G 25190 Beton-Informationen 3 · 2007 Ungewöhnliche Lückenbebauung in Köln Copyright by Verlag Bau+Technik GmbH, Düsseldorf (www.verlagbt.de) Veröffentlichung und Verbreitung ohne Genehmigung des Verlags ist untersagt. Beton-Info intern – Beton-Info intern Beton-Informationen Eine periodisch erscheinende Informationsschrift für die Verwendung von hüttensandhaltigen Zementen Heft 3 · 2007, 47. Jahrgang ISSN 0170-9283 Außergewöhnliche Lückenbebauung Wohn- und Geschäftshaus in Köln-Bayenthal Die Kombination aus einer „unbebaubaren“, 5,50 m mal 25 m großen Baulücke und der Experimentierfreude eines Kölner Architekten hat zu einem außergewöhnlichen Gebäude in der Bayenthaler Goltsteinstraße geführt. Auf drei Seiten durch Bauten begrenzt, ist ein Gebäude mit großer räumlicher Abwechslung, Spannung und skulpturaler Qualität entstanden, das nun leuchtend rot zwischen historischen Bauten und über einen Torbogen hinweg hervorlugt. Die Konstruktion besteht aus zwei Teilen, von denen einer alle Regeln erfüllt und den Bebauungsplan einhält, der andere sich hingegen gerade aus der Überschreitung von Grenzen und der Missachtung von Regeln formt. Aufgrund der komplexen Geometrie entstand der Entwurf immer im Dreidimensionalen, die Form wurde im Wesentlichen am Computer und im Dialog mit physikalischen Modellen entwickelt. Die Gründung und die Außenwände sowie alle Decken und die tragenden Innenwände bestehen aus CEM III/A 32,5 N mit 60 kg/m3 Steinkohlenflugasche. Da in der Konstruktion nicht zwischen Außenwänden und Dachflächen unterschieden wurde, gehen die Bauteile nahtlos ineinander über. Aufgrund der meist geneigten Wände und der sehr unregelmäßigen Geometrien konnte dabei nur in sehr geringem Umfang auf fertige Schalsysteme zurückgegriffen werden. Abschließend wurde eine umfassende Beschichtung des Baukörpers vorgenommen, die als Abdichtung fungiert und für einen homogenen Gesamteindruck des Baukörpers sorgt. Da während der gesamten Bauarbeiten der Straßen- und Schienenverkehr in der engen Straße vor dem Haus aufrecht erhalten werden musste, waren beengte Baustellenverhältnisse und nur minimale Lagermöglichkeiten wesentlich für den Bauprozess. Alle Schritte mussten genau geplant werden und erfolgten in enger Abstimmung aller Beteiligten. Entstanden ist ein Gebäude mit hoher räumlicher Qualität und guten Lichtverhältnissen. Durch Atrien und große Deckenöffnungen wird das Licht im Gebäude über drei Ebenen hinuntergeleitet. Zusammen mit etagenhohen Fensterelementen ist so im ganzen Gebäude für gute Belichtung gesorgt und es entsteht trotz der teilweise eher geringen Raummaße ein Eindruck von Großzügigkeit. Außerdem verfügt jede Einheit über eine eigene Außenfläche in Form eines Innenhofs. Autoren: Manuel Herz, AA Dip. Architektur und Stadtplanung, Zugweg 16, 50677 Köln [email protected] Jürgen Thören, Bauunternehmen A. Otto & Sohn GmbH, Stixchesstraße 184, 51377 Leverkusen [email protected] Herausgeber: BetonMarketing Nord GmbH, Sehnde BetonMarketing Ost GmbH, Berlin BetonMarketing Süd GmbH, Ostfildern BetonMarketing West GmbH, Beckum Redaktion: Dr.-Ing. K. Rendchen (verantw.) BetonMarketing Nord GmbH Hannoversche Straße 21 31319 Sehnde Telefon 0 51 32 / 87 96-0 Telefax 0 51 32 / 87 96-15 E-mail [email protected] Redaktionsbeirat: Ing. P. Bilgeri, CEMEX WestZement GmbH Dipl.-Ing. R. Büchel, Verlag Bau+Technik GmbH Dr.-Ing. A. Ehrenberg, FEhS – Institut für Baustoff-Forschung e.V. Dr.-Ing. R. Härdtl, HeidelbergCement Technology Center GmbH Dipl.-Ing. W. Hemrich, SCHWENK Zement KG Dr. M. Höppner, Holcim (Deutschland) AG Dr.-Ing. D. Hornung, Dyckerhoff AG Dr.-Ing. Matthias Middel, BetonMarketing West GmbH Dipl.-Ing. J. Plöhn, LAFARGE Zement GmbH Nachdruck nur mit Genehmigung der Redaktion Schutzgebühr: 5,00 zzgl. 7 % MwSt. Jahres-Abo.: 25,00 zzgl. 7 % MwSt. Konto: BetonMarketing Nord GmbH Hallbaum-Bank (BLZ 250 601 80) Konto-Nr. 82693 Verlag: Verlag Bau+Technik GmbH Postfach 12 01 10, 40601 Düsseldorf Tel. 02 11 / 9 24 99-0 Layout/Grafiken: Ute Müller Redaktion: Andrea Koenen Lithos und Druck: Loose-Durach GmbH, Remscheid Titelbild: Frontseite des Wohn- und Geschäftshauses Rückbild: Blick aus einem Schlafzimmmerfenster auf die beschichtete Fassade Beton-Info intern – Beton-Info intern 38 Fotos: M. Herz Copyright by Verlag Bau+Technik GmbH, Düsseldorf (www.verlagbt.de) Beton-Informationen 3 · 2007 Veröffentlichung und Verbreitung ohne Genehmigung des Verlags ist untersagt. Ungewöhnliche