G 25190 Beton-Informationen 4 · 2009 Moderner Sicht­betonbau im Dialog Copyright by Verlag Bau+Technik GmbH, Düsseldorf (www.verlagbt.de) Veröffentlichung und Verbreitung ohne Genehmigung des Verlags sind untersagt. Beton-Info intern – Beton-Info intern Beton-Informationen Modernes Sichtbetongebäude im Dialog Das Gemeindezentrum an der Philipp-Nicolai-Kirche in Hagen Eine periodisch erscheinende Informationsschrift für die Verwendung von hüttensandhaltigen Zementen Sichtbeton ist en vogue. In zunehmendem Umfang setzen Architekten und Planer Oberflächen von Betonbauteilen als Gestaltungselemente ihrer ­Entwürfe von öffentlichen und privaten Gebäuden ein. Im Zusammenspiel mit anderen Materialien entstehen neue das Stadtbild prägende Bauwerke. Aber auch beim Zusammenspiel von alter Bausubstanz und neuen Baukörpern können Sichtbetonoberflächen einen entscheidenden Beitrag zu einem harmonischen Gesamteindruck aktueller Architektur leisten. Insbesondere dann, wenn Strukturen und ­Geometrie von alt und neu so in Einklang gebracht werden, dass ein einheitlich Neues ­entsteht. Bei dem neuen Gemeindezentrum der Philipp-Nicolai-Kirche in Hagen-Boele wurde dieser Ansatz von den Architekten in vorbildlicher Weise umgesetzt. Helle und moderne Sichtbetonflächen stehen im Dialog mit alten Sandsteinfassaden und bilden ein ­einheitliches Ensemble. Autoren: Dipl.-Ing. Georg Bathe, Bathe + Reber Architekten, Liboristraße 16, 44143 Dortmund, [email protected] Dr.-Ing. Matthias M. Middel, BetonMarketing West GmbH, Annastraße 3, 59269 Beckum, [email protected] Dirk Pagels, BetonMarketing West GmbH, Annastraße 3, 59269 Beckum, [email protected] Dipl.-Ing. Eva Reber, Bathe + Reber Architekten, Liboristraße 16, 44143 Dortmund, [email protected] Heft 4 · 2009, 49. Jahrgang ISSN 0170-9283 Herausgeber: BetonMarketing Nord GmbH, Hannover BetonMarketing Ost GmbH, Berlin BetonMarketing Süd GmbH, Ostfildern BetonMarketing West GmbH, Beckum Redaktion: Dr. Matthias Middel (verantw.) BetonMarketing West GmbH Annastraße 3 59269 Beckum Telefon0 25 21 / 87 30-0 Telefax 0 25 21 / 87 30-29 E-Mail [email protected] Redaktionsbeirat: Ing. P. Bilgeri, CEMEX WestZement GmbH Dipl.-Ing. R. Büchel, Verlag Bau+Technik GmbH Dr.-Ing. A. Ehrenberg, FEhS – Institut für Baustoff-Forschung e.V. Dr.-Ing. R. Härdtl, HeidelbergCement Technology Center GmbH Dipl.-Ing. W. Hemrich, SCHWENK Zement KG Dr. M. Höppner, Holcim (Deutschland) AG Dr.-Ing. D. Hornung, Dyckerhoff AG Dipl.-Ing. A. Paatsch, LAFARGE Zement GmbH Nachdruck nur mit Genehmigung der Redaktion Schutzgebühr: 5,00 zzgl. 7 % MwSt. Jahres-Abo.: 25,00 zzgl. 7 % MwSt. Konto: BetonMarketing West GmbH Dresdner Bank Beckum (BLZ 412 800 43) Konto-Nr. 0 554 122 000 Verlag: Verlag Bau+Technik GmbH Postfach 12 01 10, 40601 Düsseldorf Telefon 02 11 / 9 24 99-0 Layout / Grafiken: Caroline Lindner Redaktion: Andrea Koenen, Kirsten Dittmar Lithos und Druck: Loose-Durach GmbH, Remscheid Sofern nicht anders angegeben, liegen die Rechte für die abgedruckten Bilder beim ­jeweiligen Autor. Titelbild: Blick aus dem Gemeindezentrum auf die Philipp-Nicolai-Kirche Rückbild: Foyer des Gemeindezentrums Fotos: Daniel Sumesgutner Beton-Info intern – Beton-Info intern 54 Copyright