G 25190 Beton-Informationen 1 · 2011 Gebäudeskulptur mit eingefärbter Fassade aus Leichtsichtbeton Beton-Info intern – Beton-Info intern Beton-Informationen Eine periodisch erscheinende Informationsschrift für die Verwendung von hüttensandhaltigen Zementen Heft 1 · 2011, 51. Jahrgang ISSN 0170-9283 Gebäudeskulptur mit eingefärbter Fassade aus Leichtsichtbeton Herausgeber: Berliner Wohn- und Geschäftshaus „L 40“ BetonMarketing Nord GmbH, Hannover BetonMarketing Ost GmbH, Berlin BetonMarketing Süd GmbH, Ostfildern BetonMarketing West GmbH, Beckum Das Wohn- und Geschäftshaus L 40 in Berlin-Mitte besticht sowohl durch seine expressive Architektur als auch durch seine großdimensionierten, gleichmäßigen ­Sichtbetonflächen. Das monolithische Gebäude war ursprünglich als Skulptur vorgesehen und wurde im Laufe des Entwurfs in ein reguläres Gebäude umgeplant. Die bis zu 20 m weit auskragenden Gebäudeteile aus Beton stellen hohe Anforderungen an das verwendete Material und die Baukonstruktion. Zwecks Gewichtseinsparung kam bei der Fassade ein Leichtbeton zum Einsatz. Die Herausforderung, einen dunkel eingefärbten Leichtbeton in Ortbeton mit einer optisch gleichmäßigen Oberfläche her­ zustellen, ließ sich am besten unter Verwendung eines CEM III/A 42,5 bewerkstelligen. Autoren: Dr.-Ing. Klaus-R. Goldammer, Leiter Bauberatung, Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein E.V. ­Kurfürstenstraße 129, 10785 Berlin, [email protected] Dipl.-Ing.(FH) Edeltraud Hallmann, Geschäftsführerin, Fläming Baustoff-Labor GmbH, Jüterboger Straße 2, 14929 Treuenbrietzen, [email protected] Dirk Pagels, BetonMarketing West GmbH, Annastraße 3, 59269 Beckum, [email protected] Redaktion: Prof. Dr.-Ing. Matthias M. Middel (verantw.) BetonMarketing West GmbH Annastraße 3 59269 Beckum Telefon0 25 21 / 87 30-0 Telefax 0 25 21 / 87 30-29 E-Mail [email protected] Redaktionsbeirat: Ing. P. Bilgeri, CEMEX WestZement GmbH Dipl.-Ing. R. Büchel, Verlag Bau+Technik GmbH Dr.-Ing. A. Ehrenberg, FEhS – Institut für Baustoff-Forschung e.V. Dr.-Ing. R. Härdtl, HeidelbergCement Technology Center GmbH Dipl.-Ing. W. Hemrich, SCHWENK Zement KG Dr. M. Höppner, Holcim (Deutschland) AG Dr.-Ing. D. Hornung, Dyckerhoff AG Dipl.-Ing. A. Paatsch, LAFARGE Zement GmbH Nachdruck nur mit Genehmigung der Redaktion Schutzgebühr: 5,00 zzgl. 7 % MwSt. Jahres-Abo.: 25,00 zzgl. 7 % MwSt. Konto: BetonMarketing West GmbH Dresdner Bank Beckum (BLZ 412 800 43) Konto-Nr. 0 554 122 000 Verlag: Verlag Bau+Technik GmbH Postfach 12 01 10, 40601 Düsseldorf Telefon 02 11 / 9 24 99-0 Layout / Grafiken: Caroline Lindner Redaktion: Andrea Koenen, Kirsten Dittmar Lithos und Druck: Loose-Durach GmbH, Remscheid Sofern nicht anders angegeben, liegen die Rechte für die abgedruckten Bilder beim ­jeweiligen Autor. Titelbild: Wohn- und Geschäftshaus „L 40“ in Berlin-Mitte Rückbild: Detailansicht der vorderen Sichtbetonfassade Beton-Info intern – Beton-Info intern Fotos: Jan Bitter, Berlin Copyright by Verlag Bau+Technik GmbH, Düsseldorf (www.verlagbt.de) Beton-Informationen 1 · 2011 Veröffentlichung und Verbreitung ohne Genehmigung des Verlags sind untersagt. Gebäudeskulptur mit eingefärbter Fassade aus Leichtsichtbeton gastronomischen Situation beitragen und zugleich auf einem weit auskragenden Dach eine Fläche für Kunstobjekte bieten. Berliner Wohn-und Geschäftshaus „L 40“ Als jedoch im Laufe des Projekts die angrenzende und zu DDR-Zeiten verlegte Rosa-Luxemburg-Straße ihren historischen Lauf zurück erhielt, vergrößerte sich das zur Verfügung stehende Grundstück. Dadurch ergab sich die Möglichkeit, hier ein reguläres, sechsgeschossiges