Lückenbebauung Wohn- und Geschäftshaus in Köln-Bayenthal Von Manuel Herz und Jürgen Thören, Köln 1 Einleitung Im Kölner Süden, mitten im Stadtteil Bayenthal, zeigt sich in der Häuserzeile der Goltsteinstraße ein erstaunliches Bild: Zwischen historischen Bauten und über einen Torbogen hin­ weg lugt ein modernes, leuchtend rotes Gebäude mit zwei versetzten „Glasaugen“ hervor (Bild 1). Vermutet man hier erstmal einen sehr abenteuerlustigen Bauherrn, so war es eher die Reaktion auf eine Vielzahl von Zwängen sowie die Experimentierfreude eines Architekten, die diesem eigenartigen Gebäude auf seinen Platz verholfen haben. Geländes sehr viel schwieriger war als geglaubt. Es war mit einem eingeschossigen Schup­pen bebaut, der zu einem be­nachbarten Industriegebäude gehörte und im Vorfeld abgerissen wurde (Bild 3). Die verbleibende Baulücke war nur 5,50 m breit, 25 m lang und auf beiden Seiten von vier­etagigen Wohnhäusern eingekesselt. Der gleich an der Straße davor stehende historische Torbogen steht unter Denkmalschutz. Außerdem liegt die Goltsteinstraße mitten in einem Gebiet, das durch die Beschränkung eines sehr eng gefassten Bebauungsplans aus dem Jahr 1970 betroffen ist. 1.1 Randbedingungen 1.2 Bebauungsplan Der Bauherr hatte das Grundstück (Bild 2) in einem Kombinationsgeschäft erworben und musste dann feststellen, dass die Nutzung des War Bayenthal Mitte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein durch Armut und Enge geprägtes Arbeiterviertel, das sich vor den Bild 2: Baulücke mit historischem Torbogen Toren Kölns rund um das riesige Areal der „Kölner Maschinenbau AG“ drängte, wurde das Gebiet vor der Wende zum 20. Jahrhundert eingemeindet und später die Wohnviertel sowie auch große Brachflächen mit zahlreichen neuen Wohnhäusern bebaut. In den 1950er und 1960er Jahren verließen zahllose junge Familien das Viertel, um sich auf dem Land mit Haus und Garten den Traum der aufstrebenden Wohlstandsgesellschaft zu erfüllen. Diese Situation stellte die Verwaltung vor große finanzielle Probleme und der Bebauungsplan Nr. 68419/02 vom 17.08.1970 war ihr Versuch, auf diese massive Stadtflucht zu reagieren. Bild 1: Straßenansicht der abgeschlossenen Lückenbebauung mit integriertem Torbogen Copyright by Verlag Bau+Technik GmbH, Düsseldorf (www.verlagbt.de) Veröffentlichung und Verbreitung ohne Genehmigung des Verlags ist untersagt. Beton-Informationen 3 · 2007 39 stückspreis zuzüglich Baukosten lagen weit über dem, was sich mit einem durchschnittlichen Verkaufspreis für die ca. 300 m2 erzielbare Fläche hätte erwirtschaften lassen. Zudem wäre diese Standardbauweise durch die Verletzung verschiedener Auflagen nicht genehmigungsfähig gewesen. Somit galt die Baulücke hinter dem historischen Torbogen als unbebaubar. Bild 3: Abriss auf engstem Raum Im Sinne des Bebauungsplans sollte in der Stadt ein dörflicher Charakter entstehen. Die Goltsteinstraße, die dominierende Straße von Bayenthal, sollte ihre Straßenbahn verlieren, die seit der Jahrhundertwende die südlichen Stadtteile erschlossen hatte. Es war geplant, daraufhin die Straße komplett zurückzubauen, sie in ihrer Breite zu verdoppeln und die Bebauungsdichte auf weniger als die Hälfte zu reduzieren – mit einer starken Gewichtung von Einzelhäusern. Jegliche ausschließliche Büronutzung, Gastronomie, Einzelhandel oder die Nutzung durch produzierendes Ge- werbe wurde untersagt und die maximale Gebäudehöhe faktisch auf anderthalb Geschosse beschränkt. 1.3 Unbebaubar? Vor diesem Hintergrund hatte sich der Bauherr von einem größeren Generalunternehmer einen architektonischen Entwurf und ein Angebot über die Baukosten für das Gelände an der Goltsteinstraße machen lassen. Daraus war ersichtlich, dass sich mit dem Konzept einer standardisierten Architektur nur ein Defizit erwirtschaften ließe, denn Grund- Bild 4: Erster Teil des Bauwerksentwurfs unter Einhaltung aller Vorgaben – der „legale“ Teil des Gebäudes 40 2 Neue Architektur 2.1 Ansatz Einen Weg aus dieser Sackgasse zeigte der Vorschlag eines Kölner Architekten: Würde man etwas mehr Geld in „interessante Architektur“ investieren, so könnte man eventuell überproportional mehr im Verkaufspreis erwirtschaften und dadurch das Projekt finanziell ohne Defizit abschließen. Der Bauherr willigte aus reiner Kosten-Nutzen-Berechnung heraus ein. Er wollte sich ganz klar nicht mit der Gestaltung befassen und ließ dem Architekten völlig freie Hand. Bild 5: Zweiter Entwurfsteil als frei geformter Baukörper mit Verstößen gegen Grenzen – der „illegale“ Teil des Gebäudes Copyright by Verlag Bau+Technik GmbH, Düsseldorf (www.verlagbt.de) Beton-Informationen 3 · 2007 Veröffentlichung und Verbreitung ohne Genehmigung des Verlags ist untersagt. Dieser ließ sich auf die Auseinandersetzung mit dem Gelände ein. Er wollte ein Gebäude schaffen, das reiner Ausdruck sein und auf die städtebauliche Situation von Bayenthal reagieren sollte. Er wollte diesem Stadtteil ein Gebäude geben, das sich einerseits allen vorhandenen Zwängen fügt, das aber andererseits auch als eine Art Fremdkörper über diese Grenzen hinaus weist. 