by Verlag Bau+Technik GmbH, Düsseldorf (www.verlagbt.de) Beton-Informationen 4 · 2009 Veröffentlichung und Verbreitung ohne Genehmigung des Verlags sind untersagt. Modernes Sichtbetongebäude im Dialog Das Gemeindezentrum an der Philipp-Nicolai-Kirche in Hagen Von Georg Bathe und Eva Reber, Dortmund, Matthias M. Middel und Dirk Pagels, Beckum Dass Veränderungsprozesse auch Entwicklungschancen bieten und mit einer zukunftsfähigen Nutzung eines sakralen Gebäudes einhergehen können, zeigt ein Beispiel im Stadtteil Boele im westfälischen ­Hagen. Mit seinem Entwurf für ein neues Gemeindezentrum an der Philipp-Nicolai-Kirche in HagenBoele entwickelte das Architektenbüro Bathe + Reber aus Dortmund ein eigenständiges modernes Gebäude. Darüber hinaus wurde mit dem realisierten Neuentwurf zugleich ein Teil des benachbarten Kirchengebäudes umgebaut, mit dem Ziel, dass beide Bauwerke in einen Dialog miteinander treten und eine Nutzungs- Beton-Informationen 4 · 2009 Foto: Daniel Sumesgutner Kirchengemeinden stehen derzeit vor großen Herauforderungen hinsichtlich der Nutzung ihrer Gebäude. Aufgrund eines grundlegenden Strukturwandels innerhalb der beiden großen Konfessionen, der vor allem auch finanzielle Einbußen nach sich zieht, stellen die vorhandenen Liegenschaften meist eine große finanzielle Belastung für die Gemeinden dar. Abriss, Verkauf oder Umnutzung der Gotteshäuser sind oftmals die einzigen Alternativen, um dem zu begegnen. Eine weitere Variante besteht darin, die Kirchen und Gemeindeeinrichtungen architektonisch aufzuwerten, damit sie wieder zu zukunftsfähigen Begegnungsstätten auch außerhalb der Gemeinde werden. verzahnung gewährleistet ist. Das Büro aus Dortmund gewann mit dem Entwurf einen im Jahr 2005 ­öffentlich ausgeschriebenen Wettbewerb, der von der Evangelischen Dem Neubau vorangegangen war der Abriss des alten Gemeindegebäudes, das sogar älter als die benachbarte Philipp-Nicolai-Kirche aus dem Jahr 1871 war und im Laufe der Jahre mehrfach umgebaut werden musste. Das alte Gemeindegebäude entsprach den heutigen Bedürfnissen weder in Hinblick auf energetische Anforderungen, noch in Hinblick auf die Brandschutzanforde- Bild 1: Direkter Dialog zwischen neuem Baukörper und Kirche Foto: Stadt Hagen – Amt für Geoinformation und Liegenschaftskataster 1 Veränderung als Chance ­ elanchthon-Kirchengemeinde M ­Hagen ausgelobt wurde und an dem sich insgesamt 15 Architekten bzw. Architektenbüros beteiligten. Bild 2: Luftbild der Baustelle Gemeindezentrum Hagen-Boele [1] Copyright by Verlag Bau+Technik GmbH, Düsseldorf (www.verlagbt.de) Veröffentlichung und Verbreitung ohne Genehmigung des Verlags sind untersagt. 55 Foto: Daniel Sumesgutner eine Symbiose aus Geschlossenheit und Transparenz darstellt: „Es soll ein offenes Haus sein. Die Außenwelt soll herein geholt werden und man soll sehen können, dass und was hier passiert“, Bild 3. Auch der bei der Einweihung anwesende Superintendent Bernd Becker war bei der Begehung des Gebäudes voll des Lobes: „In diesem Haus gibt es viel Himmel zu sehen. Hier sollen sich die Menschen nicht fremd, sondern aufgenommen fühlen.” 