52 | Stahl Leicht, beweglich, ökologisch Bauen Stahl bietet Schutz vor Wind und Wetter, aber auch vor weiteren Gefahren der Natur wie Feuer oder Erdbeben. Stahl besitzt sehr viele Vorteile. Evelyn C. Frisch D ie Bauweise und auch das Bau­ material selbst haben ihre spe­zi­ fischen Eigenschaften. Obwohl Stahl im Allgemeinen als hart und schwer empfunden wird, ist es als Baumaterial ganz im Gegenteil unschlagbar flexibel, weich und leicht. Der Grund dafür ist, dass der Stahlbau mit wenig Material aus­ kommt, um grosse Spannweiten zu über­ brücken und schwere Lasten zu tragen. Ein Stahlbau ist sozusagen ein Netzwerk von Stäben – ähnlich wie ein Spinnennetz. Es werden nur dort Teile eingesetzt, wo sie für die Stabilität der Struktur notwendig sind. Dabei sind die Teile so verbunden, dass das Bauwerk auf äussere Erschütte­ rungen, zum Beispiel durch ein Erdbeben, beweglich reagieren kann und nicht bricht. Ein Stahlbau bietet deshalb quasi ohne zusätzliche Massnahmen einen na­ türlichen Erdbebenschutz. Stahl vor Hitze schützen Wegen seiner Struktur wird der Stahl­ bau auch als Leichtbauweise bezeichnet und bietet maximale Transparenz – falls gewünscht. Anstatt einer Betonwand zum Bespiel braucht ein Stahlbau nur zwei Stützen, einen Balken und allenfalls eine Diagonale für die Aussteifung. Damit wird klar, dass ein Stahlbau wesentlich leichter sein muss als ein Massivbau und deshalb auch weniger Material benötigt, weniger Fundamente – und damit eben auch mehr Lichteinfall erlaubt und insgesamt mehr Raum bietet, der sonst mit schwerer Masse gefüllt wäre. Ein Stahlbau ist durch diese Materialeffizienz eben auch sehr ökolo­ gisch. Nicht nur wegen der Leichtigkeit, sondern auch deshalb, weil im Prinzip nur Schnellkochtopf Duromatic: Ab 1948 erleichterte Jacques Kuhn mit seiner Firma Kuhn Rikon der Hausfrau das Kochen. die Raumluft geheizt werden muss und nicht auch noch kubikmeterweise ande­ res Material. Obwohl Stahl an und für sich nicht brennt, wird er unter Hitzeeinwirkung schwach. Deshalb muss ein Stahlbau für den Brandfall gerüstet sein. Es gibt hier verschiedene Möglichkeiten. Entweder ist der Bau so ausgerichtet, dass jeder Mensch innerhalb von 30 Minuten das Gebäude verlassen kann, oder der Stahl wird gekühlt beziehungsweise vor Hitze geschützt. Die Kühlung erfolgt mit einem sogenannten Sprinkler, der bei Ausbreitung der Hitze Wasser versprüht. Beim Einbau eines Sprinklers rechnen Behörden mit einem Zeitgewinn von 30 Minuten zusätzlicher Brandsicherheit. Damit genügt ein Stahl­ bau einer Feuersicherheit von 60 Minuten, was bei mehrgeschos­sigen Gebäuden der Fall ist. Wenn ein h ­ öherer Schutz gefordert Steeldoc 03+04/11 Produktions­ gebäude K-90 von Huntsman in Basel: Stahl verbessert die Erd­ bebensicherheit. anzeige ist, zum Beispiel 90 Minuten Brandsicher­ heit, muss der Stahl entweder geschützt werden oder der Ingenieur beweist mit ­einem Brandschutzkonzept, dass die Si­ cherheit der Personen trotzdem gewähr­ leistet ist. Für den Schutz des Stahls stehen heute ent­weder herkömmliche Verklei­ dungen mit Gipskarton oder gar Holz zur Verfügung oder aber ein Schutzanstrich, welcher bei Hitze­einwirkung aufschäumt und den Stahl so isoliert. Brandschutz­ beschichtungen bieten den Vorteil, dass die Stahlbauelemente sichtbar bleiben, was viele Architekten wünschen. Fire Engineering macht es einfach Heute ist der Brandschutz, genau wie die Erdbebensicherheit, eines der wichti­ gen Themen für Behörden, aber auch für Grundeigentümer und Versicherer. Den Planern, welche die Sicherheit der Perso­ nen und Güter nachweisen müssen, stehen aber auch neue Analysemethoden zur Ver­ fügung, welche noch recht unbekannt sind. Die Richtlinien und Vorschriften der Feuerversicherungen verlangen die Über­ prüfung und den Nachweis für die Trag­ sicherheit, lassen aber auch objektbezogene Brandschutzkonzepte zu. Damit werden Stahltragwerke möglich, für die früher ein kompletter passiver Schutz notwendig ­gewesen wäre. Dabei wird die Auswirkung der Hitzeeinwirkung an einzelnen Bau­ teilen separat nachgewiesen. Dafür stehen Simulationsprogramme zur Verfügung, ­ ­denen entsprechende Testverfahren zu­ grunde liegen. Auch die Modellierung des Brand­verhaltens eines ganzen Gebäudes ist möglich, sodass das Tragwerk gezielt dort geschützt werden kann, wo es not­ wendig ist. Diese Methoden nennt man ­Ingenieurbrandschutz; sie müssen durch eine spezialisierte Fachperson durchge­ führt werden. Trotz vielleicht höherem Pla­ nungsaufwand lohnt sich diese Methode Kuhn Rikon handelszeitung | Nr. 46 | 15. November 2012 meistens, weil einmal die Architektur durch zusätzliche Schutzmassnahmen nicht beeinträchtigt wird und weil man da­ durch auch an herkömmlichen baulichen Brandschutzmassnahmen sparen kann. Bestehende Bauten gelten manchmal brandschutztechnisch als wenig sicher. Der Ingenieurbrandschutz kann jedoch auch für Umbauten eine ganze Palette ­intelligenter und zielgerichteter Lösungen anbieten, dank der detaillierten Analyse der Tragwerkselemente. So können die für das Tragwerk wichtigsten Elemente spe­ ziell geschützt werden. Diese Nachweise bringen auch für die Bauherrschaft die ­Bestätigung der Widerstandsfähigkeit des Gebäudes. Zudem: Ein regelkonformes Bauwerk steigt im Wert und kann von einer eventuellen Prämienreduktion der Feuer­ versicherung profitieren. Spezialisten kennen die Konzepte Dank des Ingenieurbrandschutzes kön­ nen die Gebäude sicherer konzipiert wer­ den. Gleichzeitig sind sie wirtschaftlich, und das Tragwerk kann auch sichtbar ge­ zeigt werden. Passive Schutzmassnahmen (Brand­schutzanstriche, Plattenverkleidun­ gen, Beflockungen) bieten nach wie vor ­interessante Lösungsmöglichkeiten, soll­ ten sich aber auf spezifische Anwendungen beschränken, damit die Bau- oder Umbau­ kosten für den Brandschutz nicht unnötig hoch werden. Das Erstellen eines umfas­ senden Brandschutzkonzeptes durch ein Team von Spezialisten ermöglicht die ­Optimierung aller baulichen, technischen sowie organisatorischen Massnahmen, wenn der Brandschutz im Planungsprozess des ­Architekten frühzeitig berücksichtigt wird. Evelyn C. Frisch, diplomierte Architektin ETH/Direk­ torin Stahlbau Zentrum Schweiz/Geschäftsführerin Dachorganisation Stahlpromotion Schweiz, Zürich.