es zwischen Ball und spielen eine logische Relation, d.h. Ball ist
valenzgebunden und ist deshalb eine fakultative Ergänzung (in Klammer gesetzt); der Bezug zu einem Ort, auf der Straße, ist für das Verb spielen demnach eine Angabe.
(30)
Die Kinder spielen auf der Straße (Ball).
Zur Unterscheidung von fakultativen Ergänzungen und Angaben wird häufig der Geschehenstest verwendet. Testet man, ob z.B. auf der Straße eine
fakultative Ergänzung oder Angabe ist, dann formuliert man: Die Kinder spielen Ball und das geschieht auf der Straße. Wenn der Test funktioniert, dann
handelt es sich – wie in diesem Fall – um eine Angabe. Probiert man dasselbe
mit Ball, dann erhält man den ungrammatischen Satz *Die Kinder spielen auf
der Straße und das geschieht Ball, was bedeutet, dass es sich um eine Ergänzung handelt.
19
In den Beispielsätzen sind sie mit „
_ “ unterstrichen.
In der DaF-Didaktik ist die Reihenfolge dieser Angaben im Satz auch als TeKaMoLoRegel bekannt. (vgl. die beiden Beiträge von Kaiser in diesem Band.)
20
145
3. Valenzwörterbücher und ihre Anwendung in der Didaktik
Deutsch als Fremdsprache
Das kleine(s) Valenzwörterbuch deutscher Verben von Ulrich Engel und
Helmut Schumacher (1976) war der Anstoß für die Erarbeitung mehrerer
kontrastiver Valenzwörterbücher21. 1996 gab Bianco das erste deutschitalienische Valenzwörterbuch heraus. Blumenthal/Rovere veröffentlichten
1998 ein umfassendes Wörterbuch italienischer Verben in Strukturen, mit
Bedeutungsangaben und Übersetzungsmöglichkeiten. 1999 publizierte die
Autorin selbst ein Valenzwörterbuch der gesprochenen Sprache ItalienischDeutsch. Der Vorteil der Valenzlexika ist, dass die syntaktischen Strukturen,
die in den traditionellen Wörterbüchern stets vernachlässigt werden, explizit
aufgeführt sind und dadurch den produktiven Gebrauch der Sprache, d.h. die
kommunikative Sprachkompetenz des Lerners, unterstützen können22.
Die Tatsache, dass italienische Deutschlerner Fehler machen wie *Ich
danke Sie, *Welchen Kurs soll ich teilnehmen?, *Ich telefoniere dir später
oder *Wo gehst du? kann mit Hilfe der Valenzgrammatik und dort gerade aus
der kontrastiven Perspektive Italienisch-Deutsch erklärt werden. Der italienische Deutschlerner geht oft von der Valenz seiner Muttersprache aus und
überträgt diese auf die Fremdsprache, auch wenn diese zwischen beiden Sprachen divergieren. Vergleicht man die deutschen Sätze und ihre Valenzstrukturen mit den italienischen Äquivalenzen, dann sieht man sofort die Divergenzen, die häufig zu Interferenzfehlern führen bzw. führen können.
(31)
a. La ringrazio.
b. Ich danke Ihnen.
(SUB)-OGG.DIR23
SUB-DAT
(32)
a. Quale corso devo seguire?
b. An welchem Kurs soll ich teilnehmen?
(SUB)-OGG.DIR
SUB-PRP
(33)
a. Ti telefono più tardi.
b. Ich rufe dich später an.
(SUB)-aOBLIQ24
SUB-AKK
21
Das erste kontrastive Valenzwörterbüch auf der Engelschen Konzeption wurde von Ulrich Engel und Emilia Savin (1983) für das Sprachenpaar Deutsch-Rumänisch geschrieben.
‚Das kleine Valenzwörterbuch’ wurde 2004 durch das von Helmut Schumacher herausgegebene VALBU (Valenzwörterbuch deutscher Verben) ersetzt.
22
Valenzwörterbücher werden oft auch Produktionswörterbücher genannt, da sie insbesondere bei der produktiven Kompetenz (Schreiben, Sprechen) Hilfestellung geben.
23
Oggetto diretto, würde im Deutschen der EAKK entsprechen.
24
aObliquus, entspricht im Deutschen häufig der EDAT, kann aber auch der Eprp entsprechen (vgl. den Beitrag von Kaiser zur Präpositivergänzung).
146
(34)
(SUB)-LOK25
SUB-SIT
a. Dove vai?
b. Wohin gehst du?
Der italienische DaF-Lerner, der den Satz Ich danke Sie produziert hat,
wusste wahrscheinlich nicht, dass das Verb danken im Deutschen eine DAT
braucht, und keine AKK, was einem ‚Oggetto diretto’ entsprechen würde. Im
Satz Welchen Kurs soll ich teilnehmen wurde die italienische Ergänzung, das
‚Oggetto diretto’, auf das Deutsche übertragen, ohne dass sich der Student
vermutlich bewusst war, dass teilnehmen eine PRP und zwar mit an(+akk)
benötigt. Im Beispielsatz Ich telefoniere dir war dem Lerner nicht klar, dass
anrufen und telefonieren in verschiedenen Kontexten verwendet werden und
außerdem die Valenz zwischen dem deutschen und dem italienischen Verb
unterschiedlich ist26. Aus dem Fragesatz Wo gehst du? geht hervor, dass der
italienische Lerner nicht erkannt (oder es vergessen) hatte, dass man im Deutschen einen Unterschied zwischen DIR (wohin?) und SIT (wo?) macht, während dieser Unterschied im Italienischen auf der Satzoberfläche nicht verdeutlich wird (s. unten).
Valenzwörterbücher weisen auf die syntaktischen Divergenzen zwischen
der italienischen und deutschen Sprache hin. Außer den oben genannten spezifischen Verbvalenzwörterbüchern gibt es deutsch-italienische Wörterbücher,
die bei der Beschreibung der Verben deren Ergänzungen explizit angeben; zu
nennen sind hier v.a. Giacoma/Kolb (2001) von Zanichelli (Print- und CDRom-Version) und das online-Lernerwörterbuch Deutsch-Italienisch (ELDIT)
unter Mitarbeit der Europäischen Akademie Bozen. Der nachfolgende Auszug
des Verbs entstammt dem Italienisch-Deutschen Wörterbuch von Giacoma/
Kolb (2004: 1400). Man sieht deutlich die Kennzeichnung der Valenzen, z.B.
qc (a qc) oder qc a qu., auch wenn sie nicht einer spezifischen Klassifizierung (z.B. der von U. Engel) folgen:
cambiare <cambiò, cambi> A tr <avere> 1 (sostituire) ~ qc (a qc) {PILA ALL’OROLOGIO}
etw. (von etw. dat/+gen) aus|wechseln: ~ le federe ai cuscini, die Kissen frisch beziehen; ho
cambiato le piastrelle del bagno, ich habe die Fliesen im Bad ausgewechselt, ich im Bad neue
Fliesen gelegt; {CAMERA D’ARIA, FRENO, SPECCHIETTO RETROVISORE} etw
aus||wechseln 2 (indossare un altro) ~ qu {ABITO, CRAVATTA, MAGLIETTA} etw wechseln 3 (mettere vestiti puliti) ~ qu {MAMMA, NEONATO} jdn trocken|legen; ~ qc a qu jdm
etw an|ziehen; ~a maglietta al bambino, dem Kind ein frisches Unterhemd anziehen 4 (salire
su un altro mezzo di trasporto) ~ (qc) {AUTOBUS, TRENO} (in etw acc) um|steigen
25
Lokale Ergänzung. Diese Bezeichnung wurde hier deshalb gewählt, da das Italienische
auf der Oberflächenstruktur keine Unterscheidung zwischen DIR und SIT macht: Dove vai?
und Dove sei?.
26
Das Verb telefonieren muss eine PRP(mit + akk) realisieren.
147
4. Konvergenzen und Divergenzen zwischen den Ergänzungen im
Deutschen und Italienischen
Es gibt Konvergenzen aber häufig auch Divergenzen bezüglich der Valenzstruktur einiger frequenter deutscher und italienischer Verben. Und da es
bezüglich der Valenz i.d.R. die Divergenzen sind, die den Lernenden Schwierigkeiten bereiten und zu fehlerhaften Äußerungen führen, werden in den
nachfolgenden Tabellen nur diese berücksichtigt.
Es werden drei verschiedene Tabellen präsentiert:
- in der 1. geht es generell um die unterschiedlichen Ergänzungen im
Deutschen und Italienischen;
- in der 2. Tabelle werden vor allem Unterschiede bezüglich der Fakultativität/ Obligatheit zwischen den Ergänzungen in der deutschen und
italienischen Sprache aufgezeigt und
- in der 3. Tabelle geht es insbesondere um Divergenzen in der Reflexivität27. Dabei wird das Reflexivpronomen nicht als Ergänzung markiert, sondern in der Spalte ‚Verb’ aufgeführt.
Angaben werden bei der Analyse generell vernachlässigt28.
Tabelle 1: Unterschiedliche Ergänzungen im Deutschen und Italienischen
Verb
Beispielsatz
Ergänzungen29
abschreiben copiare
anrufen -
Er schreibt immer von mir ab.
Lui mi copia sempre.
Der Student ruft das Auslandsamt der Universität an.
Lo studente telefona all’ufficio studenti stranieri dell’università.
Maria hat ihr auf die E-Mail noch nicht geantwortet.
Maria non ha ancora risposto alla sua e-mail.
SUB-PRP(vonDAT)
SUB-OGG.DIR
SUB-AKK
telefonare
antworten rispondere
SUB-aOBL
SUB-DATPRP(aufAKK)
SUB-PRP(a)
27
Ein Großteil der Beispiele entstammt der gesprochenen Sprache. Einige Beispiele wurden aus Curcio 1999 entnommen.
28
Für die Präpositivergänzung gibt es in den einzelnen Tabellen nur wenige Beispielsätze,
da dem Thema ein extra Beitrag in diesem Buch gewidmet ist. (Kaiser: Verben mit Präpositivergänzung und ihre Pro-Formen).
29
Enthalten die Sätze ein Modalverb, so werden diese in der Analyse nicht berücksichtigt,
z.B. in einem Satz wie Wollen wir heute Abend ins Kino gehen? werden die Ergänzungen für
gehen bestimmt oder im Beispiel Ich muss mit dem Rauchen aufhören wird die Valenz von
aufhören angegeben.
148
arbeiten lavorare
aufgeben smettere
aussehen assomigliare
ausziehen lasciare
begegen incontrare
bekommen venire
brauchen aver bisogno
danken ringraziare
denken pensare
dran sein toccare
durchfallen bocciare
erklären spiegare
fahren andare
fernsehen guardare
finden trovare
finden sembrare
folgen seguire
fragen chiedere
fragen chiedere
Herr Rossi arbeitet an einem interessanten
Projekt.
Il Sig. Rossi lavora ad un progetto interessante.
Paolo gab das Rauchen auf.
Paolo ha smesso di fumare.
Mein Freund sieht wie George Clooney aus.
Il mio amico assomiglia a George Clooney.
Letztes Jahr bin ich aus der Wohnung meiner
Eltern ausgezogen.
L’anno scorso ho lasciato casa.
Bist du ihm schon mal begegnet?
L’hai mai incontrato?
Jedes Mal wenn Anna Kopfschmerzen bekommt, nimmt sie ein Aspirin.
Ogni volta che ad Anna viene il mal di testa
prende una aspirina.
Ich brauche dich.
Ho bisogno di te.
Ich danke Ihnen vielmals für all die Geschenke.
La ringrazio tanto per tutti i regali.
Ich denke immer noch an sie.
Penso ancora a lei.
Du bist dran.
Tocca a te.
Bist du durchgefallen?
Ti hanno bocciato?
Das erklär ich dir gleich.
Ti spiego subito.
Ich fahre morgen nach Mailand.
Domani vado a Milano.
Jetzt seh’ ich ein bisschen fern.
Adesso guardo un po’ la televisione.
Ich finde, dass das blöd ist.
Lo trovo proprio stupido..
Wie fanden Sie den Vortrag?
Come Le è sembrata la conferenza?
Wir sollten der chronologischen Ordnung
folgen.
Dovremmo seguire l’ordine cronologico.
Ich habe sie das natürlich nicht gefragt.
Certamente non gliel’ho chiesta.
Hast du den Professor gefragt, wann die
Prüfungen sind?
Hai chiesto al professore quando ci saranno
gli esami?
149
SUB-PRP(anDAT)
SUB-PRP(a)
SUB-AKK
SUB-VRB
SUB-NOM
SUB-OGG.DIR
SUB-DIR
SUB-OGG.DIR
SUB-DAT
SUB-OGG.DIR
SUB-AKK
SUB-aOBL
SUB-AKK
SUB-PRP(di)
SUB-DAT-PRP(fürAKK)
SUB-OGG.DIRPRP(per)
SUB-PRP(anAKK)
SUB-PRP(a)
SUB
aOBL
SUB
SUB-AKK
SUB-AKK-DAT
SUB-OGG.DIR
SUB-DIR(nach+Stadt)
SUB-LOK(a+Stadt)
SUB
SUB-OGG.DIR
SUB-VRB
SUB-OGG.DIR-ADJ
SUB-AKK-ADJ
SUB-aOBL-ADJ
SUB-DAT
SUB-OGG.DIR
SUB-AKK-AKK
SUB-OGG.DIR-aOBL
SUB-AKK-VRB
SUB-aOBL-VRB
fragen chiedere
gefallen piacere
gehen andare
gehen (es) stare
glauben credere
glauben credere
gratulieren fare gli auguri
handeln trattare
helfen aiutare
hoffen sperare
hören ascoltare
interessieren interessare
kommen (es)
- essere
kosten costare/venire
kümmern importarne
kündigen licenziare
lassen fare
lassen lasciare
lernen imparare
Ich habe deine Eltern nach deiner Telefonnummer gefragt.
Ho chiesto ai tuoi genitori il tuo numero di
telefono.
Wie hat dir das Geschenk gefallen?
Ti è piaciuto il regalo?
Wollen wir heute Abend ins Kino gehen?
Vogliamo andare al cinema stasera?
Wie geht es dir?
Come stai?
Mein Freund glaubt nicht an Gott.
Il mio fidanzato non crede in Dio.
Das glaube ich nicht.
Non ci credo.
Wir gratulieren Ihnen zum Geburtstag.
Le facciamo tanti auguri per il Suo compleanno.
Das Buch handelt von der Deutschen Sprachwissenschaft.
Il libro tratta di linguistica tedesca.
Er kann ihr nicht helfen.
Non la può aiutare.
Die Bauern hoffen auf Regen.
I contadini sperano che piova.
Hör nicht auf das, was sie dir sagt.
Non ascoltare quello che lei ti dice.
Das interessiert mich überhaupt nicht.
Questo non mi interessa proprio.
Mir kommt es nicht auf das Geld an.
Per me non sono importanti i soldi.
Das kostet mich keinen Cent.
Non mi costa/ viene neanche un centesimo.
Das kümmert doch keinen.
Non gliene importa niente a nessuno.
Seine Firma hat ihm letzte Woche gekündigt.
La sua ditta la settimana scorsa l’ha licenziato.
Er ließ die Studenten alles von der Tafel abschreiben.
Agli studenti ha fatto copiare tutto dalla lavagna.
Lass es gehen!
Lascialo stare!
Er hat erst mit 30 Autofahren gelernt.
Solo a 30 anni ha imparato a guidare la macchina.
150
SUB-AKKPRP(nachDAT)
SUB-aOBL-OGG.DIR
SUB-DAT-ADJ
SUB-aOBL
SUB-DIR(in)
SUB-LOK(a)
DAT-ADJ
SUB-ADJ
SUB-PRP(anAKK)
SUB-PRP(in)
SUB-AKK
SUB-PRP(a)
SUB-DAT-PRP(zuDAT)
SUB-aOBL-OGG.DIRPRP(per)
SUB-PRP(vonDAT)
SUB-PRP(di)
SUB-DAT
SUB-AKK
SUB-PRP(aufAKK)
SUB-PRP(in)
SUB-PRP(aufAKK)
SUB-OGG.DIR
SUB-AKK
SUB-aOBL
DAT-PRP(aufAKK)
SUB-ADJ-PRP(per)
SUB-AKK-AKK
SUB-aOBL-OGG.DIR
SUB-AKK
SUB-aOBLOGG.DIR(niente)
SUB-DAT
SUB-OGG.DIR
SUB-AKK-VRB
SUB-aOBL-VRB
SUB-AKK-VRB
SUB-OGG.DIR-VRB
SUB-AKK
SUB-VRB
mögen piacere
nachdenken riflettere
passen andare
sagen dire
sein fare/ essere
sich ärgern arrabbiarsi
sich beschäftigen occuparsi
sich beschweren lamentarsi
sich bewerben fare domanda
sich gewöhnen abituarsi
sich verlieben
- innamorarsi
spielen giocare
spielen suonare
stehen stare
stören dare fastidio
unterrichten insegnare
verzeihen perdonare
warten aspettare
weitermachen
– continuare
Ich mag diese Professorin nicht.
Non mia piace questa professoressa.
Denk doch mal darüber nach!
Rifletti! / Rifletti su questa cosa!
Die Jeans passt mir.
I jeans mi stanno bene.
Los, sag schon!
Dai, dimmi!
Das ist egal.
Fa/ E’ lo stesso.
Er ärgert sich immer über die Unzuverlässigkeit der Bahn.
Si arrabbia sempre della inaffidibilità delle
ferrovie.
Er beschäftigt sich mit Altphilologie.
SUB-AKK
SUB-aOBL
SUB-PRP(überAKK)
SUB-PRP(su)
SUB-DAT
SUB-aOBL-ADJ
SUB
SUB-aOBL
SUB-ADJ
SUB-AKK(-art)
SUB-PRP(überAKK)
Si occupa di filologia classica.
Die Studenten beschweren sich über die vielen
Prüfungen.
Gli studenti si lamentano per il numero degli
esami.
Ich habe mich bei mehreren Universitäten
beworben.
Ho fatto domanda in diverse università.
Wir müssen uns an das Chaos gewöhnen.
SUB-PRP(di)
SUB-PRP(überAKK)
Ci dobbiamo abituare a questo caos.
Ich habe mich in ihn verliebt.
Mi sono innamorata di lui.
Ich spiele gerne Karten.
Gioco volentieri a carte.
Als ich klein war, habe ich Klavier gespielt.
Da bambino ho suonato il pianoforte.
Die Telefon-Nr. von Ute steht im Telefonbuch.
Il numero di telefono di Ute sta nell’elenco.
Unpünktlichkeit stört mich.
La mancanza di puntualità mi da fastidio.
Ich unterrichte ausländische Kinder in
Deutsch.
Insegno tedesco a dei bambini stranieri.
Verzeihen Sie mir, dass ich diesen Fehler
gemacht habe.
Mi perdoni questo errore.
In Rom wartet man immer lange auf den Bus.
A Roma l’autobus si aspetta sempre molto
tempo.
Machen wir mit unserem Programm weiter.
Continuamo il nostro programma.
151
SUB-PRP(di)
SUB-PRP(mitDAT)
SUB-PRP(per)
SUB-PRP(beiAKK)
SUB-PRP(in)
SUB-PRP(anAKK)
SUB-PRP(a)
SUB-PRP(inAKK)
SUB-PRP(di)
SUB-AKK
SUB-PRP(a)
SUB-AKK
SUB-AKK(-art)
SUB-SIT
SUB-LOK
SUB-AKK
SUB-aOBL
SUB-AKKPRP(in+Fach)
SUB-OGG.DIR-aOBL
SUB-DAT-VRB
SUB-OGG.DIR-aOBL
SUB-PRP(aufAKK)
SUB-OGG.DIR
SUB-PRP(mitDAT)
SUB-OGG.DIR
wohnen abitare
wohnen –
abitare
zuhören –
ascoltare
Wohnst du auch in Mailand?
Anche tu abiti a Milano?
Ich wohne noch bei meinen Eltern.
Abito ancora con i miei genitori.
Ich höre dir zu.
Ti ascolto.
SUB-SIT(in+Stadt)
SUB-LOK(a)
SUB-SIT(bei+Person)
SUB-LOK(con+Person)
SUB-DAT
SUB-OGG.DIR
Zwischen beiden Sprachen gibt es nicht nur eine große Differenz bezüglich der Art der Ergänzungen, sondern auch im Hinblick auf die obligatorischen und fakultativen Ergänzungen, gerade in der gesprochenen Sprache.
Eine Ergänzung kann im Italienischen manchmal weggelassen werden, im
Deutschen jedoch ist sie obligatorisch – und umgekehrt30.
Tabelle 2: Unterschiede bezüglich der Weglassbarkeit der Ergänzungen im Deutschen und Italienischen
Verb
Beispielsatz
Ergänzungen
ankommen –
dipendere
einfallen –
venire
einschreiben
–
SUB-PRP(aufAKK)
SUB-(PRP(da))
SUB-DAT
(SUB)-aOBL
SUB-AKK-(SIT)
iscrivere
erklären –
spiegare
Das kommt darauf an.
Dipende.
Es fällt mir jetzt nicht ein.
Non mi viene adesso.
Die Mutter meldet ihren Sohn (auf einer Privatschule) an.
La madre iscrive suo figlio ad und scuola
privata.
Ich erklär’s dir.
Ti spiego.
glauben –
credere
lassen –
lasciare
nerven –
seccare
passen –
andare
probieren –
provare
sagen –
dire
schwören –
giurare
Das glaube ich dir nicht.
Non ti credo.
Sie können es da lassen.
Lo può lasciare.
Das nervt mich.
Mi secca.
Passt es Ihnen um 8 Uhr?
Le va bene alle 8?
Also probieren wir es.
Allora proviamo.
Sag’ mal!
Dimmi!
Ich schwör’s dir!
Ti giuro!
30
SUB-OGG.DIR-LOK
SUB-AKK-DAT
SUB-(OGG.DIR)aOBL
SUB-AKK-DAT
SUB-aOBL
SUB-AKK-SIT
SUB-OGG.DIR
SUB-AKK
(SUB)-aOBL
SUB-DAT
SUB-aOBL-ADJ
SUB-AKK
SUB-(OGG.DIR)
SUB
SUB-aOBL
SUB-AKK-DAT
SUB-aOBL
Es ist hier nicht das Subjekt gemeint, das bei pro-drop-Sprachen wie dem Italienischen auf der Oberflächenstruktur ohnehin nicht erscheinen muss.
152
sich benehmen comportarsi
sitzen essere seduto
studieren studiare
wiederholen ripetere
Manche Leute benehmen sich nicht.
SUB
C’è gente che non si comporta bene.
Zwei Studenten sitzen im Hörsaal. 31
Due studenti sono seduti (in aula).
Ich habe (in München) studiert.
Ho studiato all’università di Monaco.
Können Sie das wiederholen?
Può ripetere?
SUB-ADJ
SUB-SIT
SUB-(LOK)
SUB-(SIT)
SUB-LOK
SUB-AKK
SUB
Tabelle 3: Unterschiede bezüglich der Reflexivität in der deutschen und italienischen
Sprache
Wie bereits erwähnt wurde, gibt es viele Kontraste zwischen der italienischen
und deutschen Sprache bezüglich der Reflexivität. In der nachfolgenden Tabelle wird dies in der Spalte ‚Verb’ ersichtlich. Hinzu kommt, dass der Valenzrahmen oft divergiert.
Verb
Beispielsatz
Ergänzungen
aufstehen alzarsi
aufwachen -
Ich stehe morgens um halb sieben auf.
Mi alzo la mattina alle sei e mezza.
Sie ist heute Morgen mit Kopfschmerzen
aufgewacht.
Sie è svegliata stamattina con il mal di testa.
Meine Freundinnen haben nicht bemerkt, dass
ich eine neue Frisur habe.
Le mie amiche non si ono accorte che ho un
nuovo taglio di cappelli.
Entschuldigen Sie die Verspätung.
Mi scusi per il ritardo.
Es geht um eine wichtige Sache.
Si tratta di una cosa importante.
Es handelt sich um die mündliche Prüfung.
Si tratta dell’esame orale.
Er heißt Müller mit Nachnamen.
Si chiama Müller di cognome.
Meine Freundin Petra hat meinen besten
Freund geheiratet.
La mia amica Petra si è sposata con il mio
migliore amico.
SUB
SUB
SUB
svegliarsi
bemerken accorgersi
entschuldigen
- scusarsi
gehen (es) trattarsi
handeln (es) trattarsi
heißen
chiamarsi
heiraten sposarsi
SUB
SUB-VRB
SUB-VRB
SUB-AKK
SUB-PRP(per)
PRP(umAKK)
PRP(di)
PRP(umAKK)
PRP(di)
SUB-NOM
SUB-NOM
SUB-AKK
SUB-PRP(con)
31
Lässt man die SIT weg, so entsteht der Satz Der Student sitzt. Das Verb sitzen ohne Ergänzung enthält die Bedeutung ‚im Gefängnis sein’.
153
liegen trovarsi
machen preoccuparsi
mitnehmen portarsi
sein sentirsi
sich ändern cambiare
sich begrüßen
– salutare
sich freuen essere contento
sich freuen non vedere
l’ora
sich kümmern
– pensarci
sich überlegen riflettere
sich verabschieden salutare
vertrauen fidarsi
Wo liegt das denn?
Dove si trova?
Mach dir keine Sorgen!
Non ti preoccupare!
Ich nehme die Zeitung mit.
Mi porto il giornale.
Mir ist nicht so gut.
Non mi sento molto bene.
Die politiche Situation in Italien kann sich
schnell ändern.
La situazione politica in Italia può cambiare
velocemente.
Ich habe ihn schon begrüßt.
SUB-SIT
SUB-LOK
SUB-AKK
SUB
SUB-AKK
SUB-OGG.DIR
DAT-ADJ
SUB-ADJ
SUB
L’ho già salutato.
Hast du dich über die Note gefreut?
Sei contento del voto?
SUB-OGG.DIR
SUB-PRP(überAKK)
SUB-PRP(di)
Ich freue mich auf die Ferien.
Non vedo l’ora che arrivino le vacanze.
SUB-PRP(aufAKK)
SUB-VRB
Ich kümmere mich darum.
Ci penso io.
Das hab ich mir noch gar nicht überlegt.
SUB-PRP(umAKK)
SUB-PRP(a)
SUB
Non ci ho ancora pensato.
Willst du dich nicht von ihm verabschieden?
SUB-PRP(a)
SUB-PRP(von)
Non lo vuoi salutare?
Ich habe den Ärzten noch nie vertraut.
Non mi sono mai fidato dei medici.
SUB-OGG.DIR
SUB-AKK
SUB-PRP(di)
SUB
SUB-AKK
Aufgaben und Übungen
A. Erklären Sie die Begriffe Valenz, Rektion, Ergänzungen und Angaben.
B. Übungen zu den verschiedenen Ergänzungsklassen
B1. Bestimmen Sie die Ergänzungen an Hand der Klassifikation von Ulrich Engel.
a. Ich liebe dich.
b. Das Semester dauert 12 Wochen.
c. Was ist dir denn passiert?
d. Unsere Professorin hat uns die Grammatik ausführlich erklärt.
e. Diese Suppe schmeckt nach Fisch.
f. Sie nannten ihn „den Bomber“.
154
g.
h.
i.
j.
Unsere Universität liegt im Stadtzentrum.
Interessierst du dich für die deutsche Literatur?
Ich finde das toll.
Der Student fragte den Professor, ob er bei ihm die Magisterarbeit schreiben
kann.
B2. Antworten Sie mündlich auf folgende Fragen/ Aufforderungen und achten Sie
dabei auf die Valenz und die Position der Akkusativ- und Dativergänzung.
a. Wie geht es Ihnen?
b. Genügt dir das Geld für die Pizza?
c. Können Sie mir zeigen, wo die Bibliothek ist?
d. Hast du viel Geld bei dir?
e. Kannst du mir bei den Hausaufgaben helfen?
f. Wie findest du meine neue Frisur?
g. Bist du dran?
h. Ich spiele gern Tennis. Und du?
i. Jetzt hört mir doch endlich mal zu!
j. Hast du sie das schon gefragt?
k. Könntest du noch die Auskunft anrufen?
l. Willst du ihn nicht nach seiner Telefon-Nr. fragen?
m. Arbeitest du schon an deiner Magisterarbeit?
C. Übungen zur Unterscheidung von obligatorischen und fakultativen Ergänzungen sowie Angaben
C1. Sind die unterstrichenen Ergänzungen obligatorische oder fakultative Ergänzungen? Wenden Sie die Eliminierungsprobe an.
a. Maria brachte Anna ein tolles Geschenk mit.
b. Es war ein buntes Kleid.
c. Anna bedankte sich bei Maria für das Kleid.
d. Es gefällt ihr sehr gut.
e. Sie probiert gleich, ob es ihr passt.
f. Maria findet, dass Anna das Kleid sehr gut steht.
g. Anna hängt das Kleid sofort auf einen Bügel.
h. Maria hat für dieses Kleid viel Geld ausgegeben.
C2. Handelt es sich bei den unterstrichenen Satzgliedern um Ergänzungen oder Angaben? Wenden Sie den Geschehenstest an.
a. Wir wollen heute Morgen trotz des Verkehrs in die Stadt fahren.
b. Wegen des Streiks konnten die Studenten nicht zur Universität kommen.
c. Letztes Jahr bin ich mit dem Auto nach Sizilien gefahren.
d. An der Uni esse ich mit meinen Freunden zu Mittag.
e. Als ich klein war, musste ich immer Röcke tragen.
155
D. Übungen zur Reflexivität
D1. Entscheiden Sie, ob für das Verb im deutschen Beispielsatz ein äquivalentes
italienisches Verb mit oder ohne Reflexivpronomen gebraucht wird. Kreuzen Sie das
richtige italienische Verb an.
Beispielsatz
a. Ich befinde mich mitten im Verkehr.
b. Dein Verhalten finde ich nicht in Ordnung.
c. Ich habe angehalten um mich nach dem Weg
zu fragen.
d. Die Polizei hat zwei Dealer wegen
Drogenhandels festgenommen.
e. Wenn du Lust hast, ruf mich mal an.
f. Unser Hund heißt Hops.
g. Meine Eltern nannten mich wie meine
Großmutter.
h. Peter hat letzten Monat geheiratet.
i. Peter hat Doris geheiratet.
italienisches Verb
trovare
trovarsi
trovare
trovarsi
fermare
fermarsi
fermare
fermarsi
chiamare
chiamare
chiamare
chiamarsi
chiamarsi
chiamarsi
sposare
sposare
sposarsi
sposarsi
D2. Bilden Sie Sätze mit folgenden Verben, achten Sie auf die Valenz (vgl. Tabelle 3
oben).
a. aufwachen, aufstehen, heiraten, gehen (es), handeln (es) vertrauen
b. sich ärgern, sich beschäftigen, sich bewerben, sich freuen, sich kümmern.
E. Markieren Sie im Text die regierenden Verben (inkl. Reflexivpronomen) fett und
unterstreichen sie die Valenzen (oblig. E.: „____“, fak. E.: „_ _ _ „) Benennen Sie die
Ergänzungen.
- Hallo Giorgio!
- Hallo Maria! Wie war denn dein Deutschkurs in Konstanz?
- Er war toll. Ich habe viel gelernt und viele neue Freunde kennen gelernt.
- Schön. Erzähl mal, wie es war!
- Am Anfang gab es eine Begrüßungsparty. Da habe ich gleich eine Fränzösin
getroffen. Sie heißt Annette und lebt in Frankreich. Sie spricht schon sehr gut
Deutsch.
- Wart ihr im gleichen Kurs?
- Nein, leider nicht. Aber wir haben viele Ausflüge unternommen.
- Wohin seid ihr denn gefahren?
- Wir haben im Bodensee gebadet, sind mit dem Fahrrad in die Schweiz gefahren,
haben das Kunsthaus in Zürich besucht und… Ach, es war so viel, ich kann mich
schon gar nicht mehr an alles erinnern. Aber wir haben auch viel gearbeitet.
- Habt ihr auch zusammen Deutsch gelernt?
- Nicht wirklich. Annette hat mir immer bei den Hausaufgaben geholfen.
156
-
Und jetzt, nach dem Kurs?
Ich werde ihr erst mal eine E-Mail schreiben und einige Fotos schicken und
hoffe, dass sie mich nächstes Jahr besuchen wird.
Das finde ich ja toll. Ich möchte auch mal an so einem Kurs teilnehmen. Na ja,
vielleicht nächsten Sommer…
Literatur
Fachliteratur
Bianco M. T. (1986), “Sintassi e tassonomia. Teoria della valenza e lessicogrammatica in
tedesco e in italiano“, Rassegna italiana di linguistica applicata N. 3, 41-63.
Bühler K. (21965), Sprachtheorie. Stuttgart, Fischer.
Bußmann H. (32002), Lexikon der Sprachwissenschaft, Stuttgart, Kröner.
Dudenredaktion (72005), Die Grammatik, Duden Bd. 4, Mannheim & Wien & Zürich,
Dudenverlag.
Engel U. (1977), Syntax der deutschen Gegenwartssprache, Berlin, Schmidt.
Engel U. (1988), Deutsche Grammatik, Heidelberg, Groos.
Gras Ferraresi B., Tomelleri Kromberg L. (1994), Confronti-Vergleiche. Aspetti contrastivi del Tedesco rispetto all’Italiano, Bologna, Zanichelli.
Gross H. (31998), Einführung in die germanistische Linguistik. München, Iudicium.
Heringer H.J., Strecker, B., Wimmer, R. (1980), Syntax, München, Hueber.
Pittner K., Berman, J. (2004), Deutsche Syntax. Ein Arbeitsbuch. Tübingen, Narr.
Rall M., Engel U., Rall D. (1977), DVD für DaF, Heidelberg, Groos.
Tesnière, Lucien (19532), Esquisse d’une syntaxe structurale. Paris, Klincksiek.
Weber H. J. (21997), Dependenzgrammatik. Ein interaktives Arbeitsbuch, Tübingen,
Narr.
Welke, Klaus (1988), Einführung in die Valenz- und Kasustheorie, Leipzig, Bibliographisches Institut.
(Valenz)wörterbücher
Bianco M. T. (1996), Valenzlexikon Deutsch-Italienisch, Dizionario della valenza verbale, Heidelberg, Groos.
Blumenthal P., Rovere G. (1998), Wörterbuch der italienischen Verben. Konstruktionen,
Bedeutungen, Übersetzungen, Stuttgart & Düsseldorf & Leipzig, Klett.
Curcio M. L. (1999), Kontrastives Valenzwörterbuch der gesprochenen Sprache Italienisch-Deutsch, Mannheim, Institut für deutsche Sprache, amades.
ELDIT: Elektronisches Lern(er)wörterbuch Deutsch-Italienisch. Dizionario elettronico per apprendenti Italiano-Tedesco, ondine unter www.eurac.edu/eldit.
Engel U., Savin E. (1983), Valenzlexikon deutsch-rumänisch. Dicionar de valen german-román. (= Deutsch im Kontrast 3). Heidelberg, Groos.
