4 Hämatologie und Hämostaseologie Die klinischen Aussagen dieser beiden Messgrößen sind sehr vergleichbar, allerdings sind die Halbwertszeiten, Referenzbereiche und Einflussgrößen (z. B. Nierenfunktion) unterschiedlich. NT-proBNP hat die längere Halbwertszeit und ist in der unzentrifugierten Probe deutlich länger stabil (mindestens 24 h). Tab. 3.1 Referenzwerte für BNP und NT-proBNP BNP (pg/ml) NT-proBNP (pg/ml) Männer < 100 < 88 (bis 50 Jahre), < 227 (über 50 Jahre) Frauen < 100 < 153 (bis 50 Jahre), < 334 (über 50 Jahre) Referenzwerte: Siehe Tab. 3.1. Diagnostische Bedeutung: BNP-Werte unter 100 pg/ml machen eine chronische Herzinsuffizienz unwahrscheinlich, bei 100–400 pg/ml ist diese unsicher und über 400 pg/ml sehr wahrscheinlich. Beim NT-proBNP sind diese Grenzen 400 pg/ml, 400–2000 pg/ml und über 2000 pg/ml. Bei einem BNP-Cut-off von 100 pg/ml ergeben sich eine Sensitivität von 94 % (89–97 pg/ml) und eine Spezifi- tät von 94 % (89–97 pg/ml) sowie ein positiv prädiktiver Wert von 92 % (85–96 pg/ml) und ein negativ prädiktiver Wert von 96 % (91–98 pg/ml) für eine Herzinsuffizienz. Die totale Richtigkeit der Entscheidung beträgt insgesamt 94 %, was für einen Laborparameter sehr gut ist. Vergleichbar verhält sich das NT-proBNP. 4 Hämatologie und Hämostaseologie 4.1 Blutzellsystem DEFINITION ▪ Hämatologie: Die Hämatologie ist die Lehre von der Physiologie und Pathophysiologie des Blutes und der blutbildenden Organe. Sie befasst sich mit Erkrankungen des Blutes, Blutbildungsstörungen des Knochenmarks sowie Blutveränderungen durch immunologische Prozesse. ▪ Hämostaseologie: ist ein Untergebiet der Hämatologie. Sie befasst sich mit den Blutgerinnungsstörungen, Hämophilien (Störungen der Blutstillung) und Thrombophilien (Übergerinnbarkeit des Blutes). Blutbildveränderungen treten nicht nur bei hämatologischen Erkrankungen auf, sondern sind Begleitphänomen einer Vielzahl von Erkrankungen. Ein erster Schritt zur Diagnose hämatologischer Erkrankungen ist die Erstellung eines (kleinen) Blutbildes. Es umfasst: ▪ Zellzahl der Erythro-, Leuko- und Thrombozyten ▪ Hämoglobinkonzentration (Hb) und Hämatokrit (Hkt) ▪ Erythrozytenindizes: - durchschnittliches Volumen eines Erythrozyten (mittleres korpuskuläres Volumen MCV) - mittlerer Hämoglobingehalt eines einzelnen Erythrozyten (mittlerer korpuskulärer Hb-Gehalt MCH) - Hämoglobinkonzentration aller zellulären Blutbestandteile (mittlere korpuskuläre Hb-Konzentration MCHC). Das Differenzialblutbild gibt zusätzlich Aufschluss über die verschiedenen Leukozytenpopulationen und Reifungsstadien der Blutzellen. Für die Abklärung hämatologischer Erkrankungen ist es fast immer unverzichtbar. 4.1.1 Präanalytik Hämatologie Das kleine Blutbild wird heute nahezu ausschließlich mechanisiert erstellt (Blutbildanalyser). Auch die Leukozytendifferenzierung ist automatisiert und erfolgt nur in besonderen Fällen mikroskopisch, ebenso wie die morphologische Beurteilung von Erythrozyten und Thrombozyten. Die Blutbildanalysatoren benötigen antikoaguliertes Vollblut; bereits minimale Koagelbildung verbraucht Thrombozyten und andere Zellen, was zu falsch niedrigen Zählergebnissen führt. Die meisten Geräte haben zwar einen „clot“-Detektor, aber nicht jedes Gerinnsel wird tatsächlich erfasst. Insbesondere Blutentnahmen aus Venenverweilkathetern machen immer wieder Schwierigkeiten. Ebenso sollte die unvollständige Füllung der EDTA-Probenröhrchen vermieden werden, da die Blutzellen hierbei zu hohen EDTA-Konzentrationen und hypertonen Bedingungen ausgesetzt werden können. Probengewinnung Siehe Blutentnahme [S. C522]. Probentransport und -aufbewahrung Um das Blut für Laboruntersuchungen ungerinnbar zu machen, wird es mit bestimmten Antikoagulanzien versetzt, die sich bereits bei der Abnahme im Probenröhrchen befinden. Tab. 4.1 gibt einen Überblick über gebräuchliche Antikoagulanzien und ihre Verwendung. EDTA-Blut sollte bei Raumtemperatur transportiert und bis zur Messung aufbewahrt werden, auch die Lagerung für Nachkontrollen sollte bei Raumtemperatur erfolgen. Nachkontrollen des Blutbilds sind bis zu 24 h nach Entnahme – bedingt – möglich: Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 548 Gerinnung hellblau oder grün Na-Citrat 1 + 4 (0,109 mol/l) BSG schwarz oder violett Li-Heparinat Klinische Chemie grün oder orange Na-Fluorid Glukose, Lactat grau oder gelb *Die an zweiter Stelle genannten Farbcodierungen sind lediglich in Deutschland anzutreffen. Die anderen sind international üblich. ▪ Zellzahlergebnisse sind bis zu 72 h stabil. ▪ Die Richtigkeit der automatisierten Zelldifferenzierung ist bis zu 24 h stabil. ▪ Die Feinmorphologie der Leukozyten bei der Mikroskopie verändert sich nach 2 h. ▪ Mittleres Thrombozytenvolumen (MPV), mittleres Erythrozytenvolumen (MCV) und Verteilungsbreite der Erythrozyten (RDW) steigen nach 2 h an. Anstelle mit EDTA-Blut kann die Blutbilduntersuchung ersatzweise auch mit Heparinvollblut oder Citratvollblut (Verdünnungseffekt!) erfolgen. Cave: In ungefähr 0,1 % normaler Proben erzeugt EDTA eine Plättchenaggregation oder eine Thrombozyten-Leukozyten-Satellitenbildung, was zu falsch niedrigen Thrombozytenzahlen und möglicherweise erhöhten Leukozytenwerten führt. Nach der Erfahrung größerer Untersuchungen können 15 % aller Thrombozytopenien auf eine solche Pseudothrombozytopenie zurückgeführt werden. Deshalb ist die Bestimmung der Thrombozytenzahl aus Citratblut bei einer unklaren Thrombozytopenie obligat (z. B. mit speziellen CTAD-Röhrchen). 4.1.2 Erythrozyten Hämatokrit DEFINITION Hämatokrit (HCT) ist der Volumenanteil aller zellulären Bestandteile des Blutes am Gesamtvolumen des Blutes. Indikation: ▪ Diagnostik und Therapiekontrolle bei Anämien und Polyglobulie ▪ Bestimmung als Rechengröße für den Erythrozytenindex MCHC ▪ Diagnostik von Störungen des Wasserhaushalts. Probenmaterial: Untersucht wird EDTA-Venenblut. Es ist im Kühlschrank 1 Woche haltbar. 2.–4. Woche 0,38–0,51 4.–12. Woche 0,30–0,38 > 12 Wochen und Kinder 0,31–0,40 Säuglinge + Kinder Frauen 0,35–0,47 Männer 0,40–0,52 Methodik: ▪ Zentrifugation: In einer Einwegkapillare wird die Probe 10 min hochtourig zentrifugiert und das Volumen der sedimentierten Zellen im Verhältnis zum Volumen des Gesamtblutes angegeben. Die Einheit des Hämatokrit ist dimensionslos (Ergebnis z. B. 0,44). Häufig erfolgt die Angabe auch in Prozent (im Beispiel entsprechend 44 %). ▪ Indirekte Bestimmung: Im Hämatologieanalysator werden Erythrozytenkonzentration (RBC) und das mittlere Erythrozytenvolumen (MCV) gemessen und daraus der Hämatokrit berechnet: HCT = MCV (fl) × RBC (106/μl) Referenzwerte: Die Referenzwerte sind abhängig von Alter und Geschlecht (Tab. 4.2) Erythrozytenindizes Erythrozytenindizes werden mithilfe des kleinen Blutbildes bestimmt. Als Grundlage dienen dazu der Hämatokrit, die Hämoglobinkonzentration und die Erythrozytenzahl. DEFINITION Es gibt folgende Erythrozytenindizes: ▪ MCV: mittleres Zellvolumen (mean corpuscular/cell volume) ▪ MCH: mittleres Zellhämoglobin (mean corpuscular/cellular hemoglobin) ▪ MCHC: mittlere korpuskuläre Hämoglobinkonzentration (mean corpuscular/cellular hemoglobin concentration) ▪ RDW: Größenverteilungsbreite der Erythrozyten (relative distribution width). Indikation: ▪ Diagnostik von Anämien und Polyzythämien ▪ Verlaufskontrolle bei hämatologischen Bluterkrankungen ▪ Vorsorgeuntersuchung. Probenmaterial: Als Probenmaterial dient EDTA-Vollblut. Es ist bei Raumtemperatur bis 1 Tag haltbar. MERKE Vor der Untersuchung müssen die Blutzellen resus- pendiert werden. Anamnese LS Na-Citrat 1 + 9 (0,109 oder 0,125 mol/l) 0,47–0,63 Allg.-med. lila oder rot 0,52–0,68 1.–2. Woche Arb./Soz. Hämatologie 1.–4. Tag Säuglinge Recht K2- oder K3-EDTA Neugeborene Patho rot oder weiß oder braun Ges.