VERANSTALTUNGSBEITRAG Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. POLEN PHILIPP HOLTERMANN 31. März 2011 www.kas.de/polen www.kas.de Christen in der Politik – Herausforderungen und Erfahrungen BERICHT ZUR VERANSTALTUNG DER KONRAD-ADENAUER-STIFTUNG IN ZUSAMMENARBEIT MIT DEM INSTITUT FÜR POLITIKWISSENSCHAFTEN DER KARDINAL STEFAN WYSZŃSKI UNIVERSITÄT, WARSCHAU Christen und Politik - Herausforderungen von Christen in der Politik erörtern, bevor im zweiten Teil „Christen in der Politik - Er- Zu Beginn der Konferenz richteten Prof. fahrungen” katholische Politiker von eigenen Jbigniew Kubacki, Rektor der Päpstlichen Erfahrungen berichten sollten. Aus diesem Fakultät in Warschau, Prof. Henrzk Sko- Grunde wurden Ryszard Montusiewicz (Pol- rowski, Rektor der Kardinal Stefan Wyszński nischen Radio Lublin, Radio Vatikan, Katho- Universität in Warschau, und Stephan Raa- lische Informationsagentur (KAI)), Kardinal be, Leiter des Auslandsbüros der KAS in Po- Kazimierz Nycz (Metropolita, Warschau, len, einige einleitende Worte an die anwe- Kanzler der UKSW und des Collegium Bobo- senden Referenten und Zuhörer. Während lanum), Prof. Zbigniew Stawrowski (Institut Prof. Kubacki und Prof. Skorowski sich all- für Politologie an der UKSW, Warschau), Dr. gemein zur Rolle der Kirche als für den Stefan Vesper (Generalsekretär des Zent- Menschen Moral stiftende Institution äußer- ralkomitees der deutschen Katholiken) und ten, folgerte Herr Raabe aus dieser Prämis- Prof. Tomasz śyro (Hochschule für Sozial- se die Notwendigkeit für Christen sich aktiv psychologie am Institut für Politikwissen- (gesellschafts-) politisch zu engagieren. Im schaften der UKSW, Warschau) zur Diskus- Zweiten Vatikanischen Konzil ruft die katho- sion über Herausforderungen für christliche lische Kirche zwar zu verstärkter politischer Politiker zunächst untereinander und später Partizipation auf, die sich auch in der akti- im Plenum eingeladen. Die Podiumsdiskus- ven Mitgliedschaft in Parteien auswirken sol- sion wurde geleitet von Prof. Jan Grosfeld, le, jedoch scheuen weiterhin viele Christen Lehrstuhlinhaber für Moderne Gesellschafts- die Dilemmata, die die Politik aufwirft. Da philosophie der Kirche an der UKSW, War- jedoch aus dieser politischen Zurückhaltung schau und Chefredakteur der Schriftenreihe der Katholiken und Christen ein politischer „Christentum – Welt - Politik”, die von der Raum auf für unchristliche und lebensver- KAS und der UKSW herausgegeben wird neinende Politik erwachse, müssten Christen verstärkt ihre Stimme innerhalb des ge- Prof. Jan Grosfeld leitete als Moderator die sellschaftspolitischen Diskurses erheben. Diskussion ein, indem er Dilemmata von Christen bei politischen Entscheidungen auf- Nach der Einleitung in das Hauptthema zeigte. Einerseits habe ein Christ die ein- „Christen in der Politik“ erläuterten die deutige Aufgabe, Gutes zu tun und daher Gastgeber die Einteilung der Konferenz in für Frieden, Gerechtigkeit und Leben zu zwei Hauptteile. Zunächst sollten Personen sorgen. Andererseits stelle die Politik Chris- mit gesellschaftspolitischer Verantwortung ten meist vor die Herausforderung, sich aus verschiedenen Hintergründen die Her- zwischen zwei Übeln und daher oft auch ausforderungen Verletzungen von christlichen Geboten entscheiden zu müssen. 