Engel U., Schumacher H. (1978), Kleines Valenzlexikon deutscher Verben, Tübingen,
Narr.
Giacoma L., Kolb S. (2001), Dizionario Tedesco-Italiano Italiano-Tedesco, Milano &
Stuttgart, Zanichelli & Pons & Klett.
VALBU: Schumacher H., Kubczak J., Schmidt R., Ruiter de V. (2004), VALBU –
Valenzwörterbuch deutscher Verben. Tübingen, Narr.
157
VERBEN MIT PRÄPOSITIVERGÄNZUNG UND
IHRE PRO-FORMEN
Marita Kaiser
1. Die Präpositionalphrase
Der Mann zeigt dem Mann den Mann. Ein Satz ohne Präpositionen und
doch wird klar, wer wem wen zeigt. Die drei syntaktischen Leerstellen, die
das Verb zeigen eröffnet, werden durch das Subjekt im Nominativ, das indirekte Objekt im Dativ und das direkte Objekt im Akkusativ besetzt. Nominativ, Dativ und Akkusativ erfüllen im Deutschen die Funktion, das Subjekt zu
bestimmen, das indirekte vom direkten Objekt zu unterscheiden1.
In der deutschen wie in der italienischen Sprache bildet das Verb die komplexeste grammatikalische Einheit, weil es nicht nur Informationen zu Person,
Numerus, Tempus, Genus und Modus trägt, sondern auch in seiner Funktion
als Prädikat die Bedeutung und den inneren Aufbau des gesamten Satzes vorstrukturiert. Die syntaktisch-semantische Valenz2 (auch Wertigkeit genannt)
beschreibt diese Eigenschaft des Verbs „Leerstellen zu eröffnen und die Besetzung dieser Leerstellen zu regeln“ (Dürr - Schlobinski 2006: 116). Damit
legt es Quantität und Qualität abhängiger Satzglieder fest, die obligatorisch
oder fakultativ zu füllen sind (Verbergänzungen). Diese „Ergänzungen in
Form von Nominalphrasen, deren Kasus vom Verb festgelegt (regiert) wird,
d.h. Kasusobjekte“ (Duden Nr. 4 2005: 397) stellen im Rahmen der Valenz
eine Form der Leerstellenbesetzung dar: „Die Rektionseigenschaften3 von
1
Im Italienischen erfüllen diese Funktion das Objekt, das weitgehend dem deutschen Akkusativobjekt gleichkommt und der a-Obliquus, der dem deutschen Dativobjekt entspricht (vgl.
u.a. Schwarze 1988: 107f.).
2
Damit ist gemeint: „Anzahl, Form und ggf. semantische Rollen der vorangelegten Ergänzungen zu einem Wort.“ Z. B. : Es blitzt. – Ich kenne den Mann. - Er gibt dem Mann eine
Tasse Kaffee. etc. (Duden Nr. 4 2006: 1272)
3
„Eigenschaft von Verben, Adjektiven und Präpositionen, den Kasus eines von ihnen
abhängigen Wortes zu bestimmen.“ (Duden Nr. 4 2006: 1269)
158
Verben nehmen (…) unter den Valenzeigenschaften eine zentrale Stelle in der
Grammatik ein“ (Duden Nr.4 2005: 397). Sie beschreiben die Fähigkeit des
Verbs, “seine syntaktischen Umgebungen vorzustrukturieren, indem es Satzgliedern bzw. Attributen Bedingungen bezüglich ihres Vorkommens und ihrer
grammatischen Eigenschaften”4 als Agens (Subjekt), Patiens (direktes Objekt)
oder Benefizient (indirektes Objekt) auferlegt.
Dieser kasusgebundenen Nominalphrase steht die präpositional eingeleitete
Nominalphrase als eine andere Form der Leerstellenbesetzung gegenüber. Die
Aufgabe der Präposition ist es Inhalte zu differenzieren oder Funktionen zu
spezifizieren. Zwischen Verb und Nominalphrase verändert die Präposition
die Charakteristik der Leerstelle insofern, als dass das Verb weiterhin ihr Vorkommen nicht aber ihre grammatische Eigenschaft regelt.
Das Deutsche unterscheidet entsprechend der Valenzeigenschaften der
Verben verschiedene Ergänzungsklassen5, bei denen die präpositional eingeleitete Nominalphrase, auch Präpositionalphrase6, eine wichtige Rolle bei der
Leerstellenbesetzung spielt. An den folgenden Beispielen soll gezeigt werden,
wie sie je nach Kontext und Bedeutung teilweise7:
- die Valenz des Verbs unter Beibehaltung seiner Bedeutung variieren
kann: als fakultative Ergänzung
- die Bedeutung des Verbs variieren kann: als obligatorische Ergänzung
- dem Verb erst Bedeutung und damit Argument geben kann:
als obligatorische Ergänzung
- von der Valenz des Verbs ungebunden sein kann: als Angabe
1.1. Die Präpositionalphrase als fakultative Ergänzung zur Variation
der Wertigkeit:
a. Gaby schreibt.[1] 8
b. Gaby schreibt einen Brief. [2]
c. Gaby schreibt ihrer Mutter einen Brief. [3]
d. Gaby schreibt ihrer Mutter einen Brief über ihr Geburtstagsfest. [4]
e. Gaby schreibt über ihr Geburtstagsfest. [2]
f. Gaby schreibt einen Brief über ihr Geburtstagsfest. [3]
g. Gaby schreibt ihrer Mutter über ihr Geburtstagsfest. [3]
(1)
4
Vgl. Kürschner (42003: 81): Valenz als Rektion eines Verbes, eines Adjektivs oder eines
Substantivs.
5
Vgl. den Beitrag von Nied Curcio zur Valenz in diesem Band.
6
Innerhalb der Klassifizierung der Verbergänzungen spielt die Präpositionalphrase in verschiedenen Ergänzungsklassen eine Rolle.
7
Vgl. zur Argumentstruktur oder zum Valenzrahmen Meibauer et al. (22007: 149).
8
[1] = 1-wertig / [2] = 2-wertig, etc.
159
Die Präpositionalphrase variiert die Wertigkeit des Verbs, ohne dessen
Bedeutung zu verändern, weil sie eine in der Themenstruktur des Verbs vorangelegte Leerstelle (z. B. schreiben über) füllt. Die Präposition an sich hilft
die logische Struktur des Satzes weiter zu differenzieren und seinen Inhalt
weiter zu spezifizieren. Die Präpositionalphrase ist also in der Argumentstruktur des Verbs vorangelegt, muss aber nicht unbedingt realisiert werden, wie z.
B. auch bei:
(2)
a. Ich gratuliere. [1]
b. Ich gratuliere ihm. [2]
c. Ich gratuliere ihm zum Geburtstag. [3]
(3)
a. Ich denke. [1]
b. Ich denke an Peter. [2]
(4)
a. Ich entschuldige mich. [1]
b. Ich entschuldige mich bei meiner Schwester. [2]
c. Ich entschuldige mich für die Verspätung. [2]
d. Ich entschuldige mich bei meiner Schwester für die Verspätung. [3]
1.2. Die Präpositionalphrase als obligatorische Ergänzung zur Variation der Bedeutung:
(5)
a. Es geht. [0]
b. Es geht um die Reform. [1]
(Sto così così.)
(Si tratta della riforma.)
Durch die präpositional angeschlossene Nominalphrase verändert sich die
Bedeutung des Verbs, so dass es sich im Grunde um zwei verschiedene Verben verschiedener Bedeutung und Wertigkeit handelt.
Viel häufiger ist der Bedeutungswandel des Verbs jedoch nicht an die
Quantität der Wertigkeit geknüpft, sondern an die Qualität: Durch den Austausch der kasusgebundenen Leerstelle durch eine Präpositionalphrase bleibt
die Wertigkeit des Verbs gleich, es verändert sich aber die Qualität, wie zum
Beispiel bei folgendem Verb:
(6)
a. Die Studentin besteht die Prüfung. [2]
b. Meine Diät besteht aus Gemüse. [2]
c. Das Examen besteht in einer Übersetzung. [2]
d. Ich bestehe auf die sofortige Bezahlung. [2]
e. Sein Tun bestand nicht vor der harten Kritik. [2]
f. Es besteht Zweifel über den Tathergang. [2]
160
(superare, passare)
(essere costituito)
(consistere)
(insistere)
(tenere testa a qc./qu.)
(esistere, sussistere)
Das durchgängig zweiwertige Verb gehört zu der Gruppe der Verben, die
nicht unbedingt eine Präpositionalphrase als obligatorische Ergänzung brauchen, damit der Satz grammatisch wird. Aber tritt an die Stelle der kasusgebundenen Ergänzung eine präpositional eingeleitete Nominalphrase verändert
das Verb seine Bedeutung9 und die Präpositionalphrase wird zu einer obligatorischen Ergänzung wie zum Beispiel auch bei:
(7)
a. Das Bild gehört mir. [2]
b. Das Bild gehört zu der Sammlung. [2]
(appartenere)
(far parte di, appartenere a)
(8)
a. Das Auto fährt. [1]
b. Das Auto fährt in die Garage. [2]
c. Das Auto fährt aus der Garage. [2]
d. Das Messer fährt ihm aus der Hand. [3]
e. Ich fahre mit dem Auto. [2]
(funzionare)
(entrare)
(uscire da)
(sfuggire da)
(andara in auto/vettura)
1.3. Die Präpositionalphrase als bedeutungsgebende obligatorische
Ergänzung
Die Verben dieser Kategorie erfordern die Besetzung einer Leerstelle
durch eine Präpositionalphrase, damit der Satz überhaupt erst grammatisch
wird.
(9)
a. Italien grenzt an die Schweiz. [2]
b. *Italien grenzt.
(10)
a. Es handelt sich um einen interessanten Film. [2]
b. *Es handelt sich.
(11)
a. Er interessiert sich für das Buch. [2]
b. *Er interesssiert sich.
(12)
a. Ich wohne in einem Hochhaus/ in Berlin. [2]
b. *Ich wohne.
1.4. Die Präpositionalphrase als valenzungebundene Angabe
Diese Präpositionalphrasen in der Form valenzungebundener Angaben
stellen frei kombinierbare Informationen hauptsächlich temporaler, kausaler,
modaler oder lokaler Art dar10.
9
Hier wird sehr schön deutlich, wie das Deutsche durch verschiedene Präpositionen den
Bedeutungsgehalt des gleichen Verbs wesentlich variieren kann. Das Italienische realisiert
diese Bedeutungsvarianten eines Verbs oft durch unterschiedliche Präfixe oder durch ein selbständiges neues Verb.
10
Sie sind in den Beispielsätzen mit […] gekennzeichnet.
161
(13)
a. Ich fahre.
b. Ich fahre mit dem Zug.
c. Ich fahre [mit dem Zug] [um 10 Uhr].
d. Ich fahre [mit dem Zug] [um 10 Uhr] [nach Hamburg].
(14)
Er interessiert sich [aus purer Neugier] für das Buch.
(15)
Ich wohne in einem Hochhaus [im 5. Stock].
Wie in all diesen Beispielen deutlich wird, ist allen Präpositionalphrasen
zunächst gemeinsam, dass sie aus einer Präposition und einer Phrase11 bestehen und dass die Präposition in ihrer Eigenschaft der Rektion den Kasus der
Phrase festlegt und nicht wie bei der kasusgebundenen Ergänzung das Verb.
Darüber hinaus wird aber auch deutlich, dass die präpositional eingeleitete
Nominalphrase innerhalb der Dependenzgrammatik unterschiedliche Funktionen und Aufgaben erfüllen kann: Sie kommt als obligatorische, fakultative
Ergänzung und als Angabe vor. Sie beeinflusst sowohl die Wertigkeit des
Verbs als auch dessen Bedeutungsgehalt und damit die syntaktische Realisierung des Satzes.
2. Präpositionalphrase und Präpositivergänzung12
Abgesehen von den Präpositionalphrasen attributiven Charakters, die die
Substantivvalenz13 betreffen, wird die Präpositionalphrase adverbialen Charakters in der Dependenzgrammatik folgendermaßen differenziert14:
Situativergänzung =
Temporalergänzung =
Direktivergänzung =
Peter wohnt in Frankfurt/ unter der Brücke.
Die Bluse ist im Schrank/ in der Wäsche.
Das Buch liegt auf/unter/neben dem Tisch.
Der Unfall geschah um 24.oo Uhr.
In diesem Jahr ist die Geburtenrate gesunken.
Ich lege das Buch auf/unter/neben den Tisch.
Peter fliegt nach London/ zu Petra.
Ich komme aus der Universität/ von der Arbeit.
11
Bei der Phrase handelt es sich meist um eine Nominalphrase (Duden Nr. 4, 2006: 848).
Zur Präpositionalphrase vgl. auch: D. Wunderlich 1984 und R. Steinitz 1997.
12
Präpositivergänzung wird in der traditionellen Grammatik auch präpositionales Objekt/Präpositionalobjekt, etc. genannt.
13
Eine Valenz haben nicht nur Verben, sondern auch andere Wortarten wie Substantive
und Adjektive. (vgl. Lohnstein 1996: 51; Kessel - Reimann 2005: 14).
14
Vgl. Beitrag von Nied Curcio zur Valenz.
162
Expansivergänzung =
Nominalergänzung =
Präpositivergänzung =
Seit drei Stunden warte ich auf dich.
Ich habe um die 10 Jahre bei Siemens gearbeitet.
Er hat sich als Arzt verdient gemacht.
Sie wird zum Tier.
Der Philosoph denkt an Sokrates.
Ich halte den Mann für einen guten Lehrer.
Ich freue mich auf die Ferien.
Ich gehöre dazu.
Auf der Basis dieser Ergänzungsklassen lassen sich die unter Punkt 1 aufgelisteten adverbialen Präpositionalphrasen15 vor allem durch zwei Eigenschaften charakterisieren, die hauptsächlich durch den spezifischen Gebrauch
der Präposition geprägt sind:
Die Präpositionalphrase, in Form der Angabe16 aber auch der obligatorischen
Ergänzung, die die logische Struktur des Satzes weiter differenziert oder spezifiziert, aber völlig frei kombinierbar ist. Ihre Beziehung zum Verb zeichnet
sich durch den spezifischen Gebrauch der Präposition aus, die im Italienischen wie im Deutschen frei gewählt werden kann. Sie entfaltet auch valenzgebunden ihre spezifisch temporale, lokale, kausale oder modale Bedeutung
und kann unter Beibehaltung der semantischen Aussage des Satzes durch
andere ersetzt werden:
Verb + {Präposition → Kasus + Nominalphrase}
(16)
(17)
(18)
Ich wohne {in Frankfurt/bei Karin/unter der Brücke}.
Er kam {mit seiner/ohne seine Freundin}.
{Seit drei Stunden/Seit Tagen} warte ich auf dich.
Demgegenüber steht die Präpositionalphrase, die als Präpositivergänzung
dem Satz überhaupt erst eine logische Struktur verleiht und dementsprechend
nicht frei kombinierbar ist. Als festes Verbindungsglied zum Verb geht die
Präposition mit diesem eine untrennbare Bedeutungseinheit ein. Dadurch
verliert sie ihre ursprüngliche temporale, lokale, kausale oder modale Bedeutung, wird in dieser Hinsicht bedeutungsleer oder –neutral (vgl. Duden Nr. 4
2005: 613). Durch die untrennbare Einheit von Verb und Präposition kann die
Präposition nicht durch andere ersetzt werden ohne die semantische Bedeutung des gesamten Satzes zu verändern.
Bei der Präpositivergänzung kann man also von einer Doppelfunktion der
15
In der traditionellen Grammatik wird die syntaktische Aufgabe der Präpositionalphrasen
vor allem auf drei Funktionen reduziert: attributiv, adverbial und Objekt-Funktion. (vgl. Bußmann 32002: 530).
16
Vgl. Pospiech 52005: 140; Herbst/Klotz 2003: 77.
163
Präposition sprechen: Einerseits bestimmt sie über ihre Eigenschaft der Rektion den Kasus der Nominalphrase und bildet so mit dieser eine grammatikalische Einheit. Andererseits stellt sie als neutrale (leere) Präposition ein festes
Verbindungsglied zum Verb dar und bildet so mit diesem eine untrennbare
Bedeutungseinheit:
Verb + {Präposition → Kasus + Nominalphrase}
(19)
(20)
(21)
(22)
(23)
(24)
Er hofft {auf schönes Wetter}.
Sie lachen {über den Witz}.
Er ärgert sich {über die Nachricht}.
Ich freue mich {auf die Party} morgen.
Ich freue mich {über das Geschenk}.
Ich freue mich {für Peter}.
Zusammenfassend kann die Präpositivergänzung folgendermaßen charakterisiert werden:
- Sie ist ein Typ der Präpositionalphrase (= Präposition + Nominalphrase/
Pronomen) und bildet als solche innerhalb des Valenzschemas der Verben
eine Ergänzungsklasse, die fakultativ oder obligatorisch sein kann.
- Sie beschreibt die von der Handlung betroffene Person oder Sache.
- Die Präposition bestimmt in ihrer Eigenschaft der Rektion den Kasus der
Nominalphrase, deren Qualität.
- Die Präposition verliert als Verbindungsglied zum Verb ihre eigentliche
Bedeutung, wird neutral, bedeutungsleer.
- Verb und Präposition verschmelzen zu einer untrennbaren Bedeutungseinheit.
- Der Gebrauch der Präposition ist fest an das Verb gebunden, in dessen
Argumentstruktur vorangelegt (vgl. Meibauer et al. 22007: 149).
3. Zur Einheit von Verb und Präposition
Verben, die mit Präpositionen eine feste Bedeutungseinheit eingehen, finden sich in allen Gruppen von Verben. Die Verben mit Akkusativergänzung
(direktes Objekt) zum Beispiel sind ihrer Bedeutung nach in beiden Sprachen
oft mehr als zweiwertig und stellen eine dritte Leerstelle zur Verfügung, bei
der es sich häufig um eine Präpositivergänzung handelt:
(25)
a. Proteggo i bambini.
b. Proteggo i bambini dal fuoco.
Ich schütze die Kinder.
Ich schütze die Kinder vor dem Feuer.
Auch die Verben mit reflexiver Akkusativergänzung zerfallen nach ihren
164
weiteren Valenzeigenschaften in verschiedene Untergruppen. Eine dieser
Untergruppen zeichnet sich durch eine zusätzliche Präpositivergänzung aus
(vgl. Duden Nr.4 2005: 409):
(26)
a. Mi scuso.
a. Mi scuso per il ritardo.
Ich entschuldige mich.
Ich entschuldige mich für die Verspätung.
Ebenso ist die Gruppe der einwertigen Verben mit nur einer Nominativergänzung als solche relativ, weil vor allem auch sie eine weitere obligatorisch
oder fakultativ zu besetzende syntaktische Leerstelle eröffnen und dieser eine
semantische Rolle in Form einer Präpositivergänzung zuordnen kann. In der
Liste der Verben, die mit einer Präposition eine feste Bedeutungseinheit eingehen, gehören sie in beiden Sprachen zur größten Gruppe (vgl. auch Gras
Ferraresi - Tomelleri Kromberg 1994: 106):
(27)
a. Io penso.
b. Io penso al mio fidanzato.
Ich denke.
Ich denke an meinen Freund.
Bei Verben mit einer Dativergänzung (indirektes Objekt) handelt es sich
um Verben, die zusätzlich auch Raum für eine Präpositionalphrase anbieten
können. Der Dativergänzung entspricht im Italienischen oft der a-Obliquus,
aber nicht immer, wie auch hier deutlich wird:
(28)
a. Il politico ringrazia il giornalista.
b. Il politico ringrazio il giornalista
per l’articolo.
Der Politiker dankt dem Journalisten.
Der Politiker dankt dem Journalisten
für den Artikel.
Generell sind also Verben mit einer Präpositivergänzung in allen Gruppen
von Verben vertreten. Hinzu kommt, wie hier in den Beispielen auch deutlich
wird, dass die Valenzeigenschaften deutscher und italienischer Verben nicht
immer übereinstimmen, dass die Unterscheidung von fakultativer Ergänzung
und Angabe oft schwer fällt, und vieles mehr. Deshalb raten in der Regel die
meisten Lehrbücher im Bereich Deutsch als Fremdsprache17, Verb und Präposition in ihrer festen Bedeutungseinheit lexikalisch zu lernen. Während zahlreiche Übungen dazu dienen, die direktiven, lokalen, temporalen und auch
Wechsel-Präpositionen augrund ihres Bedeutungsgehaltes zu üben, werden
die Präpositivergänzungen meist in Zahl und Umfang nur sehr kurz behandelt.
Schematisch, tabellarisch präsentiert, mit sehr eingeschränkter Übungstypologie werden in der Regel keine Erklärungen geboten, die ausreichend Aufschluss über die Regeln zu verbspezifischen Ergänzungen und frei kombinier17
Z.B. Tangram, Moment mal!, Projekt Deutsch, Delfin, em, etc.
165
baren Angaben geben. Vor allem auch deshalb weil der Präposition in der
Präpositivergänzung keine klare Bedeutung zugesprochen wird (vgl. u.a. Helbig - Buscha 171996), bleibt der Versuch einer Vermittlung auf der Basis semantischer Verbfelder aus. Deshalb soll hier versucht werden zu einer lernergerechten Didaktik und Übungstypologie anzuregen, die das Hauptaugenmerk
auf die feste Präposition richtet, um den Lernenden im Aneignungsprozess
bestimmte Schemata und Richtlinien zur Verfügung zu stellen.
4. Gebrauch der Präpositionen
Die italienische Sprache verfügt über weitaus weniger Präpositionen als
die deutsche. Die acht am häufigsten benutzten Präpositionen finden im Deutschen eine weitaus größere Anzahl möglicher Entsprechungen (vgl. u.a. Gras
Ferraresi - Tomelleri Kromberg 1994: 57ff.) Das gleiche gilt auch bei den
Verben mit Präpositivergänzung. Das Italienische leitet diese hauptsächlich
durch die zwei Präpositionen a und di , weniger oft durch con, da oder per ein
(vgl. Battaglia - Pernicone 1991: 412f). Das Deutsche bedient sich hingegen
der gesamten Bandbreite seiner Präpositionen. Daher entsprechen den italienischen Präpositionen oft mehrere deutsche. Kontrastiv kann man zur Orientierung Entsprechungen18 herstellen zwischen:
dem italienischen:
a-Obliquus
di-Obliquus
zum Beispiel:
aber z.B.:
oder:
aber z.B.:
und der deutschen Präpositivergänzung mit:
an
von, über, um, aus
pensare
adattarsi
scrivere
credere
appartenere
a
a
a
a
a
denken
sich anpassen
schreiben
glauben
gehören
an
an
an
an
zu
trattare
discutere
occuparsi
essere fatto
aver paura
di
di
di
di
di
handeln
diskutieren
sich kümmern
bestehen
Angst haben
von
über
um
aus
vor
Neben diesen Entsprechungen, die zur reinen Orientierung dienen, könnte
18
Vgl.: Schwarze 1988: 109. Es bestehen Abweichungen von diesen Entsprechungen.
166
die Erstellung semantischer Verbfelder einen ersten Schritt bei der Didaktisierung der Präpositivergänzung darstellen. Die Untersuchung von semantischen
Verbfeldern (vgl. Schumacher 1986) hat ergeben, dass bei einigen Verbfeldern immer die gleiche Präposition vorhanden ist. Zum Beispiel (Domìnguez
Vázquez 2005: 9):
auf
aus
von
zu
Verben der Preservation: beharren auf, bestehen auf, insistieren
auf, aufpassen auf
Verben der Grundlegung: aufbauen auf, basieren auf, sich gründen auf, sich stützen auf
Verben des Folgens und der Folgerung: sich ergeben aus, resultieren aus, folgern aus
Verben der Entfernung/Differenz: sich distanzieren von, sich
verabschieden von, sich trennen von
Verben der Änderung: bekehren zu, übertreten zu, konvertieren zu,
entschließen zu
Die Bildung dieser semantischen Verbfelder und deren Benennung könnte
eine Übungstypologie darstellen um die Funktion der Präposition semantisch
einzuordnen.
Darüber hinaus könnte vor allem bei Verben mit einer Reihe unterschiedlicher Präpositionen (bestehen; sich freuen) die Beschreibung des semantischen
Kasus von Seiten der Lernenden zu logischen Verknüpfungen hinsichtlich des
Einsatzes fester Präpositionen führen.19
Ich lerne etwas aus den Büchern, aber von meinem Lehrer. Das Italienische bietet keine Hilfe, weil in beiden Fällen da als Präposition auftritt. Oft
entscheidet die Präposition darüber, ob ihr Mitspieler eine Institution, ein
Mensch oder ein Tier ist und so tragen z. B. von-Präpositionalphrasen häufig
die Merkmale (hum/inst)20, d.h. Menschliches oder vom Menschen geschaffene Institutionen. Die aus-Präpositionalphrase wird hingegen durch kategorielle Bedeutungen (geg/situ) gekennzeichnet.
Die Zuordnung der Kasus Lokativ, Klassifikativ, Affektiv und Agentiv
(vgl. Engel 1996: 230ff) können bei der Erklärung der Präpositionen von Nutzen sein, sind aber nicht unbedingt notwendig (siehe Übungsteil).
19
20
Vgl. die von Engel vorgeschlagenen Tests: Engel 1996 und Domìnguez Vázquez 2005
Z. B.: Menschliches = hum; Institution = inst; Situation = situ; Gegenständliches = geg
167
5. Die Präpositivergänzung und ihre Ersatz-Formen (Pro-Formen)
Alle Präpositionalphrasen können allgemein innerhalb des Satzes durch
verschiedene Pro-Formen ersetzt werden. Diese Formen werden auch pronominale Kopien, Substituens, Verweisformen, Präpositionaladverbien oder im
Falle der Präpositivergänzung als Pronominaladverbien bezeichnet. Es handelt sich um pronominale Ausdrücke, die auf die präpositional eingeleitete
Nominalphrase Bezug nehmen und diese im Satz aus verschiedenen Gründen
vertreten können (vgl. Sasse 1993: 646-686). Sie setzen sich immer aus einem
der Pro-Adverbien wo-, da- oder hier21 und der Präposition zusammen:
wo(r) + Präposition22 (worin/wofür/...)
da(r) + Präposition (darin/dafür/...)
hier + Präposition (hierin/hierfür/...)
Entsprechend ihrer Bildung gehören sie zu folgenden Gruppen und erfüllen die folgenden syntaktischen Funktionen:
Gruppe
wo -
da -,
hier -
Funktion:
Interrogativ- und Relativadverbien:
Worüber denkst du nach?
Ich kenne das Buch, worüber er spricht.
phorische Pro-Adverbien:
Sie legt die Tasche darauf. (auf den Tisch) (D)
Der Schlüssel ist hierin. (in dieser Tasche) (D)
Komm sofort daraus! (aus dem Zimmer) (D)
Konjuntionaladverbien:
Endlich beginnen die Ferien. Er freut sich sehr darauf. (A)
Wir sprechen gerade darüber, ins Kino zu gehen. (K)
Das Problem ist sehr komplex. Darüber müssen wir
nochmal diskutieren. (A)
Die Uni leidet darunter, dass durch die Reform eine
Verschulung eingetreten ist. (K)
21
Fragesatz
Relativsatz
Antwortsatz
Hauptsatz
konkret
zeigend =
deiktisch (D)
oder
rückweisend =
Anapher (A)
oder
vorausweisend =
Katapher (K)
Verbindungen mit hier werden dabei selten gebraucht.
Beginnt die Präposition mit einem Vokal wird zwischen wo- / da- und Präposition ein ‚r’
eingefügt (worin / darum, aber: wogegen / davon, etc.)
22
168
6. Pro-Formen in Frage- und Relativsatz: wo-Bildungen
Behält die Präposition in einer Präpositionalphrase ihre eigentliche Bedeutung, so wird die Frage in der Regel durch das entsprechende Interrogativadverb eingeleitet: Bei temporaler Bedeutung z. B. durch Wann, bei lokaler Wo,
Wohin, Woher, bei kausaler Warum und bei modaler Wie.
Bei den Verben mit einer Präpositivergänzung verfährt jedoch sowohl das
Italienische als auch das Deutsche anders. Die an das Verb gebundene Präposition wird zu einem festen Bestandteil des Interrogativadverbs. Darüber hinaus unterscheidet dieses zwischen Person und Nicht-Person (Sachen, Dingen,
Konzepte, Ideen, etc.).
Frage bei Personen: Bezieht sich die Frage auf eine Person, leiten in beiden
Sprachen Präposition und Interrogativadverb die Frage ein. Im Deutschen
wird das Interrogativadverb entsprechend der Rektionseigenschaft der Präposition dekliniert:
Preoposizione + chi
↔
Präposition + wen/ wem
A chi pensi?
Io penso al mio fidanzato.
An wen denkst du?
Ich denke an meinen Freund.
Con chi giocha?
Gioca con Peter.
Mit wem spielt er?
Er spielt mit Peter.
Frage bei Nicht-Personen: Beide Sprachen bilden das Interrogativadverb
nach dem gleichen System. Im Deutschen wird jedoch häufiger ein anderer
Typ entsprechend der wo– Bildung verwendet:
preposizione + che cosa
A che cosa pensi?
Penso alle vacanze.
Con che cosa gioca?
Gioca con la macchina.
↔
↔
Präposition + was23 oder
Wo(r) + Präposition
An was / Woran24 denkst du?
Ich denke an die Ferien.
Mit was / Womit spielt er?
Er spielt mit dem Auto.
Die Interrogativadverbien >Wo(r) + Präposition< können bei NichtPersonen in einem deutschen Relativsatz die Funktion des Relativadverbs
annehmen. Bei Personen aber auch bei Nicht-Personen bilden ansonsten die
Präposition und der deklinierte Artikel das Relativadverb. Den deutschen
23
Das Interrogativpronomen was wird nicht dekliniert.
Die Interrogativadverbien “An was” oder “Woran” sind gleichwertig. Bei allen können
beide Form angewendet werden. Die Wo-Bildungen sind jedoch frequenter.
24
169
entsprechen im Italienischen: a/di/con/per/da cui oder quale
Personen:
Conosco l‘uomo a cui pensa.
Conosco l‘uomo di cui parla.
Nicht-Personen:
Conosco il libro al quale pensa.
Conosco il libro di cui parla.
Ich kenne den Mann, an den sie denkt
Ich kenne den Mann, über den sie spricht.
Ich kenne das Buch, an das / woran sie denkt.
Ich kenne das Buch, über das25/worüber er
spricht.
Eine kleine Tabelle möglicher Interrogativ- und Relativadverbien*:
Präposition
über
auf
an
für
von
mit
in
aus
gegen
etc.
Person
Über wen
Auf wen / wem
An wen / wem
Für wen
Von wem
Mit wem
In wen
Aus wem
Gegen wen
…
Nicht Über was
Auf was
An was
Für was
Von was
Mit was
In was
Aus was
Gegen was
…
Person
Worüber*
Worauf
Woran
Wofür
Wovon
Womit
Worin
Woraus
Wogegen
…
7. Pro-Formen in Antwort und Hauptsatz: da-Bildungen
Die Pronominaladverbien haben in ihrer Vertreterfunktion für die Präpositivergänzung rückweisenden (Anapher) oder vorausweisenden (Katapher)
Charakter. Sie greifen entweder zuvor Gesagtes wieder auf oder antizipieren
danach Erwähntes. (vgl. Bußmann 32002: 538; 541) In dieser Funktion treten
sie in Antwortsätzen, aber auch in Hauptsätzen mit jedoch unterschiedlichen
Regeln auf.
In Antwortsätzen werden sie häufig benutzt, damit die Präpositivergänzung
nicht wiederholt werden muss. Wie beim Interrogativadverb in der Frage unterscheiden das Deutsche und das Italienische auch im Antwortsatz zwischen
Person und Nicht-Person.
Bei Personen wird die Präpositivergänzung in beiden Sprachen durch die
25
Bei den Relativadverbien gilt das Gleiche wie bei den Interrogativadverbien. (Anm. 12)
170
Präposition zusammen mit dem Personalpronomen ersetzt, das im Deutschen
entsprechend der Rektionseigenschaft der Präposition dekliniert werden muss.
(29) occuparsi di
Si occupa dei suoi bambini.
Di chi si occupa, dei suoi bambini?
Si, si occupa di loro.
sich beschäftigen mit
Sie beschäftigt sich mit ihren Kindern.
Mit wem beschäftigt sie sich, mit ihren Kindern?
Ja, sie beschäftigt sich mit ihnen.
(30) pensare a
Lei pensa a Peter?
A chi pensa, a Peter?
Si, penso a lui.
denken an
Sie denkt an Peter.
An wen denkt sie, an Peter?
Ja, ich denke an ihn.
Bei Nicht-Personen unterscheidet sich das Deutsche vom Italienischen.
Während sich das Deutsche bei allen Präpositionen der Pronominaladverbien
aus der Gruppe der da-Bildungen >da(r)+Präposition< bedient, treten im Italienischen an die Stelle der Präpositivergänzung je nach Präposition bestimmte klitische Pronomina (vgl. Schwarze 1988: 297) oder das Substantiv der
Nominalphrase muss wiederholt werden26:
Italienisch
Präpositivergänzung mit:
a
di
→
con
da
(32)
(33)
→
Pro-Form: Adverb
ci/vi
ne
Wiederholung:
Substantiv
Sì, se ne occupa.
Sì, ci pensa.
Deutsch
Präpositivergänzung mit:
an
→
von
→
über
→
um
→
aus
→
mit
→
bei / vor →
Pro-Form: Pronominaladverb
daran
davon
darüber
darum
daraus
damit
dabei / davor
Ja, sie beschäftet sich damit.
Ja, sie denkt daran.
In Hauptsätzen können die Pronominaladverbien der da-Bildung bei
Nicht-Personen zwei verschiedene Aufgaben erfüllen: rückweisend (Anapher)
oder vorausweisend (Katapher).
26
Vgl. Gras Ferraresi - Tomelleri Kromberg (1994: 106); Battaglia - Pernicone (1991:
247ff); Schwarze (1988: 305ff).
171
Anapher: Diese Vertreterfunktion bedient sich im Deutschen wie im Italienischen der gleichen Pronominaladverbien wie im Antwortsatz. Das Pronominaladverb verweist auf etwas vorher Gesagtes und erspart so die Wiederholung des Substantivs:
(34)
a. Il problema è molto complesso. Ne dobbiamo ancora parlare.
b. Das Problem ist sehr komplex. Wir müssen nochmal darüber sprechen.
(35)
a. Il problema mi occupa tanto. Ci penso continuamente.
b. Das Problem beschäftigt mich sehr. Ich denke laufend daran.
(36)
a. All‘inizio del convegno mostriamo un film. Con esso si inizia.
b. Am Anfang der Konferenz zeigen wir einen Film. Damit fangen wir an.27
Katapher: Diese Vertreterfunktion findet keine gleichwertige Entsprechung im Italienischen. Im Deutschen kann die für die Präpositivergänzung
vorgesehene Leerstelle durch das Pronominaladverb der da-Bildungen ersetzt
werden. Es eröffnet so eine weitere Leerstelle, die in Form eines dass-Satzes
oder einer Infinitivkonstruktion besetzt werden kann. Auf diese Weise antizipiert das Pronominaladverb im Hauptsatz, was dann in einem anschließenden
Nebensatz weiter ausgeführt wird:
(37)
a. Ich beginne
b. Ich beginne
mit der Begrüßung.
damit,
c. Ich beginne
damit,
dass ich Sie ganz herzlich zur
Eröffnungsfeier begrüße.
das ungeduldige Publikum schnell
zu begrüßen.