2.2 Halb „legale“ und halb „illegale“ Konstruktion In seinem Entwurf hielt sich der Architekt in einem ersten Schritt an alle Vorgaben. Er füllte die 5,50 m breite und 25 m tiefe Baulücke unter Berücksichtigung aller Vorschriften, Abstandsregeln, Brandschutzanforderungen und mit Blick auf den unter Denkmalschutz stehenden Torbogen komplett aus. So ergab sich ein relativ eindeutiger, „braver“ Baukörper, der nicht nur jedes Gesetz und jede Regelung einhält, sondern sogar durch sie geformt ist: Ein transparenter orthogonaler Körper, der sich aus Respekt vor der Historie einen Meter hinter den Torbogen zurücksetzt und damit der im Bebau- ungsplan zurückgesetzten vorderen Baulinie entspricht (Bild 4). Da eine komplette Überbauung nicht zulässig war, bildet der Baukörper im hinteren Gründstücksbereich durch abgetreppte Höhenstaffelung Terrassen auf jeder Ebene. Hier kommt nun der zweite Baukörper ins Spiel. Er ist gar nicht brav, sondern trotzig. Er formt sich durch die Missachtung von Regeln an diesem extrem beschränkten, von Regeln dominierten Ort. In seiner gesamten Fläche überschreitet er komplett die laut Bebauungsplan zulässige Baumasse. Dementsprechend dürfte es diesen Baukörper gar nicht geben, ist er in sich illegal. Als frei geformter und hauptsächlich verschlossener Körper bahnt er sich seinen Weg vom Straßenniveau durch das Tor und durch das orthogonale transparente Gegenstück hinauf in die oberen Etagen (Bild 5). Mit seiner Hauptmasse schaut er von den oberen Ebene zurück auf die Straße, dadurch einen Umschwung um das Tor machend. Seine „Glubschaugen“ schauen auf die Straße, in den Himmel und auf die rückliegenden Terrassen- und Hofflächen. Von jeder einzelnen Fläche des segmentierten frei geformten Baukörpers fallen entweder Abstandsflächen auf die benachbarten Grundstücke oder die Abstandsflächen sind nicht berechenbar, da die Formeln sich für die Form nicht anwenden lassen. Der Baukörper rückt wieder ganz an die Straße heran, die geltende Baulinie dadurch mißachtend. Und auch die Unterscheidung zwischen Wand, Dach und Decke – den fundamentalen Kategorien von Bauteilen in der Architektur – wird aufgehoben. Überzogen und zusammengehalten von einer roten Haut ist kein Übergang erkennbar, es gibt keine einzige aufrecht stehende Wand und der gesamte Baukörper ist quasi „detail-los” gebaut. Zusammen mit dem „legalen“ bildet dieser „illegale“ Baukörper das Gebäude: Erst die Kombination von Regelbruch und dem Akzeptieren von Grenzen bildete in diesem urbanen Kontext die Basis für gute Architektur. Erst zusammengesetzt ergab sich so ein Gebäude mit hoher räumlicher Qualität und guten Lichtverhältnissen (Bilder 6 und 7). ���������������������� Bild 6: Längsschnitt des Gebäudes Bild 7: Querschnitt des Gebäudes Copyright by Verlag Bau+Technik GmbH, Düsseldorf (www.verlagbt.de) Veröffentlichung und Verbreitung ohne Genehmigung des Verlags ist untersagt. Beton-Informationen 3 · 2007 41 Nach dem Einreichen des Bauantrags vergingen 18 Monate (sechsmal mehr als die gesetzlich vorgeschriebene Bearbeitungszeit). Dann wurde dem Bauantrag – nach vielen Verhandlungen und mit dem Argument der städtebaulichen Qualität – ohne Einwände zugestimmt. 2.3 Formentwicklung Aufgrund der komplexen Geometrie, die aus dem frei geformten Baukörper und seiner Durchdringung mit dem transparenten, orthogonalen Körper entsteht, waren Grundrisse und Schnitte nur begrenzt aussagekräftig für die Planung. Daher entstand der Entwurf immer im Dreidimensionalen, die Form wurde im Wesentlichen am Computer und im Dialog mit physikalischen Modellen entwickelt (Bild 8). Für den Bau dieser Modelle wurde eine Technik entwickelt, aus dem computerisierten 3d-Modell „Schnittbögen“ zu ziehen, mit denen die einzelnen Segmente bzw. Facetten des Baukörpers maßgenau geschnitten werden konnten. Über mehrere Bearbeitungsschritte hinweg konnte so die Form des Gebäudes optimiert und angepasst werden. Das physikalische Modell war außerdem von wesentlicher Bedeutung sowohl für die Vermittlung der räumlichen Qualität und des architektonischen Konzepts an den Bauherren als auch für den Genehmigungsprozess im Dialog mit den Behörden. Später während des Baus befand sich ein Modell im Maßstab 1:25 auf der Baustelle, das zur Kontrolle und zum besseren Verständnis der Detailzeichnungen herangezogen werden konnte (Bild 9). 