Gebäude zu bauen (Bild 2). Das Projekt wandelte sich also von einer Skulptur hin zu einer skulpturalen Architektur und legte somit den Anfang für eine städtebauliche Neuordnung des klei- Von Klaus- R. Goldammer, Berlin, Edeltraud Hallmann, Treuenbrietzen, und Dirk Pagels, Beckum Das Wohn- und Geschäftshaus „L 40“ am Rosa-Luxemburg-Platz in BerlinMitte, das im Jahr 2010 fertig gestellt wurde, wirkt wie ein massiver Block, aus dem monolithischen Teile „herausgeschnitten“ wurden. Die dunkle, geschlossene Sichtbetonfassade mit ihrer beinahe festungsähnlichen Geschlossenheit steht dabei im Kontrast zu den großen Öffnun­ gen des Gebäudes und den stark auskragenden Bauteilen (Bild 1). Ungewöhnlich ist jedoch nicht nur die Ästhetik des Gebäudes, sondern auch seine Entstehungsgeschichte: Das Gebäude war zunächst als kleiner dimensionierte Skulptur geplant und erfuhr im Laufe seiner Entstehung eine Wandlung hin zu einem „richtigen“ Gebäude. Baugrundstücks – eine Skulptur aus dunklem Beton zu bauen. Das von ihren Schöpfern scherzhaft die „Würschtlebude“ genannte Bauwerk sollte tatsächlich als Imbissbude zur Foto: Jan Bitter 1 Einleitung Bild 1: Das L 40 mit großen Öffnungen und stark auskragenden Bauteilen 2 Planung 2.1 Skulpturale Architektur ße ße -Stra rg mbu Grafik: Bundschuh Architekten Luxe Beton-Informationen 1 · 2011 Torstr a Rosa Im Jahr 2004 wurden der Architekt Roger Bundschuh und die Künstlerin Cosima von Bonin vom Verein zur Förderung von Kunst und Kultur am Rosa-Luxemburg-Platz e.V. dazu eingeladen, eine künstlerische Arbeit für den öffentlichen Raum beizusteuern. Zunächst entstand die Idee, auf einem kleinen, kaum nutzbaren Restgrundstück an der Kreuzung zur Torstraße – einem Teil des jetzigen Bild 2: Die Verlegung der Rosa-Luxemburg-Straße schuf Platz für das Gebäude (ehemaliger Straßenverlauf durch blaue Fläche angedeutet). Copyright by Verlag Bau+Technik GmbH, Düsseldorf (www.verlagbt.de) Veröffentlichung und Verbreitung ohne Genehmigung des Verlags sind untersagt. Foto: Jan Bitter Foto: Andreas Praefcke Bild 3: Gebäude am Rosa-Luxemburg-Platz nach Entwürfen von Hans Poelzig Bild 4: Ansicht des Gebäudes vom Rosa-Luxemburg-Platz aus nen Blocks an der Grenze zwischen den Berliner Bezirken Mitte und Prenzlauer Berg. Foto: Jan Bitter 2.2 Städtebauliche Eingliederung Für die Planer des Gebäudes in der Linienstraße 40 kamen diese ein- Grafik: Bundschuh Architekten Bild 5: Ansicht des Gebäudes von der Torstraße aus Das Baugenehmigungsverfahren für das Gebäude in der Linienstraße 40, das nach seiner Postadresse abgekürzt „L 40“ benannt wurde, dauerte mehr als drei Jahre. Der Grund hierfür könnte darin liegen, dass sich das Gebäude von seinem baulichen Umfeld abhebt und dieses konterkariert. Die Architektur am Rosa-Luxemburg-Platz wurde in den 1920erJahren maßgeblich von Hans Poelzig geprägt. Seitdem hat sich die Struk- tur des Platzes – vor allem in den letzten Jahrzehnten – entschieden gewandelt. Übrig blieb jedoch das Erscheinungsbild des denkmalgeschützten städtebaulichen Ensem­ bles von Poelzig mit einheitlichen Fassaden, weichen Rundungen und schmalen Innenhöfen (Bild 3). Seit dem Mauerfall orientierten sich zeitgenössische Architekten in Berlin an den baurechtlichen Vorgaben der Stadt, die unter anderem durch ­Poelzig geprägt wurden. Maßgeblich waren hier vor allem die Traufhöhe und die Blockrandbebauung. Bild 6: Die Fensterreihen zwischen den stark auskragenden Gebäudeteilen haben keine statische Funktion. Elevation Linienstraße Scale 1:200 Elevation Rosa-Luxemburg-Straße Scale 1:200 L40 Bundschuh Architekten Copyright by