Holzbau in neuen Dimensionen

Werbung
■■■■■■■■■■■
MUSTERHÄUSER NEU
Holzbau in neuen Dimensionen
In einer Baulücke im Berliner Innenstadt-Bezirk Prenzlauer Berg steht Europas erstes
Hochhaus aus Holz. Die Idee: gesunden, nachhaltigen und energiesparenden Wohnraum
schaffen. In Sachen Brandschutz hat das Projekt Modellcharakter.
A
■ ■ ■ ■ WEB-LINKS
www.e3berlin.de
www.kaden-klingbeil.de
www.merkle-holzbau.de
www.brettstapel.eu
www.baugemeinschaft.org
www.wohnportal-berlin.de
uch wenn es leider von außen
nicht mehr sichtbar ist: 85
Prozent des Rohbaumaterials in
unserem siebenstöckigen Gebäude
sind Holz!“, erzählt Familie Gerber
stolz. Im Juni 2008 konnte die vierköpfige Familie in ihr Holzhaus einziehen, das sie zusammen mit sechs
weiteren Parteien in einer Baugruppe realisiert hat. „Für uns war
von Anfang an klar: wenn wir bauen, dann nur mit Holz! Das ist
energetisch sinnvoll und ein regenerativer Baustoff.“ Diese Einstellung teilen alle in der Baugruppe.
Die Architekten und Holzbau-Spezialisten Kaden und Klingbeil aus
Berlin entwarfen eine erste Skizze
des Holz-Hochhauses, die von den
Bauherren begeistert angenommen
Der siebengeschossige
Holzbau mit mineralischem Putz auf der
Holzfassade fügt sich
gut in das Berliner
Straßenbild ein.
Bild: B. Borchert
46
BUND
Ökologisch Bauen & Renovieren 2009
wurde. Sie wurden selbst Mitglied
der Baugruppe und haben inzwischen ihr Büro im Erdgeschoss des
Modellprojekts eingerichtet.
Konstruktion
Das 22 Meter hohe Tragwerk des
Wohnhauses ist ein Holzskelett aus
Stützen und Riegeln mit einer Stärke
von 30 mal 36 Zentimetern. Verbunden sind die Holzbalken durch Knotenpunkte aus Stahlblech, die speziell für diesen Bau entwickelt wurden. Auch die tragenden Außenwände sind aus Massivholz, Brettschichtholz zwischen 16 und 20 Zentimeter
stark. Das heißt: Hochkant gestellte,
übereinander gestapelte Holzbretter, die mit Holzdübeln verbunden
sind und ganz ohne Leim auskom-
men. Ein Vorteil bei diesem Holzbau
war auch die industrielle Vorfertigung. Die Fassaden- und Deckenelemente wurden in einer Zimmerei
komplett zusammengebaut und als
fertige Wände angeliefert. Das spart
Kosten und Zeit. So konnte jede
Woche ein neues Stockwerk errichtet werden. In nur acht Wochen
stand der regendichte Rohbau!
Ganz puristisch aus Holz ist die
Konstruktion dann doch nicht: In der
Mitte des Baukörpers gibt es zwei
Betonschächte für die haustechnischen Installationen, die auch statisch relevant sind. Außerdem war
eine Brandschutzwand zum Nachbargebäude notwendig. Auch bei
der Deckenkonstruktion ist Beton
im Einsatz. Holz-Beton-Verbundde-
MUSTERHÄUSER NEU
■■■■■■■■■■■
Ökologisch Bauen & Renovieren 2009
BUND
Die Baustelle: jede Woche ein Stockwerk höher
Bilder: B. Borchert
Der Rohbau – fast alles ist aus Holz.
Unten: Speziell gefertigte Stahlteile verbinden die Holzkonstruktion.
47
■■■■■■■■■■■
MUSTERHÄUSER NEU
Baugemeinschaft
Wärmebrücken wurden
vermieden. Die Balkone an der Rückfassade
sind am Dach befestigt und hängen vor
der Fassade.
Brandschutz
Der Brandschutz spielte bei der Planung eine zentrale Rolle. Holzhäuser
dieser Größe sind in der Bauordnung
bisher nicht vorgesehen. In Berlin
Bilder: Y. Miehlke
Gemütliche Wohnküche
mit Ausblick in den Hinterhof, im Unterschied zur
Decke sind die Holzwände nicht sichtbar.
Rechts: Gegensatz der
Materialien – Betonstützkonstruktion mit integriertem Installationsschacht
und Holzdecke
cken trennen die einzelnen Stockwerke. Sie spannen sich von der
Brandwand über die beiden Betonkerne zum Treppenhausturm und
sind durch Stahlbleche mit den Holzriegeln verbunden. Nach unten –
also als Zimmerdecke – bleibt das
Holz sichtbar und ist mit einem
feuerfesten Anstrich versehen.
48
BUND
Ökologisch Bauen & Renovieren 2009
Bild: B. Borchert
Eine Baugemeinschaft ist eine Gruppe von Menschen,
die gemeinsam ihr Haus bauen oder umbauen will. Ziel
der Bauherren ist es, ohne kommerziellen Bauträger
auszukommen.