2.4 Konstruktion und Tragwerksplanung Von Tragwerksplaner und Architekt gemeinsam wurden unter Berücksichtigung der Randbedingungen zwei verschiedene Tragwerksvarianten untersucht. Die erste war ein System aus Stahlbetonrahmen aus neuen Außenwänden und biegesteif angeschlossenen Decken, die jedoch bald ausgeschlossen wurde: Mit der erforderlichen Wanddicke von mindestens 20 cm beiderseits wäre etwa 7 % der maximal möglichen Gebäudebreite für Konstruktionselemente verloren gegangen, was aus wirtschaftlichen Gründen nicht vertretbar war. Bild 8: Axonometrie des aufgeschnittenen Baukörpers 42 Da die Grenzwände (Brandwände) der angrenzenden Gebäude genau mittig auf der jeweiligen Grundstücksgrenze liegen, erlaubte das Baurecht in diesem Zusammenhang eine Nutzung der Wände. Voraussetzung dafür war, dass der Brandschutz nicht beeinträchtigt werden würde, der Nachbar über die technische Ausführung informiert wurde und keine wesentlichen bzw. inakzeptablen Nachteile für diesen entstünden. Aus diesem Tatbestand wurde die zweite Tragwerksvariante entwickelt, die die Seitenwände der angrenzenden Bebauung zur Auflagerung der Geschossdecken einbindet. Diese Version wurde weiterverfolgt und im Hinblick auf die Queraussteifung untersucht. Trotz der abgeschirmten Lage des Gebäudes war gemäß DIN die volle Windlast anzusetzen. Außerdem traten zusätzliche Stabilisierungkräfte auf. Im Entwurf war nur ein Minimum an innen liegenden Wänden, vor allem Querwänden, vorgesehen. Die wesentlichen aussteifenden Querwände befinden sich im Bereich des Treppenhauskerns, weitere an der rückwärtigen Fassade im Erdgeschoss Bild 9: Modell im Maßstab 1:25 Copyright by Verlag Bau+Technik GmbH, Düsseldorf (www.verlagbt.de) Beton-Informationen 3 · 2007 Veröffentlichung und Verbreitung ohne Genehmigung des Verlags ist untersagt. Bild 10: Einbau der Stahlbetonfundamentplatte und im ersten Obergeschoss. Da die Länge der Wände und die darauf aus den Decken einwirkenden Vertikallasten nicht ausgereicht hätten, um die einwirkenden Lasten – auch aus Windbeanspruchung – aufzunehmen, mussten auch diese Innenwände aus Stahlbeton erstellt werden. Nach weit reichenden Untersuchun­ gen von verschiedenen Tragsystemen für das Faltwerk (oberer Gebäude­ abschluss) wurde auch hier die Stahl­ betonvariante ausgewählt, weil es nur durch die Schalenkonstruktion aus Ortbeton dermaßen optimiert werden und die architektonisch gewünschte Form so am besten abbilden konnte. Bild 11: Unterfangung der benachbarten Kelleraußenwände fangen (Bild 11). In den Bereichen, wo keine angrenzende Bebauung vorhanden ist, wurden Kellerwände aus Ortbeton auf der Fundamentplatte erstellt. Eine Weiße Wanne war aufgrund des niedrigen Grundwasserstandes nicht erforderlich. Die tragenden Innenwände des Kellers (Treppenhauswände) und die Kellerdecke wurden in Ortbeton ausgeführt. Nur die nichttragenden Wände wurden aus Kalksandstein gemauert. 3.2 Wände und Dachflächen Die seitlichen Begrenzungswände des Gebäudes werden durch die bestehenden Brandwände aus altem Klinker gebildet. Alle neuen Wände sind aus Ortbeton hergestellt und mit Hilfe von Auflagertaschen mit den bestehenden Brandwänden kraftschlüssig verbunden. Das Stemmen mit einem mechanischen Hammer musste sehr sorgfältig erfolgen. Zum einen durfte man nicht das Gefüge des alten Mauerwerks lösen und damit seine Tragfähigkeit reduzieren. Zum andern konnte man nicht zu tief in das Mauerwerk stemmen, da man sonst Gefahr lief, die gesamte Wand zu durchbrechen. Diese Arbeit war sehr aufwendig und erforderte viel Aufmerksamkeit von den ausführenden Arbeitern. Der Vorteil des Raumgewinns war jedoch beträchtlich, da 3 Bauablauf 3.1 Gründung und Keller Die Gründung besteht in den wesentlichen Bereichen aus einer 25 cm bzw. 35 cm dicken Fundamentplatte aus Stahlbeton (Bild 10). Teilweise wurden die Wände auf die bestehenden Fundamente der Nachbarbebauung aufgelagert. Die