Verlag Bau+Technik GmbH, Düsseldorf (www.verlagbt.de) Beton-Informationen 1 · 2011 Veröffentlichung und Verbreitung ohne Genehmigung des Verlags sind untersagt. Foto: Jan Bitter Foto: Bundschuh Architekten Bild 7: Ehemaliges Ostberliner Presse­ café Bild 8: Die Innenräume eignen sich sehr gut für die Präsentation von Kunst­ werken. schränkenden Vorgaben aufgrund ihrer Idee eines skulpturalen Entwurfs jedoch nicht in Frage (Bild 4). Statt eines geschlossenen Blocks mit einer Lochfassade konzipierten sie ein massives Ensemble mit mehrgliedrigen Glasbändern, die die Fens­ terbänder von Poelzig aufnehmen (Bild 5). Die skulpturale Gebäudestruktur thematisiert dabei die Blockkanten mit großen geschlossenen, weit auskragenden Volumen im Kontrast zu dem neuen Block­ innenhof mit tiefen Einschnitten (Bild 6). Der nach hinten abgeschlossene Innenhof wurde nach außen geöffnet. Somit erhielt jede Wohneinheit gewissermaßen einen eigenen Lichthof. Die über 20 m ­tiefen Auskragungen des Gebäudes, die durch eingefügte Fensterreihen in den Zwischenräumen gezähmt werden, zitieren hingegen die kühne Architektur des ehemaligen Ostberliner Pressecafés am Alexanderplatz mit ihren stark auskragenden Bauteilen (Bild 7). und Untergeschoss, eine Büroeinheit im 1. Obergeschoss sowie acht sehr individuelle Eigentumswohnungen in den bis zu sechs Obergeschossen auf. Auch die Innenräume stehen in einem Kontrast zum äußeren Erschei­ nungsbild des Gebäudes: Herrschen außen dunkle, blockartige Beton­ flächen, die scharfkantig gebrochen und exakt aufeinandergestapelt wirken, so erschließen sich im Inneren lichtdurchflutete Räume mit einer Höhe von 3 m bis 7 m, wobei ein Großteil der Wände nicht rechtwink­ lig zueinander angeordnet sind. Lang gestreckte, fensterlose Korri- dore und Oberlichter vermitteln den Charakter eines musealen Ortes (Bild 8). Tatsächlich wurde L 40 für eine besondere Zielgruppe entworfen: für Kunstsammler und Individualisten. Der Wechsel von fensterlosen Raum­ abschnitten innerhalb der Wohnun­ gen mit geöffneten Bereichen, die einen hohen Anteil an Fensterfläche aufweisen, schaffen für den Bewohner zugleich Möglichkeiten zum privaten Rückzug und zum Eintauchen in den urbanen Raum (Bild 9). Besonders deutlich wird dies an der Das Gebäude gliedert sich in drei unterschiedlich hohe Bauteile und nimmt drei Ladeneinheiten im Erd- Beton-Informationen 1 · 2011 Foto: Jan Bitter 2.3 Raumgestaltung für ­Individualisten Bild 9: Sicht aus dem Gebäude Richtung Osten Copyright by Verlag Bau+Technik GmbH, Düsseldorf (www.verlagbt.de) Veröffentlichung und Verbreitung ohne Genehmigung des Verlags sind untersagt. Foto: Jan Bitter Foto: Jan Bitter Bild 10: Zugang zur Penthousewohnung im 4. Obergeschoss dreigeschossigen Penthousewohnung mit rund 135 m2 Wohnfläche, die turmartig an der Nordseite des Gebäudes emporragt. Zu erreichen ist die Wohnung über eine lang gestreckte Terrasse im Außenbereich des 4. Obergeschosses (Bild 10). In diesem ­Geschoss befindet sich das Schlafzimmer mit en-suite-Badezimmer und Gästetoilette. Über die von oben belichtete Treppe wird der ­loftartige Wohnraum im 5. Obergeschoss erschlossen. Die breite Fensterfront öffnet den Raum mit Blick Bild 11: Groß dimensionierte Sichtbetonflächen mit wenigen Fugen auf die Volksbühne. Über eine nur zur Wohnung gehörende Treppe erreicht man schließlich im 6. Obergeschoss eine große Dachterrasse. Hier bietet sich über die Dächer Berlins ein spektakulärer Blick auf den Fernsehturm am Alexanderplatz. 