denkmalbereichs- und gestaltleitplanung altstadt werne

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DENKMALBEREICHS- UND
GESTALTLEITPLANUNG
ALTSTADT WERNE
BAND IV GESTALTUNGS- UND SCHUTZSATZUNG
• Örtlicher und sachlicher Geltungsbereich
• Allgemeine und besondere Anforderungen
an die Gestaltung baulicher Anlagen
• Abweichungen
STADT WERNE
SEPTEMBER 2002
Das Gutachten (Bd. 4) zur Gestalteitplanung Altstadt Werne
ist urheberrechtlich geschützt.
Das Nutzungsrecht für die Anwendung des Gutachtens ist ausschließlich der Stadt Werne eingeräumt.
- Alle Rechte vorbehalten Copyright by Planungsbüro Prof. Krause & Partner 2002
Bearbeitung:
Planungsbüro Univ.-Prof. Dr.-Ing. Krause & Partner
Stadtgestaltung • Stadtforschung • Denkmalpflege
Am Trienensiepen 23 • 44229 Dortmund
Tel. 0231-7 92 33 14 • Fax 0231-7 92 33 15
Verfasser:
Assessor jur. Arnim Helge Krause
Dr. Karl-Jürgen Krause
Beratung:
Monika Geißler, Stadt Werne
Regine Reek, Stadt Werne
Im Auftrag der Stadt Werne
Dortmund, September 2002
1
Einleitung
Die Altstadt Werne zählt im örtlichen Geltungsbereich
der Denkmalbereichs- und der bauordnungsrechtlichen
Gestaltungs- und Schutzsatzung 253 Gebäude. Von
diesen stehen 53 unter Denkmalschutz, 111 Gebäude
sind als erhaltenswerte Bausubstanz einzustufen. Fast
65% aller Gebäude - Fachwerk- und Massivbauten mit
Stilmerkmalen ihrer Entstehungszeit - repräsentieren
insoweit das historische Schutzgut der Altstadt. Das ist
ein vergleichbar hoher Wert, der u.a. nur durch die geringen Kriegszerstörungen zu erklären ist.
Mit der bauordnungsrechtlichen Gestaltungs- und
Schutzsatzung hat der Gesetzgeber in § 86 Abs. 1 Nr.
1 und 2 BauO NW den Gemeinden ein Instrument an
die Hand gegeben, aufgrund eigener gestalterischer
Zielsetzung das Straßen- und Ortsbild „dynamisch zu
beeinflussen“ (OVG NW U.v. 29.1.1999 BauR 2000,
92). Dabei geht die Befugnis zum Erlass örtlicher Bauvorschriften über die Abwehr von Verunstaltungen hinaus;
sie erfasst auch die sog. positive Gestaltungspflege, soweit diese den Grundsätzen der Erforderlichkeit, des
Übermaßverbots und dem Abwägungsgebot, das die
Einstellung der Belange des Einzelnen, hier des sozialgebundenen Eigentums, Rechnung trägt.
Erforderlich ist, dass ein (auch denkmalpflegerisch
geleitetes) Konzept für die Ausgestaltung des bestimmten Teiles des Gemeindegebietes (OVG RhPf. U.v. 22.
9.1988 BRS 48, 111) vorhanden ist, aus dem sich die
örtliche Bauvorschrift ableiten lässt (OVG Lüneburg
U.v. 29.4.1986 BRS 46, 120); jedenfalls muss sie an die
Besonderheiten des fraglichen Gebietes (Bauten, Straßen oder Plätze von städtebaulicher, künstlerischer oder
geschichtlicher Bedeutung) in einem diese erfassenden
Sinn anknüpfen (HessVGH B.v. 24.9.1987 BRS 47,
120; OVG RhPf. U.v.1988 BauR 1989, 68).
Zur Grundlegung für das Gestaltungskonzept genügt
es nicht, dass dem Hauptgemeindebeamten überlassen
wird, die geschützten Objekte in einer Liste zu erfassen
(OVG NW U.v. 21.4.1983 BRS 40, 153). Eine allgemeingültige Definition für die schutzfähigen Objekte
gibt es nicht. Maßgeblich sind die örtlichen Verhältnisse,
die in der Denkmalbereichssatzung und im Gutachten,
in ihrer historischen Entwicklung begründet, in ihren
charakteristischen Erscheinungsbildträgern detailliert
beschrieben und dokumentiert worden sind.
Allerdings hat die Gestaltungs- und Schutzsatzung
eine andere Zielsetzung als die Denkmalbereichssatzung,
denn sie ist nicht darauf ausgerichtet, den historischen
Bestand zu sichern, sondern darauf, Regelungen für die
künftige Gestaltung alter und neuer Anlagen in ihrem
Geltungsbereich zu schaffen. Sie kann dadurch das
denkmalrechtliche Gesetzesinstrumentarium wirksam
unterstützen, indem sie die Grundlage dafür bildet,
denkmalwidrige Details durch denkmalgerechte zu ersetzen.
Der Rat der Stadt Werne hatte am 4.6./3.9.1973 eine
nach vier Schutzzonen gegliederte Gestaltungssatzung
erlassen, die seinerzeit als richtungsweisend und wegen
ihrer genauen Bestandsaufnahme (Stadtgestaltanalyse)
mit der Heinrich-Vormbrock-Förderung der Bundesvereinigung Deutscher Heimstätten e.V. ausgezeichnet und
durch den damaligen Bundesbauminister dem Gutachter
verliehen worden war.
Nach dem gegenwärtigen Stadt der Forschung muss
die damalige Methode, örtliche Bauvorschriften über
Gestaltung allein aus der bloßen Gestaltwahrnehmung
(Gestaltgesetzen) ohne historische Grundlegung abzuleiten, als verkürzt gelten. Deshalb geht die Gestaltleitplanung im Verbund mit der Denkmalbereichssatzung in
Aufbau und Methode einen bisher noch nicht praktizierten
Weg. Er besteht u.a. in der
1. Aufgabe des nach Schutzzonen differenzierten
örtlichen Geltungsbereich und Ersatz durch Baustaffeln,
mit der einerseits alle Bauten ohne Prädikat (Baustaffel
I) und andererseits die denkmal- und erhaltenswerte
Bausubstanz (Baustaffel II) unterschiedlichen gestalterischen Anforderungen unterworfen werden.
2. Formulierung eines allgemeinen Einfügungsgebotes, wonach historische, für die jeweilige Bauepoche
charakteristische Erscheinungsbildträger der Baudenkmäler und ihrer näheren Umgebung sowie der erhaltenswerten Bausubstanz nicht beeinträchtigt werden
dürfen.
3. Formulierung eines Ausstattungsgebotes, wonach
bei Umbauten (Instandsetzung und Modernisierung)
die in der Denkmalbereichssatzung näher beschriebenen historisch wertvollen oder charakteristischen Erscheinungsbildträger hinsichtlich der Bauteile und Materialität der Gebäude zu wahren sind. Bei Entfernung
müssen sie nicht durch gleichartige, wohl aber völlig
gleichwertige Elemente ersetzt werden.
Anlass zu dieser Regelung gab die Erfahrung, dass
bei Umbauten von Gebäuden vielfach wertvolle oder
charakteristische Ausstattungsbestandteile des Gebäudes
beseitigt wurden. Mit einem Gebot durch örtliche Bauvorschrift soll die Gemeinde die Voraussetzungen dafür
schaffen, dass solche Ausstattungselemente erhalten
bleiben, insbesondere bei Umbauten nicht ersatzlos
beseitigt werden.
Es gehört nicht zur Zielsetzung des Bauordnungsrechts, den Erhalt der originalen Bauteile sicherzustellen. Die Bauherrenschaft kann deshalb bei Umbaumaßnahmen die originalen Bauteile und Ausstattungselementen beseitigen oder zerstören (sofern nicht denkmalschutzrechtliche Vorschriften entgegenstehen); sie
muss sie aber dann, wenn nicht durch völlig gleiche, so
doch in ihrem Erscheinungsbild völlig gleichwertige
Gestaltungselemente ersetzen.
2
Anlage 1: Karte des örtlichen Geltungsbereichs der Gestaltungs- und Schutzsatzung Altstadt Werne
3
Gestaltungs- und Schutzsatzung
für die Altstadt Werne (Entwurf)
- kursiv = rechtsunverbindliche Leitsätze Aufgrund der §§ 7 und 41 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NW) in der
Fassung der Bekanntmachung vom 14. Juli (GV NRW S.666/SGV NRW 2023) zuletzt geändert durch
das Gesetz vom 28.03.2000 (GV NRW S.245) in Verbindung mit § 86 Abs. 1 Nr. 1 und 2 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (BauO NW) in der Fassung vom 01.03.2000 (GVBl. NRW
Nr. 18, S.256) hat der Rat der Stadt Werne in seiner Sitzung vom ..... folgende Satzung beschlossen.
§1
Zielsetzung
(1) Das Erscheinungsbild der historischen Altstadt Werne - Denkmalbereich - wird geprägt durch
eine Vielzahl an Baudenkmälern und erhaltenswerten Bauten in Fachwerk sowie Massivbauten mit Stilmerkmalen ihrer Entstehungszeit, durch eine vom historischen Parzellenmuster her bedingte kleinteilige
Maßstäblichkeit der Bebauung, durch Material- und Farbe der Außenhaut baulicher Anlagen sowie
durch eine silhouettenprägende Dachlandschaft.
(2) Ziel der örtlichen Bauvorschriften über Gestaltung ist es,
a) dass durch verstärkte Erhaltung ortsbildprägender Gebäude, Bebauungszusammenhänge und
anderer raumbedeutsamer Strukturen die besondere Eigenart der historischen Altstadt gewahrt
bleibt;
b) dass Veränderungen der Baugestalt vermieden werden, die das charakteristische Orts- und
Straßenbild beeinträchtigen;
c) dass durch eine geeignete Gestaltung von baulichen Maßnahmen die unverwechselbare Identität der Altstadt fortentwickelt und weiter verstärkt wird.
§2
Örtlicher Geltungsbereich
(1) Der örtliche Geltungsbereich ist identisch mit dem in § 2 der Denkmalbereichssatzung festgelegten
Denkmalbereich. Er umfasst - gegliedert in zwei Bereiche (Baustaffel I und II) mit unterschiedlichen
gestalterischen Anforderungen - alle Häuser samt Grundstücken, Straßen und Straßenbereiche (Plätze)
in der innerhalb der früheren Stadtmauern gelegenen Altstadt, einschließlich der ihr vorgelagerten
ehemaligen Wallringstraßen sowie Wallanlagen, soweit diese als gründominierte weiche Altstadtkante
noch in Erscheinung treten.
(2) Der örtliche Geltungsbereich dieser Gestaltungs- und Schutzsatzung - Denkmalbereich - ist der
Karte 1, seine Gliederung in die Bereiche der Baustaffel I und II der Karte 2 und 3 zu entnehmen. Die
Karten 1 - 3 sind Bestandteil dieser Satzung.
§3
Sachlicher Geltungsbereich
1) Der sachliche Geltungsbereich der Satzung gilt für alle baulichen Anlagen, Teile davon und Einrichtungen, die vom öffentlichen Verkehrsraum aus sichtbar sind. Die Regelungen gelten für Neu- und
Umbauten, Instandsetzungen und Modernisierungen, sowie Änderungen der vorhandenen baulichen
Anlagen, wenn diese geeignet sind, das schutzwürdige Erscheinungsbild oder den kulturhistorischen
oder besonderen städtebaulichen Aussagewert in den näher bezeichneten Bereichen (Baustaffeln) und
Einzelobjekte sowie die beabsichtigte Gestaltung der historischen Altstadt zu beeinträchtigen. Eine
Beeinträchtigung liegt vor, wenn die in der Satzung konkretisierten Anforderungen nicht erfüllt sind.
2) Für das im örtlichen Geltungsbereich näher bezeichnete schutzwürdige Gebiet der Altstadt wird
für die nach § 65 Abs. 1 Nr. 13, Nr. 18, Nr. 44, Nr. 49 und Abs. 2 Nr. 2, Nr. 6 und Abs. 3 BauO NW
genehmigungsfreien Anlagen eine Genehmigungspflicht nach § 86 Abs. 2 Nr. 1 BauO NW eingeführt.
(3) Unberührt bleiben die Vorschriften des Denkmalschutzes sowie die Festsetzungen in Bebauungsplänen und der Erhaltungssatzung nach § 172 BauGB.
Gestaltungs- und Schutzsatzung
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§4
Allgemeine Anforderungen
(1) Im näher bezeichneten örtlichen Geltungsbereich sind bei der Durchführung baulicher Maßnahmen
folgende Anforderungen zu erfüllen:
a) die Stellung, Höhe und Gestalt des Baukörpers einschließlich der Nebenanlagen;
b) die Ausbildung, Form und Eindeckung des Daches sowie der Dachaufbauten;
c) die Gliederung und Flächenbehandlung der Fassade einschließlich der Türen und Fenster;
d) die Anordnung und Ausbildung von Erkern, Balkonen und sonstigen vorspringenden Bauteilen;
e) die Verteilung und Form der Wandöffnungen, insbesondere der Schaufenster;
f) die Anordnung und Form von Vordächern, Glasvordächern und Markisen
sind so zu wählen, dass die bauliche Anlage sich nach Maßgabe der erklärten Ziele in das Orts- und
Straßenbild einfügt.
Historische, für die jeweilige Bauepoche charakteristische Erscheinungsbildträger der Baudenkmäler
und ihrer näheren Umgebung sowie der erhaltenswerten Bausubstanz dürfen nicht beeinträchtigt
werden.
(2) Art und Farbe der zu verwendenden Wandbaustoffe sind so zu wählen, dass die bauliche Anlage
sich in die Baustoffkultur der näheren Umgebung einfügt und der Zusammenhang von Erd- und Obergeschossen gewahrt bleibt. Unzulässig sind
a) Wandbaustoffe und Farben, die glänzen oder eine grelle Wirkung ergeben;
b) mehr als vier verschiedene Wandbaustoffe an einem Gebäude;
c) visuell unverträgliche Baustoffkombinationen;
d) das Verkleben von Außenwänden, Stützen und sonstigen tragenden Bauteilen sowie Brüstungen
mit Imitationen jeglicher Art (Fachwerkimitationen, Ziegelsteinimitationen auf Bitumenbasis,
tapetenartige Wandverkleidungen);
e) Verkleidungen aus Faserzementplatten, Eternit oder sonstige Kunststoffplattierungen;
f) glasierte Keramik, gesprenkeltes Mosaik oder Wandteile aus Blech oder metalleloxierte Verkleidungen;
g) Buntsteinputze (Mosaikputz oder Kunstharzputz mit Waschputzeffekt) sowie Modellier-/
Strukturputze (Kellenwurf-, Keilschrift-, Wabenwellen- sowie Fächerputze).
Leitsatz: Als visuell unverträglich gelten im Falle benachbarter Ladenlokale im Erdgeschoss eines
Gebäudes störende a) Material-, b) Textur- und c) Farbkontraste
Leitsatz: Abweichend können Kunststoffplatten zur Verkleidung von Dachgauben zugelassen
werden, wenn diese von öffentlichen Räumen her nicht einsehbar sind. Im Bereich schmaler Bauwiche (bis zu einer Breite von 2,00 m) können sie zur Verkleidung von Seitenwänden oder Brandmauern zugelassen werden.
Leitsatz: Für Außenwände sowie Brüstungen ist schalungsrauher Sichtbeton sowie Waschbeton
nicht zugelassen. Sichtbeton ist ausnahmsweise nur zur Betonung der konstruktiven Teile oder
zur Einzelgliederung der Fassade zulässig.
Leitsatz: Der Außenputz sollte, wie auch die Farbe, mineralisch sein. Kunststoffputze und Kunststofffarben sind nicht erwünscht. Die Oberfläche kann mit einem 3 mm starken Kratzputz hergestellt werden.
(3) Für Einfriedigungen sind nur Mauern aus westfälischem Sandstein, Sichtmauerwerk sowie Hecken
erlaubt. Die massiven Einfriedigungen dürfen eine Höhe von 2,25 m nicht überschreiten.
(4) An Bodenbelägen ist für Zuwegungen auf den unbebauten Flächen der bebauten Grundstücke
Natursteinpflaster oder Kunststeinpflaster mit Natursteinvorsatz, auf Stellplätzen auch Rasengittersteine
zulässig.
Leitsatz: Eine Entsiegelung der Bodenflächen auf den unbebauten Flächen der bebauten Grundstücke ist anzustreben.
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Gestaltungs- und Schutzsatzung
(5) Parabolantennenanlagen mit Reflektorschalen für den Fernseh-Satellitenempfang sowie sonstige
Außenantennenanlagen sind nur auf den Straßen abgewandten Dachflächen zulässig oder so anzubringen, dass sie von der unmittelbar umgebenden öffentlichen Verkehrsfläche aus nicht gesehen
werden können.
Leitsatz: Fenster- und Dachrinnenantennen sind nicht erlaubt. Antennenanschlüsse dürfen nicht
sichtbar auf der Fassade verlegt werden. Satellitenschüsseln dürfen nicht an Erkern oder Balkonen
angebracht werden.
(6) Im örtlichen Geltungsbereich dieser Satzung können zur Wahrung der historischen Bedeutung
oder sonstiger erhaltenswerter Eigenarten der Altstadt die Abstandsflächen nach § 6 BauO NW unterschritten werden. Die Kartierung der historischen Traufgassen bzw. Bauwiche ist in der Karte 4 wiedergegeben, die als Anlage 4 Bestandteil der Satzung ist.
Leitsatz: Die schmalen Zwischenräume (Bauwiche) zwischen alten Gebäuden können nach der
Straße hin bis zu einer Höhe von 2,25 m in unauffälliger Weise geschlossen werden. Diese Einfriedigung sollte gegenüber der Bauflucht leicht (bis 1,20 m) zurückgesetzt werden.
§5
Besondere Anforderungen für Bauten und Grundstücke der Baustaffel I
(1) Der örtliche Geltungsbereich umfasst alle Bauten ohne Prädikat außerhalb der in Staffel II kartierten Bauten von denkmalschutzwürdiger Bedeutung und erhaltenswerter Bausubstanz. Ihre Kartierung
ist im Staffelplan I (Karte 2) enthalten, der als Anlage 2 Bestandteil dieser Satzung ist.
(2) Die für die Altstadt typische Dachform ist das Schrägdach in den Formen des Sattel-, Walm-, Kopfwalm, Mansard- und Mansardwalmdaches. Pult- und Flachdächer sind nur für eingeschossige Nebenanlagen zulässig, wenn hierdurch das Straßenbild nicht beeinträchtigt wird.
Leitsatz: Bei Neubauten hat sich die Dachform an der durch Schrägdächer geprägten Nachbarbebauung zu orientieren. Kreuzdachformen sind auszuschließen.
Leitsatz: Die zulässige Dachneigung beträgt für Satteldächer als Untergrenze 45˚ (d.h. 45˚ - 60˚);
für Mansarddächer 70˚ - 75˚ als Obergrenze des unteren Dachneigungswinkels und 30˚ als
Untergrenze für den oberen Dachneigungswinkel; für Walmdächer 45˚ - 60˚, bei Kopfabwalmung
als Untergrenze 45˚ Neigung.
Leitsatz: Die Erscheinungsform von Sparrendächer ist gegenüber Pfettendachkonstruktionen zu
bevorzugen.
Leitsatz: Die zulässigen Dachüberstände sind an die Ausbildung einer prägnant in Erscheinungs
tretenden Dach- oder Hauptgesimskontur gebunden, sie betragen traufseitig höchstens 0,40 m
- gemessen ohne Regenrinne, am Ortgang höchstens 0,30 m.
