8. Europäischer Kongress EBH 2015 Vielfältige Einsatzmöglichkeiten – Holz und Stahl im Tragwerk | K. Merz Vielfältige Einsatzmöglichkeiten – Holz und Stahl im Tragwerk Konrad Merz merz kley partner ZT GmbH AT-Dornbirn 1 8. Europäischer Kongress EBH 2015 2 Vielfältige Einsatzmöglichkeiten – Holz und Stahl im Tragwerk | K. Merz 8. Europäischer Kongress EBH 2015 Vielfältige Einsatzmöglichkeiten – Holz und Stahl im Tragwerk | K. Merz Vielfältige Einsatzmöglichkeiten – Holz und Stahl im Tragwerk Das Produktions- und Verwaltungsgebäude Sputnik Engineering in Biel, Schweiz 1. Einleitung Abbildung 1: Produktions- und Verwaltungsgebäude Sputnik Engineering in Biel, Schweiz Bereits das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes lässt aufgrund seiner Fassade aus Holz erahnen, dass die ökologische Nachhaltigkeit beim Neubau des produktions- und Verwaltungsgebäudes der Sputnik Engineering AG in Biel eine vordergründige Rolle einnimmt. Auch im Inneren des Gebäudes sind die Oberflächen überwiegend aus Holz. Die Nachhaltigkeit wurde jedoch nicht nur auf den Aspekt der Ökologie reduziert, vielmehr wurde auf die Ausgewogenheit der ökologischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Nachhaltigkeit geachtet. So bieten die Arbeitsplätze mit einem guten Raumklima und einem großen Tageslichtanteil ein hohes Maß an Behaglichkeit und Wohlbefinden der Beschäftigten. Überdies gewährleistet die offene Konstruktion der Skelettbauweise eine hohe Flexibilität bei der Anordnung des Büro- und Produktionslayout. 2. Gebäude Das dreigeschossige Gebäude erstreckt sich über eine Grundfläche von ca. 90x130 m. Die Attikaoberkante liegt bei ca. 15,50 m. Das Gebäude folgt einer gleichermaßen logischen wie klaren funktionalen Unterteilung. Im Erdgeschoss werden im Wesentlichen die Produktionsflächen mit den dazugehörenden Nebenräumen wie Sanitärräume, ein Showroom, Schulungsräume und ein Restaurant angeordnet. Die Obergeschosse nehmen nicht die komplette Grundfläche des Erdgeschoss ein, sondern werden in Form von 19 m breiten Riegeln, im Abstand von 19 m untereinander auf das Erdgeschoss gesetzt. In den beiden Obergeschossen sind die Büroflächen vorgesehen. Das Untergeschoss, welches etwa ein Fünftel der Grundfläche einnimmt, sind die Gebäudetechnik, Archive und Labore untergebracht. Abbildung 2: Produktions- und Verwaltungsgebäude Sputnik Engineering in Biel, Schweiz 3 8. Europäischer Kongress EBH 2015 4 Vielfältige Einsatzmöglichkeiten – Holz und Stahl im Tragwerk | K. Merz 3. Konstruktion Der Bauherr, ein GreenTech-Unternehmen, forderte einen ressourcenschonenden Einsatz der Baustoffe und ermunterte zur Verwendung möglichst umweltverträglicher Baustoffe. An dem Neubau sollte die Corporate Philosophy ablesbar sein. Da liegt die Verwendung des Baustoffs Holz nahe. Das Holz sollte jedoch nicht dogmatisch und «auf Biegen und Brechen» eingesetzt werden, sondern es sollte eine möglichst intelligente, effiziente Kombination aus Baustoffen, entsprechend den jeweiligen Stärken, verwendet werden. Das Ergebnis ist eine Konstruktion in der Holzbau, Stahlbetonbau, Stahlbau, Holz-BetonVerbund und Stahl-Beton-Verbund miteinander kombiniert wurden. Die Stützen im Erdgeschoss und die aussteifenden Treppenkerne wurden in Stahlbeton errichtet, ebenso wie das Untergeschoss, die Fundamente und die Bodenplatte, welche fast zwangsläufig aus Stahlbeton sind. Abbildung 3: Stahlbetonkonstruktion Untergeschoss, Treppenkerne und Stützen EG Die Decken der Büroriegel werden aus einer HBV-Decke (Brettstapel mit Aufbeton), die