2.4 Hohe Ansprüche an die ­Tragwerksplanung Die stark auskragende, monolithi­ sche Gebäudestruktur stellte hohe Ansprüche an die Tragwerksplanung. Deshalb wurden im Vorfeld ver­ schiedene baukonstruktive Lösungsvarianten untersucht. Letztendlich konnten die divergierenden Anforderungen an die Baukonstruktion der Außenwände am besten mit einer tragenden inneren Betonwand, einer 80 mm dicken Kerndämmung und einer nicht tragenden Vorsatzschale aus eingefärbtem Leichtbeton in Einklang gebracht werden. Die Sichtbetonfassade wurde fugenarm in Ortbeton ausgeführt (Bild 11). Dabei wurde die Dicke der Vorsatz- Copyright by Verlag Bau+Technik GmbH, Düsseldorf (www.verlagbt.de) Beton-Informationen 1 · 2011 Veröffentlichung und Verbreitung ohne Genehmigung des Verlags sind untersagt. schale mit 20 cm nicht zu knapp festgelegt, um ein handwerklich einwandfreies Einbringen und Verdichten des Betons sicherzustellen. Tragwerksplaner und Bauphysiker bestimmten an Hand von Modellrechnungen die maximal auftretenden thermischen Spannungen der Vorsatzschale und deren größtmögliche Bauteilabmessungen. Im Regelfall hängen die bis zu 8 m hohen und 16 m breiten Vorsatzschalen mit einer Knagge gleitend aufgelagert an den Decken der Haupttragkonstruktion. Zahlreiche verschiedene spezielle Fassaden­ anker aus Edelstahl in den Außen­ wänden und Dorne in den Knaggen sichern die Vorsatzschalen gegen Verschieben und Windsog. An den spitzen Gebäudeecken werden die Vorsatzschalen herumgeführt. Hier wird anstatt der sonst druckfesten Kerndämmung eine weiche Dämmung eingesetzt, damit die Wandschalen sich aus thermischen Spannungen zwängungsfrei bewegen können. Foto: Bundschuh Architekten Da das Gebäude an einer Hauptverkehrsstraße mit Straßenbahnverkehr liegt und außerdem eine U-Bahn entlang der angrenzenden RosaLuxemburg-Straße verläuft, musste das Gebäude aus Gründen des Schall­ schutzes akustisch entkoppelt werden. Deshalb wurde zwischen der 50 cm bis 100 cm dicken Stahlbe- Bild 12: Verlegung der Polyurethanschaummatte Beton-Informationen 1 · 2011 tonfundamentplatte und der 25 cm dicken Bodenplatte aus Stahlbeton vollflächig eine spezielle, erschütterungsdämpfende Polyurethanschaum­ matte eingefügt (Bild 12). Diese Lösung sorgt dafür, dass das Bauwerk von erdberührten Bauteilen akus­ tisch entkoppelt wird. 3 Betontechnologie 3.1 Anforderung an den ­Sichtbeton Die Planer schrieben den fertigen Sichtbeton als eine möglichst dunk­ le, fast schwarze und gleichmäßige Oberfläche mit einem natürlichen Erscheinungsbild fest. Bei der Formu­ lierung der Anforderungen an den Sichtbeton erwies sich das DBV/BDZMerkblatt für Sichtbeton [1] als geeignetes Hilfsmittel. Als Sichtbeton werden darin solche Betonflächen bezeichnet, an die – allgemein formuliert – Anforderungen an das Aussehen gestellt werden. Diese Ansichtsflächen sind nach Fertigstellung sichtbare Teile des Betonbauteils und lassen die Merkmale der Gestaltung und der Herstellung erkennen. Hierzu gehören insbesondere die Textur der Fläche, d.h. deren geometrische Gestalt als Abweichung von der planen Ebene, die Porigkeit, die Farbtongleichmäßigkeit, die Ebenheit sowie die Qualität der Arbeits- und Schalhautfugen. Wegen dieser Zusammenhänge werden in dem Merkblatt vier Sichtbetonklassen SB 1 bis SB 4 definiert (siehe [1], Tabelle 1). Sie unterscheiden sich durch die Anforderungen an die zuvor beschriebenen Gestaltungsmerkmale. Wegen der hohen gestalterischen Anforderungen an die Fassadenelemente hatten sich der Bauherr und der Architekt des Objektes L 40 für eine Realisierung der Gebäudefassade in der Sichtbetonqualität SB 3 entschieden (Tafel 1). 