Leitsatz: Drempel sind nur bei Anpassung von Neubauten an die Fassadenproportionen der Nachbarbebauung zulässig, ihre Höhe darf höchstens 0,80 m betragen.
a) Dacheinschnitte, die vom öffentlichen Straßenraum eingesehen werden können, sind unzulässig.
b) Liegende Dachfenster sind (an der Straßenseite) nur insoweit zulässig, als sie zur Schornsteinreinigung und Dachinstandsetzung unbedingt benötigt werden.
c) Dachaufbauten sind als Giebel-, Schlepp-, Pult-, Dreiecks-, Walm-, Stichbogen- oder Tonnengaube nur zulässig, soweit ihre Breite 1,50 m und ihre Höhe 1,20 m nicht überschreitet. Die
Summe der Aufbauten darf die Hälfte der Dachbreite nicht überschreiten.
Leitsatz: Dachgauben müssen in Lage, Ausbildung und Proportion auf die Art und Gliederung der
darunterliegenden Fassade bezogen werden.
a) die Mittelachse einer Dachgaube sollte mit der Mittelachse einer Wandöffnung (Fensterachse)
in den Obergeschossen zusammenfallen oder
Gestaltungs- und Schutzsatzung
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b) die Mittelachse einer Dachgaube sollte mit der Mittelachse der Mauerfläche zwischen zwei
Wandöffnungen (Mauerschaft) in den Obergeschossen zusammenfallen;
c) je nach Organisation der Fassade ist auch eine Kombination von a) und b) möglich.
Leitsatz: Der Abstand einer Dachgaube zum Ortgang (Giebel des Hauptdaches bzw. eines Zwerchhauses) sollte mindestens 2,50 m betragen;
a) der Abstand einer Dachgaube von der Firstlinie des Hauptdaches sollte mindestens 1,5 m betragen;
b) Dachgauben sind am Gebäude in gleicher Höhe anzulegen. Es sollten mindestens zwei, besser
drei Dachpfannenreihen unter ihnen hinweglaufen.
d) Dächer sind mit gebrannten Dachpfannen einzudecken. Grellfarbene, d.h. mit keramischer
Grundmasse überzogene Dachziegel, sowie glasiertes Material ist ausgeschlossen.
e) Regenfallrohre dürfen nicht schräg über Wandflächen verlaufen. Ihre Farbgebung hat sich den
hinter ihnen liegenden Wandflächen anzupassen.
e) Hausgiebel sind bei schmalen straßenseitigen Grundstücksbreiten im gleichen Dachneigungswinkel und symmetrisch auszubilden.
Leitsatz: Gegenüber Ortganggiebeln sind Schildgiebel auszubilden und in der Form des Zweioder Dreistaffelgiebels zu bevorzugen.
(3) Sollen zur Errichtung von Neubauten mehrere Grundstücke vereinigt und in einem Baukörper zusammengefasst werden, so ist die Fassade entsprechend der historischen Parzellierung oder Bauweise
der näheren Umgebung in Fassadenabschnitte zu gliedern.
Leitsatz: Fassadenabschnitte können durch folgende Gliederungselemente gebildet werden:
a) durch Unterschiede in der First- oder Traufhöhe;
b) durch Vor- und Rücksprünge aus der Bauflucht;
c) durch den Wechsel von Trauf- und Giebelstellung (Zwerchhäuser/Zwerchgiebel);
d) durch Materialwechsel (Sichtmauerwerk und Verputz);
e) durch unterschiedliche Farbgebung des Außenputzes;
f) durch Kombination der Gliederungsmerkemale a-e.
(4) Neue Schaufensterformen sollten den Motiven klassischer oder der tradierten Tür-Fenster-Architekturen folgen. Tradierte Formen in der Altstadt sind das Kolonnaden-, Arkaden- und Vitrinen-ErkerMotiv.
a) Schaufenster dürfen einschließlich der Ladeneingänge nicht die gesamte Breite eines Gebäudes
(Fassade) einnehmen.
Leitsatz: Als Richtwerte können gelten:
• die Mauerpfeiler an den Gebäudeecken sollten mindestens 0,50 m die Pfeiler zwischen Schaufenstern oder zwischen Schaufenster und Ladeneingang mindestens eine Breite von 0,377 m
haben oder:
• die Summe aller tragenden Pfeiler oder Wandflächen sollte mindestens 1/4 der Fassadenbreite
einnehmen.
b) Bis zum Straßenboden herabgezogene Glasflächen sind zu vermeiden. Schaufenster sollten
entweder einen Sockel von mindestens 0,30 m oder eine entsprechend deutlich wahrnehmbare
Schutzvorrichtung erhalten.
Leitsatz: Schaufenstersockel sollten sich in Material und Farbe deutlich von der Bodenfläche des
öffentlichen Raumes unterscheiden.
Leitsatz: Das Gesetz der Musterung von Bodenbelägen (= motorische Leitfunktion) muss dem der
angrenzenden Gebäudesockel (Wandflächen = sensorische Leitfunktion) grundsätzlich widersprechen.
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Gestaltungs- und Schutzsatzung
c) Seitliche Flächen, Sockel oder Brüstung sowie Sturzfeld der Schaufenster sollten aus gleichen
Wandbaustoffen bestehen. Die Materialgebung der Wandflächen im Erdgeschoss kann von jener
der Obergeschosse abweichen.
d) In die Tiefe des Erdgeschosses entwickelte Ladenzugangs- und/oder Vitrinenpassagen sind nur
zulässig bei Gebäuden mit Glasvordächern oder temporären Markisen. Bei massiven Kragplatten
oder Kragkästen sind sie auszuschließen.
(5) Kragplatten und Kragkästen widersprechen der historisch geprägten Eigenart des Altstadtbildes
und sind deshalb unzulässig. Außer Markisen dürfen nur Glasvordächer verwendet werden; sie sind auf
die Schaufensterformate abzustimmen und entsprechend zu gliedern. An Sichtfachwerkbauten sind
Vordächer nur als Wetterdächer über Hauseingängen und auf die Öffnungsformate abgestimmte
Markisen oder Schwebedächer zulässig.
Leitsatz: Bei genehmigungspflichtigen Maßnahmen im Sinne von § 3 dieser Satzung sind bestehende Kragkästen zu beseitigen und ggfs. durch Glasvordächer zu ersetzen.
a) Die Mindesthöhe von Glasvordächern und Markisen über Gehweg bzw. Straßenoberfläche
beträgt 2,25 m bei einer höchstzulässigen Auskragungstiefe von 1,20. Bei beweglichen Markisen
ist eine Auskragungstiefe bis zu 2,00 m gestattet;
b) Glasvordächer aus getöntem Glas sind zulässig. Ornamentglas, grellfarbiges und/oder spiegelndes
Glas darf nicht verwendet werden.
Leitsatz: Glasvordächer wirken am besten, je einfacher die Grundform in Erscheinung tritt. Das
ist beim einfachen Pultdach der Fall, das nur aus einer Scheibe und Stützkonstruktion besteht und
somit den Charakter eines „Schwebedaches“ annehmen kann.
• Pultdächer mit seitlicher, vorderer und hinterer Blende widersprechen durch ihre Mächtigkeit
der transparenten Leichtigkeit des Glasvordaches. Sie sind deshalb zu vermeiden.
• Die Ausladungstiefe von Glasdächern darf variieren. Der Tiefensprung sollte dann aber motiviert sein, z.B. durch die größte Tiefe über Ladeneingängen.
• Jeder Höhenversatz eines Glasdaches wirkt unruhig und konfligiert im Regelfall mit der Horizontalität von Gesimsen.
• Abgewalmte Pultdächer (mit trapezförmiger Ansicht) sind zu vermeiden. Werden sie mit Stirnblenden verbunden, so erinnern solche „Haubendächer“ an Abzugs- bzw. Kaminhauben mit Entsorgungscharakter.
• Bastardformen sind unzulässig, z.B. die Kombination von Blechkästen und aufliegender Glasscheibe.
• Glasdächer sollten nicht zu hoch angeordnet werden, weil sie dann wirkungslos bleiben.
• Die Farbfassung der Trägerkonstruktion ist traditionell schwarz, in der Nachkriegszeit auch
goldeloxiert, in der Postmoderne gern tiefblau. Signalfarben (grellgelb, orange, rot), auch grün,
sind auszuschließen.
c) Rollmarkisen sollten eine Textilbespannung oder textilähnliche, nicht glänzende Oberfläche
haben. Sie sind farblich auf die Fassade abzustimmen. Grelle und aufdringliche Farben (wie grelles
Orangerot, giftiges Grün, süßliches Rosa oder Violett) nicht nicht zulässig.
d) Starre Markisen in Kasten-, Korb- oder Baldachinform sind nur in kleinen Formaten über Schaufenstern und Ladeneingängen zulässig. Sie dürfen Architekturteile (wie Pfeiler und Gesimse) nicht
überschneiden. An Fachwerkbauten sind sog. Schwebedächer zu bevorzugen.
e) Wahlweise darf an einem Gebäude nur ein Glasvordach (oder mehrere kleine) oder eine Markise (oder mehrere kleine) angebracht werden. Alle Kombinationen - auch solche mit Kragplatten
oder Kragkästen - sind nicht erlaubt.
(6) Die Fassaden dürfen nur bestehen aus Bruchstein- oder Quadermauerwerk, aus Naturschiefer,
rauhen oder glatten Verputz und Sichtmauerwerk. Abweichend sind für Außenwände im Erdgeschoss
mit Geschäfts- oder Büronutzungen, für Stützen auch Verkleidungen mit Naturstein oder Kunststein
mit Natursteinvorsatz zulässig.
a) Dunkle und/oder verschmutzte Wandflächen, Brandwände, Brandgiebel bzw. Fassaden, die
vom öffentlichen Verkehrsraum aus sichtbar sind, sind mit einem aufhellenden Anstrich zu versehen.
Gestaltungs- und Schutzsatzung
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Leitsatz: Dies gilt nicht für Werkstein- bzw. Natursteinmauerwerk, das aus baupflegerischen
Gründen (u.a. mit Öl- und Kunstharzfarbe) niemals überstrichen, sondern nur gereinigt werden
darf.
b) Folgende Farbtöne dürfen bei flächigem Wandanstrich nicht verwendet werden:
• reines Weiß oder sehr helle Farbtöne (Remissionswerte von 80-100),
• reines Schwarz oder sehr dunkle Farbtöne (Remissionswerte von 0-15).
Leitsatz: An Putzbauten können folgende Regeln gelten:
• niemals pralinenfarbene Bonbonieren (mit violett aufgemischten Farben) für Fassaden verwenden,
• keine cremefarbene (mit weiß aufgehellte), an Eidotter oder Zitronenfalter erinnernde Dessertfarben,
• Fensterlaibungen dürfen niemals schwarz gestrichen werden.
Leitsatz: Zur Orientierung bei der Farbgebung von Putzfassaden gilt die beigelegte Farbkartei.
(7) Für die Fensterverglasung ist Klarglas zu verwenden. Strukturgläser, Buntgläser (außer bei Rekonstruktionen von Farbgläsern an historischen Bauten), sogenannte Antikverglasungen sind nicht zulässig. Ausgenommen sind Sonderverglasungen wie Butzenscheiben, Bleiverglasungen im Erdgeschoss
von Gaststätten und Cafés.
a) Die Verwendung unterschiedlicher Glasarten an Fenstern der Obergeschosse (z.B. Klarglas
oberhalb des Kämpfers, Mattglas unterhalb des Kämpfers) ist unzulässig.
b) Glasbausteine sollten in den von öffentlichen Verkehrsflächen aus sichtbaren Gebäudewänden
nicht verwendet werden.
(8) Erforderliche Entlüftungs- und Abgasöffnungen sowie sonstige Installationen dürfen keine Gliederungen der Fassade überschneiden und müssen sich farblich den umliegenden Flächen anpassen.
§6
Besondere Anforderungen an Gebäude und Grundstücke der Baustaffel II
(1) Der örtliche Geltungsbereich der Baustaffel II erfasst alle Baudenkmäler und die erhaltenswerte
Bausubstanz im Denkmalbereich der Altstadt Werne. Ihre Auflistung ist in der Karte 3 wiedergegeben,
die als Anlage 3 Bestandteil dieser Satzung ist.
(2) Bei Umbauten (Instandsetzung und Modernisierung) sind die in § 3 der Denkmalbereichssatzung
näher beschriebenen historisch wertvollen oder charakteristischen Erscheinungsbildträger hinsichtlich
der Bauteile und Materialität der Gebäude zu wahren. Bei Entfernung müssen sie nicht durch gleichartige, wohl aber völlig gleichwertige Elemente ersetzt werden.
Leitsätze: Folgende Sachverhalten unterliegen dem Erscheinungsbildschutz:
1. Die Giebelständigkeit und Traufständigkeit baulicher Anlagen und deren charakteristische
Verteilung im Altstadtbild.
2. Die Bauart nach Art des Zusammenfügens einzelner Baustoffe und Bauteile zu einem Konstruktionsgefüge unterschieden nach
• Skelettbauten in Form des Sichtfachwerks, auch Fachwerkbauten mit verputzter, verklinkerter
oder verschieferter Fassade,
• Massivbauten mit Naturstein, Backstein bzw. Ziegelvorblendsteinen, verputzter Fassade, z.T.
auch mit Sichtbeton-Elementen.
3. Elemente der Bebauung unterschieden nach
• die Form des Schrägdaches als Satteldach, an Fachwerkbauten auch mit Dachüberstand, durch
das Walm- und Mansarddach, letzteres auch mit Ausbildung eines Drempels, sowie des Flachdaches;
• Ortgang- und Schildgiebel, letzterer in Form des Treppen-, Drei- und Zweistaffelgiebels, an
Zwerchhäusern auch als Voluten-, Knick- und geschweifter Giebel mit Aufsatz und Schulter
ausgebildet;
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Gestaltungs- und Schutzsatzung
• aus der Fassade aufsteigende Zwerchhäuser und Zwerchgiebel, Dachgauben in Form der
Lukarne, der Spitz-, Pult-, Schlepp-, Walm- und Tonnengaube;
• Wandgliederungen in Form von Überhängen und Vorkragungen an Fachwerkbauten sowie
durch Risalite und Erker in Form des Kasten-, flachbogigen Rund- und Polygonalerkers, letzterer
auch turmartig bekrönt, sowie des Austritt- und Fenstererkers;
• die Fassadentektonik in Form von Lisenen und Pilaster sowie durch Haupt-, Gurt-, Sohlbankund Kämpfergesimse;
• Fassadenzierden in Form von ein- und mehrbahnigen Friesen, Reliefs und Stuckapplikationen;
bei Fachwerkbauten auch Knaggen und Schnitzwerk,
• Haustüren als Rahmen-Füllungs- und aufgedoppelte Türen, mit vitriertem, ornamentiertem, mit
Eisengittern versehenen Türöffnungen sowie Haustore (Deelentore) an den ehemaligen Ackerbürgerhäusern;
• die Fensterarchitektur in Form von einbahnigen oder gekuppelten Fenstern mit hochrechteckigen
Formaten, geraden oder bogigen oberem Abschluss, profilierte Rahmung und Bekrönung, Fensterteilung in Form des Kreuzstock-, Pfosten- und Galgenfensters mit oder ohne Sprossen;
• hohe Gebäudesockel, Außentreppen als Freitreppe oder in die Hauseingang eingezogene
Treppen sowie Einfriedigungsmauern.
Leitsatz: Zur Wiederherstellung von Gesimsen können Formteile aus Polystyrol-Hartschaum mit
witterungsbeständiger, hoch vergüteter mineralischer, faserarmierter Beschichtung verwendet
werden. Die Profile können in Sonderanfertigung hergestellt werden; das betrifft insbesondere
die seitliche Kantenverarbeitung an Gebäudeecken.
Leitsätze zur Fenstermodernisierung:
• Wandöffnungen sollten in den Obergeschossen eine gegenüber der Fassadenfläche plastisch
oder materialfarbmäßig abgesetzte Umrahmung haben (Werksteinrahmen oder Putzfaschen),
und zwar meist in einer Breite von 10 - 30 cm;
• Werden diese Umrahmungen aus einem anderen Material als die Wandfläche hergestellt, so
sollten sie zwischen 2 und 4 cm vor die Wandfläche vorstehen. Bei Sohlbänken ist ein stärkeres
Vorkragen bis 12 cm zulässig.
• Bei Werksteinumrahmungen ist ein dem Gesamtbild des Gebäudes angepasster Stein zu verwenden. Die Ausbildung in Kunststein (Betonwerkstein) kann nur gestattet werden, wenn dieser
feinkörnig über Natursteinmehl hergestellt wird.
• Fenster dürfen nicht bündig mit der Außenfront gesetzt werden. Die Vorderkante des Fensterstockes ist hinter die Außenflucht (mind. in der Hälfte der Wandstärke) zu setzen.
• Der Stock muss als Futterrahmen gegenüber den (festen oder beweglichen) Fensterflügeln deutlich ablesbar als Schattenkante in Erscheinung treten.
• Bei Kreuzstockfenstern muss das Losholz, der Kämpfer, gegenüber dem Setzholz, dem Pfosten,
deutlich ablesbar hervortreten.
• An Massivbauten können andere Werkstoffe als Holz, wie Aluminium und Kunststoff, verwendet werden, wenn dadurch die gleiche optische Wirkung wie bei den historisch überlieferten
Fensterrahmen erreicht wird. Die Verwendung von glänzenden oder goldeloxierten Rahmen ist
nicht gestattet.
(3) Bei den im Erdgeschoss ausgeräumten, d.h. nicht erhaltenswerten Wand- und Schaufensterflächen
gilt im Falle ihres Umbaus § 5 Abs. 4, 5 und 6 dieser Satzung.
Leitsatz: Die Gestaltung von Schaufenstern hat drei Aspekte zu berücksichtigen:
1. pflegliche Rücksichtnahme auf den Baustil der Fassade bzw. die Körpersprache von Architektur,
2. Betonung des unverwechselbaren Charakters der Ladenlokalnutzung,
3. Wahl eines prägnanten Schaufenstermotivs unter Berücksichtigung von 1. und 2 (vgl. § 5 Abs.
4 dieser Satzung).
a) Pfeilerstellung und Anordnung der Mauerflächen muss in Abstimmung mit der Fassadengliederung der Obergeschosse erfolgen.
b) Glasflächen dürfen nicht bündig (tapetenartig) mit Pfeiler- oder Wandflächen angeordnet werden; sie sind deutlich zurückzusetzen. Vortretende Glasflächen sind nur bei Vitrinenausbildung
zulässig.
Gestaltungs- und Schutzsatzung
10
Leitsatz: Ungegliederte Wandöffnungen können durch Rückbau auf ursprüngliche Höhen oder
durch Einbau von Zwischenpfeilern nach Maßgabe der „Gestik von Flächenwerten“ in Schaufensterformate geteilt werden.
c) Seitliche Flächen, Sockel oder Brüstung sowie Sturzfeld der Schaufenster sollten aus gleichen
Materialien bestehen. Die Materialgebung der Wandflächen und Stützen im Erdgeschoss kann
von jener der Obergeschosse abweichen.
(4) Die Farbgestaltung muss dem jeweiligen architektonischen Charakter des Bauwerks entsprechen.
Das ist der Fall, wenn der Zusammenhang von Konstruktion, Fläche, Körperlichkeit und den je Baustil
unterschiedlichen Gliederungselementen durch die Farbgebung gewahrt bleibt. Am Sichtfachwerk
muss der regionalen (münsterländisch geprägten) Farbtradition Rechnung getragen werden.
