1 Bunt statt Braun – no saargida – 15.01.2015 „Alles hat seine Zeit“ heißt es in der Bibel, im Buch Kohelet, einer Schrift, die Juden und Christen gleichermaßen heilig ist. „Alles hat seine Zeit“ – schweigen hat seine Zeit, das haben wir eben getan für die Opfer in unserem Nachbarland. Aber zu schweigen reicht nicht, reden hat auch seine Zeit, handeln hat auch seine Zeit. Es ist an der Zeit, nicht mehr zu schweigen, sondern die Stimme zu erheben, zu bekennen, sich zu entscheiden, auf die Straße zu gehen, deutlich zu zeigen, wofür wir stehen – wir, die wirkliche Mehrheit im Saarland, in Deutschland, in Europa, im Abendland: für die Vielfalt der Menschen, ihre schillernde Buntheit. Das Abendland: ja, ich will es verteidigen – nicht gegen eine zusammengesponnene Islamisierung sondern gegen die, die gerade die Werte dieses auch christlichen Abendlandes pervertieren. Und ebenso übrigens die Werte des islamischen Morgenlandes. Dieses Abendland, dieses christliche und freie Abendland, dieses offene, menschenfreundliche, plurale, demokratische Gesellschaftsmodell lasse ich mir weder von Dunkel- noch von Hellbraunen vereinnahmen! So wenig wie meine Glatze! DDR-Bürgerrechtler haben gesagt: Jesus würde kotzen, wenn er sehen und hören würde, was in den letzten Wochen alles unter dem Deckmantel „Verteidigung des christlichen Abendlandes“ auf den Plätzen unseres Landes abgelassen wurde! Recht haben sie! Die Härte des Herzens, mit der viel zu viele in unserem Land auf die treten, die noch viel weniger haben – das schmerzt nicht nur mich, den JesusAnhänger, das trifft ihn selbst, das verletzt ihn selbst, diesen Jesus: „Was ihr einem meiner geringsten Geschwister getan habt, das habt ihr mir getan!“ sagt er im Matthäus-Evangelium (Mt 25, 31ff). Jesus, der Menschenfreund, der sich Deklassierten, Ausländern, Aussätzigen, Sündern zugewandt hat. Ja, für einen Christenmenschen begegnet Jesus ganz direkt in jedem Obdachlosen, jeder Migrantin, jedem AIDS- oder Ebola-Infizierten. 2 Ich stehe heute hier als Christ. unterschiedlicher Konfessionen. Mit vielen anderen Christen Christen haben ihren Beitrag geleistet und werden weiter dafür wirken, dass Menschen ohne Angst hier leben können. Dass Flüchtlinge aufgenommen werden. Dass Benachteiligungen aufhören. Dass Recht und Freiheit verteidigt werden. Und Christen werden sich einsetzen für die, die ihre Hilfe brauchen, und sich zu denen stellen, denen Unrecht geschieht. Das sage ich besonders mit Blick auf unsere islamischen Freunde. Den Auftrag hat uns Jesus gegeben. Wir Christen tun dies in Demut und im Wissen um die eigenen Grenzen und im Bewusstsein der eigenen dunklen Seiten der christlichen Geschichte, keine Frage. Zu dieser Demut gehört ganz unbedingt, dass wir nicht unsere Gegner zu Feinden werden lassen. Auch den Ängstlichen, den Zukurzgekommenen, den Unzufriedenen und Irregeleiteten dort wendet sich Jesus zu.