-ökon. Palliativ Altern Mikrobio Kl. Chem. Radio Pharma Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Klinische Chemie, Immunologie, Transfusionsserologie Wert (l/l) Präv. ohne (mit Gerinnungsaktivator) Patient Reha Farbcodierung* Hygiene Einsatzgebiet Umw./Tox. Antikoagulans Tab. 4.2 Referenzwerte für Hämatokritbestimmungen Epidem. Tab. 4.1 Häufig verwendete Antikoagulanzien und ihre Anwendungsgebiete (nach Dörner, Klinische Chemie, Thieme, 2009) 549 GTE 4.1 Blutzellsystem 4 Hämatologie und Hämostaseologie Methodik: Bestimmung der Erythrozytenzahl: Sie erfolgt durch automatische Zellzählung über Impedanzmessung (CoulterCounter) oder Laserstreulichtmessung mit hoher Präzision durch Auszählung von mindestens 50 000 Zellen. Die mikroskopische Kammerzählung spielt keine Rolle mehr. Bestimmung der Erythrozytenindizes: ▪ MCV (fl) = Hämatokrit (l/l) / Erythrozytenzahl (106/μl) ▪ MCH (pg) = Hämoglobin (g/l) / Erythrozytenzahl (1012/ μl) ▪ MCHC (g/dl) = Hämoglobin (g/dl) / Hämatokrit (l/l). RDW: Die Darstellung der Erythrozytenverteilungsbreite (RDW) erfolgt als Histogramm durch den Blutbildanalysator. Sie wird üblicherweise nicht in die Labor-EDV und damit auch nicht in die Befunde übernommen. Die RDW zeigt empfindlicher als das MCV das Vorhandensein auch geringer Subpopulationen größerer oder kleinerer Erythrozyten an. Referenzwerte: Referenzwerte sind abhängig von Alter und Geschlecht (Tab. 4.3). Diagnostische Bedeutung: MCV: Mittels des MCV-Wertes können Anämien in normo-, mikro- oder makrozytäre Formen eingeteilt werden. Solange bei einer beginnenden mikrozytären oder makrozytären Anämie nur eine relativ geringe Zahl abnormaler Erythrozyten vorliegt, ist das MCV kaum auffällig. Hier sind RDW und die mikroskopische Blutbilduntersuchung deutlich im Vorteil. MCH: Anämien lassen sich nach dem MCH einteilen in: ▪ normochrom (MCH 28–34 pg) ▪ hypochrom (MCH < 28 pg) ▪ hyperchrom (MCH > 34 pg). MCV und MCH sind bei den meisten Anämieformen gleichsinnig verändert. MCHC: Aufgrund des parallelen Verhaltens von Hämoglobingehalt und Volumen des Einzelerythrozyten bleibt das MCHC bei vielen Veränderungen des roten Blutbildes unauffällig und ist daher von eingeschränktem klinischem Nutzen. Ein erhöhtes MCHC ist meistens artifiziell, z. B. beim Vorliegen von Kälteagglutininen, sollte aber mikroskopisch abgeklärt werden, da selten auch eine hereditäre Sphärozytose mit kugeligen Erythrozyten infolge eines Membrandefekts vorliegen kann. Osmotische Resistenz Indikation: Eine verminderte osmotische Resistenz findet sich bei der Sphärozytose. Methodik: Zur Prüfung der osmotischen Resistenz wird jeweils ein Tropfen Blut zu verschieden stark hypotonen Kochsalzlösungen gegeben, nach Schütteln wird 3 h bei Raumtemperatur inkubiert und anschließend fotometrisch der Hämolysegrad (minimale und maximale Hämolyse) festgestellt. Der Hämolysebeginn normaler Erythrozyten erfolgt erst bei einer Kochsalzkonzentration unter 0,46 %. Beginnt die Hämolyse bereits früher (Kochsalzkonzentration 0,46–0,9 %), so ist die osmotische Resistenz vermindert. Erythrozytäre Enzyme Tab. 4.3 Referenzwerte für Erythrozytenbestimmungen* Alter Erythrozytenzahl (/pl) MCV (fl) MCH (pg) MCHC (g/dl) Defekte erythrozytärer Enzyme werden durch Bestimmung der jeweiligen Enzymaktivität in isolierten Erythrozyten nachgewiesen. Neugeborene 1.–4.Tag 4,5–5,8 108– 123 34– 40 30,1–33,8 Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase (G6PDH) 1.–2. Woche 4,3–5,5 102– 126 33– 39 30,0–34,2 Indikation: Verdacht auf angeborenen G6PDH-Mangel (Favismus, X-chromosomaler Erbgang). 2.–4. Woche 3,5–4,7 100– 116 33– 40 32,2–35,8 Säuglinge 3,2–3,9 86– 106 30– 36 31,9–36,7 ältere Kinder 3,5–5,2 83–96 28– 34 32,2–36,2 Frauen 3,8–5,2 81– 100 26– 34 31,4–35,8 Männer 4,4–5,9 81– 100 27– 34 31,5–36,3 G6PDH Methodik: Die Bestimmung erfolgt fotometrisch nach der in Abb. 4.1 dargestellten Reaktionsgleichung. Gemessen wird die Absorptionszunahme von NADPH bei 340 nm. Es wird auf den Hb-Wert bezogen. Referenzbereich: 7–20,5 U/g Hb. Pyruvatkinase (PK) Im hohen Alter nimmt die Hämoglobinkonzentration deutlich ab. Es ist daher auch mit einem Rückgang der Erythrozytenzahl zu rechnen. * aus: Dörner, Klinische Chemie und Hämatologie, Thieme, 2009 Glucose-6-phosphat + NADP+ Probenmaterial: Hämolysat gewaschener Erythrozyten aus EDTA-Vollblut. Indikation: Verdacht eines angeborenen erythrozytären Pyruvatkinasemangels mit hämolytischer Anämie. 6-Phosphogluconolacton + NADPH + H+ Abb. 4.1 Reaktionsgleichung G6PDH Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 550 Pyruvat + NADH + H+ PK LDH 0,3–1,1 4.–12. Woche 0,5–1,9 Säuglinge und Kinder > 12. Woche 0,5–1,5 Frauen 0,8–4,1 Männer 0,8–2,5 Pyruvat + ATP *aus: Dörner, Klinische Chemie und Hämatologie, Thieme, 2009 Lactat + NAD+ Retikulozyten Abb. 4.2 Reaktionsgleichung Pyruvatkinase. Referenzwert: 11–19 U/g Hb. Lactatdehydrogenase (LDH bzw. LD) Die Lactatdehydrogenase kommt in jeder Zelle vor. Bei einer Schädigung der Zellmembran ist sie erhöht im Blut nachweisbar. Im Blut gibt es 5 verschiedene LDH-Isoenzyme: ▪ LD-1 und LD-2: in Erythrozyten, Herz und Niere ▪ LD-3: in Lunge, Pankreas, Milz ▪ LD-4 und LD-5: in Skelettmuskel und Leber. Indikation: Eine LDH-Erhöhung findet sich bei folgenden Erkrankungen: ▪ hämatologisch: AML, ALL, CML, Hämolyse, megaloblastäre Anämie ▪ pneumologisch: Lungeninfarkt, Lungenembolie, Bronchialkarzinom, schwere Pneumonie (v.a. Pneumocystis-jiroveci-Pneumonie), Schocklunge ▪ kardial: Herzinfarkt, Myokarditis ▪ hepatisch: Virushepatitis, Leberzirrhose, hepatozelluläres Karzinom, toxische Leberschädigung ▪ weitere: andere Tumorerkrankungen, Myopathien. Präanalytik: LDH ist bei Raumtemperatur mindestens 24 h stabil. Die LDH-Aktivität ist im Serum infolge der Lyse der Erythro- und Thrombozyten ca. 30 % höher als im Plasma. Eine zu hohe Zentrifugation und damit eine artifizielle Lyse muss vermieden werden. Kein thrombozytenreiches Plasma verwenden! Methodik: LDH katalysiert die Oxidation von Laktat zu Pyruvat unter gleichzeitiger Reduktion von NAD+ zu NADH, dessen Absorptionszunahme bei 340 nm gemessen wird. Die Reaktion wird mit NAD+ gestartet. Die Untersuchung der Isoenzyme ist diagnostisch nicht relevant. Auswertung: Der Referenzbereich liegt für Männer (20– 60 Jahre) bei 135–225 U/l und für Frauen bei 135–214 U/ l. Diagnostisch relevant sind nur LDH-Erhöhungen. Retikulozyten enthalten deutliche Mengen des endoplasmatischen Retikulums, das reich an RNA ist. Die RNA kann angefärbt werden, sodass die Retikulozytenzahl mikroskopisch bzw. durchflusszytometrisch bestimmt werden kann. Indikation: Kontrolle der Erythropoese ▪ bei aplastischen und hämolytischen Anämien ▪ als Therapiekontrolle bei Eisenmangelanämie nach Eisensubstitution. Probenmaterial: Untersucht wird EDTA-Venen- oder Kapillarblut. Die Probe ist im Kühlschrank 1 Tag haltbar. Methodik: ▪ Supravitalfärbung mit Brillantkresylblau: Dabei färbt sich die RNA in den Retikulozyten an und es kann die Anzahl der Retikulozyten pro 1000 Erythrozyten ausgezählt werden. Zur Zählung im Blutausstrich [S. C553]. ▪ Flowzytometrische Bestimmung nach Anfärben mit Fluoreszenzfarbstoffen. Referenzwerte: Referenzwerte sind abhängig von Alter und Geschlecht (Tab. 4.4). Die absolute Retikulozytenzahl lässt sich folgendermaßen errechnen: Absolutzahl Retikulozyten (× 103/μl) = Promille Retikulozyten × RBC/1000 4.1.3 Hämoglobin und seine Vorstufen Hämoglobin Bei der fotometrischen Hämoglobinbestimmung werden alle Hämoglobinformen in eine einzige stabile Form überführt. Dies ist nötig, da die einzelnen Hämoglobinvarianten unterschiedliche Absorptionseigenschaften und chemische Stabilitäten haben. Indikation: Nachweis und Verlaufsbeurteilung von Anämien, Polyglobulien und Polyzythämien. Probenmaterial: EDTA-Vollblut, im Kühlschrank 1 Woche haltbar. Methodik: Das Hämoglobin wird in eine stabile Verbindung überführt, deren Konzentration fotometrisch bestimmt wird. Allg.-med. Anamnese LS Phosphoenolpyruvat + ADP 2.–4. Woche Säuglinge Arb./Soz. 0,4–1,0 Recht 1,4–4,1 1.–2. Woche Patho 1.–4. Tag Ges.-ökon. Palliativ Altern Mikrobio Kl. Chem. Radio Pharma Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Neugeborene Präv. Wert (in %) Reha Alter Hygiene Patient Methodik: Die Bestimmung erfolgt fotometrisch nach folgender Reaktionsgleichung: Das durch die PK entstehende Pyruvat wird durch das dem Test zugesetzte Enzym Laktatdehydrogenase (LDH) und NADH + H+ in Laktat und NAD+ umgesetzt (Abb. 4.2). Gemessen wird dabei der Verbrauch an NADH durch Abnahme der Absorption bei 340 nm. Umw./Tox. Tab. 4.4 Referenzwerte für Retikulozyten* Epidem. Probenmaterial: Hämolysat gewaschener Erythrozyten aus EDTA-Vollblut. 