2 Bevor Dr. Vesper als erster Referent dar- Versuchungen müsse ein christlicher Politi- stellte, wie ein Christ in der Politik trotz die- ker sich vornehmlich, und mehr als dies in POLEN ses Dilemmas im christlichen Sinne gute der Vergangenheit der Fall war, erwehren. PHILIPP HOLTERMANN Politik betreiben könne, erläuterte er die Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. sich von Polen deutlich unterscheidende Mit Bezug auf das Abschlussdokument des deutsche Gesellschaftsstruktur. Da, anders II. Vatikanischen Konzils „Gaudium et spes“ als in Polen, nicht die eindeutige Mehrheit forderte auch Kardinal Kazimierz Nycz, ähn- www.kas.de/polen der deutschen Bevölkerung katholisch, son- lich wie Dr. Vesper, mehr politisches Enga- www.kas.de dern zum großen Teil auch evangelisch und gement durch die Christen. Er teilte zwar konfessionslos ist, kommt insbesondere der die Ansicht Prof. Stawrowskis, dass Politik Ökumene in Deutschland eine Verantwor- oft „schmutzig“ sei, jedoch sei politische Par- tung zur Einflussnahme auf politische Rich- tizipation unabdingbar um christliche Werte tungsentscheidungen zu. Als zweite Bedin- in einer zunehmend individualistisch ge- gung eines im Sinne der christlichen Sozial- prägten Welt zu bewahren. Darüber hinaus ethik handelnden Politikers müsse erwähnt stellte Kardinal Nycz das Problem dar, dass werden, dass man, anders als zum Beispiel durch politische Enthaltung wiederum Frust- Vertreter des Liberalismus oder des Sozia- rationen über unchristliche Politiken ent- lismus, keine Klientelpolitik betreiben dürfe. stünden, die wiederum auf Bischofe und an- Ein Christ müsse nicht nur für Christen, dere christliche Würdenträger zurückfielen. sondern für alle Menschen, unabhängig von Diese würden in der Folge von vielen über ihrer Herkunft, ihres Geschlechtes oder ih- die Politik frustrierten Katholiken dazu auf- rer sozialen Zugehörigkeit handeln. Zu die- gefordert, über das kirchliche Amt Politiker sem Zweck soll Politik ein Wettstreit der Ar- zu Entscheidungen im Sinne der Christen gumente sein, in Folge dessen sich nur die aufzufordern. Dies jedoch widerspräche dem Summe der besten Argumente durchsetze, in Gaudium et spes dargelegten Grundsatz nicht jedoch starre ideologische Gebilde. des institutionellen Laizismus. Als einziges Ziel eines solchen Wettstreits der Argumen- Mittel zur Lösung eines solchen gordischen 31. März 2011 te sei im Regelfall ein letztendlich tragfähi- Knotens unterstrich Kardinal Nycz daher die ger Kompromiss, bei dem die Grundhaltung politische Partizipation durch Christen. Je- eines christlichen Politikers nicht seinen We- doch verwies auch Nycz, ähnlich wie die senskern verliere. restlichen Teilnehmer, auf die schwierige Gratwanderung zwischen einem politischen Als zweiter Referent stellte Prof. Zbigniew Kompromiss mit Politikern aus einem un- Stawrowski vornehmlich die Gefahren dar, christlichen Umfeld und einem unüber- die die Politik für Christen darstellen könn- brückbaren Identitätsverlust. Ryzszard Mon- ten. Mit Bezug auf den deutschen Soziolo- tusiewicz stellte als vierter Redner den Pro- gen Max Weber bezeichnete er Politik als zess der Gewissensbildung in den Vorder- „Schließen eines teuflischen Paktes”, womit grund. Seiner Ansicht nach sei dies ein er sich auf die Ursprungsaussage Prof. Wert, der einer ständigen Bedrohung unter- Grosfelds bezog, nach der durch Politik un- liege. 3 Gewinne man jedoch den Kampf auflösliche Dilemmata entstünden. Zwar zwischen Versuchung und Moral, erwachse bedeute das natürlich nicht, dass Politiker daraus eine starke Politik, die gemeinsame prinzipiell wider christliche Prinzipien han- christliche Werte verteidige. delten, jedoch bestünde die Gefahr, sich als Mensch allmählich vom christlichen Postulat Auch Prof. Tomasz śyro zeigte Gefahren für zu lösen und „nur noch für den Kompromiss christliche Politiker auf. Im Zuge der heuti- zu leben“. Da viele Politiker von Berufs we- gen Möglichkeiten, schnell und mit ver- gen vom Mandat abhängen, instrumentali- gleichsweise wenig Aufwand Meinungsum- sierten manche die Religion um wiederge- fragen durchführen zu lassen, kritisierte er wählt zu werden. Eine solche Handlung sei die Tendenz von Politkern statt zu eigenen demzufolge nicht dem