Das Pronominaladverb vertritt die Präpositivergänzung im Hauptsatz.
Durch seinen kataphorischen Charakter (antizipierend) weist es auf ein Konzept oder Faktum voraus, das in einem darauf folgenden dass-Satz oder bei
gleichem Subjekt in einer Infinitivkonstruktion zum Ausdruck kommt. Der
Bedeutungsgehalt der Präpositivergänzung, der in dem maximalen Informationsgehalt einer Nominalphrase besteht, kann so in Form einer syntaktischen
Konstruktion mit all ihren möglichen Informationsträgern wesentlich erweitert und präzisiert werden. Das Italienische bedient sich entsprechender Strukturen, indem es an die Stelle des Pronominaladverbs auf das Faktum an sich
verweist: preposizione + il fatto = da(r)+Präposition
27
Bei Personen benutzen beide Sprachen die Präposition und das Personalpronomen.
172
(38)
a. Ich freue mich riesig auf den Urlaub.
b. Ich freue mich riesig darauf, dass ich im Urlaub mal richtig ausschlafen kann.
c. Ich freue mich riesig darauf, im Urlaub mal richtig ausschlafen zu können.
d. Mi rallegro delle vacanze.
e. Mi rallegro del fatto che posso dormire ben a lungo durante le vacanze.
f. Mi rallegro del fatto di poter dormire ben a lungo durante le vacanze.
(39)
a. Wir unterhielten uns über das letzte Fußballspiel.
b. Wir unterhielten uns darüber, dass das letzte Fußballspiel sehr spannend war.
c. Parlavamo dell‘ultima partita di calcio.
d. Parlavamo del fatto che l‘ultima partita di calcio è stata molto emozionante.
8. Eine Auswahl häufig gebrauchter Verben mit fester Präposition
Im Folgenden wird eine Liste von häufig gebrauchten Verben mit fester Präposition präsentiert.
173
174
175
Aufgaben und Übungen28
A. Übungen zu den Verbfeldern
A1. Ergänzen Sie weitere Verben mit fester Präposition und benennen Sie die Verbfelder (2) und (3). Sie können die Verbfelder auch in ihrer Muttersprache benennen.
→
für
→
→
gegen
→
(1) Verben des zielgerichteten positiven Einsatzes (Benefizient/Sache-Person-Konzept): protestieren für, sein für, demonstrieren für
(2) Verben ____________________: arbeiten für, zuständig sein
für, jdn. halten für, sorgen für
(3) Verben __________________: jdm. danken für, s. bedanken
für, s. entschuldigen für
(4) Verben des zielgerichteten Einsatzes gegen ein Oppositum
(Kontrahent/Person-Konzept): protestieren gegen, sein gegen, demonstrieren gegen
28
Aus didaktischen Gründen wird hier vor allem die Arbeit in kleinen Gruppen oder zu
zweit empfohlen.
176
A2. Bilden Sie a) Sätze mit den Verben der Tabelle. Ersetzen Sie b) in einem zweiten
Schritt die Präpositivergänzung durch ein Pronominaladverb und erweitern Sie c) den
Satz, indem Sie die Leerstelle durch einen dass-Satz oder eine Infinitivkonstruktion
besetzen.
Beispiel:
Ich protestiere gegen den Rassismus.
Ich protestiere dagegen, dass der Rassismus in den Schulen geduldet
wird.
Die Studenten protestieren dagegen, unter diesen Bedingungen geprüft
zu werden.
A3. Bilden Sie Verbfelder mit den folgenden Verben und benennen Sie sie.
über
s. unterhalten über, sprechen über,
reden über, diskutieren über,
berichten über, nachdenken über,
s. wundern über, s. einig sein über,
etw. erfahren über, s. beklagen über,
s. ärgern über, lachen über,
etw. hören über
an
zweifeln an, Kritik üben an,
s. freuen an, s. orientieren an,
s. halten an, s. gewöhnen an,
s. anpassen an, teilnehmen an,
glauben an, jdm. liegt etw. an,
schreiben an/an, arbeiten an,
s. erinnern an, sterben an, es liegt an
A4. Bilden Sie dann Fragen und Antworten nach dem folgenden Beispiel.
Worüber unterhaltet ihr euch?
Wir unterhalten uns darüber, dass der Energieverbrauch in den letzten Jahrzehnten
in den entwickelten Ländern drastisch zugenommen hat.
A5. Arbeiten Sie mit Hilfe der Liste der am häufigsten gebrauchten Verben mit fester
Präposition (Punkt 8) so weiter wie oben. Bilden Sie nach und nach zu allen Verben
mit fester Präposition Verbfelder und benennen Sie sie.
auf – in – mit – nach – zu – vor – von – usw. …..
B. Übungen zum semantischen Kasus
B1. Das folgende Verb kann mit unterschiedlichen Präpositionen eine Verbindung
eingehen. Ergänzen Sie weitere Satzbeispiele und beschreiben Sie den semantischen
Kasus auch mit Hilfe der folgenden Kategorien, z.B.: Menschliches = hum; Institution
= inst; Situation = situ; Gegenständliches = geg; Ort = ort;
Ich kämpfe für die Rechtschreibreform.
Ich kämpfe
…
Ich kämpfe gegen die Rechtschreibreform.
Ich kämpfe
…
177
hum/geg: systematisch, zielstrebig, s. bewusst in den Dienst
stellen für
Ich kämpfe um die Rechtschreibreform.
Ich kämpfe
…
Ich kämpfe mit der Rechtschreibreform.
Ich kämpfe
…
B2. Die folgenden Verben können mit einer Reihe unterschiedlicher Präpositionen
eine Verbindung eingehen. Beschreiben Sie den semantischen Kasus der Verben.
Orientieren Sie sich an dem unten stehenden Beispiel.
- denken über, von, an, s. etw. denken bei,
- rechnen mit, auf, in, nach, zu
- sprechen mit, zu, vor, über, von, für, gegen
- bestehen aus, in, auf, vor,
Beispiel: arbeiten
für, um
Gegenwert; geg
an, über
Produkt/Thema;
geg
Arbeitsplatz;
ort/hum
in, auf, an
bei
für, gegen
Ziel/Benefizient,
Kontrahent; situ
Ich arbeite für meinen Lohn.
Er arbeitet um den Erfolg.
Ich arbeite an dem Referat.
Er arbeitet über Goethe.
Ich arbeite im Krankenhaus. (=Gebäude)
Ich arbeite auf der Baustelle. (=offener Platz)
Ich arbeite am Fließband. (= wo man steht/ sitzt)
Ich arbeite bei einem Arzt/bei Siemens.
(=Person/Firma)
Ich arbeite an der Uni/am Gymnasium. (= Lehranstalt)
Ich arbeite auf der Post/dem Standesamt. (= Ämter)
Ich arbeite für die Befreiung politischer Gefangener.
Ich arbeite gegen politischen Schwachsinn.
C. Einsetzübungen zu den festen Präpositionen
C1. Setzten Sie die festen Präpositionen oder Pronominaladverbien ein.
Ärger mit den Nachbarn
“Sie können sich ____________1) verlassen, dass ich den Flur putze! Nur fange
ich ____________2) an, wenn es mir meine Zeit erlaubt!” Es liegt mir nichts
____________3), ____________4) Ihnen ____________5) zu streiten. Kümmern Sie
sich ____________6) ihre Angelegenheiten und lassen Sie mich in Ruhe.” Karin
hatte immer sehr ____________ 7) geachtet, nicht ____________ 8) den Nachbarn
zu streiten. Seitdem sie in diesem ruhigen Haus wohnte, hatte sie sich sehr
____________9) die Nachbarn angepasst: keine Partys, keine laute Musik, keine
178
häufigen Besuche, usw. Als Studentin war es nicht leicht, eine schöne Wohnung zu
finden. Die meisten Vermieter hielten nichts ____________10) Studenten: “Die machen ja doch nur Krach und bezahlen die Miete nicht!”
Aber obwohl sie sich sehr ____________11) kümmerte, alles in Ordnung zu halten und ihre Nachbarn zu respektieren, gab es nur Ärger. Sie ärgerte sich immer häufiger ____________12) ihre Nachbarinnen, die sie zehnmal am Tag ____________13)
fragten, wann sie endlich die Treppe und den Flur putzen wolle. Sie fürchtete sich
schon ____________14), jemanden aus dem Haus zu treffen. Sie zweifelte langsam
____________15), ob es wirklich etwas ____________16) ihr als Person zu tun hatte,
oder ob es den Nachbarinnen nicht ganz einfach nur ____________17) ging, sich zu
streiten, egal ____________18) wem. So dachte sie ein wenig ____________19)
nach, wie sie mit den Damen des Hauses Frieden schließen könnte. Nachdem sie auch
____________20) ihrer Freundin ____________21) das Problem gesprochen hatte,
kam ihr nach ein paar Tagen die Idee: ein Kaffeekränzchen! Sie begann sofort
____________22) den Einladungen. Alle sagten zu. Sie kamen wohl eher aus Neugier
als aus Freundlichkeit. Dennoch wurde es ein gelungenes Kaffeekränzchen, bei dem
sich alle ein bisschen ____________23) die neue Situation gewöhnen mussten, aber
man lernte sich endlich kennen und die Situation entspannte sich von diesem Tag an.
C2. Setzen Sie die Präpositionen oder Pronominaladverbien ein. Bei welchen Ergänzungen handelt es sich um Präpositivergänzungen (E)? Welchen Charakter haben die
anderen Präpositionen: direktiv, lokal, temporal, oder handelt es sich um Substantive
mit fester Präposition?
Sprachen öffnen “KulTüren”: Das Europäische Jahr der Sprachen setzt auf Vielfalt
Die Vision ____________1) einem vielsprachigen Europa treibt sie an - all die Lehrer und Schüler, Professoren und Kulturvertreter, die ____________2) diesem Jahr
europaweit die Sprachen ____________3) den Mittelpunkt zahlreicher Aktionen
stellen. Europarat und Europäische Union haben das “Jahr der Europäischen Sprachen” ausgerufen. “Muttersprache plus zwei Fremdsprachen” lautet die Devise,
____________4) der nun allerorten - auch in Deutschland- ____________5) das Sprachenlernen geworben wird.
Spanisch ____________6) März, Kroatisch ____________7) April, Französisch
____________8)
Mai, Italienisch
____________9)
Juni und so weiter
10)
____________ Dezember: Bielefeld steht jeden Monat ____________11) Zeichen
einer anderen Sprache. Geboten werden Schnupperkurse, Filme, Lesungen, Theaterfestivals und viele andere Kulturereignisse. Das Programm, organisiert
____________12) der Universität Bielefeld, gehört ____________13) den vielen deutschen Beiträgen ____________14) das “Europäische Jahr der Sprachen” und wird als
herausragendes Projekt ____________15) der Europäischen Union (EU) gefördert.
____________16) Deutschland, das die größte Zahl ____________17) Projekten
____________18) Brüssel eingereicht hat, erhält das Thema Sprache durchaus eine
neue Dimension. Ist doch ____________19) den vergangenen Jahren -heftig und kontrovers- vor allem ____________20) die deutsche Sprache selbst diskutiert worden:
____________21) die zunehmende Anglisierung des Deutschen und den Rückgang
seiner Bedeutung als Wissenschaftssprache, ____________22) Deutsch als Amtsspra-
179
che ____________23) der EU und ____________24) die Förderung des Deutschen
als Fremdsprache ____________25) Ausland.
____________26) der Pflege der eigenen Sprache jetzt also die Fremdsprachen:
____________27)
der nationalen Eröffnungskonferenz des Sprachenjahrs
____________28) diesem Februar (2001) ____________29) Berlin nannte Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn die “Fremdsprachenkompetenz eine Schlüsselqualifikation” sowohl ____________30) das private als auch berufliche Leben.
Und Vivian Reding, ____________31)
der Europäischen Kommission
____________32) Bildung und Kultur zuständig, plädierte ____________33) ihrem
Grußwort ____________34) der Berliner Konferenz ____________35), den “kulturellen Reichtum” Europas zu erhalten und die Sprachen seiner Nachbarländer zu lernen.
____________36) die Luxemburgerin ist es schwerlich begreiflich, dass nur die Hälfte
aller Europäer eine Fremdsprache spricht. “Alle Luxemburger sind dreisprachig, und
wenn sie die Schule verlassen, können sie Luxemburgisch, Deutsch und Französisch
und als vierte Sprache Englisch und meist noch eine fünfte Sprache”, sagte sie kürzlich ____________37) einem Rundfunkinterview. ____________38) solchen Verhältnissen kann man ____________39) Deutschland, das immerhin ____________40)
neun Nachbarländer grenzt, nur träumen. 57 Prozent der Deutschen sprechen eine
einzige Fremdsprache und nur 27 Prozent noch eine zweite.
Englisch hat Vorrang
Alle sind sich ____________41) einig, dass man ____________42) dem Sprachenlernen nicht früh genug beginnen kann - am besten als Grundschüler. ____________43)
den deutschen Schulen ist die “Fremdsprachen-Szene” zwar vielfältig, aber auch
unübersichtlich. Das hängt ____________44) zusammen, dass ____________45) Kultur und Bildung die Bundesländer zuständig sind, jedes also eigene Vorschriften erlässt. So kommt es, dass in Hamburg heute alle Grundschüler Englisch als Pflichtunterricht bekommen, andere Bundesländer ____________46) aber längst noch nicht so
weit sind. (...)
(nach: DAAD-Letter, Nr. 1 April 2001)
D. Übersetzungsübungen
D1. Übersetzen Sie die folgenden Sätze ins Italienische. Die festen Präpositionen
verlangen alle den Akkusativ im Deutschen.
1. Man denkt nicht genug an die Umwelt.
2. Ich erinnere mich nicht an den Vorfall.
3. Die Regierung glaubt an die Realisierung des Projektes in kurzer Zeit.
4. Peter schreibt eine SMS an seine Freundin.
5. Der Mann schickt ein Geschenk an seine Frau.
6.
7.
8.
9.
Achten Sie auf ihre schlanke Linie.
Der Erfolg der Prüfung kommt auf den Prüfling an.
Mein Mann passt heute auf die Kinder auf.
Der Journalist bezieht sich auf die neue Reform.
180
10. Wir freuen uns auf die Semesterferien.
11. Ich warte schon 3 Wochen auf ein Paket.
12.
13.
14.
15.
16.
Die Braut bedankt sich bei den Gästen für die Geschenke.
Der Trainer dankt den Spielern für das gute Spiel.
Kinder interessieren sich für viele Dinge.
Die Arbeiter streiken für bessere Löhne.
Peter entschied sich für das Jurastudium.
17. Die Studenten protestieren gegen die Erhöhung der Studiengebühren.
18. 100.000 Menschen demonstrierten heute gegen Atomkraft.
19. Er entschied sich gegen eine Heirat.
20.
21.
22.
23.
24.
25.
26.
27.
Viele ärgern sich über die schlecht funktionierende Kommunalpolitik.
In den 70er Jahren wurde viel über Politik und Emanzipation diskutiert.
Sara hat sich sehr über das tolle Geschenk gefreut.
Über andere Leute wird immer gerne und viel geredet.
Wir unterhalten uns gerne über Philosophie.
Mein Sohn hat sich um eine Stelle als Manager beworben.
Ich möchte dich um einen Gefallen bitten.
Es geht bei dem Streik nicht um mehr Lohn, sondern um bessere Arbeitsbedingungen.
28. Lass uns um 10 Euro wetten.
D2. Übersetzen Sie die folgenden Sätze ins Italienische. Die festen Präpositionen
verlangen alle den Dativ im Deutschen.
1. Nicht alle Studierenden beteiligten sich an dem Protest.
2. Viele Menschen leiden an Kopfschmerzen.
3. Heutzutage sterben viele junge Leute an Schlaganfällen.
4.
Ich bestehe auf der Einhaltung der Fristen
5.
6.
7.
Die Kleinfamilie besteht heutzutage aus drei Personen.
Das Kleid ist aus Seide.
In Italien trinken viele Leute den Kaffee aus Gläsern.
8. Der Patient bedankt sich bei dem Arzt.
9. Ich entschuldige mich bei Enrico für die Verspätung.
10. Erkundige dich bei dem Schaffner nach der Ankunft des Zuges.
11. Das Problem des Examens besteht vor allem in der Grammatikprüfung.
12. Sie haben gestern mit den Arbeiten begonnen/angefangen.
13. Isaak beschäftigt sich viel mit seinen Kindern.
14. Ich brauche Hilfe beim Umzug. Kann ich mit dir rechnen?
181
15. Mein Bruder unterhält sich gerne mit mir.
16. Der Professor versteht sich gut mit seinen Studierenden.
17. Ich muss mit dir reden. Hast du einen Moment Zeit?
18.
19.
20.
21.
In dem Cafe riecht es wunderbar nach Kaffee.
Ich muss mich nach den neuen Abfahrtszeiten der Züge erkundigen.
In Großstädten stinkt es oft nach Abgasen.
Das Brot schmeckt nach Oliven.
22.
23.
24.
25.
26.
27.
28.
Jugendliche hängen nicht gerne von ihren Eltern ab.
Die Tagesschau berichtet von den letzten Ereignissen.
Ich muss mich jetzt erst mal von dem Stress erholen.
Von Peter haben wir lange nichts gehört.
Das Buch handelt von der Arbeitslosigkeit der jungen Generation.
Die Professorin verlangt viel von den Studierenden.
Karin hat heute Nacht von Schneewittchen geträumt.
29.
30.
31.
32.
Ich habe Angst vor dem Einbrecher.
Der Hund rettete das Kind vor dem Ertrinken.
Der alte Herr verneigte sich vor der schönen Frau.
Ich warne dich vor diesen Leuten.
33. Ich brauche den Computer zum Unterrichten.
34. Er hat es zum Schauspieler gebracht.
35. Viele Politiker werden schnell zu eigennützigen Leuten.
Literatur
Linguistik
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219-231.
183
FALSCHE FREUNDE UND IHRE VERWANDTEN
Christine Twittmann
1. Falsche Freunde – Echte Freunde: Versuch einer Definition
Wie vielen Italienern auf Deutschlandreise ist es schon passiert, dass sie
das kalte Wasser aufgedreht haben, obwohl sie gerne warm duschen wollten,
weil sie das deutsche Wort kalt auf der Armatur als italienisch caldo interpretiert haben? Selbst fortgeschrittenen Lernern passiert die Verwechslung der
beiden Wörter in spontanen Äußerungen noch, obwohl ihnen die Bedeutung
von kalt eigentlich bekannt ist. Solche Verwechslungen zwischen zwei Sprachen nennt man Interferenzen. Interferenzen sind fehlerhafte Übertragungen
muttersprachlicher Strukturen auf äquivalente Strukturen der Fremdsprache.
Sie können semantischer, morphosyntaktischer, lexikalischer, phonologischer
und gestikulatorischer Art sein und sind ein Phänomen, das im Fremdsprachenerwerb häufig beobachtet werden kann, insbesondere wenn sich Mutterund Fremdsprache von ihrer Struktur her ähnlich sind. In diesem Artikel soll
nun dargestellt werden, wie es zu Interferenzen in der Lexik kommt, wie sie
unter linguistischen Aspekten zu beschreiben sind und wie sie vermieden
werden können. Dabei soll das Hauptaugenmerk auf die Aspekte gelegt werden, die für den italienisch-deutschen Sprachvergleich relevant sind.
Der Irrtum, it. caldo mit dt. kalt zu übersetzen, ist wohl das berühmteste
Beispiel für eine Interferenz im italienisch-deutschen Sprachvergleich, jedoch
zählen nicht alle Linguisten diesen Fall der Fehlübersetzung zu den Falschen
Freunden, da die beiden Lexeme nicht sprachgeschichtlich miteinander verwandt sind. Carlo Milan (1989: 395) etwa zählt das Phänomen von zwei sich
ähnelnden Lexemen, die aber nicht derselben Wurzel entstammen, ausdrücklich nicht zu den Falschen Freunden, sondern bezeichnet sie als „zufällige
Homonymien“. Er postuliert als eine Bedingung, zwei Lexeme zu den Falschen Freunden zählen zu können, dass „sie [...] etymologisch miteinander
verwandt [sind]“ (ebd. 394), wodurch er sie klar von diesen zufälligen Homo184
nymien abgrenzt. Zwar gesteht er ein, dass auch hier Interferenzprobleme
auftauchen können, erkennt aber auch, dass – um ein Lexempaar zu den Falschen Freunden zählen zu können – der Sprachbenutzer „das Gefühl haben
[muss], dass die beiden Wörter irgendwie miteinander zusammenhängen, was
sich im Begriff ‚Freund(schaft)’ ausdrückt“ (ebd. 396). Diese Erkenntnis
denkt er jedoch nicht konsequent weiter, sondern fordert stattdessen vom
Fremdsprachenlerner „ein gewisses Vorwissen über die Herkunft der betroffenen Wörter“ (ebd. 396). Er macht nicht den Schritt, dieses „Gefühl“ anstatt
des sprachgeschichtlichen Wissens als Kriterium für Falsche Freunde anzusetzen, obwohl dies aus der Perspektive des Sprechers sinnvoller wäre. Ein
Fremdsprachenlerner hat viel eher das „Gefühl“ als das diachrone Hintergrundwissen, dass zwei Lexeme miteinander zusammenhängen.
Diesen Ansatz hingegen wählt beispielsweise Hans Petersen. Seinen
Grundsatz „Falsche Freunde existieren nicht aus sich selbst heraus, erst der
Lernende schafft sie“1 verfolgt er soweit, dass er auch Lexempaare, die keinen
gemeinsamen sprachhistorischen Ursprung haben, zu den Falschen Freunden
zählt. Er spricht also der Lernerperspektive eine größere Bedeutung zu als der
rein linguistischen Perspektive und räumt deshalb auch den Lexempaaren
einen Platz unter den Falschen Freuden ein, die von Sprechern verwechselt
werden, obwohl sie nicht sprachgeschichtlich miteinander verwandt sind2.
In der linguistischen Forschung lassen sich noch weitere Differenzen finden, welche Phänomene zu dem Feld der Falschen Freunde gezählt werden.
Eine einheitliche Definition der Falschen Freunde existiert nicht. Schon bei
der Eingrenzung des Gebietes, in dem Falsche Freunde auftauchen können,
finden sich in der Literatur unterschiedliche Standpunkte. So ignorieren zahlreiche Forscher, dass sich das Problem der Falschen Freunde nicht nur auf
Fehlbildungen in einer Fremdsprache beschränkt, sondern diese Fehlbildungen ebenso in der Muttersprache vorkommen3. Im Sinne dieses Studienbuches
wird hier jedoch das Phänomen Falsche Freunde nur im Spannungsfeld von
zwei Sprachen (Italienisch – Deutsch) dargestellt, um dem kontrastiven Ansatz gerecht zu werden. Aber auch bezüglich der Frage, welche Fehlbildungen
1
Petersen (1990: 12).
Vgl. hierzu genauer das Kapitel 3.2 bei Petersen (1990: 26-27).
3
Hans Petersen erläutert sinnvoller Weise das Phänomen der Falschen Freunde mit seinen
Beobachtungen zu Sinnkonstitution und Motivierung im Bereich der Lexik, wodurch der Begriff der Falschen Freunde erweitert wird und auch Falschbildungen in der Muttersprache umfasst. Als Beispiel führt er die „semantisch differenzierten Zwillingsformen (Doppelformen,
Dubletten)“ (Petersen, 1990: 27) an. Dies sind Lexempaare derselben Sprache (für das Deutsche beispielsweise real – reell, formal – formell), die aus einer gemeinsamen Wurzel entstanden sind, sich aber sowohl formal als auch semantisch unterscheiden. Auch Milan zählt dieses
Phänomen zu den Falschen Freuden und bezeichnet diesen Fall als „synchronische, intralinguale faux amis“ (Milan 1989: 390).
2
185
in den Bereich der Falschen Freunde gehören, sind sich die Linguisten nicht
einig: zwar zählen die meisten auch formale Fehlbildungen zu den Falschen
Freunden, doch insbesondere in einigen Übungs- und Wörterbüchern werden
wie selbstverständlich nur Interferenzen im Bereich der Semantik zu den Falschen Freunden gezählt4. Und wie bereits dargelegt, gehören für einige nur
die Lexempaare zu den Falschen Freunden, die etymologisch miteinander
verwandt sind, für andere nicht.
Sucht man den kleinsten gemeinsamen Nenner der verschiedenen Definitionen des Phänomens Falsche Freunde, die sich in der Forschungsliteratur
finden, lässt sich folgender Grundsatz formulieren:
Der Begriff Falsche Freunde bezeichnet Fehlbildungen oder Fehlübersetzungen, die
entstehen, weil der Lerner Ähnlichkeiten zwischen zwei Lexemen falsch interpretiert.
Diese sehr offene Definition erlaubt eine Erweiterung des Begriffs der Falschen Freunde auf zahlreiche Interferenzprobleme im Bereich der Lexik beim
Fremdsprachenerwerb. So bezieht sich dieser Artikel ausdrücklich nicht nur
auf Interferenzen bezüglich der Semantik, sondern auch auf lexikalische Interferenzen bezüglich der Form. Zudem sollen hier auch Verwechslungen von
ähnlichen Lexemen eingeschlossen werden, die keinen gemeinsamen sprachgeschichtlichen Ursprung haben.
Interferenzen entstehen also aufgrund von Ähnlichkeiten. Diese Ähnlichkeiten, die zwischen zwei Lexemen in unterschiedlichen Sprachen bestehen
können, sollen nun an dieser Stelle beschrieben werden. Von Hans Petersen
werden die vier Kriterien zur sprachwissenschaftlichen Beschreibung formaler Ähnlichkeiten von Lexempaaren übernommen:
1)
2)
3)
4)
graphemisch
phonetisch-phonologisch
morphologisch
sprachgeschichtlich-etymologisch5
Um nun diese Kriterien von Ähnlichkeit zu verdeutlichen, wird das obige
Beispiel von it. caldo und dt. kalt zu Hilfe gezogen: Eine graphemische Ähnlichkeit im wissenschaftlichen Sinne kann man nicht feststellen. Dieses Resultat ergibt sich logisch aus der Tatsache, dass die Sprachen Italienisch und
Deutsch keine analoge Rechtschreibkonvention haben, eine Übereinstimmung
der Orthographie gibt es somit eher selten. Ebenso kann eine phonetisch4
Bei Lackamp (1998) beispielsweise werden Falsche Freunde ausschließlich unter semantischen Aspekten dargestellt.
5
Vgl. Petersen (1990: 8).
186
phonologische Ähnlichkeit sprachwissenschaftlich nur selten festgestellt werden, denn it. caldo [kaldo] und dt. kalt [kalt] haben einen unterschiedlichen
Phonembestand. Es wird also deutlich, dass auch eine Übereinstimmung der
Aussprache zwischen Lexemen der beiden Sprachen, die Falsche Freunde
sein können, so gut wie nicht auftritt, da das Italienische und Deutsche unterschiedliche Phoneminventare haben. Trotzdem würde jeder Nicht-Linguist
diese zwei Lexeme als ähnlich bezeichnen, und trotzdem kommt es zwischen
diesen beiden Lexemen immer wieder zu Fehlübersetzungen. Eine graphemische oder phonetisch-phonologische Ähnlichkeit ist also immer subjektiv und
kann wissenschaftlich nicht gemessen oder bewiesen werden. Das bedeutet,
dass der Lerner zwar eine Ähnlichkeit nach den Kriterien 1) und 2) erkennt,
diese Ähnlichkeit aber nicht sprachwissenschaftlich beschrieben werden kann.
Es basiert also immer auf einer gewissen Subjektivität zu beurteilen, wann
zwei Lexeme eine graphemische und/oder phonetisch-phonologische Ähnlichkeit aufweisen. Diese Ähnlichkeit wird hier die oberflächliche Ähnlichkeit
genannt.
Für die Kriterien 3) und 4) hingegen lassen sich die Ähnlichkeiten zwischen Lexemen durchaus sprachwissenschaftlich nachvollziehen und beweisen. Um dies zu verdeutlichen, und um eine erste Klassifizierung der Falschen Freunde vorzunehmen, werden drei Lexempaare untersucht: (1) it. telefono – dt. Telefon, (2) it. concorso – dt. Konkurs und schließlich das obige
Beispiel (3) it. caldo – dt. kalt:
(1)
Die Lexeme it. telefono und dt. Telefon sind unter morphologischen und
etymologischen Aspekten ähnlich, da beiden Lexemen die griechischen Wurzeln tele
(„weit“, „fern“) und phone („Stimme“) zu Grunde liegen, sie sind also sprachgeschichtlich miteinander verwandt. In Abgrenzung zu der oben beschriebenen oberflächlichen Ähnlichkeit sollen diese verwandtschaftliche Ähnlichkeit genannt werden.
Weiter lässt sich beobachten, dass beide Lexeme die ursprüngliche Bedeutung behalten haben und sich deshalb semantisch entsprechen.
(2)
Auch dieses Lexempaar hat eine gemeinsame Herkunft, beide haben sich aus
dem lateinischen Wort concursus entwickelt. Jedoch weisen die beiden Lexeme unterschiedliche Bedeutungen auf: it. concorso entspricht von der Bedeutung her dt.
Wettbewerb, dt. Konkurs entspricht it. fallimento, bancarotta. Das deutsche Wort
Konkurs wurde aus dem Begriff concursus creditorum („das Zusammenlaufen der
Gläubiger“) übernommen und hat deshalb eine veränderte Bedeutung. Die Lexeme
sind also sprachgeschichtlich miteinander verwandt, sie weisen somit eine verwandtschaftliche Ähnlichkeit auf, haben aber unterschiedliche Bedeutungen.
(3)
Bei unserem dritten Lexempaar it. caldo – dt. kalt lässt sich keine gemeinsame Wurzel finden. Sie sind nicht etymologisch miteinander verwandt. Nur durch
Zufall weisen diese beiden Wörter eine oberflächliche Ähnlichkeit auf, eine verwandt-
187
schaftliche Ähnlichkeit liegt nicht vor. Auch hier ist die Bedeutung der beiden Lexeme vollkommen unterschiedlich.
Man erkennt, dass es sich hier um drei verschiedene Lexempaare handelt.
Die Lexempaare in (1) und (2) weisen eine verwandtschaftliche Ähnlichkeit
auf. In der linguistischen Forschung werden diese Lexempaare auch Kognatenpaare genannt. Kognaten sind zwei unterschiedliche Lexeme in einer oder
mehreren Sprachen, die sich aus derselben Wurzel entwickelt haben. Allerdings sind sie keineswegs gleichzusetzen mit Falschen Freunden. Kognatenpaare haben sprachgeschichtliche denselben Ursprung, können aber völlig
unterschiedliche, sich überschneidende, sowie identische Bedeutungen haben.
Der Begriff Kognat sagt zwar etwas über die sprachgeschichtliche Verwandtschaft von zwei Lexemen aus, nichts aber über ihre semantische Beziehung.
Durch die Erläuterung der obigen Beispiele wird dies deutlicher.
Beim Lexempaar in (1) kann der Lerner die Bedeutung des Lexems seiner
Muttersprache auf die Bedeutung des Lexems in der Fremdsprache problemlos übertragen, weil beide aus derselben Wurzel stammen, ohne dass sich die
Bedeutung verändert hat. Man spricht hier deshalb von echten Freunden. Das
Lexempaar in (2) hingegen entspringt zwar ebenfalls derselben Wurzel, allerdings hat in einer der beiden Sprachen eine Bedeutungsveränderung stattgefunden. Hierbei handelt es sich um Falsche Freunde mit verwandtschaftlicher
Ähnlichkeit. Das Lexempaar in (3) weist sprachgeschichtlich keine gemeinsame Wurzel auf und hat damit nur eine oberflächliche Ähnlichkeit, die
wissenschaftlich nicht feststellbar ist, vom Lerner aber so interpretiert wird.
Hier handelt es sich ebenfalls um Falsche Freunde, jedoch um den Typus mit
einer oberflächlichen (nicht etymologisch motivierten) Ähnlichkeit.
Es wird deutlich, dass die Kriterien 1) und 2) zur Bestimmung der Ähnlichkeit von Lexemen nur subjektiv sind und nicht sprachwissenschaftlich
bestimmt werden können, während die Kriterien 3) und 4) objektiv sind und
sprachwissenschaftlich genau beschrieben werden können. Allerdings darf
nicht vergessen werden, dass es häufig die ersten beiden Kriterien sind, die
den Fremdsprachenlerner zu Fehlübersetzungen verleiten. Insbesondere in der
mündlichen Äußerung hat der Sprecher kaum die Zeit, sich über sprachhistorische Zusammenhänge Gedanken zu machen. Das bedeutet, dass Falsche
Freunde nicht auf linguistischem Weg festgestellt werden können, sondern
ein Lexempaar erst dann als Falscher Freund bezeichnet werden kann, wenn
ein Fremdsprachenlerner die fehlerhafte Übertragung in die Fremdsprache
auch tatsächlich aktualisiert hat. Das heißt, dass it. caldo und dt. kalt nicht per
se als Falsche Freunde bezeichnet werden können, sondern nur dann, wenn
ein Sprecher fälschlicher Weise caldo mit kalt oder umgekehrt übersetzt. Auflistungen von Falschen Freunden können also immer nur auf empirischen
188
Erhebungen, auf Erfahrungen aus dem Fremdsprachenunterricht und aus Gesprächen mit Fremdsprachenlernern basieren.
Das Phänomen der Echten Freunde hilft nun zu erklären, wie und warum
es zu lexikalischen Interferenzen zwischen zwei Sprachen kommt. Es sind die
positiven Erfahrungen mit den Echten Freunden, die den Lerner zu Fehlbildungen verleiten. Jeder Lerner einer Fremdsprache wird dazu angehalten, die
Ähnlichkeiten zwischen seiner Muttersprache (oder einer anderen, bereits
erlernten Sprache) und der Fremdsprache zu nutzen, um sich das Lernen zu
vereinfachen. Insbesondere für den Wortschatzerwerb sind diese Übertragungen sehr nützlich. Der Lerner ist nun durch seine Erfolge aufgrund Echter
Freunde zwischen den zwei Sprachen ermutigt, nicht jedes Wort im Wörterbuch zu suchen, sondern sich selbstständig Bedeutungen zu erschließen. Diese
Strategie wird beim Fremdsprachenerwerb grundsätzlich gefördert, da sie den
Wortschatzerwerb erleichtert. Eine Vokabel muss nicht gelernt werden, sondern kann durch kognitive Herleitung verstanden werden. Und an dieser Stelle
taucht das Problem der Falschen Freunde auf. Der Lerner erkennt die oberflächliche Ähnlichkeit und eventuell, wenn vorhanden, auch die verwandtschaftliche Ähnlichkeit der beiden Wörter. Er versucht automatisch die Bedeutung herzuleiten und scheitert. Durch einen falschen Analogieschluss kommt
es damit zur Fehlbildung oder -übersetzung.