3.2 Die betontechnologische ­Herausforderung Die besondere betontechnologische Herausforderung hinsichtlich des Sichtbetons beim Objekt L 40 bestand in der Entwicklung der schwarz eingefärbten Leichtbetonzusammensetzung gemäß [2] mit einer Dichte von ca. 1.400 kg/m3. Aus statischkon­struktiven Gründen musste der Leicht­beton den Anforderungen der Druck­festigkeitsklasse LC 16/18 genügen und aus Gründen der Dauerhaftigkeit die Expositionsklassen XC4 und XF1 erfüllen. Diese Betonzusammensetzung fand bei der Herstellung der monolithischen Fassadenelemen­ ten als Vorsatzschale in Sichtbetonqualität Verwendung. Sind die Anforderungen bei einem Sichtbeton aus Leichtbeton schon sehr hoch, so sind sie es bei einem eingefärbten Leichtsichtbeton umso mehr. Zu den bekannten Problemen bei der Herstellung von eingefärbten Sichtbetonflächen zählen u.a. die ­Eigenfarben der eingesetzten Rohstoffe, die Gleichmäßigkeit der Zusammensetzung sowie die Herstellungs- und Einbaubedingungen. Hinzu kommt bei der Verwendung dunkler Farben die Problematik der Ausblühungen. Bei Ausblühungen handelt es sich um freies Calciumhydroxid, welches bei der Hydratation des Zements entsteht. Es kann durch Feuchtigkeit an die Betonoberfläche wandern, dort mit Kohlendioxid an der Luft reagieren und einen weißen Kalkschleier bilden. Dieser Kalkschleier überdeckt die Betonoberfläche und lässt dann die darunter befindliche eigentliche Betonfarbe blasser erscheinen. In Vorversuchen im Labor wurden unterschiedliche Zementsorten und Farben mit in Berlin üblichen Ausgangsstoffen erprobt. Die besten Ergebnisse hinsichtlich der optischen Copyright by Verlag Bau+Technik GmbH, Düsseldorf (www.verlagbt.de) Veröffentlichung und Verbreitung ohne Genehmigung des Verlags sind untersagt. Farbtongleichmäßigkeit (FT2) Porigkeit (P3) Textur (T2) Tafel 1: Merkmale der Sichtbetonklasse SB3 nach DBV/BDZ-Merkblatt „Sichtbeton“ Anforderungen nach [1], Tabelle 1 Maßnahmen nach [1], Anhang A – geschlossene und weitgehend einheitliche Betonfläche – in den Schalelementstößen ausgetretener Zementleim/Feinmörtel bis ca. 10 mm Breite und ca. 5 mm Tiefe, Versatz der Elementstöße bis ca. 5 mm, Höhe verbleibender Grate bis ca. 5 mm und Rahmenabdruck des Schalelements sind zugelassen – gleiche Art und Vorbehandlung der Schalhaut, Sauberkeit der Schalung, dünnen, gleichmäßigen Trennmittelauftrag und fachgerechte Lagerung der Schalung sicherstellen – Wechsel der Betonzusammensetzung bzw. der Betonausgangsstoffe und Verwendung von Restwasser und Restbeton ausschließen – Schalungssystem mit geringen Fertigungstoleranzen wählen – Abdichtung der Schalhautstöße, Schalungseinlagen und bei Trägerschalung ggf. Befestigung der Platten von Rückseite ­vereinbaren – möglichst gleich alte Schalhautplatten verwenden für saugende Schalhaut: Anteil der Poren mit einem Durchmesser von 2 mm bis 15 mm an einer charakteristischen Fläche von 500 mm x 500 mm bei saugender Schalhaut unter ca. 1.500 mm² – Betonsorte, Trennmittel und Schalhaut aufeinander abstimmen – gleiche Art und Vorbehandlung der Schalhaut sicherstellen – Sauberkeit der Schalhaut und dünnen, gleichmäßigen Trennmittelauftrag sicherstellen – besondere Sorgfalt beim Betonieren unterschnittener Schalung – Nachverdichten der obersten Betonierlage – gleiche Art und Vorbehandlung der Schalhaut sicherstellen – Rost- und Schmutzflecken sind unzulässig, ­gleichmäßige, großflächige Hell-/ Dunkelver­ – Mischdauer je Charge mindestens 60 Sekunden – Lieferung für zusammenhängende Bauteile jeweils nur aus färbungen sind zulässig ­einer Produktionsstätte (Lieferwerk) – unterschiedliche Arten und Vorbehandlungen der Schalhaut sowie Betonausgangsstoffe verschiedener Art und