Versagen der Philosophie

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® Versagen der Philosophie
Warum haben wir eigentlich kein Ethos, das zu den
modernen Zeiten passt? Wieso schaffen es die
Religionen immer noch, das Ethos mit Vorstellungen zu
bevormunden,
deren
Haltbarkeitsdatum
längst
abgelaufen ist? Warum profiliert sich jenseits der
Menschenrechte keine ethosstiftende Instanz, die der
Wissenschaft, der Aufklärung und dem Technikfortschritt
Rechnung trägt?
Philosophieschelte
Wer sich solche Gedanken zu einem zeitgemäßen Ethos macht, der
erkennt die unheilvolle Wirkung der Religion. Unsere modernen
Staaten sind säkular. Dafür brauchen wir ein säkulares Ethos,
und das muss logischerweise über der Religion stehen. Wenn
jemand seine religiösen Vorstellungen absolut setzt – wie es
alle Religionen tun -, dann sieht er sich damit konfrontiert,
dass andere dasselbe machen. Diese vermeintlich absoluten
Werte sind deshalb nur relativ. Im Geist der Demokratie ist
keine andere Lösung akzeptabel, als sie nebeneinander zu
stellen.
Das
entspricht
unserer
Definition
von
Religionsfreiheit, keine Religion darf sich über andere
erheben.
Das möchten die Religionen gern unterlaufen oder verhindern,
und sie haben Erfolg dabei. Deshalb kranken allzuviele moderne
Gesellschaften an religiösen Restriktionen, die ihnen vornerum
und hintenrum untergejubelt werden. Das Abendland ist
keineswegs davon ausgenommen, wie man an den vielen
Quersubventionierungen von religiöser Rückschrittlichkeit
sieht. Von daher wird dringend eine übergeordnete ethische
Instanz gebraucht, die solche Fragen mit allgemeiner
Gültigkeit regelt.
An diesem Punkt hat manch einer auf die Philosophie gehofft.
Aber die Philosophie liegt darnieder, und sie hat ihren
Niedergang zurecht erlitten. Übersteigert gesagt, ist sie oft
unwissenschaftlich und ignorant, und sie dient oft nur den
Philosophen statt der Allgemeinheit. Bei öffentlichen
Diskursen z.B. um Geistesfreiheit und Dualismus, fielen
philosophische Beiträge reihenweise durch Defizite im Bereich
der physikalischen und neurologischen Grundlagen auf. Auch
sind ihre Begriffe oft unklar definiert, mit der rühmlichen
Ausnahme von Bunge/Mahner. Die wesentlichen Vorwürfe:
1. Reviermarkierung – als Nachweis der Existenzberechtigung
wird alles blödsinnig verkompliziert, bis keiner mehr
mitreden kann, den es angeht – also gar keiner mehr
außer den Philosophen. Diese exklusive Vereinnahmung der
Deutungshoheit rächt sich dadurch, dass kaum noch jemand
auf die Philosophen hört. Das meiste, was philosophisch
relevant ist, passiert heute in Quantenphysik,
Neurologie und Künstlicher Intelligenz. Quantenphysik
ist schon von Haus aus blödsinnig kompliziert, deshalb
brauchen wir Vereinfachung und nicht Verkomplizierung.
Vielfach angewendet und wenig hilfreich ist die zynische
Maxime: Wer bekannt werden will, muss sich ein Thema
nehmen und das Gegenteil vom offensichtlich Vernünftigen
behaupten (John Searle).
2. Denkmalspflege – im Licht der neuen Erkenntnisse müsste
das alte Material dringend einer Evaluierung unterzogen
werden, was davon überhaupt noch relevant ist. Unbesehen
wird aber weiterhin auf die alten Kenntnisstände Bezug
genommen. Heutzutage wollen aber nur wenige wissen, was
man sonst noch für krauses Zeug denken kann. Den meisten
geht es um gültige Erkenntnisse, um ethische
Einordnungen und um Bewertung, was man davon halten
soll. Dem steht nicht nur die religiöse Kontaminierung
entgegen, die Desinformation als "Erkenntnisse" verkauft
und Konfusion schaffen will statt Klarheit. Viele
Philosophen haben übertriebenen Respekt vor alten Hüten.
