Emotionen aus Sicht der Psychologie Astrid Görtz Kongress der GLE-international, 30. April 2010 in Wien Platons Seelenlehre Die Vernunft muss als Wagenlenker die beiden Pferde Willen und Begierde lenken und die Begierde bändigen, um als herrschende Kraft die Seele zur Erkenntnis zu führen. Platon (428-348 v.Chr.) „Affekten und Leidenschaften unterworfen sein, ist wohl eine Krankheit des Gemüts, weil beides die Herrschaft der Vernunft ausschließt. … Leidenschaften sind Krebsschäden für die reine praktische Vernunft.“ Immanuel Kant (1724-1804) Leib-Seele-Dualismus • Die Leidenschaften haben eine René Descartes (1596-1650) körperliche Ursache (res extensa) und werden durch ein höheres, seelisches Prinzip (res cogitans) kontrolliert. • Vom Gehirn bestehen Verbindungen zu den Sinnesorganen und den Muskeln „wie kleine Fädchen oder Röhrchen, die eine Art Luft oder sehr subtilen Wind enthalten, den man die Lebensgeister nennt.“ Emotionen als eigenständige psychische Phänomene Psychologie vom empirischen Standpunkt. Leipzig (1874) Grundlagen der Philosophischen Phänomenologie des 20. Jahrhunderts Er beeinflusste u.a. Husserl, McDougall, Freud und Rudolf Steiner. Franz Brentano (1838-1917) Emotionen: Elemente des subjektiven Bewusstseins mit physiologischen Korrelaten Drei Hauptrichtungen der Gefühle: 1. Lust – Unlust (Qualität) 2. Erregung – Hemmung (Intensität) 3. Spannung – Lösung (Zeitrichtung) Wilhelm Wundt, 1896 Das Wesen der Gefühle: • Ichzugehörigkeit • Gegensätzlichkeit • Universalität • Aktualität • Wandelbarkeit • Qualitätenreichtum • Lokalisierbarkeit „What is an emotion?“ William James, 1884 „Die körperliche Veränderung, die unmittelbar der Wahrnehmung der erregenden Tatsache folgt, IST die Emotion.“ Cannons Kritik an James (1920) einheitliche Reaktion des Autonomen Nervensystems (ANS) auf unterschiedliche Emotionen Unterschiede zwischen Emotionen sind allein im Gehirn angesiedelt „Als ob-Gefühle“ Facial Feedback-Hypothese (Carroll Izard, 1988) Behaviourismus: Gefühle als konditionierte Reaktionen Sensorischer Input Black box Verhaltensreaktion John B. Watson (1920): Das Experiment mit dem kleinen Albert 1950er Jahre: Die kognitive Wende Zwei-Komponenten-Theorie (Stanley Schachter & Jerome Singer, 1962) Emotionen setzen sich zusammen aus: 1. Physiologischer Erregung Intensität 2. Kognition (Kausalattribution) Qualität Das Bewertungskonzept (Magda Arnold, 1960) Die Emotion ist eine Tendenz „zu etwas hin“, das als gut bewertet wird – oder „von etwas weg“, das als schlecht bewertet wird. Drei Zugänge der Emotionspsychologie in den 1960er-Jahren Das emotionale Unbewusste Robert Zajonc (1980) • Kritik an der Bewertungstheorie • Experimente zum „Priming“: unterschwellige Darbietung von visuellen Reizen beeinflusst Versuchspersonen stärker als bewusste Wahrnehmung Emotionspsychologie im 21. Jhdt. – die neurowissenschaftliche Perspektive Evolutionäre Emotionsforschung Charles Darwin (1809-1882) • Emotionen als Mittel zum Überleben im Laufe der Stammesgeschichte • „Der Ausdruck der Gemütsbewegungen beim Menschen und bei den Tieren“ (1872) Ähnlichkeit im Emotionsausdruck bei unterschiedlichen Arten Dieselbe Form von Wut? Frühkindliches Auftreten als Beweis angeborener Emotionen Die evolutionäre Hirnentwicklung folgt dem Prinzip „nicht anrühren, so lange es nicht kaputt ist“ Modelle von Basisemotionen Sylvan Tomkins (1962) 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. Überraschung Interesse Freude Wut Furcht Ekel Scham Angst Carroll Izard (1994) 1. Interesse 2. Leid 3. Widerwillen (Aversion) 4. Freude 5. Zorn 6. Überraschung 7. Scham 8. Furcht 9. Verachtung 10. Schuldgefühl Paul Ekman,1984 : Erfassung des mimischen Ausdrucks (FACS) Plutchik‘s Emotionstheorie (1962) Die Aktualgenese von Emotionen – neue Erkenntnisse dank bildgebender Verfahren Das Furchtsystem und die Rolle der Amygdala Joseph LeDoux (1996): Input- und OutputSysteme der Amygdala Antonio Damasio (2001): „Ich fühle, also bin ich.“ Vom Wachsein zum Bewusstsein Gefühle als subjektiv erlebte Emotionen: das Leib-Seele-Problem • 1. Person-Perspektive: der Mensch als Subjekt seines Handelns • 3. Person-Perspektive: der Mensch als Objekt wissenschaftlicher Betrachtung Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!