Herkunft sind unzulässig Arbeitsund Schalhautfugen (AF3) – Ebenheitsanforderungen nach DIN 18202, Tabelle 3, Zeile 6 ­vereinbaren – höhere Anforderungen sind im Vertrag als Leistungsposition zu berücksichtigen – Einmessen der Schalung erforderlich – zusätzliche Toleranzen aus anderen Normen berücksichtigen – Maßkoordination bei Verwendung von Schalungen von verschiedenen Herstellern vornehmen – auf steifes Bewehrungsgeflecht und ausreichende Anzahl von Abstandhaltern achten – Schalungsanker möglichst gleichmäßig anziehen – Sicherung von Einbauteilen gegen Verschiebung berücksich­ tigen – ausreichende Abstützung des Schalungssystems berücksich­ tigen – sorgfältige Lagerung der Schalhaut erforderlich – besondere Regelungen für gekrümmte Schalungen und ­Sonderausführungen treffen – u.U. begrenzte Einsatzzahl der Schalung berücksichtigen – sorgfältige Reinigung der Schalhaut erforderlich – Festigkeitstoleranzen des Schalungssystems berücksichtigen – Versatz der Flächen zwischen zwei Betonierabschnitten bis ca. 5 mm ist zulässig – Feinmörtelaustritt auf dem vorhergehenden Betonierabschnitt muss rechtzeitig entfernt werden – Trapezleiste o.ä. werden empfohlen – Schalungssystem mit geringen Fertigungstoleranzen wählen Schalhautklasse (SHK2) Ebenheit (E2) Ebenheitsanforderungen richten sich nach DIN 18202, Tabelle 3, Zeile 6 Zulässig sind Bohrlöcher und Kratzer und andere Beschädigungen als Reparaturstellen und Zementschleier ebenso ­ Nagel- und Schraublöcher ohne Absplitterungen. Nicht zulässig sind Beschädigung der Schalhaut durch Innenrüttler, ­Betonreste, Aufquellen der Schalhaut im Schraub- bzw. Nagelbereich und Ripplings mindestens zwei, gegebenenfalls mehrere Erprobungsflächen vorsehen Copyright by Verlag Bau+Technik GmbH, Düsseldorf (www.verlagbt.de) Beton-Informationen 1 · 2011 Veröffentlichung und Verbreitung ohne Genehmigung des Verlags sind untersagt. Tafel 2: Vergleich der ursprünglich vorgesehenen und der letztendlich verwendeten Betonzusammensetzung Zementart und Festigkeitsklasse Zementgehalt z Wasser Saugwasser Gesteinskörnung Leichtsand 0/2 Leichte Gesteinskörnung Natursand Anlieferungsform Ausgangs-Beton letztendlich verwendeter Beton kg/m3 CEM III/B 32,5 350 CEM III/A 42,5 370 l/m3 l/m3 180 90 180 90 kg/m3 kg/m3 kg/m3 246 344 363 Sackware/Einkorn 190 292 564 Big Bag Zusatzstoffe Art Gehalt % v. z Farbpigmente 12 (6 % Pulver) Farbpigmente 18 (flüssig) Druckfestigkeitsklasse Ist-Frischbetonrohdichte (Ziel > 1,40) kg/dm3 LC 16/18 1,38 LC 16/18 1,43 Gleichmäßigkeit erzielte hierbei ein CEM III/A 42,5 (Tafel 2). Bei den Farben kamen sowohl pulverförmige als auch flüssige Farben zur Anwendung, von denen sich die flüssigen am besten bewährten. Die Pigmente wurden dem fertig gemischten Beton werksmäßig beigegeben und lieferten so den vom Architekten gewünschten anthrazitischen Farbton der Betonoberfläche. Ecken sowie Fensterausschnitten zu erstellen. An der Herstellung der Erprobungswände beteiligten sich drei Bauunternehmen. Der Gesamteindruck sowie die Ausbildung vorgegebener Details der Erprobungswände bildeten eine wesentliche Entscheidungshilfe bei der Vergabe. Nachdem der Bauherr die Werkproben des Sichtbetons bemustert und freigegeben hatte, wurde in Zusammenarbeit zwischen Architekt und Baustofflabor die Ausschreibung für die betreffenden Fassadenelemente erarbeitet. Diese schrieb u.a. vor, dass eine Erprobungswand mit der vorgegebenen Betonzusammensetzung herzustellen war (Bild 13). Dabei wurde ein besonderer Schwerpunkt auf die Ausbildung der Kanten, Schaltafelstöße, Öffnungen, spitzen Ecken, Ankerlöcher, Spannstellen und Arbeitsfugen