Berthold Oelze Phänomenologie als Methode der Soziologie der Emotionen Phänomenologie, wie sie von Husserl konzipiert wurde, ist in erster Linie eine Methode. Sie dient der Erforschung des Bewusstseins, der Innerlichkeit und „Subjektivität“ überhaupt sowie auch der darin anschaulich gegebenen „Sachen selbst“. Denn alles Bewusstsein, so Husserl, ist immer Bewusstsein „von etwas“. Es ist stets gerichtet auf Gegenstände, zu denen es mannigfaltige Beziehungen aufbaut und gestaltet. Dies ergibt sich aus seinem Begriff der „Intentionalität“. Geleitet vom Prinzip der Anschaulichkeit und dem Konzept der „Konstitution“ als kognitiver Aufbau der Dinge, wie wir sie wahrnehmen und empfinden, besteht der Kern der phänomenologischen Methode in einer systematischen „Reflexion der Intentionalität“. In dieser Reflexion können sämtliche Qualitäten, die die Dinge für uns haben, wie auch die jeweiligen Qualitäten des Bewusstseins erforscht werden. Dabei spielen Gefühle, gefühlsbesetzte Haltungen und Verhaltungen zu den Dingen und Mitmenschen sowie Stimmungen eine zentrale Rolle. Damit ist die Phänomenologie prädestiniert, zum Werkzeug einer Soziologie der Emotionen zu werden. Dies vor allem, wenn ihre „egologische“ Selbsterforschung des je eigenen Bewusstseins weiterentwickelt wird zur sozialwissenschaftlichen Erforschung fremden Bewusstseins. Eine solche kann z.B. bestehen in einer besonderen Art qualitativer Meinungsforschung, die die Gefühle und Befindlichkeiten der Befragten gezielt thematisiert und zu analysieren erlaubt. Man kann finden, dass in der von Alfred Schütz und seinen Schülern entwickelten „Mundanphänomenologie“ das Thema Emotionen und Emotionalität überhaupt bislang tendenziell vernachlässigt wurden. Dies muss jedoch nicht so bleiben, denn der besondere Bezug der Phänomenologie zur sozialen Welt, der im Begriff „Mundanphänomenologie“ zum Ausdruck kommt, impliziert durchaus keine Vernachlässigung emotionaler Qualitäten. Eine Rückbesinnung auf das noch nicht ausgeschöpfte Potenzial des phänomenologischen Ansatzes und Weiterentwicklungen der phänomenologischen Methode können genutzt werden, um die sozialen Horizonte von Emotionen zu erschließen. So ermöglicht der phänomenologische Ansatz z.B. zu entdecken, wie weit und tief unsere Wahrnehmung der Mitmenschen, ihres Handelns und ihrer Beziehungen und auch unser eigenes soziales Verhalten und Handeln von Gefühlen abhängt. Im Rahmen einer Soziologie der Emotionen können phänomenologische Reflexionen der Intentionalitäten dazu beitragen, die Bedeutung von Emotionen für den Aufbau und die Reproduktion sozialer Beziehungen und der Gesellschaft überhaupt zu erforschen. In Zeiten, da „Wutbürger“, „Hassmails“, zunehmende Verunsicherung und Ängste das politische Klima und Lebensgefühl prägen, scheint eine solche phänomenologische Soziologie der Emotionen wichtiger denn je. *