Leitsatz: Traditionell ist in Westfalen schwarzes, seltener tiefbraunes Holzwerk gegen weißen
Anstrich der Putzgefache allgemein üblich. Die Gefache dürfen nicht in einer abweichenden
Buntfarbe gestrichen werden Die Gefachfüllung kann auch aus ungetöntem Zielmauerwerk bestehen. Das Schnitzwerk wird immer kräftig farbig abgesetzt.
Leitsatz: Zur Farbbehandlung denkmalgeschützter Putzbauten ist ein Gutachten der Denkmalpflege
anzufordern. Hierbei liefert zuallererst der Befund und die Stilrichtung, der ein Gebäude angehört.
Leitsatz: Die Tektonik einer Fassade (Fensterarchitektur, Lisenen, Gesimse oder sonstige Dekorteile)
darf nicht deutlich dunkler als die sie tragenden Wandflächen gestrichen werden. Dieser allgemeine Grundsatz gilt für alle Putzbauten des Historismus, für den Reformstil sind Abweichungen
zulässig.
Leitsatz: Die Fensterarchitektur (Umrahmung und Verdachung) muss stets als Einheit aufgefasst
und insofern auch farblich einheitlich behandelt werden.
Im Hinblick stilistisch angemessene Farbgestaltung sind an Putzbauten folgende Leitsätze zu berücksichtigen
1. an Putzbauten des Historismus
• Die farbliche Gestaltung des Einzelgebäudes ist auf den Gesamtcharakter des Straßenbildes
abzustimmen. Das räumlich-farbige Milieu darf durch einen starken Farbwechsel der Fassaden
und durch eine ganz verschiedenartige ornamentale Behandlung nicht zerstückelt werden. Eine
ruhige, verbindende Farbgebung und Ornamentierung kann dazu beitragen, das Gesamtbild
einer bereichsweise einheitlichen Raumwirkung wieder anzunähern.
• Fassadengliederungen sollten um so weniger farbig abgesetzt werden, je stärker die Schauseiten
der Flächigkeit entbehren und mit plastischen Gliederungen und Schmuckformen reich verziert
sind. Eher zurückhaltende Töne entsprechen dem Charakter dieses Typs.
• Die Farbbehandlung der Gliederung (Gesimse, Lisenen, Fensterumrahmungen u.a.) richtet sich
nach der Art und dem Wert ihrer Ausbildung:
a) Schwere, weit ausladende Gliederungen (z.B. Erker) dürfen vom Farbton der Mauerfläche nicht
abgesetzt werden, um sie nicht besonders durch Farbe zu betonen.
b) Kräftige Gliederungen in Form und Proportion können durchaus in einer matteren und helleren
Abtönung zur Grundfläche des Gebäudes oder in hellem Grau leicht gebrochen abgesetzt werden.
Das Grau kann auch nach einer anderen Farbe gebrochen werden (z.B. rötlich = warm oder
bläulich = kalt bei gelber Grundfarbe).
• In der Regel sollten die Gliederungen matter getönt werden als die Wandflächen. Der hellere
Anstrich hat immer den Gliederungen zu gelten. Eine Ausnahme kann dann gemacht werden,
wenn die Fläche eines Bauwerks gar nicht oder matt (grau) gestrichen wird; dann kann sie durch
lebhaften Anstrich der Gliederung nur gewinnen.
• Plastische Fassadengliederungen dürfen durch Farbe nicht zerstört werden, insbesondere die
durch Vor- und Rücksprünge hervorgerufenen Effekte des Licht- und Schattenwurfs. Zu starke
Hell-Dunkel-Kontraste oder Farbkontraste zwischen Grundfarbe und farbig abgesetzten Architekturgliedern lassen diese nur noch als Farbornamente wirken.
11
Gestaltungs- und Schutzsatzung
• Fehlen plastische Architekturgliederungen (z.B. Fensterumrahmungen), so ist gelegentlich eine
einfache (monochrome = einfarbige) Aufteilung der Wandfläche zulässig (z.B. durch dunkle
Umrahmung der Fenster = Farbfasche oder durch einen Trennungsstreifen zwischen den Geschossen = in Anlehnung an ein Gurtgesims). Doch sollte man sich dabei auf weniges beschränken.
• Ob Flachreliefstrukturen einfarbig oder mehrfarbig gestrichen werden, ist im Einzelfall zu prüfen.
In den meisten Fällen ist einfarbiger Anstrich zu empfehlen. Die plastische Qualität wirkt am
klarsten bei einer weißen Grundfarbe.
• Im Bereich von Geschäften und Läden kann die Sockelfarbe bis zum 1. Obergeschoss hochgezogen werden (als Gegenfarbe zur Grundfarbe des Gebäudes, doch nicht zu kontrastreich und/
oder zu dunkel). Damit wird ein zusammenbindender Hintergrund für die Buntheit der Werbung,
Information und Schaufenster geschaffen. Gleichzeitig wird damit der Fußgängerbereich bis zur
Blickhöhe akzentuiert.
2. an Putzbauten des Jugendstils
• An Fassaden mit Jugendstilelementen zu bevorzugen ist eine helle und zarte Farbgebung. Die
Farben dürfen weder süßlich noch aufdringlich wirken. Dekorteile sind in einer Ton-in-Ton-Farbgebung zu gestalten (z.B. Wandfarbe in mittlerem Blauton, die flächigen Schmuckformen in
dunklerem Blau oder umgekehrt).
• Gliederungen dürfen weder im Fassadenton überstrichen, noch als einzelnes Schmuckelement
völlig zusammenhanglos farblich hervorgehoben werden.
a) Entweder kann die Wandfläche, z.B. in einem mittleren Blauton gestrichen werden, wenige
flächige Schmuckformen in dunklerem Blau derselben Farbmischung abgesetzt und die übrigen
Flächen (oder auch Erker) in einem klaren Weiß gehalten werden.
b) Ebenso kann der Untergrund dunkel gehalten und der Dekor durch eine helle Farbe derselben
Farbmischung hervorgehoben werden.
c) Für die Entscheidung der Farbfassung von Dekorteilen nach a) oder b) ist die Gesamtkonzeption
der Fassade von Bedeutung.
3. an Putzbauten des Reformstils
In Werne dominiert (wie sonst auch in der Hellwegzone) eine helle, kühle, wenig differenzierte
Farbskala: Hellgrau oder Hellgelb als Steinfarbe. Die Farbe wird als Hilfsmittel des körperlich
Messbaren, nicht als malerischer Wert angesehen. Wie im Klassizismus Betonung eines Materialstils:
Steinfarbigkeit, Grundton blass, Fenstergewände, Lisenen, Gesimse noch heller, die wenigen Zierteile aber farbig auf dunklerem Grund abgesetzt.
• Gelegentlich kommt eine tradionalistische (dem Heimatstil angenäherte) Variante vor: Erdfarben
wie dunkles Gelb, Ocker, Braun, Olivgrün.
• Auf keinem Fall dürfen Reformstilfassaden mit ihren flächigen Schichtungen und geometrisch
fokussierten Zierden einheitlich weiß (in der Farbe der neuen Sachlichkeit) gestrichen werden.
An erhaltenswerten Bauten kann durchaus eine kräftige Farbgestaltung in moderner Auffassung
vertreten werden.
4. an Putzflächen des Expressionismus
Neben dem lebhaften Farbspiel der Ziegel üblich ist weißer Verputz unter dem Einfluss der Neuen
Sachlichkeit. Abweichend kann die sonst übliche Farbskala (abgetönte stumpfe Farben) nur an
Dekorteilen angewendet werden.
5. an Putzbauten der Nachkriegsmoderne
Mehrfarbige Wandflächen sind verpönt. Man assoziiert in der Farbgebung den Baustoff. Wandflächen sind einheitlich matt (Erdfarben-Skala) zu gestalten. Fensterfaschen und Balkonverkleidungen sind Farbträger. Farbkontraste (Buntheit) sowie intensiv wirkende Leuchteffekte sind zu
vermeiden. Bei Geschäftsbauten ist im Erdgeschoss farbiges Mosaik (gefärbter Baustoff) üblich.
§ 7 Abweichungen
Von den Vorschriften dieser Satzung kann die Bauaufsichtsbehörde im Einvernehmen mit der Stadt
Werne Abweichungen zulassen, wenn die in § 4 formulierten allgemeinen Anforderungen an die Gestaltung baulicher Anlagen erfüllt bleiben.
12
Gestaltungs- und Schutzsatzung
Zielsetzung der Satzung (§ 1)
Motive der historischen geleiteten Bestandspflege
Motive der Verunstaltungsabwehr
Motive der positiven Gestaltungspflege
Örtlicher Geltungsbereich (§ 2)
Identisch mit dem Denkmalbereich Altstadt Werne
Sachlicher Geltungsbereich (§ 3)
Genehmigungspflicht für alle
Neu- und Umbauten,
Instandsetzungen und Modernisierungen sowie
Änderung der vorhandenen historischen Anlagen
Allgemeine Anforderungen (§ 4)
Normative Merkmalsträger (Örtl. Bauvorschriften)
Relative Merkmalsträger (ergänzende Leitsätze)
Gliederung des örtlichen Geltungsbereichs nach
der Schutzwürdigkeit baulicher Anlagen, wobei
Baustaffel
I (§ 5)
Besondere
Anforderungen (§ 5)
Baustaffel
Baustaffel
II 6)
II (§
Besondere
Anforderungen (§ 6)
• Baustaffel I = Bauten ohne Prädikat (Primärbezug
§ 86 Abs. 1 Nr. 1 = Gestaltungssatzung) und
• Baustaffel II = Baudenkmale und erhaltenswerte
Bausubstanz (Primärbezug § 86 Abs. 1 Nr. 2 =
Schutzsatzung)
Normative Merkmalsträger (Örtl. Bauvorschriften)
Relative Merkmalsträger (ergänzende Leitsätze)
Abweichungen (§ 7)
Gliederung der Gestaltungs- und Schutzsatzung Altstadt Werne
Inhaltlich enthält die Altstadtsatzung gegenüber den
bisher praktizierten Gestaltungssatzungen einige Neuerungen. Sie betreffen - außer dem besonderen Einfügungsgebot des § 4 Abs. 1 und dem Ausstattungsgebot
des § 6 Abs. 2 - eine Gliederung des örtlichen Geltungsbereichs nicht nach Schutzzonen, sondern nach Baustaffeln, im einzelnen die
• Baustaffel I = Bauten ohne Prädikat mit Bezug auf
§ 86 Abs. 1 Nr. 1 BauO NW (Gestaltungssatzung);
• Baustaffel II = Baudenkmäler und erhaltenswerte
Bausubstanz mit Bezug auf § 86 Abs. 1 Nr. 2 BauO NW
(Schutzsatzung).
Konzeptionell grundlegend herangezogen sind die in
der Denkmalbereichssatzung in § 3 dokumentierten und
im Gutachten näher beschriebenen charakteristischen
Erscheinungsbildträger der Altstadt.
Bei deren Umsetzung in örtliche Bauvorschriften
wird unterschieden zwischen normativen und relativen
Merkmalsträgern der allgemeinen und besonderen Anforderungen an die Gestaltung baulicher Anlagen:
• normative Merkmalsträger sind solche, die aus
Gründen der Abwehr von Verunstaltungen sowie einer
positiven Gestaltungspflege durch öffentlich-rechtliche
Gebote und/oder Verbote (Bauvorschriften) zwingend
zu erfüllen sind;
• relative Merkmalsträger sind solche, die eine flexible
Handhabung der geleiteten Gestaltung erlauben und
die Bauvorschriften in Form von Leitsätzen mit Richtliniencharakter ergänzen. Leitsätze sind nicht rechtsverbindliche Empfehlungen,
Bestandteil der Satzung ist
• Karte 1 Abgrenzung des örtlichen Geltungsbereichs;
• Karte 2 Kennzeichnung der Gebäude der Baustaffel I;
• Karte 3 Kennzeichnung der Gebäude der Baustaffel II;
• Karte 4 Kennzeichnung der Bauwiche/Traufgassen.
Bestandteil der Satzung ist ferner das Gutachten mit
den hier enthaltenen Begründungen, Abwägungsnachweisen und zeichnerischen Darstellungen. Die Anforderungen der Gestaltungs- und Schutzsatzung können
nach § 86 Abs. 3 Satz 1 BauO NW innerhalb der örtlichen Bauvorschriften auch in Form zeichnerischer Darstellungen gestellt werden. Letztere müssen den allgemeinen Anforderungen an Normen entsprechen, also
hinreichend bestimmt sein. Durch ihre Legende muss
deutlich werden, ob die zeichnerische Darstellung selbst
Anforderungen beinhaltet, ober ob sie nur zur Erläuterung des sprachlich Angeordneten sein soll.
13
Rechtsgrundlagen
Aufgrund der§§ 7 und 41 der Gemeindeordnung für
das Land Nordrhein-Westfalen (GO NW) in der Fassung
der Bekanntmachung vom 14. Juli (GV NRW S.666/
SGV NRW 2023) zuletzt geändert durch das Gesetz
vom 28.03.2000 (GV NRW S.245) in Verbindung mit
§ 86 Abs. 1 Nr. 1 und 2 der Bauordnung für das Land
Nordrhein-Westfalen (BauO NW) in der Fassung vom
01.03.2000 (GVBl. NRW Nr. 18, S.256) hat der Rat der
Stadt Werne in seiner Sitzung vom ..... folgende Satzung
beschlossen.
Die örtlichen Bauvorschriften über besondere Anforderungen zur Gestaltung baulicher Anlagen in der Altstadt
Werne gründet - wie auch die Werbeleitsatzung - sowohl auf der Ermächtigung zum Erlass einer Gestaltungssatzung nach § 86 Abs. 1 Nr. 1 als auch einer
Schutzsatzung nach § 86 Abs. 1 Nr. 2 BauO NW. Beide
Satzungsarten begründen eine unterschiedliche Reichweite gestalterischer Anforderungen. Zur Begründung
vgl. Band III, Gutachten zur Werbeleitsatzung S. 9.
Zielsetzung (§ 1)
Als politische Zielsetzung und Willensbildung der Gemeinde kommt der Präambel eine hohe Bedeutung zu,
weil in ihr der verfolgte Zweck der Satzung ausdrücklich
herausgestellt wird.
Ad § 1 Abs. 1
Das Erscheinungsbild der historischen Altstadt Werne
- Denkmalbereich - wird geprägt durch eine Vielzahl
an Baudenkmälern und erhaltenswerten Bauten in
Fachwerk sowie Massivbauten mit Stilmerkmalen ihrer
Entstehungszeit, durch eine vom historischen Parzellenmuster her bedingte kleinteilige Maßstäblichkeit der
Bebauung, durch Material- und Farbe der Außenhaut
baulicher Anlagen sowie durch eine silhouettenprägende Dachlandschaft.
Abs. 1 begründet den Zweck der Satzung in der Wahrung des charakteristischen Orts- und Straßenbildes der
Werner Altstadt. Es wird im einzelnen in seiner historischen und städtebaulichen Bedeutung im stadtbaugeschichtlichen Begründungsrahmen der Denkmalbereichssatzung (vgl. Band II, Gutachten S. - S.) näher
beschrieben. Darüber hinaus enthält die Straßen- und
Hauskartei (vgl. Band I der Gestalt- und Denkmalbereichsplanung) eine Bestandsaufnahme aller (253) Gebäude der Altstadt sowie eine Bewertung der sie prä-
14
Zielsetzung der Satzung
Skizzen zur Werner Altstadt
genden Erscheinungsbildträger, die hier nachfolgend
bei der Abwägung der Belange der betroffenen Eigentümerschaft und dem Schutzgut der Pflege und Gestaltung des Altstadtbildes eingestellt wurden.
Ad § 1 Abs. 2
Ziel der örtlichen Bauvorschriften über Gestaltung ist
es,
a) dass durch verstärkte Erhaltung ortsbildprägender
Gebäude, Bebauungszusammenhänge und anderer
raumbedeutsamer Strukturen die besondere Eigenart
der historischen Altstadt gewahrt bleibt;
b) dass Veränderungen der Baugestalt vermieden
werden, die das charakteristische Orts- und Straßenbild
beeinträchtigen;
c) dass durch eine geeignete Gestaltung von baulichen Maßnahmen die unverwechselbare Identität
der Altstadt fortentwickelt und insoweit weiter verstärkt
wird.
Abs. 2 Buchstabe a findet seine Ermächtigungsgrundlage in § 86 Abs. 1 Nr. 2 BauO NW (Schutzsatzung; vgl.
hierzu OVG NW U.v. 29.1.2000 BauR 2000, 92). Der
Leitsatz hamonisiert er die in der Denkmalbereichssatzung Altstadt Werne formulierten Ziele des städtebaulichen Denkmalschutz mit jenen der örtlichen Bauvorschriften über Gestaltung; letztere dürfen den Zielen
des Denkmalschutzes nicht zuwiderlaufen.
Abs. 2 Buchstabe b betr. als Leitsatz das Anliegen der
Bau- und Ortsbildpflege, Verunstaltungen aus dem
Altstadtbild fernzuhalten. Hierzu können die Beurteilungskriterien des § 12 Abs. 1 BauO NW im Rahmen
des § 86 Abs. 1 Nr. 1 BauO NW (Gestaltungssatzung)
herangezogen werden.
Abs. 2 Buchstabe c betr. die über den bloßen Schutz
des Orts- und Straßenbildes vor Verunstaltung hinausgehende positive Gestaltung: „Das baupflegerische
Ziel, ästhetisch unerwünschte Erscheinungen aus dem
Stadt- und Landschaftsbild fernzuhalten, ist ein legitimes
Anliegen des öffentlichen Interesses“ (BVerwG v. 29.8.
1961 DVBl. 1962, 178 = BBauBl. 1962 = BRS 12 B 3);
bestätigt durch BVerwG B. v. 7.1.1966 BRS 17, 89).
Aber erst Hessen ließ etwa 10 Jahre später erstmals
(Hess.VGH U.v. 30.5.1975 - IV OE 65/73) eine positive
Gestaltungspflege zu, soweit mit ihr mehr bezweckt
wird als die unterschiedlose Erhaltung des gesamten
vorhandenen Straßen- und Ortsbildes. Es folgte das
OVG Rh.-Pf. U.v. 1.6.1978 (DmR 771 08), das OVG
NW U.v. 30.6.1981 (NJW 1982, 845 = BauR 1981,
559 = Die Gemeinde 1982, 147 = BRS 38, 138), das
OVG Lüneburg U.v. 12.2. 1982 (NJW 1982, 212 =
BauR 1982, 368 = Die Gemeinde 1982, 146 = BRS 39,
132), das OVG BaWü B.v.26.8.1982 (BWVBl 1983,
179 = BRS 39, 133) und schließlich das OVG Berlin
B.v.13.1. 1984 (BRS 42, 135) mit dem Leitsatz: „Nach
dem heutigen ästhetischen Empfinden müssen sich die
das Straßenbild bestimmenden Hausfassaden stärker
an den Geboten der Stadtbildpflege und den Gesetzen
der architektonischen Harmonie ausrichten.“
Der entsprechende Leitsatz des OVG NW im richtungsweisenden U.v. 30.6.1981 (BRS 38, 138) lautet:
1. Die Ermächtigung, eine Satzung zur Durchführung
baugestalterischer Absichten zu erlassen, beschränkt
sich nicht auf die Abwehr von Verunstaltungen, sondern
umfasst auch das anlegen strengerer ästhetischer Maßstäbe, als es die allgemeinen gestalterischen Vorschriften
der Landesbauordnung zulassen.
2. Diese Ermächtigung findet ihre Grenze insbesondere an dem mit Verfassungsrang ausgestatteten Übermaßverbot sowie am Wesen des durch Art 14 GG geschützten Eigentums. Sie setzt hiernach voraus, dass
die baugestalterischen Absichten auf sachgerechten
Erwägungen beruhen und eine angemessene Abwägung der Belange des einzelnen und der Allgemeinheit
erkennen lassen.