551 GTE 4.1 Blutzellsystem 4 Hämatologie und Hämostaseologie ▪ Hämoglobincyanidmethode: Das Blut wird verdünnt und gleichzeitig mit Kaliumferricyanid und Kaliumcyanid versetzt. Die Erythrozyten werden lysiert und das Hämoglobin freigesetzt. Das Hämoglobin reagiert mit Kaliumferricyanid, wobei das Eisen im Häm von Fe2 + zu Fe3 + oxidiert wird. Es entsteht primär Methämoglobin. Das Methämoglobin reagiert weiter mit Kaliumcyanid zu dem sehr stabilen Methämoglobin-CN, das eine spezifische Absorption bei 540 nm hat. Die Konzentration wird in einer Durchflussküvette fotometrisch bestimmt. ▪ Cyanidfreie Bestimmung: Da Cyanid eine giftige Verbindung ist, gibt es heute Verfahren, die dem obigen Verfahren vorzuziehen sind. Als Reagens dienen hier Sodiumlaurylsulfat (SLS) oder Imidazol. Das jeweilige Reaktionsprodukt kann ebenfalls fotometrisch bestimmt werden. MERKE Sehr trübe Proben (z. B. bei schwerer Hyperlipid- ämie oder Leukozytose > 100 000/μl) ergeben zu hohe Hämoglobinwerte. Methodik: ▪ CO-Hämoglobin, Methämoglobin, Sulfhämoglobin: fotometrische Bestimmung bei verschiedenen Wellenlängen ▪ Analyse der Hämoglobinfraktionen bei unklarer Anämie: mittels Elektrophorese oder HPLC ▪ HbF-Nachweis: auch durch Differenzialfärbung eines Blutausstrichs (Kleinhauer-Betke-Färbung). Referenzwerte: ▪ CO-Hämoglobin: - Nichtraucher: < 1,2 % - Raucher: < 8,2 % ▪ Methämoglobin: - Nichtraucher: < 0,8 % - Raucher: < 2,7 % ▪ Sulfathämoglobin: nicht nachweisbar ▪ Hämoglobinfraktionen (Erwachsener): - HbA1: ca. 96 % - HbA2: < 3,0 % - HbF: < 1,0 %. Vorstufen der Hämsynthese Referenzwerte: Referenzwerte sind abhängig von Alter und Geschlecht (Tab. 4.5) MERKE Für eine zutreffende Beurteilung der Hb-Konzentration ist ein normales Blutvolumen Voraussetzung. Bei akuten Blutungen und Infusionstherapie ist der Hb-Wert deshalb nur bedingt verwertbar. Diagnostische Bedeutung: Hämoglobinkonzentrationen unter 11,5 g/dl bei Frauen und 13,5 g/dl bei Männern charakterisieren eine Anämie. Hämoglobinvarianten Indikation: ▪ Verdacht auf Kohlenmonoxidvergiftung ▪ Verdacht auf Methämoglobinämie bei Cyanose ohne Herzfehler ▪ bei unklaren Anämien. Probenmaterial: EDTA- oder Heparinblut, bei Raumtemperatur wenige Stunden haltbar. Tab. 4.5 Referenzwerte für Hämoglobin* Patient Alter Wert (g/dl) Neugeborene 1.–4. Tag 16,2–21,2 1.–2. Woche 15,5–19,6 2.–4. Woche 12,6–17,2 Säuglinge 4.–12. Woche 10,5–12,6 Säuglinge und Kinder > 12. Woche 11,0–14,4 Frauen 11,5–15,7 Männer 13,5–17,7 *aus: Dörner, Klinische Chemie und Hämatologie, Thieme, 2009 Störungen in der Hämsynthese äußern sich in einer gesteigerten Aktivität der δ-Aminolävulinsäuresynthetase, was wiederum zu erhöhten Werten von δ-Aminolävulinsäure und Porphyrinen im Urin führt. Diese können nachgewiesen werden. Indikation: ▪ Verdacht auf hepatische Porphyrie ▪ Verdacht auf erythropoetische Porphyrie ▪ Bleivergiftung. Probenmaterial: Spontanurin (Bezug auf Kreatinin), besser 24-h-Urin; ggf. Stuhl- und Blutprobe. MERKE Die Proben zum Nachweis der Porphyrien müssen dunkel und kühl aufbewahrt werden. Methodik: Qualitative Bestimmung von Porphobilinogen und Urobilinogen: Beide Substanzen reagieren mit p-Dimethylaminobenzaldehyd (Ehrlich-Reagens) zu einem roten Farbstoff, der sich im Fall von Urobilinogen mit Chloroform ausschütteln lässt. Porphobilinogen lässt sich so auch quantitativ im Photometer messen. δ-Aminolävulinsäure: Wird über Ionenaustauschchromatografie aus dem Urin isoliert und mit Ehrlich-Reagens und Acetylaceton umgesetezt. Es kann dann chromatografisch nachgewiesen werden. Andere Porphyrine: Diese werden aus dem Probenmaterial extrahiert und z. B. mithilfe der Dünnschichtchromatografie aufgetrennt. Bei Bestrahlung mit UV-Licht zeigen die Porphyrine eine orangefarbene Fluoreszenz. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 552 LS Leukozyten im Vollblut Patient Alter Werte (/μl) Indikation: Eine Leukozytenbestimmung erfolgt zur Diagnostik und Therapiekontrolle bei: ▪ Infektionen und Entzündungen ▪ Tumorerkrankungen, besonders Leukämien ▪ Knochenmarkdepression ▪ Infarkten, Verbrennungen und Vergiftungen ▪ Arzneimittelnebenwirkungen. Neugeborene bei der Geburt 9 000–30 000 2 Wochen alt 5 000–20 000 1–3 Jahre 6 000–17 500 4–7 Jahre 5 500–15 500 8–13 Jahre 4 500–13 500 Blutausstrich Im Blutausstrich lassen sich morphologische Veränderungen der Blutzellen und quantitative Verschiebungen der Zellpopulationen bestimmen. Indikation: ▪ Diagnostik von Leukozytosen und Leukopenien ▪ Infektionen ▪ Verlaufskontrolle von hämatologischen und malignen Krankheiten. Recht Patho Ges.-ökon. Palliativ Altern Mikrobio Kl. Chem. Radio Pharma Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Diagnostische Bedeutung: Zur diagnostischen Bedeutung der Veränderungen des weißen Blutbildes s. Blut und Blutbildung [S. A153] und Neoplastische Erkrankungen [S. A603]. Präv. Methodik: Ein stecknadelkopfgroßer Tropfen Blut wird auf dem Rand eines entfetteten Objektträgers aufgetragen. Anschließend wird ein 2., geschliffener Objektträger im 30°-Winkel vor dem Tropfen aufgesetzt und der Blutstropfen langsam verstrichen. Nach Lufttrocknung (2 h) und Fixierung in Methanol kann der Ausstrich gefärbt werden. Die häufigste Färbung ist die nach Pappenheim. Durch Kombination von sauren (z. B. Eosin) und basischen Farbstoffen (z. B. Methylenblau) können die basischen und sauren Zellbestandteile komplementär angefärbt werden. Zur Retikulozytenzählung wird der Blutausstrich mit Brillantkresylblau gefärbt. Die RNA der Retikulozyten imponiert als blaue, netzartige Struktur oder blaue Granula. Bei V. a. Tropenerkrankungen (z. B. Plasmodien) wird die Romanowksy-Färbung angewendet. Die Zellen sollten mikroskopisch separiert erkennbar sein – bei zu dickem Ausstrich muss das Prozedere wiederholt werden. Nur in der Malariadiagnostik kann ein Präparat als „dicker Tropfen“ (s. Infektionserkrankungen [S. A572]) angefertigt werden. Die Ausstrichanfertigung, Färbung und mikroskopische Auffindung der Zellen können automatisiert werden. Lymphozytentransformationstest Der Lymphozytentransformationstest (LTT) testet in vitro die zelluläre Immunität. Geprüft werden die Funktion der T-Zellen sowie die Interaktion von T-Zellen und antigenpräsentierenden Zellen. Indikation: ▪ Abklärung eines zellulären Immundefektes ▪ Nachweis einer zellulären Immunität gegenüber einem bestimmten spezifischen Antigen ▪ Monitoring der zellulären Immunität nach Knochenmark- oder Stammzelltransplantation oder bei HIV-Infektion. Reha Referenzwerte: Die Leukozytenzählung variiert innerhalb eines Individuums erheblich. Die Referenzwerte sind stark vom Alter abhängig (Tab. 4.6). Probenmaterial: Für Ausstriche wird EDTA-Kapillar- oder Venenblut verwendet. Es muss bei Raumtemperatur aufbewahrt werden und darf nicht älter als 3 h sein. Ein getrockneter und fixierter Blutausstrich ist sehr gut haltbar. Hygiene Pathologische Leukozytenpopulationen und starke Veränderungen der normalen Zellpopulationen führen zu Alarmmeldungen, die i. d. R. eine weitergehende mikroskopische Untersuchung erforderlich machen. *nach: Dörner, Klinische Chemie, Thieme, 2009 Umw./Tox. Auch die Differenzierung der Zellpopulation wird heute weitgehend automatisch durchgeführt. Die Präzision ist hierbei deutlich höher als bei der mikroskopischen Differenzierung, da 10 000–50 000 Einzelzellen von den Geräten untersucht werden. Es werden folgende Zellpopulationen erfasst: ▪ neutrophile segmentkernige Granulozyten ▪ Lymphozyten ▪ Monozyten ▪ basophile Granulozyten ▪ eosinophile Granulozyten. 4 000–11 000 Epidem. Methodik: Bei allen Leukozytenbestimmungen werden im ersten Schritt die Erythrozyten mit einem Detergens lysiert. ▪ Automatische Zählung: mittels Impedanzmessung oder Laserstreulichtmessung. ▪ Kammerzählung: wird bei sehr niedrigen Leukozytenzahlen als Kontrolle zur automatisierten Zählung herangezogen. Dabei wird das Blut mit 3 %iger Essigsäure im Verhältnis 1:20 verdünnt, wobei die Erythrozyten hämolysieren. Gezählt wird in einer Neubauer-Kammer und aus dem Zählergebnis die Leukozytenzahl errechnet. Erwachsene GTE Probenmaterial: Die Bestimmung erfolgt mit EDTA-Vollblut (vorzugsweise Venenblut). Die Probe ist bei Raumtemperatur und pH < 6,5 ein Tag, bei pH > 7,5 nur 2 h haltbar. Kinder Anamnese Tab. 4.6 Referenzbereiche für Leukozyten* Allg.-med. 4.1.4 Leukozyten und Differenzialblutbild 553 Arb./Soz. 4.1 Blutzellsystem 4 Hämatologie und Hämostaseologie Methodik: Beim LTT-Mitogentest wird in einer 4-TageKultur von Lymphozyten die Reaktion gegenüber bekannten Mitogenen wie Phythämagglutinin, Concanavalin A oder anti-CD3 geprüft. Beim LTT-Antigentest wird die Reaktion auf spezifische Recall-Antigene wie Tuberkulin, Tetanustoxoid, Candida albicans oder CMV in einer weiteren Kultur getestet. Granulozytenfunktionstest (NBT-Test) Bei der Aktivierung von Granulozyten und Monozyten/ Makrophagen durch Phagozytose werden intrazellulär eine Reihe von reaktiven Substanzen, z. B. Wasserstoffsuperoxid, Chloridradikale und Superoxidanionen (O2-), gebildet. Diese Substanzen werden ins Blut abgegeben und können dort gemessen werden. Bei Immundefekten ist die Bildung dieser Substanzen oft vermindert. Indikation: Verdacht auf Immundefekt durch Fehlfunktion der Granulozyten (z. B. septische Granulomatose, Leukozytenadhäsionsdefekt). Methodik: Aus Nitroblau-Tetrazolium (NBT), einem zunächst hellgelben löslichen Farbstoff, entsteht bei Anwesenheit von O2–-Ionen ein rotvioletter unlöslicher Komplex, der aktive Zellen blau färbt. Unter dem Mikroskop wird der Anteil der blau gefärbten Zellen ausgezählt. 