Aus dem hier dargestellten Prozess wird deutlich, dass weniger Lernanfänger einer Fremdsprache mit Falschen Freunden zu kämpfen haben. Vielmehr muss der Lerner schon einen gewissen Verständnisgrad der Fremdsprache haben, bevor er einen falschen Analogieschluss begehen kann. Er muss
zunächst die Regelmäßigkeiten erkennen, mit denen er Bedeutungen herleiten
kann. Besonders wenn der Lerner verwandtschaftliche Ähnlichkeiten feststellen will, muss er über eine geschulte Wahrnehmung und diachrone Kenntnisse
der Fremdsprache verfügen. Das Problem dieser Erkenntnis ist, dass fortschreitender Lernerfolg nicht davor bewahrt, Falschen Freunden zum Opfer
zu fallen. Interferenzen in spontanen Äußerungen gehen jedoch selten darauf
zurück, dass der Sprecher die etymologische Verwandtschaft von zwei Wörtern falsch interpretiert hat. Er hat vielmehr einen Automatismus entwickelt,
bei subjektiven Ähnlichkeiten auch eine gleiche Bedeutung anzunehmen.
Diese subjektive Ähnlichkeit, also die Ähnlichkeit nach den obigen Kriterien
1) und 2), greift aber nicht nur bei verwandten Lexemen, sondern auch bei
Lexemen, die nur eine oberflächliche Ähnlichkeit haben. Dies ist der Grund,
warum hier ausdrücklich auch die Lexempaare zu den Falschen Freunden
gezählt werden, die nur eine oberflächliche und keine verwandtschaftliche
Ähnlichkeit haben.
189
2. Typologie der Falschen Freunde
Die oben entwickelte recht offene Definition des Phänomens der Falschen
Freunde als ‚Fehlbildungen oder Fehlübersetzungen, die entstehen, weil der
Lerner Ähnlichkeiten zwischen zwei Lexemen falsch interpretiert’ (s.o.), ermöglicht eine erweiterte Betrachtung des Begriffs. Hier soll das Phänomen
nicht auf semantische Unterschiede von ähnlichen Lexempaaren beschränkt
werden, sondern es sollen auch formale Unterschiede integriert werden. Deshalb werden zur sprachwissenschaftlichen Beschreibung und Analyse der
Falschen Freunde die Interferenzen im lexikalischen Bereich in zwei große
Klassen unterteilt: in die strukturell-formalen und die semantischen Falschen
Freunde6, die jeweils wieder in Untergruppen eingeteilt werden können. Allerdings soll sich hier auf die Einteilung in Beschreibungsmuster beschränkt
werden, die für den deutsch-italienischen Vergleich relevant sind.
2.1. Strukturell-formale Falsche Freunde
Hierbei handelt es sich um Scheinentsprechungen, die zwar häufig eine
oder mehrere gleiche Bedeutungen haben, sich aber im Bereich der Morphologie, Orthographie, Phonetik oder der Syntax unterscheiden. Das heißt, sie
scheinen in beiden Sprachen gleich zu sein, unterscheiden sich aber in einem
oder mehreren strukturellen oder formalen Aspekten. Durch die Bedeutungskongruenz oder Bedeutungsüberschneidung wird der Lerner dazu verleitet,
eine vollkommene Übereinstimmung der beiden Lexeme auch für die strukturellen und formalen Aspekte der jeweiligen Lexeme anzunehmen. Infolge der
Übereinstimmung im Bereich der Lexik entstehen Fehler in der Morphologie,
Orthographie, Phonetik oder der Syntax. Die strukturell-formalen Falschen
Freunde sind also ein Phänomen, das nicht nur zur Lexik gehört. Ihre Untersuchung bewegt sich auf der Schwelle zwischen der Lexikologie und anderen
linguistischen Disziplinen, weshalb sie hier nur relativ kurz behandelt werden
sollen. Im Folgenden wird ein Überblick über die Klassifizierung mit Beispielen gegeben.
a. Unterschiede in der Orthographie: (4) it. internazionale – dt. international
b. Unterschiede in der Aussprache: (5) it. analogia [analo’ȴi:a] – dt. Analogie [analog’i:]
6
Diese Einteilung folgt im Wesentlichen Milan (1989: 392-394); zugunsten der Übersichtlichkeit und Verständlichkeit sind Randphänomene weggelassen worden.
190
d. Unterschiede in der Betonung: (6) it. teléfono – dt. Télefon7
e. Unterschiede im Genus: (7) it. il numero – dt. die Nummer
f. Abweichende Endung: (8) it. sportivo – dt. sportlich
g. Unterschiede in der Rektion: (9) it. abbonarsi a qc – dt. abonnieren + Akk.
h. Pseudowörter: hier bildet der Sprecher Wörter, die in der Zielsprache nicht
existieren. Dieses Phänomen ist im italienisch-deutschen Vergleich besonders bei Deutschmuttersprachlern zu beobachten, die Italienisch lernen. Das
Deutsche kennt zahlreiche Fremdwörter mit lateinischem Ursprung, was
leicht dazu führen kann, dass der Lerner glaubt, das Wort existiere auch im
Italienischen: (10) dt. markant – it *marcante (richtig: notevole).
Die hier einzeln dargestellten Unterschiede können auch kombiniert auftreten. So unterscheidet sich das Lexempaar it. lo yacht [jǤt]– dt. die Jacht
[jaxt] (auch: Yacht)8 nicht nur in der Aussprache, sondern auch in Bezug auf
das Genus.
Betrachtet man noch einmal das Lexempaar it. telefono – dt. Telefono, um
die Echten Freunde von den Falschen Freunden abzugrenzen, kommt man zu
folgender Erkenntnis: Während weiter oben das Lexempaar (als Bsp. (1))
noch zu den Echten Freunden gezählt wurde, muss dieses Urteil nun teilweise
revidiert werden. Was die Bedeutung betrifft, handelt es sich hier zwar tatsächlich um Echte Freunde, unter formalen Aspekten zählt dieses Lexempaar
jedoch zu den Falschen Freunden, weil die Betonung in den beiden Sprachen
unterschiedlich ist.
2.2. Semantische Falsche Freunde
Semantische Falsche Freunde sind Lexempaare mit einer ähnlichen Form,
die sich aber in der Bedeutung unterscheiden. Diese Gruppe unterteilt sich in
zwei Untergruppen: und zwar in die Lexempaare, deren Bedeutungen sich
ausschließen und die hier als wahre Falsche Freunde bezeichnet werden,
sowie in die Lexempaare, deren Bedeutungen sich überschneiden und die hier
partielle Falsche Freunde genannt werden.
Das Phänomen der partiellen sowie der wahren Falschen Freunde mit
verwandtschaftlicher Ähnlichkeit ist diachronisch damit zu erklären, dass die
betreffenden Wörter in den jeweiligen Sprachen von derselben Sprache abstammen und sich unter semantischen Aspekten unterschiedlich entwickelt
haben. Diese Herkunftssprache kann entweder eine dritte Sprache sein oder
7
Vgl. den Beitrag von Vogt in diesem Band.
Hier sind beide Schreibweisen zulässig, so dass ein Falscher Freund in die Richtung Italienisch-Deutsch bezüglich der Orthographie nicht vorliegt.
8
191
eine der beiden Sprachen selbst. Man nennt diese Wörter, die aus einer anderen Sprache übernommen werden, Lehnwörter. Carlo Milan und Rudolf Sünkel sind bei der Analyse von etwa tausenddreihundert Wortpaaren, die ihnen
als Grundlage für ihr umfangreiches Wörterbuch Falsche Freunde auf der
Lauer. Dizionario di false analogie e ambigue affinità fra tedesco e italiano9
dienten, zu der Erkenntnis gekommen, „dass das Deutsche fast immer die
entlehnende Sprache ist“ (Milan 1989: 396). Die deutschen Wörter, die als
Falsche Freunde in Frage kommen, haben ihren Ursprung hauptsächlich im
Lateinischen (ca. 50%), im Französischen (knapp unter 40%) und im Italienischen (ca. 10%). Die restlichen möglichen Falschen Freunde entstammen
anderen Sprachen wie Englisch, Griechisch und Germanisch (vgl. MilanSünkel 1990). Hierbei ist zu beachten, dass die Lehnwörter aus dem Französischen und dem Italienischen auch einen lateinischen Ursprung haben, da diese
beiden Sprachen ja nur die Fortsetzung von Latein sind. Es ist also offensichtlich, dass der Großteil der Falschen Freunde im Deutschen Fremd- und
Lehnwörter sind.
2.2.1. Wahre Falsche Freunde
Die Lexempaare dieser Gruppe haben bei einer gewissen äußeren Ähnlichkeit vollkommen unterschiedliche Bedeutungen. Deshalb werden sie auch
als wahre Falsche Freunde10 bezeichnet. In diese Gruppe gehören unsere
Anfangsbeispiele it. caldo – dt. kalt als Falsche Freunde mit oberflächlicher
Ähnlichkeit und it. concorso – dt. Konkurs als Falsche Freunde mit verwandtschaftlicher Ähnlichkeit bei völlig verschiedenen Bedeutungen. Es ist offensichtlich, dass die erste Gruppe mit oberflächlicher Ähnlichkeit sehr viel kleiner ist als die zweite Gruppe mit verwandtschaftlicher Ähnlichkeit.
2.2.2. Partielle Falsche Freunde
Die Falschen Freunde dieser Gruppe haben zwar mindestens eine(n) gemeinsame(n) Bedeutung/Gebrauch, darüber hinaus haben sie aber jeweils
noch mindestens eine(n) andere(n) Bedeutung/Gebrauch. Sie stehen also in
einem Verhältnis der Überschneidung. In der Forschungsliteratur findet sich
für diese Gruppe auch der Begriff partial cognates11, weil ihre Bedeutungen/ihr Gebrauch nur teilweise divergieren. Hier wird der deutsche Terminus
partielle Falsche Freunde benutzt. It. telefonare beispielsweise teilt mit dt.
9
Vgl. Milan - Sünkel (1990).
Vgl. Milan (1989: 402).
11
Vgl. Milan (1989: 402).
10
192
telefonieren nur die Bedeutung ‚mit jemandem am Telefon sprechen’, die
Bedeutung ‚jemanden anrufen’ hat das deutsche Wort nicht. Und die Lexeme
it. direzione und dt. Direktion bedeuten beide Leitung, die Bedeutung von
Richtung kennt das Deutsche im Gegensatz zum Italienischen jedoch nicht.
Die Überschneidungen können sich nun in verschiedenen Formen manifestieren. Bei einigen Lexempaaren wurde das eine Wort in seiner Bedeutung
verengt, so dass die beiden Lexeme zwar eine gemeinsame Bedeutung haben,
eines der Wörter aber noch zahlreiche andere Bedeutungen haben kann, es
handelt sich also um Bedeutungsüberschneidungen durch Verengung. Dies ist
im deutsch-italienischen Vergleich der häufigste Fall unter den partiellen
Falschen Freunden. Aus dem lateinischen Wort argumentum entwickelten
sich die Wörter it. argomento und dt. Argument. Das italienische Wort hat alle
Bedeutungen der lateinischen Wurzel beibehalten, während das deutsche
Wort semantisch verengt wurde und nur die Bedeutung ‚Beweisgrund’ behalten hat, aber nicht ‚Thema, Gegenstand’ bedeuten kann. Die erste Schwierigkeit liegt nun darin, bei der Übersetzung vom Italienischen ins Deutsche nicht
unreflektiert davon auszugehen, dass it. argomento und dt. Argument alle
möglichen Bedeutungen teilen und so einem Falschen Freund in die Falle zu
gehen. Die zweite Schwierigkeit manifestiert sich anschließend darin, das
adäquate Semem zu aktualisieren.
Ein ähnlicher Fall, der sprachgeschichtlich jedoch deutlich zu unterscheidenden ist, ist die Bedeutungserweiterung. Hier haben zwei Lexeme von ihrer
gemeinsamen Wurzel alle Bedeutungen gleichermaßen übernommen, doch
eines der Wörter hat sich im Laufe der Zeit semantisch weiterentwickelt und
eine weitere Bedeutung hinzugewonnen. Auch hier handelt es sich um eine
Bedeutungsüberschneidung, allerdings durch Erweiterung. Auf dieses Phänomen trifft man bei dem Lexempaar it. mimosa und dt. Mimose. Beide bezeichnen wie das neulateinische mimosa eine Pflanze. Im Deutschen hat das
Wort jedoch darüber hinaus noch den figurativen Sinn von ‚empfindliche
Person’ angenommen, eine Bedeutung, die das Italienische nicht kennt. So
kann man Jana ist eine echte Mimose! nicht mit *Jana è una vera mimosa!
übersetzen, sondern muss einen adäquaten Ausdruck im Italienischen suchen,
der den figurativen Sinn enthält, wie beispielsweise Jana è davvero permalosa!
Darüber hinaus können zwei Wörter, die derselben Wurzel entstammen,
zwar die gleiche Bedeutung übernommen haben, aber eine andere Stilebene
ausdrücken. Dieser Fall trifft mitunter auf die lateinischstämmigen Fremdwörter im Deutschen zu. Aus der lateinischen Wurzel participare haben sich die
Lexeme it. partecipare und dt. partizipieren entwickelt und beide haben die
Bedeutung ‚teilnehmen, teilhaben an’. Im Deutschen ist das Wort partizipieren aber ganz klar für eine recht hohe Sprachebene bzw. einen wissenschaft193
lich geprägten Sprachstil reserviert. So lässt sich Vuoi partecipare al progetto
Erasmus? nicht mit *Willst du am Erasmusprogramm partizipieren?, sondern
mit Willst du am Erasmusprogramm teilnehmen? übersetzen. Im politischen
Kontext jedoch wird partizipieren durchaus gebraucht, weshalb Le elezioni
danno la possibilità a tutti di partecipare alla vita politica sehr wohl mit Die
Wahlen geben jedem die Möglichkeit politisch zu partizipieren übersetzt werden muss. Es wird deutlich, dass es sich hier um eine stilistische Überschneidung handelt.
Die Gruppe der partiellen Falschen Freunde bringt für den Fremdsprachenlerner sicherlich die größten Schwierigkeiten mit sich. Zum einen verleitet die/der eine gemeinsame Bedeutung/Gebrauch dazu, die Lexempaare als
semantisch identisch anzusehen. Zum anderen fällt es dem Sprecher oder
Übersetzer selbst dann schwer, die adäquate Bedeutung zu finden und zu aktualisieren, wenn er erkannt hat, dass ein Wort polysem ist.
Fasst man nun die bisherigen Ergebnisse zusammen, erhält man folgende
linguistische Beschreibungs- und Einteilungsmöglichkeiten von Falschen
Freunden. Zunächst können die Falschen Freunde unter Berücksichtigung
ihrer etymologischen Beziehungen klassifiziert werden. Unter sprachgeschichtlichen Aspekten existieren zwei Typen von Falschen Freunden: diejenigen mit oberflächlicher Ähnlichkeit (nicht etymologisch motiviert) und diejenigen mit verwandtschaftlicher Ähnlichkeit (etymologisch motiviert).
Des Weiteren können Falsche Freunde nach den synchronen Kriterien, die
die Lexeme unterscheiden, eingeteilt werden: in Falsche Freunde mit strukturell-formalen Unterschieden und mit semantischen Unterschieden. Es gibt
mehrere Arten von strukturell-formalen Unterschieden, mit denen sich Falsche Freunde beschreiben lassen: Unterschiede der Orthographie, der Aussprache, der Betonung, des Genus’, der Endung, der Rektion, sowie Bildung
von Pseudowörtern. Die semantischen Falschen Freunde kann man wiederum
in zwei Gruppen unterteilen: in die Lexempaare mit vollkommen unterschiedlichen Bedeutungen (wahre Falsche Freunde) und in Lexempaare, die nur
teilweise eine semantische Übereinstimmung haben (partielle Falsche Freunde).
3. Falsche Freunde vermeiden
Zunächst sei angemerkt, dass Fehlbildungen aufgrund strukturell-formaler
Falscher Freunde einfacher vermieden werden können als Fehlbildungen, die
durch semantische Falsche Freunde entstehen. Um Unterschiede in der Orthographie erkennen zu können, reicht es meist, die Rechtschreibregeln der
Fremdsprache zu erlernen und anzuwenden; gleiches gilt für die Aussprache,
194
wenn der Lerner das Schriftbild vor Augen hat. Die anderen strukturellformalen Unterschiede lassen sich – mit Ausnahme des Problems der Pseudowörter – stur auswendig lernen. Semantische Unterschiede hingegen unterliegen keiner Regelmäßigkeit und bei den partiellen Falschen Freunden hilft
auch gezieltes Auswendiglernen nicht. Aus diesem Grund soll die Konzentration hier auf der Vermeidung von Fehlern im Bereich der semantischen Falschen Freunde liegen.
Wie bereits oben erwähnt, werden auch fortgeschrittene Lerner einer
Fremdsprache Opfer von Falschen Freunden. Besonders in spontanen mündlichen Äußerungen lassen sich diese Fehler kaum vermeiden. In der modernen
Fremdsprachendidaktik soll der Lerner ja gerade ermutigt werden, Ähnlichkeiten zwischen Mutter- und Fremdsprache oder Internationalismen zu nutzen, da diese insbesondere den Wortschatzerwerb erleichtern. Es ist offensichtlich, dass es dabei zu falschen Analogieschlüssen kommen muss. Wenn
ein Lerner Fehler aufgrund Falscher Freunde begeht, beweist er damit, dass
er über zwei grundlegende Kompetenzen im Fremdsprachenerwerb verfügt:
Er kann autonom lernen und ist zu interlingualen Transferleistungen in der
Lage. Insofern soll hier unterstrichen werden, dass es normal und zunächst
auch begrüßenswert ist, Fehler durch Falsche Freunde zu machen. Der Lerner
soll ermutigen werden: Er ist auf dem richtigen Weg.
Übersetzungsfehler im schriftlichen Bereich, die auf Falsche Freunde zurückgehen, sind hingegen durchaus vermeidbar, und dies sollte auch gezielt
geübt werden. Dabei stellt sich zunächst das Problem, Falsche Freunde überhaupt als solche zu erkennen. Ein Großteil der Falschen Freunde im italienisch-deutschen Sprachvergleich ist unter den Fremd- und Lehnwörtern des
Deutschen zu finden. Das bedeutet für die Übersetzung vom Deutschen ins
Italienische oder umgekehrt, dass der Übersetzer Lehn- und Fremdwörtern im
Deutschen grundsätzlich eine größere Vorsicht entgegenbringen muss und
ihre exakte Bedeutung überprüfen sollte.
Die genaue Bedeutung eines Wortes zu finden ist oft schwierig, weil fast
alle Wörter mehrere Bedeutungen oder Sememe haben, also polysem sind. In
zweisprachigen Wörterbüchern findet man häufig nicht alle potentiellen Bedeutungen eines Wortes. Zudem wird im zweisprachigen Wörterbuch die
unterschiedliche Semantik der verschiedenen Übersetzungsmöglichkeiten
nicht klar. Dies wird durch folgenden Beispielsatz deutlicher: L’Ambasciata
Tedesca ha organizzato un ricevimento formale. Die Ähnlichkeit von it. formale und dt. formal verleitet schnell dazu, diesen Satz mit Die Deutschen
Botschaft hat einen *formalen Empfang ausgerichtet zu übersetzen. Bei dem
deutschen Wort formal handelt es sich jedoch um ein Fremdwort, weshalb
hier Vorsicht geboten ist. Und tatsächlich kennt das Deutsche für it. formale
mehrere Bedeutungen. So findet man in den zweisprachigen Wörterbüchern
195
die Übersetzungsmöglichkeiten: formal, förmlich, Form..., formell (u.a.).
Doch wie ist zu entscheiden, welche Übersetzung die richtige ist?
Hier hilft ein einsprachiges Wörterbuch und/oder ein Fremdwörterbuch,
das alle potentiellen Bedeutungen darstellt und vor allem die abstrakte Bedeutung eines Wortes erklärt. Wahrigs Fremdwörterbuch definiert formal mit „die
Form betreffend, auf einer Form beruhend“ und formell mit „förmlich, die
äußeren Formen, die Umgangsformen (genau) beachten“12. Erst durch diese
abstrakte Umschreibung und die Analyse des Kontextes wird klar, dass hier
entweder ‚formell’ oder ‚förmlich’ zu aktualisieren sind, denn der Kontext
‚Empfang bei einer Botschaft’ verlangt nach der Bedeutung ‚die Umgangsformen beachten’13.
Zusammenfassend kann man festhalten, dass zur Vermeidung von Übersetzungsfehlern zwischen dem Italienischen und dem Deutschen, die durch
Falsche Freunde bedingt sind, bei beiden Übersetzungsrichtungen höchste
Aufmerksamkeit auf die Fremd- und Lehnwörter im Deutschen gelegt werden
sollte, da hier die größte Fehlerquelle zu finden ist. Zudem ist bei einer Übersetzung die Arbeit mit einem einsprachigen Wörterbuch (und einem Fremdwörterbuch) unerlässlich, um alle potentiellen Bedeutungen erkennen und das
dem Kontext angemessene Semem auswählen zu können und nicht Opfer
eines Falschen Freundes zu werden.
Aufgaben und Übungen
A. Aufgaben zur Definition und Klassifizierung Falscher Freunde
A1. Erläutern Sie mit Ihren eigenen Worten den Unterschied zwischen Echten und
Falschen Freunden.
A2. Beschreiben Sie den Unterschied zwischen einer oberflächlichen und einer verwandtschaftlichen Ähnlichkeit von Lexemen.
A3. Worin besteht der Unterschied zwischen semantischen und formal-strukturellen
Falschen Freunden? Erklären Sie mit Ihren eigenen Worten.
A4. Beschreiben Sie den Unterschied zwischen wahren und partiellen Falschen
Freunden.
12
Wahrig-Burfeind (1999: 300-301).
Für eine detaillierte Strategie zur Aktualisierung der kontextuell oder stilistisch adäquaten Bedeutung nicht nur von Falschen Freunden vgl. das Kapitel Theorie der semantischen
Merkmale in Hönig - Kußmaul (1982: 89-101).
13
196
B. Übungen zur Unterscheidung der Falschen Freunde
B1. Welche strukturell-formalen Unterschiede gibt es zwischen diesen Lexempaaren?
a. la filosofia – die Philosophie
b. il fenomeno – das Phänomen
c. la psicologia – die Psychologie
d. catastrofico – katastrophal
e. polacco - polnisch
B2. Verbindet diese Falschen Freunde eine oberflächliche (o) oder eine verwandtschaftliche (v) Ähnlichkeit? Arbeiten Sie mit einem Fremd- oder etymologischen
Wörterbuch.
a.
b.
c.
d.
e.
f.
g.
h.
i.
j.
k.
l.
m.
n.
o.
p.
q.
Italienisch
l’affare
alto
l’artista
comico
l’ente
il flauto
il gatto
la lametta
il latte
la lepre
la mappa
prima
promuovere
il sacco
il sole
la stufa
il tonno
Deutsch
die Affäre
alt
der Artist
komisch
die Ente
die Flaute
der Gatte
das Lametta
die Latte
die Lepra
die Mappe
prima
promovieren
der Sakko
die Sole
die Stufe
die Tonne
o
v
B3. Untersuchen Sie die Lexempaare. Handelt es sich unter semantischen Aspekten
um a) echte Freunde, um b) wahre Falsche Freunde oder um c) partielle Falsche
Freunde? Kreuzen Sie an.
a.
b.
c.
d.
e.
f.
Italienisch
Deutsch
la carta
competente
alto
l’artista
lo spettacolo
la sensazione
die Karte
kompetent
alt
der Artist
das Spektakel
die Sensation
197
a)
b)
c)
g.
h.
i.
j.
analizzare
il termine
la firma
bravo
analysieren
der Termin
die Firma
brav
C. Übungen zu Übersetzungsäquivalenzen
C1. Welche Übersetzungsmöglichkeiten gibt es für die folgenden Wörter? Arbeiten
Sie mit dem Wörterbuch.
a. studiare
b. discreto
c. la galleria
d. sensibile
e. investire
C2. Übersetzen Sie nun die Sätze und überlegen Sie, welche Bedeutung dem Kontext
nach aktualisiert werden muss.
a. La settimana prossima Carlo va in Germania per studiare tedesco ad una scuola
privata.
b. Per diventare medico bisogna studiare medicina.
c. Carlo parla l’inglese discretamente.
d. Ti puoi fidare di Carlo, è una persona molto discreta.
e. Siccome gli piace l’arte moderna ha visitato tutte le gallerie più importanti di
Berlino.
f. Attraversando le Alpi in macchina abbiamo passato tante gallerie.
g. Gina mi capisce sempre, è una ragazza molto sensibile.
h. I bambini hanno la pelle sensibilissima.
i. Mia madre ha investito tanti soldi in alcuni immobili.
j. Gianni ha investito una ragazzina che attraversava la strada.
C3. Übersetzen Sie die folgenden Sätze und beachten Sie besonders die unterstrichenen Wörter.
a. Dopo la laurea in traduzione ed interpretariato ho fatto il dottorato di ricerca in
Germania dove ho sviluppato le mie competenze scientifiche. Ma è soprattutto
grazie alle mie esperienze professionali presso diverse associazioni culturali che
sono diventata dirigente dell’Istituto Italiano di Cultura all’Ambasciata d’Italia
a Berlino.
b. Invece di accettare il consiglio dei suoi genitori di studiare economia, Carlo ha
frequentato un corso di formazione per cuoco. Adesso non solo ha trovato subito
un lavoro come chef con uno stipendio decente, ma lavora anche in un ambiente
molto piacevole.
c. Oggi ho partecipato a una manifestazione interessante all’università: prima un
professore ha tenuto una conferenza sul teatro contemporaneo e dopo c’è stato
uno spettacolo di un gruppo teatrale di studenti.
198
d.
Per celebrare la designazione del nuovo Preside della facoltà di lettere i professori e gli studenti si sono riuniti in aula 12, dove il Rettore terrà un discorso.
C4. Lesen Sie die Sätze und unterstreichen Sie die Fremd- und Lehnwörter. Versuchen Sie dann zu übersetzen.
a. Der Regisseur benötigt für die erste Szene des Films zahlreiche Statisten.
b. Die Studenten müssen für die Klausur die Lektionen 1-10 aus dem Buch lernen.
c. Meine Mutter war Direktorin einer großen Firma und hat deshalb viele Messen
im Ausland besucht. Wegen der großen Verluste im Import ist die Firma dann
aber in Konkurs gegangen.
d. Carlo hat leider das erste Staatsexamen nicht bestanden, während alle seine
Kommilitonen sehr gute Noten erhalten haben. Jetzt kann er nicht mit dem Referendariat beginnen.
e. Für eine geheime Affäre können Jalousien sehr nützlich sein.
f. Mein Papa geht jeden Sonntag in die Messe.
g. Gina ist sehr attraktiv: Sie ist groß und schlank. Aber für meinen Geschmack ist
sie zu brav und hat eine zu ruhige Art.
h. Mein Chef imponiert mir immer mehr: je weniger Zeit er hat, desto effektiver
arbeitet er.
i. Ich hatte gestern einen Termin mit meinem Professor, um mit ihm über meine
Promotion zu sprechen. Das Gespräch verlief sehr positiv, er hat mir mehrere
Vorschläge zu einem möglichen Thema gemacht. Außerdem kümmert er sich um
ein Stipendium für mich.
j. Ich finde Timo etwas komisch, er hat einfach keinen Humor.
Literatur
Hönig H. G., Kußmaul P. (1982), Strategie der Übersetzung. Ein Lehr- und Arbeitsbuch, Tübingen, Narr.
Kühnel H. (1993), Typische Fehler Italienisch. 3000 „Falsche Freunde“ italienisch
und deutsch, Berlin, Langenscheidt.
Lackamp, M. (1998), Falsche Freunde wahre Freunde, Genova, Cideb.
Milan C. (1989), „Falsche Freunde. Ein besonderes Problem der kontrastiven
Lexikologie (deutsch- italienisch)“, Sprachwissenschaft 18, 384-404.
Milan C., Sünkel R. (1990), Falsche Freunde auf der Lauer. Dizionario di false analogie e ambigue affinità fra tedesco e italiano, Bologna, Zanichelli.
Petersen H. (1990), Das Phänomen Falsche Freunde im Lichte unterschiedlicher
Beschreibungsmodelle, Kassel, Gesamthochschulbibliothek.
Storni B., Giovannelli P. (1997), Schwierigkeiten des deutsch-italienischen Wortschatzes, Stuttgart, Klett.
Wahrig-Burfeind R. (1999), Wahrig. Fremdwörterlexikon, München, Bertelsmann.
199
POLYSEME ITALIENISCHE VERBEN ZWISCHEN
SYNTAX UND SEMANTIK
Martina Nied Curcio
1. Verbale Polysemie aus der kontrastiven Perspektive
Italienischen Deutschlernern ist nicht unbedingt bewusst, dass ein häufig
verwendetes italienisches Verb, das in der Regel mehrere Bedeutungen hat,
d.h. polysem ist, keineswegs immer einem häufigen mehrdeutigen deutschen
Verb entspricht, d.h. dare wird nicht unbedingt mit geben oder vedere nicht
automatisch mit sehen übersetzt. Schauen wir uns zwei Beispiele an1:
(1)
dare
a. Mia figlia non ha dato neanche un esame.
b. Meine Tochter hat nicht mal eine Prüfung abgelegt.
(2)
prendere
a. Ha un buon lavoro ma non prende tanto.
b. Er hat eine gute Arbeit, verdient aber nicht viel.
In der Regel wird der Begriff Polysemie aus sprachinterner Sicht verwendet, und die Mehrdeutigkeit eines Verbs lässt sich durch den Kontext auflösen. Polysemie liegt vor, wenn „ein Ausdruck mehrere Bedeutungen aufweist,
denen ein gemeinsamer Bedeutungskern zugrunde liegt“ (Bußmann 22003:
524)2. Aus kontrastiver Sicht ist die Polysemie gerade deshalb interessant, da
man – wie in den Beispielen (1) und (2) ersichtlich wird – nicht von einer 1:11
Sämtliche Beispielsätze stammen aus meinem Kontrastiven Valenzwörterbuch ItalienischDeutsch (Curcio 1999).
2
Im Vergleich dazu handelt es sich bei der Homonymie um Ausdrücke, die über die gleiche
Ausdrucksform hinsichtlich Orthographie und Aussprache verfügen, jedoch unterschiedliche
Bedeutung und meist auch unterschiedliche Herkunft haben, z.B. Bank (Geldinstitut) und Bank
(Sitzgelegenheit).
200
Relation zwischen der Ausgangs- und der Zielsprache (hier: vom Italienischen
hin zum Deutschen) ausgehen kann. Bei der Suche nach dem äquivalenten
Ausdruck eines italienischen Verbs im Deutschen müssen verschiedene Faktoren beachtet werden, die an der Entstehung der konkreten Bedeutung des
Verbs beteiligt sind. Diese Faktoren sind nicht nur rein syntaktischer Natur,
sondern tangieren auch den Bereich der Semantik. Beispiel (3) soll dies verdeutlichen:
(3)
vedere
a. Si sono rotti i miei occhiali, e senza non riesco a vedere bene.
Meine Brille ist kaputt, und ohne sie kann ich nicht gut sehen.
b. In futuro ti potrei vedere come attrice.
Ich könnte dich mir in Zukunft als Schauspielerin vorstellen.
c. Ieri ti ho visto così stanco. Non avevi dormito bene?
Du hast gestern so müde ausgesehen. Hattest du nicht gut geschlafen?
Die Polysemie des italienischen Verbs vedere wird in allen Beispielen in erster Linie durch die spezifische syntaktische Struktur, d.h. durch die Valenz
des Verbs3, aufgelöst. In (3a) regiert das Verb ein Subjekt und wird durch ein
Adverb modifiziert, in (3b) ein Subjekt, ein direktes Objekt und ein Komplement mit come und in (3c) verlangt das Verb vedere ein Subjekt, ein direktes
Objekt und ein Adjektiv. Im Deutschen werden drei verschiedene Verben
realisiert: (a) sehen, (b) sich vorstellen, (c) aussehen.
Vergleichen wir die italienische und die deutsche Sprache, so lassen sich
viele weitere Verbbeispiele finden, in denen in einem italienischen Satz immer dasselbe Verb gebraucht wird, während in der deutschen Sprache ganz
verschiedene Äquivalenzen auftauchen4, z.B.
(4)
mettere
a. Mettiamo che tu ti trasferisca in America.
Nehmen wir an, dass du nach Amerika ziehst.
3
Vgl. den Beitrag von Nied Curcio zur Valenz in diesem Band.
Dies ergibt sich natürlich aus der kontrastiven Perspektive, die hier vom Italienischen hin
zum Deutschen geht. Es ist nicht zu bestreiten, dass sich bei einem Perspektivenwechsel ebenso
viele Beispiele finden lassen, in denen das deutsche Verb verschiedene Realisierungen im
Italienischen verlangt. Dies ist im Beitrag von Kaiser zur Präpositivergänzung (1.2.) deutlich zu
sehen.
4
201
b. Metto gli occhiali.
Ich setze die Brille auf.
c. L’ ho messo sul tavolo.
Ich habe es auf den Tisch gelegt/gestellt.
d. Mettilo in italiano.
Übersetze es auf Italienisch.
Der Grad der Polysemie hängt stark von der Frequenz des Verbs ab: Je
häufiger ein Verb in einer Sprache verwendet wird, umso geringer ist seine
lexikalische Eigenbedeutung bzw. seine semantische Bedeutungsinvariante
und umso höher ist der Grad der Polysemie. Dies hat zur Folge, dass das Verb
(hier: das italienische) für seine konkrete Bedeutungsbestimmung umso mehr
von Faktoren, wie bspw. der syntaktischen Valenz, der Semantik des Objekts
und den semantischen Rollen abhängig ist (s. unten). Um das äquivalente
Verb im Deutschen zu finden, müssen bei der Übersetzung ins Deutsche diese
syntaktischen und semantischen Faktoren beachtet werden5. Besonders frequente italienische Verben, bei denen sich diese Problematik in der Polysemie
im Kontrast zur deutschen Sprache zeigt, sind essere [1]6, fare [3], avere [6],
vedere [11], dare [14], venire [16], mettere [18], sentire [19], chiamare [23],
arrivare [27], chiedere [29].
An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass die Trennung der einzelnen Faktoren, die im Nachfolgenden beschrieben werden, eher theoretischer Natur ist.
Meist dominiert ein bestimmtes Element, auch wenn verschiedene Elemente
gleichzeitig eine Rolle spielen, z.B. dominiert in den Beispielen (5) - (7) die
syntaktische Valenz (s.u.), auch wenn die Semantik des Subjekts (6) und die des
Objekts (7) im italienischen Satz wichtig sind. Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden diese Faktoren getrennt aufgeführt.