3. Das Abwägen dieser maßgeblichen Belange setzt
einen Abwägungsvorgäng im Satzungsgebungsverfahren voraus. Über den Abwägungsvorgang müssen
die Satzungsunterlagen selbst Aufschluss geben.
15
Örtlicher Geltungsbereich (§ 2)
Der örtliche Geltungsbereich ist identisch mit dem
durch die Denkmalbereichssatzung festgelegten Denkmalbereich. Er umfasst- gegliedert in zwei Bereiche
(Baustaffel I und II) mit unterschiedlichen gestalterischen Anforderungen - alle Häuser samt Grundstücken,
Straßen und Straßenbereiche (Plätze) in der innerhalb
der früheren Stadtmauern gelegenen Altstadt, einschließlich der ihr vorgelagerten ehemaligen Wallringstraßen sowie Wallanlagen, soweit diese als grunddominierte weiche Altstadtkante noch in Erscheinungs
treten.
Ad § 2 Abs. 1
Der örtliche Geltungsbereich ist in seinem Gesamtumfang identisch mit jenem der Denkmalbereichssatzung
Altstadt Werne, weil nur in ihm ein (gesteigerter) Pflegebedarf im Hinblick auf Neu- und Umbauten, Instandsetzungen und Modernisierungen, sowie Änderungen
der vorhandenen baulichen Anlagen nachgewiesen worden ist (vgl. hierzu Denkmalbereichssatzung, Band II,
Gutachten, S. - S. ).
Die in § 2 Abs. 1 festgelegte Differenzierung des örtlichen Geltungsbereichs erfolgt nicht nach Zonen (d.h.
nach Baugebietscharakteren), sondern nach Staffeln
(d.h. nach dem Grad der Schutzwürdigkeit von Gebäuden). Das bedarf einer eingehenden Erläuterung.
Eine Gestaltungs- und Schutzsatzung ist nur wirksam,
wenn mit ihr eine gebietsspezifische Absicht verfolgt
wird, die dem Geltungsbereich der Satzung ein besonderes Gepräge gibt. Demgegenüber kann ein Gestaltungsziel, welches gleichermaßen für alle Ortsteile
verfolgt werden könnte, den Erlass einer Satzung nicht
rechtfertigen. (OVG Rh.-Pf. U.v. 22.9.1988 BauR 1989,
111). Das bedeutet:
Besondere Anforderungen an die Gestaltung baulicher Anlagen müssen sozusagen maßgeschneidert
sein; sie können deshalb nur relativ eng begrenzte Bereiche erfassen. Je größer der örtliche Geltungsbereich
gezogen wird, umso größer besteht die Gefahr einer
nicht sachgerechten Pauschalierung. Der örtliche Geltungsbereich bedarf insoweit einer Gliederung bzw.
Differenzierung, in denen jeweils unterschiedliche Gestaltungsanforderungen Geltung beanspruchen.
Grundsätzlich kann die äußere Abgrenzung sowie
innere Ausgrenzung von Teilbereichen des örtlichen
Geltungsbereichs
a) im beplanten Innenbereich durch Übernahme der
Baugebietsausweisungen erfolgen und
b) im unbeplanten Innenbereich auf Baugebietscharaktere als Tatbestandsvoraussetzung abheben.
Beide Lösungsmöglichkeiten berücksichtigen das Urteil
des BVerwG v. 28.4.1972 (DÖV 1972, 828 = BBauBl.
1973, 117 = DVBl. 1973, 40 = BRS 25, 127), wonach
klargestellt ist, dass der Charakter eines Baugebietes
zum Anknüpfungspunkt für eine Satzung gemacht
werden kann. Durch b) wird der Geltungsbereich ausgedehnt auf Gebiete, für die es an einer Festsetzung
nach der BauNVO fehlt, die aber nach ihrem Charakter
den dort in §§ 2 bis 13 klassifizierten Baugebieten
gleichwertig sind. Es handelt sich hier um unbeplante
Gebiete im Sinne des § 34 BauGB.
Allerdings ergibt sich nach ständiger Rechtsprechung
die Eigenart eines einzelnen Baugebietes nicht allein
aus typisierenden Regelungen der BauNVO. Die Eigenart eines in einem Bebauungsplan festgesetzten Baugebiets lässt sich vielmehr abschließend erst bestimmen,
wenn zusätzlich auch die jeweilige örtliche Situation, in
der ein Gebiet „hineingeplant“ ist, und der jeweilige
Planungswille der Gemeinde, soweit dieser den zeichnerischen und textlichen Festsetzungen des Bebauungsplanes unter Berücksichtigung der hierfür gegebenen
Begründung zum Ausdruck gekommen ist, berücksichtigt werden (NJW 1988, 3168)
In Anlehnung an das Urteil des BVerwG v. 22.2.1980
(BauR 1980, 452 = NJW 1980, 2091 = BRS 36, 149)
setzt die Gliederung des örtlichen Geltungsbereiches
„eine Einheitlichkeit des zu schützenden Gebietes im
Sinne einer Homogenität“ voraus, „die allein es rechtfertigt, den Freiheitsraum von Bauherren und Architekten einzuengen“. Das generalisierende Verbot und/
oder Verbot (z.B. bestimmter Wandbaustoffe) in
bestimmten Baugebieten muss demnach seine Entsprechung in einem Mindestmaß an Einheitlichkeit des
Baugebietscharakters finden.
Die Differenzierung des örtlichen Geltungsbereichs
der historischen Altstadt Werne in vier Zonen (Gebiet
1-4 nach dem jeweils starken bis schwachen Regulationsgraden) war bereits Grundlage der Altstadtsatzung
von 1973. Da seinerzeit eine stadtbaugeschichtliche
Analyse fehlte - wie sie heute mit der Denkmalbereichsplanung vorliegt - blieb die historische Bedeutung einzelner Bereiche in der Zonierung unberücksichtigt. Ein
Beispiel gilt die fehlerhafte Zuordnung der historisch
hoch bedeutenden Kleinen Burgstraße in die Zone 4 (=
schwacher Regulationsgrad). Eine Übernahme der Zonierung von 1973 ist insoweit sachlich nicht gerechtfertigt.
Deshalb wurde auf der Grundlage des gegenwärtigen
Bestandes versucht, eine Gliederung der Werner Altstadt nach Baugebietscharakteren vorzunnehmen. Hier-
16
Örtlicher Geltungsbereich
Zonung des örtlichen Geltungsbereichs der Gestaltungssatzung Altstadt Werne von 1973
zu gab die Kartierung der Schaufenster einen Hinweis
auf Geschäftsbereiche und reine Wohngebiete (hier
MK/MI-Gebiete einerseits und WA-Gebiete andererseits). Einen weiteren Hinweis gaben Bebauungspläne
bzw. Perspektivpläne der Gemeinde, in denen alle jene
Flächen ausgewiesen sind, die einer künftigen gewerb-
lichen Nutzung zugeführt werden sollen. Im Ergebnis
zeigte sich ein gravierendes Problem:
Das zur Zonenausweisung maßgebende Kriterium
der „Homogenität“ greift in in der schutzwürdigen Altstadt (Denkmalbereich) mit seiner ausgeprägte heterogenen Eigenart der Bebauung von geschichtlicher und
17
Örtlicher Geltungsbereich
Kartierung der Schaufenster der Werner Altstadt (2002) als Grundlegung einer Gliederung des örtlichen
Geltungsbereiches nach Baugebietscharakteren
städtebaulicher Bedeutung zu kurz. In einem Straßenzug
mit Bauten aus unterschiedlichen Bauepochen bereitet
die Ausgrenzung „homogener Bereiche“ erhebliche
Schwierigkeiten; sie ist sogar grob pauschalierend. Insofern ist bei der Differenzierung des örtlichen Gel-
tungsbereich nicht auf die Einheitlichkeit des zu schützenden Gebietes (Bauzonen) abzustellen, sondern auf
die Typik der baulichen Anlagen (Bauklassen) mit entsprechend gestaffelt festzusetzenden Gestaltungsanforderungen.
18
Örtlicher Geltungsbereich
Kartierung der Baustaffeln I und II
Die Methode einer Staffelung wurde vorbereitet
durch einen Beschluss des BVerfG (Vorprüfungsausschuss) v. 26.6.1985 (I BvR 588/84 - NVwZ 1985, 819
-20), wo der Senat zum Verunstaltungsbegriff ausführt:
Die Entscheidung, wann eine Verunstaltung vorliegt,
wird geprägt von ihrem öffentlichen Schutzzweck, der
von dem der anderweitig zu regelnden positiven Gestaltungspflege abzugrenzen ist, „sowie von einer typisierenden Betrachtungsweise, die (über die Funktion und
den Charakter der jeweils betroffenen Baugebiete hinaus) auch auf die unterschiedliche Art der Bebauung
einzugehen hat“.
19
Sachlicher Geltungsbereich
Die Eigenart der Baustaffel I (Gebäude ohne Prädikat)
wird in § 5 Abs. 1, die der Baustaffel II (Baudenkmäler
und erhaltenswerte Bausubstanz) in § 6 Abs. 1 dieser
Satzung näher erläutert. Die Gliederung des örtlichen
Geltungsbereichs in beide Baustaffeln ist in den Karten
2 und 3 dargestellt, die Bestandteil dieser Satzung sind.
Dem sachlichen Geltungsbereich der Gestaltungssatzung unterfallen die einer Genehmigungspflicht
unterliegenden Tatbestände einer „Anordnung, Errichtung, Änderung und Instandhaltung baulicher Anlagen“
(§ 3 BauO NW), die Behandlung der nach § 65 BauO
NW genehmigungsfreien Maßnahmen zur Gestaltung
baulicher Anlagen und das Verhältnis zu anderen Rechtsvorschriften.
Ad § 2 Abs. 2
Der örtliche Geltungsbereich dieser Gestaltungs- und
Schutzsatzung - Denkmalbereich - ist der Karte 1, seine
Gliederung in den Bereich der Baustaffel I und II ist in
den Karten 2 und 3 dargestellt. Die Karten 1 - 3 sind
Bestandteil dieser Satzung.
Diese Vorschrift gründet auf der Ermächtigung des
§ 86 Abs. 3 BauO NW, wonach Anforderungen innerhalb der örtlichen Vorschrift auch in Form zeichnerischer
Darstellungen gestellt werden können - hierauf ist in
den örtlichen Bauvorschriften hinzuweisen.
Im Unterschied zur Denkmalbereichssatzung, wo
das Gutachten zwingender Bestandteil der Satzung ist,
kann das Gutachten zur Gestaltleitplanung in seinen
textlichen Bestandteilen (Leitsätze und Begründung)
nicht zum Bestandteil der Gestaltungs- und Schutzsatzung erklärt werden, weil im Gesetz nur von der Zulässigkeit zeichnerischer Darstellungen die Rede ist. Gleichwohl ist das Gutachten als Kommentar und Veranschaulichung der örtlichen Bauvorschriften aufzufassen.
Sachlicher Geltungsbereich (§ 3)
Ad § 3 Abs. 1
Der sachliche Geltungsbereich der Satzung gilt für alle
baulichen Anlagen, Teile davon und Einrichtungen,
die vom öffentlichen Verkehrsraum aus sichtbar sind.
Die Regelungen gelten für Neu- und Umbauten, Instandsetzungen und Modernisierungen, sowie Änderungen der vorhandenen baulichen Anlagen, wenn
diese geeignet sind, das schutzwürdige Erscheinungsbild oder den kulturhistorischen oder besonderen
städtebaulichen Aussagewert in den näher bezeichneten Bereichen (Staffeln) und Einzelobjekte sowie die
beabsichtigte Gestaltung der historischen Altstadt zu
beeinträchtigen. Eine Beeinträchtigung liegt vor, wenn
die in der Satzung konkretisierten Anforderungen nicht
erfüllt sind.
Zum Begriff der baulichen Anlage
Was bauliche Anlagen sind, richtet sich nach § 2 Abs.
1 BauO NW (vgl. auch Kommentar zum Begriff der
Werbeanlage, Werbeleitsatzung S. 13ff) Die örtliche
Bauvorschrift erfasst auch nach dem Wortlaut bauliche
Anlagen in dem umfassenden Sinne, also auch die fiktiven baulichen Anlagen Ruhen durch eigene Schwere
auf dem Erdboden).
Zur Sichtbarkeit von öffentlichen Verkehrräumen
Die BauO NW enthält keine Aussagen darüber, von
welchem Standort aus „die äußere Gestaltung baulicher
Anlagen“ erkennbar sein muss. Nur im Zusammenhang
mit Anlagen der Außenwerbung ist davon die Rede,
dass es sich hierbei um solche handeln müsse, die „vom
öffentlichen Verkehrsraum aus sichtbar sind“ (§ 13
Abs. 1 BauO NW). Es liegt daher nahe, diesen Begriff
im Rahmen von örtlichen Bauvorschriften über Gestaltung zu verwenden, nicht im Sinne einer Einschränkung
der Ermächtigung, wohl aber bei der Frage der sachlichen Rechtfertigung im Sinne der Erforderlichkeit und
Verhältnismäßigkeit (VGH BaWü B.v. 29.11.1979 III
2380/77).
Unter Verkehrsraum ist nicht nur die befahrbare öffentliche Verkehrsfläche (Straße) zu verstehen, an der
die bauliche Anlage liegt, sondern auch solche Wege,
die nach straßenrechtlichen Vorschriften dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind (OVG Münster U.v.
13.5.1976 BRS 30, 100). Zum öffentlichen Verkehrsraum gehören vielmehr auch alle „der Öffentlichkeit
zugänglichen Standorte.“ Öffentlich ist derjenige Verkehrsraum, der ohne Rücksicht auf die Widmung
einem öffentlichen Verkehr dient und nicht dem Hausrecht eines anderen unterliegt, also auch die Flächen,
die mit einem Betretungsrecht der Allgemeinheit belastet sind (VGH BaWü U.v. 27.8.1976 BRS 30, 112).
Bezugnehmend im Baugestaltungsrecht ist, was von
einem „normal zugänglichen Standort“ aus sichtbar
ist (VGH BaWü U.v. 24.7.1973 BauR 1974, 115): Wird
eine ansonsten gegebene Verunstaltung nur beschränkt
wahrgenommen, so besteht kein Abwehrrecht durch
besondere Gestaltungsanforderungen (VGH BaWü U.v.
13.3.1961 BaWüVBl. 1961, 173).
Genehmigungspflichtige Maßnahmen
• Neubau bezeichnet im Sinne von § 3 Abs. 1 BauO
das „Errichten“, also Herstellen der baulichen Anlage
auf dem Grundstück. Hierunter sind auch zu verstehen
das Aufstellen, Anbringen, Einbringen von baulichen
Anlagen und sonstigen Anlagen und Einrichtungen.
Errichtung bezeichnet auch das vollständige Erneuern
einer baulichen Anlage, den Wiederaufbau, bauliche
Erweiterungsmaßnahmen (Anbauten) und das Verlegen
einer baulichen Anlage auf demselben Grundstück
(z.B. das Versetzen einer Garage).
Sachlicher Geltungsbereich
• Umbau gilt gemäß § 17 Abs. 2 des II. WoBauG als
„Ausbau“, „das Schaffen von Wohnraum durch Ausbau
des Dachgeschosses oder durch eine unter wesentlichem Bauaufwand durchgeführte Umwandlung von
Räumen, die nach ihrer baulichen Anlage und Ausstattung bisher anderen als Wohnzwecken dienten“.
Das gilt auch analog für Wohn-Geschäftshäuser.
• Modernisierung im Sinne des § 3 ModEnG meint
„die Verbesserung von Wohnungen durch bauliche
Maßnahmen, die den Gebrauchswert der Wohnungen
nachhaltig erhöhen oder die allgemeinen Wohnverhältnisse auf Dauer verbessern“. Dazu gehören auch Maßnahmen zur Energieeinsparung und Instandsetzungsmaßnahmen im Zusammenhang mit Modernisierungsmaßnahmen. Das gilt auch analog für Wohn-Geschäftshäuser.
• Instandsetzung meint die Beseitigung von Schäden
einer baulichen Anlage, also Maßnahmen, die zur Erhaltung oder Erneuerung des für den Gebrauch zu
Wohn- oder Gewerbezwecken geeigneten Zustandes
notwendig sind. Unter der in diesem Zusammenhang
genannten „Unterhaltung“ sind Maßnahmen zu verstehen, die der Erhaltung des bestimmungsgemäßen
Gebrauchs einer baulichen Anlage und der Gewährleistung der baulichen Sicherheit und Ordnung dienen.
Die Unterhaltung baulicher Anlagen soll verhindern,
dass diese baufällig und dadurch insbesondere in ihrer
Standsicherheit, Verkehrssicherheit und Brandsicherheit
gefährdet werden.
• Änderung meint hier im Sinne von § 3 Abs. 1 BauO
NW nicht die bloße Nutzungsänderung, sondern - unabhängig von ihrem Umfang - die nicht nur unerhebliche
Umgestaltung der baulichen Anlage, d.h. insbesondere
die Veränderung des konstruktiven Gefüges, die Änderung der äußeren Erscheinungsform (z.B. des Daches,
der Fassade). Hierzu ist auch das teilweise Beseitigen
von Bauteilen zu rechnen.
Aus der „Unterhaltung baulicher Anlagen“ darf
kein Veränderungsverbot der äußeren Gestaltung von
Gebäuden abgeleitet werden. Die Wahrung gestalterischer Belange bedeutet nicht, dass ein einmal vorhandener Zustand stets und unter allen Umständen
beizubehalten ist, also keine Veränderungen vorgenommen werden dürfen.
Grundsätzlich ermächtigt die BauO NW die Gemeinden nicht zu Vorschriften über die Wiederherstellung
von Bauwerken, die ungünstige Veränderungen erfahren haben. Auch das Denkmalschutzgesetz verpflichtet in § 27 zur Wiederherstellung eines Baudenkmals nur in Fällen vorsätzlicher oder fahrlässiger Beschädigung oder Zerstörung. Ob in einer Denkmalbereichssatzung die widerrechtliche Zerstörung von
nicht erhaltenswerten Gebäuden ohne charakteristische
Erscheinungsbildträger ein generelles Wiederherstellungsgebot (so § 5 Abs. 4 der Denkmalbereichssatzung
20
Altstadt Werne) nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit des Mittels auslöst, ist umstritten. Das lässt
sich nur im konkreten Einzelfall und im Benehmen mit
dem Landschaftsverband entscheiden.
Ad § 3 Abs. 2 Aufhebung der Genehmigungsfreiheit
(2) Für das im örtlichen Geltungsbereich näher bezeichnete schutzwürdige Gebiet der Altstadt wird für die
nach § 65 Abs. 1 Nr. 13, Nr. 18, Nr. 44, Nr. 49 und Abs.
2 Nr. 2, Nr. 6 und Abs. 3 BauO NW genehmigungsfreien
Anlagen eine Genehmigungspflicht nach § 86 Abs. 2
Nr. 1 BauO NW eingeführt.
• Ad § 65 Abs. 1 Nr. 13 BauO NW betr. Einfriedigungen.
Dass Einfriedigungen überhaupt genehmigungspflichtig sein können, ist verfassungsrechtlich unbedenklich
(BVerwG B.v. 31.10.1969 BRS 22, 89); vgl. § 4 Abs. 4
dieser Satzung.
• Ad § 65 Abs. 1 Nr. 18 BauO NW betr. Parabolantennenanlagen mit Reflektorschalen und sonstige Antennenanlagen.