2 Der Entwurf Bild 3: Straßenansicht des Gemeindezentrums rungen. Darüber hinaus war es für die Platzbedürfnisse der heute rund 5.000 Mitglieder zählenden Gemeinde zu klein. Foto: Daniel Sumesgutner Laut Wettbewerbsvorgaben sollte das neue Gebäude „den neuen Baukörper in Beziehung zur Kirche“ setzen, Bild 1, und dabei auch noch ­eine künftige Bebauung von drei Reihen-Doppelhäusern auf einem neben der Kirche gelegenen Grundstück im Blick haben, Bild 2. Vom Architektenwettbewerb über den Abriss des alten Gemeindehauses bis zur Vollendung des neuen Gebäudes vergingen rund drei Jahre. Als schließlich am 25. Mai 2008 das neue Gemeindezentrum eingeweiht wurde, zeigte sich der ansässige Pfarrer Herbert Szczukowski sehr zufrieden über das neue Gebäude, das Das Gemeindehaus als Sichtbetonbau bildet im Ensemble mit der Ruhrsandstein-Kirche einen zeitgemäßen Kontrast. Gleichzeitig folgt der Entwurf des Gemeindehauses den Proportionen des vorhandenen Kirchengebäudes und ordnet sich städtebaulich in die Struktur des Wohnumfeldes ein. „Das klare städtebauliche Konzept überzeugt mit einer vermarktbaren Wohnbebauung an der Nordseite und einem kompakten Gemeindehaus-Neubau an Bild 4: Die Lichtbänder strukturieren das Gebäude in fünf Teile. Ebenfalls sichtbar: die Terrassen im Obergeschoss. 56 Copyright by Verlag Bau+Technik GmbH, Düsseldorf (www.verlagbt.de) Beton-Informationen 4 · 2009 Veröffentlichung und Verbreitung ohne Genehmigung des Verlags sind untersagt. Foto: Daniel Sumesgutner Bild 5: Lichtfugen in der Breite der kirchlichen Strebepfeiler teilen das Gemeindehaus in fünf Abschnitte. 2.1 Gemeinsame Annäherung Foto: Daniel Sumesgutner Länge und Breite des Neubaus wurden so gewählt, dass sie im Einklang mit den Außenmaßen des Kirchengebäudes stehen, die Gesamthöhe lehnt sich an der Traufenhöhe des sakralen Nachbargebäudes an. Die Flucht der Kirchenfenster sowie die Position der Strebepfeiler werden im Grundriss des Gemeindehauses von der Sichtbetonfassade mit den quer verlaufenden Lichtbändern aufgegriffen. Das moderne Gebäude wurde dabei bewusst ein Stück weit zurückgesetzt, damit die Kirche von der Straßenansicht aus im Vordergrund steht und nicht verdeckt wird, Bild 6. Darüber hinaus schafft diese Anordnung eine zusätzliche Freifläche auf dem Vorplatz, die Raum für soziale Interaktion schafft und die Konzeption als Begegnungsstätte unterstreicht. Foto: Daniel Sumesgutner der Südseite, der mit seinen Baufluchten, der Fassadengestaltung und der inneren Grundrissstruktur bis hin zur Freiflächengestaltung die Grundgliederung des Kirchengebäudes aufnimmt, Bild 4. Dabei behält der Neubau jedoch mit seinem reizvollen Wechselspiel von offenen und geschlossenen Fassadenflächen eine hohe Eigenständigkeit“, urteilte das Preisgericht über den Wettbewerbssieger, Bild 5. Bild 6: Das nach hinten versetzte Gemeindezentrum betont die Kirche als Hauptgebäude. Beton-Informationen 4 · 2009 Bild 7: Blick von der Kirche auf das Gemeindezentrum Copyright by Verlag Bau+Technik GmbH, Düsseldorf (www.verlagbt.de) Veröffentlichung und Verbreitung ohne Genehmigung des Verlags sind untersagt. 57 Foto: Daniel Sumesgutner Bild 8: Offenheit und Lichteinfall waren wesentliche Gestaltungskriterien. 