Vorteile: Eine private Baugruppe kann frei über das
Baukonzept entscheiden, es den individuellen Bedürfnissen der Projektteilnehmer anpassen und dabei auch
ökologische Baumaterialien oder energiesparende Technologie mit einbeziehen. Die Renditeansprüche eines
kommerziellen Bauträgers, die bis zu 20 Prozent der
Baukosten ausmachen können, fallen weg.
Risiken: Alle Beteiligten müssen bereit sein, viel Freizeit
zu opfern, weil fast alles selbst organisiert und beschlossen werden muss.
Grundsätzlich gibt es zwei Arten von Baugemeinschaften: die privat organisierte und die professionell betreute Baugemeinschaft. Die Mitglieder schließen sich
idealer Weise für die Zeit bis zur Fertigstellung des
Hauses zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)
zusammen.
sind Holzkonstruktionen nur bis Gebäudeklasse 4 erlaubt, das heißt der
Fußboden des höchsten Geschosses
darf maximal 13 Meter hoch sein.
Hier waren aber 22 Meter nötig, um
das neue Gebäude den angrenzenden Steinbauten anzupassen. Die
Architekten haben Brandschutzingenieure und die Genehmigungsbehörden schon früh in die Planung mit
einbezogen.
So konnten sie die allgemeinen Brandschutzregelungen teilweise verlassen
und ein sicheres aber speziell auf die
Bauweise abgestimmtes Konzept erarbeiten. Von Anfang an planten die
Architekten ein freistehendes Treppenhaus aus Stahlbeton, von dem aus
jede Wohnung über einen eigenen
Steg erreichbar ist. Ein sicherer Fluchtweg im Brandfall. In den Wohnungen
sind außerdem mehrere Rauchmelder installiert. Um den Bau für 60
Minuten feuerfest zu machen, wie es
die Brandschutzverordnung vorschreibt, wurden die Holzwände von
beiden Seiten in feuerfeste Gipsfaserplatten eingehüllt.
Durch die Kombination dieser Maßnahmen ist der Brandschutz des
Holzbaus ebenso gewährleistet wie
bei einer Massivbauweise. Der Vor-
■■■■■■■■■■■
MUSTERHÄUSER NEU
teil von Holz: Es brennt berechenbar
ab. Die Feuerwehr kann genau vorhersagen, wann das Gebäude einstürzen würde und das Haus rechtzeitig verlassen. Das ist bei herkömmlicher Bauweise nicht der Fall.
Dämmung
Da Holz an sich schon Wärme dämmend ist, wurde nach außen nur eine
zehn Zentimeter dicke Dämmschicht
aus Mineralwolllamellen aufgebracht.
Der jährliche Heizenergiebedarf wird
zunächst noch über Fernwärme gedeckt, eine thermische Solaranlage
soll die Energiekosten in Zukunft
weiter senken.
Das freistehende Treppenhaus durchbricht die massive Fassadenfront in
der Esmarchstraße. Damit sind an
dem modernen Holzbau – unüblich
für ein Stadthaus in Berlin – drei
Fassaden sichtbar. Die Holzständerkonstruktion erlaubt viele Fenster.
Im Wechsel mit den Wandflächen
Ökologie
entsteht so das charakteristische
Schachbrettmuster. Die Stützen und
Träger bleiben noch erkennbar, auch
wenn der Holzbau durch den mineralischen Putz wie ein Massivbau
wirkt. Um doch noch etwas „rohes
Holz“ zu zeigen, haben sich die
Bauherren für Fensterläden aus Holzlamellen entschieden.
Innengestaltung
Die Skelettkonstruktion hat den Vorteil, dass die Architekten auf tragende Innenwände ganz verzichten konnten. So hat jede Partei die Grundrissaufteilung ihrer Wohnung nach eigenem Gusto bestimmt: kinderfreundliche Mehrzimmerwohnung oder großes offenes Loft. Auch bei den Wohnungsgrößen waren die Bauherren
flexibel. Der schlanke Baukörper mit
einer Grundfläche von 12,5 mal 13,9
Metern bietet pro Stockwerk zwischen 120 und 150 Quadratmeter
Wohnraum. Vor den zwei kleineren
Wohnungen blieb Platz für Terrassen, die gemeinsam genutzt werden: zum Grillen, Frühstücken oder
Relaxen – ganz im Sinne des Gemeinschafts-Bauprojekts.
Yvonne Miehlke
Öko-Koordinaten
■ U-Wert von Außenwand und
Dach: 0,144 W/m2K
■ Dicke der Außenwand: ca.33 cm
■ Jahresheizwärmebedarf:
27 kWh/m2a
■ Warmwasserversorgung: bisher
Fernwärme, thermische Solaranlage geplant
■ Lüftungssystem: kontrollierte Beund Entlüftung
■ Kosten pro Quadratmeter: 2.300
Euro/m² für den kompletten Neubau inklusiveGrundstück und Nebenkosten.
■ Jahresprimärenergiebedarf:
ca. 30 % unter traditioneller
Massivbauweise
Individualität
Zukunft
Mit Eco-House die Kraft der Natur nutzen
Ökologische KfW40- und Passivhäuser
Ökologisch Bauen & Renovieren 2009
BUND
49
Eco-House International GmbH · Tel. (0 56 74) 70 00-0 · [email protected] · www.eco-solaris.de
Herunterladen