Dächer aus einer reinen Brettstapeldecke hergestellt. Die Dächer über der Produktion im EG wurden als reine Holzkonstruktion, mit BSH-Satteldachträgern, Pfetten und OSBDachscheibe errichtet. Abbildung 4: Dach und HBV Decke über Erdgeschoss Der Grundraster des Gebäudes beträgt 6,25 x 6,25 m. Die Stahlbetonstützen im Erdgeschoss stehen im Raster 6,25 x 12,50 m unter den Büroriegeln, die Satteldachträger der Dächer dazwischen überspannen die Distanz von 18,75 m stützenfrei. Die Hauptträger der Geschossdecken und der Dachkonstruktion sind aus Stahl, wobei die Träger in den Decken gemeinsam mit dem Aufbeton als Stahl-Beton-Verbundträger ausgebildet sind. Die Träger über dem Erdgeschoss (HEB 700) fangen eine Stützenachse der Obergeschosse ab. In den Bürogeschossen sind die Stützen aus Stahlhohlprofilen im Raster 6,25 x 6,25 m angeordnet. 8. Europäischer Kongress EBH 2015 Vielfältige Einsatzmöglichkeiten – Holz und Stahl im Tragwerk | K. Merz Abbildung 5: Tragkonstruktion Axonometrie Die Aussenwände wurden komplett aus nicht tragenden Holzrahmenelementen hergestellt. Die innere Beplankung aus OSB-Platten bildet gleichzeitig die fertige, sichtbare Oberfläche. Aussen sind die Elemente mit MDF-Platten beplankt, dazwischen Wärmedämmung aus Mineralwolle. Die Randabschalung des Aufbetons aus KLH-Platten dient gleichzeitig als Anschlag, Richtschwelle und Befestigungspunkt für die Fassadenelemente. Die KLHAbschalung wurde vor dem Betonieren vom Holzbauer mit geringstmöglicher Toleranz ausgerichtet und montiert. An dieser Stelle wird exemplarisch deutlich, wie die Gewerke Holzbau und Massivbau ineinandergreifen. Die Holzfassade wird aus unbehandeltem Lärchenholz hergestellt. Die Lochfassaden der Ost- und Westfassade werden dabei aus vertikal angeordneten Lamellen gebildet. In den Nord- und Südfassaden der Bürogeschosse mit durchgängigen Fensterbändern bildet ein Lamellenschirm aus horizontalen, leicht nach außen gekippten Brettern gleichzeitig den Sonnenschutz. Abbildung 6: Anschluss Holzrahmenelement Aussenwand an Decke 5 8. Europäischer Kongress EBH 2015 6 Vielfältige Einsatzmöglichkeiten – Holz und Stahl im Tragwerk | K. Merz 3.1. Holz-Beton-Verbund Decke Decken haben in grundsätzlich die Funktion der vertikalen Lastabtragung. Um die Gebrauchstauglichkeit sicherzustellen bzw. den gewünschten Nutzungskomfort zu erreichen, muss eine Decke, insbesondere in Bürogebäuden, bezüglich ihrem Schwingverhalten infolge bewegungsinduzierter Anregung bestimmte Grenzwerte einhalten. Weitere Funktionen sind Schallschutz, Wärmeschutz (Speichermasse) und Aussteifung. Diese Funktionen können von verschiedenen Deckensystemen, z.B. von Stahlbetondecken oder auch von reinen Holzdecken, erfüllt werden. Wenn, wie in diesem Fall, aber die Spannweite 6,25 m wirtschaftlich überspannt und die Untersicht möglichst aus einer fertigen, sichtbaren Holzoberfläche bestehen soll, liegt die Wahl einer Holz-Beton-Verbund Decke nahe. In diesem Fall wurde die Decke mit einer Stärke von 240 mm gewählt. Unten wurden Brettstapelelemente mit 140 mm eingesetzt. Im Sichtbereich der Büros hatten die Elemente eine «Plus-Minus» Profilierung (d.h. die Kanteln sind abwechselnd 140 und 160 mm hoch) und eine Oberfläche in Sichtqualität. Der Aufbeton mit einer Höhe 100 mm wurde aus Beton C25/30 hergestellt. Die Betonrezeptur wurde zwar mit einem sehr geringen w/z-Wert gewählt, um die Schwindverformungen zu reduzieren ist aber eine sorgfältige und andauernde Nachbehandlung sowie eine möglichst lange Unterstützungsfrist viel entscheidender. Der