2.2 Der Umbau der Kirche Foto: Daniel Sumesgutner Ein Teil der Gesamtplanung war der Umbau der unter Denkmalschutz gestellten Philipp-Nicolai-Kirche. Im Vordergrund dieser Maßnahmen stand vor allem die Idee, das Sakralgebäude zum Gemeindehaus hin zu öffnen, Bild 7. Hierfür wurden die Fensterbrüstungen entfernt und Bild 9: Lichtfugen gliedern das Gebäude und schaffen Atmosphäre. 58 durch doppelte Türen von innen und außen ersetzt. Die Kirche kann auch weiterhin als symmetrischer Raum für Gottesdienste genutzt werden. Optional entsteht bei Öffnung der Innentüren ein vom Licht durch­fluteter Raum mit Blickkontakt zum Gemeindehaus, Bild 7. Der Kirchenraum ist flexibel für kirchliche und gegebenenfalls auch ­externe Veranstaltungen nutzbar. Die äußeren Glastüren können darüber hinaus nach außen geöffnet ­werden und ermöglichen ­eine ­direk­te Verbindung zwischen Kirche, ­Kirchplatz und Gemeindehaus. Sichtbetonstufen gleichen den ­Höhen­unterschied vom Kirchenraum zum Kirchplatz zwischen den Strebe­pfeilern aus. Strahler in den Sitz­stufen beleuchten die Kirchenfassade. Auch im vorderen Bereich der Kirche sahen die Architekten ­eine Neugestaltung mit Sichtbetonblöcken aus Fertigteilen vor, die ­einen barrierefreien Zugang gewährleisten. Copyright by Verlag Bau+Technik GmbH, Düsseldorf (www.verlagbt.de) Beton-Informationen 4 · 2009 Veröffentlichung und Verbreitung ohne Genehmigung des Verlags sind untersagt. Foto: Daniel Sumesgutner Bild 10: Blickführung durch Achsen und große Fensterflächen 2.3 Licht und Raum Die vorgegebene Struktur der Kirche wird mit dem Gemeindehaus in eine moderne Architektur transportiert. Die Fluchten, die sich aus den Strebepfeilern des Sakralgebäudes ergeben, verwandeln sich in dem Neubau zu lebendigen Lichtfugen mit Sonnenund Schattenspiel, Bilder 8 bis 10. In Ambivalenz zu den Jochen der Kirche teilen die Lichtfugen das Gemeindehaus in fünf Abschnitte, die sich durch das gesamte Gebäude ziehen und im Obergeschoss zwei Einschnitte als Sonnenterrassen für die Gruppenräume und Büroräume ausbilden. Das einfallende Licht schafft je nach Tageszeit und Witterung eine individuelle Atmosphäre. Die hellen, glatten Sichtbetonflächen im Innenbereich in Kombina­tion mit Holz ­betonen ihrerseits ein organisches Erscheinungsbild, das sich mit der klaren, gradlinigen Struktur des Gebäudes versöhnt. Im Foyer ist die Licht­ fuge durch schlanke Doppelstützen Beton-Informationen 4 · 2009 ablesbar und über im Dach ein­ge­ schnittene Glasbänder erlebbar. Die neuen Gemeinderäume öffnen sich zum Kirchplatz; Gemeindefeste und ­Veranstaltungen finden auf dem gemeinsamen Vorplatz ebenerdig statt. Im Erdgeschoss ­dominieren das zur Kirche gewandte Foyer, der Saal ­sowie ein Jugend­raum. Im oberen ­Geschoss befinden sich Büro- und Gruppenräume. Gemeinsam zu nutzende, zentral gelegene Nebenräume sowie die zahlreichen inneren Erschließungs- und Zuschaltvarianten ermöglichen bei Bedarf abgeschlossene Funktionsbereiche. Zahlreiche Blickbeziehungen innerhalb des zweigeschossigen Foyers und zur Kirche hin sowie die im Obergeschoss angeordneten Terrassenflächen geben den Innenräumen eine hohe Qualität. 