Forschung und Austausch Architektur Forschung ohne Austausch – das ist heute undenkbar. Eine Forschungsstätte darf daher kein hermetisch abgeriegelter Elfenbeinturm sein, sie braucht Zonen, in denen ein Austausch stattfinden kann. Auch wenn dieser sich auf ausgewählte Personen beschränken sollte, so gibt es ihn bei diesem Bautypus doch, den öffentlichen Charakter der Architektur. Redaktion: Manuel Pestalozzi Fotos: Felix Krumbholz Situation 32 | Architektur | Transferzentrum Adaptronik des Fraunhofer LBF, DE-Darmstadt a+t 6|11 6|11 a+t Transferzentrum Adaptronik des Fraunhofer LBF, DE-Darmstadt | Architektur | 33 Eine Abfolge von Gemeinschaftszonen ist durch Sichtbezüge verbunden. Die Zonen sind ausgezeichnet versorgt mit Tageslicht, welches auf diese Weise bis in die Tiefe des Gebäudes gelangt. Längsschnitt Erdgeschoss 34 | Architektur | Transferzentrum Adaptronik des Fraunhofer LBF, DE-Darmstadt 1. Obergeschoss a+t 6|11 6|11 a+t 2. Obergeschoss Transferzentrum Adaptronik des Fraunhofer LBF, DE-Darmstadt | Architektur | 35 Der Deckenraster bildet im Gebäude das einigende Element. Das neue Gebäude gehört zum Fraunhofer- versetzt werden, aktiv auf veränder­te Betriebs- Das Gebäude ist quer zu seiner Hauptachse in sen als ornamentales Stanzmuster. Gold-bron- Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzu- anforderungen zu reagieren. drei Nutzungszonen aufgeteilt: Die Versuchs- zen schimmernde Messingbondplatten, soge- verlässigkeit LBF. Die Abkürzung steht für Das Transferzentrum repräsentiert einen For- halle mit ihren Nebenräumen, eine Zone für nannte «Bond Brass»-Tafeln des Herstellers «Laboratorium für Betriebsfestigkeit» und schungsstandort neuen Typs, sagen die Archi- die Erschliessung und Mitarbeiterräume sowie KME, bilden die äussere Gebäudehülle und ver- weist auf die Geschichte der 1938 gegründe- tekten des Gebäudes. Es ist geprägt von schliesslich der Kommunikations-, Show- und edeln dessen Erscheinung und seine Nutzung. ten Institution hin, welche 1979 in die Fraunho- der intensiven Kommunikation wechselnder Seminarbereich. Mit den quadratischen Perforationen entsteht fer-Gesellschaft zur Förderung der angewand- Arbeitsgruppen. Labors, Versuchs- und Prüf- ten Forschung (eine Art deutsche Mega-Empa) kapazitäten, Arbeitsplätze, Kommunikations-, Im Quadrat aufgenommen wurde. Show- und Seminarbereiche bilden im Trans- Das Quadrat scheint sich als Raster und auch der «Quadratregel» in stehende Flügel unter- ferzentrum zwar je eigenständige Nutzungsbe- als gestalterisches Motiv quer durch den gan- teilt. Sie werden von fest stehenden Schwer- reiche, sie sind aber räumlich so miteinander zen Bau zu ziehen. Im Grundriss entspricht das tern gefasst, die im Material identisch sind mit Die 1148 Quadratmeter Nutzfläche des Neu- verzahnt, dass die Partner des Kompetenzzen- schlichte Volumen ziemlich exakt zwei Quadra- der Fassade. baus verteilen sich auf drei Ebenen. Anpas- trums sie als funktionale Einheit erleben. Die ten. Quadratisch sind auch die Deckenraster, Die vorpatinierten Sandwichelemente bewir- sungsfähigkeit ist hier mehr als blosses Bau- Grenzen sind fliessend, und damit sollten beste welche als kassettenartig angeordnete Unter- ken durch ihre Oberflächenstruktur und ihre programm, wie der Name des Institutes bereits räumliche Voraussetzungen für den Transfer züge oder Lichtdecken die grösseren Raumein- changierende Farbwirkung ein Fassadenbild, erahnen lässt. Bei der Adaptronik handelt es von Wissen und Ideen zwischen Wissenschaft- heiten gliedern. das abhängig vom Wechsel des Lichts, der sich um eine innovative Strukturtechnologie, lern und Technikern, zwischen Technologiean- In der Fassade erscheint die geometrische Tages- und Jahreszeit unterschiedliche Ein- durch die mechanische Systeme in die Lage bietern und Auftraggebern bestehen. Idealform Quadrat in unterschiedlichen Grös- drücke