2. Polysemie und Valenz
Wie bereits erwähnt wurde, ist eines der wichtigsten Merkmale bezüglich
der kontrastiven Polysemie die syntaktische Valenz. Bei der syntaktischen
Valenz geht es um die primär obligatorische bzw. fakultative Besetzung von
5
Zu Lernschwierigkeiten in diesem Bereich s. Nied Curcio 2002.
Die Zahlen in den eckigen Klammern verweisen auf die Frequenz bzw. auf den Rang der
Verwendung in der gesprochenen italienischen Sprache, d.h. je kleiner die Zahl - umso frequenter das Verb, vgl. LIP von De Mauro et al. (1993: 436ff.).
6
202
Leerstellen, d.h. um Quantität und Qualität der Aktanten (auch Komplemente
oder Ergänzungen genannt). Betrachtet man die nachfolgenden italienischen
Beispielsätze, so wird deutlich, dass sich die Polysemie von venire vor allem
auf Grund seines syntaktischen Valenzschemas auflöst. Die entsprechenden
Verbrealisierungen im Deutschen sind unterschiedlich, was in (6) und (7)
außerdem zu einem divergenten syntaktischen Verhalten der deutschen Verben führt. In beiden Sätzen erfolgt bei der Übersetzung ins Deutsche ein Perspektivenwechsel (s. auch 3.1.): In den italienischen Sätzen ist das Subjekt la
febbre (6) bzw. una parola (7), in den entsprechenden deutschen Sätzen bilden Fieber und kein Wort das Objekt.
(5)
a. Giovanni è venuto da me.
b. Giovanni ist zu mir gekommen.
SUB-V-LOK7
SUB-V-DIR
(6)
a. Le è venuta la febbre.8
b. Sie hat Fieber bekommen.
SUB-V-aOBLIQ
SUB-V-AKK
(7)
a. Non mi veniva più una parola.
SUB-V-aOBLIQ
b. Ich habe kein Wort mehr hervorgebracht. SUB-V-AKK
Ein weiteres Merkmal, das bei der Übersetzung vom Italienischen ins Deutsche beachtet werden muss, ist die Reflexivität eines Verbs bzw. das Vorkommen eines Reflexivpronomens. Hier geht es vor allem um das obligatorische
Reflexivpronomen. Die obligatorisch reflexiven Verben kommen ausschließlich mit dem Reflexivpronomen vor. Die Reflexivkonstruktion ist nicht – wie
bei den partimreflexiven Verben (Verben, die sowohl mit als auch ohne Reflexivpronomen vorkommen können, z.B. lavare: lavo le mani – mi lavo – mi
lavo le mani) – ableitbar, sondern lexikalisiert und hat keine reflexive Bedeutung. (vgl. Lepschy 1989). Bei einer Übersetzung ins Deutsche muss darauf
geachtet werden. Beispiele (8) und (9) mit dem Verb riprendere zeigen, dass die
Existenz des Reflexivpronomens die Bedeutung der Verben differenziert. Das
Weglassen des Refexivpronomens in (9) würde zu einem ungrammatischen Satz
führen. Deutlich wird außerdem, dass die beiden Verben (riprendere und riprendersi) unterschiedliches syntaktisches Verhalten aufweisen:
7
Abkürzungen für die Valenzstruktur in den Beispielen: SUB = Subjekt, V = Verb, AKK
= Akkusativergänzung, DIR = Direktivergänzung, für die italienische Sprache: aOBLIQ =
aObliquus, LOK = Lokalergänzung (vgl. Beitrag zur Valenz in diesem Band.)
8
Hier spielt die Verteilung der semantischen Rollen auf die unterschiedlichen Satzglieder
eine Rolle. Im italienischen Satz wird der Patiens im ‚oggetto diretto’ abgebildet, während im
Deutschen der Patiens als Subjekt realisiert wird. Somit ändert sich die Entsprechung des deutschen
Verbs und folglich auch die Valenz. Dies gilt auch für Beispiel (7).
203
(8)
a. Lo vorrei riprendere domani.
b. Ich möchte es morgen wieder / (zurück)nehmen.
(9)
a. Io ancora mi devo riprendere da questa festa.
(* Io ancora devo riprendere da questa festa.)
b. Ich muss mich erst noch von dem Fest erholen.
Weitere Verben mit kontrastiver Polysemie bezüglich des obligatorischen
Reflexivpronomens sind: trovare (finden) – trovarsi (sich befinden), chiamare
(rufen/ telefonieren) – chiamarsi (heißen), fermare (etw. halten/anhalten – fermarsi (stehen bleiben), alzare (hochheben) - alzarsi (aufstehen).
3. Polysemie und Semantik
In seinem Artikel über ‚Semantische Valenz, Polysemie und Bedeutungswandel bei romanischen Verben’ behauptet Koch (1991), dass die Valenz in
erster Linie semantisch begründet sei, auch wenn sie sich syntaktisch ausdrücke.
Die Verbsemantik sei fundamental für die Verbvalenz (ebd. 279). Daher sei es
für die Beschreibung der Verbbedeutung wichtig, die Valenz auch semantisch
adäquat zu charakterisieren. Seinem Modell der Verbbedeutung legt er zu Grunde, dass – neben der syntaktischen Verbvalenz – Komponenten mitspielen, die er
als semantische Merkmale bezeichnet (ebd. 280). Es geht hier gerade um die
semantischen Rollen, den eigentlichen semantischen Gehalt des Verbs und typische Selektionsbeschränkungen.
3.1. Die semantischen Rollen
Die semantischen Rollen9 sind den jeweiligen Ergänzungen in den einzelnen
Leerstellen zugewiesen und damit untrennbar mit den Verbleerstellen verbunden. Auch sie üben dadurch Einfluss auf die Verbbedeutung aus. Die italienischen Beispiele (10a) und (11a) mit dem Verb abbandonare zeigen, dass es
einen Unterschied in der kategoriellen Ausfüllung des Patiens im Objekt gibt,
(markiert durch [+belebt] in (10a) und [+abstrakt] in (11a)), was sich auf der
Oberfläche jedoch nicht bemerkbar macht. Dieses Merkmal jedoch ist
verantwortlich für die verschiedenen Verbrealisierungen im Deutschen.
9
Bei den Begrifflichkeiten für die semantischen Rollen beziehe ich mich auf Ulrich Engel
(1988: 865), da dieser in seiner Beschreibung die kategorielle und die relationale Bedeutung
unter dem Begriff der semantischen Rollen gemeinsam beschreibt. Kategorielle Bedeutung ist
demnach der „Teil der kombinatorischen Bedeutung, [der] (zum Teil) die inhärente Bedeutung
umgebender Elemente fest[legt].“ Relationale Bedeutungen sind der „Teil der kombinatorischen
Bedeutung, [der] die semantische Relation zwischen einem Wort und seiner Umgebung
fest[legt]“.
204
wortlich für die verschiedenen Verbrealisierungen im Deutschen.
(10)
a. Lei non abbandona mai il gatto [+belebt].
b. Sie lässt die Katze nie alleine.
(11)
a. Si vede che non hai ancora abbandonato l'idea [+abstrakt].
b. Man sieht, dass du die Idee noch nicht aufgegeben hast.
Weitere Verben, bei denen dieses Phänomen aus der kontrastiven Perspektive
Italienisch-Deutsch auftritt: abbinare, abbracciare, aggiornare, aggiustare, alzare, annullare, arrivare, assicurare, attaccare, avanzare, avvicinare, bloccare,
crescere, discendere, ingrassare.
3.2. Typische Selektionsbeschränkungen
Ein weiteres Element, das im Zusammenhang mit der Valenz steht, sind
die Selektionsbeschränkungen10, die fester Bestandteil der Verbbedeutung sind.
Dies gilt sowohl für obligatorische Satzglieder als auch für Adjunkte. Es geht
hier um die Akzeptabilität bzw. um die Inakzeptabilität von bestimmten Adjunkten und typischen Ergänzungen.
(12)
a. *Oggi pomeriggio andiamo a vedere il monumento più attentamente.
b. *Heute Nachmittag sehen wir das Denkmal näher.
(13)
a. Oggi pomeriggio andiamo a guardare il monumento più attentamente.
b. Heute Nachmittag betrachten wir das Denkmal näher.
Die Angaben attentamente und näher drücken eine ‚Einstellung‘ des Agens
aus, und sind in diesen Sätzen mit vedere bzw. sehen nicht zulässig (12). In beiden Sprachen werden Verben verlangt, die auf diese Spezifik eingehen, hier
guardare und anschauen/ betrachten (13).
3.3. Grundbedeutung und Markiertheit
Sprechen wir hier vom semantischen Gehalt eines Verbs, so handelt es sich
um leerstellenunabhängige, innere Bedeutungsmerkmale, d.h. um Elemente, die
nicht von der Valenz abhängig sind. Dazu gehört in erster Linie die Grundbedeutung eines Verbs. In der Regel wird bei dem Begriff ‚Grundbedeutung’ von
10
Der Terminus wird hier entsprechend dem Modell der Verbbedeutung von Koch verwendet (vgl. Koch, 1991: 281f.).
205
einer ‚allgemeinen’ und ‚inneren’ Bedeutung ausgegangen11.
(14)
a. Maria scrive una A.
b. Maria schreibt ein A.
(15)
a. Maria disegna una A.
b. Maria malt ein A.
Es ist augenscheinlich, dass sich die Beispiele (14) und (15) nicht durch die
Anwesenheit von ‚äußeren’ Merkmalen unterscheiden, sondern dass es die innere, dem Verb eigene Bedeutung ist, die die Bedeutung des gesamten Satzes ausmacht. In beiden Sätzen ist das Ergebnis zwar ein ‚A’, jedoch ist zu vermuten,
dass der Buchstabe A in Beispiel (15) eher ästhetischen Gesichtspunkten unterliegt und daher vielleicht das Benutzen von Farben und Verzierungen einschließt.
Natürlich haben nicht alle Verben denselben Grad an semantischem Gehalt,
bzw. an Eigenbedeutung. Diesbezüglich muss der Begriff der Markiertheit genannt werden: Markiertheit ist der Grad des semantischen Gehalts eines Verbs
und verweist darauf, ob ein Verb eine sehr allgemeine oder eine spezifischere
Eigenbedeutung innehat12. Betrachtet man die italienischen und die deutschen
Verben, so kann festgestellt werden, dass bezüglich der Markiertheit häufig eine
Asymmetrie zwischen beiden Sprachen besteht, die in der jeweils anderen Sprache in der Regel durch die syntaktische Struktur ausgeglichen wird. Es existieren
viele Beispiele, in denen das italienische Verb markierter bzw. merkmalhaltiger
ist, d.h. eine spezifischere semantische Bedeutung aufweist als das entsprechende Verb im Deutschen, und umgekehrt. Im Beispiel (16a) muss dem deutschen
Kopulaverb machen mit seiner nur sehr allgemeinen Eigenbedeutung das Adjektiv leiser hinzugefügt werden, um denselben semantischen Gehalt des Verbs
abbassare in (16a) zu erhalten. Beispiel (17) zeigt den umgekehrten Fall: das
deutsche Verb fahren ist markierter (17b) und muss im Italienischen, um die
polyseme Bedeutung aufzulösen, durch eine Präpositionalphrase ausgeglichen
werden (17a). Das Verb andare allein enthält noch keine Information darüber,
ob man in die Stadt fährt oder zu Fuß geht, während die Verben fahren oder
laufen diese Information ohne Zusatz wiedergeben.
(16)
11
12
a. Abbassi il telefono.
b. Machen Sie das Telefon leiser.
Vgl. Blumenthal (1996).
Vgl. Rabofski (1988).
206
(17)
a. Andiamo in macchina o a piedi in centro?
b. Fahren wir oder laufen wir in die Stadt?
In engem Zusammenhang mit der Markiertheit steht die Präfigierung. Häufig
kommt es vor, dass ein polysemes italienisches Verb (hier: dare) in der deutschen Sprache, oft trotz gleicher Valenzstruktur, durch ein präfigiertes Verb
wiedergegeben wird:
(18)
a. Gesù Cristo ha dato la sua vita per noi.
b. Jesus Christus hat sein Leben für uns hingegeben/ geopfert.
(19)
a. Ti do subito la parola.
b. Ich übergebe dir gleich das Wort.
(20)
a. Ti fai dare il resto.
b. Lass dir den Rest herausgeben.
(21)
a. Loro non danno l’indirizzo.
b. Sie geben die Adresse nicht her.
Die deutschen Beispiele kodieren hier vor allem deiktische Informationen
(hin-, her-, etc.), die im Italienischen nicht ausgedrückt werden. Es ist offensichtlich, dass ein präfigiertes Verb immer markierter ist als sein entsprechendes
Grundverb.
Aufgaben und Übungen
A. Aufgaben zu den theoretischen Aspekten der Polysemie
A1. Was bedeutet Polysemie und warum ist sie gerade aus der kontrastiven Perspektive
interessant?
A2. Warum sind frequente Verben polysem?
A3. Welche Faktoren spielen für die Bedeutung eines polysemen italienischen Verbs und
seine deutschen Äquivalenzen eine Rolle? Definieren Sie sie.
A4. Überlegen Sie a. welche deutschen Entsprechungen Ihnen zu den frequenten
italienischen Verben cambiare, chiamare, dare, fare, finire, mettere, perdere, sentire,
vedere und venire einfallen; b. versuchen Sie in einem zweiten Schritt zu erklären, in
welchem Kontext sie stehen können und c. welche Elemente (s. oben) für die Bedeutung
möglicherweise verantwortlich sind; d. schauen Sie sich dann die verschiedenen
207
Äquivalenzen in einem Wörterbuch an. (Diese Übung ist auch in Zusammenarbeit mit
dem Lehrer zu empfehlen.)
B. Übungen zur Valenz13
B1. Unterstreichen Sie die Valenzen von mettere, überlegen Sie ob das
Reflexivpronomen gebraucht wird und klasifizieren Sie die Ergänzungen14. Fakultative
Ergänzungen können in Klammer gesetzt werden.
Beispiel: Mettiti la tuta.
mettersi + direktes Objekt______
a.
b.
c.
d.
e.
f.
g.
Mi metto subito a farlo.
L’ho messo sul tavolo.
Mettilo in italiano.
Mettiamo che tu ti trasferisca in America.
Metto gli occhiali.
Che cos’hai messo? (contesto: musica)
Dopo tanto tempo ci siamo messi insieme.
B2. Ordnen Sie den Beispielsätzen mit mettere (von B1.) die folgenden deutschen
Äquivalenzen15 zu.
Beispielsatz
übersetzen (‚in einer anderen Sprache wiedergeben’)
a.
sich anziehen (‚ein Kleidungsstück anlegen’)
b.
auflegen (,CD oder Kassette abspielen’)
c.
annehmen (‚vermuten’, ;meinen’, ‚glauben’)
d.
beginnen (‚etwas anfangen’)
e
aufsetzen (‚sich etw. auf den Kopf/ Nase setzen’)
f.
setzen/ stellen/ legen (‚an einem Ort positionieren’)
g.
sich zusammen tun (‚sich mit jemandem verbinden)
B3. Übersetzen Sie die Sätze von B1./ B2. in die deutsche Sprache. Achten Sie auch im
Deutschen auf die Valenzen. (Sie können gern ein Wörterbuch verwenden.)
B4. Wiederholen Sie die Übungen B1. und B3. mit den Beispielsätzen von vedere und
venire:
a. Lei si vede sempre meno intelligente degli altri.
b. Oggi pomeriggio andiamo a vedere il colosseo.
c. L’insegnante ci fa vedere come si può trovare la soluzione.
d. Non vedo l’ora di andare in ferie.
13
Weitere Übungen finden sich im Beitrag von Nied zur Valenz.
Sie können die Klassifikation nach U. Engel bzw. zur italienischen Sprache zu Hilfe
nehmen, die im Beitrag von Nied Curcio zur Valenz erklärt wird.
15
Die deutschen Verben sind mögliche Übersetzungsäquivalenzen.
14
208
e.
f.
g.
Se mi immagino questa situazione mi viene proprio da ridere.
Su questa foto sei venuto malissimo.
Ti vengo a prendere dopo cena.
C. Übungen zu den semantischen Rollen und Merkmalen
C1. Suchen Sie a) (mit Hilfe des Wörterbuchs) die deutschen Verben, die für eine
Übersetzung der Beispielsätze ins Deutsche gebraucht werden und b) überlegen Sie,
welche semantischen Kategorien bzw. Merkmale der Ergänzungen für die jeweilige
Bedeutung des Verbs verantwortlich ist. Verwenden Sie [+belebt, +human, +Sache,
+konkret, +abstrakt]. Die Valenz ist natürlich mitverantwortlich, soll jedoch in der
Übungen unberücksichtigt bleiben.
a.
Si abbina la razza Yorkchire a quella.
Questo liquore si abbina benissimo ad un dessert.
b.
Lei ha abbracciato la causa dei poveri.
Mi ha abbracciato molto forte.
c.
Su questo punto vi dobbiamo ancora aggiornare meglio.
Questa riunione va aggiornata.
d.
Luca ha aggiustato tante cose.
Adesso ti aggiusto. (umgangssprachlich)
e.
Questo sistema non va.
Siamo andati al cinema.
f.
Vorrei attaccare questo quadro alla parete in cucina.
I greci hanno attaccato i nemici.
g.
E’ avanzato solo un piatto di pasta.
Solo pochi avanzarano alla strage.
C2. Suchen Sie in einem Wörterbuch (z.B. ELDIT, online unter: www.eurac.edu/eldit)
verschiedene Entsprechungen zu den Verben abbinare, abbracciare, aggiornare,
aggiustare, alzare, annullare, arrivare, assicurare, attaccare, avanzare, avvicinare,
bloccare, crescere, discendere, ingrassare. Beachten Sie die semantischen Rollen und
Merkmale.
D. Übung zur Markiertheit
Kreuzen Sie den Satz an, der das markiertere Verb enthält.
a. Stasera cambiamo
( )
b. Heute Abend machen wir etwas anderes
( )
209
c.
d.
Ti do subito la parola.
Ich übergebe dir gleich das Wort.
( )
( )
e.
f.
Gliel'ho già anticipato prima.
Ich habe es ihm schon im voraus gesagt
( )
( )
g.
h.
Non sei andato?
Du bist nicht hingegangen?
( )
( )
i.
j.
Io ho concluso.
Ich bin fertig.
( )
( )
k.
l.
Non lo danno per così poco.
Sie geben es für so wenig nicht her.
( )
( )
E. Das Verb fare und seine Äquivalenzen im Deutschen
Bei den folgenden Beispielen wird deutlich, wie die Bedeutung des Verbs fare vor allem
vom semantischen Gehalt der Ergänzungen (aber auch vom gesamten Kontext) abhängig
ist. Im Deutschen wird immer ein anderes Verb realisiert. Finden Sie die deutschen
Verben heraus und übersetzen Sie die Beispielsätze ins Deutsche.
a.
Tutti hanno fatto il disegno in questo modo.
b.
Ti vuoi fare un amico?
c.
Fanno la strada statale.
d.
Deve fare quattordici ventuno zero zero tre.
e.
Ho già fatto il biglietto.
f.
Tu hai fatto l’inglese?
g.
Una scelta va fatta.
h.
Il nostro cane ha fatto i cagnolini.
i.
Non fa punteggio.
j.
Non fa differenza.
k.
Ha fatto colpo.
l.
Fa buio presto.
m.
Che tempo farà domani?
n.
Oggi ha fatto molto caldo.
o.
E’ proprio antipatico, fa sempre l’arrogante.
p.
Faccio il professore di matematica.
Einige Beispiele mit komplexen Verbkonstruktionen (unterstrichen) mit fare16:
q.
L’avrà fatta fuori.
r.
Noi facciamo finta che non esistono compagni.
s.
Noi dobbiamo fare i conti con il nuovo anno.
16
Es gibt verschiedene Übersetzungsmöglichkeiten. Einige Vorschläge werden im Lösungsschlüssel präsentiert.
210
t.
u.
v.
Fai conto che lo stia facendo.
Mi ha fatto a pezzi questa sera.
Chi me lo fa fare?
Literatur
Blumenthal P. (1996a), „Subjektrollen bei polysemen Verben“, in Blumenthal P. et
al. (Hgg.), Lexikalische Analyse romanischer Sprachen, Tübingen, Niemeyer, 721.
Blumenthal P. (1996b), „Polysemie im italienischen Valenzlexikon“, in GrécianoG. et
al. (Hgg.): Lucien Tesnière. Syntaxe Structurale et Operations Mentales. Akten
des deutsch-französischen Kolloquiums anläßlich der 100. Wiederkehr seines Geburtstages. Strasbourg 1993. XXIII/312, Tübingen, Niemeyer, 263-280.
Bussmann H. (32003), Lexikon der Sprachwissenschaft, Stuttgart, Kröner.
Curcio, M. L. (1999), Kontrastives Valenzwörterbuch der gesprochenen Sprache
Italienisch-Deutsch, Mannheim, Institut für deutsche Sprache. Amades.
Dobrovols’skij D. (2002), „Polysemie aus kontrastiver Sicht“, in Barz I. et al. (Hgg.),
Das Wort in Text und Wörterbuch, Stuttgart & Leipzig, Verlag der Sächsischen
Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, 49-61.
Engel U. (1988), Deutsche Grammatik, Heidelberg, Groos.
Helbig, G. (1992), Probleme der Valenz- und Kasustheorie, Tübingen, Niemeyer.
Koch P. (1991), „Semantische Valenz, Polysemie und Bedeutungswandel bei romanischen Verben“ in Koch P. et al. (Hgg.), Connexiones Romanicae, Tübingen, Niemeyer, 279-306.
Lepschy G. C. (1989), “Costruzioni con sì” in Lepschy G. C., Nuovi saggi di linguistica italiana, Bologna, il Mulino, 103-117.
LIP: De Mauro T., Mancini F., Vedovelli M., Voghera M. (Hgg.) (1993), Lessico di
Frequenza dell'italiano parlato, Milano, ETAS-Libri.
Nied Curcio, M. (2002), “La difficoltà della polisemia nell'acquisizione del tedesco
come L2”, Studi Italiani di Linguistica Teorica e Applicata 1/2002, 113-149.
Rabofski B. (1988), Motion und Markiertheit, Frankfurt/ M., Lang.
211
KLEINE WÖRTER:
ABTÖNUNG UND MODALPARTIKELN
Peggy Katelhön
1. Einleitung
Unter Modalpartikeln versteht man unflektierbare, oft unbetonte und in ihrer syntaktischen Stellungsfreiheit stark eingeschränkte Wörter, die eine Einstellung des Sprechers zum Gesagten oder zum Hörer/Leser der Äußerung
ausdrücken. In den folgenden Beispielen finden Sie aktuelle Titel von Zeitungsartikeln in deutscher Sprache, die Modalpartikeln (MP) enthalten. Wir
werden erklären, was MP sind, welche Funktion sie haben und welche Äquivalente in der italienischen Sprache die gleiche Funktion übernehmen können.
(1)
„Goldhamster sind eigentlich tagaktiv”1
(2)
„Warum reden die bloß so?“ 2
(3)
„Freistaat muss wohl zahlen“3
2. Modalpartikeln und Abtönung
2.1.Was ist Abtönung?
Abtönung ist im weitesten Sinne ein dialogisches Verfahren, mit dem
wichtige Kontextbedingungen von Sprechakten, die sonst in gesprochener
Sprache implizit bleiben würden, mit äußerst sparsamen sprachlichen Mitteln
1
Spiegel online vom 09.04. 2008.
Silicon.de vom 29.02.2008.
3
Focus online vom 13.04.2008.
2
212
anzudeuten. Sie bringt die Einschätzung des Sprechers hinsichtlich des Hörerwissens oder der situativen Einbettung der Äußerung zum Ausdruck. Es
handelt sich um eine deutliche pragmatische Funktion, die in allen Sprachen
einen sprachlichen Ausdruck findet. Daher spricht man auch von einer sprachlichen Universale (Koch - Oesterreicher 1990: 71, Radtke 1983, Waltereit
2006).
2.2. MP - typisch deutsch?
Abtönungs- oder Modalpartikeln gelten als besonders typisch für die deutsche Sprache. Man ist lange Zeit davon ausgegangen, dass es in den romanischen Sprachen keine vergleichbare Wortklasse gibt. Um dies nachzuweisen,
haben viele Sprachwissenschaftler deutsche literarische Texte mit ihren Übersetzungen in romanischen Sprachen verglichen. Ein Ergebnis dieser Untersuchungen war, dass deutsche MP oft gar nicht übersetzt werden, also eine
Nulläquivalenz in romanischen Sprachen finden oder aber mit anderen
sprachlichen Mitteln wiedergegeben werden. Das würde die Tatsache unterstreichen, dass die deutsche Sprache tatsächlich einen besonderen Partikelreichtum im Vergleich zu anderen Sprachen aufweist. Allerdings zeigt ein
Übersetzungsvergleich von Métrich (2001) in umgekehrter Richtung, dass
grundsätzlich bei der Übersetzung von einer Sprache in die andere Partikeln
„verloren gehen“. Die Abwesenheit von Diskursmarkern und MP scheint
vielmehr auf die Übersetzungssituation begründet zu sein (vgl. Waltereit
2006). Zudem verweist Blasco Ferrer (Blasco Ferrer - Ortu 1998: 198) darauf,
dass bei den meisten Übersetzungsvergleichen zur Untersuchung der MP die
deutsche Sprache als Ausgangssprache gewählt wurde. Dieser unilaterale
Vergleich setzt indirekt das Vorhandensein entsprechender sprachlicher Kategorien in den Zielsprachen voraus. MP bzw. die Abtönung stellen als pragmatisches Verfahren eine Besonderheit v.a. gesprochener Sprache dar. Da spontane Gespräche nur äußert selten übersetzt werden, gestaltet sich die Sammlung empirischer Daten für Sprachvergleiche schwierig.
2.3. Was sind Modal- oder Abtönungspartikeln?
2.3.1. Definition
Die Bezeichnung dieser kleinen Wörter ist nicht einheitlich in der Forschung. Wurden sie in früheren Arbeiten noch mit einer deutlich negativen
Konnotation als Füll-, Flick- oder Würzwörter bezeichnet, haben sich nun
Begriffe wie Einstellungspartikeln, Satzpartikeln, illokutive Partikeln oder
Abtönungspartikeln (AP) durchgesetzt. Unter AP versteht man Partikeln wie
213
auch, ja, denn, wohl usw., wenn sie in bestimmten Kontexten auftreten.
(4)
Bist du aber groß geworden!
(5)
Wie spät ist es denn?
Sie werden auch Modalpartikeln genannt4. Die zehn häufigsten, in gesprochener Sprache vorkommenden MP sind: ja, doch, mal, eben, denn, schon,
eigentlich, einfach, wohl (Schwitalla 1997: 172). Je informeller und nähesprachlicher ein Text ist, desto höher ist die Frequenz von MP (Hentschel
1986: 238-240). Einige MP stellen mündliche Alternativen dar (halt – eben,
sowieso – ohnehin), manche kommen nur in bestimmten regionalen Umgangssprachen vor (bairisch, schwäbisch: fei, süddeutsch: eh, ostdeutsch:
eben, sächsisch: freilich, norddeutsch: man usw., vgl. Schwitalla 1997: 172,
Dittmar 2000, Franz 2001: 118).
2.3.2. Formale Eigenschaften
a) Morphologische Bestimmung
AP sind immer Sonderverwendungen von Wörtern, die primär eine andere
Funktion haben, d.h.: (A) Jede AP weist ein Homonym in einer anderen
Wortklasse auf5. Diese Eigenschaft unterscheidet AP grundsätzlich von anderen Wortklassen. So ist z. B. aber hauptsächlich ein adversativer Subjunktor
wie in (6), kann jedoch auch als AP wie in (7) auftreten.
(6) Er trinkt Tee, aber sie nimmt Kaffee.
(7) Du hast aber viel Geld heute ausgegeben.
b) Syntaktische Eigenschaften
(B) Deutsche AP sind häufig auf bestimmte Satzmodi beschränkt, als AP
können sie nur in bestimmten Satzarten auftreten.
4
Gegen diese Bezeichnung spricht, dass mit dem Bestimmungswort modal die Funktion
einer Partikel nur ungenau beschrieben wird. Zudem erlaubt der Begriff Abtönung eine eindeutige Abgrenzung von Modalwörtern wie vielleicht, wahrscheinlich, sicherlich usw. Jedoch hat
sich in der engl. Literatur der Begriff modal particle als Äquivalent durchgesetzt. Daher werde
ich im Folgenden die Begriffe Modal- und Abtönungspartikeln für die dt. Sprache synonym
verwenden.
5
Die einzige Ausnahme stellt die AP halt dar, denn sie ist weder mit dem Verb halten noch
dem Substantiv Halt etymologisch verwandt.
214
(8) Komm doch!
(8’) *Komm eigentlich!
(9) Was willst du eigentlich?
(9’) *Was willst du doch?
Tabelle 1: Distribution der häufigsten deutschen AP auf Satzarten
SATZART
AP
BEISPIEL
Aussagesätze
auch, doch, eben, halt,
(10) Das Leben ist halt/ eben/ doch/
ja, nur, schon, wohl
schon ungerecht.
Ausrufesätze
aber, bloß, doch, ein(11) Das ist ja eine Frechheit!
fach, ja, nur, vielleicht
(12) Das ist aber nett!
Wunschsätze
bloß, doch, nur
(13) Wenn er doch endlich käme!
Auffordebetont: bloß, gefälligst,
(14) Mach mir ja die Tür zu!
rungssätze
ja, nur, ruhig
(15) Mach doch/ mal/ einfach das
unbetont: doch, halt,
Fenster zu!
mal, schon
(C) Sie sind in ihrer Stellungsfreiheit auf das Mittelfeld beschränkt und
stehen meist vor dem Rhema6.
(16) Gestern Abend wollte ich doch ein Buch lesen.
(16’) *Gestern Abend wollte ich ein Buch doch lesen.
Bildet das Verb das Rhema, stehen sie am Ende7.
(17) Das Kind blutet ja.
(17’) *Das Kind ja blutet.8
(D) Sie stehen nie an erster Position (im Vorfeld).
(18) Ich habe dir das doch schon gestern gesagt.
(18’) * Doch habe ich dir das schon gestern gesagt.
(E) Sie sind nicht erfragbar und können keine Antwort auf Fragen bilden.
(19) Kommt ruhig rein!
(19’) Wie sollen wir reinkommen? *Ruhig.
6
Das Rhema wird oft durch ein Nominalsyntagma mit unbestimmtem Artikel oder ohne
Artikel eingeführt.
7
Einzige Ausnahme stellt hier die AP eigentlich dar, die auch am Satzanfang stehen kann.
8
May 2000: 68.
215
(F) Sie sind nicht negierbar und können nie nach Negationspartikeln und adjektiven stehen.
(20) Dann tanzt er heute eben nicht.
(20’) *Dann tanzt er heute nicht eben.
(G) AP sind miteinander kombinierbar (Thurmair 1989). Allerdings gelten
feste Abfolgeregeln:
ja > halt > doch > einfach > auch > mal
Abbildung 1: Abfolgeregeln für die Kombinierbarkeit deutscher MP (Nübling: 2005: 600)9
(24) Was war das denn nun eigentlich?10
Weitere formale Eigenschaften sind:
(H) MP sind nicht fokussierbar.
(I) Aufgrund ihres enklitischen Charakters sind sie häufig unbetont.
(J) Sie sind nicht koordinierbar (König 1997, Dittmar 2002).
c) Semantische Bestimmung
In der Fachliteratur hat sich eine Diskussion darüber entfacht, ob den MP
eine Grundbedeutung zugewiesen werden kann oder nicht.
(K) Ein Konsens besteht jedoch darüber, dass Partikeln zu der Klasse der
Synsemantika11 gehören.
(L) Eine AP kann weggelassen werden, ohne dass sich der semantische
Gehalt des Satzes bzw. seine Wahrheitsbedingungen verändern (Masi 1996:
28, Blasco Ferrer - Ortu 1998: 197), d.h. sie weisen keinen propositionalen
Gehalt auf. König (1997) schlägt daher vor, AP als metapragmatische Instruktionen für den Gesprächspartner zu bestimmen.
d) Textuelle Bestimmung
(M) Anstelle einer eigenen semantischen Grundbedeutung, weisen AP vor
allem eine anaphorisch kontextuelle Bedeutung auf, die auf vorangegangene
9
Aufgrund konkreter Korpusanalysen wird diese Abfolge von Lemnitzer (2001) z. T. in
Frage gestellt.
10
Lemnitzer 2001: 368.
11
Es wird in der Semantik zwischen Auto- und Synsemantika unterschieden. A. sind Wörter, die auch ohne sprachlichen Kontext eine bestimmte Bedeutung haben (Substantive, Verben
und Adjektive). S. sind dagegen Funktionswörter, ihre Bedeutung ist (meta-)sprachlicher Natur,
es gibt keinen außersprachlichen Referenten.
216
Kommunikationssituationen Bezug nimmt (Hentschel 1986, Blasco Ferrer Ortu 1998) 12.
3. Funktionen deutscher MP
Deutsche MP können die unterschiedlichsten Funktionen aufweisen, die
jedoch immer auf die Sprecher-Hörer-Interaktion ausgerichtet sind. U.a. können dies sein13:
3.1. Erstaunen ausdrücken
Ein Erstaunen kann mittels der AP aber, vielleicht, ja, denn ausgedrückt
werden:
Tabelle 2: AP zum Ausdruck des Erstaunens
ERSTAUNEN AUSDRÜCKEN
Satzmodus
darüber,
darüber, wie etwas ist
dass etwas
Bedeutung
ist
Ausrufe-oder Ausnur Sprecher, Sprecher und Hörer
sagesatz
beim Erzählen Größe,
Art, Form,
in der Vergan- Menge,
Gestalt
genheit
Umfang
vielleicht:
aber
vielleicht
ja:
(21) Du hast (22) Der Film (23) Der
(24) Die
ja ein Auto!
war vielleicht
Turm ist
deutsche
lustig!
aber hoch! Sprache ist
vielleicht
kompliziert.
Entscheidungsfrage denn:
(25) Hast du
---------denn ein
Auto?
12
Radtke (1993) fordert deshalb, dass AP vor allen in Abhängigkeit ihres textsortenspezifischen Auftretens untersucht werden müssten. Eine umfassende Untersuchung zu diesem Thema
wurde m.W. bis heute nicht vorgelegt.
13
Die folgenden Abschnitte zu den Funktionen der deutschen AP basieren auf der Darstellung von Weydt – Harden – Hentschel - Rösler (1983).
217
3.2. Entscheidungsfragen stellen
In Entscheidungsfragen können die MP eigentlich, denn, etwa, auch, überhaupt verwendet werden.
- eigentlich: Fragen klingen beiläufig, fast zufällig. Oft wird mit ihnen die
Richtung des Gesprächs verändert, ein neues Thema eingeführt.
(26)
Kennst du eigentlich meinen neuen Freund schon?
- denn: kann Erstaunen ausdrücken. Nach einer Negation klingt die Frage
oft vorwurfsvoll.