Parabolantennen mit Reflektorschalen für den FernsehSatellitenempfang sowie sonstige Antennenanlagen
(auch Mobilfunk-Antennen) können gegen das Verunstaltungsverbot verstoßen. Da ihre Bedeutung für
die grundrechtlich schützte Informationsfreiheit unbestritten ist (BVerfG B.v. 10.3.1993 NJW 1993, 1252)
können sie deshalb nicht verboten, wohl aber in ihrer
Anordnung einer Regelung durch örtliche Bauvorschrift
unterzogen werden. Ausführlich hierzu vgl. § 4 dieser
Satzung.
• Ad § 65 Abs. 1 Nr. 44 BauO NW betr. Solarenergieanlagen.
Solarenergieanlagen können - den liegenden Dachfenstern ähnlich - Dachflächen von denkmal- und erhaltenswerter Bausubstanz (insbesondere bei Fachwerkbauten)
empfindlich beeinträchtigen. Sie sind deshalb den materiellen Vorschriften des Verunstaltungsverbots zu unterstellen. Hierzu vgl. § 5 Abs. 2d dieser Satzung.
• Ad § 65 Abs. 1 Nr. 49 BauO NW betr. Markisen.
Markisen (zum Begriff vgl. OVG NW B.v. 2.3.1990 7B 537/90) sind nicht genehmigungsfrei, wenn sie dazu dienen, im Anschluss an ein Gebäude (Ladenlokal)
einen weiteren überdachten Raum zu schaffen (OVG
Lüneburg B.v. 26.2.1980 BRS 36, 51). Hierzu vgl. § 5
Abs. 5 dieser Satzung.
• Ad § 65 Abs. 2 Nr. 2 BauO NW betr. die äußere
Gestaltung durch Anstrich, Verputz, Verfugung, Dacheindeckung, Solaranlagen, durch Austausch von Fenstern, Türen, Umwehrungen sowie durch Außenwandbekleidungen.
Nach § 65 Abs. 1 Nr. 2 letzter Satz gilt die Genehmigungsfreiheit für die äußere Gestaltung baulicher
21
Sachlicher Geltungsbereich
Ad § 3 Abs 3
(3) Unberührt bleiben die Vorschriften des Denkmalschutzes sowie die Festsetzungen in Bebauungsplänen
und der Erhaltungssatzung nach § 172 BauGB.
Verunstaltung durch nach § 65 Abs. 2 Nr. 2 BauO NW
genehmigungsfreien Eingriffe in die äußere Gestalt
einer baulichen Anlage
Anlagen nicht in Gebieten, für die eine örtliche Bauvorschrift nach § 86 Abs. 1 Nr. 1 und 2 besteht. Das ist
hier der Fall. Die Vorschrift nach § 3 Abs. 2 dieser
Satzung ergänzt diese Ermächtigung nunmehr durch
weitere Sachverhalte und schafft insoweit Klarheit im
Hinblick auf eine Genehmigungspflicht. Dabei kommt
es nicht darauf an, ob die örtliche Bauvorschrift gerade
solche Regelungen betrifft, die die vorgesehene Maßnahme erfassen; dies soll gerade Gegenstand der präventiven bauaufsichtlichen Prüfung sein.
• Ad § 65 Abs. 2 Nr. 6 BauO NW betr. Instandhaltung.
Instandhalten bedeutet in erster Linie Schutz vor Verfall
von Anlagen und Einrichtungen. An Baudenkmälern
ohnehin genehmigungspflichtig, wie die Instandhaltungsgenehmigung - im Hinblick auf die Vorschrift des
§ 6 Abs. 2 dieser Satzung - auch auf die erhaltenswerte
Bausubstanz und Wahrung ihrer charakteristischen Bauteile ausgedehnt.
• Ad § 65 Abs. 3 BauO NW betr. Abbruch.
Trotz der bauordnungsrechtlichen Genehmigungsfreiheit bedarf der Abbruch oder die Beseitigung von
Bauteilen einer Gestattung. Das betrifft selbstverständlich die denkmalwerte Bausubstanz (§ 9 DSchG NW)
aber auch schützenswerte Bauteile der erhaltenswerten
Bausubstanz; hier als Voraussetzung für die Anwendung
von § 6 Abs. 2 dieser Satzung.
Nicht berührt sind Anforderungen des Substanzschutzes
von Baudenkmalen (§ 3 DSchG NW). Komplizierter sind
die Anforderungen, die sich aus dem Erscheinungsbildschutz der Denkmalbereichssatzung (§ 5 DSchG
NW) und der Gestaltung der äußeren Erscheinung baulicher Anlagen aufgrund örtlicher Bauvorschriften nach
§ 86 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BauO NW ergeben.
Während die Denkmalbereichssatzung eine zwingende Pflege charakteristischer Erscheinungsbildträger
u.a. auch für die erhaltenswerte Bausubstanz postuliert,
erlauben die örtlichen Bauvorschriften nach dem Grundsatz der Erforderlichkeit eine größere Varietät an „vernüftigerweise gebotenen“ Anforderungen an die Gestaltung baulicher Anlagen. Geboten wären demnach
in der Werner Altstadt eine Vielzahl von Wandbaustoffen (Fachwerk, Außenputz oder Sichtmauerwerk).
Dies aber könnte in Anwendung örtlicher Bauvorschriften dazu führen, ein (erhaltenswertes) Sichtfachwerkhaus mit Sichtmauerwerk zu verkleiden, was gewiss
nicht sein darf, weil es den Anforderungen der Denkmalbereichssatzung widersprechen würde.
Aus diesen Gründen geht die Werner Gestaltungssatzung einen neuen Weg, indem sie die Baudenkmäler
und die erhaltenswerte Bausubstanz zu einer Baustaffel
(II) zusammenfasst und für sie ein sog. Ausstattungsgebot nach § 5 Abs. 2 dieser Satzung normiert.
Die in der Denkmalbereichssatzung näher in ihrem
Erscheinungsbildträgern erfasste erhaltenswerte Bausubstanz wird nur in § 25 DSchG NW erwähnt, nach
der sie nachrichtlich in einem Denkmalpflegeplan aufzunehmen ist. Nach diesem Gesetz genießt sie keinen
Schutz, sie kann allenfalls aus städtebauliche Gründen
einem Erhaltungsgebot nach § 172 BauGB unterstellt
werden. Letztes erfasst aber nicht die erhaltenswerten
Bauteile, die - weil bodenrechtlich ohne Bedeu-tung aus dem Erhaltungsgebot herausfallen. Hierzu bietet
das sog. Ausstattungsgebot des § 5 Abs. 2 dieser
Satzung eine Lösung an.
Bundes- oder Bauplanungsrecht bricht Landes- oder
Bauordnungsrecht. Insoweit gehen Festsetzungen in
Bebauungsplänen nach § 9 BauGB den örtliche Bauvorschriften nach § 86 BauO NW vor; letztere bleiben
von den bodenrechtlichen Vorschriften der Altstadt
Werne unberührt.
Für den gesamten Baubestand der Altstadt hat die
Stadt Werne am 15.11.1981 eine Erhaltungssatzung
verabschiedet. Unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Rechtslage (Rechtsprechung) und mit Bezug auf
die in der Denkmalbereichssatzung näher benannten
erhaltenswerten Bauten ist ihre Novellierung für erforderlich gehalten.
22
Sachlicher Geltungsbereich
Instrumente der Erhaltung und Gestaltung baulicher Anlagen
Schutzgebot nach § 3 DSchG NW
erfasst die gesamte Baustubstanz und ihre Nutzung
- soweit von denkmalrechtlicher Bedeutung
Erhaltungsgebot nach § 172 BauGB
erfasst den Baukörper und seine Nutzung - soweit von
städtebaulicher Bedeutung (Erhaltungssatzung)
Pflegegebot nach § 5 DSchG NW
erfasst alle charakteristischen Erscheinungsbildträger
der baulichen Anlage (Denkmalbereichssatzung)
Ausstattungsgebot nach § 86 BauO NW
erfasst besondere Anforderungen an die Gestaltung der
baulichen Anlage (Schutzsatzung)
23
Allgemeine Anforderungen
Bei den allgemeinen Anforderungen handelt es sich
um solche, die analog § 12 BauO NW grundsätzlich zur
„visuellen Verträglichkeitsprüfung“ von Bauvorhaben
heranzuziehen sind. Als Genehmigungsgrundsätze gelten sie für den gesamten örtlichen Geltungsbereich,
unabhängig von seiner Differenzierung nach Baustaffeln.
Ad § 4 Abs. 1 Einfügungsgebot
Im näher bezeichneten örtlichen Geltungsbereich sind
bei der Durchführung baulicher Maßnahmen folgende
Anforderungen zu erfüllen:
• die Stellung, Höhe und Gestalt des Baukörpers
einschließlich der Nebenanlagen,
• die Ausbildung, Form und Eindeckung des Daches
sowie der Dachaufbauten,
• die Gliederung und Flächenbehandlung der Fassade einschließlich der Türen und Fenster,
• die Anordnung und Ausbildung von Erkern, Balkonen und sonstigen vorspringenden Bauteilen,
• die Verteilung und Form der Wandöffnungen,
insbesondere der Schaufenster,
• die Anordnung und Form von Vordächern, Glasvordächern und Markisen
sind so zu wählen, dass die bauliche Anlage sich nach
Maßgabe der erklärten Ziele in das Orts- und Straßenbild einfügt.
Verunstaltungen sind grundsätzlich in zweifacher Hinsicht unzulässig: nach einer „objektbezogenen“ Betrachtungsweise (§ 12 Abs. 1 BauO NW), also unter
Anlegung eines von der Umgebung unabhängigen
Maßstabs, der ausschließlich die bauliche Anlage (=
darf nicht „verunstaltet“ wirken) betrifft und nach einer
„umgebungsbezogenen“ Betrachtungsweise (§ 12 Abs.
2 BauO NW), die auf das Verhältnis von baulicher Anlage (= darf nicht „verunstaltend“ wirken) und der unmittelbaren Nachbarbebauung abstellt.
• § 12 Abs. 1 BauO NW besagt: Bauliche Anlagen
sowie andere Anlagen und Einrichtungen im Sinne des
§ 1 Abs. 1 Satz 2 müssen nach Form, Maßstab, Verhältnis der Baumassen und Bauteile zueinander, Werkstoff und Farbe so gestaltet sein, dass sie nicht verunstaltet wirken.
• § 12 Abs. 2 BauO NW besagt: Bauliche Anlagen
sowie andere Anlagen und Einrichtungen im Sinne des
§ 1 Abs. 1 Satz 2 sind mit ihrer Umgebung so in Einklang zu bringen, dass sie das Straßen-, Orts- und
Landschaftsbild nicht verunstalten oder deren beabsichtigte Gestaltung nicht stören. Auf die erhaltenswerten Eigenarten der Umgebung ist Rücksicht zu
nehmen. Der letzte Satz bildet die Grundlage für die
Vorschrift:
(§ 4)
Historische, für die jeweilige Bauepoche charakteristische Erscheinungsbildträger der Baudenkmäler und
ihrer näheren Umgebung sowie der erhaltenswerten
Bausubstanz dürfen nicht beeinträchtigt werden.
Ad § 4 Abs. 2 Wandbaustoffe
Die Pflege einer dem historischen Altstadtbild angemessenen Baustoffkultur und ihr Schutz vor Verunstaltung ist ein besonderes Anliegen dieser Satzung.
Die folgenden Gestaltleitsätze betreffen insoweit als
allgemeine Anforderungen den gesamten örtlichen
Geltungsbereich dieser Satzung.
• Gebot der Materialeinheit
Grobe Verunstaltungen treten insbesondere in der Erdgeschosszone auf, soweit diese mit zwei oder mehr
Ladeneinheiten besetzt ist, die mit verschiedenartigen
Wandbaustoffen gestaltet, zueinander in Material, Textur
und Farbe und zu den andersartigen Obergeschossen
in einem unverträglichen Kontrast erscheinen.
Die Art und Farbe der zu verwendenden Wandbaustoffe
sind so zu wählen, dass die bauliche Anlage sich in die
Baustoffkultur der näheren Umgebung einfügt und der
Zusammenhang von Erd- und Obergeschossen gewahrt bleibt.
Rechtsprechungshinweise zur „Verunstaltungsfähigkeit“ von Wandbaustoffen vgl. OVG Münster B.v. 26.
3.1957 BBauBl. 1958. 25 = BRS 7 V B2; VGH BaWü
U.v. 17.3.1966 ESVGH 16, 127 = BaWüVBl. 1966, 172
= BRS 17, 87; BayVGH U.v. 8.5.1972 BRS 25, 124;
OVG Berlin U.v. 12.2.1971 BRS 24, 119; OVG Münster
U.v. 20.3.1975 DVBl. 1975, 588 = Der Städtetag
1976, 149; VGH BaWü U.v. 4.5.1979 BRS 28, 80;
OVG Lüneburg U.v. 4.5.1979 BRS 35, 132; BVerwG
B.v. 10.12.1979 BRS 35, 133; OVG NW U.v. 30.6.1981
BauR 1981, 535 = NJW 1982, 845 = BRS 38, 138; OVG
Lüneburg U.v. 14.4.1985 BRS 44, 116; OVG Berlin
B.v. 13.1.1984 BauR 1984, 642 = NVwZ 1984, 658 =
BRS 42, 135.
Unzulässige Wandbaustoffe
Besonders störend wirken Material-Cocktails, d.h. die
Verwendung höchst unterschiedlicher Wandbaustoffe
an einem Gebäude, aber auch in Kontaktlage zu den
benachbarten Ladenlokalen. Die Folge ist - insbesondere
in Verbindung mit störender Häufung von Werbeanlagen - ein visuelles Chaos. Hieraus resultiert das
• Gebot der Materialbeschränkung
Für das Altstadtbild ergibt die visuelle Analytik, dass
die Zahl der zulässigen Wandbaustoffe pro Gebäude
Allgemeine Anforderungen
24
Die Wahrung und Gestaltung des Materialklimas im Altstadtbild zählt zu den wesentlichen öffentlichen Belangen
beschränkt werden sollte. In den Erdgeschossen ist je
nach Zahl der Ladeneinheit der Einzelfall entscheidend,
wobei den Werkstoffen wie Sichtmauerwerk, Putz oder
Naturstein der Vorzug einzuräumen ist.
Im Hinblick auf einen Schutz vor Verunstaltungen
gilt:
Unzulässig sind
a) Wandbaustoffe und Farben, die glänzen oder
eine grelle Wirkung ergeben,
b) mehr als vier verschiedene Wandbaustoffe an
einem Gebäude,
c) visuell unverträgliche Baustoffkombinationen.
Als visuell unverträglich gelten im Falle benachbarter
Ladenlokale im Erdgeschoss eines Gebäudes alle störenden Material-, Textur- und Farbkontraste (vgl. Abb.
mit der Typisierung unverträglicher Baustoffkombinationen).
• Gebote einer werkgerechten Durchbildung
Eine werkgerechte Durchbildung der Außenhaut ist
dann gegeben, wenn die Baustoffwahl mit der konstruktiven Logik des Baukörpers verträglich ist.
Nicht werkgerecht durchgebildet ist ein Bau oder
Bauteil dann, wenn die Bezeichnung „Pfuscharbeit“
zutrifft. Das ist der Fall, wenn eine Außenwand unverputzt gelassen wird, obwohl sie nicht aus dem Material
und mit der Sorgfalt gemauert wurde, die für Sichtmauerwerk üblich sind. Nicht werkgerecht ist auch ein
Farbanstrich auf Blech, der eine Holzverkleidung vortäuscht. Hieraus abgeleitet ist zunächst der
Mauerwerksimitation (Riemchen auf Bitumenbasis)
• Ausschluss von Materialimitationen
Imitation (= Nachahmung, Nachbildung) ist eine gestalterische Tugend (z.B. die genaue Wiederholung eines
musikalischen Themas in anderer Tonlage, in Kanon und
Fuge), die vortäuschende Nachahmung aber nicht.
Letzteres ist der Fall bei Steinbauten mit aufgeklebtem
25
Allgemeine Anforderungen
Unverträgliche Baustoffkombinationen sind unzulässig.
Das gilt für folgende Arten von Verunstaltungen:
Visuell unverträgliche Materialkontraste
(z.B. Strukturputz gegen Mosaik- und/oder Fliesenverkleidungen gegen Kunststoffplatten)
Visuell unverträgliche Texturkontraste
(z.B. klein- gegen großformatige Platten gegen vertikale und/oder horizontale Holzverschalungen)
Visuell unverträgliche Farbkontraste
(z.B. schwarzer Putz gegen weiße Riemchen gegen hellgelbe Fliesen; verschiedenfarbig getönte
Schaufensterverglasungen).
Fachwerk in Bohlenstärke. Hier wird Fachwerk zum
tapetenhaften Dekor verdammt. Deshalb muss gelten:
d) Das Verkleben von Außenwänden, Stützen und
sonstigen tragenden Bauteilen sowie Brüstungen mit
Imitationen (z.B. Fachwerkimitationen, Ziegelsteinimitationen auf Bitumenbasis oder Imitationen jeglicher
Art wie tapetenartige Wandverkleidungen) ist unzulässig.
Kostengründe sprechen für Mauerwerksimitationen
durch vorgeblendete Riemchen. Man sieht ihnen das
auch deutlich an. Während Ziegel oder Backstein mit
unterschiedlicher Temperatur gebrannt werden, wodurch teils Steine mit stärkerem Glasfluss und solche
mit geringerer Festigkeit entstehen und dadurch das
Farbspiel bereichert wird, können Riemchen einen Farbzusatz erhalten, der von schwarz bis hellrot reichen
kann. Im Verband ergeben sie dann ein äußerst buntscheckiges Erscheinungsbild.
• Ausschluss von Schiefgerersatz
Schieferersatz wird als sog. Verlegenheitsbaustoff gern
zur Verkleidung an ausgeräumten Fassadenteilen verwendet. Die fabrikmäßige Herstellung führt zu einer
26
Allgemeine Anforderungen
Quadratschablonen (unzulässig)
Rechteckschablonen stehend (unzulässig)
Wandbeschieferung mit verschiedenen Verlegearten
(zulässig)
Rechteckschablonen in Treppenstruktur (unzulässig)
völligen Gleichheit aller Platten untereinander, die der
Verkleidung eine gewisse Monotonie und Sterilität verleiht. Dass es sich im Gegensatz zum Schiefer um ein
künstliches Produkt handelt, lässt sich nicht verleugnen.
Die Unregelmäßigkeit des Naturproduktes ist durch
eine wie auch immer geartete Bearbeitung des künstlich
erzeugten Materials nicht zu erreichen. Das war bei
den in sog. Herbstlaubfarben getönten Asbestzementplatten auch nicht beabsichtigt.
Die heute auf dem Markt befindliche Faserzementplatte ist asbestfrei. Schon seit 1936 war bekannt, dass
die hoch beanspruchbare, winzige Asbestfaser (1 300mal
dünner als menschliches Haar) bei Staubentwicklung
in die Lunge geraten kann und dort Krebs erzeugt. Das
ist jedoch erst in den 60er und 70er Jahren in voller
Tragweite erkannt worden. Von 1982 an wurden die
Asbestfasern durch Kunststoffasern ersetzt, die, dicker
und mit sog. Prozessfasern aus Zellstoff verbunden,
nicht lungengängig sind. Schablonen und Bekleidungsart der Faserzementplatten entsprechen dem alten
Material.
e) Für Außenwände, Stützen, sonstige tragende Bauteile
sowie Brüstungen sind Verkleidung aus Faserzementplatten, Eternit oder sonstigen Kunststoffplatten nicht
zugelassen.