Ohne Entrümpelung kann die Philosophie keine zeitgemäße
Lebenshilfe leisten.
3. Servicewüste – der Nutzeffekt fehlt. Die Philosophie als
Ganzes hat nicht den Hauch eines Servicegedankens. Viel
zu oft landet man im Elfenbeinturm. Dabei sind viele
einzelne und auch Gruppen von Philosophen pragmatisch
eingestellt, und sie liefern moderne Denkgebäude ab.
Bloß sind das eben viele konkurrierende Modelle, bei
denen sich die Schnittmenge letztich minimiert. Auf die
Art kann man kein modernes globales und überreligiöses
Ethos abliefern. Dabei lechzt die Moderne nach einem
weltweiten Ethos der Moderne. Wir haben ja immer noch
das von uralten Dogmen konservierte ethische Vakuum
rings um den technischen Fortschritt herum. Die
Menschenrechte wurden mal ausgerufen, ja, aber wo bleibt
die Anpassung an die neuen Umwälzungen? Warum ist es
nicht das Hauptforschungsziel der Philosophie, eine
umfassende
Katalogisierung
und
Wertung
der
Bestimmungsgrößen zu machen? Warum verweigert sich die
Philosophie der Aufgabe, eine objektive Zusammenfassung
zu erstellen von dem, was die wissenschaftliche Gemeinde
denkt, nach Prozent Zustimmung aufgeschlüsselt? Warum
liefert sie nicht wenigstens eine offizielle
Mehrheitsmeinung zu den Randbedingungen für die
menschliche Kultur, die sich aus Psychologie, Neurologie
usw. ergeben? Warum schafft sie nicht Nutzen für die
Allgemeinheit durch eine philosophische Ratingagentur,
AAA für dies, D für das?
Ethos
Vielleicht spielt da auch rein, dass die Unis so
stiefmütterlich behandelt werden. In Deutschland hatten wir
jahrelang mit der Bundesbildungsministerin Schavan (auch
"Bundesbibelministerin" genannt) eine Kultusministerin, die
sich zuförderst der Bibel verpflichtet sah. Sie hielt
Theologie für eine Wissenschaft, und das tut die derzeitige
Bundesbildungsministerin Wanka auch. Derzeitige Initiativen
gehen sogar in Richtung Islam-Lehrstühle für deutsche Unis,
statt dass die Theologie der wissenschaftlichen Hochschulen
verwiesen wird. Bekenntnisorientierte Religionslehre hat
genausoweinig an den Unis verloren wie die Ausbildung von
Priestern, Rabbis oder Imamen. Theologie betreibt ja keine
Wissenschaft, sondern das Gegenteil. Ganz obendrüber steht das
Dogma, es gibt einen Gott – und ein Dogma ist ein Denkverbot.
Also keine Wahrheitssuche, sondern die Verteidigung von
altertümlichen Irrtümern gegen wissenschaftliche Erkenntnis.
Das Aufräumen an den Unis könnte der Philosophie nutzen. Das
würde Mittel für Ethiklehrstühle freimachen. Parallel sollte
die Abschaffung des Religionsunterrichts an den Schulen
laufen, und dafür die Einführung von allgemeinem
Ethikunterricht. Wenn dann noch die religiös indoktrinierten
Kultus-, Bildungs- und Sonstwas-Minister abgewählt werden,
würde auch weniger von kultusministerieller Seite in die Unis
reingepfuscht. Das würde die Machtposition von Kirchen und
religiösen Verbänden einschränken. Das geistige Klima würde
sich wandeln, möglicherweise käme eine
zustande – soweit die optimistische Sicht.