4.1.5 Thrombozyten Bestimmung der Thrombozytenzahl Indikation: ▪ Verdacht auf Thrombozytopenie oder Thrombozytose ▪ präinterventionelle Bewertung des Blutungsrisikos ▪ Beurteilung der Knochenmarkfunktion. Probenmaterial: Venen- oder Kapillarblut (EDTA); bei Raumtemperatur 4 h haltbar. Methodik: Mechanisierte Messmöglichkeiten für die Thrombozytenzählung sind ▪ Widerstandsmessverfahren (Impedanzprinzip) ▪ optische Streulichtmethodik ▪ Durchflusszytometrische Bestimmung (z. B. mittels markierter CD-61-Antikörper) oder ▪ Kombination der obigen Verfahren sowie ▪ Kammerzählung bei sehr niedrigen Thrombozytenzahlen (→ beim Einsatz moderner Blutbildanalyzer unnötig). Referenzwerte: ▪ Neugeborene: 100–250 /nl ▪ ältere Kinder und Erwachsene: 140–345 /nl. Messgrößen für die Beurteilung der Thrombozyten sind die Thrombozytenkonzentration, das mittlere Thrombozytenvolumen (MPV) und die Verteilungsbreite der Thrombozyten (PDW). Die Thrombozytenfunktion wird häufig in vitro mit der PFA-Methode (platelet function analyzer) oder anhand der Thrombozytenaggregation beurteilt. Cave: EDTA kann eine Thrombozytenaggregation induzieren und so eine Thrombzytopenie vortäuschen (Pseudothrombozytopenie [S. C549]). Thrombozytosen: Es gibt primäre und sekundäre, reaktive Ursachen der Thrombozytenerhöhung (400–700/nl leicht, 700–900 moderat, > 900 schwer). Mit zunehmender Thrombozytenzahlerhöhung werden Funktionseinschränkungen immer wahrscheinlicher. Leichte, meist vorübergehende Thrombozytosen können sich auch funktionell durch Mobilisation des Milzpools an Thrombozyten ergeben. Reaktive Thrombozytosen finden sich nach Traumen, Operationen und Blutverlust. Eine konstante Erhöhung findet sich häufig bei chronischen Entzündungen (insbesondere Colitis ulcerosa), Splenektomie und Malignomen (insbesondere Bronchialkarzinom). Thrombozytopenie: Siehe Blut und Blutbildung [S. A159]. Thrombozytenfunktionstests Indikation: ▪ Verdacht auf Funktionsstörungen der Thrombozyten ▪ Überwachung einer Therapie mit Thrombozytenaggregationshemmern. Methodik: Bestimmung der In-vivo-Blutungszeit: Messung der verlängerten In-vivo-Blutungszeit. Am besten reproduzierbar ist dieses Verfahren, wenn mit einem Hilfsgerät definierte Schnittverletzungen am Unterarm gesetzt werden. Bestimmung der In-vitro-Blutungszeit: Hierbei wird in vitro eine kapilläre Blutstillung durch Thrombozytenaggregation simuliert. Antikoaguliertes Blut fließt über eine Kapillare durch eine kleine Öffnung in einer Membran, deren Oberfläche mit aktivierenden Substanzen beschichtet ist. Durch die Adhäsion und Aggregation der Thrombozyten kommt es nach einiger Zeit zum Verschluss dieser Öffnung. Die Zeit bis zum Stillstand des Blutflusses wird als Verschlusszeit in Sekunden gemessen. Die Verschlusszeit kann nach Aktivierung mit Kollagen/Epinephrin oder mit Kollagen/ADP gemessen werden. Aggregometrie: Thrombozytenreiches Citratplasma wird mit verschiedenen Aktivatoren (Adrenalin, Arachidonsäure, Kollagen, Ristocetin) inkubiert und die Zunahme der Lichttransmission als Maß der Thrombozytenaggregation gemessen. Durchflusszytometrie: Bei der Durchflusszytometrie werden fluoreszenzmarkierte Antikörper gegen Membranproteine der Thrombozyten eingesetzt. 4.2 Blutgruppenserologie DEFINITION Die Blutgruppenserologie ist ein Teilgebiet der Serologie und befasst sich mit der Analyse des Blutserums hinsichtlich seiner verschiedenen Blutgruppen. Blutgruppenserologische Untersuchungen sind bis ins Detail verbindlich durch das Transfusionsgesetz (TFG) und nach § 12 und § 18 des TFG durch Richtlinien der Bundesärztekammer und des Paul-Ehrlich-Instituts als der zuständigen Bundesbehörde geregelt. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 554 Transfusionsregeln im AB0-System: Siehe Immunsystem und rheumatologische Erkrankungen [S. A460]. Tab. 4.7 Genotypen und Phänotypen des AB0-Systems Blutgruppe (Phänotyp) mögliche Genotypen Häufigkeit (%) 35 A1 A1A1, A1A2, A10 A2 A2A2, A20 10 B BB, B0 8 0 00 44 A1B A1B 3 A2B A2B <1 Rhesus-D-Merkmal: Das D-Merkmal kommt bei 85 % der Bevölkerung vor und besitzt eine besonders hohe Antigenität. Bei 0,6 % der Bevölkerung ist das D-Merkmal in einer abgeschwächten Form (Dweak) vorhanden. Fehlt das D-Merkmal (15 % der Bevölkerung), so bezeichnet man die Individuen als Rhesus-negativ (D –). Die Bezeichnung erfolgt auch als d oder dd. Das D-Antigen besitzt 6 Untergruppen (Partialantigene und Dweak). Dweak besitzt alle Antigen-Funktionen, aber nur in sehr geringem Ausmaß. Personen mit diesem Merkmal gelten als Rhesus-positiv. Ein unvollständiges D-Antigen bezeichnet man als Dpartial. Personen mit diesem Merkmal besitzen nur einige der D-Epitope und können gegen die Epitope, die ihnen fehlen, Antikörper bilden. Als Spender gelten sie als positiv, als Empfänger sind sie negativ. Patho Recht Arb./Soz. Allg.-med. Anamnese LS Blutgruppenantigene: Siehe Immunsystem und rheumatologische Erkrankungen [S. A459]. Ges.-ökon. Palliativ Altern Mikrobio Kl. Chem. Radio Pharma Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Die Blutgruppenantigene des AB0-Systems finden sich außer auf der Erythrozytenoberfläche auch auf vielen anderen Zellmembranen. In löslicher Form kommen sie bei etwa 80 % der Bevölkerung auch in anderen Körperflüssigkeiten vor. Genetisch ist diese Eigenschaft dominant und wird mit dem sog. Sekretorsystem (Se/se) vererbt. Homozygote und heterozygote Merkmalsträger werden als Sekretoren bezeichnet. Rhesus-Antikörper: Im Rh-System gibt es nur sehr selten natürliche Antikörper im Sinne von Isoagglutininen, daher enthält das Blutplasma bei Rhesus-negativen Menschen keine Antikörper gegen dieses Merkmal. Rh-Antikörper sind irreguläre, plazentagängige Immun-Antikörper der IgG-Klasse. Durch Übertragung von Rh-positivem Blut auf Rh-negative Empfänger kann die Bildung von Rhesus-Antikörpern ausgelöst werden, was mit einer Häufigkeit von ca. 80 % geschieht. Damit kann es bei neuerlicher Transfusion von Rh-positivem Blut zu einer Transfusionsstörung kommen. Irreguläre Rh-Antikörper der Mutter können nach diaplazentärem Transport die Erythrozyten eines Rh-positiven Kindes schädigen (Morbus haemolyticus neonatorum), da die Rh-Antigene bereits ab der 6. Schwangerschaftswoche auf den fetalen Erythrozyten ausgeprägt sind. Präv. Blutgruppen des AB0-Systems: Im AB0-System findet sich auf der Membran der Erythrozyten entweder das Antigen A oder B bzw. es sind beide vorhanden (Blutgruppe AB) oder es fehlen beide (Blutgruppe 0). Biochemisch sind diese Blutgruppenantigene Oligosaccharide, die an Membranlipide gebunden sind. Die Spezifität der einzelnen Merkmale wird durch unterschiedliche endständige Zuckerreste bestimmt. Das Blutgruppenmerkmal A kann nach der AntigenStärke und anderen serologischen Eigenschaften in die Untergruppen A1, A2 und weitere schwache A-Varianten differenziert werden. Es gibt 10 Genotypen. Phänotypisch überdeckt das A1-Antigen allerdings das A2-Antigen, sodass es nur 6 häufige Phänotypen gibt (Tab. 4.7): Rhesusfaktoren: Im Rhesussystem sind 5 Hauptantigene serologisch erfassbar. Sie werden auch als Faktoren bezeichnet: D, C, c, E und e. Es handelt sich dabei um Proteine. Nach heutigem Kenntnisstand sind sie ausschließlich auf Erythrozyten zu finden. Klinisch relevant ist v. a. das Rhesusmerkmal D und seine Berücksichtigung ist bei Bluttransfusionen zwingend vorgeschrieben. Reha Die größte Bedeutung unter den Blutgruppen hat das AB0-System. Das Rhesus-(Rh)-System ist nach dem AB0-Blutgruppensystem das zweitwichtigste in der Transfusionsmedizin. Hinsichtlich des Morbus haemolyticus neonatorum steht es sogar an erster Stelle: Die Mutterschaftsrichtlinie sieht bei der Erstuntersuchung die Bestimmung von Blutgruppe und Rhesusfaktor (D) sowie einen Antikörper-Suchtest auf irreguläre Antikörper vor. Hygiene 4.2.2 AB0-System Rhesussystem (Rhesusfaktor) Umw./Tox. Auf den Erythrozyten des Menschen sind ca. 30 verschiedene Blutgruppen-Antigen-Systeme vorhanden. Damit lassen sich mehr als 600 verschiedene Blutgruppen definieren. Am bekanntesten – und für Bluttransfusionen bedeutendsten – sind die Merkmale (Antigene) des A-BNull-Blutgruppensystems (AB0) und des Rhesussystems (Rhesusfaktor). Außerdem spielt auch das Kell-System noch eine wichtige Rolle. Die Blutgruppenantigene sind potenziell immunogen und können bei einem anderen Menschen die Bildung von Allo-Antikörpern auslösen. Zu den allgemeinen Eigenschaften und Funktionen der Alloantigene und AlloAntikörper s. Immunsystem und rheumatologische Erkrankungen [S. A457]. Ausgangssubstanz für die Synthese der Blutgruppenantigene ist die HSubstanz. In sehr seltenen Fällen (1/300 000) findet man homozygot den Genotyp hh, bei dem der endständige Zuckerrest am Blutgruppenantigen fehlt. Bei diesem sog. „Bombay“-Phänotyp sind keine A-, B- bzw. H-Blutgruppenmerkmale vorhanden und im Serum finden sich anti-A, anti-B und das extrem seltene anti-H. Wegen dieser Antikörper gegen Erythrozyten der Blutgruppe 0 kommen für eine mögliche Transfusion nur Blutkonserven des Typs Bombay infrage. Epidem. 