3 Die Konstruktion Das Gemeindezentrum ist ein zweigeschossiges, nicht unterkellertes Stahlbetongebäude, dessen Betonbauteile komplett aus Ortbeton hergestellt wurden. Das Obergeschoss des Gebäudes besitzt eine lichte Rohbauhöhe von 2,80 m und das lichte Rohbaumaß des Erdgeschosses beträgt 4,19 m. Beide Geschosse ­haben als oberen Raumabschluss ­jeweils 20 cm dicke einachsig ­gespannte Stahlbetondecken mit ­lichten Feldweiten von 4,345 m bis 4,51 m, die seitlich auf Stahlbetonunterzügen aufliegen. Die Achsmaße und die Breiten der Unterzüge ergeben sich aus der architektonisch gewünschten Übertragung der Fassadengliederung der benachbarten ­Philipp-Nicolai-Kirche auf das neue Gemeindezentrum, sodass beide Baukörper ein harmonisches Ensemble bilden. Die Lasten aus den Unterzügen ­werden über Betonwandscheiben, Betonstützen und die Innenschalen der Außenwände in die Flachgründungen abgeleitet. Copyright by Verlag Bau+Technik GmbH, Düsseldorf (www.verlagbt.de) Veröffentlichung und Verbreitung ohne Genehmigung des Verlags sind untersagt. 59 Grafik: Bathe + Reber Bild 11: Die geometrische Gebäudestruktur der benachbarten Philipp-Nicolai-Kirche wird im neuen Baukörper aufgenommen. und den Windlasten keine weiteren Bauwerkslasten abzutragen. Die Anforderungen an den winterlichen Wärmeschutz werden neben Auswahl entsprechend leistungs­ fähiger Fensterelemente durch eine 12 cm dicke Kerndämmung sichergestellt, Bild 14. Sämtliche Betonbauteile sollten als Sichtbetonflächen ausgeführt werden. Dabei sollte aus architektoni­ schen Gründen die Anzahl der ­ etonier- und Arbeitsfugen auf ein B Minimum begrenzt werden. 4 Fugen- und Ankerbild In enger Abstimmung mit dem Schalungshersteller wurden bereits im frühen Planungsstadium Detailausbildungen von Fugenausbildun­ gen und Ankeranordnungen erarbeitet, Bild 15. Zum Einsatz kam als Trägersystem das Schalungssystem Doka Top 50. Grafik: Bathe + Reber Das architektonische Erscheinungsbild der Außenwände setzten die Architekten in einer zurückhaltenden, monolithisch erscheinenden zweischaligen Sichtbetonkonstruktion um. Die 25 cm dicke Innenschale übernimmt neben dem inneren Raumabschluss den Abtrag der Bauwerkslasten des zweigeschossigen Gebäudes. Die äußere 15 cm dicke Sichtbetonschale bildet den äußeren Gebäudeabschluss. Sie übernimmt den Witterungsschutz und hat neben dem Eigengewicht Bild 12: Schnitt B-B durch das Gemeindezentrum der Philipp-Nicolai-Kirche 60 Copyright by Verlag Bau+Technik GmbH, Düsseldorf (www.verlagbt.de) Beton-Informationen 4 · 2009 Veröffentlichung und Verbreitung ohne Genehmigung des Verlags sind untersagt. Bei der Entwicklung der Betonzusammensetzung, Tafel 1, bestimmten die äußeren Sichtbetonschalen der Außenwände maßgebliche baustoffliche Parameter. Da das Gebäude optisch einheitlich erscheinen und Farbunterschiede weitestgehend vermieden werden sollten, wurde die für diese Bauteile erarbeitete Betonzusammensetzung auf die übrigen Betonbauteile übertragen. Aufgrund der geringen Wanddicke der äußeren Sichtbetonschale der Beton-Informationen 4 · 2009 Betondruckfestigkeitsklasse Ausbreitmaßklasse Frischbetonrohdichte Mörtelgehalt Zementart und Festigkeitsklasse Zementgehalt z Wassergehalt w/z (w/z)eq Gesteinskörnung Rheinsand 0-2 mm Rheinkies 2-8 mm Gesamtgehalt Sieblinienbereich (gefordert) kg/m³ l/m³ C25/30 F6 2.313 ca. 704 CEM III/B 42,5 N kg/m³ 370 kg/m³ 180 0,49 0,44 kg/m³ kg/m³ kg/m³ 920 753 1.673 A/B 8, nahe B Zusatzmittel Art Gehalt M.