christlichen Werteka- Positionen zu stehen, sich von Meinungsum- non geschuldet, sondern erfolge vielmehr fragen leiten zu lassen und so die eigenen vornehmlich aus rein persönlichem wirt- christlichen Werte zu verlassen. schaftlichen Interesse. Diesen 3 In der anschließenden Diskussion wurde Bevor die Referenten ihre Eingangsstate- deutlich, dass die meisten Anwesenden die ments hielten, fasste Prof. Dylus noch ein- POLEN Meinung teilen, dass politische Partizipation mal die wichtigsten Punkte der ersten Pa- PHILIPP HOLTERMANN von Christen unentbehrlich sei, um für die neldiskussion zusammen und bat die Refe- nachhaltige Berücksichtigung der christli- renten, vor allem ihre Erfahrungen mit Be- chen Werte in der Gesellschaft Sorge zu zug zu den diskutierten Herausforderungen tragen. Diskutabel blieb indes, auf welche für christliche Politiker zu schildern. Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. 31. März 2011 www.kas.de/polen Weise und mit welcher Restriktion christli- www.kas.de che Werte in der Politik verteidigt werden Zunächst berichtete Dr. Hermann Kues von sollen. Dr. Vesper beispielsweise sprach sich seinen Erfahrungen im Umgang mit Politi- für ein werbendes Argumentieren aus, bei kern, die nicht der katholischen Konfession dem es auch zu einem Konsens kommen angehören. Ihm zufolge sei die Grundvor- dürfe, der nicht gänzlich der ursprünglichen aussetzung für ein erfolgreiches Handeln als eigenen Forderung entspräche. Demgegen- christlicher Politiker die Möglichkeit, durch über standen die Meinungen Stawrowskis stichhaltige Argumente auch Nicht- und Montusiewiczs, die davor warnten, für Katholiken von der eigenen Idee zu über- einen Konsens die christliche Identität auf zeugen. Erst als nächster Schritt solle in- das Spiel zu setzen. nerhalb einer politischen Verhandlung über die Möglichkeit eines Kompromisses debat- Im Anschluss an die Diskussion der Refe- tiert werden. renten untereinander wurden Fragen zu speziellen Politiken gestellt. Insbesondere Das Prinzip der Kompromissfähigkeit unter- die Präimplantationsdiagnostik sowie die stützte auch Dr. Jan Olbycht, jedoch mahn- Abtreibungspraxis riefen Unmut innerhalb te er an, dass es sogar innerhalb der Frakti- der Zuhörerschaft hervor. Unter den Disku- onen des Europaeischen Parlamentes viele tanten herrschte Einigkeit, dass sich christli- divergierende Meinungen gebe, da sie teil- che Politiker für den Erhalt des Lebens und weise Politiker aus mehr als 20 Ländern gegen eine Bewertung von Leben durch PID vereinen. Dies stellt die Fraktionen im Be- aussprechen sollten. Jedoch zeigten sich in sonderen und das Europäische Parlament im diesem Thema die unterschiedlichen Ausle- Allgemeinen vor das Problem, dass vielfach gungen von politischer Praxis. Während die in diesen Punkten ein faktischer Fraktions- polnischen Diskussionsteilnehmer durchweg zwang zu Unmut innerhalb der eigenen eine Zustimmung zu einem Kompromiss in Fraktion führe. Konrad Szymański bekräftig- diesen Fragestellungen kategorisch aus- te die Ansicht, dass insbesondere im Euro- schlossen, folgte Dr. Vesper einer eher te- päischen Parlament die verschiedenen kul- leologischen Argumentationsweise. turellen Hintergründe einer Entscheidungsfindung im christlichen Sinne abträglich sei- Christen in der Politik - Erfahrungen en. Aus diesem Grunde kritisierte er insbesondere die deutschen 4 und skandinavi- In der zweiten Hälfte der Konferenz disku- schen Christdemokraten, die seiner Meinung tierten Marek Jurek, ehem. polnischer Par- nach sehr schnell in Fragen der Abtreibung lamentspräsident und Vorsitzender der Par- unchristlichen, d.h. lebensverneinenden Po- tei „Die Rechten der Republik Polen“, Dr. sitionen zustimmten. Darüber hinaus zeig- Hermann Kues, MdB, Parl. Staatssekretär ten