4.2.1 Grundlagen 555 GTE 4.2 Blutgruppenserologie 4 Hämatologie und Hämostaseologie Nicht-D-Rhesussystem (C, c, E, e): Die Faktoren C, c, E und e werden auch als Begleitfaktoren bezeichnet. Unter ihnen haben E und als Nächstes c die größte Immunogenität, sie ist aber weitaus geringer als die des Rhesusfaktors D. Grundsätzlich kann zwar jeder Mensch, der die Antigene C, c, E, e nicht besitzt, nach Erhalt von Fremdblut mit solchen Antigen-Eigenschaften Antikörper entwickeln, dies geschieht jedoch viel seltener als beim Rh-Faktor D. Wie für den D-Faktor gibt es Testseren zum Nachweis von C, c, E und e auf den Erythrozyten des Patienten. Analog zum Dweak gibt es das Merkmal Cweak als seltene Variante des Merkmals C (Häufigkeit 1,3 %). Transfusionsregeln im Rhesussystem: ▪ Im Regelfall: Nur die Merkmale zuführen, die der Patient selbst exprimiert. Unbedingt muss das Merkmal D beachtet werden, bei Vorliegen entsprechender Antikörper auch die Merkmale D, C, c, E, e, Cw. ▪ Im Notfall: Möglichst D beachten, zwingend bei Anti-DTrägern. Ausnahmsweise können einem Rh-negativen Patienten Rh-positive Konserven transfundiert werden, wenn im Serum des Patienten keine aktiv gebildeten Anti-D-Antikörper nachweisbar sind (ggf. Notfallpass beachten). Keine Folgen hat die Übertragung von Rh-negativem Blut auf einen Rh-positiven Empfänger, sodass Rh-negatives Blut im zeitkritischen Notfall ohne Rh-Testung „universell“ eingesetzt werden kann. ▪ Personen mit Dweak gelten als Empfänger und als Spender als D positiv, dürfen also Rh-positives Blut transfundiert bekommen. ▪ Personen mit Dpartial gelten als Empfänger als D negativ und dürfen deshalb nur Rh-negatives Blut transfundiert bekommen. Siehe auch Immunsystem und rheumatologische Erkrankungen [S. A459]. Kell-System Das Kell-System weist 2 Hauptantigene K (Kell, K1) und k (Cellano, K2) auf. Irreguläre IgG-Antikörper gegen die Blutgruppe K können schwere hämolytische Transfusionsreaktionen und einen Morbus haemolyticus neonatorum auslösen. 92 % der Mitteleuropäer bilden kein Kell-Antigen. Sie sind Kell-negativ (homozygot kk). 8 % tragen das Kell-Antigen (7,8 % heterozygot Kk, 0,2 % homozygot KK). KellAntigene sind stark antigen. Deshalb sollten Erythrozytenkonzentrate immer Kell-verträglich transfundiert werden. Thrombozyten- und leukozytenspezifische Antigen-Systeme Auch Antigene auf Thrombozyten und Leukozyten können klinische Relevanz haben. Es handelt sich dabei um: ▪ HPA (human platelet antigenes) auf den Thrombozyten. Eine Inkompatibilität kann die Ursache für eine Neugeborenen-Alloimmunthrombozytopenie sein. ▪ HLA (human lymphocyte antigenes) auf den Lymphozyten. Diese sind identisch mit den MHC-I- und -IIKomplexen (major histocompatibility complex), die auf fast allen Zellen im Körper vorkommen. Sie spielen deshalb auch in der Transplantationsmedizin eine wichtige Rolle. ▪ HNA (human neutrophil antigenes) auf den neutrophilen Granulozyten. 4.2.3 Untersuchungsverfahren und Qualitätssicherung Identitätssicherung MERKE Verwechslungen sind die häufigste Ursache für schwere hämolytische Transfusionsstörungen. Daher muss die Identität von Patient, Blutprobe und Blutprodukt absolut gesichert sein und hat höchste Priorität! ▪ Ist der Patient ansprechbar, sollte er bei der Probenentnahme nach Namen und Geburtsdatum gefragt werden, um Verwechslungen vorzubeugen. ▪ Probenröhrchen mit Namen, Vornamen und Geburtsdatum beschriften. ▪ Anforderungsschein ebenso ausfüllen; zusätzlich Angaben zu Voruntersuchungen und Anamnese machen. ▪ Sind die Daten des Patienten nicht bekannt, muss ihm eine eindeutig identifizierbare Notfall-ID gegeben werden. Probenmaterial Die Blutentnahme erfolgt nur für den Zweck der blutgruppenserologischen Untersuchung. Das Blut wird aus einer peripheren Vene entnommen. Durch den Zugang dürfen vorher keine Infusionslösungen oder Medikamente verabreicht worden sein. In der Regel wird EDTA- oder Citratblut gewonnen. Für die Kreuzprobe und den Antikörper-Suchtest dient Blut ohne Zusätze. Proben für die Blutgruppenbestimmung sind im Kühlschrank mehrere Tage, für die Kreuzprobe höchstens 3 Tage haltbar. Blutgruppenbestimmung Indikation: ▪ Schwangerenvorsorge ▪ Neugeborenenvorsorge ▪ forensische Hämogenetik ▪ Vorbereitung einer Transfusion ▪ Notfallausweis ▪ Transplantation. Bestimmung: Testprinzip zur AB0-Bestimmung wie auch zur Rhesusfaktorbestimmung ist der Hämagglutinationstest. Verschiedene Methoden [S. C533] stehen dafür zur Verfügung. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 556 4.3 Hämostase Zu den Grundlagen der Hämostase s. Blut und Blutbildung [S. A155]. 4.3.1 Probenmaterial Venenblut [S. C522]: ▪ Transportzeit nicht mehr als 2 h ▪ Zentrifugation bei 1500 g für mindestens 10 min ▪ Messungen möglichst innerhalb von 2 h nach der Blutentnahme durchführen ▪ Können die Untersuchungen nicht innerhalb von 4 h nach der Blutentnahme abgeschlossen werden, muss das Citratplasma bei –70 °C eingefroren werden. 4.3.2 Plasmatische Gerinnung Thromboplastinzeit, Quick-Wert und INR Indikation: ▪ Einstellung und Kontrolle der oralen Antikoagulanzientherapie mit Cumarinen ▪ Nachweis von angeborenen oder erworbenen Mangelsituationen der Faktoren II, V, VII und X einschließlich des präoperativen Screenings (extrinsic system) ▪ schwerer Vitamin-K-Mangel ▪ Beurteilung der Lebersyntheseleistung (oft in Verbindung mit der CHE-Bestimmung) ▪ Hinweis auf Vergiftungen mit Kumarinen und verwandten Substanzen. Methodik: Durch Inkubation von Citratplasma mit einer optimalen Menge Thromboplastinreagens (enthält rekombinantes oder aufgereinigtes Gewebethromboplastin TF) und Kalzium wird der Gerinnungsvorgang ausgelöst und die Zeit bis zur Bildung des Fibringerinnsels wird ge- Auswertung: Referenzbereiche: INR: 0,9–1,1, QuickWert: 80–120 %. Von klinischer Bedeutung sind nur Verlängerungen der TPZ bzw. entsprechende Veränderungen der daraus abgeleiteten Messgrößen. Verminderungen des Quickwertes bzw. Anstieg des INR finden sich bei Faktorenmangel im exogenen System oder Mangel von Fibrinogen, Therapie mit oralen Antikoagulanzien (die Zielbereiche des INR richten sich nach dem Thromboserisiko), Vitamin-K-Mangel bei Leberschaden, intensiver Heparintherapie oder Vorliegen von Hemmkörpern. ▪ Quick-Wert < 25 %: ausgeprägte hämorrhagische Diathese ▪ Quick-Wert < 10 %: Neigung zu spontanen Blutungen. Werden Quick-Werte < 10 % gemessen und gibt es keine Anzeichen von Blutungen, muss eine präanalytische Ursache ausgeschlossen werden (z. B. Heparinkontamination der Probe insbesondere bei Probenentnahme aus zentralen Zugängen). Dazu ist die Analytik unbedingt mit neuem Untersuchungsmaterial zu überprüfen. Bei gesicherten Quick-Werten < 10 % muss eine prophylaktische Therapie erwogen werden: Gabe von sofort wirkendem Prothrombinkomplexkonzentrat oder Vitamin-K-Präparaten. Ein ausreichender Anstieg des Prothrombinkomplexes im Blut erfolgt allerdings erst nach einigen Stunden, wenn die Faktoren des Prothrombinkomplexes durch Neusynthese regeneriert wurden. Die Wirksamkeit von Vitamin-K-Präparaten ist nur bei einem tatsächlichen Vitamin-K-Mangel gegeben. Besteht der Verdacht auf Cumarinintoxikation bei Suizid oder Münchhausen-Syndrom, ist die Cumarinbestimmung im Blut mittels HPLC erforderlich. Störungsmöglichkeiten sind Lupusantikoagulans, Hirudin und andere direkte Thrombininhibitoren, sowie Hämolyse und Lipämie (→ bei Lipidämie: Wahl einer längeren Wellenlänge). Patho Recht Arb./Soz. Allg.-med. Anamnese LS Sie erfolgt durch Verträglichkeitsprobe (Kreuzprobe) und AB0-Identitätstest (Bedside-Test). Siehe Immunsystem und rheumatologische Erkrankungen [S. A459]. Ges.