27
Sichtbare (verschmutzte) Brandwände und Brandgiebel
sind dem Charakter der Altstadt und dem Materialklima
des jeweiligen Gebäudes entsprechend zu reinigen, zu
verputzen oder zu streichen. Aus Kostengesichtspunkten muss aber bei den nicht oder weniger sichtbaren
Wand- oder Dachbauteilen eine Abweichung gestattet
werden.
Abweichend können Kunststoffplatten zur Verkleidung
von Dachgauben zugelassen werden, wenn diese von
öffentlichen Räumen her nicht einsehbar sind. Im Bereich schmaler Bauwiche (bis zu einer Breite von 2,00
m können sie zur Verkleidung von Seitenwänden oder
Brandmauern zugelassen werden.
In diesen Fällen sind in Buntfarben getönte Platten und
bei den Unbuntfarben reines Schwarz zu vermeiden.
• Ausschluss von auf Hochglanz polierten Oberflächen
Naturstein oder Kunststein mit Natursteinvorsatz ist von
repräsentativer Wirkung und wird deshalb gern zur Verkleidung von Wandflächen der Erdgeschosse mit Ladenund Geschäftsnutzungen verwendet. Hier gilt der Leitsatz:
Für Außenwände, Stützen und tragende Bauteile sind
Verkleidungen mit Naturstein oder Kunststein mit Natursteinvorsatz zulässig. Starke Texturkontraste und durch
Politur spiegelnde Oberflächen sind nicht zulässig.
Polierte Steinverkleidungen wirken als solche nicht verunstaltungsfähig. Hierzu hat die Rechtsprechung die
Auffassung vertreten, dass sich bei polierten, graugesprenkelten Steinen infolge der helleren Gesamtfarbe
und des Wechsels von helleren und dunkleren, ungleichmäßig reflektierenden Einlagerungen eine derart starke,
an die Spiegelung des Glases herankommende, sich
aufdrängende Spiegelungswirkung nicht feststellen
lässt. Auch die Polierung als solche gibt Steinen von zurückhaltender Farbe keine knallige oder protzige, also
unwürdige Note.
Allerdings sollte immer bedacht werden, dass Wandflächen in spiegelnder Art eine Reizüberflutung erzeugen, die die Aufmerksamkeitszuwendung der Passanten über Gebühr beansprucht und von den Schaufenstern eher abzulenken in der Lage ist.
Auf Hochglanz polierte Steinverkleidungen stellen
für ältere und betagte Menschen mit nachlassender
Wahrnehmungsschärfe „Sinnesbarrieren“ dar, weil die
Politur zu indirekten Blendungen führt und (insbesondere neben Glasflächen) die Konturwahrnehmung erschwert. Wegen der Blendung werden Einzelheiten
ausgelöscht: Türöffnungen, Namensschilder oder sonstige Hinweise sind schlecht wahrzunehmen.
• Ausschluss schwarzer Wandbaustoffe
Bei der normalen Blickrichtung in der Straßenperspektive
wirken bei einem Gang die begleitenden Fassadenwände gleich stark ziehend oder stoßend - vorausge-
Allgemeine Anforderungen
setzt, dass beide Wände nicht nur ähnlich gefärbt,
sondern auch ähnlich hell beleuchtet sind. Ist die eine
Wand dagegen heller als die andere, so stößt uns die
dunklere ab, die hellere zieht die Aufmerksamkeit auf
sich. Laufen wir bei einer Straßenkreuzung oder Straßenkrümmung auf eine helle Stirnwand, so werden wir die
Richtungsänderung akzeptieren, rennen wir aber gegen
eine dunkle Stirnwand, so haben wir den Eindruck, in
ein finsteres Loch zu laufen.
Schwarze Wandverkleidungen sollten deshalb allgemein und insbesondere für publikumswirksame Erdgeschosszonen ausgeschlossen werden. Als „schwarze
Löcher“ erzeugen sie - nicht nur bei schlechtem Wetter - die Anmutungsqualität eines „Beerdigungsinstitutes“; helle, freundlich stimmende Materialfarben erhöhen den psychologischen Zugangswert eines Ladenlokals.
• Einschränkung keramischer und metallischer Wandverkleidungen
Kleinmosaik und Fliesen sind typisch für Ladenumbauten der 50er bis Anfang der 60er Jahre. Gleichwohl
stellen keramische Baustoffe eine Verunstaltung dar,
wenn das Erdgeschoss mit Fliesen verkleidet ist, die wie
Badezimmerkacheln ohne Mauerwerksverband (Kreuzfugen) angebracht sind; störend wirkt auch eine flambierte Keramik oder ein gesprenkeltes Mosaik, das an
Blutwurst erinnert.
f) Glasierte Keramik, gesprenkeltes Mosaik oder Wandteile aus Blech oder metalleloxierte Verkleidungen
sind unzulässig.
Metalleloxierte Plattenverkleidungen, weiß lackiertes
Blech u.ä. wirken kalt und abweisend. Strukturlos und
stark glänzend können sie das Erscheinungsbild einer
Erdgeschosszone stark beeinträchtigen.
• Einschränkung von Sichtbeton
Sichtbeton ist charakteristisch für Bauten der späten
60er und 70er Jahre, insbesondere an solchen im Stil
des Brutalismus. Seine Erscheinung lässt folgende allgemeine Anforderung als gerechtfertigt erscheinen:
Für Außenwände, Stützen, sonstige tragende Bauteile
sowie Brüstungen ist schalungsrauher Sichtbeton sowie
Waschbeton nicht zugelassen. Sichtbeton ist ausnahmsweise nur zur Betonung der konstruktiven Teile oder
zur Einzelgliederung der Fassade zulässig.
Begründet wird dieser Leitsatz durch die mehrheitliche
Abneigung gegen großflächige Betonwände, die nackt
und kahl anmuten, und meist ohne Gliederung (und
Textur) im Straßenbild erscheinen. Umweltpsychologische Befunde bestätigen eine starke Abneigung gegen
Betonfassaden. Sie werden heute als unangenehm,
monoton, unfreundlich, uninteressant, kalt und fremdartig empfunden. Insbesondere im Winter und bei kal-
28
Allgemeine Anforderungen
tem Wetter empfinden viele Menschen ihren Anblick
als deprimierend.
Mehr oder weniger traditionell durchgebildete Fassaden werden den zweckmäßig aussehenden vorgezogen. Es ist stets ein Zeichen des schlecht Gemachten,
dass es (wie Betonwände) nicht alt werden kann, sondern im Laufe der Zeit nur verrottet. Denn Betonwände
altern nicht, setzen keine Patina an, sondern verschmutzen und werden insbesondere durch bleibende
Witterungsspuren (Regentrieler) unansehnlich.
Sichtbeton sollte nur zur Betonung von konstruktiven
Teilen der Fassade ausnahmsweise zulässig sein.
• Außenputz
An Steinbauten sind großflächig verputzte Fassaden soweit erkennbar- als Kellenstrichputz, feinem bis mittlerem Kratzputz, seltener auch in Rapp-Putz (erst ab
der Jahrhundertwende häufiger) ausgeführt worden.
Charakteristisch war stets die glatte Ausführung als
ruhiger Hintergrund für Schmuckformen.
Außer glatten Putzflächen hat erst der Jugendstil
unter dem Einfluss der graphischen Werke dieser Zeit, die
schlagkräftigen Flächenwirkungen des Steindrucks aus-
(gekämmter) Wellenputz, rechts: Riffelputz-Textur
Feiner Kellenstrichputz
Feinkörniger Kratzputz
Mittlerer Rauhputz (problematisch)
Mittelkörniger Kratzputz
(problematisch)
Putztexturen in natürlicher Größe
Grober Kellenwurfputz (unzulässig)
Grobkörniger Kratzputz
(unzulässig)
29
Allgemeine Anforderungen
großflächig/grobkörniger und kleinflächig/feinkörniger Kellenstrichputz
schwach strukturierter Kellenstrichputz und Patschputz
vertikal strukturierter und horizontal strukturierter Kellenstrichputz
gespachtelter Strukturputz und mit dem Pinsel strukturierter Kellenstrichputz
30
Allgemeine Anforderungen
nutzend, gern Kratzputz-Strukturen verwendet. Ähnlich verwendet auch der Expressionismus den Riffelputz.
Die Struktur des Riffelputzes wird durch Kratzen mit
dem Nagel- bzw. Riffelbrett (= eine kammartige, mit
spitzen Eisenzähnen versehene Vorrichtung) hergestellt.
Hierdurch wird die bindemittel- und damit spannungsreiche Oberfläche des angetragenen Oberputzes entfernt, so dass gezackte, auffallend tiefe Riffelungen
entstehen. Durch das herausspringende Korn entsteht
die hierfür charakteristische, meist gerade, aber auch
wellenförmig geführte Putzstruktur, welche auf jeden
Fall eine farbige Oberflächenbehandlung zulässt.
Die für das Putzklima des Quartiers untypischen und
auch sonst störenden Modeputze sind auszuschließen:
g) Buntsteinputze (Mosaikputz oder Kunstharzputz
mit Waschputzeffekt) sowie Modellier-/Strukturputze
(Kellenwurf-, Keilschrift-, Wabenwellen- sowie Fächerputze) sind unzulässig.
Buntsteinputz enthält naturfarbene oder gefärbte Steine,
die verschiedene Farben und Korngrößen aufweisen
können. Da keine deckenden Pigmente oder Füllstoffe
enthalten sind, trocknet Buntsteinputz klar auf. Waschputz erhält sein Oberflächenaussehen durch Abwaschen
der an der Oberfläche befindlichen, noch nicht erhärteten Bindemittelschlämme.
Modellierputz wird hergestellt durch Auftragen des
Beschichtungsstoffes in einer Dicke von 0,5 bis 6 mm
und Modellieren mit der Rolle, Traufel, Kelle, Schwamm
oder Bürste. Die somit entstehenden Effekte (u.a. als
Wabenwellen- oder Fächerstruktur) sind von aufdringlicher und störender Wirkung.
Leitsatz: Der Außenputz sollte, wie auch die Farbe, mineralisch sein. Kunststoffputze und Kunststoff-Farben
sind nicht erwünscht. Die Oberfläche kann mit einem
3 mm starken Kratzputz hergestellt werden.
Der Putz sollte nicht gerieben werden. Beim Reibeputz
wird ein Zuschlaggemenge verwendet, das u.a. Rundkorn enthält, das beim Reiben in der sonst glatten Beschichtung rillenartige Vertiefungen (sog. „Madengänge“) hinterlässt.
Glatte Putze mit unauffälliger Oberflächenstruktur
sollten gefördert werden. Dafür spricht auch, dass sehr
rauhe Putzstrukturen sehr rasch verschmutzen.
Längere Zeit unverputzt stehendes Mauerwerk (z.B.
Brandwände) ist vor einem Neuverputz oder Anstrich
sehr gründlich zu reinigen, weil die Schmutzschicht die
Grundhaftung aufhebt. Ein mindestens achtstündiges
Berieseln mit kalkarmem Leitungswasser genügt (Wasser, gegebenenfalls enthärten).
Ad § 4 Abs. 3 Einfriedigungen
Für Einfriedigungen sind nur Mauern aus westfälischem
Sandstein, Sichtmauerwerk sowie Hecken erlaubt. Die
massiven Einfriedigungen dürfen eine Höhe von 2,25
m nicht überschreiten.
Vorgärten sind in der Altstadt untypisch, wie die Kartierung (Denkmalbereichssatzung, Gutachten S.) zeigt.
Deshalb wird die in der Gestaltungssatzung von 1973
enthaltene Vorschrift, wonach Vorgärten nicht als Arbeits- oder Lagerflächen benutzt werden dürfen, gestrichen. Übernommen wird aber die Vorschrift über
Einfriedigungen, die in ihren historisch überkommenen
Beispielen ein beträchtliche Höhe erreichen können.
Rechtsprechungshinweise zur Verunstaltungsfähigkeit“ von Einfriedigungen vgl. OVG Hamburg U.v. 22.
11.1979 BRS 35, 112; BayVGH U.v. 10.1.1978 BayVBl.
Auf dem Berg, Jüdischewr Friedhof. Lageplan und Errichtung einer Einfriedigung von 1912
31
1978, 762 = BRS 33, 132; OVG Lüneburg U.v. 14.9.
1977 BRS 32, 100; OVG Münster U.v. 27.1.1972 BRS
25, 111; HessVGH U.v. 26.6.1970 BRS 23, 133. Zum
Begriff vgl. OVG NW U.v. 12.7.1982 BauR 1982, 563
= BRS 39, 11.
Ad § 4 Abs. 4 Bodenbelag
An Bodenbelägen ist für Zuwegungen auf den unbebauten Flächen der bebauten Grundstücke Natursteinpflaster oder Kunststeinpflaster mit Natursteinvorsatz,
auf Stellplätzen auch Rasengittersteine zulässig.
Leitsatz: Eine Entsiegelung der Bodenflächen auf den
unbebauten Flächen der bebauten Grundstücksflächen ist anzustreben.
Die Versiegelung von Grundstücksflächen durch Beton
oder Asphalt u.a. Hartbeläge stellt einen Eingriff in den
Boden als Teil der natürlichen Lebensgrundlagen des
Menschen dar. Unter Versiegelung ist jede Veränderung
der natürlichen Funktionen des Bodens durch bauliche
oder sonstige Maßnahmen zu verstehen, die die ökologischen Wechselwirkungen zwischen dem Boden und
der übrigen Natur beeinträchtigen oder ver mindern.
Ein ökologisches Interesse an Entsiegelung von Grundstücksflächen kann im wesentlichen aus zwei Gründen
geltend gemacht werden:
• aus kleinklimatischen Gründen:
In den aufhitzungsgefährdeten Bereichen der im Zusammenhang bebauten Ortsteile müssen zur Aufnahme
des Strahlungsüberschusses (Wärmebilanz) und zur
Anreicherung der Luftfeuchtigkeit Verdunstungsflächen geschützt bzw. neu geschaffen werden. Dazu
ist ein größerer Anteil unversiegelter Bodenflächen mit
seiner großen inneren Oberfläche spendenden Verdunstungskälte im Zusammenhang mit der Versickerung des Niederschlagwassers sicherzustellen.
• aus wasserhaushalts- bzw. wasserhygienischen
Gründen:
Allgemeine Anforderungen
Durch Versickerung wird dem örtlichen Wasserkreislauf
Regenwasser zugeführt und dadurch das Grundwasser
erneuert. Bei der Versickerung wird durch die anstehenden Bodenschichten das Oberflächenwasser gereinigt. In einem glatten Kanalrohr besteht keine Selbstreinigung für das Wasser. Dazu kommt die Verringerung
der Hochwassergefahr sowie Entlastung der Ortskanalisation (Kläranlagen) und damit Kostenersparnis.
Der letzte Satz des § 4 Abs. 4 dieser Satzung berücksichtigt die in der Generalklausel des § 3 BauO NW
formulierte Rücksichtnahme „mit Boden, Wasser und
Energie ist sparsam umzugehen“. Durch die Hervorhebung der natürlichen Lebensgrundlagen soll verdeutlicht werden, dass durch die Bauordnung das Baugeschehen an umweltpolitischen Zielsetzungen - wie
der Verringerung der Bodenversiegelung - ausgerichtet
sein soll.
Umstritten ist, ob diese „Appellfunktion“ als eine
Eingriffsnorm aufgefasst werden kann, also Grundlage
einer bauaufsichtlichen Verfügung sein kann. Führt
allerdings ein Verstoß gegen diesen Appell zu einer Gefährdung der natürlichen Lebensgrundlagen im Sinne
des § 3 Abs. 1 BauO NW, kann mit dem dann gegebenen
Instrumentarium des § 86 vorgegangen werden.
Ad § 4 Abs. 5 Antennen
Parabolantennenanlagen mit Reflektorschalen für den
Fernseh-Satellitenempfang sowie sonstige Außenantennenanlagen sind nur auf den Straßen abgewandten
Dachflächen zulässig oder so anzubringen, dass sie
von der unmittelbar umgebenden öffentlichen Verkehrsfläche aus nicht gesehen werden können.
Antennen sind Einrichtungen zum Empfangen und
Senden elektromagnetischer Wellen aus Draht oder
Stahlhohlrohren. Ihre wirksamste Anbringung ist die
zwischen hochgelegenen Punkten: Schornstein, Gittermasten und Dächern. Auf Dächern angebracht,
dürfen sie die Standsicherheit der Bauteile nicht ge-
Allgemeine Anforderungen
32
zeiten empfangen werden können. Beschränkungen
des Rundfunkempfangs sind verfassungsrechtlich
unzulässig. Rundfunkempfang im Sinne dieser Verfassungsnorm ist auch der Fernsehempfang.
Das bedeutet: Ein zur Bewahrung des historischen
Stadtbildes ausgesprochenes Verbot von Dachantennen
oder Parabolantennen (Satellitenschüsseln) verstößt
gegen das Grundrecht der Rundfangsempfangsfreiheit
und hat die Nichtigkeit der gesamten Gemeindeverordnung zur Folge (BayVerfGH E.v. 27.9.1985 NJW
1986, 833).
Störende Satellitenschüsseln
fährden und die Reinigung der Schornsteine nicht behindern. Das Problem: „Antennenwälder“ verunstalten
regelmäßig das Orts- und Straßenbild (Störung der
Silhouettenkontur). Antennentragwerke (Gittermaste)
für den (privaten) Kurzwellenverkehr erreichen häufig
ein Volumen, eine Höhe und Ausladung, die in ihrer
Wirkung Gebäuden gleichkommen, den Nachbarn
stören und das Ortsbild empfindlich stören können.
Das gilt auch für die an Balkonen, Erkern oder sonstigen
Fassadenteilen angebrachten sog. Satellitenschüsseln.
Es gehört zu den elementaren Bedürfnissen des Menschen, sich aus möglichst vielen Quellen zu unterrichten,
das eigene Wissen zu erweitern und sich so als Persönlichkeit zu entfalten (BVerfGE 27, 71/81 = NJW
1970, 235). Durch Art. 5 I 1 GG geschützt ist insoweit
nicht nur ein aktives Handeln zur Informationsverschaffung, sondern ebenso die schlichte Entgegennahme von Informationen; er gewährleistet das Recht,
sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert
zu unterrichten (BVerfGE 66 116/137 = NJW 1984,
1741). Eine Informationsquelle ist allgemein zugänglich,
wenn sie technisch dazu bestimmt und geeignet ist,
einem individuellen, nicht bestimmbaren Personenkreis
Informationen zu verschaffen und zwar an irgendeinem
Ort, mag dieser auch außerhalb der Bundesrepublik
liegen (BVerfGE 27, 71 (84) = NJW 1970, 235).
Die Rundfunksempfangsfreiheit umfasst grundsätzlich die Freiheit des Bürgers zur Benützung von Geräten, die ihm eine Auswahl unter den am Ort technisch
empfangbaren Rundfunk- und Fernsehprogrammen
ermöglichen. Sie bezieht sich auch auf solche Programme, die aus technischen Gründen nur mit schwankender
oder schlechter Qualität oder nur zu bestimmten Tages-
Die Ermächtigungsgrundlage zum Erlass örtlicher Bauvorschriften über Gestaltung trägt grundsätzlich auch
Regelungen in Bezug auf Außenantennen. Allerdings
darf von der Ermächtigung nur in verfassungsgemäßer
Weise Gebrauch gemacht werden. Soweit örtliche Bauvorschriften hinsichtlich der Errichtung von Außenantennen besondere Anforderungen stellen, die zu
einer Verletzung des Grundrechts der Rundfunksempfangsfreiheit führen, sind sie von der Ermächtigung
der Landesbauordnungen nicht mehr gedeckt (BVerG
B.v. 23.8.1991 NVwZ 1992, 475).