gelegt. Anschließend wurden mehrere Bauunternehmen gebeten, Erprobungswände mit spitzen und stumpfen Beton-Informationen 1 · 2011 Bild 13: Die Erstellung von Erprobungs­ wänden wurde vorgeschrieben. Zur Sicherstellung der geforderten Qualität wurde durch den Schalungsbauer als Ausführendem ein Betonierplan mit sämtlichen Details zur Schalung und zur Betonierbarkeit und durch den Betonlieferanten eine Qualitätsanweisung zur Herstellung des eingefärbten Leichtbetons erarbeitet. Das Betonierkonzept und die Qualitätsanweisung zur ­Betonherstellung wurden Bestandteile der jeweiligen Leistungs- bzw. Lieferverträge. Beim Graffitischutzsystem fiel die Entscheidung zugunsten eines permanenten Systems, da hier im Falle von SprayerAngriffen bis zu zehn Reinigungen möglich sind. Foto: Bundschuh Architekten 3.3 Erprobungswände Nach der Auftragserteilung an das Rohbauunternehmen wurden an der Betonzusammensetzung noch geringe Veränderungen vorgenommen. So wurde der Mehlkornanteil (Korngrößen kleiner 0,25 mm) durch Zugabe von konstruktivem Blähsand 0/2 mm erhöht, um die Poren- und Lunkerbildung zu minimieren. Weiterhin wurden Versuche zur Betonkosmetik und zum Graffitischutz durchgeführt. Im Anschluss erstellte die ausführende Firma eine weitere Erprobungswand, die den Vertragsparteien als Referenzwand zur Festlegung der Sichtbetonqualität diente. Copyright by Verlag Bau+Technik GmbH, Düsseldorf (www.verlagbt.de) Veröffentlichung und Verbreitung ohne Genehmigung des Verlags sind untersagt. 3.4 Anforderungen an die Schalung Im Betonierkonzept wurden Eckpunkte hinsichtlich Schalung, Betonherstellung- und lieferung und Betoneinbau näher erläutert und verbindlich festgelegt. Hinsichtlich der Schalung wurde zur Sicherstellung einer gleich bleibend hohen Qualität der Sichtbetonflächen bestimmt, dass die Schalhaut jeweils nur einmal verwendet wird. So konnte man Beschädigungen und Verschmutzungen der Schalhaut weitgehend vorbeugen. Zum Einsatz kam eine glatte und saugende Großflächenschalungsplatte aus hoch­ verdichteten Holzwerkstoffen mit einer geschliffenen Oberfläche. Saugende Schalungen entziehen dem Beton im oberflächennahen Bereich während der ersten Stunden nach der Betonage Wasser sowie Luft und sind somit für porenarme Beton­ oberflächen besonders geeignet (Bild 14). Im vorliegenden Fall verzichtete man bewusst darauf, auf der Baustelle Trennmittel zu applizieren. Um handwerkliche Unwägbarkeiten z.B. auf die Farbtönung und die Porenbildung weitgehend auszuschließen, wurde die Schalungshaut werksseitig geölt. mit mindestens 2 m3 und maximal 5 m3 Transportbeton beladen. Die Konsistenz und Frischbetonrohdichte des Betons wurde im Werk eingestellt und auf der Baustelle durch Laboranten des Transportbetonwerks überprüft. Darüber hinaus wurde auf eine gleichmäßige Belieferung der Baustelle (Bild 15) geachtet. Hierfür musste sichergestellt sein, dass bei Einsatz eines Verzögerers der Einbaubeginn frühestens 45 min und das Ende maximal 120 min nach Herstellung des Betons erfolgte. 3.6 Vorkehrungen beim Betoneinbau und der Nachbehandlung Besonderes Augenmerk wurde auf die Betonierbarkeit der Querschnitte und das Vorhandensein ausreichen­ der Rüttel- und Einfüllöffnungen gelegt. Fördergeräte, zugehörige Schlauchverlängerungen und Verdichtungsgeräte waren in ausreichender, auch einen etwaigen Havariefall abdeckenden Anzahl vorzuhalten. Als maximale Fallhöhe des Betons war ca. 1 m vorgesehen. Die Betonierlagen sollten maximal 0,5 m betragen. Als Nachbehandlungs­ methode wurde der Verbleib in der Schalung gewählt. Die Wände wur- den nicht mit Folie abgehängt, um