Aufbruchstimmung
Wie zu befürchten steht, ist das Gegenteil realistischer. Im
Politikbetrieb siegt ja auch die Ideologie über die
Wissenschaft. Immer wieder wird versucht, volkswirtschaftliche
Gesetze durch politische Entscheidungen außer Kraft zu setzen.
Das ist eine direkte Spiegelung der religiösen Dogmatik, die
sich auch über die Realität erheben möchte. Schon deshalb wird
ein zeitgemäßes Ethos gebraucht, das die Politik mit den
richtigen Imperativen ausstattet, was zu tun und was zu
unterlassen ist.
Das Ethosdefizit schlägt sich in einem Regelungsdefizit
nieder, das Politikern und Bankern zu viele Freiheiten
erlaubt. Dabei sind beide Fakultäten Dienstleister, die ihr
Wirken dadurch rechtfertigen, dass sie dem Allgemeinwohl
dienen. Statt diese Aufgabe zu erfüllen, schwingen sie sich zu
Herren auf, ohne dass sie in die Grenzen gewiesen werden.
Zugleich mit dem Niedergang der Demokratie hat das Kapital den
Aufstieg zur Weltherrschaft vollzogen. Durch innovative
Fortschritte im Bestechungswesen und durch milliardenteure
Überzeugungsarbeit haben die Lobbys die Politik auf ihre Seite
gezogen.
Mangels allgemein akzeptierter ethischer Vorgaben bleibt
dieses ungute System sakrosankt. Man malt uns den Teufel an
die Wand, dass es zusammenbrechen könnte, und schrecklicher
Schaden entstünde. Doch wer weiß, ob sich die Leute nicht
solidarisieren würden, sobald es gegen die Abzockergemeinde
geht? Zusammenhalten, ohne die zahlungsunfähigen Banken zu
stürmen? Diese Chance kriegen wir aber nicht. Es gilt das
unausgesprochene Dogma, das Finanzsystem zu erhalten, wie es
ist. Darin sieht man die Erhaltung der Religion gespiegelt,
die alles tut, um als sakrosankt und heilig zu gelten und ihre
Dogmen zu bewahren.
Warum muss eigentlich ein Finanzsystem erhalten werden, das so
missbräuchlich konstruiert ist? Die Systemfrage stellt sich
bei den Finanzen genauso wie bei der Religion. Durch das
unselige Zusammenwirken gerät die Allgemeinheit schwer in die
Defensive gegenüber den Reichen, die immer reicher werden. Und
sie wehrt sich nicht mal entsprechend, sondern sie ignoriert
es weitgehend.
Wo kommt es eigentlich her, dass wir die Augen vor
Unangenehmem verschließen und hoffen, dass es von alleine
wieder weggeht? Diese typische irrationale Reaktion mutet
seltsam deplaciert an inmitten einer rationalen Welt. Aber sie
wird uns vorgebetet, nicht wahr? Beten und Hoffen ist genauso
irrational wie das Dogma der irrationalen Unterordnung, mit
dem die Religion den Fortschritt bekämpft: »Wir sollen uns
nicht zu Göttern aufschwingen.« Genau das tut die Technik,
doch anstatt sie zu bremsen, sollte sie so reguliert werden,
dass sie zum allgemeinen Nutzen funktioniert. Das dazu
passende Ethos ist eine Bringschuld der Philosophie. Die
Philosophen sollten sich zusammentun, um einen religionsfreien
sozialen Imperativ zu kreieren.
(Dieser Artikel wurde zuerst am 29.8.13 veröffentlicht und am
4.8.17 überarbeitet)
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Philosophie: was sind Konstrukte?
Philosophie: Glück & Sinn des Lebens
Philosophen auf dem Prüfstand
Grundzüge einer naturalistischen Philosophie und Ethik
Emanzipation von
Schuldzuweisungen)
der
Religion
(Überbau
der
Das Ethosdefizit (1. Schuldzuweisung an die Religion)
Die Lügenkultur (2. Schuldzuweisung an die Religion)
Die Übervölkerung (3. Schuldzuweisung an die Religion)
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