auch die Probleme insbesondere der im Bundesministerium für Familie, Senioren, schwedischen Christdemokraten mit dem Frauen und Jugend, Dr. Jan Olbrycht, MdEP, Begriff „Familie“, dass kulturelle Unterschie- EVP-Fraktion und Konrad Szymański, MdEP, de sehr stark einen gemeinsamen Entschei- Europäische Konservative und Reformisten dungsfindungsprozess behinderten. Daher unter der Leitung durch Prof. Aniela Dylus, müsse man als christlicher Politiker im Direktorin des Institut für Politologie der Zweifelsfall eine Konfrontation mit Politikern UKSW, Warschau. anderer Ansichten riskieren statt die eigene Haltung aufzugeben. 4 Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. POLEN Diesen Punkt nahm auch Marek Jurek auf klaren und eindeutigen Konsens innerhalb und bezog ihn auf Fragen zur Anerkennung der eigenen Partei kämen. Während Marek von Homosexuellenrechten. Seiner Meinung Jurek als Chef einer kleinen und neu ge- zufolge müssten die Homosexuelle „bevor- gründeten Partei dies unterstützte, wider- teilenden Rechte“ durch das EU- sprach Dr. Kues als Mitlied der CDU mit Antidiskriminierungsrecht aufgehoben wer- dem Argument, dass die Geschichte zeige, den und der Familie als zentrale Institution dass die Volkspartei CDU viel besser politi- www.kas.de/polen zur Erhaltung von Gesellschaften wieder ein sche Notwendigkeiten umsetzen könne als www.kas.de neuer Wert zugeteilt werden. Er kritisierte eine Klientelpartei. Darüber hinaus entspre- in diesem Punkt die (west-)europäischen che es auch nicht dem Ideal eines Christen, christdemokratischen Parteien scharf, da sie nur für eine kleine Gruppe zu handeln, son- seiner Meinung zufolge die eigenen christli- dern vielmehr für alle Menschen. PHILIPP HOLTERMANN 31. März 2011 chen Prinzipien verrieten. So bleibt letztendlich festzustellen, dass in Demgegenüber nahm Dr. Kues die Argu- vielen Punkten Einigkeit unter den Christen mentationsweise Dr. Vespers auf, dass nur in der Politik herrscht. Der Schutz des Le- durch ein gezieltes und stichhaltig argumen- bens, der Erhalt der Familie als zentrale So- tierendes Werben für die eigenen Werte zialisationsinsititution ist ebenso wichtig wie auch die eigenen Ziele, also Schutz des un- der Auftrag zur Wahrung sozialen Zusam- geborenen Lebens, Bewahrung der Men- menlebens, den die Christen durch die Reli- schenwürde und Schutz der Familie, erreicht gion erhalten. Nichtsdestotrotz zeigen sich werden könnten. Ein deontologisches Ab- deutliche Unterschiede innerhalb der Me- lehnen jedweder Positionen, die nicht der thodiken zur bestmöglichen Umsetzung der eigenen entsprechen, sei daher den eigenen christlichen Ideale. Zielen abträglich und sogar ein Ausdruck eigener Lethargie. Zudem stünde der Umgang mit Homosexualität, die eine Realität sei, nicht im Zentrum der Politik. Über das Verhältnis von Kirche und Staat herrschte ebenso wie bei der ersten Diskussion Einigkeit, dass nur die aktive Partizipation von Christen in der Politik christlichhumanistische Werte schützen könnte. Die aktive Partizipation möglichst vieler Christen verhindere überdies, die größte Gefahr eines Christen in der Politik – die „Vergöttlichung der Politik“ wie es Kardinal Nycz im Panel I ausdrückte. Gemeinsame, gesamtgesellschaftliche Kontrolle über politisches Handeln kann so dazu führen, dass redliche Menschen, die eine innere Kohärenz zwischen ihrem Reden, Handeln und dem eigenen Leben wahren, politische Entscheidungsträger bleiben und auch im christlichen Sinne agieren. Während der anschließenden Diskussion wurde auch aus dem Plenum deutlich, dass insbesondere eine größere Authentizität der Politiker erforderlich sei. Aus diesem Grunde wurde gefordert, eher kleinere Parteien zu fördern, die eine kleinere Wählergruppe repräsentieren und so auch eher zu einem