(27)
Bist du denn noch gar nicht müde?
- etwa: Mit etwa zeigt der Sprecher, dass er eigentlich das Gegenteil einer
Tatsache erwartet hätte.
(28)
Hast du etwa die Tür nicht abgeschlossen?
- auch: drückt Besorgnis aus. Oft finden wir diese MP in Fragen von Müttern.
(29)
Habt ihr auch nichts vergessen?
- überhaupt: es wird eine grundsätzliche Tatsache in Frage gestellt.
(30)
Kannst du überhaupt schwimmen?
3.3. Vermuten oder Bezug auf frühere Sprechhandlungen
Um im Deutschen Vermutungen auszudrücken bzw. den Inhalt früherer
Sprechhandlungen wiederzugeben, an die man sich nicht mehr genau erinnert,
benutzt man oft AP wie wohl, ja wohl, doch wohl, schon.
- wohl: drückt eine allgemeine Vermutung (ersetzbar durch vermutlich,
häufig kombiniert mit epistemischem Futur, Bsp. (31)) aus oder stellt den
Bezug auf eine frühere Sprechhandlung her (Redewiedergabe, Bsp. (32))14.
(31)
Er ist heute nicht gekommen. Er wird wohl krank sein.
(32)
Ich habe Annette getroffen. Sie macht wohl gerade eine Ausbildung.
14
Vgl. dazu Katelhön (2008).
218
- ja wohl: Der Sprecher hält etwas für sehr wahrscheinlich, fast selbstverständlich (oft kombiniert mit epistemischem Futur).
(33)
Es ist ja wohl nichts passiert!
- doch wohl: Hier ist der Sprecher sich nicht ganz so sicher. Er hofft aber
stark, dass es so ist., fast immer mit dem epistemischen Futur kombiniert.
(34)
Ihm wird doch wohl nichts passiert sein!
- schon: Mit dieser AP drückt der Sprecher die Vermutung aus, dass seine
Annahme richtig ist. Sätze mit schon (und dem Futur) wirken oft beruhigend.
(35)
Sie wird schon auf die Kinder gut aufpassen.
3.4. Widersprechen
Wenn man seinem Gesprächspartner widersprechen will, kann man folgende AP im Deutschen benutzen: dóch, dóch nicht, erst.
- dóch: Mit betontem dóch kann man zu einer bereits verworfenen Tatsache zurückkehren.
(36)
A: Hast du denn keinen Hunger?
B: Nein, danke.
A: Nun nimm schon ein Stück Kuchen!
B: (isst schließlich drei Stück Kuchen)
A: Du hattest dóch Hunger!
- dóch nicht: bedeutet häufig: wider Erwarten.
(37)
Die Feier findet nun dóch nicht statt.
- erst: drückt eine Steigerung aus. Der Gesprächspartner soll ´überboten´
werden. Die Satzstruktur entspricht immer einem verblosen Ausruf: Argument der Steigerung + erst!
(38)
A: Ich hab’ Bauchschmerzen.
B: Und ich erst!
219
3.5. Warnen und drohen
Warnungen und Drohungen werden in der deutschen Sprache häufig durch
die MP já, blóß, núr, wohl und schon verstärkt.
- já, blóß, núr: Diese betonten MP können benutzt werden, um vor einer
Gefahr zu warnen oder eine Drohung auszusprechen.
(39) Sei já still!
(40) Komm mir blóß nicht mit diesem Kerl nach Hause!
(41) Denkt núr nicht, dass ihr ohne Strafe davonkommt!
- wohl: kann in Ausrufesätzen mit modalem Futur eine Drohung oder
Warnung ausdrücken. Das Verb steht dann in der 2. Person. Diese Form wird
häufig verwendet, um unerzogene Kinder oder Tiere anzusprechen.
(42)
Wirst du wohl stillhalten!
- schon: Die AP schon haben Sie bereits in der Funktion kennen gelernt,
Zuversicht auszusprechen und jmdn. zu beruhigen (vgl. 3.3.). Mit dem Futur
kann sie aber auch das genaue Gegenteil ausdrücken, nämlich eine Drohung.
(43) Du wirst schon noch merken, wer hier der Chef ist!
3.6. Meinen
Um eine Meinung auszudrücken oder auf die Meinung eines Gesprächpartners einzugehen, kann man im Deutschen die MP ja, doch, eben, halt, nun
mal, auch, einfach verwenden.
- ja, doch: Sätze mit ja und doch versuchen eine Überstimmung zwischen
Gesprächspartnern herzustellen. Sie wirken freundlicher, als die gleichen Sätze ohne MP. Bei doch liegt ein leichter Widerspruch vor; es ist hier immer
unbetont.
(44)
Du hast ja Recht.
(45)
Du hast doch gesagt, dass der Klempner heute kommt.
- eben, halt, nun mal: Mit diesen AP drückt man aus, dass man eine Situation nicht ändern kann. Eben wird eher in Norddeutschland und halt eher in
Süddeutschland verwendet. Die Bedeutung ist gleich. Die MP-Kombination
220
nun mal ist in ihrer Bedeutung ähnlich, sie wirkt aber sachlicher und verallgemeinert die Aussage. Ihre Wirkung ist daher stärker als bei eben/ halt.
(46)
Das ist eben/ halt so. Da kann man nichts machen.
(47)
Orthografie gehört nun mal zur Allgemeinbildung.
- einfach : drückt die Bedeutung aus, dass eine Sache einfach, also nicht
kompliziert ist.
(48) Ich hatte gestern Kopfschmerzen. Da habe ich einfach eine Tablette genommen.
3.7. Etwas erfahren wollen
In Bestimmungsfragen (W-Fragen, Fragen mit Fragewort) können folgende Partikeln auftreten: denn, eigentlich, überhaupt, nur, bloß, doch, doch
gleich, noch mal.
- denn, eigentlich: machen Bestimmungsfragen natürlicher. Sie unterstreichen das Interesse des Fragenden.
(49)
Wie spät ist es denn?
(50)
Wie spät ist es eigentlich?
(51)
Wie spät ist es denn eigentlich?
- überhaupt: Die Bedeutung von überhaupt in Fragen ist sehr speziell.
Man stellt die Glaubwürdigkeit des Gesprächspartners in Frage. Solche Fragen wirken dann oft aggressiv.
(52) Wie hat er überhaupt die Prüfung geschafft?
- doch, doch gleich: Diese AP werden benutzt, um sich auf frühere Mitteilungen zu beziehen, an deren Inhalt man sich nicht mehr gut erinnert. Oftmals
findet sich in der Frage dann auch ein Präteritum mit der gleichen quotativen
Funktion15.
(53)
15
Wie war doch gleich Ihr Name?
(Man hat es mir schon gesagt, aber ich habe es vergessen.)
Vgl. Katelhön (2005, 2008).
221
- bloß, nur Der Inhalt dieser (rhetorischen) Fragen ist für den Sprecher im
Moment sehr wichtig.
(54)
Wo habe ich bloß meine Schlüssel? Ich kann sie nicht finden!
3.8. Auffordern
In deutschen Aufforderungssätzen finden sich häufig die folgenden MP:
doch mal, doch, eben mal, eben/halt, einfach, gerade mal, mal, nur, ruhig,
schon. Durch sie wirken die Aufforderungen höflicher und natürlicher.
mal: Eine Aufforderung mit mal vermittelt den Eindruck, dass die verlangte Tätigkeit ganz einfach ist. Man kann daher der Aufforderung leicht folgen.
(55)
Mach mir mal die Tür auf!
Wenn die Person gesiezt wird, benutzen wir oft die Umschreibung mit
würde.
(56)
Würden Sie bitte mal Platz machen?
Indirekte Aufforderungen können mit mal und Infinitiv ausgedrückt werden.
(57)
Mal sehen, was man da machen kann.
- eben mal, gerade mal: Mal wird häufig in der Funktion des Aufforderns
mit eben/ gerade kombiniert. Es gibt keinen Bedeutungsunterschied. Auch
hier wird suggeriert, dass die auszuführende Handlung einfach und schnell
erledigt werden kann.
(58)
Würden Sie eben mal hier unterschreiben?
- doch, doch endlich, doch nicht: Aufforderungen mit diesen MP wirken
ärgerlich. Daher sind sie nicht in Verbindung mit der höflichen würde- Konstruktion möglich.
(59)
Sei doch nicht so nervös!
- doch mal: Aufforderungen mit doch mal wirken dagegen beiläufig.
(60)
Kommt doch mal vorbei!
- ruhig: Diese MP wirkt in einer Aufforderung beruhigend. Sie gibt dem
222
Gesprächspartner das Gefühl. dass er kein Risiko eingeht, wenn er der Aufforderung Folge leistet. Diese MP ist nicht mit Umschreibungen mit würde
oder mit können kompatibel.
(61)
Schlaf ruhig noch weiter!
- nur: Auch nur wirkt beruhigend. Diese MP steht nie in einem Aussagesatz.
(62)
Geht nur schon los! Wir holen euch dann ein.
- einfach, doch einfach: Diese MP findet in Aufforderungen Verwendung,
um auszudrücken, dass es für ein Problem eine einfache Lösung gibt. Der
Aufforderungscharakter kann durch die Kombination mit doch verstärkt werden.
(63)
Mach die Jeans doch einfach kürzer!
3.9. Einschränken
Die AP eigentlich, schon, schon mal können eine Äußerung in ihrem Geltungsbereich einschränken.
- eigentlich: Durch diese AP wirken Einwände oder Ablehnungen freundlicher.
(64)
A: Kommst du mit ins Kino? B: Ich wollte heute Abend eigentlich arbeiten.
- schon: leitet oft einen Einwand oder Widerspruch ein.
(65)
Deine Wohnung ist ziemlich groß. B: Ja, schon, aber sie ist auch schwer zu
heizen.
- schon mal, schon gar nicht: Diese MP-Kombination drückt aus, dass etwas ziemlich gut ist, aber noch etwas fehlt, um völlig zufrieden zu sein.
(66)
Das Wetter ist schon mal prima. Wenn wir jetzt keinen Stau finden, wird der
Ausflug perfekt.
3.10. Wunschdenken
Um (irreale) Wünsche auszudrücken, benutzt man im Deutschen Konditionalsätze, den synthetischen oder analytischen Konjunktiv II und die MP
223
bloß, doch, nur. In irrealen Wunschsätzen (mit und ohne wenn) sind diese AP
obligatorisch, also grammatikalisiert. Ohne AP würde der Hörer eine Fortsetzung des Satzes in Form eines irrealen Konditionalsatzes erwarten (Bsp. 69).
(67)
(68)
(69)
Wäre ich doch nur schon zu Hause.
Wenn ich doch bloß schon zu Hause wäre!
Wenn ich schon zu Hause wäre, würde ich mich endlich erholen.
4. Italienische Formen der Abtönung
Im Vergleich zum Deutschen steht im Italienischen keine geschlossene
Wortklasse zur Abtönung zur Verfügung. Folgende sprachliche Formen können jedoch abtönend wirken:
4.1. Lexikalische Abtönung
Lexikalische Mittel der Abtönung können im Italienischen Partikeln, Adverbien und Gliederungssignale sein.
- Abtönungspartikeln (particelle intonative): Italienische Lexeme, die als
AP im oben stehenden Sinne klassifiziert werden können (vgl. 2.3.1.), sind:
pure, poi und mai16.
- pure: in abtönender Funktion findet sich beispielsweise häufig in Aufforderungen (vgl. 3.8.). Der Sprecher fordert hier den Hörer zu einer bestimmten
Handlung auf (vgl. Held 1983, Koch - Oesterreicher 1990: 68-69, Waltereit
2006: 107-108).
(70)
A: dica pure signorina cosa desidera
B: guardavo grazie17
- poi: wird u.a. von Hölker (1993: 61) als marker pragmatico bezeichnet.
Als unverzichtbare Bedingung für eine Klassifizierung als ein solcher gilt: „di
riferirsi ad aspetti della sitin.“ (ebd.).
- mai: Diese Partikel drückt in Fragen Überraschung über unerwartete
Sachverhalte aus. Sie wird oft mit dem epistemischen Futur kombiniert.
(71)
Cosa vorrà mai Marco, a quest’ora.18
16
Ein weiteres Argument für ihre Klassifizierung als AP ist ihre Kombinierbarkeit, vgl.
Hölker (1993).
17
LIP, zit. in Waltereit (2006: 107).
18
Masi (1996: 250).
224
- Gliederungssignale und Adverbien (segnali discorsivi e avverbi): Als
Gliederungssignale werden diejenigen sprachlichen Elemente bezeichnet, die
bei einer teilweisen Bedeutungsentleerung neue Bedeutungen erhalten, die vor
allem die Struktur eines Gespräches unterstreichen, Äußerungselemente miteinander verbinden und einzelne Äußerungen in die interaktive Struktur eines
Gespräches und der Sprecher-Hörer-Dimension einbetten. Sie gehören verschiedenen grammatikalischen Kategorien an und können nur innerhalb der
einzelnen Interaktion bestimmt werden; sie sind immer polyfunktional (Bazzanella 1995: 225). Besonders abtönend wirken v.a. die zu der von Bazzanella
(1995: 238-240) beschriebenen Untergruppe der meccanismi di modulazione.
Dazu gehören u.a. praticamente, circa, in qualche modo, in un certo senso, a
dir poco, diciamo19, per così dire, appunto, davvero, proprio, secondo me, per
conto mio, mi sembra, forse, magari, dicono, certamente. Die hier aufgeführten Gliederungssignale dienen in der Interaktion dazu, den propositionalen
Gehalt einer Äußerung zu verstärken oder abzuschwächen.
- Praticamente, in pratica: Dieses Gliederungssignal dient z. B. einer Einschränkung (vgl. 3.9., Katelhön 2007). Im folgenden Beispiel ist ein wiederholtes Auftreten dieser Lexeme zu vermerken. In forma di catene (Bazzanella
1995) wird hier der erzählende Redebeitrag aufrecht gehalten und zugleich
abgetönt.
(72)
B: sono arrivati due poliziotti dicendo che <???> e' arrivata una telefonata
B: in cui dicevano che c'era una bomba alla <?> [incomprensibile]
C: qualche deficiente [incomprensibile]
B: e praticamente niente i poliziotti sono arrivati per vedere se qualcuno
B: nella fascia oraria in cui loro avevan ricevuto la telefonata aveva
B: telefonato da <?> # e praticamente Valentino ha detto di no eh e niente
B: in pratica questi poliziotti se ne sono andati dicendo che c'era un negozio
B: vicino alla stazione di <?> (LIP MA 11: 2)
Auch andere Gliederungssignale (ma, allora, magari, no?, be’, eh?) können abtönend in der Interaktion wirken (Burckhardt 1985, Koch - Oestereicher 1990: 70, Hölker 1993, Masi 1996). Radtke (1985) beschreibt magari
und figurati als AP für das Italienische. Im Sinne unserer Definition von AP
können wir dem nicht zustimmen. Unbestritten ist jedoch die abtönende Wirkung dieser Gliederungssignale.
19
Zu diciamo vgl. Hölker (2003).
225
4.2. Intonatorische Mittel der Abtönung
Für mehrere Sprachen wurde bereits die fallend-steigende (discendenteascendente) Intonationskontur als abtönend beschrieben20. Mit dieser Intonationskontur deutet der Sprecher an, dass über den Satzgegenstand hinaus auch
andere Aussagen außer dem, was er wirklich darüber sagt, relevant sein könnten. Sie stellen pragmatische Alternativen zu dem Gesagten dar (Waltereit
2006: 142). Diese Intonationskontur ist häufig in elliptischen Fragen anzutreffen.
(73)
B: ahah Dune ahah dai quand’è che lo fanno io me lo vedo
A: adesso? no
B: dai
E: Dune lo fanno bello (LIP MA1)
4.3. Morphologische Mittel der Abtönung
- Futur: Das modale bzw. epistemische Futur (futuro modale), dem wir
auch schon in Kombination mit deutschen MP begegnet sind, kann ebenso im
Ital. mit anderen Abtönungsverfahren kombiniert werden (vgl. 4.1.) als auch
allein abtönend wirken. In (74) drückt es wie die deutsche MP wohl eine
Vermutung aus.
(74)
Ho visto ieri Antonietta. Non avrà più soldi.
- Das Imperfekt (imperfetto) kann in der Funktion des backchecking rückverweisend wirken. Es wirkt somit anaphorisch und verweist auf eine früher
stattgefundene Sprachhandlung (auch Katelhön 2005: 258-262, Katelhön
2008 ).
(75)
La partita, scusa, non era questa domenica?
Das Imperfekt weist hier keine temporale Bedeutung auf, da das Fußballspiel noch nicht stattgefunden hat. Vielmehr erkundigt sich der Sprecher, ob
er sich richtig daran erinnert, dass in früheren Gesprächen gesagt wurde, dass
das Spiel an diesem Sonntag stattfinden wird.
- Diminutivformen (diminutivi): In romanischen Sprachen ist diese Form
der Wortbildung sehr produktiv (Waltereit 2001a: 1408, 2001b). Mittels Suffigierung können in allen romanischen Sprachen Verkleinerungsformen gebildet werden. Diminutivformen drücken aus, dass ein Substantiv oder Adjek20
Zu einer Übersicht siehe Waltereit (2006: 129-150).
226
tiv kleiner als üblich ist. Interessant ist, dass Diminutivsuffixe auch mit Wortbildungsbasen verbunden werden können, die eigentlich mit kleinen Referenten semantisch nicht verträglich sind. (Waltereit 2006: 111)
(76)
Potrei avere un po’ di salino?
Natürlich ist hier nicht „kleines Salz“ gemeint, sondern die Aufforderung
wird höflicher bzw. freundlicher gestaltet. Auch in Aussagesätzen kann die
abtönende Funktion italienischer Diminutivformen beobachtet werden. Häufig
wirken sie abschwächend, der Sprechakt wird als „nicht so ernst“ dargestellt
und demnach abgemildert.
4.4. Syntaktische Mittel der Abtönung
Dass auch syntaktische Strukturen in romanischen Sprachen der Abtönung
dienen können, ist mehrfach in der Fachliteratur angeführt worden (Koch Oesterreicher 1990, Waltereit 1998, 2001a, 2006).
- Rechtsversetzung: Für die italienische Sprache kann die Struktur der
Rechtsversetzung (dislocazione a destra) abtönend wirken. Im folgenden Beispiel wird durch die Rechtsversetzung und die damit verbundene Rhematisierung des Verbs der Sprechakt des Aufforderns selbst ins Zentrum des Interesses gerückt.
(77)
A: spegnilo il registratore vai.21
- Unpersönliche Konstruktionen: Auch unpersönliche Konstruktionen
(costruzioni impersonali) können im Italienischen abtönend wirken. Masi
(1996: 245-247) führt unter dieser Bezeichnung die Strukturen: si passivante,
si impersonale und bisogno/ è necessario/ è bene + infinito an. Da der Agens
nicht genannt wird, bzw. der Patiens rhematisiert wird, weisen diese Konstruktionen häufig einen Wert von Allgemeingültigkeit und allgemeiner Bekanntheit auf und sind dementsprechend als Abtönungsverfahren zu klassifizieren.
(78)
Sulla sabbia si cammina a piedi nudi.22
- Parenthetische Strukturen: Als weitere syntaktische Abtönungskonstruktionen im Italienischen werden von Radtke (1983: 186) credo che,
credevo che, direi che, spero che, volevo dire, ti dicevo che usw. angeführt.
21
22
Koch - Oesterreicher (1990: 71).
Masi (1996: 245).
227
Sie blenden das subjektive Sprachempfinden ein und wirken daher abtönend
(auch: clausole parentetiche bei Schneider 2008).
Aufgaben und Übungen
A. Lesen und vergleichen Sie die beiden kurzen Dialoge. Unterstreichen Sie a) die
sprachlichen Einheiten, in denen Sie sich voneinander unterscheiden.
1
2
3
4
5
DIALOG A
A: Mensch, das gibt`s doch überhaupt
nicht! Was machst du denn hier? Ich denk,
du bist in Italien!
B: War ich ja auch, aber jetzt wohn´ ich
wieder in Hamburg, fahr grad zurück.
A: Ist ja klasse. Ich fahr nämlich auch
nach Hamburg, aber nur fürs Wochenende.
B: Gut, denn können wir ja während der
Fahrt ’n bisschen quatschen.
A: Ja eben, aber sag´ mal, wo fährt denn
unser Zug eigentlich überhaupt ab?.....
DIALOG B
A: Mensch, das gibt`s nicht! Was
machst du hier? Ich denk, du bist in
Italien!
B: War ich ja auch, aber jetzt wohn´ ich
wieder in Hamburg, fahr grad zurück.
A: Ist klasse. Ich fahr nämlich auch
nach Hamburg, aber nur fürs Wochenende.
B: Gut, wir können während der Fahrt
´n bisschen quatschen.
A: Ja, aber sag, wo fährt unser Zug
ab?.....
b) Bei den Wörtern, die Sie unterstrichen haben, handelt es sich um Modal- oder
Abtönungspartikeln. Vergleichen Sie die beiden Dialoge miteinander. Versuchen Sie
auch, sie laut zu lesen. Was stellen Sie fest?
c) Warum bieten Übersetzungsvergleiche nur bedingt die Möglichkeit, Aussagen über
das Auftreten von Modalpartikeln in Zielsprachen zu treffen?
B. In den nachfolgenden Beispielen finden Sie jeweils einen Satz mit dem Homonym
einer anderen Wortklasse (a) und einen Satz mit der entsprechenden AP (b). Bestimmen Sie die Wortklasse der Homonyme unter (a), benutzen Sie ein einsprachiges
Wörterbuch.
denn
(a)
Er studiert Fremdsprachen, denn er hat sich schon immer für fremde Kulturen
interessiert.
(b)
Hast du denn Geld mitgenommen?
doch
(a)
Erst war der Abend ganz ruhig, doch plötzlich brach ein Gewitter los.
(b)
Das muss doch zu machen sein!
eben
(a)
Er ist eben nach Hause gekommen
(b)
Dann kannst du eben nicht in die Disko gehen!
228
eigentlich
(a)
Der eigentliche Grund seines Ärgers war ihre Verspätung.
(b)
Wie alt bist du eigentlich?
einfach
(a)
Die erste Aufgabe in der Deutschprüfung war sehr einfach.
(b)
Ich hatte einfach keine Lust zu studieren.
ja
(a)
Kommst du heute mit ins Kino? – Ja, sehr gern.
(b)
Geh mir ja aus den Augen
nur
(a)
Er hat nur eine Schwester.
(b)
Was sollen wir nur tun?
ruhig
(a)
Im Klassenzimmer war es ganz ruhig.
(b)
Ihr könnt ruhig reinkommen!
schon
(a)
Sie ist schon fünf Jahre alt.
(b)
Er hat schon Recht.
wohl
a.
Ich fühle mich in der neuen Wohnung sehr wohl.
(b)
Wer dir das wohl erzählt hat
C. Lesen Sie die drei Sätze. Bestimmen Sie aufgrund der syntaktischen Eigenschaften
die Wortart von doch.
a.
Ich habe versucht, Karten für das Fußballspiel zu bekommen, doch es war
vergebens
b.
Du warst noch nie in Mailand? Doch, ich war schon in Mailand.
c.
Du hast doch deine Hausaufgaben schon gemacht, oder?
D. Fügen Sie ja oder doch ein.
Bsp.: Warum fragst du? Du weißt, dass er kommt.
Warum fragst du? Du weißt doch, dass er kommt.
a. Das ist dann geklärt, da sind wir uns einig.
b. Warum kommt Saskia nicht? Sie hat gesagt, dass sie kommt.
c. Du weißt, dass ich abends nicht weggehen kann. Ich muss auf die Kinder aufpassen.
d. Erzähl mir die Geschichte nicht noch einmal. Ich kenne sie schon längst.
e. Denk mal nach! Das kann gar nicht stimmen!
f. Die Benzinpreise werden immer teurer.
E. Setzen Sie in der folgenden Übung eben, halt, nun mal ein.
Bsp.: In der Vorlesung soll ein Student den Lehrstoff der vergangenen Woche für alle
noch einmal zusammenfassen. Keiner hat den Mut, sich zu melden. Also sagt Klaus:
Na gut, dann (das machen): Na gut, dann mach ich das halt.
a. Ein Student kommt zum Professor und beschwert sich über sein schlechtes Prü-
229
b.
c.
d.
fungsergebnis. Der Professor antwortet ihm: Die Grammatik (Grundlage für die
Sprachkenntnisse sein).
Katrin und Klaus-Jürgen wollten ins Theater gehen. Es gibt leider keine Karten
mehr für die Premiere. Also sagt Katrin: Dann (an einem anderen Abend das
Stück sehen).
Gunnar ruft seine Freundin an, weil er mit ihr abends weggehen will. Sie hat aber
noch ein wichtiges Meeting. Also sagt Gunnar: Dann (sich später treffen).
Die Erasmus-Studentin Chiara beschwert sich darüber, dass die Vorlesungen an
den deutschen Unis immer überpünktlich anfangen. Daraufhin sagt ihr deutscher
Freund Sven: In Deutschland (so sein).
F. Reagieren Sie mit Aufforderungen auf die folgenden Situationen. Benutzen Sie
dabei die MP doch, eben, einfach, mal, ruhig. Sie können sie auch kombinieren.
Was würden Sie einem Freund sagen,
a. wenn er Ihnen eine Cola aus dem Automaten holen soll.
b. wenn Sie ihm versichern wollen, dass er unbesorgt in den Skiurlaub fahren kann.
c. wenn er nicht weiß, wie er mit den vielen Büchern nach Berlin kommen soll und
Sie ihm raten, ein Auto zu mieten.
d. Sie ihn um Feuer bitten.
e. Sie ihn unverbindlich einladen wollen.
G. Bilden Sie irreale Wunschsätze mit oder ohne wenn. Denken Sie auch an die obligatorischen MP. Bsp.: schon zu Hause sein: Wäre ich doch schon zu Hause.
a) die Prüfung bestanden haben
b) den Film sehen können
c) die Schuhe kaufen können
d) die deutsche Sprache beherrschen
e) die deutschen Modalpartikeln verstehen können
H. Ordnen Sie mindestens 3 der genannten italienischen Abtönungsverfahren deutschen MP zu. Begründen Sie Ihre Wahl.
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Ein Lehr- und Übungsbuch für Deutsch als Fremdsprache, Stuttgart, Klett.
232
LÖSUNGEN
ZU DEN AUFGABEN UND ÜBUNGEN
Wortakzent (Vogt)
A.1. b. 'Motor (Mo'tor) , Ele'fant, 'Ameise, 'Urlaub, 'Pelikan (Peli'kan), 'Papagei (Papa'gei), 'Arbeit.
A.2. a. Hero'in (Droge), Her'oin (Heldin), 'damit (Pronominaladverb), da'mit (Konjunktion); Ro'man (lange Erzählung), 'Roman (Name); 'modern (3.Ps. Pl. Indikativ
des Verbs ‚modern’), mo'dern (Adjektiv); 'August (Name), Au'gust (Monat);
miss'trauen (Verb), -s 'Misstrauen (Substantiv).
A3. Mu'sik - 'musica, Phy'sik - 'fisica, Pro'fessor - profe'ssore, Syn'these - 'sintesi,
Foto'graf - fo'tografo, E'lisabeth - Elisa'betta, 'Pinguin - pingu'ino, Akade'mie - acca'demia, Repu'blik - re'pubblica, auto'nom - au'tonomo, Ana'lyse - a'nalisi, 'Embryo embri'one, Mi'kroben - 'microbi, Me'thode - 'metodo.
A4. a. schreib-: 'abschreiben, 'aufgeschrieben, 'Schreiber, Schreibe'rei, Be'schreibung, be'schrieb. b. frag-: 'Frage, ge'fragt, Be'fragung, 'fragten, Be'frager, 'Umfragen,
'fraglich, 'abgefragt.
B1. mögliche Aussprache:
a. Ing[ə] und Marlen[ə] leb[Ħ] g[ə]meinsam in ein[ə]m alt[Ħ] Haus.
b. Sein[ə] Hund[ə] und Katz[Ħ] mach[Ħ] uns das Leb[Ħ] schwer.
c. Inzwisch[Ħ] kannst du dein[ə] Sach[Ħ] hol[Ħ].
B2. Klavie[ɐ], Radie[ɐ]gummi, radie[r]en, Oh[ɐ], Oh[r]en, Trau[ɐ], trau[r]ig,
hö[r]en, Lehr[ɐ], lee[ɐ], Numm[ɐ], numme[r]ie[r]en, leid[ɐ], Mutt[ɐ], Somm[ɐ],
Wint[ɐ], Nachba[ɐ], Nachba[r]in.
C1. 'Apfelbaum, 'Baumhaus, 'Haustür, 'Türschloss, 'Schlossgarten, 'Gartentisch,
'Tischbein, 'Beinbruch, 'Bruchstück, 'Stückpreis, 'Preisfrage, 'Fragezeichen.
D1. 'aufstehen, be'deuten, 'anziehen, 'abgehen, ge'fallen, be'festigen, zu'rückkommen,
'wiederholen (prendere di nuovo), wieder'holen (ripetere), em'pfangen.
233
D2. wieder'holt, 'wiedergesehen, ent'sagt, über'holt, 'vorbereitet, 'aufgestiegen,
be'standen, 'abgeschafft, ge'fallen, 'eingefallen, durch'fahren, 'durchgefahren.
D3. a. be'kommen – be'kommen; 'ankommen – 'angekommen; ent'kommen - ent'kommen; b. 'ausgehen – 'ausgegangen; ent'gehen – ent'gangen; ver'gehen – ver'gangen;
c. ge'fallen - ge'fallen; 'auffallen – 'aufgefallen; zer'fallen - zer'fallen; d. be'stehen –
be'standen; 'aufstehen – 'aufgestanden; 'anstehen – 'angestanden; e. 'anstellen –
'angestellt; 'abstellen – 'abgestellt; be'stellen – be'stellt.
D4. 'übersetzen - über'setzen; 'überfahren - über'fahren; 'überlegen - über'legen;
über'reden; 'überlaufen, 'unterstellen - unter'stellen, unter'brechen; unter'schreiben;
'unterkommen; 'durchbrechen - durch'brechen; 'durchdrücken; 'durchlaufen - durchlaufen; 'umfahren - um'fahren; 'umstellen - um'stellen; 'umschreiben - um'schreiben;
'umgehen - um'gehen; 'wiederholen - wieder'holen; 'wiedersehen; wider'rufen;
miss'brauchen; voll'bringen.
E1. akzentuiert: analysieren (analizzare), national (nazionale), Sozialist (socialista),
Doktorand (dottoranda/o), Universität (università), Nervosität (nervosità).
Nicht-akzentuiert: Heiterkeit (allegria), Müdigkeit (stanchezza), Gesellschaft (società), Vorbereitung (preparazione), Wahrheit (verità), Neuigkeit (novità), kindlich (infantile), kindisch (bambinesco), berechenbar (calcolabile), schreckhaft (pauroso),
würdig (degno).
E2. 'Monat - 'Monate, natio'nal - Nationa'list, 'Japan - ja'panisch, 'Schrecken 'schrecklich, 'neu - 'Neuheit.
E3. müde: Müdigkeit, schlapp: Schlappheit, neu: Neuheit (Neuigkeit), fröhlich: Fröhlichkeit, traurig: Traurigkeit, flüssig: Flüssigkeit, wichtig: Wichtigkeit, farbig: Farbigkeit, lebendig: Lebendigkeit, ewig: Ewigkeit, privat: Privatheit, schön: Schönheit,
dumm: Dummheit, taub: Taubheit, blind: Blindheit, unendlich: Unendlichkeit, doof:
Doofheit, schwierig: Schwierigkeit, richtig: Richtigkeit, krank: Krankheit.
E4. die Tanten; die Onkel; die Tische; die Schüler; die Nichten; die Sachen; die Sonnen; die Sessel; die Kellner; die Freuden; die Nationen; die Schwestern; die Mädchen;
die Freunde; die Frauen.
E5. a. die Leiter (scala) → die Leitern vs. der Leiter (dirigente) → die Leiter;
b. die Kiefer (pino silvestre) → die Kiefern vs. der Kiefer (mascella) → die Kiefer.
Sprache im Kleid der Schrift:…(Hans-Bianchi)
A1. (Legende: MF: morphologisch funktional, WB: in der Wortbildung funktional,
LK: lexikalisch konstant): a. MF: Körner (Pl.) - Korn (Sg.); müssen (3.P.Pl.) - muss
(3.P.Sg.); LK: geröstet (Part.Perf.) - rösten (Inf.); b. MF: würde (Konj.II) - wurde
234
(Prät.); LK: hören (Inf.) - höre (1.P.Sg.); c. MF: jüngsten (Superlativ) - jung (Positiv);
Söhne (Pl.) - Sohn (Sg.), LK: Lügen (Pl.) - Lüge (Sg.); d. WB: Schüler, Derivat von:
Schule; WB: küssen, Derivat von: Kuss; e. LK: Schönen (Attribut) - schön (Grundform); MF: Künsten (Pl.Dat.) - Kunst (Sg.); LK: gefördert (Part.Perf.) - fördern (Inf.);
f. LK: Königs (Sg.Gen.) - Könige (Pl.); MF: Töchtern (Pl.Dat.) - Tochter (Sg.); LK:
Müllers (Sg.Gen.) - Müller (Pl.).
A2. a. Hoftor, über, vereist; b. Ampel, anhalten; c. harmlosen, intelligenten, aus,
erinnern; d. alten, Gasthaus, aufhalten, heimfahren; e. Krankenhaus, ausgezeichnete
Abteilung, Innere.
A3. a. verreisen; b. verheißt; c. Beehren; d. beieinander, erzählen; e. Beamter; f.
einmal, umarbeiten; g. ewige, Herumsitzen; h. Wahrheit, hören; i. besonders,
schmackhaft.
B. Namen-s--tag, ver--stopfen, test-en, Wach--station, Glas--topf, ent--spannen,
be--stellen, Fuchs--bau, Wespe-n--nest, Bund-es--tag, Groß--stadt, Ver--spätung,
Pest--seuche, fest--stecken, Buch--stabe-n--kasten, Arbeit-s--pause, Lach--salve,
Bus--ticket.
C1. (Legende: Wortstamm, Hauptakzent, Nebenakzent) a. Heirat - verheiratet - unverheiratet; b. kommen - Einkommen – mitbekommen; c. Scheidung - bescheiden Bescheidenheit; d. Geschrei - Gebirge – gerne; e. holen - überholt - Erholung; f.
versagen - Aussage - unsagbar1; g. Heimat - beheimatet - heimatlos; h. vorhersehen unvorhergesehen.
C2. (Legende: Hauptakzent, Nebenakzent) a. Altstadt, Fachwerkhäuser; b. Informationszentrum, Bahnhofsviertel; c. Bewerbungsantrag, Monatsende; d. Spielverderber,
Störenfried; e. Jahrhundertwende, Hochwasser; f. Elfmeter, Elfmetermarke; g. Innenpolitik, Koalitionsregierung.