vorhandenen Kelleraußenwände der benachbarten Bebauung wurden abschnittsweise mit Mauerwerk unter- Bild 12: Außenwände und Dachkonstruktion aus Stahlbeton gehen nahtlos ineinander über. Copyright by Verlag Bau+Technik GmbH, Düsseldorf (www.verlagbt.de) Veröffentlichung und Verbreitung ohne Genehmigung des Verlags ist untersagt. Beton-Informationen 3 · 2007 43 Bild 13: Nur in wenigen Bauabschnitten konnte ein fertiges Schalsystem eingesetzt werden. die Breite der Nutzfläche so maßgeblich erhöht werden konnte. Da die Konstruktion nicht zwischen Außenwänden und Dachflächen unterschied, gehen die Bauteile nahtlos ineinander über; sie wurden ebenfalls aus Stahlbeton erstellt (Bild 12). Aufgrund der meist geneigten Wände und der sehr unregelmäßigen Geometrien konnte dabei nur in sehr geringem Umfang auf fertige Schalsysteme (Rahmenschalung) zurückgegriffen werden. Überwiegend wurden vor Ort Holzschalungen in Zimmermannsarbeit erstellt (Bild 13). Die mehrfach gefaltete WandDecken-Konstruktion erzeugt ein in sich sehr steifes statisches System, bei dem die Dimensionierung der Bauteile auf das ausführungstechnisch erforderliche Mindestmaß von 12 cm reduziert werden konnte (Bild 14). Die stark geneigten Dachflächen wurden mit einseitiger, oben offener Schalung betoniert (Bild 15). Die Technik, mit der aus dem computerisierten 3d-Modell „Schnittbögen“ für den physikalischen Modellbau gezogen wurden (Bild 16), kam auch beim Erstellen der Schal- und Ausführungspläne zum Einsatz (Bilder 17 und 18). Da die meisten Wand­ elemente in ihren drei Dimensionen frei in den Raum gelegt wurden, Bild 15: Betonieren der stark geneigten Dachflächen 44 Bild 14: Bewehrungsarbeiten an der 12 cm dicken Dachkonstruktion mussten erst mit Laser und der Hilfe von Triangulierung die Kanten und Eckpunkte der zu errichtenden Wände in Bezug zu festgelegten Punkten fixiert werden. Daraufhin wurden auf der Grundlage der Schnittbögen die Schaltafeln erstellt und aufgerichtet und dann die Wandelemente betoniert (Bilder 19 und 20). Durch die enge Zusammenarbeit zwischen Zimmermännern und Rohbauern sowie eine Vielzahl von Kontrollmaßen konnte so über eine große Höhe eine sehr hohe Genauigkeit in der Maßtoleranz erzielt werden. So blieben z.B. bei einer frei spannenden Wand mit einer Höhe von etwa 11 m die Abweichungen unter 1,5 cm. Bild 16: Berechnung der Spannungen mit der Finite-ElementeMethode; hier: Faltwerk Dach (Lastfall: Eigengewicht und Schnee) Copyright by Verlag Bau+Technik GmbH, Düsseldorf (www.verlagbt.de) Beton-Informationen 3 · 2007 Veröffentlichung und Verbreitung ohne Genehmigung des Verlags ist untersagt. Bild 17: Wandabwicklung 1. OG Bild 18: Dach- und Wandabwicklung 4. OG 3.3 Decken und Innenwände Dicke von 40 cm war für diese zusätzliche Belastung ausreichend dimensioniert. Durch eine Trennung mit dämmenden Platten aus PUSchaum wurde eine Schallübertragung zwischen den Häusern vermieden (Bild 22). Auch die 18 cm bis 20 cm dicken Geschossdecken sind mit Hilfe von Auflagertaschen in den seitlichen bestehenden Giebelwänden aufgelagert. Dazu wurden alle 150 cm in Deckendicke 50 cm breite und 20 cm tiefe Auflagertaschen in das Mauerwerk gestemmt und die Kräfte über Ausschlussbewehrung und Bügel in die Giebelwände geleitet (Bild 21). Das historische Mauerwerk mit einer Die tragenden inneren Wände (Treppenhauswände, Wohnungstrennwände) sind ebenfalls ausschließlich aus Ortbeton ausgeführt. Wegen der teilweise stark geneigten Wandflä- Bild 19: Schrägen und Winkel beim Schalen und Bewehren ... chen und unregelmäßigen Formen konnte auch hier keine vorgefertigte Schalung verwendet werden; die Schalung wurde vor Ort in Zimmermannsarbeit erstellt. Aufgrund der fließenden, offenen Grundrisse der Wohnungen, die über zwei bzw. drei Ebenen verlaufen, gibt es – mit Ausnahme der Nasszellen – keine weiteren Wände innerhalb der Wohnung. Die Treppenläufe sowie -podeste sind aus Ortbeton in Sicht­betonqualität ausgeführt. Bild 20: ... und beim Betonieren Copyright by Verlag Bau+Technik GmbH, Düsseldorf (www.verlagbt.de) Veröffentlichung und Verbreitung ohne Genehmigung des Verlags ist untersagt. Beton-Informationen 3 · 2007 45 Bild 21: Übertragung der Kräfte über Auflagertaschen in das 40 cm dicke Mauerwerk der benachbarten Wände 4 Betonzusammensetzung und Betoneinbau Der Beton wurde nicht zuletzt wegen der beengten Baustellenverhältnisse als Transportbeton angeliefert und zum Einbauort gefördert – im Kellergeschoss mit Kübel und Schlauch und in den Obergeschossen mittels Pumpe (Bild 23). Mit Ausnahme einiger weniger Innenbauteile wurden alle Betone mit Hochofenzement CEM III/A 32,5 N hergestellt. Maßgebend hierfür war, dass keine Anforderungen an die Frühfestigkeit gestellt worden wa- ren, sondern vielmehr die Sicherstellung einer ausreichenden Verarbeitbarkeit im Vordergrund stand. Diese war wesentlich aufgrund der konstruktionsgegeben erschwerten Einbaubedingungen und auch wegen der zu erwartenden höheren Außentemperaturen im Sommer – die gesamte Bauzeit vom Abbruch bis Erstellung des Rohbaus dauerte von April bis Oktober 2002. Die maximalen Temperaturen lagen tatsächlich von Juni bis August zwischen 30° C und 35° C. Alle Außenbauteile wurden mit Beton der Festigkeitsklasse B 25 (nach Bild 23: Einbau des Betons im Keller mit Kübel und Schlauch 46 Bild 22: Einbau von Dämmplatten aus PU-Schaum zur Verhinderung der Schallübertragung DIN 1045-2 und DIN EN 206-1 C25/30 für die Expositionsklassen XC4/XF1) hergestellt. Für das Treppenhaus, die Innenwände und die Dachkonstruktion wurde ein B 25 (nach neuer Norm C20/25, XC1) eingebaut (Tafel 1). Da die Bauteile bei einer sehr unregelmäßigen Bau­teilgeometrie (Bild 24) teilweise einen hohen Bewehrungsgrad aufwiesen, wurde Beton mit einem Größtkorn von 16 mm verwendet. Lediglich der Beton für die Geschossdecken wurde mit einem Größtkorn 32 mm hergestellt. Die Verdichtung erfolgte stets mit Innenrüttlern (Bild 25). Bild 24: Keine Parallelität, kein rechter Winkel Copyright by Verlag Bau+Technik GmbH, Düsseldorf (www.verlagbt.de) Beton-Informationen 3 · 2007 Veröffentlichung und Verbreitung ohne Genehmigung des Verlags ist untersagt. Bild 25: Verdichtung des Betons einer Außenwand mit dem Innenrüttler Bild 26: Nachbehandlung eines betonierten Abschnitts durch Folienabdeckung 5 Logistik und Gerüstbau Nach dem Ausschalen wurde der Beton mehrere Tage mit Folie abgedeckt; während der Sommermonate bei hohen Temperaturen war eine zusätzliche Feuchthaltung vorgesehen (Bild 26). Der Bauprozess stellte große Ansprüche an das Handwerk und besonders an die Logistik: Da das gesamte Grundstück überbaut wurde und nur minimale Lageflächen in angrenzenden Bereichen für die Baustelleneinrichtung und die Lagerung von Material zur Verfügung standen, waren die Logistik des Materialtransports, die zeitgerechte Lieferung, die Tafel 1: Betonzusammensetzung der einzelnen Bauteile Ausgangsstoffe Außenbauteil Betonfestigkeitsklasse (Expositionsklasse) besondere Eigenschaften Konsistenz Zementart und Festigkeitsklasse Innenbauteile Wände, Treppenhaus, Podeste, Dachkonstruktion Decken Sonstige B 25 (C25/30) B 25 (C20/25) B 25 (C20/25) B 25 (C20/25) (XC4, XF1) (XC1) (XC1) (XC1) Wasserundurchlässigkeit - - - KR KR KR KR CEM III/A 32,5 N CEM III/A 32,5 N CEM III/A 32,5 N CEM I 32,5 R Zementgehalt z kg/m3 300 280 260 280 Wassergehalt kg/m 190 182 170 182 0,59 0,60 0,60 0,60 Rheinkies Rheinkies Rheinkies Rheinkies 16 16 32 16 Steinkohlen­flugasche Steinkohlen­ flugasche Steinkohlen­ flugasche Steinkohlen­ flugasche 60 60 60 60 - BV BV BV 0,40 0,40 0,40 3 (w/z)eq (k = 0,4) Gesteinskörnung Vorkommen Größtkorn mm Zusatzstoff Art Gehalt kg/m3 Zusatzmittel Art Gehalt % von z Copyright by Verlag Bau+Technik GmbH, Düsseldorf (www.verlagbt.de) Veröffentlichung und Verbreitung ohne Genehmigung des Verlags ist untersagt. Beton-Informationen 3 · 2007 47 Bild 27: Beengte Verhältnisse erforderten eine optimale Baustelleneinrichtung zur Aufrechterhaltung aller Verkehrsströme Koordinierung der Arbeitsschritte und das Controlling der Baustelle von entscheidender Bedeutung für den Baufortschritt. Bei der Baustelleneinrichtung war zu berücksichtigen, dass in dem nur 8,80 m breiten Straßenbereich der Auto- und Straßenbahnverkehr aufrecht erhalten werden musste, wobei der Zwangpunkt die Schienenführung der Straßenbahn darstellte. Auch die Fußgänger mussten gefahrlos an der Baustelle vorbeigeführt werden. Aus diesem Grund wurde ein Turmdrehkrahn auf einem Portal eingesetzt (Bild 27). Von wesentlicher Bedeutung für die Ausführung und besonders für die Arbeiten an der PU-Beschichtung war ein sehr aufwendig konstruiertes (und zum Teil recht abenteuerlich wirkendes) Gerüst, das zwar die Form des Baukörpers nachfahren musste, sich aber nur an möglichst wenigen Stellen abstützen durfte. Dabei sollte es einen gleichmäßigen Abstand von 50 cm von der betonierten Oberfläche halten und trotz der vielfach auskragenden beziehungsweise abtreppenden Konstruktion bis auf die Fußpunkte an keiner Stelle Verbindung mit den Wandoder Dachflächen haben (Bild 28). Der gleich bleibende Abstand von den Betonflächen war erforderlich, um einen gleichmäßigen Auftrag der PU-Beschichtung sicherzustellen und eine spätere Verfärbung, die Bild 29: Verklebung aller Außen- und Dachflächen mit Hartschaumplatten zur Wärmedämmung 48 Bild 28: Aufwendiges, nahezu frei schwebendes Gerüst zum Aufbringen der PU-Beschichtung sich aus einer unterschiedlichen Dicke der Beschichtung ergeben hätte, zu vermeiden. 