erzeugt. Für die Architekten versinn- Kommunikation 36 | Architektur | Transferzentrum Adaptronik des Fraunhofer LBF, DE-Darmstadt a+t 6|11 6|11 a+t eine filigrane Textur und zugleich räumliche Tiefe. Die Fenstergaden sind in Abweichung von Transferzentrum Adaptronik des Fraunhofer LBF, DE-Darmstadt | Architektur | 37 Die Architekten Das Kölner Büro JSWD Architekten (www. jswd-architekten.de) besteht seit dem Jahr 2000. Mit einem kleinen Team gestartet, leiten die vier Gesellschafter (v. l. n. r. Jürgen Steffens, Frederik Jaspert, Olaf Drehsen und Konstantin Jaspert) heute ein Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern. Drei- bis zehnköpfige Teams bearbeiten Projekte im In- und Ausland. Die Bürophilosophie ist im Werk von JSWD in der Verbindung konzeptioneller Eindeutigkeit mit einem zurückhaltenden Einsatz formaler Mittel zu finden. In dieser «Sparsamkeit der Mittel» sieht man im Grossen wie im architektonischen Detail eine wichtige Voraussetzung für die Langlebigkeit der entwerferischen Ideen. Jüngere Projekte 2010 Thyssen Krupp Quartier, Essen bildlichen sie das komplexe Wissenschaftsge- gen und Raumfolgen. Alles wirkt durchlässig. biet der Adaptronik und reduzieren es auf seine Die technisch-energetische Ausstattung des Grundaspekte: Aktion und Reaktion. Gebäudes zielt auf einen nachhaltigen Betrieb: Durchblicke Eine Betonkerntemperierung regelt sowohl das Heizen als auch die Kühlung der Räume. Im Das von einer klaren, fast puristischen Archi- Zuge der weiteren Optimierung ist eine Nut- tektursprache bestimmte Innere der For- zung der von der Hydraulikanlage des Fraun- schungsstätte bildet einen bewussten Kon- hofer LBF erzeugten Abwärme zur Beheizung trast zur lebendigen Aussenhülle: Weiss ist des Neubaus vorgesehen. n 2008 Speichergebäude Halle 11, Rheinauhafen Köln 2005 Kunsthochschule für Medien, BLB NRW, Köln 2005 Seniorenhaus der Cellitinnen, Düren 2004 5 Schwebebahnhöfe, WSW Wuppertal 2004 Berufskolleg Neandertal, Mettmann 2003 Stadtvillen Schlosspark, Bensberg 2000 Seniorenhaus mit KiTa, Erkrath die beherrschende Farbe, glatte Putzflächen, Glas und Bambusparkett bilden das reduzierte Materialspektrum der Räume. Dass die Raumfolgen dennoch nicht übermäs­ sig «klinisch» wirken, liegt an den Durchblicken meint und der gut durchdachten Tageslichtversorgung, die unter anderem über geschlossene Dieses Forschungszentrum ist in einem Atrien und im zweiten Obergeschoss auch über gewissen Sinne das Gegenteil einer «Black einen offenen Patio erfolgt. Bei aller Komple- Box». Es bildet zwar ein kompaktes Volumen, xität der technischen Anforderung war den ist aber innen wie aussen erstaunlich durch- Architekten an grösstmöglichen Aufenthalts- lässig. Die Wegführung im Innern verleitet zu qualitäten für die Nutzer des Gebäudes gelegen einer «promenade architecturale», auf der – seinen Mittelpunkt bildet ein flexibel möblier- man die verschiedenen Zonen aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten kann. ter Kommunikationsbereich, der dem informel- Es herrscht eine Transparenz, die man auch len Austausch und den Pausen der Mitarbei- gemäss den Erläuterungen von Colin Rowe ter vorbehalten ist. und Robert Slutzky zu diesem Begriff analy- Showroom, Kommunikations- und Seminar- sieren kann. Sie schafft ein Ambiente der bereich stehen dank der «Durchblickstrate- Offenheit. Forschung sollte das Ziel haben, gie» in enger visueller und räumlicher Bezie- der Wissenschaft zu Durchblicken zu verhel- hung miteinander. Weil alle wichtigen Räume fen. Die Architektur des Forschungszentrums des Hauses zwei Geschosse umfassen, erge- versinnbildlicht diese Aufgabe. ben sich durch gläserne Wände seitwärts und Die durchlässige Kupferfassade zwischen den Ebenen reizvolle Blickbeziehun- prägt den Bau Tag und Nacht. 38 | Architektur | Transferzentrum Adaptronik des Fraunhofer LBF, DE-Darmstadt Manuel Pestalozzi a+t 6|11