Damit ist nicht gesagt, dass sog. Antennenwälder
oder die störende Häufung von Satellitenschüsseln auf
jeder Regelungsmöglichkeit entzogen wären. Ein generelles Verbot für bestimmte Gebiete steht aber - von
allen anderen Fragen abgesehen - jedenfalls unter dem
Vorbehalt umfassenden und gleichwertigen Ersatzes.
Bietet eine Außenantenne gegenüber dem Programmangebot des Breitbandkabels zusätzliche Empfangsmöglichkeiten, so muss es dem Bürger freigestellt bleiben, das gewünschte Programm sowohl aus dem Angebot des Breitbandkabels als auch aus den zusätzlichen
Empfangsmöglichkeiten über die Außenantenne auswählen zu können.
Leitsatz: Fenster- und Dachrinnenantennen sind nicht
erlaubt. Antennenanschlüsse dürfen nicht sichtbar auf
der Fassade verlegt werden. Satellitenschüsseln dürfen
nicht an Erkern oder Balkonen angebracht werden.
Ad § 4 Abs. 6 Bauwiche/Traufgassen
Im Geltungsbereich dieser Satzung können zur Wahrung der historischen Bedeutung oder sonstiger
erhaltenswerter Eigenarten der Altstadt die Abstandsflächen nach dem§ 6 BauO NW unterschritten werden.
Regelungen über Gebäudeabstände, Abstandsflächen
und Grenzabstände verfolgen ein gemeinsames Ziel,
nämlich das einer geordneten Bebauung im Interesse
gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse, dies jedoch
aus unterschiedlichen Motiven: die planungsrechtlichen
Abstandsregeln dienen der Durchsetzung städtebaulich-gestalterischer Ziele, die bauordnungsrechtlichen
Vorschriften der Wahrung der öffentlichen Sicherheit
oder Ordnung. Im einzelnen ergibt sich die Notwendigkeit von Abstandsregelungen aus folgenden Gesichtspunkten:
33
Allgemeine Anforderungen
Traufgassen in der Kleinen Burgstraße
• Gründe des Brandschutzes
Mindestabstände zwischen baulichen Anlagen sollen
einen Feuerüberschlag von Gebäude zu Gebäude unterbinden und den Einsatz der Feuerwehr ermöglichen.
Sie dienen insoweit dem Brandschutz (OVG Münster
U.v. 19.10.1967 BRS 18, 145; OVG Berlin U.v. 21.
1.1967 BRS 18, 211; VGH BaWü U.v. 6.8.1968 DWW
1971, 92; U.v. 25.3.1970 VRspr. 23, 58; U.v. 1.12.1971
BaWüVBl. 1972, 60).
• Gründe der Belichtung
Mindestabstände sollen eine ausreichende Versorgung
der Aufenthaltsräume mit Tageslicht (Besonnung) sowie
eine hinreichende Verbindung mit der Außenwelt ermöglichen (OVG Lüneburg U.v. 14.3.1967 BRS 18,
199; VGH BaWü B.v. 21.7.1971 VIII 580/71 Schlez
1973, 37).
• Gründe der Belüftung
Mindestabstände sollen eine ausreichende Durchlüftung namentlich von Blockinnenhöfen sowie der Belüftung wie Belichtung der zur seitlichen Grenze gerichteten Fenster sicherstellen (OVG Münster U.v. 19.
10.1967 BRS 18, 145; OVG Berlin U.v. 27.1.1967 BRS
18, 211; VGH BaWü U.v. 6.8.1968 DWW 1971, 92).
• Gründe des störungsfreien Wohnens
Mindestabstände zwischen Wänden mit notwendigen
Fenstern sollen als sog. „Sozial- und Wohlfahrtsabstände“ unzumutbare Beeinträchtigungen verhindern
und insoweit dem Wohnfrieden dienen (OVG Münster
U.v. 19. 10.1967 BRS 18, 145; VGH BaWü U.v. 25.
3.1970 VRspr. 23, 58; U.v. 1.12.1971 BaWüVBl. 1972,
211).
• Gründe der städtebaulichen Gestaltung und des
Denkmalschutzes
Mindestabstände dienen aber auch der Gestaltung des
Orts- und Straßenbildes (VGH BaWü U.v. 6.8.1968
DWW 1971, 92; OVG Berlin U.v. 27.1.1967 BRS 18,
211), namentlich bei Abweichungen von der Grundregel
des Grenzmindestabstandes (Brandgassen, Traufgassen, Schwengelwiche und Bauwiche in historisch bedeutsamen Ortsteilen); sie dienen aber auch dem Denkmalschutz (zur Abgrenzung des Ziels der Erhaltung
baulicher Anlagen aus städtebaulichen Gründen zur
Zielsetzung des Denkmalschutzrechts vgl. BVerwG
U.v. 3.7.1987 DVBl. 1987, 1013, 1015).
Traufgassen sind ein stadtgestaltprägendes Merkmal
allerersten Ranges. Das liegt daran, als sie - bei zunehmender städtebaulicher Verdichtung - in der Raumwand
das Einzelgebäude stets präsent in Erscheinung treten
lassen. Die Wahrung individueller Charakterzüge baulicher Anlagen (= Vielfalt) in einer klar erkennbaren Zugehörigkeit zum öffentlichen Raum (= Einheit) muss
ein Ziel der Gestaltleitplanung sein.
Aus den letztgenannten Gründen wird von der Ermächtigung des § 86 Abs. 1 Nr. 7 BauO NW Gebrauch
gemacht, eine örtliche Bauvorschrift zu erlassen über
„geringere als die in § 6 Abs. 5 und 6 vorgeschriebenen
Maße zur Wahrung der bauhistorischen Bedeutung
oder der sonstigen erhaltenswerten Eigenart eines Ortsteiles; dabei sind die Ortsteile in der Satzung genau zu
bezeichnen.“
Begründung und Kartierung der schützenswerten
Traufgassen bzw. Bauwiche ist im Gutachten zur Denkmalbereichssatzung (S. 61ff) enthalten. Unter Berücksichtigung der o.g. genannten Gründe ist § 4 Abs. 2
dieser Satzung insoweit auf die Verringerung der Tiefe
der Abstandsflächen zu den seitlichen Grundstücksgrenzen gerichtet, um der Bebauung mit seit alters her
charakteristischen Traufgassen (Bauwiche) der Altstadt
gerecht zu werden. Hierbei erscheint der Regelungsgegenstand nicht gleichsam mathematisch (z.B. zulässige Verringerung der Abstandsflächen bis zu 1/3)
abgrenzbar.
Da keine Mindest- noch Höchstmaße und auch keine
historischen Abstandstiefen als Bezugsgröße genannt
werden, sondern nur die Ermächtigung zur Unterschrei-
Allgemeine Anforderungen
34
(nach § 86 Abs. 1 Nr. 7 BauO NW sind die betroffenen Bauwiche bzw. Traufgassen
genau zu bezeichnen).
tung der sonst zwingenden Abstandsflächen erteilt
wird, ist zu betonen, dass hierbei die maßgeblichen
Gesichtspunkte der Gefahrenabwehr (Brandschutz) und
der Städtebauhygiene (Belichtung) zu wahren sind.
Die seitlichen Bauwiche bzw. Traufgassen können
gegen Einblicke geschlossen werden. Offen bleiben
muss, ob ihre Einfriedigung gegenüber der Bauflucht
(Vermeidung von Schmutzecken) zwingend um ein
geringes Maß zurückgesetzt werden muß.
Leitsatz: Die schmalen Zwischenräume (Bauwiche) zwischen alten Gebäuden können nach der Straße hin bis
zu einer Höhe von 2,25 m in unauffälliger Weise geschlossen werden. Diese Einfriedigung kann gegenüber
der Bauflucht leicht (bis 1,10 m) zurückgesetzt werden.
35
Besondere Anforderungen der Baustaffel I (§ 5)
Örtliche Bauvorschriften nach § 86 Abs. 1 Nr. 1 BauO
NW dürfen nur zur Durchführung baugestalterischer
Absichten erlassen werden (vgl. demgegenüber die Ermächtigung des Abs. 1 Nr. 2 in der Baustaffel II, § 6
dieser Satzung). Die baugestalterischen Absichten, die
- im Unterschied zur planungsrechtlichen Gestaltung haben mehr die einzelnen Bauten im Blick. Den Gemeinden ist damit ein Instrument an die Hand gegeben,
aufgrund eigener gestalterischer Zielsetzung das Ortsund Straßenbild „dynamisch zu beeinflussen“ (OVG
NW U.v. 29.1.1999 BauR 2000, 92; VGH BaWü B.v.
26.8.1982 BRS 39, 133). Dabei geht die Befugnis zum
Erlass der Bauvorschrift über die Abwehr von Verunstaltungen hinaus; sie erfasst auch die sog. positive Gestaltungspflege.
Ad § 5 Abs. 1 Örtlicher Geltungsbereich
Der örtliche Geltungsbereich umfasst alle Bauten ohne
Prädikat außerhalb der in Staffel II kartierten Bauten
von denkmalschutzwürdiger Bedeutung und erhaltenswerter Bausubstanz. Ihre Kartierung ist im Staffelplan
I (Karte 2) enthalten, der als Anlage 2 Bestandteil dieser Satzung ist.
Die Diffenzierung des örtlichen Geltungsbereich erfolgt
in § 5 Abs. 1 nicht nach Zonen (d.h. nach Baugebietscharakteren), sondern nach Staffeln (d.h. nach dem
Grad der Schutzwürdigkeit von Gebäuden); vgl. hierzu
die Begründung im Kommentar zu § 2 dieser Satzung.
Bauten ohne Prädikat der Baustaffel I sind einschließlich
ihrer Grundstücke:
• Am Domhof: 3, 2;
• Am Griesetorn: -;
• Am Neutor: 1-3;
• Am Steinhaus: 8, 10;
• Auf dem Berg: 7:
• Bonenstraße: 7, 9, 11, 23-25, 35, 37-39, 41, 4246, 20, 10;
• Bült: 12, 23-35, 42, 32, 8, 2-6;
• Burgstraße: 23, 16, 10, 8, 6;
• Kirchhof: 14;
• Kleine Burgstraße 3;
• Klosterstraße: 14, 10;
• Konrad-Adenauer-Straße: 12-14, 8-10, 1, 11-21;
• Magdalenenstraße: -;
• Markt: 12, 15-16, 23, 21, 17-19;
• Moormann-Platz: 3-5-, 7, 9, 14-22, 10-12;
• Ostmauer: 20, 16, 14, 10, 4;
• Roggenmarkt: 1, 13, 30, 26-28;
• Schlot: -;
• Steinstraße: 5, 9, 11, 29, 35, 37, 36, 28, 26, 2224, 18-20, 16, 10, 8, 6;
• Südmauer: 7-13, 15, 19-21, 33, 35, 56, 54, 34, 32,
30, 28, 26, 24, 8-18, 4-6;
• Westmauer: 12, 11, 13 und Rückseite Burgstraße
11, 9, 5.
Rechtsprechungshinweise zur Abgrenzung des örtlichen
Geltungsbereichs: BVerwG U.v. 30.1.1976 BRS 30,
17; OVG NW U.v. 30.6.1978 BRS 33, 115; OVG
Lüneburg U.v. 11.3.1983 BauR 1983, 563 = NvWZ
1984, 252 = BRS 40, 151; BVerwG U.v. 22. 2.1980
BauR 1980, 452 = NJW 1980, 2091 = BRS 36, 149;
OVG Lüneburg U.v. 27.6.1988 BRS 48, 113; BVerwG
B.v. 4.1.1994 BauR 1994, 138 = BRS 56, 33.
Ad § 5 Abs. 2 Dachlandschaft
Die für die Altstadt typische Dachform ist das Schrägdach in den Formen des Sattel-, Walm-, Kopfwalm-,
Mansard- und Mansardwalmdaches. Pult- und Flachdächer sind nur für eingeschossige Nebenanlagen zulässig, wenn hierdurch das Straßenbild nicht beeinträchtigt wird.
Die das Altstadtbild prägenden Schrägdächer sind im
Gutachten zur Denkmalbereichssatzung Bd. II, S. 127ff)
dokumentiert und beschrieben. Der Ausschluss von
Flachdächern folgt den Zielen der geleiteten Gestaltung
einer vielgestaltigen Silhouettenkontur.
Rechtsprechungshinweise zur Dachform: VGH BaWü
U.v. 13.3.1961 BaWüVBl. 1961 173 = BBauBl. 1961,
729; OVG Saarland U.v. 26.5.1975 BRS 29, 108; OVG
NRW U.v. 7.2.1979 BRS 35, 131; OVG Lüneburg U.v.
29.3.1979 BRS 35, 131 und B.v. 30.6.1987 BRS 47, 13.
Für die Altstadt mit ihren äußerst vielfältigen Schrägdachformen kann keine zwingende Regel angegeben
werden. Hier ist nicht die Dachform selbst problematisch, sondern das Nebeneinander unverträglicher Dachformen. Letzteres ist der Fall, wenn in geschlossener
Bauweise ein höher aufragendes Mansarddach neben
einem Satteldach einen Brandgiebelzwickel ergibt, der,
meist verkleidet, die Luftraumsilhouette stört. Deshalb
kann gelten:
Leitsatz: Bei Neubauten hat sich die Dachform an der
Nachbarbebauung zu orientieren. Kreuzdächer sind
auszuschließen.
Kreuzdach oder Kreuzgiebeldach ist ein Dach, das aus
einander rechtwinklig kreuzenden Satteldächern gleicher Firsthöhe besteht. Es ist die klassische Form von
Turmdächern, an Wohnbauten der Altstadt kann es insbesondere bei Eckhäusern - die straßenbildprägende
36
Besondere Anforderungen/Baustaffel I
Walmdach
Kopfwalmdach
Mansardengiebeldach
Mansardenkopfwalmdach
Dachformen: A) Satteldach, B) Mansarddach, C) Mansardwalmdach (hier
in Form einer Kopfabwalmung) und D) Walmdach.
Mansardenwalmdach
37
Stellung baulicher Anlagen (Trauf- und Giebelständigkeit) maskieren.
Ein solcher Fall trat auf am Neubauentwurf Burgstraße 4 (vgl. Abb.), wo zwei über Eck angeordnete
Zwerchhäuser gleicher Firsthöhe eine ambivalente und
insoweit die Luftraumsilhouette störende Erscheinung
erwarten ließen. Traditionell sollte der First von Zwerchhäusern oder Zwerchgiebeln stets unterhalb der Firsthöhe
des Hauptdaches ausgeordnet sein.
Eine für Straßenräume oder Straßenabschnitte einheitliche Dachneigung oder eine Vorschrift, wonach Dachneigungswinkel jenen der umgebenden Bebauung angeglichen werden sollen, wird nicht für erforderlich
gehalten. Hier gilt hier:
Besondere Anforderungen/Baustaffel I
traufseitig höchstens 0,40 m - gemessen ohne Regenrinne, am Ortgang höchstens 0,30 m.
Giebelseitige Dachüberständen treten nur an Pfettendächern auf, bei Sparrendächern sollte auf giebelseitige
Dachüberstände verzichtet werden. Flachdächer dürfen keinen Dachüberstand aufweisen.
Sind die Umfassungsmauern eines Gebäudes höher geführt als die Dachbalkenlage (Dachpfetten), so entsteht ein Drempel. Die Drempelhöhe ist das Maß zwischen Oberkante Fertigfußboden auf der letzten Geschossdecke und der Oberkante des Dachsparrens an
der Außenfläche des Gebäudes gemessen. Drempel
erhöhen insoweit die Ausnutzbarheit des Dachgeschosses und sind für die Werner Altstadt typisch; in der
Leitsatz: Die zulässige Dachneigung beträgt für Satteldächer als Untergrenze 45˚ (d.h. 45˚ - 60˚); für Mansarddächer 70˚ - 75˚ als Obergrenze des unteren Dachneigungswinkels und 30˚ als Untergrenze für den oberen Dachneigungswinkel; für Walmdächer 45˚ - 60˚,
bei Kopfabwalmung als Untergrenze 45˚ Neigung.
Walmdächer gehören zu den gestaltwirksamsten Dachformen, weil sie (den Pyramiden- bzw. Zeltdächern
vergleichbar) die Dreidimensionalität einer baulichen
Anlage allseits in Erscheinung bringen. Daraus folgt:
Gebäude mit Walmdächern sollten möglichst allein
stehen, d.h. freistehend entwickelt werden; in einseitiger
Ausbildung können sie auch über Gebäuden an Straßeneinmündungen entwickelt werden. Damit die Firstlinie des Walmdaches nicht zu kurz wird, sondern
wirksam bleibt, sollte für die Walmseiten eine steilere
Dachneigung gewählt werden als für die übrigen Dachflächen.
Das klassische Mansarddach folgte der Mansard’
schen Regel, wonach Fußpunkt, Bruch und Spitze auf
einer umschriebenen Halbkreislinie liegen sollten. Für
den unteren Dachwinkel ergibt sich insoweit ein Wert
von 67° und für den oberen ein Wert von 23°. Störend
ist, die untere Neigung zu steil und die obere zu flach
auszubilden, wodurch sich (auch an Zwerchhauskonturen beobachtbar) der Eindruck eines „Sarges“ ergibt.
Drempel
Rechtsprechungshinweise zur Dachneigung: OVG
Lüneburg B.v. 30.6.1987 BRS 47, 13; OVG NW U.v.
25.4.1991 BauR 1992, 58; OVG Lüneburg U.v. 27.
8.1991 BauR 1992, 212.
Deutlich ausladende Dachüberstände treten in der Werner Altstadt traditionell nur an Fachwerkbauten auf.
An Massivbauten hat man den Dachüberstand in die
Ausbildung eines Hauptgesimses eingebunden und
damit erheblich verkürzt. Deshalb:
Leitsatz: Die zulässigen Dachüberstände sind an die
Ausbildung einer prägnant in Erscheinung tretenden
Dach- oder Hauptgesimskontur gebunden, sie betragen
Typische Drempelausbildung an einem Gebäude des
Historismus
38
Besondere Anforderungen/Baustaffel I
Unzulässiger Dacheinschnitt
Einfenstriger Dacheinschnitt (abweichend zulässig)
wobei die Drempelhöhe regelmäßig 0,80 m beträgt,
gelegentlich sogar bis zu 1,20 m. Es gilt:
bezeichnet. Ein Dacheinschnitt ist immer von drei Seiten umschlossen, wobei die Brüstung ebenfalls als Dachfläche ausgebildet sein kann.
Leitsatz: Drempel sind nur bei Anpassung von Neubauten an die Fassadenproportionen der Nachbarbebauung
zulässig, ihre Höhe darf höchstens 0,80 m betragen.
Rechtsprechungshinweise zur „Verunstaltungsfähigkeit“ von Drempeln: OVG Saarland U.v. 26.5.1975
BRS 29, 108; VGH BaWü U.v. 15.2.1984 BauR 1985,
289 = BRS 42, 114) kann dadurch begründet werden,
als sie zu überhöhten Dachgeschossen führen und damit ein Proportionsproblem aufwerfen, welches gestalterisch in zeitgemäßer Ausbildung nur schwer bewältigt
werden kann, weil man heute keine Gesimsbildung zur
Gliederung der Fassadengestalt mehr einsetzt und somit Proportionsverschiebungen zu kompensieren in
der Lage wäre.
