Architektur 48 5. Februar 2017 | sonntagszeitung.ch Holztribüne des Pavillons: Aufwendig konstruiert mit Kragträgern und LamellenStruktur Heimatstil: Sonnenterrasse, Treppenhaus mit schwebendem Engadiner Bob, Restaurant und grosse Bar mit Rundbögen Fotos: Nigel Young Der neue Treffpunkt von St. Moritz Stararchitekt Norman Foster schuf aus dem alternden Eispavillon des Hotels Kulm den Country Club – rechtzeitig zur Ski-WM Claudia Schmid Jahrzehntelang stand der alternde Pavillon unbeachtet vor dem Eisfeld im Park des Kulm-Hotels in St. Moritz. Die Zeiten, als das Gebäude ein sozialer Treffpunkt war und während der Olympischen Winterspiele 1928 und 1948 den Eislaufathleten als Zentrum diente, schien weit weg. Dann kam Lord Norman Foster. Der britische Stararchitekt, Erbauer der Kuppel des Berliner Reichtagsgebäudes oder des «Gurkenhochhauses» für die Swiss Re in London, übernahm vor einem guten Jahr die Aufgabe, den Pavillon aus dem Dornröschenschlaf zu wecken. Mit Andy Küchel, einem Architekten aus St. Moritz, renovierten Foster + Partners das baufällige Gebäude. «Hätte man noch länger zugewartet, wäre daraus eine Ruine geworden, und eine sorgfältige Restauration wäre kaum möglich gewesen», sagte Lord Foster bei der Eröffnung letzte Woche. Er wohnt zeitweise in der Gegend und hat in St. Moritz das Apartmenthaus «Chesa Futura» errichtet. Der Eispavillon heisst jetzt Country Club und ist ein multifunktionales, öffentlich zugängliches Gebäude mit grosszügiger Sonnenterrasse, das vom Hotel Kulm bewirtschaftet wird und als Treffpunkt aufersteht. 200 Bauarbeiter schufteten während weniger als zehn Monaten daran. Gebaut wurde schnell, Geld war da: Die 12 Millionen für den Um- und Erweiterungsbau wurden von der Reedereifamilie Niarchos als Geschenk für die Gemeinde eingeschossen. Ihnen gehört auch das Fünfsternhaus Kulm. Restaurant mit Spitzenköchen und Blick in die Berge Neu ergänzt eine überdachte, aufwendig konstruierte HolzTribüne mit Lamellenstruktur und Kragträgern, die das Dach halten, den Country Club. In einem Zelt vor der Tribüne werden auch die Medaillen der Ski-WM ver­ liehen, die morgen in St. Moritz beginnt. Für den Bau zuständig war die auf Holz- und Modulbau spezialisierte Schweizer Firma Blumer Lehmann, die auch für die Montage des «Holzskeletts» des Tamedia-Hauses in Zürich verantwortlich war. Dank dem massiven Eschenholz ist die Tribüne bestens gegen allfällige Schneemassen gewappnet. Im Pavillon spielt Lärchenholz die Hauptrolle. Es taucht bei Türen, Decken oder Fensterrahmen auf. Auch beim Betreten des Haupteingangs an der Via Maistra ist das Material unübersehbar: Dort wird man von einem grossen Holz-Treppenhaus mit hohen Stützen empfangen. Die Treppenstufen nach unten führen in ein schlauchartiges Untergeschoss, in der sich eine Garderobe, Bar, Sitzecken und eine Lobby befinden. Von dort aus gelangt man noch weiter unten ins Kellergeschoss, wo neu eine grosse Küche eingebaut ist. Über die Treppe nach oben kommt man in einen RestaurantSaal mit Ausblick auf die En­ gadiner Berge, in dem bis Ende Winter­saison die Gäste von verschiedenen Spitzenköchen be­ wirtet w ­ erden. Abends ist das ­Restaurant dezent beleuchtet, was ihm eine intime Atmosphäre verleiht. Mit den Rundbögen, die in Form von Fenstern und Türen überall auftauchen, sowie der verschnörkelten Holzfassade spricht der 1905 gebaute Pavillon eine eigenwillige Sprache zwischen Belle Epoque und Heimatstil. Typisch für den Heimatstil sind etwa die Sprossenfenster in der oberen Etage. «Wir haben uns bemüht, solche Eigenheiten zu erhalten», sagt Foster. Als Reminiszenz hängen überall diverse Wintersportgeräte Die Restauration war ziemlich aufwendig: Der Bau musste entkernt werden, im Anschluss wurden die denkmalgeschützten Bauteile wie Türen und Balken einzeln restauriert. Als Reminiszenz an die alten Zeiten hängen oder stehen überall alte Wintersportgeräte. Im Eingang wird man von einem schwebenden Engadiner Bob begrüsst, die Wand der Garderobe ist mit Dutzenden Schlittschuhen geschmückt, in diversen Ecken findet man bündelweise Holzski. Archivfotos des Hotels Kulm, die Royals oder Charlie Chaplin beim Skivergnügen in St. Moritz zeigen, und die gerahmt an den Wänden hängen, zeugen vom historischen Erbe des Skiortes. Damit ist der ehemalige Eispavillon auch ein wenig ein Wintersportmuseum – was vor zehn Jahren geplant war: 2007 lehnte das Volk bei einer Abstimmung die Idee ab, den ­ Eis­ ­ pavillon in ein Olympisches ­Museum zu verwandeln. Trotz der sorgfältigen Restauration sieht man dem Country Club an, dass er in der Gegenwart verortet ist. Moderne Möbel, darunter weisse Polstersessel und formschöne Holzstühle im skandinavischen Stil im Restaurant, wurden auf Mass gefertigt. Vor der Bar mit dem riesigen, vergoldeten Getränkeregal stehen ­Lederhocker. Der Country Club ist ein Ort, bei dem «blingblingfreier» Luxus bei der Inneneinrichtung zele­briert wird, der bei immer mehr Lokalen in der gehobenen Gastronomie und Hotellerie Einzug hält. Dieser Luxus besteht aus natürlichen, aber hochwertigsten Materialien, einer zurückhaltenden Formensprache und einem direkten Bezug zur Geschichte.