C3. a. wissen – Wiesen; b. lassen – lasen, c. Robbe – Robe; d. Watte – waten; e. Gasse
– Gase; f. Zimmer – ziemen; g. sitzen – siezen; h. betteln – beten.
C4. a. Vor dem Schla-fen be-tet sie immer. b. Es lohnt sich nicht, auf ihn zu warten, er
wird nicht mehr kommen. c. Ich ha-be keine Lust, noch länger hier zu steh-en2, ich
frie-re schon. d. Die-ser Zahn muss gezo-gen werden! e. Wir le-ben nun seit gut zehn
Jah-ren hier und füh-len uns sehr wohl. f. Möchtest du die-sen Roman einmal le-sen?
g. Der Weg zum Ruhm ist meist sehr beschwerlich. h. Die-se Waa-ge ist nicht für
Perso-nen geeignet. i. Als er kam, war der Saal noch leer. j. Wie viel Mehl braucht
man für die-sen Ku-chen?
1
Normalerweise wird die negative Vorsilbe un- betont, es gibt jedoch Ausnahmen.
Die Funktion des <h> dient hier vorwiegend zur visuellen Abgrenzung der zweiten Silbe,
siehe Abschnitt zum „silbentrennenden h“.
2
235
C5. blähen, Blähung, Böen, böig, drehen, Drehung, fliehen, leihen, leiern, Kühe,
mähen, mühen, Mühe, nähen, nähern, Rehe, Reue, reuig, ruhig, Ruhe, ruhen, säen,
sehen, Seen, wehen, Wehe, weihen, Weihung, wiehern, ziehen, Ziehung.
C6. a. Sehtest (2); b. schlecht (3, 3); c. Aussicht (3); d. Kuhmilch (2, 3); e. Hochzeit
(1); f. ausgehen (2); g. Bauchweh (3, 2); h. Belohnung (2); i. Turmuhr (2).
C7. Gelände, Geländer-n, gestehen; abwickeln, abwandeln, absagen, abstehen;
Gläubige-n, Gläubiger-n; verwickeln, versagen, Versager-n, verstehen, verbessern,
verzweifeln; vorsagen, Vorsteher, vorstehen; entwickeln, entsagen, entstehen; besagen, bestehen, bezweifeln; zuwickeln, zusagen, zuzwinkern; auswickeln, aussagen,
Aussage, ausstehen, ausbessern, Ausländer-n.
C8. a. verschlissen; b. vergessen, verschließen; c. Weißt, Gruppenreise; d. ausreißen;
e. weise; f. müsst, grüßen; g. Sparkasse; Schloss; h. Bus, Messezentrum; i. Fluss,
Kiesel; j. Riss; k. großem, Fuß; l. Finsternis, Straße; m. Maße; n. Schoß.
D1. a. blinde, Hund, rannte, knallte, Wand; b. Vermittlung, Erkenntnisse; c. duftet,
Lammbraten; d. vollständige, Liste, Mannschaftsmitglieder; e. verband, Wunde,
schnell, konnte; f. gekündigt, vermisst; g. Hoffnung, sinnlose, Wettstreit, bald.
D2. d/t: rund, bunt, gesund, Mund; v/f: brav, Schaf, aktiv, Beruf; g/k: Zwerg, klug,
Lok, Werk; b/p: liebt, zirpt, gebt, hupt; d/t: Gestalt, bald, mild, Schild.
D3. Verkäufer – verkaufen; Siebenschläfer – schlafen; Häuschen - das Haus; Pächter
– pachten; Gärtner - der Garten; täglich - der Tag; Kälber - das Kalb; Wälder - der
Wald; Händler - handeln, der Handel; Hähnchen - der Hahn; länger - lang; Lämmer
- das Lamm; Häschen - der Hase; erträglich – ertragen.
D4. a. hellhäutige; b. Druckerschwärze; c. Geläute; d. behält; e. Kälte.
E1. Gestern war ein schlechter Tag für mich. Zuerst bin ich eine halbe Stunde zu spät
aufgestanden. Deshalb war mein Bus schon abgefahren, und ich habe das Fahrrad
genommen. Das dauerte natürlich länger, und so kam ich eine Stunde zu spät ins
Büro. Mein Chef war darüber nicht glücklich, denn ich war nicht zum Treffen mit den
Kollegen gekommen. Nach einer kurzen Zeit habe ich dann plötzlich Halsschmerzen
bekommen. Bei der Fahrt mit dem Fahrrad hatte ich mich erkältet, aber das habe ich
dem Chef nicht gesagt und habe einfach weiter gearbeitet. Nachmittags bin ich dann
wieder mit dem Fahrrad nach Hause gefahren, und da war es schon richtig kalt. Ich
habe mich dann sofort ins Bett gelegt und bin eingeschlafen.
E2. a. Labyrinth; b. Brokkoli; c. downloaden; d. Apotheke; e. E-Mail-Adresse; f. Look;
g. Psychiater, Knacks; h. Joghurt, Vanille-; i. Email; j. Journalisten, Kulissen.
F1. Ich weiß nicht mehr, warum und wozu ich lebe. Mir ist der Glaube an den Sinn
meines Daseins abhanden gekommen. Das ging über viele Stufen abwärts, eine Ent-
236
täuschung mit einem Mädchen, die Beobachtung der Leere und Verlogenheit im Leben meiner religiösen Eltern und der Gesellschaft ringsum, der Leistungszwang in
der Schule, der Selbstmord meines Freundes, das Scheitern der politischen Linken,
das Versagen der Kirchen. Woran könnte man sich halten? Da ist nichts.
F2. Die Geschichte, die ich Ihnen erzählen will, hat eigentlich gar keinen Inhalt,
vielleicht ist es gar keine Geschichte, aber ich muss sie Ihnen erzählen. Vor zehn
Jahren spielte sich eine Art Vorgeschichte ab, und vor wenigen Tagen rundete sich
das Bild… Denn vor wenigen Tagen fuhren wir über jene Brücke die einst stark und
breit war, eisern wie die Brust Bismarcks auf zahlreichen Denkmälern, unerschütterlich wie die Dienstvorschriften; es war eine breite, viergleisige Brücke über den
Rhein und auf viele schwere Strompfeiler gestützt, und damals fuhr ich dreimal wöchentlich mit demselben Zug darüber: montags, mittwochs und samstags.
Wie werden neue Substantive, Adjektive und Verben gebildet?...
(Gemperle)
A1. Büch-erei: f., -en; Werk-zeug: n., -e; Minister-in: f., -innen; Reform-ation: f., -en;
Ein-heit: f., -en; Gefäng-nis: n., -nisse; Bür-o: n., -s; Reisebegleit-er: m., =; Nat-ur: f.,
-en; Kön-ig: m., -e; Fürsten-tum: n., -tümer; Ball-ett: n., -e; Üb-ung: f., -en; Freundlich-keit: f., -en; Mäd-chen: n., =; Konsum-ent: m., -en; Gesell-schaft: f.; -en; Materie: f., -ien; Informatik-er: m., =; Red-e: f., -en.
A2. die Demonstr-ation; die Spion-age; die National-ität; die Ras-ur; der Journalismus; die Delikat-esse; das Leas-ing; die Eleg-anz; die Repar-atur; die Euphor-ie.
A3. Bank-ier; Bibliothek-ar; Cine-ast; Diplom-at; Doktor-and; Million-är; Real-ist;
Reform-ator.
A4. Mögliche Antworten: a. Riesen-fehler; b. Spitzen-ergebnis; c. Traum-beruf; d.
Affen-hitze; e. Höllen-angst.
A5. a. Abitur; b. Bundesausbildungsförderungsgesetz; c. Johannes; d. Wohngemeinschaft; e. Deutsche Industrie-Norm; f. Kaufhaus des Westens; g. Kriminalpolizei; h.
Untersuchungshaft; i. Personenkraftwagen; j. Stadtbahn/ Schnellbahn.
A6. (K: Komposition, D: Derivation) a. Raucher-kneipe: K<S + S; eine Kneipe für
Raucher/ wo das Rauchen erlaubt ist (2007 wurde in Deutschland das Rauchverbot
eingeführt); b. Rechtschreib-frieden: K<S + S; Frieden bezüglich der Rechtschreibung
(oder genauer: bez. der Rechtschreibreform) / in Anlehnung an „Rechtschreibreform“,
die 1996 abgeschlossen war. Darauf folgte eine 10-jährige Revision und Einführungszeit, die 2006 mit der „Reform der Reform“ endete; c. Bund-es-kanzler-in: D mit
Suffix -in der K<S + S; 2007 wurde Angela Merkel als erste Frau in das Bundeskanz-
237
leramt gewählt; d. T-euro: Kontamination aus teuer + Euro; e. BR-D-DR: Kontamination der Abkürzungen BRD + DDR: 1989 fiel die Mauer zwischen Ost- und Westberlin.
B. mögliche Antworten: a. kalorien-reich, ideen-reich; b. nerven-stark; c. liebe-voll,
temperament-voll; d. folgen-schwer; e. bügel-leicht; f. streit-süchtig; g. diebstahlsicher; h. erwähnens-wert.
C1. a. sich er-kälten (kalt: A); b. ver-bessern (besser: A im Superlativ); c. zer-reißen
(reißen: V); d. be-merken (merken: V); e. ge-hören (hören: V); f. be-steuern (die
Steuer: S); g. ver-narben (die Narbe: S); h. ge-fallen (fallen: V); i. zer-kleinern (kleiner: A im Superlativ); j. miss-brauchen (brauchen: V); k. be-drohen (drohen: V); l.
ent-decken (decken: V); m. er-neuern (neu: A [im Superlativ?]); n. ver-brauchen
(brauchen: V); o. er-finden (finden: V).
C2. mögliche Antworten: a) a. ab-fliegen, ab-raten, ab-schließen; b. an-bieten, ankommen, an-melden; c. auf-hören, auf-schreiben, auf-wachen; d. aus-atmen3, ausfüllen, aus-steigen; e. bei-treten, bei-tragen; f. ein-atmen, ein-kaufen, ein-richten, einschlafen; g. mit-bringen, mit-singen; h. nach-fragen, nach-schlagen, nach-sprechen; i.
vor-bereiten, vor-lesen, vor-schlagen; j. zu-geben, zu-hören, zu-machen
b) Als Basis kommen vor allem Verben vor.
C3. ver-rechnen; zer-reden; weg-schmeißen; ver-giften/ ent-giften; ent-fremden; missachten; ent-täuschen; miss-handeln; zer-brechen; ent-nerven.
C4. mögliche Antworten: die Flieg-e, der Flüg-el, das Ge-flüg-el, der Aus-flug, überfliegen, fort-fliegen, ent-fliegen, ver-fliegen, flügg-e, flug-s
D. In Klammern: Wortart der Basis; bei D: letzte Derivation kursiv:
a) Komposition: Öl-preise (S < S + S), Rekord-hoch (S + S [< substantiviertem
Adj.]), US-Sorte (S < Kurzwort [United States] + S), Handel-s-schluss (S < S + S; mit
Fugen-s), US-Öl-preis (S < Kurzwort + Kompositum [< S + S]), Förder-mengen (S <
V + S),
b) Derivation: deut-lich (A < V), ver-gangen[en] (präfigiertes Verb), Aus-liefer-ung
(S < Partikelverb), zeit-weise (Adv. < S), Organi-sation (S < V), erd-öl-export-ierend[er] (Part. I < Syntagma [Kompositum + V]), signal-isierte (V < S), an-[zu-]heben
(Partikelverb)
c) Konversion: ge-nähert (V < Adj.), An-stieg (S < Partikelverb)
3
Manchmal lässt sich zur selben Basis mit verschiedenen Verbalpräfixen ein Gegensatzpaar bilden: aus-atmen (espirare) <-> ein-atmen (inspirare).
238
Die Modalverben (Ruch)
A1. a. sprechen; b. trinken; c. laufen; d. gehen/ fahren.
A2. mögliche Antworten: a. Petra will einen neuen Computer kaufen.; b. Sie kann
ohne Computer nicht leben.; c. Sie muss mindestens zwei Stunden am Tag mit ihren
Freundinnen chatten.; d. Außerdem müssen viele Mails beantwortet werden.; e. Den
Computer des Vaters darf sie nicht benutzen.; f. Briefe schreiben mag sie nicht mehr.
A3. a) a. Petra wollte einen neuen Computer kaufen.; b. Sie konnte ohne Computer
nicht leben.; c. Sie musste mindestens zwei Stunden am Tag mit ihren Freundinnen
chatten.; d. Außerdem mussten viele Mails beantwortet werden.; e. Den Computer des
Vaters durfte sie nicht benutzen. f. Briefe schreiben mochte sie nicht mehr.
b) a. Petra hat einen neuen Computer kaufen wollen.; b. Sie hat ohne Computer nicht
leben können.; c. Sie hat mindestens zwei Stunden am Tag mit ihren Freundinnen
chatten müssen.; d. Außerdem haben viele Mails beantwortet werden müssen.; e. Den
Computer des Vaters hat sie nicht benutzen dürfen.; f. Briefe schreiben hat sie nicht
mehr mögen.
A4. a. Sie wollte sich die Augenbrauen piercen.; b. Er mag nicht auf die Party gehen.;
c. Sie sagte zu ihm, er solle auf eine Tasse Kaffee herein kommen.; d. Der Polizist
wollte von dem Ausländer den Pass sehen.; e. Ich mag den Dozenten überhaupt nicht.
f. Beide Mannschaften wollten gewinnen.; g. Du willst offensichtlich einen guten
Eindruck machen.; h. Ich mag Haustiere nicht.
A5. a. Der Auftrag muss noch heute erledigt werden.; b. Der Auftrag soll noch heute
erledigt werden.; c. Der Chef sagte zur Sekretärin, sie solle noch heute die Rechnung
schicken.; d. Die Sekretärin musste nach Hause gehen.; e. Du musst keine Angst haben, der Hund beißt nicht.; f. Der Zahn tat so weh, dass ich zum Arzt gehen musste.;
g. Deine Frau hat angerufen, du sollst sie vom Büro abholen.; h. Sie müssen den
Schaden bezahlen.
A6. a. Kannst du mir 50 Euro leihen?; b. Der Soldat durfte die Kaserne verlassen.; c.
Peter kann zwei Fremdsprachen.; d. Ich darf hier parken.; e. Hier darf nicht geparkt
werden.; f. Konntest du die Band live erleben?; g. Man kann Mikroben mit bloßem
Auge nicht erkennen.; h. Darf ich Sie zum Essen einladen?.
A7. Nach dem Abitur will Niko Medizin studieren. Mit Medizin kann er jedoch nicht
sofort anfangen, weil sein Notendurchschnitt nicht für den NC reicht. Wenn er sich in
die Warteliste einträgt, muss er bestimmt einige Jahre warten. Wie soll/ kann er diese
Zeit sinnvoll nutzen? Er kann/ könnte zur Bundeswehr gehen, aber als Soldat kann er
bestimmt nicht jeden Abend zu seiner Freundin fahren. Sie hat ihm schon gesagt,
wenn er sich in Uniform blicken lässt, kann er sich eine andere suchen. Sie ist der
Meinung, er soll Zivildienst machen, aber er fürchtet, dass er dann in der Altenpflege
arbeiten muss. Was soll er nur tun?
239
A8. a. Ich weiß nicht, was ich anziehen soll.; b. Ich weiß nicht, was ich Petra zum
Geburtstag mitbringen soll.; c. Ich weiß nicht, wohin in den Ferien fahren soll.; d. Ich
weiß nicht, welchen Film ich mir anschauen soll.; e. Ich weiß nicht, welche Hose ich
mir kaufen soll.; f. Ich weiß nicht, was ich auf diesen Einwand sagen soll.
B1. mögliche Antworten: a. Er trägt eine Rolex, er fährt ein dickes Auto, er hat bestimmt/ sicher/ offensichtlich viel Geld.; b. Die Schauspielerin war angeblich noch nie
beim Schönheitschirurg.; c. Die Lösung dieser Aufgabe gelingt Ihnen wahrscheinlich/vermutlich nicht so leicht.; d. Egal, was Peter dazu denkt, morgen lasse ich mich
tätowieren.; e. Das ist möglicherweise/vielleicht ein Picasso, aber sicher bin ich
nicht.; f. Angeblich lernt man in diesem Club leicht neue Menschen kennen.
B2. a. Siemens soll tausend Mitarbeiter entlassen.; b. Es dürfte morgen regnen.; c.
Die Fahrt mit dem Zug muss nicht teurer sein als mit dem Auto.; d. Er will den Politiker gut kennen.; e. Wir könnten das Schiff noch erreichen.; f. Peter mag ja intelligent
sein, ich kann ihn aber trotzdem nicht leiden.; g. Tanja will den Film schon dreimal
gesehen haben.; h. Es dürfte noch nie so schwer gewesen sein wie heute, Arbeit zu
finden.; i. Wenn es so weitergeht, könnten die Leute von der Marktwirtschaft die Nase
voll haben.; j. Ein Pilz soll der größte lebende Organismus der Welt sein.; k. Die
Maschine kann noch nicht gelandet sein.; l. Tanja redet kein Wort mehr mit mir, sie
muss beleidigt sein.
C1. Mögliche Übersetzungen der Dialoge von Günter Netzer und Gerhard Delling:
a. E’ stato un bel successo quello della squadra tedesca, anche perchè non c’era del
tutto da aspettarsi che vincesse contro la Turchia.
b. Lo 0 a 0 intanto è assicurato, ma il risultato deve cambiare nel corso del secondo
tempo.
c. Non è affatto necessario che il timore reverenziale di fronte a questa squadra spagnola ci impietrisca.
d. Certo, si può essere un po’ spaventati, ma non necessariamente. Anzi, direi che la
squadra tedesca non debba assolutamente lasciarsi intimorire.
C2. Hegel: Con ciò questa legge ("ama il prossimo tuo come te stesso“) è tanto poco
un contenuto universale, quanto la prima già considerata, e non esprime, - come invece, in quanto assoluta legge etica, dovrebbe, - qualcosa d‘in sé e per sé. Ossia tali
leggi si arrestano al dovere, ma non hanno effettualità alcuna; esse non sono leggi, ma
solo comandi. (Fenomenologia dello Spirito, traduzione di E. De Negri, La Nuova
Italia, Firenze 1970, cap. La ragione legislatrice, p. 352).
Goethe:
Qui è il vero paradiso del popolo, grandi e piccini gioiscono lietamente. Qui sono un
uomo, qui mi è permesso di esserlo!
Sta scritto: „in principio era il Verbo!“ Son gia bell’e fermo! Chi mi aiuta a proseguire? È impossibile ch’io stimi “la parola” in modo cosi alto. Devo tradurre altrimenti,…
240
È forse il pensiero che tutto crea e in tutto agisce?
Allora dovrebbe essere: “In principio era la Forza!”
C3. Il vecchio testamento:
- Du sollst keine fremden Götter neben mir haben.
- Du sollst Vater und Mutter ehren.
Lewis Carroll
»Ich wusste nicht, dass Katzen manchmal grinsen; ja ich wusste nicht, dass Katzen
überhaupt grinsen können.«
»Sie können es alle,« sagte die Herzogin, »und die meisten tun es.« »Ich kenne keine,
die es tut,« sagte Alice sehr höflich, da sie ganz froh war, eine Unterhaltung angeknüpft zu haben. (S. 31)
Der Henker behauptete, dass man keinen Kopf abschneiden könne, wo kein Körper
sei, von dem man ihn abschneiden könne; dass er so etwas noch nie getan habe, und
jetzt über die Jahre hinaus sei, wo man etwas Neues lerne. Der König behauptete,
dass Alles, was einen Kopf habe, geköpft werden könne, und dass man nicht so viel
Unsinn schwatzen solle. (S. 48)
(http://www.gutenberg.org/catalog/world/readfile?fk_files=270180&pageno=1)
Luigi Pirandello
„Hohoho“, ruft Don Eligio aus. Er richtet sich auf, sein Gesicht ist feuerrot unter
dem großen Strohhut. „Was hat denn Kopernikus mit der Sache zu tu?“
„Er hat, Don Eligio. Denn als die Erde sich noch nicht drehte….“
„Was soll das wieder heißen! Sie hat sich doch schon immer gedreht!“
(Luigi Pirandello, Il fu Mattia Pascal, Berlin 1977, Übersetzung Piero Rismondi, S.
10)
C4. Es gibt zwei mögliche Übersetzungen. Wir nehmen folgendes an: Der IchErzähler hatte zum Zeitpunkt der Unterhaltung, in der der Satz “Wir sind Alkoholiker“
fiel, bereits im Sinn zu sagen, “Wir sind keine Alkoholiker“, sagte aber etwas anderes.
Dann bietet sich folgende Übersetzung an:
“Wir sind keine Alkoholiker. Das wollte ich eigentlich sagen.“
Oder: Der Ich-Erzähler hatte zum Zeitpunkt der Unterhaltung etwas anderes im Sinn
als zum Zeitpunkt der späteren Reflexion, dann bietet sich die folgende Übersetzung
an.
“Wir sind keine Alkoholiker. Das hätte ich sagen sollen.“
„Das hätte ich sagen wollen“, enthält einen Widerspruch. Entweder er wollte es, dann
ist der Irrealis des Konjunktivs falsch, oder es wollte es nicht, dann ist der Irrealis des
Konjunktivs richtig, aber das MV falsch.
241
Vergangenheitstempora … (Schumacher)
A. a. atelisch, imperfektiv/progressiv; b. atelisch, perfektiv.
B. a. resultative Gegenwartslesart; b. progressive Vergangenheitslesart; c. kontinuative Vergangenheitslesart; d. resultative Zukunftslesart.
C. a. progressive Vergangenheitslesart; b. perfektive Vergangenheitslesart; c. habituelle Vergangenheitslesart; d. perfektive Vergangenheitslesart.
D. mögliche Lösungen: a. Adesso ho mangiato abbastanza.; b. Jetzt habe ich genug
gegessen.; c. Als Paolo gekommen ist, hat Letizia gerade Opernarien gehört.; d. Während Letizia Operarien gesungen hat, hat Paolo in der Sonne gelegen.
E. mögliche Lösungen: a. In dem Moment schlief Paolo fest.; b. Letizia veniva a trovarci il primo del mese.; c. Letizia kam uns immer am Ersten des Monats besuchen.;
d. Paolo kam die Treppe herunter, um zu frühstücken.
F. mündliche Kommunikationssituation, Relevanz.
G. Distanz, fiktive Erzählung.
Rund ums Gerund:…(Sattler)
A. a. temporal/ Koordination mit “und”; b. konzessiv; c. modal/ temporal/ Koordination mit „und“; d. instrumental/ kausal; e. temporal/ kausal; f. instrumental/ konditional/ temporal; g. temporal; h. instrumental; i. kausal; j. irrealer Vergleich.
B. a. Als, und; b. Obwohl, Trotz; c. indem/ während, und; d. Dadurch, dass/ Da,
Durch; e. Als/ Da; f. indem/ wenn/ wenn, Durch/ Beim; g. Als; h. Indem/ Dadurch,
dass; i. Da; j. als, als ob
C. a. indem man liest/ dadurch, dass man liest/ durch Lesen; b. indem man geduldig
wartet/ dadurch, dass man geduldig wartet/ durch geduldiges Warten; c. indem man
laut singt/ dadurch, dass man laut singt/ durch lautes Singen; d. indem man anklopft/
dadurch, dass man anklopft/ durch Anklopfen; e. indem man ein Gedicht aufsagt/
dadurch, dass man ein Gedicht aufsagt/ durch Aufsagen eines Gedichtes; f. indem
man aufmerksam hinschaut/ dadurch, dass man aufmerksam hinschaut/ durch aufmerksames Hinschauen.
D. a. Piero packt gerade die Koffer/ Piero ist dabei die Koffer zu packen/ Piero ist
gerade am Kofferpacken; b. Carlo backt gerade einen Kuchen/ Carlo ist dabei einen
Kuchen zu backen/ Carlo ist gerade am Kuchenbacken. c. Enrico putzt gerade/ Enri-
242
co ist dabei zu putzen/ Enrico ist gerade am Putzen; d. Alessandro lernt gerade/ Alessandro ist dabei zu lernen/ Alessandro ist am Lernen; e. Stefano räumt gerade auf/
Stefano ist dabei aufzuräumen/ Stefano ist am Aufräumen; f. Paolo spielt gerade
Fußball/ Paolo ist dabei Fußball zu spielen/ Paolo ist am Fußballspielen.
E. a. Laura trat ein und grüßte alle.; b. Der Interviewte reagierte scharf und sprach
von zutiefst ungerechter Zensur.; c. Der indische Gesundheitsminister forderte die
Filmstars auf, mit gutem Beispiel voranzugehen und in den Filmen mit dem Rauchen
aufzuhören.; d. Die Carabinieri haben 100 kg Rauschgift beschlagnahmt und auf dem
Parkplatz einer Raststätte einen Mann festgenommen.; e. Zwei bewaffnete Männer
haben das Büro gestürmt, die Angestellten bedroht und 5000 Euro verlangt.; f. Der
Junge ist weggelaufen und ist spurlos verschwunden.; g. Sie schaute sich neugierig
um und studierte alle diese neuen Gesichter.; h. Ich lud mir den Rucksack auf die
Schultern und hielt in jeder Hand ein Gepäckstück.
F. a. Dieser Mann kam hinkend näher/ näherte sich hinkend.; b. Komm mit mir, sagte
er lächelnd.; c. Vorsichtig umherschauend erreichte sie den Ausgang/ gelangte sie
zum Ausgang.; d. Etwas zögernd nahm er/ sie den Vorschlag an.; e. Fast schreiend
richtete er/ sie diese Worte an mich.
G. a. Wir haben den Abend mit Lachen und Scherzen verbracht.; b. Er hat sich beim
Tangotanzen den Fuß gebrochen/ den Fuß beim Tangotanzen gebrochen.; c. Durch
regelmäßiges Hören dieser CD wirst du auch deine Aussprache verbessern.; d. Beim
Zeitungslesen ist mir diese Idee gekommen/ bin ich auf diese Idee gekommen.; e. Auch
durch Schreien wirst du mich nicht überzeugen.; f. Durch Fehler wird man klug.; g.
Es war nicht klar, ob sich die Tür durch Drücken oder durch Ziehen öffnete.
H. a. Die Skifahrer wurden gerettet, wobei auch ein Hubschrauber eingesetzt wurde.;
b. Die Bibliothekarin stellte die alten Bücher in die Vitrine, wobei sie darauf achtete,
dass die Titel gut sichtbar waren.; c. Auf dem Automarkt konnten die einheimischen
Marken über 73000 Neuanmeldungen verzeichnen, wodurch/ womit sie ihren Marktanteil um 0,3% verbesserten und 31,6% des Gesamtmarktes erreichten.
I. mögliche Lösungen: a. Paolo hat das Auto wieder in Gang gesetzt, indem er es
anschob.; b. Da ihm Giovanni, half/ geholfen hatte, hat Paolo das Auto wieder in
Gang gesetzt/ Mit Giovannis Hilfe hat Paolo das Auto wieder in Gang gesetzt.; c. Da
die beiden Freundinnen zusammen arbeiten, sehen sie sich jeden Tag.; d. Da er/ sie
eine Genehmigung beantragt hat, hat er/ sie das Recht auf Durchfahrt.; e. Obwohl sie
den Wettbewerb gewonnen hat, ist sie noch nicht eingestellt worden.; f. Da/ Wenn sie
spricht, kann ich nicht sprechen.; g. Da es der Arzt verordnet hat, muss er es akzeptieren.; h. Sie ist gesund geworden, weil/ indem sie diese homöopathische Behandlung
machte.; i. Er lief, indem er die Füße nachzog/ mit schleppendem Gang.; j. Ja, antwortete er/ sie lächelnd.; k. Sie verließ ihren Mann und nahm die Kinder mit.; l. Da
weder sie noch ihr Partner Vorsichtsmaßnamen ergriffen hatten, wurde sie schwanger.; m. Wir haben Frau (Prof.) Gallo gesehen, als wir aus dem Veranstaltungsraum/
243
Klassenzimmer gingen.; n. Obwohl sie dieselben Eltern haben, haben sie völlig verschiedene Charaktere.; o. Da ich das Passwort verloren habe, kann ich die E-Mails
nicht mehr lesen.; p. Da ich die Fahrkarten in der Tasche hatte, konnte sie nicht abfahren.; q. Bald werden die Frauen ohne Hilfe/ Zutun der Männer Kinder bekommen
können/ schwanger werden können.; r. Indem/ Dadurch, dass die in/ von „Science“
veröffentlichte Untersuchung die drei wichtigsten Sprachgruppen berücksichtigte/
Durch Berücksichtigung der drei wichtigsten Sprachgruppen/ kam die… Untersuchung zu einem interessanten Ergebnis.; s. Nachdem ich ein Klopfen an der Tür gehört hatte/ Nachdem ich jemanden hatte anklopfen hören und „Herein“ gesagt hatte,
sah ich eine blonde Frau eintreten.; t. In der Nachkriegszeit nahm die Zahl/ die Präsenz der Mädchen in den Schulen ständig zu.; u. Das war das Hauptthema/ das wichtigste Thema, mit dem er/ sie sich in jenen Jahren beschäftigte.
J. mögliche Übersetzungen: a. Vielleicht war ich hochmütig gewesen, als ich fragte,
ob ich meine Examensarbeit über Giacomo Leopardi schreiben könne.; b. Wie viele
ihr dieses Jahr seid/ Wie viele Sie dieses Jahr sind!, rief der Professor aus, als er uns
sah. Gut, gut, ich sehe, dass wir immer mehr werden, letztes Jahr wart ihr/ waren Sie
drei.; c. Ich entdeckte die mittelalterliche Literatur, die sehr reichhaltig ist und damals so unbekannt war, dass die Deutschkurse mit dem/ beim achtzehnten Jahrhundert anfingen und alles ignorierten, was vorher (gewesen) war.; d. Ich setzte mich an
die Schreibmaschine, auf der ich meine Examensarbeit tippte.; e. In Rapallo fühlte ich
mich zu Hause, da die Stadt nur wenige Kilometer von Cavi entfernt war.; f. Nachdem
die Verpflichtungen an der Universität zu Ende waren, flüchtete/ fuhr ich nach Cavi
und genoss gierig Sonne und Wasser.; g. Dort schrieb ich mein letztes Germanistikbuch zu Ende, eine Geschichte der mittelalterlichen Literatur, an der ich schon lange
gearbeitet hatte, wobei ich die Werke übersetzte, die mir am besten gefielen.; h. Die
Mühe dieses Buchs, an dem ich seit mehr als zwei Jahren arbeitete….
K. mögliche Übersetzung: Laura Conti, die einzige italienische Autorin, die Ökologie
in Erzählform vermittelt/ die einzige italienische Vertreterin der „erzählten Ökologie“, wurde in Udine geboren und verbrachte ihre Jugend in Mailand, wo sie Medizin
studierte. Sie stammte aus einer antifaschistischen Familie und trat 1944 den Brigaden der „Fronte della gioventù“ (Jugendfront) bei. Im August desselben Jahres wurde sie verhaftet und in ein Durchgangslager in Bozen deportiert.
1965 berichtete sie dann in ihrem Roman „la condizione sperimentale“ von einem
Durchgangslager, womit sie dieser Erfahrung zum ersten Mal die Form einer Erzählung gab. Im Konzentrationslager schuf sie ein enges Netz von Beziehungen mit den
Partisanen. Sie pflegte die Erinnerung an diese intensive und schmerzliche Zeit, indem sie 1961 die umfangreiche „Bibliografia della stampa clandestina antifascista“
herausgab/ Zur Erinnerung an diese…Zeit gab sie …heraus.
Sie wurde am 1. Mai 1945 befreit. Danach nahm sie das Medizinstudium wieder auf
und machte 1949 ihren Abschluss. Sie spezialisierte sich in Medizin vor allem auf den
Bereich der Kinderorthopädie.
Ihr Beruf als Ärztin war vom politischen Engagement in der KPI begleitet, wo sie
zwischen 1960 und 1970 das Amt der Regionalrätin in Mailand innehatte.
244
Zur Ökologie kam sie über drei Phasen: erstens durch die Medizin, da ihr bewusst
wurde, dass wirkliche Errungenschaften im Bereich der Gesundheit nur im Bereich
der Vorbeugung gemacht werden können, zweitens durch die Entdeckung der Zusammenhänge zwischen Ökonomie und Ökologie und schließlich durch die Feststellung, dass die Wissenschaft der Technologie nicht gewachsen ist.
1976 wurde ihr Name im Zusammenhang mit dem Giftunglück von Seveso auch beim
breiten Publikum bekannt, da sie jahrelang mit viel Mut eine harte Kampagne gegen
diejenigen führte, die die Umweltkatastrophe herunterspielen und ihre politische und
zivile Verantwortung umgehen wollten.
1978 schrieb sie „Una lepre con la faccia da bambina“, einen Roman, der von diesem Drama inspiriert war. In derselben Zeit begann sie, sich mit den Problemen und
Grenzen der Kernkraft zu auseinanderzusetzen, die sie mit wissenschaftlichen Argumenten bekämpfte.
In der Überzeugung, dass Umweltbewusstsein in politische Praxis umzusetzen sei,
arbeitete sie bei der Gründung der „Lega per l’Ambiente“ (später „Legambiente“)
mit und wurde eine einflussreiche Figur in der italienischen Umweltbewegung.
Die Sprache der Dichter und Denker:…(Kaiser)
A. [Linke Klammer], [Rechte Klammer]:
a. Kernsatz/ Aussagesatz/ Satzreihe: Itzenplitz und ich (S) [waren] jung verheiratet
und wir (S) [besaßen] eigentlich gar nichts.
b. Spannsatz/ Nebensatz: [Wenn] man (S) sehr jung, frisch verheiratet und sehr verliebt [ist]; Kernsatz/Aussagesatz mit Vorfeld: [spielt] es keine große Rolle; Spannsatz/
Nebensatz: [wenn] man (S) nichts [hat].
c. Kernsatz/ Aussagesatz: Ich (S) [kann] mich jedoch an ein Gespräch (O-Präp) im
Sommer (Te) im Stadtpark (Lo) [erinnern]; Spannsatz/Relativsatz/ Nachfeld: bei dem
Itzenplitz (S) [sagte]:; Kernsatz/Aussagesatz/direkte Rede: „Ich (S) [muss] immer so
sehr mit dem Pfennig (O-Dat) [rechnen]; Stirnsatz/Wunschsatz: [Hätte] ich (S) doch
ein bißchen mehr Geld (O-Akk)! Kernsatz/Aussagesatz: Ich (S) [möchte] mir (O-Dat)
so gern etwas [kaufen].“
d. Kernsatz/ Entscheidungsfrage: „Was [würdest] Du (S) denn gerne [kaufen]?“;
Kernsatz/Aussagesatz mit Vorfeldbesetzung: [fragte] ich (S).; Kernsatz/Aussagesatz:
Itzenplitz (S) [begann] in ihren Gedanken (O-Dat) [zu suchen]; Spannsatz/ Nebensatz:
[Nachdem] sie (S) wirklich lange (Te) [gesucht hatte], [sagte] sie: Kernsatz/Aussagesatz/ direkte Rede: „Vor allem [möchte] ich (S) ein Paar Hausschuhe
(O-Akk) [kaufen].“
e. Kernsatz/Aussagesatz/Satzreihe: Dieser Wunsch meiner Frau (S) [überraschte]
mich (O-Akk) und [machte] mich (O-Akk) sprachlos.; Kernsatz/ Aussagesatz/ Satzreihe: Wir (S) [haben] dieses Gespräch (O-Akk) im Hochsommer (Te) [geführt], die
Sonne (S) [brannte].; Kernsatz/Aussagesatz: Ich (S) [wünschte] mir (O-Dat) in diesem
Moment (Te) wegen der großen Hitze (Ka) nur ein kaltes Bier (O-Akk) und eine Zigarette (O-Akk) an einem schattigen Ort (Lo).