6 Beschichtung Bei der Gestaltung der Gebäudeaußenflächen wurde ein einheitliches Material als Fassaden- und Dachmaterial verwendet, um einen homogenen Gesamteindruck des Baukörpers zu erzeugen. Nach Fertigstellung des Rohbaus wurden alle Außenflächen, also die nahtlos ineinander übergehenden Außenwände und Dachflächen, mit einer trittfesten Hartschaumplatte (PS 30, 120 mm) gedämmt, die mit Bild 30: Aufbringen eines 3 mm dicken bewehrten Putzes Copyright by Verlag Bau+Technik GmbH, Düsseldorf (www.verlagbt.de) Beton-Informationen 3 · 2007 Veröffentlichung und Verbreitung ohne Genehmigung des Verlags ist untersagt. Bild 31: Aufbringen der Haftgründung, eines Zwei-Komponenten-Systems auf Flüssigharzbasis den Betonflächen verklebt und verdübelt wurde (Bild 29). Diese Wärmedammung wurde anschließend mit einem 3 mm dicken Bewehrungsputz versehen, um alle Fugen und Kanten zu überbrücken, und als Grundlage für die nachfolgende PU-Beschichtung. Bei dem Bewehrungsputz war ein möglichst gleichmäßiger Auftrag und eine präzise Kantenausbildung wichtig, da eventuelle Ungenauigkeiten und Toleranzen in der endgültigen Oberfläche sichtbar geblieben wären (Bild 30). Als Haftgrundierung wurde ein lösemit­telfreies und unpigmentiertes Zwei-KomponentenSystem auf Polyurethan-Flüssigharz- Bild 32: Mit Quarzsand 0,3 mm bis 0,8 mm abgestreuter Haftgrund basis aufgebracht. Um eine weitere Verbesserung des Haftgrundes zu erreichen, wurde die Fläche nachträglich mit einem Quarzsand der Körnung 0,3 bis 0,8 mm abgestreut (Bilder 31 und 32). Auf diese Haftgrundierung wurde schließlich die eigentliche Abdichtungsschicht auf die gesamte Außenfläche gesprüht (Bild 33). Diese etwa 4 mm dicke Haut besteht aus einem pigmentierten, lösemittelfreien Zwei-Komponenten-System auf Polyurethan-Flüssigharzbasis, das gegen Feuer und abstrahlende Wärme beständig ist. Es wird häufig für die Abdichtung von Flach­ dächern eingesetzt und ist extrem Bild 33: Aufsprühen der 4 mm dicken Abdichtungsschicht auf Polyurethan-Flüssigharzbasis beanspruchbar und haltbar. Diese Beschichtung mit Polyurethan stellt die wasserführende Schicht dar und ist diffusionsoffen. Der große Vorteil bestand darin, dass sie in allen Lagen und Orientierungen auf den Baukörper angewendet werden konnte. Es musste nicht zwischen Dachflächen, geneigten oder senkrechten Außenwänden oder überhängenden Bereichen unterschieden werden und an Knicklinien, Firstlinien, Traufkanten und Fensteranschlüssen waren keinen Leisten, Bleche oder andere Profile erforderlich. So konnte die Schicht einheitlich auf allen Flächen aufgebracht werden und überzieht nun das komplette Gebäude wie eine Haut. Bild 34: Versiegelung der Abdichtung mit rot pigmentiertem Polyurethan-UV-Schutz Copyright by Verlag Bau+Technik GmbH, Düsseldorf (www.verlagbt.de) Veröffentlichung und Verbreitung ohne Genehmigung des Verlags ist untersagt. Beton-Informationen 3 · 2007 49 Bild 35: Aufbau der Gesamtbeschichtung, bestehend aus 3 mm bewehrtem Putz, Haftgrund mit Quarzsandeinstreuung, 4 mm Abdichtung und rotem PU-UV-Schutz Um die UV-Beständigkeit des Abdichtungsmaterials zu verbessern und zur einheitlichen Farbgebung wurde die Beschichtung abschließend mit einem rot (RAL 3000) pigmentierten Polyurethan-UV-Schutz versiegelt (Bild 34). Den Aufbau der kompletten Beschichtung zeigt (Bild 35). Bild 36: Beschichtung der Fensterlaibungen mit rot eingefärbtem Polyurethan (aus optischen Gründen) Darüber hinaus hat jede Einheit ihre eigene Außenfläche in Form eines Innenhofs. Für die Büroeinheit liegt er im Erdgeschoss, für die beiden Wohneinheiten jeweils als Terrasse auf dem 1. und 2. Obergeschoss. Die Terrassen sind als Flachdachkonstruktion auf die Deckenplatten aufgebaut und mit Betonwerksteinen ausgelegt. 