-ökon. Palliativ Altern Mikrobio Kl. Chem. Radio Pharma Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Vorbereitung einer Transfusion Quick-Wert und TPZ sind stark vom verwendeten Reagens und Gerät abhängig. Prinzipiell gibt es keinen Grund, eine andere Größe als den am besten standardisierten INR zu verwenden. Durch die Korrektur um einen geräteabhängigen Faktor (ISI) ist die INR laborunabhängig. Präv. Methodik: Zur Identifizierung irregulärer Antikörper werden der Antikörper-Suchtest, die Antikörper-Differenzierung und der Coombs-Test eingesetzt. Reha Indikation: ▪ Vorbereitung einer Transfusion ▪ Anämie unklarer Genese ▪ Transfusionsreaktion ▪ positive Verträglichkeitsprobe ▪ Schwangerenvorsorge. Hygiene Antikörper-Bestimmung Umw./Tox. ten Ansatz mit 2 verschiedenen Antiseren durchgeführt werden. messen; alternativ kann die Bestimmung auch mit chromogenem Substrat [S. C530] erfolgen. Das Ergebnis der Messung wird in Sekunden angegeben und als Gerinnungszeit ( = Thromboplastinzeit, TPZ, oder Prothrombinzeit) bezeichnet. Die TPZ kann in den Quick-Wert oder die International Normalized Ratio (INR) umgerechnet werden. In Europa ist die TPZ als Messgröße unüblich. ▪ Quick-Wert: Der Quick-Wert wird aus der TPZ über eine Referenzkurve ermittelt. Als Referenzwert gilt die Gerinnungszeit in einem unverdünnten Plasmapool, die gleich 100 % gesetzt wird. ▪ INR-Wert: Der INR-Wert entspricht dem Verhältnis der TPZ des Patienten zur TPZ eines Referenzkollektivs: INR = TPZPatient /TPZReferenz (= Prothrombinratio)ISI Epidem. MERKE Die Rh-Bestimmung muss grundsätzlich im doppel- 557 GTE 4.3 Hämostase 4 Hämatologie und Hämostaseologie POCT („point of care“-Testung) und Patientenselbstkontrolle: Zur patientennahen oder Bedside-Messung wurden portable Geräte und Testverfahren zur Messung der aktivierten Gerinnungszeit (ACT = activated clotting time) aus Vollblut entwickelt. Thrombin aus der Patientenprobe spaltet ein synthetisches Substrat, wobei eine elektroaktive Ammoniumverbindung freigesetzt wird. Mittels eines elektrochemischen Sensors wird amperometrisch die Zeit gemessen, bis diese Ammoniumverbindung aufgrund der ablaufenden Gerinnungskaskade nachweisbar wird. Als Ergebnis wird üblicherweise der INR-Wert ausgegeben. Aktivierte partielle Thromboplastinzeit Indikation: ▪ Screening-Test für das endogene (intrinsische) Gerinnungssystem ▪ V. a. ausgeprägten, selektiven Mangel der Einzelfaktoren II, V, X sowie Fibrinogen ▪ Dosierungseinstellung und Therapieüberwachung der Antikoagulation mit Heparin. Methodik: Die Plasmaproben werden mit Phospholipiden und einem Oberflächenaktivator (Kaolin oder Celite) vorinkubiert, was die intrinsische In-vivo-Aktivierung durch Faktor XII und Oberflächenkontakt (Endothelläsion) simuliert. Nach Zugabe von Ca2 + wird die Gerinnungszeit (s) bis zur Bildung eines Fibringerinnsels gemessen. Der Bestimmung der aPTT liegt der Ablauf der gesamten Gerinnungskaskade von der Kontaktaktivierung bis zur Fibrinbildung zugrunde, daher sind viele Einflussmöglichkeiten gegeben. Um diese zu minimieren, sollten möglichst frisch gewonnene Citratplasmaproben untersucht werden. Bei der Blutentnahme und Zentrifugation (Raumtemperatur) muss eine Schädigung der Thrombozyten vermieden werden, da sonst heparinneutralisierender Plättchenfaktor 4 freigesetzt wird. Auswertung: Der Referenzbereich ist reagensabhängig. Üblicherweise ist ein Bereich von 20–34 (max. 40) s normal. Aufgrund der interindividuellen Unterschiede und der mangelnden Standardisierung ist es sinnvoll, dass bei Patienten, die mit Heparin therapiert werden sollen, vor Therapiebeginn ein aPTT-Basiswert bestimmt wird (individualisierte Referenzierung). Verlängerungen der aPTT ergeben sich bei isoliertem oder kombiniertem Faktorenmangel des endogenen (v. a. FXII) oder auch des exogenen Systems, bei hohen Spaltproduktkonzentrationen, bei Heparintherapie und beim Vorliegen von Hemmkörpern. Hierzu gehört z. B. das Vorliegen von Lupusantikoagulans und ähnlichen Substanzen, wobei der Effekt variabel und stark reagenzabhängig ist. Eine verkürzte aPTT lässt sich bei Hyperkoagulabilität und Thrombozytosen (Erhöhung des Plättchenfaktors 4) beobachten. Störungsmöglichkeiten: ▪ aPTT↓: Östrogene, orale Kontrazeptiva ▪ aPTT↑: Heparin, orale Antikoagulanzien, Diphenylhydantoin, Naloxon oder Röntgenkontrastmittel. Gegensinnige Einflüsse (z. B. Mangel eines Faktors und gleichzeitige Erhöhung anderer Faktoren) können sich kompensieren. Eine normale aPTT schließt daher einen relevanten Faktorenmangel nicht absolut aus. Heparintherapie: Das Therapieziel bezüglich der Verlängerung der PTT wird diagnoseabhängig individuell festgelegt (oft ca. 2-fache Verlängerung der PTT). Die gerinnungshemmende Wirkung von Heparin setzt sofort nach der Injektion ein und nimmt aufgrund der kurzen Halbwertszeit von nur ca. 1,5 h allerdings rasch wieder ab. Daher ist die Beachtung dieser Zeitabhängigkeit bei der Beurteilung der Überwachung der Heparintherapie mittels der aPTT wichtig. Fraktionierte Heparine können mit der aPTT schlecht oder gar nicht einem Monitoring unterzogen werden. Für Näheres s. Pharmakologie [S. C391]. Rivaroxabantherapie: Dieser direkte Faktor-Xa-Inhibitor kann optional, z. B. vor Lysetherapie und unbekannter Vormedikation, mittels eines mit Rivaroxaban kalibrierten anti-FXa-Test gemessen werden. Thrombinzeit Indikation: ▪ Überwachung der fibrinolytischen Wirkung einer Lysetherapie (z. B. mit Streptokinase) ▪ Überprüfung der Heparintherapie ▪ Nachweis von Störungen der Fibrinbildung bei ausgeprägtem Fibrinogenmangel ▪ Suchtest für Thrombininhibitoren (z. B. Dabigatran). Methodik: Das Reagens enthält eine definierte Menge Thrombin. Nach Zugabe zum Citratplasma wird die Gerinnungszeit (s) gemessen. Auswertung: Der Referenzbereich ist reagensabhängig, orientierend kann von 12–21 s ausgegangen werden. Von klinischer Bedeutung sind nur Verlängerungen der TZ. Zur Interpretation der Werte werden i. A. die Ergebnisse zweier weiterer Gerinnungstests benötigt, nämlich PTT und Batroxobinzeit (Reptilasezeit). Die TZ ist verlängert bei vermindertem Fibrinogen oder qualitativ verändertem Fibrinogen (Dysfibrinogen), in Gegenwart von Heparin, Paraproteinen oder Fibrinogen-(Fibrin-)Spaltprodukten. Eine normale TZ schließt die Wirkung von Thrombininhibitoren aus. Batroxobinzeit (Reptilasezeit): Batroxobin ist ein proteolytisches Enzym aus einem Schlangengift (Bothrops atrox), das Fibrinogen unter Abspaltung des Fibrinopeptids A umsetzt. Zur Messung wird Citratplasma mit Batroxobin inkubiert und die Zeit bis zum Gerinnungseintritt gemessen (Referenzbereich: 16–22 s). Eine normale Batroxobinzeit bei verlängerter Thrombinzeit spricht für die Gegenwart von Heparin in der Probe. Eine gleichzeitige Verlängerung von Batroxobinund Thrombinzeit kann durch Fibrinogenspaltprodukte bzw. Störungen des Fibrinogens bedingt sein. Fibrinogen Indikation: ▪ V. a. erhöhten Fibrinogenverbrauch (z. B. bei der disseminierten intravasalen Gerinnung) ▪ Thrombophiliediagnostik ▪ Zustände mit erhöhter Fibrinogenkonzentration (z. B. Akute-Phase-Reaktion). Methodik: Bestimmung nach Clauss: Citratplasma wird mit einem großen Überschuss Thrombinreagenz, das bereits Kalziumchlorid und andere Additiva enthält, inkubiert. Die Gerinnungszeit hängt aufgrund des Thrombinüberschusses weitestgehend nur vom Fibrinogengehalt der Probe ab. Schwierigkeiten ergeben sich nur bei sehr Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 558 Auswertung: Im Allgemeinen gelten beim Aktivitätstest 70–140 % der Norm als unauffällig. Die Referenzwerte der Antigen-Tests sind variabel (herstellerabhängig). Protein S Indikation: Diagnostik angeborener und erworbener Mangelzustände. Methodik: Es werden Aktivitäts- und Antigen-Tests eingesetzt. Aktivitätstest: Die verdünnte Plasmaprobe wird mit Protein-S-freiem Plasma gemischt und der Mischung werden dann ein Faktor-Xa-haltiges Reagens, aktiviertes Protein C und Phospholipide zugesetzt. Nach einer entsprechen Vorinkubationszeit wird Kalziumchlorid zugegeben, um die Gerinnung auszulösen. Unter diesen Bedingungen ist die Gerinnungszeit direkt proportional zur Protein-SKonzentration in der Plasmaprobe. Allg.-med. Arb./Soz. Recht Patho Ges.