245
B. a. In Frankfurt gibt es viele Banken.; b. Nach dem Essen putzen sich die Kinder die
Zähne.; c. Der Vater kauft ihm ein Eis.; d. Studiert Peter in Hamburg?; e. Warum
studiert Peter in Hamburg?; f. Schon wieder ist sein Fahrrad kaputt.; g. Vollkornbrot
mag sie nicht gerne.; h. Macht endlich die Tür zu!
C. a. In Frankfurt wird es bald noch mehr Banken geben.; b. Nach dem Essen haben
sich die Kinder die Zähne geputzt.; c. Der Vater hat ihm ein Eis gekauft.; d. Hat Peter
in Hamburg studiert?; e. Warum hat Peter in Hamburg studiert?; f. Schon wieder ist
sein Fahrrad kaputt gewesen.; g. Vollkornbrot hat sie noch nie gemocht.; h. Jeden
Tag ist er mit dem Zug zur Arbeit gefahren.
D. a. (f); b. (f); c. (r); d. (r); e. (f); f. (r); g. (r); h. (f); i. (r); j. (f); k. (f); l. (f); m. (f); n.
(r); o. (f); p. (f); q. (f); r. (r); s. (f); t. (r); u. (f); v. (f); w. (r); x. (f); y. (f); z. (r).
E. a. Sie kam nicht zur Verabredung, obwohl sie es mir versprochen hatte.; b. Ich
kann dir nicht helfen, weil ich kein Superman bin.; c. Ich weiß nicht, ob er morgen
schon kommen wird.; d. So kam es, dass ich ein großartiger Künstler wurde.; e. Er
will ein Haustier, das lange leben wird.; f. Er war sehr überrascht, als er das Mädchen singen hörte.
F. a. Obwohl er ihn gesehen hatte, grüßte er ihn nicht.; b. Nachdem der Benzinmotor
von Nikolaus Otto entdeckt worden war, konnte Carl Benz das erste Auto bauen.; c.
Weil der Computer erfunden wurde, können wir heute in Internet surfen.; d. Bevor
das Morsealphabet entwickelt wurde, konnte man keine Nachrichten über den Telegrafen schicken.; e. Seitdem die UNO 1945 gegründet wurde, haben die Mitgliedstaaten wichtige Entscheidungen gegen Kriege getroffen.; f. Obwohl David Mathe üben
muss, geht er mit seiner Freundin aus.
G. a. Nachdem ein Bus gegen das Brandenburger Tor gefahren war, mussten alle
Fahrgäste ins Krankenhaus gebracht werden.; b. Obwohl man eine Schlange im Badesee von Potsdam entdeckt hatte, badeten die Leute.; c. Während in Frankfurt ein
Löwe aus dem Zoo ausbrach, stürzte in Hamburg ein Flugzeug ab.; d. Weil ein Pilot
kein Benzin mehr hatte, ist er auf dem Rhein gelandet.; e. Als ein Schornsteinfeger
vom Dach fiel, zog er sich keine Verletzungen zu.; f. Seitdem ein junger Mann seiner
Freundin in Amerika jeden Tag zehn SMS schickt, muss er sein Handy oft nachladen.
H. a. Nerven und Zeit rauben jeden Tag lange Fahrzeiten zum Arbeitsplatz vielen
Angestellten. - Nerven und Zeit rauben sie ihnen jeden Tag.
b. Lange Fahrzeiten zum Arbeitsplatz rauben vielen Angestellten jeden Tag Nerven
und Zeit. - Sie rauben es ihnen jeden Tag.
c. Vielen Angestellten rauben jeden Tag lange Fahrzeiten zum Arbeitsplatz Nerven
und Zeit. - Ihnen rauben sie es jeden Tag.
d. Jeden Tag rauben vielen Angestellten lange Fahrzeiten zum Arbeitsplatz Nerven
und Zeit. - Jeden Tag rauben sie es ihnen.
246
e. Ja, lange Fahrzeiten zum Arbeitsplatz rauben vielen Angestellten jeden Tag Nerven
und Zeit. - Ja, sie rauben es ihnen jeden Tag.
I. a. Morgen wird er ihr wegen ihres Geburtstages mit viel Liebe einen Ring vor der
Schule schenken.; b. Gestern hat er ihn wegen der Prüfung schnell mit dem Auto zur
Universität gebracht, weil zu dieser Zeit kein Bus gefahren ist.; c. Letzten Monat
stellte sie ihn ihr vor.; d. Der Postbote hat gestern einem Mann den Brief nicht richtig
in den Postkasten geworfen.; e. Am Sonntag bringt er ihn ihr mit.; f. Die Hand hat der
Arzt dem Kranken gestern wegen des hohen Fiebers im Krankenhaus prüfend auf die
Stirn gelegt.; g. Der Dieb hat dem Hund vorsichtig einen Knochen gegeben.; h. Ich
werde nächstes Jahr wegen der Prüfungen bis Ende Juli an der Universität sein müssen.
J. Es war ein sehr schneller Einsitzer, aber er hatte höchstens sechs Stunden Flugautonomie: Warum er nicht zur Basis zurückkehrte? Um 14.30 Uhr wurde die Lightning
als vermisst betrachtet. Am Abend verbreitete sich das Gerücht, dass„Saint Ex“ spurlos verschwunden war wie der kleine Prinz, der Held seines gleichnamigen Meisterwerks, von dessen Verschwinden Saint-Exupéry prophetisch geschrieben hatte: „Ich
weiß, dass er auf seinen Planeten zurückgekehrt ist, denn bei Sonnenaufgang habe ich
seinen Körper nicht wiedergefunden.“
Die Valenz italienischer und deutscher Verben (Nied Curcio)
B. a. ich (SUB), dich (AKK); b. Das Semester (SUB), 12 Wochen (EXP; c. Was
(SUB), dir (DAT), d. Unsere Professorin (SUB), uns (DAT), die Grammatik (AKK);
e. Die Suppe (SUB), nach Fisch (PRP); f. Sie (SUB) ihn (AKK), den Bomber (AKK),
g. Unsere Universität (SUB), im Stadtzentrum (SIT), h. du (SUB), für die deutsche
Literatur (PRP), i. Ich (SUB), das (AKK) toll (ADJ); j. Der Student (SUB), den Professor (AKK), ob er bei ihm die Magisterarbiet schreiben kann (VRB).
B2. mögliche Antworten: a. Mir geht es so lala.; b. Ja, es genügt mir.; c. Die Bibliothekt ist dort vorne.; d. Ich habe nur ganz wenig bei mir.; e. Klar, kann ich dir helfen.; f. Ich finde sie ein bisschen kurz.; g. Ja, ich bin dran.; h. Ich spiele lieber Fußball. i. Wir haben dir doch zugehört!; j. Ja ich habe sie das schon gefragt.; k. Ja, ich
rufe sie in 5 min. an.; l. Ich würde ihn gern nach seiner Telefon-Nr. fragen, aber…;
m. Nein, ich arbeitet noch nicht daran/ an der Magisterarbeit.
C1. fakultative Ergänzungen: a. Anna; c. bei Maria, d. sehr gut; h. für dieses Kleid.
Die anderen Ergänzungen sind obligatorisch.
C2. Ergänzungen: b. zur Universität; c. nach Sizilien. Die anderen unterstrichenen
Satzelemente sind Angaben.
247
D1. a. trovarsi; b. trovare; c. fermarsi; d. fermare, e. chiamare; f. chiamarsi; g. chiamare; h. sposarsi, i. sposare.
E.
- Hallo Giorgio!
- Hallo Maria! Wie (ADJ/ NOM) war denn dein Deutschkurs (SUB) in Konstanz?
- Er(SUB) war toll (AJD). Ich (SUB) habe viel (EXP) gelernt und viele neue
Freunde (AKK) kennen gelernt.
- Schön. Erzähl mal, wie es war (VRB)!
- Am Anfang gab es eine Begrüßungsparty (AKK). Da habe ich (SUB) gleich eine
Fränzösin (AKK) getroffen. Sie (SUB) heißt Annette (NOM) und lebt in Frankreich (SIT). Sie (SUB) spricht schon sehr gut (ADJ) Deutsch (AKK).
- Seid ihr (SUB) im gleichen Kurs (SIT) gewesen?
- Nein, leider nicht. Aber wir (SUB) haben viele Ausflüge (AKK) unternommen.
- Wohin (DIR) seid ihr (SUB) denn gefahren?
- Wir (SUB) haben im Bodensee gebadet, sind mit dem Fahrrad in die Schweiz
(DIR) gefahren, haben das Kunsthaus (AKK) in Zürich besucht und… Ach, es
war so viel (EXP), ich (SUB) kann mich schon gar nicht mehr an alles (PRP) erinnern. Aber wir (SUB) haben auch viel (EXP) gearbeitet.
- Habt ihr (SUB) auch zusammen Deutsch (AKK) gelernt?
- Nicht wirklich, Annette (SUB) hat mir(DAT) immer bei den Hausaufgaben
(PRP) geholfen.
- Und jetzt, nach dem Kurs?
- Ich (SUB) werde ihr (DAT) erst mal eine E-Mail (AKK) schreiben und einige
Fotos (AKK) schicken und hoffe, dass sie mich nächstes Jahr besuchen
wird(VRB).
- Das (AKK) finde ich (SUB) ja toll (ADJ). Ich (SUB) möchte auch mal an so
einem Kurs (PRP) teilnehmen. Na ja, vielleicht nächsten Sommer…
Verben mit Präpositivergänzung (Kaiser)
Bei den Übungen A und B vergleichen Sie Ihre Ergebisse in der Gruppe und konsultieren Sie zur Kontrolle eine Lehrkraft, da hier mehrere Lösungen verschiedenster Art
möglich sind.
C1. 1) darauf; 2) damit; 3) daran; 4) mit; 5) darüber; 6) um; 7) darauf; 8) mit; 9) an;
10) von; 11) darum; 12) über; 13) danach; 14) davor; 15) daran; 16) mit; 17) darum;
18) mit; 19) darüber; 20) mit; 21) über; 22) mit; 23) an.
C2. 1) von (Vision von); 2) in (Te); 3) in (in den Mittelpunkt stellen); 4) mit (E); 5)
für (E); 6)/ 7)/ 8)/ 9) im (Te); 10) bis (Te); 11) im (im Zeichen stehen); 12) an (Lo);
13) zu (E); 14) für (Beitrag für); 15) von (Passiv); 16) in (Lo); 17) von (Zahl von); 18
in (Lo); 19) in (Te); 20)/21) 22) über (E); 23) in (Lo); 24) über (E); 25) im (Lo); 26)
nach (Te); 27) auf (Lo); 28) in (Te); 29) in (Lo); 30) für (Qualifikation für); 31) in
248
(Lo); 32) für (E); 33) in (Lo); 34) auf (Lo); 35) dafür (E); 36) für (E); 37) in (Lo); 38)
von (E); 39) in (Lo); 40) an (E); 41) darüber (E); 42) mit (E); 43) in (Lo); 44) damit
(E); 45) für (E); 46) damit (E).
D1. 1. Non si pensa abbastanza all’ambiente.; 2. Non mi ricordo dell’avvenimento.;
3. Il governo crede alla rapida realizzazione del progetto.; 4. Peter scrive un sms alla
sua fidanzata.; 5. L’uomo manda un regalo a sua moglie.; 6. Bada alla linea!; 7. Il
successo dell’esame dipende dal candidato.; 8. Oggi mio marito sorveglia i bambini.;
9. Il giornalista si riferisce alla nuova riforma.; 10. Siamo contenti delle ferie semestrali.; 11. Sono già tre settimane che attendo un/il pacco.; 12. La sposa ringrazia gli
ospiti per i regali.; 13. L’allenatore ringrazia i giocatori per il buon gioco.; 14. I
bambini si interessano a/ di tante cose.; 15. Gli operai scioperano per una paga migliore.; 16. Peter si è deciso a studiare giurisprudenza.; 17. Gli studenti protestano
contro l’aumento delle tasse universitarie.; 18. Centomila persone dimostrano oggi
contro l’energia nucleare.; 19. Si è deciso contro il matrimonio.; 20. Tanti si arrabbiano della politica comunale mal funzionante.; 21. Negli anni Settanta si è discusso
tanto di politica e di emancipazione.; 22. Sara si è rallegrata molto del regalo meraviglioso.; 23. Degli altri si parla sempre spesso e con piacere.; 24. Parliamo con
piacere di filosofia.; 25. Mio figlio ha fatto domanda per il posto di manager.; 26. Ti
vorrei chiedere un favore.; 27. In questo sciopero non si tratta di più soldi ma di
miglior condizioni di lavoro.; 28. Scommettiamo 10 euro.
D2. 1. Non tutti gli studenti partecipano alla protesta.; 2. Mi rallegro [continuativamente] dei miei figli.; 3. Tante persone soffrono di mal di testa.; 4. Insisto sul rispetto
dei termini.; 5. La famiglia è fatta oggigiorno di tre persone.; 6. L’abito è fatto di
seta.; 7. In Italia tanta gente beve il caffè dal bicchiere.; 8. Il paziente ringrazia il
medico.; 9. Mi scuso con Enrico per il ritardo.; 10. Informati dal capotreno
sull’arrivo del treno!; 11. Il problema dell’esame consiste soprattutto nella parte
grammaticale.; 12. Hanno iniziato ieri con i lavori.; 13. Isaac si occupa tanto dei suoi
figli.; 14. Ho bisogno d’aiuto per il trasloco. Posso contare su di te?; 15. Mio fratello
chiacchiera volentieri con me.; 16. Il professore va d’accordo con i suoi studenti.; 17.
Devo parlarti. Hai un momento?; 18. In questo bar c’è un meraviglioso profumo di
caffè.; 19. Mi devo informare sui nuovi orari di partenza dei treni.; 20. Le grandi città
puzzano spesso di gas di scarico.; 21. Questo pane sa di olive.; 22. I giovani non
dipendono volentieri dai loro genitori.; 23. Il telegiornale riferisce sugli ultimi avvenimenti.; 24. Per prima cosa mi devo riprendere adesso dallo stress.; 25. Da Peter
non abbiamo sentito niente da tempo.; 26. Il libro tratta della disoccupazione della
giovane generazione.; 27. La professoressa richiede tanto dagli studenti.; 28. Stanotte
Karin ha sognato Schneewittchen.; 29. Ho paura del ladro.; 30. Il cane ha salvato il
bambino dall’affogare.; 31. Il signore anziano si inchinò davanti alla bella signora.;
32. Ti metto in guardia da questa gente.; 33. Ho bisogno del computer per insegnare.;
34. Lui è arrivato ad essere attore.; 35. Tanti politici diventano facilmente persone
egoiste.
249
Falsche Freunde und ihre Verwandten (Twittmann)
B1. a. Orthographie; b. Orthographie, Betonung, Aussprache, Unterschiede im Genus;
c. Orthographie, Aussprache; d. Orthographie, Aussprache, Betonung, abweichende
Endung; e. Betonung, abweichende Endung.
B2. oberflächlich (o): b., e., f., g., i., j., o.; verwandtschaftlich (v): a., c., d., h., k., l.,
m., n., p., q.
B3. Echte Freunde a): g; wahre FF b): c., e., i.; partielle FF c): a., b., d., f., h., j.
C1. a. lernen, studieren, einstudieren, untersuchen, beobachten; b. ausreichend, genügend, mäßig, bescheiden, ziemlich/ganz gut, taktvoll, diskret; c. der Tunnel, die
Galerie, der Rang; d. wahrnehmbar, sensibel, empfindlich, spürbar; e. investieren,
zusammenstoßen mit, anfahren, überfahren.
C2. a. Nächste Woche fährt Carlo nach Deutschland, um an einer Privatschule
Deutsch zu lernen.; b. Um Arzt zu werden, muss man Medizin studieren.; c. Carlo
spricht ziemlich gut Englisch.; d. Du kannst dich auf Carlo verlassen, er ist sehr diskret.; e. Da er Moderne Kunst mag, hat er die wichtigsten Galerien von Berlin besichtigt.; f. Als wir mit dem Auto die Alpen durchquert haben, sind wir durch viele Tunnels gefahren.; g. Gina versteht mich immer, sie ist ein sehr sensibles Mädchen.; h.
Kinder haben eine sehr empfindliche Haut.; i. Meine Mutter hat viel Geld in einige
Immobilien investiert.; j. Gianni hat ein Mädchen angefahren, das über die Straße
ging.
C3. a. Nach meinem Master in Übersetzen und Dolmetschen habe ich in Deutschland
promoviert, wo ich meine wissenschaftlichen Fähigkeiten weiterentwickelt habe. Aber
hauptsächlich dank meiner beruflichen Erfahrungen bei verschiedenen Kulturvereinigungen bin ich Leiterin des Italienischen Kulturinstituts an der Italienischen Botschaft von Berlin geworden.
b. Anstatt den Rat seiner Eltern zu befolgen Wirtschaft zu studieren, hat Carlo einen
Ausbildungskurs zum Koch besucht. Jetzt hat er nicht nur sofort Arbeit als Chefkoch
mit einem anständigen Gehalt gefunden, sondern er arbeitet auch in einem sehr angenehmen Umfeld.
c. Heute habe ich an einer interessanten Veranstaltung an der Universität teilgenommen: zuerst hat ein Professor einen Vortrag über das zeitgenössische Theater gehalten und danach gab es eine Vorführung von einer Studententheatergruppe.
d. Um die Ernennung des neuen Dekans der Philologischen Fakultät zu feiern, haben
sich die Professoren und Studenten im Hörsaal 12 versammelt, wo der Rektor eine
Rede halten wird.
C4. a. Der Regisseur benötigt für die erste Szene des Films zahlreiche Statisten. →
Per la prima scena del film il regista ha bisogno di numerose comparse.
250
b. Die Studenten müssen für die Klausur die Lektionen 1-10 aus dem Buch lernen. →
Gli studenti devono studiare le unità 1-10 del libro per l’esame scritto.
c. Meine Mutter war Direktorin einer großen Firma und hat deshalb viele Messen im
Ausland besucht. Wegen der großen Verluste im Import ist die Firma dann aber in
Konkurs gegangen. → Mia madre era direttrice di una grande ditta e perciò visitava
tante fiere all’estero. Però a causa del deficit nell’importazione la ditta è fallita dopo.
d. Carlo hat leider das erste Staatsexamen nicht bestanden, während alle seine Kommilitonen sehr gute Noten erhalten haben. Jetzt kann er nicht mit dem Referendariat
beginnen. → Purtroppo Carlo non ha passato il primo esame di stato mentre tutti i
suoi compagni hanno ottenuto ottimi voti. Adesso non può iniziare l’apprendistato
biennale per diventare professore.
e. Für eine geheime Affäre können Jalousien sehr nützlich sein. → Per una relazione
amorosa segreta le persiane possone essere molto utili.
f. Mein Papa geht jeden Sonntag in die Messe. → Il mio papà va a messa ogni
domenica.
g. Gina ist sehr attraktiv: Sie ist groß und schlank. Aber für meinen Geschmack ist sie
zu brav und hat eine zu ruhige Art. → Gina è molto attraente: è alta e snella. Ma per
i miei gusti è troppo buona ed ha un carattere troppo tranquillo.
h. Mein Chef imponiert mir immer mehr: je weniger Zeit er hat, desto effektiver arbeitet er. → Ammiro sempre di più il mio capo: meno tempo ha, più lavora efficacemente.
i. Ich hatte gestern einen Termin mit meinem Professor, um mit ihm über meine Promotion zu sprechen. Das Gespräch verlief sehr positiv, er hat mir mehrere Vorschläge zu einem möglichen Thema gemacht. Außerdem kümmert er sich um ein Stipendium für mich. → Ieri avevo un appuntamento col mio professore per parlare del mio
dottorato di ricerca. Il colloquio è andato molto bene, mi ha fatto parecchie proposte
riguardo a possibili argomenti. Inoltre cercherà di trivarmi una borsa di studio.
j. Ich finde Timo etwas komisch, er hat einfach keinen Humor. → Io trovo Timo un
po’ strano, non ha senso dell’umorismo.
Polyseme italienische Verben zwischen Syntax und Semantik
(Nied Curcio)
B1. a. Mi metto subito a farlo: mettersi + SUB + Infinitivergänzung mit a (VRB); b.
L’ho messo sul tavolo: mettere + (SUB) + Ogg.dir. + DIR; c. Mettilo in italiano: mettere + (SUB) + Ogg.dir. + in (lingua) (PRP); d. Mettiamo che tu ti trasferisca in America: mettiamo (1. Pers.Pl.) + (SUB) + che-Satz (VRB); e. Metto gli occhiali: mettere
+ (SUB) + Ogg.dir. (z.B. Hut, Brille, Kopfhörer, ); f. Che cos’hai messo?: mettere +
(SUB) + Ogg.dir.; g. Dopo tanto tempo ci siamo messi insieme.: mettersi insieme
(komplexes Verb).
B2. Beispielsatz – sich anziehen; a. beginnen; b. setzen/ stellen/ legen; c. übersetzen;
d. annehmen; e. aufsetzen; f. auflegen; g. sich zusammen tun.
251
B3. mögliche Übersetzungen: Beispielsatz: Zieh dir den Anzug an.; a. Ich fange sofort
damit an.; b. Ich habe es auf den Tisch gesetzt/ gestellt/ gelegt.; c. Übersetze es ins
Italienische./… auf Italienisch (ugs.).; d. Nehmen wir an, dass du nach Amerika
ziehst.; e. Ich setze die Brille auf.; f. Was hast du aufgelegt?; g. Nach langer Zeit
haben wir uns zusammen getan.
B4. a. Lei si vede sempre meno intelligente degli altri.: vedersi + (SUB) + ADJ oder
vedere + (SUB) + OGG.dir + ADJ; b. Oggi pomeriggio andiamo a vedere il colosseo.: vedere + (SUB) + OGG.dir; c. L’insegnante ci fa vedere come si può trovare la
soluzione.: far vedere + (SUB) + aOBL + Fragesatz (VRB); d. Non vedo l’ora di
andare in ferie.: non vedere l’ora + (SUB) + Infitnivsatz mit di (VRB).; e. Se mi immagino questa situazione mi viene proprio da ridere.: venire + aObl. + Infinitivsatz
mit da (VRB; recht feste Verbindung); f. Su questa foto sei venuto malissimo.: venire
+ (SUB) + AJD + (SIT).; g. Ti vengo a prendere dopo cena: venire a prendere +
(SUB) + Ogg.dir.
Mögliche Übersetzungen: a. Sie fühlt sich nicht so intelligent wie die anderen./ Sie
glaubt, dass sie nicht so intelligent wie die anderen ist.; b. Heute Nachmittag gehen
wir das Kolosseum besichtigen./ Heute Nachmittag besichtigen wir das Kolosseum.;
c. Die Lehrerin zeigt uns wie man die Lösung finden kann.; d. Ich kann es kaum erwarten, in Ferien zu gehen.; e. Wenn ich mir das/ die Situation vorstelle, dann muss
ich lachen.; f. Auf diesem Foto bist du schlecht getroffen.; g. Ich hole dich nach dem
Abendessen ab.
C1. a) a. kreuzen – passen; b. Partei ergreifen für etw./ sich etw. widmen – umarmen;
c. informieren – verschieben; d. reparieren/ in Ordnung bringen – heimzahlen; e.
funktionieren – gehen; f. aufhängen – angreifen; g. übrig bleiben – überleben.
b) a. la razza (+belebt) – il liquore (+Sache, +konkret), un dessert (+Sache, + konkret); b. lei (+hum), la causa dei poveri (+Sache, +abstrakt) – qualcuno (+hum) + mi
(+human); c. noi (+hum), vi (+hum) – questa riunione (+Sache, +abstrakt); d. Luca
(+human), tante cose (+Sache, +konkret) – io (+human), ti (+human); e. questo sistema (+Sache/ +abstrakt) – noi (+human), al cinema (+Sache, +konkret); f. io
(+human), questo quadro (+Sache, +konkret), alla parete in cucina (+Sache,
+konkret) – i greci (+human), i nemici (+human); g. un piatto di pasta (+Sache,
+konkret) – pochi (+human).
D. a.; d.; e.; h.; i.; l.
E. mögliche Übersetzungen: a. Alle haben die Zeichnung so gemacht.; b. Willst du
einen Freund haben? / Willst du dir einen Freund suchen?; c. Sie nehmen die Bundesstraße.; d. Ich muss 14 21 0 0 3 wählen.; e. Ich habe schon das Ticket/ die Karte gekauft.; f. Hast du schon Englisch gelernt?; g. Eine Wahl muss getroffen werden.; h.
Unser Hund hat Junge bekommen.; i. Das zählt nicht. / Das gibt keine Punkte.; j. Das
macht/ ergibt keinen Unterschied.; k. Er/ Sie hat Eindruck gemacht. / Das hat Aufsehen erregt.; l. Es wird früh dunkel.; m. Wir wird das Wetter morgen?; n. Heute war es
252
sehr heiß.; o. Er ist wirklich unsympathisch, er macht immer einen auf arrogant. / …,
ist immer so arrogant.; p. Ich bin Mathelehrer.; q. Jemand hat sie hinausgeworfen. /
Jemand hat ihr gekündigt. (Geschäftsleben) / Jemand hat sie (die Torte) weggeputzt/
aufgegessen. / Jemand hat sie umgebracht/ um die Ecke gebracht (uccidere). / Jemand hat sie durchgebracht (eine Summe Geld ausgeben). ; r. Wir tun so als ob es
keine Freunde gäbe.; s. Wir müssen das neue Jahr berücksichtigen.; t. Nimm mal an,
dass er es macht.; u. Er/ Sie/ Es mich heute Abend fertig gemacht.; v. Wozu mache ich
das überhaupt?.
Kleine Wörter: Abtönung und Modalpartikeln (Katelhön)
A. a) Dialog A: 1. A: Mensch, das gibt`s doch überhaupt nicht! was machst du denn
hier? Ich denk, du bist in Italien!; 2. B: War ich ja auch, aber jetzt wohn´ich wieder in
Hamburg, fahr grad zurück.; 3. A: Ist ja klasse. Ich fahr nämlich auch nach Hamburg, aber nur fürs Wochenende.; 4. B: Gut, denn können wir ja während der Fahrt
’n bisschen quatschen.; 5. A: Ja eben, aber sag´mal, wo fährt denn unser Zug eigentlich überhaupt ab?
b) Der Dialog A mit den AP wirkt natürlicher, typisch deutsch, flüssig, auch freundlicher. Dialog B ohne AP wirkt künstlich, fast hölzern, er hört sich wie „Lehrbuchdeutsch“ an.
c) AP stellen eine Ausdrucksform der sprachlichen Funktion der Abtönung dar, die
eine sprechsprachliche Universale darstellt. Da spontane Dialoge nur schlecht übersetzt werden können, gibt es ein Problem des Datenmaterials für Übersetzungsvergleiche. Außerdem scheint die Übersetzungssituation an sich einen „Partikelschwund“
zu begründen.
B. denn: kausaler Konjunktor; doch: adversativer Konjuntor; eben: Temporaladverb;
eigentlich: Adjektiv; einfach: Adjektiv; ja: Affirmationspartikel; ruhig: Modaladverb;
schon: Temporaladverb; wohl: Modaladverb.
C. a. adversativer Konjunktor auf Nullposition zwischen den beiden Hauptsätzen; b.
Affirmationspartikel im Vorvorfeld; c. Modalpartikel im Mittelfeld.
D. a. Das ist geklärt, da sind wir uns ja einig.; b. Warum kommt Saskia nicht? Sie hat
doch gesagt, dass sie kommt.; c. Du weißt doch, dass ich abends nicht weggehen
kann. Ich muss auf die Kinder aufpassen.; d. Erzähl mir die Geschichte nicht noch
einmal. Ich kenne sie ja schon längst.; e. Denk mal nach! Das kann doch gar nicht
stimmen.; f. Die Benzinpreise werden ja immer teurer!
E. a. Die Grammatik ist nun mal die Grundlage für die Sprachkenntnisse.; b. Dann
sehen wir das Stück halt an einem anderen Abend.; c. Dann treffen wir uns eben später.; d. In Deutschland ist das nun mal so.
253
F. a. Hol mir mal bitte `ne Cola!; b. Fahr ruhig in den Skiurlaub!; c. Miete dir doch
einfach ein Auto.; d. Würdest du mir mal dein Feuerzeug geben?; e. Komm doch einfach mal vorbei!
G. mögliche Lösungen: a. Hätte ich nur die Prüfung bestanden!; b. Wenn ich bloß
den Film sehen könnte!; c. Könnte ich mir doch die Schuhe kaufen!; d. Wenn ich nur
die deutsche Sprache beherrschen würde!; e. Könnte ich doch bloß die deutschen
Modalpartikeln verstehen!
H. 1. Unpersönliche Konstruktionen im Italienischen (Bedeutung Allgemeingültigkeit) > MP nun mal, 2. AP pure (höfliche Aufforderungen) > MP doch mal, doch,
eben mal, eben/halt, einfach, gerade mal, mal, nur, ruhig, schon in Aufforderungen,
3. futuro (Bedeutung Vermutung) > MP wohl mit oder ohne epist. Futur, 4. diminutivo (Bedeutung Abschwächung in Aufforderungen) > MP doch mal, doch, eben mal,
eben/halt, einfach, gerade mal, mal, nur, ruhig, schon, 5. imperfetto (backchecking) >
Präteritum + MP doch, usw.
254
BEITRAGENDE
Katharina Gemperle ([email protected])
Studium der Germanistik und Italianistik an der Universität Konstanz. Lehrtätigkeit in
der Schweiz; seit 1997 Lektorin für Deutsche Sprache an der Universität Siena; 200608 Lehrbeauftragte für Deutsche Sprache und Sprachwissenschaft an der LUMSA in
Rom. Veröffentlichungen zu kontrastiver Grammatik, Sprachkontakt, Landeskunde
sowie Sprachvermittlung und Spracherwerb, u.a. italienische Ausgaben der DaFLehrwerke Blaue Blume und Delfin.
Barbara Hans-Bianchi ([email protected])
Studium der Romanistik an den Universitäten Strasbourg und Mainz; Promotion im
Fach Italienische Sprachwissenschaft an der Universität Tübingen. Von 1995-2008
Lektorin im Bereich Deutsch als Fremdsprache; seit 2008 ‚Ricercatrice’ für Deutsche
Sprache und Sprachwissenschaft an der Universität L’Aquila.
Marita Kaiser ([email protected])
Studium der Deutschen Sprach- und Literaturwissenschaften, Pädagogik und Religionswissenschaften an der Universität Siegen. Seit 1983 Unterricht in Deutsch als
Fremdsprache, zunächst in Deutschland zur Integration politischer Flüchtlinge, von
1988-1993 als DAAD-Lektorin an der West-London-University und seit 1993 Lektorin an der Universität Roma Tre. Autorin eines Lehr-, Übungs- und Handbuchs zur
Textproduktion im Bereich DaF (Mimesis 2007).
Peggy Katelhön ([email protected])
Studium der Romanistik, Slavistik und Deutsch als Fremdsprache an der Universität
Halle-Wittenberg und Promotion an der Universität Potsdam. Seit 1993 Lektorin an
der Universität Bergamo. Lehraufträge für romanistische und germanistische Linguistik an der Universität Potsdam und der Freien Universität Bozen. Publikationen zur
Redewiedergabe, kontrastiven Linguistik, Spracherwerb und Sprachvarianten.
Martina Nied Curcio ([email protected])
Studium der Germanistik mit Deutsch als Fremdsprache in Karlsruhe und Promotion
in Italienischer Sprachwissenschaft in Konstanz. Langjährige Erfahrungen im Bereich
Deutsch als Fremdsprache an Goethe-Instituten und italienischen Universitäten. Seit
2005 Professorin an der Universität Roma Tre.
255
Klaus Ruch ([email protected])
Studium der Germanistik und Geschichte an der Universität Freiburg. Zweites
Staatsexamen für Lehramt an beruflichen Schulen. Seit 1987 in Italien und als Lektor
an der Universität Mailand (Dipartimento di studi linguistici, letterari e filologici)
tätig; arbeitet auch als freischaffender Übersetzer und Autor (auch Hörspiele für das
Radio). Unter seinen Publikationen: Intersubjektivität im Deutschen und Italienischen
(in DaF 4/2006) und ‚Die Wunder/n Mailands’ (Mimesis Verlag).
Waltraud Sattler ([email protected])
Studium der Germanistik und Romanistik in Heidelberg. Seit 1982 DaF-Unterricht an
verschiedenen Institutionen in Mailand (Università Statale, IULM, Goethe Institut,
ISIT). Derzeit als Lektorin an der Universität sowie als Dozentin für Übersetzen am
‚Istituto Superiore per Interpreti e Traduttori’ in Mailand tätig. Außerdem Autorin für
DaF-Lehrwerke in Italien (u.a. ‚Projekt Deutsch’) sowie Übersetzerin ins Deutsche
v.a. im Bereich der politischen Theorie und Praxis des italienischen Feminismus.
Nicole Schumacher ([email protected])
Studium der Fächer Neuere deutsche Literatur, Italienisch und Deutsch als Fremdsprache in Berlin und Florenz; Magistra Artium an der FU Berlin, Zertifikat „DaF“
und Promotion in Germanistischer Sprachwissenschaft an der HU Berlin. 1998-2006
wissenschaftliche Mitarbeiterin und seit 2006 Lehrkraft für besondere Aufgaben im
Bereich DaF des Instituts für deutsche Sprache und Linguistik der HU Berlin.
Christine Twittmann ([email protected])
Magisterstudium der Germanistik und Romanistik in Freiburg, Pisa, Leipzig mit anschließendem Aufbaustudium DaF an der Ruhr-Universität Bochum. Ab 2005 Dozentin für DaF und Interkulturelle Kommunikation an den Carl Duisberg Centren und
freie Übersetzerin. Seit 2007 als DAAD-Lektorin an der Universität Roma Tre.
Barbara Vogt ([email protected])
Studium der Geschichte, Germanistik und Italianistik. Von 1994 bis 2000 als DAADLektorin an der Universität in Venedig tätig. Danach Lehrtätigkeit u.a. an weiterführenden Schulen. Seit 2004 Lehrbeauftragte für Deutsche Sprache und Sprachwissenschaft an der Universität in Teramo. Gegenwärtig Durchführung eines PromotionsVorhaben im Bereich der Phonologie an der Universität in Verona.
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