8 Resumee Die Baulücke in Köln-Bayenthal wur­ de mit einem Gebäude geschlossen, das alle Möglichkeiten des Baustoffs Stahlbeton ausnutzt. In einer engen Lücke, auf drei Seiten durch Bauten begrenzt, ist ein Gebäude mit großer räumlicher Abwechslung, Spannung Auch die Aufkantungen der Fensteröffnungen wurden in die Farbgestaltung einbezogen (Bild 36). Diese verstärken so den Objektcharakter der Fen­ster, rahmen den Blick aus den Innenräumen ein und fokussieren ihn. 7 Offenheit durch Atrien, Glasfassaden und Terrassen Die Atrien und großen Deckenöffnungen leiten das Licht über drei Ebenen hinunter (Bild 37). Sie wurden im zentralen Bereich und entlang der hinteren Außenwände angeordnet, um die Belichtung der Wohnungen zu verbessern und innerhalb des schmalen Grundstücks den Eindruck von Großzügigkeit zu erzeugen. Straßenseitig und um den hinteren Innenhof herum wurde eine Pfosten-RiegelGlasfassade eingebaut mit etagenhohen Fenster­elementen, die eine optimale Belichtung erzielen (Bild 38). 50 Bild 37: Beckenöffnungen leiten das Licht durch das ganze Gebäude Copyright by Verlag Bau+Technik GmbH, Düsseldorf (www.verlagbt.de) Beton-Informationen 3 · 2007 Veröffentlichung und Verbreitung ohne Genehmigung des Verlags ist untersagt. Bild 38: Zum Innenhof gebaute Pfosten-Riegel-Glasfassade und skulpturaler Qualität entstanden. Das Gebäude geht nicht nur komplett an die Grenzen des Grundstücks, sondern in seiner Auslastung, in seinen Maßen, in der Komplexität und der Materialität teils sogar darüber hinaus. Es überlastet das Grundstück in gewisser Weise, geht fast rabiat mit ihm um. Aber es bringt auch die ökonomische Situation, die Konstellation der Gesetze und Vorschriften sowie die soziokulturellen Eigenschaften des Stadtteils in einer gebauten Form zum Ausdruck. So fremd der Baukörper wirken mag, umso realer bezieht er sich auf die Historie und den derzeitigen Zustand des Stadtviertels und bereichert aus dieser Ausgangslage heraus das nähere Umfeld (Bild 39). Bild 39: Ein Farbtupfer inmitten historischer Bauten Dem außergewöhnlichen Bauwerk wurde in der Folge viel Aufmerksamkeit und Anerkennung zuteil. Von der Zementindustrie wurde der Architekt mit dem Architekturpreis Beton 2003 ausgezeichnet. Die Jury begründete ihre Entscheidung so: „Das rüde geschalte und betonierte Gebilde wird durch die mehrfach aufgetragene Beschichtung zur perfekten homogenen Skulptur, die zwar den gestalterischen Raum der Zeile – insbesondere den des unsichtbar wirkenden Bebauungsplans – sprengt, sich aber doch gelungen in die heterogene Ornamentik der Nachbarschaft einfügt.“ Abschließend soll noch darauf hingewiesen werden, dass die viel zitierte Zusammenarbeit im Rahmen Bauschild Bauherr Turris Immobilien GmbH, Köln Architekt Dipl.-Ing. Manuel Herz, Köln Tragwerksplanung ARUP GmbH, Düsseldorf Prüfstatik Pirlet & Partner Baukonstruktionen Ingenieurgesellschaft mbH, Köln Bauausführung A. Otto & Sohn GmbH & Co. KG, Leverkusen Transportbeton Beton Union Köln-Bonn GmbH, Köln Dachabdichtung Wilhelm Zilken GmbH, Köln PU-Abdichtung Reaku Hobein GmbH, Überlingen Estricharbeiten Kiekuth Unico GmbH, Langenfeld eines Bauteams beim Bau dieses Wohn- und Geschäftshauses erfreulicherweise umgesetzt werden konnte. Auf Grund der vielen Einengungen, sowohl zeitlich als auch räumlich und betrieblich waren eine frühzeitige Abstimmung zwischen allen Beteiligten und eine „minutiöse“ Koordination aller Arbeitsabläufe zwingend erforderlich. Nur so war es möglich, diese Lückenbebauung in der vorgesehenen Zeit ohne besonderen Vorkommnisse durchzuführen. 9 Literatur Kaugummiblase. Wohn- und Geschäftshaus in Köln. Beton Prisma 83 (2004), S. 39-42. Klostermeier, C.: Unbebaubar? Legal/illegal: Extravagante Baulückenschließung in Köln-Bayenthal. Bauhandwerk 6/2004, S. 26-32. „Legal/illegal“ Bebauung einer Baulücke mit einem Wohn- und Geschäftshaus im Köln. Technische Projektbeschreibung des Architekten. Legale / Illegale Architektur. Die Bebauung einer Baulücke im Kölner Süden. www.manuelherz.com. Wilde-Schröter, T.: Baulücke Goltsteinstraße – Anmerkungen zur Tragwerksplanung. Blickfang: Zeitgenössische Architektur setzt den Beton sichtbar in Szene. beton 54 (2004) Heft 6, S. 319-321. Copyright by Verlag Bau+Technik GmbH, Düsseldorf (www.verlagbt.de) Veröffentlichung und Verbreitung ohne Genehmigung des Verlags ist untersagt. Beton-Informationen 3 · 2007 51 Copyright by Verlag Bau+Technik GmbH, Düsseldorf (www.verlagbt.de) Veröffentlichung und Verbreitung ohne Genehmigung des Verlags ist untersagt.