Verbund wurde ausschliesslich über 20 mm tiefe, in die Brettstapel eingefäste, Kerven hergestellt. Auf zusätzliche mechanische Verbundmittel wurde verzichtet. In einem weiten Raster wurden Spax mit Tellerkopf als konstruktive Verbindung zwischen Brettstapel und Aufbeton angeordnet. Der Aufbeton wurde jeweils immer unmittelbar nach der Montage der Stahl/HolzKonstruktion aufgebracht. Die Decke kann bei dieser Montageabfolge bereits nach dem ersten Abbinden als Scheibe wirken. Ausserdem übernimmt der Aufbeton sogleich die Funktion des Witterungsschutzes für die Stahl/Holz-Konstruktion. Beide Vorteile konnten bei diesem Projekt nutzbar gemacht werden. Bei anderen Projekten können die Kriterien anders priorisiert sein und es könnte sinnvoller sein, die Holzkonstruktion komplett zu montieren und den Aufbeton anschliessend einzubringen. Die hier gewählte Vorgehensweise erfordert jedenfalls ein «Hand in Hand» von Holzbau- und Bauunternehmer, was hier, nebenbei bemerkt, ganz hervorragend funktioniert hat. Abbildung 7: Holz-Betonverbunddecke und Stahl-Betonverbundträger 8. Europäischer Kongress EBH 2015 Vielfältige Einsatzmöglichkeiten – Holz und Stahl im Tragwerk | K. Merz 3.2. Deckenscheiben Die Deckenscheiben, im Speziellen deren Aufbeton, bilden die horizontale Aussteifung und sind damit wesentliche Bestandteile der Gebäudeaussteifung. Die Deckenscheiben leiten die Horizontallasten in die Treppenkerne. Der lichte Abstand der Kerne beträgt 70 m. Es war vorgesehen, dass die Decken im Herbst/Winter montiert und betoniert werden und die Fassade im Frühjahr geschlossen wird. Es war also anzunehmen, dass die Decken in der Zeit zwischen der Herstellung und dem Zeitpunkt, an dem die Umgebungstemperatur konstant sein würde, Temperaturschwankungen zwischen -15°C bis 25°C, also 40 Kelvin, ausgesetzt sein könnten. Für den Aufbeton und die Stahlträger bedeutet dies eine Längenänderung von 30 mm. Abbildung 8: Längenänderung der Deckenscheibe aus Temperatur Da es aussichtslos gewesen wäre, die daraus resultierenden Zwängungskräfte schadlos aufnehmen zu können, mussten die Deckenscheiben während der betreffenden Frist in Längsrichtung einseitig verschieblich angeschlossen werden. Wie oben beschrieben sollten die Decken bereits im Bauzustand zur Gebäudestabilisierung beitragen, um eine aufwändige und teure temporäre Versteifungs- bzw. Abstützungskonstruktion zu vermeiden. Diese hätte ausserdem auch den Bauablauf erheblich beeinträchtigt. Es musste also ein Anschluss entwickelt werden, der Verschiebungen in Längsrichtung zulässt, die Stabilisierung in Querrichtung aber gewährleistet. Abbildung 9: Statisches System der Deckenscheibe im Bauzustand In einem Streifen von 80 cm um den Treppenkern wurde der Aufbeton ausgespart. Stattdessen wurde der Aufbeton mittels «Pendelstab» aus Stahl an den Massivkern angeschlossen. Der ausgesparte Streifen im Aufbeton wurde Anfang April ergänzt. Anschliessend konnte der Innenausbau ohne Behinderungen fortgesetzt werden. 7 8. Europäischer Kongress EBH 2015 8 Vielfältige Einsatzmöglichkeiten – Holz und Stahl im Tragwerk | K. Merz Abbildung 10: Detail des beweglichen Lagers Abbildung 11: Ausführung des beweglichen Lagers 4. Allgemeine Projektinformationen Bauherr: Architekt: Ingenieur: Ausführung: Sputnik Engineering AG, CH-Biel/Bienne Burckhardt+Partner AG, CH-Bern merz kley partner AG, CH-Altenrhein, AT-Dornbirn Hector Egger Holzbau AG, CH-Langenthal (federführend) Jakem AG, CH-Münchwilen (Subunternehmer Stahlbau) Astrada AG, CH-Oensingen (Subunternehmer Stahlbetonbau)