so Farbunterschiede durch unterschiedliches Austrocknen berührter und unberührter Teile zu verhindern. Es wurde besonderes Augenmerk darauf gelegt, dass die Art und ­Dauer der Nachbehandlung innerhalb einer Ansichtsfläche möglichst identisch war. Nach dem Entschalen wurde die Oberfläche durch Abrücken der Schalung einem Austrocknungsprozess von mehreren Stunden unterzogen, um den kapillaren Feuchtetransport von innen nach außen zu unterbrechen und um so Ausblühungen entgegenzuwirken. Danach wurden die Schaltafeln in kurzem, aber kontaktlosem Abstand zum ­Betonbauteil wieder aufgestellt, um den Schutz vor Zugluft, Sonne und mechanischen Beschädigungen ­sicherzustellen (Bild 16). 4 Resümee Das Wohn- und Geschäftshaus L 40 ist anspruchsvoll in vielfacher Hinsicht. Es regt aufgrund seiner Konterkarierung des gewohnten Stadtbildes zu einer aktiven Auseinandersetzung mit der städtebaulichen ­Situation an. Die stark auskragenden Um eine möglichst gleich bleibende Qualität des Frischbetons bis zur Übergabe zu gewährleisten, waren vom Hersteller des Betons einige Randbedingungen besonders zu beachten. Diese sahen vor, dass alle leichten Gesteinskörnungen (für ca. 400 m3 schwarzen Leichtbeton) vorab bei Lieferanten gelagert wurden. Die Mischzeiten bei der Herstellung des Betons wurden auf bis zu 5 min verlängert, um so eine möglichst ­homogene und farbstabile Mischung zu erhalten. Die Fahrmischer wurden 10 Foto: Bundschuh Architekten 3.5 Anforderungen an die Betonherstellung und -lieferung Bild 14: Versuchsreihen mit verschiedenen Schalungshäuten Copyright by Verlag Bau+Technik GmbH, Düsseldorf (www.verlagbt.de) Beton-Informationen 1 · 2011 Veröffentlichung und Verbreitung ohne Genehmigung des Verlags sind untersagt. Foto: Westag und Getalit AG Foto: Bundschuh Architekten Bild 15: Erstellung der tragenden Betonkonstruktion Gebäudeteile stellen hohe Anforderungen an Planer und Material. Und nicht zuletzt forderte der hoch­ wertige Sichtbeton, dass Planer und Ausführende sich als Sicht­ betonteam verstanden und sich gleich­berechtigt in die Arbeit einbrachten. Nur eine gute Zusammenarbeit des Architekten, des Tragwerksplaners, des Betontechnologen Bild 16: Die Sichtbetonflächen nach dem Ausschalen mit den Ausführenden bzw. Lieferanten des Rohbaus, der Schalung und des Betons konnte die geforderte hohe Qualität eines eingefärbten Sichtbetons in Leichtbeton sicherstellen. Hinsichtlich der Betonzusammensetzung lieferte die Verwendung eines CEM III/A 42,5-Zements im Zusammenspiel mit der leichten Gesteinskörnung und der flüssigen Pigmentfarbe die besten optischen Resultate des Sichtbetons. 5 Literatur [1] Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein E.V., Bundesverband der Deutschen Zementindustrie e.V.: Merkblatt „Sichtbeton“, Fassung 2004, 2. korrigierter Nachdruck 2008 [2] DIN 1045: Tragwerke aus Beton, Teile 1 bis 3, Stahlbeton und Spannbeton, Ausgabe 2008 Bauschild Entwurf Roger Bundschuh, Cosima von Bonin Architekt Bundschuh Architekten, Berlin Bauherr Immobiliengesellschaft Albion mbH, Berlin Baufirma BSS Beton-System-Schalungsbau GmbH, Berlin Betontechnologie Liapor GmbH und FBL Fläming Bausstoff-Labor-GmbH, Treuenbrietzen Schalung Westag & Getalit AG, Rheda-Wiedenbrück Bauphysik Müller BBM GmbH, Berlin Tragwerksplanung Ifb Frohloff Staffa Kühl Ecker, Berlin Zementlieferant Dyckerhoff AG (Deuna Zement GmbH), Deuna Farblieferant Lanxess Deutschland GmbH, Leverkusen Beton-Informationen 1 · 2011 Copyright by Verlag Bau+Technik GmbH, Düsseldorf (www.verlagbt.de) Veröffentlichung und Verbreitung ohne Genehmigung des Verlags sind untersagt. 11