-ökon. Palliativ Altern Mikrobio Kl. Chem. Radio Pharma Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Methodik: Vorteilhaft ist die parallele Durchführung eines Aktivitätstests und einer Antigen-Bestimmung unter Verwendung eines spezifischen Antikörpers für carboxyliertes Protein C, das nur bei ausreichender Verfügbarkeit von Vitamin K vorliegt. Beim Aktivitätstest wird Protein C aus der Patientenprobe mit einem speziellen Aktivator (Giftextrakt aus der Schlange Agkistrodon contortrix) in aktives Protein C überführt, das dann aus einem chromogenen Substrat einen Farbstoff freisetzt. Dieser wird bei 405 nm fotometrisch gemessen. Die Steigung der Absorptionszunahme korreliert mit der Protein-C-Aktivität und wird anhand einer Bezugskurve (Normalplasmaverdünnungen) ausgewertet. Da auch nichtcarboxyliertes Protein C in dieser Reaktion eine Teilaktivität besitzt, kann in diesem Fall ein Protein-C-Mangel nicht richtig eingeschätzt werden. Werden Patienten mit dem Proteaseinhibitor Aprotinin (Trasylol) behandelt, können sich falsch niedrige ProteinC-Aktivitäten ergeben. Daher erhöht die zusätzliche Bestimmung der Protein-C-Proteinmenge (Antigen-Test) die diagnostische Zuverlässigkeit. Anamnese LS Methodik: Verfahren über Faktor II: Citratplasma wird mit einem Thrombinüberschuss und Heparin inkubiert. Antithrombin aus der Probe hemmt einen Teil des vorgelegten Thrombins. Das restliche Thrombin setzt ein synthetisches Substrat um und wird kinetisch bestimmt (bei 405 nm). Die Steigung der Absorptionskurve korreliert mit dem Antithrombingehalt der Probe und wird anhand einer Kalibrationskurve, die mit Normalplasmaverdünnungen erstellt wird, ausgewertet. Hirudin, das beim Vorliegen von Heparin-Antikörpern (HIT) eingesetzt wird, stört dieses Verfahren zur Antithrombinbestimmung, da es wie Antithrombin die Indikation: Diagnostik angeborener und erworbener Mangelzustände. Präv. Indikation: ▪ Thrombophiliediagnostik ▪ Diagnostik eines Antithrombinmangels (s. Blut und Blutbildung [S. A166]). Protein C Reha Antithrombin Auswertung: Unauffällig ist eine Antithrombinaktivität von 70–120 % der Norm. Hygiene Klinisch bedeutsam sind Verminderungen < 1,0 g/l. Vorübergehend erhöhte Fibrinogenwerte finden sich bei der Akute-Phase-Reaktion. Dauerhaft erhöhte Fibrinogenkonzentrationen > 4,5 g/l sind ein Risikofaktor für das Auftreten von Thrombosen und kardiovaskulären Erkrankungen. Verfahren über Faktor Xa: Alternativ und weniger störanfällig kann ein Testverfahren mit einem chromogenen Substrat angewendet werden, hier erfolgt die Bestimmung über die Inaktivierung von Faktor Xa. Dazu wird das Plasma mit Faktor Xa und Heparin im Überschuss inkubiert und anschließend die Restaktivität des Faktors Xa mithilfe eines chromogenen Substrats bestimmt. Umw./Tox. Referenzbereich: Dieser beträgt ca. 1,8–3,5 g/l bzw. 180– 350 mg/dl. Es liegt keine Geschlechtsabhängigkeit vor, mit zunehmendem Alter wird allerdings eine geringfügige Zunahme der Fibrinogenkonzentrationen beobachtet. ▪ Fibrinogen ↓: bei Verbrauchskoagulopathie (DIC), nach Thrombolysetherapie, bei Lebersynthesestörung, Verlust in den extrazellulären Raum (z. B. Aszitesbildung, Schock, Verbrennungen), vermehrtem Abbau (z. B. bei Karzinomen) oder angeborener Hypo- oder Afibrinogenämie ▪ Fibrinogen ↑: Akute-Phase-Reaktion, vorübergehend nach Operationen, Traumen, Myokardinfarkt und Infektionen, chronisch-entzündlichen Erkrankungen, Neoplasien, Alter. Thrombinaktivität hemmt. Es kommt zu falsch niedrigen Messresultaten. Epidem. niedrigen Fibrinogenkonzentrationen, die eine Testwiederholung mit erhöhter Probenmenge erforderlich machen. Die gemessenen Gerinnungszeiten müssen anhand einer Kalibrationskurve ausgewertet werden und erlauben die Angabe der Stoffmenge Fibrinogen (in g/l bzw. mg/dl). Zu beachten ist, dass bei Vorliegen von Fibrin (ogen)spaltprodukten falsch lange Gerinnungszeiten und damit falsch niedrige Fibrinogenmessergebnisse vorkommen können. Erhöhte Plasmawerte des in der Leber gebildeten Fibrinogens finden sich bei Störungen des Gallenabflusses, bei Bronchial- und Pankreaskarzinomen und bei entzündlichen Prozessen. Fibrinogenmangel tritt bei Leberzirrhose, Hyperfibrinolyse und Verbrauchskoagulopathien auf. Blutungsneigung findet man nur dann, wenn andere Gerinnungsfaktoren oder die Thrombozytenzahl vermindert sind. 559 GTE 4.3 Hämostase 4 Hämatologie und Hämostaseologie Freies Protein-S-Antigen: Möglich sind ELISA-Verfahren mit monoklonalen Antikörpern für freies Protein S oder Agglutinationstests. Hier werden C 4b-beschichtete Latexpartikel verwendet, die eine große Affinität für das freie Protein S in Gegenwart von Ca2 + haben. Als Nächstes wird ein ebenfalls an Latexpartikel gebundener monoklonaler Anti-Protein-S-Antikörper zugegeben. Diese Latexpartikel binden über eine Antigen-Antikörper-Reaktion unter Ausbildung von Immunkomplexen an das bereits gebundene Protein S der ersten Reaktion. Der Agglutinationsgrad wird als Trübung gemessen und ist direkt proportional zur Konzentration des freien Protein S in der Probe. Auswertung: Die Protein-S-Aktivität ist geschlechtsabhängig und beträgt normalerweise für Männer 69 bis > 130 %, Frauen 58–114 % und für Frauen mit Ovulationshemmern 48–106 %. In der Praxis, leider auch durch die Testqualität mitbedingt, gibt es erhebliche Überlappungen zwischen Normalbereich und subnormalem Bereich. APC-Resistenz Indikation: Diagnostik einer Faktor-V-Leiden-Mutation (90 %) bzw. eines Faktor-V-Cambridge (selten). Die APCResistenzbestimmung ist ein Suchtest für das Vorliegen einer Resistenz des Faktors V gegenüber aktiviertem Protein C. Methodik: Die Messung der APC-Resistenz erfolgt über eine modifizierte PTT oder einen verdünnten Russell’s viper venom test (RVVT). Das Protein C im Patientenplasma wird mit einem Aktivator (aus Schlangengift) aktiviert und mit einem aPTT- bzw. RVVT-Reagens inkubiert. Die Gerinnung wird durch Zugabe von Kalciumchlorid gestartet und die Gerinnungszeit gemessen. Diese ist bei der Faktor-V-Leiden-Mutation verkürzt im Vergleich zu einem 2. Test mit Normalplasma. Zur Beurteilung wird eine Ratio gebildet. Die APC-Resistenzbestimmung wird verfahrensabhängig u. a. beeinflusst durch Kumarintherapie, Heparintherapie und Lupusantikoagulanzien. Auswertung: Ratiowerte unterhalb eines testabhängigen Cut-off-Wertes sprechen für eine Faktor-V-Leiden-Mutation, die durch eine PCR-Mutationsanalytik abgeklärt werden sollte. Prothrombinmutation 20 210 Indikation: Thrombophiliediagnostik. Methodik: molekulargenetischer Nachweis (z. B. sequenzspezifische PCR). Auswertung: Merkmalsträger (homo- und heterozygot) haben ein erhöhtes Risiko, eine venöse Thrombose zu entwickeln. Lupusantikoagulanzien (LA) Lupusantikoagulanzien können gemeinsam mit Antikardiolipin-Antikörpern oder allein als IgG und/oder IgM auftreten und sind gerinnungswirksam. Indikation: Verdacht auf Antiphospholipid-AntikörperSyndrom (APS). Methodik: Voraussetzung: keine Cumarintherapie und keine „high dose“-Heparinisierung. Zum Screening wird ein einstufiges Dilute-Russell’s-viper-venom-time-Reagens (DRVVT-Reagens) verwendet. Bei entsprechender Wertekonstellation wird zusätzlich ein zweites, phospholipidreiches sog. Bestätigungsreagens verwendet. Wenn der LA-Screening-Test unauffällig ist (< 45 s), lautet das Endresultat „LA nicht nachweisbar“. Bei verlängertem LAScreening-Test wird auch der Bestätigungstest durchgeführt. Ist dessen Ergebnis unauffällig (< 38 s), liegt ein Lupusantikoagulans vor und zur Beurteilung der Schwere dient die Ratio von Screening-Test (s)/Bestätigungstest (s). Sind allerdings die Gerinnungszeiten beim Screeningund Bestätigungstest verlängert, ist eine Zusatzuntersuchung notwendig: Es wird eine Mischung von Patientenprobe und Normalplasma in gleicher Menge untersucht. Ist dann die Gerinnungszeit des Screening-Tests verlängert und der Bestätigungstest normal, liegen LA und ein Faktorenmangel vor. Fallen beide Tests normal aus, liegt nur ein Faktorenmangel vor. Ergeben beide Tests verlängerte Zeiten, ist dies Hinweis auf Vorliegen irgendwelcher anderer Inhibitoren. Auswertung: Für den DRVVT-Test schließt eine Ratio < 1,2 das Vorliegen von Lupusantikoagulanzien aus, unter Marcumartherapie oder bei Synthesestörung der Leber liegt der Cut-off-Wert bei 1,5. Eine Ratio zwischen 1,2 und 1,5 weist auf schwach ausgeprägte Lupusantikoagulanzien hin. Eine Ratio > 1,5 spricht für deutlich positive Lupusantikoagulanzien. Kardiolipin-Antikörper/β2-GlykoproteinAntikörper Indikation: Verdacht auf Antiphospholipid-AntikörperSyndrom (s. Blut und Blutbildung [S. A166]). Methodik: ELISA. Empfohlen wird derzeit, gleichzeitig Antiphospholipid- und β2-Glykoprotein-Antikörper zu bestimmen. Auswertung: Erhöhung bei Anti-Phospholipid-Syndrom, Autoimmunerkrankungen (z. B. SLE), leichte Erhöhung auch bei 2–5 % der Normalbevölkerung sowie bei Kindern mit banalen Infekten in bis zu 30 % d.F. Diagnostisch aussagekräftig sind die Ak-Nachweise daher nur, wenn sie sich nach mehrwöchigem Abstand reproduzieren lassen. Antikardiolipin-Antikörper wirken sich kaum auf die Gerinnung aus. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 560 Erhöhte D-Dimere sind Ausdruck einer ausgeprägten lokalen Gerinnselbildung. Allerdings ist die Bildung von Fibrinogenspaltprodukten stark von der zeitlichen Relation zwischen Ereignis und Blutentnahme und von der Lokalisation und Ausdehnung des Thrombus abhängig. Trotzdem besitzt die D-Dimere-Bestimmung eine hohe Sensitivität (> 95 %) für thromboembolische Ereignisse mit einem negativ prädiktiven Wert > 95 %. Daher ist die Ausschlussdiagnostik sehr sicher. Im seltenen Einzelfall kann aber auch bei Ergebnissen innerhalb des Referenzbereiches ein solches Ereignis vorliegen. Eine Erhöhung der DDimere hat allerdings nur eine Spezifität von weniger als 50 %. Erhöhte D-Dimere bei Patienten mit venöser Thromboembolie und oraler Antikoagulation sind außerdem Hinweis auf eine unzureichende Antikoagulation. Bleibt der D-Dimere-Wert mehrere Wochen nach Absetzen einer oralen Antikoagulanzientherapie unauffällig, ist das Rezidivrisiko gering, während Patienten mit D-DimereAnstieg eine verlängerte Therapie mit oralen Antikoagulanzien benötigen. Methodik: Die Bestimmung erfolgt mittels eines chromogenen Tests. Das Plasma wird mit Plasminreagens in Gegenwart eines Überschusses Methylamin inkubiert. Anschließend findet eine Quantifizierung der Restaktivität des Plasmins mithilfe eines synthetischen chromogenen Substrats statt. Das freigesetzte Paranitroanilin wird kinetisch bei einer Wellenlänge von 405 nm gemessen und ist umgekehrt proportional zum Plasmininhibitorgehalt der Probe. Auswertung: Unauffällig sind Werte im Bereich 70–130 % der Norm; bei Neugeborenen 55–130 % der Norm. Erniedrigte Werte finden sich hereditär (extrem selten) und können die Erklärung für eine Blutungsneigung liefern. Zu den erworbenen Ursachen gehören Hyperfibrinolyse, Lysetherapie, Leberzirrhose, Promyelozytenleukämie. Erhöhte Werte werden bei Diabetes mellitus beobachtet. Tissue-Plasminogenaktivator (tPA) Allg.-med. Anamnese LS xis zu schweren Irrtümern führen, insbesondere da in manchen Lehrbüchern trotzdem Referenzbereiche angegeben werden, die aber für den tatsächlich eingesetzten Assay nicht gelten müssen. Indikation: ▪ Verdacht auf Hyperfibrinolyse ▪ Kontrolle der fibrinolytischen Therapie ▪ Verdacht auf erworbene Synthesestörung bei Hepatopathie ▪ Verdacht auf angeborenen α2-Antiplasminmangel. Indikation: Beurteilung der Fibrinolyse. Methodik: Zum Beispiel ELISA-Test, bei dem die Mikrotitervertiefungen mit Antikörpern gegen Human-tPA beschichtet sind. Auswertung: Referenzbereich: 1,0–12 ng/ml. Die Konzentration des tPA-Antigens steigt mit zunehmendem Lebensalter an. Die Plasma-tPA-Konzentrationen können durch Medikamenten-Wechselwirkungen beeinflusst werden und bei Rauchern niedriger liegen. In der Spätphase der Schwangerschaft sind die tPA-Werte erhöht. Weiterhin haben Studien gezeigt, dass die Plasmaspiegel endogenen Reha MERKE Diese Testabhängigkeit kann in der klinischen Pra- Plasmininhibitor (α2-Antiplasmin) Hygiene Auswertung: Der Referenzbereich ist sehr stark testabhängig und muss der Packungsbeilage oder dem Leistungsverzeichnis des Labors entnommen werden. Auswertung: Referenzbereich: 75–140 % der Norm. Neugeborene haben nur etwa 50 % der Erwachsenenwerte. Umw./Tox. Methodik: Eingesetzt werden Immunoassays mit hochspezifischen Antikörpern gegen die Quervernetzungsregion der Fibrinspaltprodukte. Zur Verstärkung des Messsignals sind die Antikörper üblicherweise an Mikropartikel aus Polystyrol oder Latex gebunden. Bei Vorhandensein von D-Dimeren in der Patientenprobe kommt es zu einer Agglutination und einer fotometrisch messbaren Trübungszunahme bei 405 nm. Epidem. Indikation: ▪ Ausschluss thromboembolischer Erkrankungen (tiefe Beinvenenthrombose, Lungenembolie) ▪ Ausschluss einer disseminierten intravasalen Gerinnung (DIC). Methodik: Streptokinase bildet mit Plasminogen einen Komplex, der Plasminogen in Plasmin umwandelt. Die Quantifizierung erfolgt mithilfe eines synthetischen chromogenen Substrats. Freigesetztes Paranitroanilin wird kinetisch bei einer Wellenlänge von 405 nm erfasst und ist direkt proportional zur Plasminogenaktivität der Probe. Zu beachten ist, dass in Gegenwart von Aprotinin zu niedrige Werte gemessen werden. GTE D-Dimere sind ein Risikomarker bei venöser Thromboembolie. Bei aktivierter Fibrinolyse spaltet Plasmin das quer vernetzte Fibrin. Die Quervernetzung des Fibrins liegt im Bereich der sog. D-Domänen, durch Einwirkung von Plasmin entstehen Fibrinspaltprodukte mit quer vernetzten D-Domänen. Die kleinste Einheit ist das D-Dimer. Erhöhungen von D-Dimeren weisen daher auf eine aktive Fibrinolyse hin. Arb./Soz. Indikation: Verdacht auf angeborenen oder erworbenen Plasminogenmangel (DIC, Hyperfibrinolyse, Sepsis, hepatogene Koagulopathie) sowie indirekter Nachweis einer Hyperfibrinolyse. Plasminogen ist jedoch weniger sensitiv als der Plasmininhibitor (s. u.). Recht D-Dimere Patho Plasminogen Ges.-ökon. Palliativ Altern Mikrobio Kl. Chem. Radio Pharma Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 4.3.3 Fibrinolyse 561 Präv. 4.3 Hämostase 5 Atmungssystem tPAs als Risikomarker für Myokardinfarkt und Schlaganfall dienen können. Plasminogenaktivator-Inhibitor-1 (PAI-1) Indikation: Beurteilung der Fibrinolyse (PAI-1 ist der wirkungsvollste Inhibitor der Fibrinolyseaktivierung), da die α-Granula der Thrombozyten PAI-1 enthalten. Methodik und Auswertung: Für die PAI-1 Aktivitäts- und Antigenbestimmung sind Testkits im Handel, ihr diagnos- tischer Wert ist noch nicht endgültig belegt (Referenzbereich: 5–20 μg/l Antigen-Test, 0,3–3,5 U/ml Aktivitätstest). Im Serum sind die Konzentrationen 5-fach höher als im Plasma. PAI-1 ist nicht nur ein Marker für die Diagnose und Risikobewertung von Thrombosen, sondern spielt auch eine Rolle z. B. bei malignen Erkrankungen, dem schwangerschaftsinduzierten Bluthochdruck und entzündlichen Reaktionen. 5 Atmungssystem 5.1 Blutgasanalyse Die Blutgasanalytik gehört zu den oft besonders eiligen und für lebenserhaltende Maßnahmen notwendigen Untersuchungsanforderungen. Sie wird sehr häufig patientennah z. B. direkt auf der Intensivstation durchgeführt (point of care testing = POCT). 5.1.1 Säure-Basen-Haushalt Zu den Störungen des Säure-Basen-Haushalts (respiratorische oder metabolische Azidose bzw. Alkalose) s. Niere [S. A431]. Indikation: Schwere Stoffwechselentgleisungen und Atemstörungen (z. B. dekompensierter Diabetes mellitus, tubuläre Nierenerkrankungen, Intoxikationen, Hypo- und Hyperkaliämie, Schock und Koma). Präanalytik: Untersucht wird arterielles oder hyperämisiertes kapilläres Vollblut aus dem Ohrläppchen mit 50 E/ ml Heparinzusatz. Die Probe muss unter Luftabschluss abgenommen und transportiert werden. Proben in Spritzen müssen unbedingt gekühlt werden (kein Gefrieren). Verschlossene Kapillaren dagegen können bei Raumtemperatur transportiert werden. Die Messung sollte spätestens 30 min nach der Blutentnahme durchgeführt werden. Berechnung abgeleiteter Größen: Nach der Messung von pH und pCO2 können Plasmabikarbonat sowie Basenabweichung (BA) bzw. Basenexzess (BE) berechnet werden. ▪ Plasmabikarbonat: Berechnung anhand der Henderson-Hasselbalch-Gleichung: (HCO3– (mmol/l) = 0,0307 × pCO2(mmHg) × 10(pH – 6,1)). Diese Berechnung wird von Blutgasanalysatoren automatisch durchgeführt. Unter Standardbikarbonat versteht man die Angabe normiert auf ein pCO2 von 40 mmHg. ▪ Basenabweichung (BA) oder Basenexzess (BE): Die Basenabweichung gibt an, wie viel mmol Säure oder Base in jedem Liter Extrazellulärvolumen fehlt bzw. im Überschuss vorhanden ist: BA oder BE (mmol/l) = HCO3– − 24,5 + 16,2 (pH − 7,4). Auswertung: Referenzwerte s. Tab. 5.1. Zur Interpretation sollte man am besten die einzelnen Parameter der Blutgasanalytik in festgelegter Reihenfolge durchgehen: ▪ pH-Wert: Die pH-Verschiebung zeigt den Grad der Gefährdung des Patienten an: - normal: keine oder kompensierte Störung - pathologisch: dekompensierte Störung. Werte < 7,1 und > 7,6 sind lebensgefährlich, besonders wenn sie akut respiratorisch bedingt sind. Fehlerquellen: ▪ venöses Blut (zeigt je nach Abnahmestelle schwankende Resultate) ▪ Luftkontakt: pO2 ↑ und pCO2 ↓ ▪ Heparinüberschuss: Ansäuerung ▪ In-vitro-Veränderungen bei mangelnder Probenkühlung ▪ schlechte Mischung der Probe vor der Analyse ▪ Gerinnselbildung ▪ Körpertemperatur des Patienten deutlich über oder unter 37 °C (Temperaturkorrektur erforderlich). Tab. 5.1 Referenzwerte in arteriellem und venösem Blut Methodik: Im Blutgasanalysator sind entlang einer Kapillare, durch welche das Blut befördert wird, mindestens 3 miniaturisierte Messelektroden angeordnet. Zu den Methoden der pH-, pCO2- und pO2-Messung s. Elektrochemische Verfahren [S. C529]. Messgröße arteriell venös pH 7,37–7,45 7,35–7,43 pCO2 35–45 mmHg (4,67– 6,00 kPa) 37–50 mmHg (4,94– 6,66 kPa) BE –2,00 bis + 3,00 mmol/l –2,00 bis + 3,00 mmol/l HCO3– 22–26 mmol/l 22–26 mmol/l pO2 71–104 mmHg (8,66– 13,30 kPa) 36–44 mmHg (4,80– 5,85 kPa) O2-Sättigung 90–96 % (0,90–0,96) 70–80 % (0,7–0,8) Die Werte sind konventionell sowie in der entsprechenden SI-Einheit in Klammern angegeben. Für hyperämisiertes Kapillarblut gelten die gleichen Referenzwerte wie für arterielles Blut. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 562