-% v. z FM 0,92 Zusatzstoff Art Gehalt kg/m³ EFA-Füller S-B/F 90 Grafik: Bathe + Reber Dem Architektenentwurf lag als zentrales Gestaltungselement der Einsatz möglichst heller und möglichst glatter Sichtbetonflächen zugrunde. Im Zuge eines Entscheidungsprozesses der Baubeteiligten wurde die Verwendung eines Hochofenzements CEM III/B festgelegt, der aufgrund des hohen Hüttensandanteils allgemein ein helles Erscheinungsbild der Sichtbetonflächen gewährleistet. Hinsichtlich der allgemeinen Anforderungsbeschreibung wurde für den Sichtbeton des Gemeindehauses die Sichtbetonklasse SB3 nach dem Merkblatt „Sichtbeton“ des Deutschen Beton- und Bautechnik-Vereins [1] festgelegt. Die Sichtbetonklasse SB3 stellt hohe gestalterische Anforderungen an die Betonflächen und nennt konkrete Vorgaben bzw. Toleranzen hinsichtlich Textur, Porigkeit, Farbtongleichmäßigkeit, Ebenheit und der Beschaffenheit von ­Arbeits- und Schalhautfugen. Dar­ über hinaus benennt die Sichtbetonklasse SB3 die Anforderungen an die Schalhaut und macht Angaben hinsichtlich der Notwendigkeit von Erprobungsflächen. Somit konnte das Anforderungsprofil an die zu erstellenden Sichtbetonflächen frühzeitig für alle Bieter transparent beschrieben werden. Tafel 1: Betonzusammensetzung Bild 13: Schnitt A-A durch das Gemeindezentrum der Philipp-Nicolai-Kirche Grafik: Bathe + Reber 5 Anforderungen an den ­ Beton Bild 14: Detail des Außenwandaufbaus Copyright by Verlag Bau+Technik GmbH, Düsseldorf (www.verlagbt.de) Veröffentlichung und Verbreitung ohne Genehmigung des Verlags sind untersagt. 61 Grafik: Bathe + Reber Bild 15: Nordansicht des Gebäudes mit Fugen- und Ankerplan notwendig. Da bei diesen Randbedingungen auch bei sehr weichen Betonkonsistenzen die Notwendigkeit einer Verdichtung des frisch eingebrachten Betons zu erwarten war, wurden entsprechende Rüttelgassen vorgesehen. befand und somit die Gleichmäßigkeit des Frischbetons durch konstant kurze Fahrzeiten gesteigert werden konnte. Die Lieferleistungen für den Transportbeton wurden so ausgeschrieben, dass das Transportbetonwerk für die gesamte Laufzeit die vorgegebene Rezeptur vorhalten sollte, wobei auch kleinere Arbeitsabschnitte und damit einhergehende Betonmengen berücksichtigt werden sollten. Die Bauteilabmessungen, die Bewehrungsführung sowie die Einbauelemente (Bild 16) machten eine Begrenzung des Größtkorns auf 8 mm Für die Betonbauarbeiten war es ­äußerst förderlich, dass sich in einer Entfernung von nur ca. 1,5 km ein leistungsfähiges Transportbetonwerk Die Problematik von Schleppwasser­ effekten an nichtsaugenden Betonschalungen ist hinlänglich ­bekannt. Insbesondere bei Beton­zusammen­ setzungen mit hohem Zementleimgehalt und dement­spre­chend hohen Wassergehalten tritt diese für glatt geschalte Sichtbetonflächen störende Erscheinung leicht auf. Da bei den gegebenen Randbedingungen (geringes Größtkorn, weiche Konsistenz, große Betonierhöhe, glatte und nichtsaugende Schalung, Bewehrungsführung, hohe optische Anforderungen) möglichst hohe Ausführungssicherheit angestrebt wurde, wurden von den Baubeteiligten insgesamt drei Erprobungswände im