Drahtlose Sensoren und Lifecycle-Performance

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Adaptronische Anwendungen
bis zur Massenproduktion begleiten
Interview mit Prof. Dr. Holger Hanselka, Fraunhofer LBF, Darmstadt
Sehr geehrter Herr Professor Hanselka, Adaptronik ist für viele, auch technisch
interessierte Menschen immer noch ein eher schwammiger Begriff. Ganz kurz: Wie
definieren Sie Adaptronik?
Adaptronik ist ein Kunstwort, das sich zusammensetzt aus "Adaption" und "Elektronik".
Der Begriff "Adaptronik" beschreibt allgemein eine Technologie, mit der es möglich ist,
Strukturen aktiv auf Veränderungen reagieren zu lassen. Enger gefasst beschreibt er den
Technologiebereich zur Schaffung einer neuen Klasse von so genannten Intelligenten
Strukturen.
Dieses Konzept geht von der Entwicklung adaptiver Systeme aus, die sich über
autonome, also sich selbst regelnde Mechanismen an unterschiedliche
Betriebsbedingungen anpassen. Voraussetzung dafür ist die System-optimale
Verknüpfung von Sensoren und Aktuatoren auf der Basis von neuen
Funktionswerkstoffen. Diese reagieren auf gewisse physikalische Aspekte wie etwa
piezokeramische Fasern und Folien mit adaptiven Reglern. So können diese neuartigen
Struktursysteme auf äußere Veränderungen selbst optimierend reagieren, bevor
beispielsweise störende Verformungen auftreten.
Dadurch wird es unter anderem möglich, Schwingungen und damit häufig verbundene
Körperschallprobleme unmittelbar am Ort ihrer Entstehung zu unterbinden. Im Gegensatz
zu klassischen Lösungsansätzen mit Hilfe von speziellen Federungen, hydraulischpneumatischen Dämpfern, Dämpfungsmaterialien oder anderen sind adaptive
Komponenten integraler Bestandteil der Struktur selbst. Sie übernehmen damit
gleichzeitig tragende wie aktuatorisch/sensorische Funktionen. Somit sind sie
multifunktional. Adaptronik wird dadurch zur unabdingbaren Voraussetzung für die
Weiterentwicklung des Ultraleichtbaus.
In welchen Technologiebereichen spielt Adaptronik heute bereits eine wichtige Rolle?
Der Maschinenbau öffnet der Adaptronik unzählige Anwendungen. Ich formuliere
Maschinenbau als ein sehr breites Thema. Es reicht vom Flugzeug, Schiff, Bahn über
das Auto bis zu Werkzeugmaschinen. Die Adaptronik ist überall dort einsetzbar und auch
sinnvoll, wo der klassische Maschinenbau mit seinen herkömmlichen Werkzeugen und
Methoden an natürliche Grenzen stößt. Das sind zum Beispiel schwingungstechnische
Aufgabenstellungen, Geräuschprobleme oder Genauigkeitsanforderungen. Also überall
dort, wo es gilt, die technischen Grenzen zu erweitern.
Interview Prof. Hanselka
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Welche wirtschaftlichen Anwendungen gibt es bereits. Welche kurzfristigeren
Zukunftsperspektiven sind denkbar?
Es gibt bereits Anwendungen, allerdings nicht im Alltag, sondern in
Spezialanwendungen. 1989 haben wir in Deutschland mit der Entwicklung angefangen.
Es gab Leitanwendungen wie etwa die Schwingungsreduktion und Konturtreue in einer
Antennenschüssel, die auf einem Satelliten im Orbit kreist. Ein Teil dieser Schüssel kann
dem Sonnenlicht ausgesetzt sein, der andere Teil liegt im Erdschatten. Die Folge sind
Temperaturdifferenzen von nahezu 300 Grad Celsius. Das führt zu Verformungen: Der
Strahl der Parabolantenne ist nicht mehr fokussiert. Wir haben damals beim Deutschen
Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) das Problem adaptronisch behandelt. Solche
Einzellösungen zeigen, dass man die Technologie beherrschen und sich mit ihr auf dem
Markt Vorteile verschaffen kann.
Darüber hinaus gibt es Anwendungen, die in Feinstwaagen für Windkanäle angewendet
werden, oder in speziellen flugzeugbaulichen Anwendungen, wo durch aktiv
veränderbare Tilger Geräuschprobleme gelöst werden. Es gibt sie in der
Sportgeräteindustrie, im Fitnessgerätebereich, in der Orthopädietechnik, in Papier- und
Druckmaschinen, im Schiffbau etc. bis hin zu Anwendungen in Babynotarztwagen, wo
die Schwingungen vom Neugeboren fern gehalten werden.
Diese Anwendungen wurden in Serie gebracht, allerdings nicht in Großserie. Das ist
einer der Gründe, warum sich die Fraunhofer Gesellschaft ihrem Auftrag gemäß
engagiert. Wir haben einen Themenverbund Adaptronik, in dem sich zwölf FraunhoferInstitute zusammengefunden haben, die entlang der Wertschöpfungskette
Materialentwicklung, Technologieentwicklung, Produktionsentwicklung, die
Simulationstools bereit stellen, um adaptronische Anwendungen vom Anfang bis hin zu
Massenprodukten zu begleiten.
Wie können Ihrer Meinung nach kleine und mittelständische Unternehmen bereits heute
von Adaptronik profitieren? Wo liegen die Hemmschwellen?
Gerade die KMU haben hier eine besondere Chance, losgelöst von eingefahrenen
Strukturen und Beziehungen neue Lösungsansätze zu generieren. Sei es auf dem Gebiet
der Sensorik, der Aktorik, der Signalverarbeitung bis hin zu Prototypen und den
Kleinserien. Es sind einige KMUs seit Jahren mit dieser Thematik am Markt aktiv und in
der Szene bekannt. Die Hemmschwelle ist immer dann gegeben, wenn es um Geld geht.
Neue Technologien benötigen in der Regel lange Vorlaufzeiten, die es finanziell zu
überbrücken gilt.
Wird in der Bundesrepublik Deutschland genug in diese Zukunftstechnologie investiert?
Wo gibt es noch Defizite? Was läuft in Ihren Augen vorbildlich?
Ja, es wird viel investiert. Insbesondere seitens der öffentlichen Hand und im Rahmen
der Hightech-Strategie des Bundes gibt es gute und viele Möglichkeiten, neue
Technologien zu entwickeln. Besonders schwierig ist jedoch immer der Übergang in die
industrielle Verwertung. Gerade die KMU verfügen nicht über das finanzielle Polster, um
entsprechende Risiken alleine zu bewältigen. Und der Kapitalmarkt ist meines Erachtens
sehr konservativ. Wenn Sie da nicht mindestens das eigene Haus oder das der
Großmutter als Sicherheit mitbringen, gibt es wenig Spielraum. Hier ist eine gemeinsame
Anstrengung von „Kapital“ und „Wissen“ zwingend erforderlich! Der vom Bund aufgelegte
Hightech-Gründungsfond ist ein Signal in die richtige Richtung, aber wieder ist es
vornehmlich die öffentliche Hand, die in Vorleistung gesetzt wird.
Sehr geehrter Herr Professor Hanselka, vielen Dank für das Gespräch.
Interview Prof. Hanselka
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