Technikbereich des Gebäudes fest­ gelegt, für die aus ­gestalterischen Aspekten kein Anspruch auf Sicht­ betonqualität vorlag. Foto: Bathe + Reber Außenwände von 15 cm wurde bereits im frühen Bearbeitungsstadium eine möglichst weiche Frischbetonkonsistenz (F5/F6) angestrebt. Dies war besonders deshalb erforderlich, weil die Wandelemente im Erdgeschoss bei einer Betonierhöhe von ca. 4,82 m ohne horizontale Betonierfuge ausgeführt werden sollten, Bild 15. Eine Betonstahlmattenbewehrung zur Aufnahme von Zwängungs- und Eigenspannungen sowie Einbauelemente zur Beleuchtung des Bauwerks unterstrichen die Forderung nach einer guten Fließ­fähigkeit des Frischbetons. Bild 16: Erprobungswand mit Bewehrungsführung und Einbauelementen 62 6 Erprobungswände Bild 17 zeigt die drei nebeneinander angeordneten Erprobungswände, bei denen die Betonzusammensetzung den Gegebenheiten der Bauausführung angepasst wurde, um ein möglichst gleichmäßiges Erscheinungsbild zu erzielen. Copyright by Verlag Bau+Technik GmbH, Düsseldorf (www.verlagbt.de) Beton-Informationen 4 · 2009 Veröffentlichung und Verbreitung ohne Genehmigung des Verlags sind untersagt. Bild 17: Die drei Erprobungswände mit Farbunterschieden, die sich durch unterschiedliches Bauteilalter und dementsprechend unterschiedliche Bauteilfeuchte ergeben Foto: Daniel Sumesgutner Sichtbeton mit hohen optischen Anforderungen bedarf einer genauen Planung und Abstimmung zwischen allen Baubeteiligten. Sind diese einfachen Bedingungen gegeben, steht einer Verwendung bei architektonisch anspruchsvollen Gebäuden nichts im Wege. Mit dem Gemeindezentrum und dem Umbau der Philipp-Nicolai-Kirche in Hagen beweist das Büro Bathe + Reber, dass moderne Architektur nicht automatisch als ein separierter, selbstreferenzieller Raum innerhalb eines ­gewachsenen Gefüges verstanden werden muss. Die Kombination aus hellem Sichtbeton, Bild 18, und offenen Glas­flächen steht im Dialog zum benachbarten Kirchengebäude. Beide Gebäude öffnen sich füreinander. Die Struktur des ehrwürdigen Sakralbaus wird in dem Neubau fortgesetzt und transformiert. Dabei entstand in gestalterisch ansprechender Weise, was sich die Bauherren erhofft hatten: eine Verbindung zwischen Kirche, Kirchplatz und Gemeindehaus in Form eines Ortes, der zugleich Mittelpunkt für Menschen ist. Foto: Bathe + Reber 7 Zusammenfassung 8 Literatur [1] Merkblatt Sichtbeton. Deutscher Beton- und Bautechnik Verein. Bild 18: Sichtbeton im Innenbereich Bauschild Bauherr Evangelische Melanchthon-Kirchengemeinde, Hagen Architekten Architekten Bathe + Reber, Dortmund Bauausführung Elsbernd Bauunternehmen GmbH, Heek Betontechnologische Beratung BetonMarketing West GmbH, Beckum Baustofflaboratorium Hagen, Hagen Transportbeton MTB Märkische Transportbeton GmbH, Hagen Tragwerksplanung H.E.G. Beratende Ingenieure GmbH Prüfstatiker und SIGEKO Ingenieurbüro für Bauwesen Dr.-Ing. Klemens Pelle Beton-Informationen 4 · 2009 Copyright by Verlag Bau+Technik GmbH, Düsseldorf (www.verlagbt.de) Veröffentlichung und Verbreitung ohne Genehmigung des Verlags sind untersagt. 63 Copyright by Verlag Bau+Technik GmbH, Düsseldorf (www.verlagbt.de) Veröffentlichung und Verbreitung ohne Genehmigung des Verlags sind untersagt.