Die folgende Bauvorschrift betrifft die Dacheinschnitte
(sog. „negative Dachgauben“ oder Dachloggien) und
liegende Dachflächenfenster; auch sie unterliegen wegen
ihre Verunstaltungsfähigkeit (vgl. BayVGH U.v. 4.5.1977
- 334 II 73; OVG Münster B.v. 3.11.1962 BRS 13 B5)
der örtlichen Bauvorschrift:
Gußeisernes Dachfenster des 19. Jh. für eine Falzziegeldeckung (von Gilardoni); sie wurden - zum Zwecke der
Einfügung - in Größen von 2, 4, 6, 8, 12 und sogar 16
Ziegeln geliefert.
a) Dacheinschnitte, die vom öffentlichen Straßenraum eingesehen werden können, sind unzulässig.
Dacheinschnitte sind nicht überdeckte Austrittsöffnungen in Dächern, die Wohnungen, Aufenthaltsräume
und deren Nebenräume abschließen. Sie entstehen
durch hinter die Dachhaut zurückgesetzte (Außen-)
Wände und werden auch als „Dachloggia” (= offene
Laube unterhalb des Daches) oder „Dachterrasse”
Legfenster aus einem Stück mit überdeckbarer
Unterlagsplatte, um 1880
39
Besondere Anforderungen/Baustaffel I
Derartige Einschnitte sind dann als verunstaltungsfähig zu beurteilen, wenn sie nach ihrer Lage (besonders
am Gebäudeeck) und durch ihre Größe, wegen der dadurch weiträumigen Unterbrechungen der sonst geschlossenen Dachfläche, ein mächtiges Loch in der
Dachhaut ergeben.
Aus der Fassade entwickelte einfenstrige Dacheinschnitte können durchaus eine ortsbildverträgliche Lösung
darstellen (vgl. Südmauer 54); hier kommt ggfs. die
Gewährung einer Abweichung in Betracht.
Das in der geneigten Dachfläche liegende Fenster wurde
früher als Dachklappe oder Legfenster bezeichnet. Es
diente seit alters her im Brandfall als Ausstieg (mind.
0,42 x 0,52 m). Großformatige Dachflächenfenster
kamen erst um 1880 in Mode. Sie sind in den Bauakten
der Altstadt erst ab 1912 nachweisbar und hier nur an
der unteren, steilen Dachhälfte von Marsarddächern
(Am Neutor 2); dann aber bei Dachmodernisierungen
der 70er/80er Jahre, meist durch Abbruch historischer
Dachgauben (so Kleine Burgstraße 1 oder Roggenmarkt
3). Dazu die örtliche Bauvorschrift:
b) Liegende Dachfenster sind (an der Straßenseite)
nur insoweit zulässig, als sie zur Schornsteinreinigung
und Dachinstandsetzung unbedingt benötigt werden.
Eine Bestätigung findet dieser Leitsatz in der Rechtsprechung. Dazu das OVG Lüneburg (U.v. 28.2. 1977
BRS 32, 114): Dachfenster wirken nicht generell verunstaltend; vielmehr ist jeder Einzelfall daraufhin zu
prüfen, ob (liegende Dachfenster) im Verhältnis zum
Dach übermäßig groß sind oder durch unerträglich
empfundene Ausbildungen das schützenswerte Ortsbild stören. Notlösungen, die man mit Hilfe von Schrägstellung von Dachflächenfenstern vorgenommen hat,
erscheinen belastender als die vermehrte Ausbildung
von Dachgauben, die kaum den Eindruck hervorrufen,
hier sei die Konzeption einer Straße oder eines Siedlungsbereiches optisch unerträglich misslungen. Dachflächenfenster vermitteln mit ihren ungewöhnlichen
Schrägstellungen den Eindruck der aufgerissenen Dachschräge viel mehr als etwa eine Dachgaubenhauskonstruktion.
Liegende Dachfenster sind hinsichtlich des Brandschutzes gegenüber senkrecht stehenden Fensterflächen (Dachgauben) insofern benachteiligt, als im Brandfall der Ausstieg (verlangt ist nach § 40 Abs. 4 BauO
NW mind. 0,90 x 1,20 m) als Rettungsweg schwierig
ist; es können darüber hinaus Lüftungsnachteile entstehen und die Verkehrssicherheit ist in verstärktem
Maße gefährdet (z.B. erhöhte Gefahr durch Schnittverletzungen).
Für die nicht vom Straßenraum aus einsehbaren liegenden Dachfenster wird empfohlen sie in gleicher
Höhe anzuordnen und mit dunkel getöntem Glas (jedenfalls in Abstimmung mit der Farbe der Dachhaut) auszuführen.
Neubau der Vikarie, Kirchhof 7, 1904
Umbau der Vikarie, Beseitigung des Zwerchhauses und
Ausbau des Daches 1962, Einbau liegender, über die
Dachfläche gestreute Dachfenster 1983.
40
Besondere Anforderungen/Baustaffel I
Schleppgaube
Flach- oder Kastengaube (unzulässig)
Dreiecksgaube
Pultgaube
Giebelgaube
Walmgaube
Pultwalmgaube (unzulässig)
Spitzgaube
Stichbogengaube
41
Besondere Anforderungen/Baustaffel I
Störende Gaubenformen durch Überlänge einer Dachgaube (sog. Hechtgaube); rechts durch zwei- oder einhüftige
Pultwalmgauben (sog. Bastardgauben)
Giebelgaube für ein flaches Satteldach
Postmoderne Tonnengaube
Rundgaube mit segmentierter
Abdeckung
Mustergauben der 60er Jahre.
Flachgaube mit gerader Abdeckung
(Kastengaube). Diese Form ist heute
unerwünscht
Unterkonstruktion für Dreiecksgauben aus Vordeckung und Schalung,
Wechsel bzw. Riegel und Streben halten den Dachausschnitt frei. Sie sind ein guter Ersatz
für liegende Dachfenster.
Gauben (= stehende Dachfenster) können in der Altstadt
in vielgestaltiger Weise ausgebildet sein (vgl. Gutachten
zur Denkmalbereichssatzung, Band II, S. 134ff). Ihr
Repertoire umfasst die üppig ausgestaltete Lukarne bis
zum kräftigen Zwerchhaus, der hoch aufragenden Giebel- und breitgelagerten Schleppgaube. Aber auch
Tonnen- und Dreiecksgauben wurden schon früh (ab
1900) zur Belichtung des Dachraumes herangezogen.
42
Besondere Anforderungen/Baustaffel I
A
B
C
Unterschiedliche Formen von Dachgauben sind am
Einzelgebäude unzulässig.
c) Dachaufbauten sind als Giebel-, Schlepp-, Pult-,
Dreiecks-, Walm-, Stichbogen- oder Tonnengaube nur
zulässig, soweit ihre Breite 1,50 m und ihre Höhe 1,20
m nicht überschreitet. Die Summe der Aufbauten darf
die Hälfte der Dachbreite nicht überschreiten.
Dachgauben können störend in Erscheinung treten,
wenn sie durch ihre Größe die Form des Daches beeinträchtigen. Das ist regelmäßig der Fall,
• wenn eine Kastengaube auf der Schmalseite eines
Walmdaches klobig in Erscheinung tritt,
• wenn mehrere Einzelgauben zu einer einzigen (breitgelagerten ungegliederten) Gaube (sog. Hechtgaube)
zusammengefasst werden oder
• wenn die Dachgauben je Gebäude uneinheitlich
ausgebildet werden.
Rechtsprechungshinweise zur „Verunstaltungsfähigkeit“ von Dachgauben: VGH BaWü U.v. 8.10.1962
BaWü-VBl. 1963, 43; U.v. 5.7.1966 BRS 17, 88; BayVGH U.v. 5.5.1969 BayVBl. 1969, 319 = BRS 22, 125,
U.v. 4.4. 1973 BauR 1974, 117 = BRS 27, 113; B.v.
9.3.1976 BRS 30, 109; VGH BaWü U.v. 31.10.1979
BRS 39. 134; OVG Lüneburg U.v. 28.2.1977 BRS 32,
114.
Außer der Forderung, wonach Gauben je Gebäude einheitlich auszubilden sind, ist die Lage der Einzelgauben
im Hauptdachkörper besonders wichtig.
43
Besondere Anforderungen/Baustaffel I
Leitsätze: Dachgauben müssen in Lage, Ausbildung
und Proportion auf die Art und Gliederung der darunterliegenden Fassade bezogen werden.
a) die Mittelachse einer Dachgaube sollte mit der
Mittelachse einer Wandöffnung (Fensterachse) in den
Obergeschossen zusammenfallen (A) oder
b) die Mittelachse einer Dachgaube sollte mit der
Mittelachse der Mauerfläche zwischen zwei Wandöffnungen (Mauerschaft) in den Obergeschossen zusammenfallen (B);
c) je nach Organisation der Fassade ist auch eine
Kombination von A) und B) möglich.
Die ortsübliche - von Bauart und Baustil unabhängig
praktizierte - Dachdeckung in der Werner Altstadt ist
die Pfannendeckung. Pfannen sind aus Schale (Mulde)
und Abdeckung (Krempe) zusammengesetzte Dachziegel mit s-förmigem Querschnitt.
Rechtspfanne
Linkspfanne
Doppelkremper
First und Ortgang dürfen durch Dachaufbauten nicht
aufgelöst werden. Von Zwerchhäusern (Zwerchgiebeln)
ist ein angemessener Abstand zu halten. Anzustreben
sind folgende - in der Dachfläche zu messende - Abstände:
Leitsatz: Der Abstand einer Dachgaube zum Ortgang
(Giebel des Hauptdaches bzw. eines Zwerchhauses)
sollte mindestens 2,50 m betragen.
a) Der Abstand einer Dachgaube von der Firstlinie
des Hauptdaches sollte mindestens 1,5 m betragen.
b) Dachgauben sind am Gebäude in gleicher Höhe
anzulegen. Es sollten mindestens zwei, besser drei
Dachpfannenreihen unter ihnen hinweglaufen.
d) Dächer sind mit gebrannten Dachpfannen einzudecken. Grellfarbene, d.h. mit keramischer Grundmasse
überzogene Dachziegel, sowie glasiertes Material ist
ausgeschlossen.
Rechtsprechungshinweise zur Dachdeckung - Material
und Farbe: BayVGH U.v. 11.6.1969 BayVBl. 1970,
259; VGH BaWü U.v. 17.3.1966 ESVGH 16, 127 =
Bonenstraße 12: zu mächtig ausgebildete Pultdachgauben; vgl. auch Roggenmarkt 11
44
Besondere Anforderungen/Baustaffel I
Farbe der Dachdeckung in der Werner Altstadt auf der Rot-Braun-Skala (Orginal als Farbdruck)
Farbe der Dachdeckung in der Werner Altstadt auf der Grau-Skala (Original als Farbdruck)
BaWüVBl. 1966, 172 = BRS 17, 87; OVG Münster U.v.
29.7.1971 BRS 24, 120; BayVGH U.v. 8.5.1972 BRS
25, 124; OVG Münster U.v. 3.9.1976 BRS 30, 114;
OVG Lüneburg U.v. 4.12.1973 DVBl. 1975, 959; U.v.
12.5.1993 BRS 55, 129; OVG NW U.v. 7.11.1995
NVwZ 1996, 481 = BRS 57, 171.
Das letztgenannte Urteil ist nicht unumstritten. Hierhin führte des Gericht aus, dass die Farbbezeichnung
„rot-braun“ nicht hinreichend bestimmbar sei. Sie könne
dahingehend auslegbar sein, dass die gesamte Farbpalette von rot bis braun erfasst würde. Andererseits
ließe sich das Wort „rot-braun“ auch dahin interpretieren, dass damit eine aus beiden Elementen bestehende Farbmischung gemeint ist. Bis zu welchem Mischungsverhältnis dann die eine oder andere Farbkomponente in dem Ton der Dacheindeckung noch vorhanden
sein muss, sei nicht erkennbar. Die Grenzübergänge
seien ohne Farbmuster - etwa des RAL-Farbregisters der visuellen Wahrnehmung allein nicht mehr zugänglich.
Allerdings ist eine RAL-Nummerierung nur möglich
bei reinen (z.B. naturroten Ziegeln nach RAL 840 Nr.
2001). Nicht numerierbar sind demgegenüber durch
Farbzusätze erzeugte Changierungen, z.B. von Rot nach
Braun übergehende Farbwerte und Helligkeitsstufen.
Insoweit soll das oben dargestellte Farbmuster der RotBraun- und Grau-Skala den Spielraum verdeutlichen,
der die schützenswerte Dachlandschaft der Altstadt
durchweg prägt.
Eine Regel, wonach Fachwerkbauten primär mit rotbraunen, Ziegelbauten mit grauen oder Putzbauten
durch beide Farbskalen des Dachdeckungsmaterial geprägt sind, lässt sich nicht feststellen. Entscheidend ist
aber die Ensemblewirkung, z.B. am Fachwerkbestand
des Kirchhofs, auf die bei der Wahl der Dachdeckungsfarbe abzustellen ist.
Engobierungen, d.h. mit keramischer Grundmasse überzogene Dachziegel sowie glasiertes Material ist unzulässig. Glasierte Ziegeldächer wirken durch ihre glänzende Oberfläche im Altstadtbild störend, sie können
auch durch ihre Luftundurchlässigkeit zu Schwitzwasserbildungen an der inneren Dachhaut und damit zur
Zerstörung des Dachstuhles führen.
Die störende Anordnung von Regenfallrohren auf Fassaden oder sichtbaren Seitenwänden bedarf einer Korrektur. Fallrohre wirken dort besonders verunstaltend,
45
Besondere Anforderungen/Baustaffel I
Giebel sind in den vielgestaltigen Formen des Schildgiebels (auch bei Zwerchhausgiebeln) Merkmale des
münsterländisch geprägten Genius loci der Werner
Altstadt (zum Begriff und zur Typologie vgl. das Gutachten zur Denkmalbereichssatzung, Band II, S. 130ff).
Giebelformen bedürfen u.a auch zur Wahrung der
Luftraumsilhouette der Altstadtstraßen der pfleglichen
Gestaltlenkung. Es gilt die örtlichen Bauvorschrift
e) Hausgiebel sind bei schmalen straßenseitigen Grundstücksbreiten im gleichen Dachneigungswinkel und
symmetrisch auszubilden.
Leitsatz: Gegenüber Ortganggiebeln sind Schildgiebel
in der Form des Zwei- oder Dreistaffelgiebel auszubilden.
Schmale straßenseitige Grundstücke prägen das Werner
Straßenbild (divisio per strigas u.a. in der Stein- oder
Bonenstraße). In solchen Situationen sollte der Hausgiebel als Reflex auf die Grundstückbreite aufgefasst
werden, wobei die Ausbildung gleicher Dachneigungswinkel, d.h. der Giebelschrägen, Geltung beansprucht,
was schon in der Gestaltungssatzung von 1973 so verbindlich festgeschrieben war.
Realiter aber blieb diese Bauvorschrift in der erklärten
Absicht, einheitliche Giebelformen auszubilden, wirkungslos, weil der Bauherr jederzeit durch Abschleppung des Daches auf unterschiedliche beidseitige Traufhöhen seines Hauses, Zwitterformen eines Giebelverschnitts erzeugen konnte. Deshalb gilt nunmehr in Ergänzung des gleich auszubildenden Dachneigungswinkel, dass Giebelfelder symmetrisch, d.h in gleicher
Traufhöhe auszubilden sind.
Störender Verlauf von Regenfallrohren
wo sie gliedernde Fassadenteile zerschneiden, vor allem
dann, wenn sie schräg über Wandflächen geführt sind,
oder mit Anlagen der Außenwerbung optisch konkurrieren. Das ist in der Werner Altstadt häufig der Fall.
e) Regenfallrohre dürfen nicht schräg über Wandflächen verlaufen. Ihre Farbgebung hat sich den hinter
ihnen liegenden Wandflächen anzupassen.
Giebelverschnitt durch asymmetrische Formen, aber
gleichem Dachneigungswinkel
46
Besondere Anforderungen/Baustaffel I
Der letzte Satz, wonach straßenseitige Giebel nicht nur
als Ortganggiebel, sondern bevorzugt als Schildgiebel
in den traditionell überlieferten Formen des Zwei- oder
Dreistaffelgiebels zu gestalten sind, dürfte nicht unumstritten sein.
Dreistaffelgiebel
Zweistaffelgiebel
Ad § 5 Abs. 3 Baukörpergliederung
Sollen zur Errichtung von Neubauten mehrere Grundstücke vereinigt und in einem Baukörper zusammengefasst werden, so ist die Fassade entsprechend der
historischen Parzellierung oder Bauweise der näheren
Umgebung in Fassadenabschnitte zu gliedern.
Auch in der geschlossenen Bauweise drücken sie die
ortstypischen (schmalen) Parzellenbreiten in der „Körperlichkeit“ der Einzelgebäude aus und wirken somit
als „maßstabsgebenden Rahmen“ auf das Erscheinungsbild der Altstadt ein. Immer haben Parzellenbreiten in der Gliederung selbst geschlossener Raumwände einen prägenden Einfluss genommen. Deshalb
muss diese Gliederung auch und gerade bei der Vereinigung mehrerer Parzellen bei einer Neubebauung
erkennbar bleiben.
Gegen diesen Grundsatz haben insbesondere Neubauten der Stadtkernsanierung verstoßen. Sie bleiben
Übereinstimmung von Baukörper, Giebel und Parzellenmuster, Steinstraße
Zu den Eigenarten der Altstadt-Architektur
der 70er und 80er Jahre gehören Verstöße
gegen die Ablesbarkeit des historischen
Parzellenmusters und somit Maßstäblichkeit der Bebauung, im wesentlichen:
• durch das Anbringen von parzellenübergreifenden Kragkästen oder horizontal
über mehrere Gebäudebreiten entwickelte
Gestaltmerkmale, wie u.a. Beton-Brüstungen (Brutalismus).
• durch eine parzellenunabhängige Übergiebelung von Fassadenabschnitten = Giebelseligkeit durch kontradiktorische Giebel, Halbgiebel und angeschnittene Giebelfragmente.
47
Besondere Anforderungen/Baustaffel I
dem Wesen der Altstadt fremd, weil sie „nicht Maß halten“ und als maßstabssprengender Eingriff in Erscheinung treten.
Zur Veranschaulichung gelten folgende Leitsätze:
Fassadenabschnitte können durch folgende Gliederungselemente gebildet
werden:
a) durch Unterschiede in der First- oder Traufhöhe;
b) durch Vor- und Rücksprünge aus der Bauflucht;
c) durch den Wechsel von Trauf- und Giebelstellung (Zwerchhäuser/
Zwerchgiebel);
d) durch Materialwechsel (Sichtmauerwerk und Verputz);
e) durch unterschiedliche Farbgebung des Außenputzes;
f) durch Kombination der Gliederungsmerkemale a-e.
Bei der Vereinigung mehrerer Parzellen
im Rahmen einer Neubebauung sollten
die Gestaltwerte der Maßstäblichkeit und
Proportion erkennbar bleiben.
Das Prinzip der Ablesbarkeit parzellenbezogener Baukörper gilt auch bei
über mehrere Grundstücke verlaufende Kragkästen (vgl. Vordächer § 5
Abs. 5 dieser Satzung/Gutachten S. 22) und bei überbauten Bauwichen
(Traufgassen vgl. auch § 4 Abs. 6 dieser Satzung/Gutachten S. 32ff).
Fassadenabschnitte können gebildet werden durch Unterschiede in den First- und
Traufhöhen.
Fassadenabschnitte können gebildet werden durch Vor-und/oder Rücksprünge von
der Baulinie.
Fassadenabschnitte können gebildet werden durch Staffelung der Geschosse (Überhänge und/oder Einsprünge).
Fassadenabschnitte können gebildet werden durch den Wechsel von Traufen- und
Giebelstellung (Zwerchhäuser/-giebel).
Fassadenabschnitte können gebildet werden durch unterschiedliche Farbgebung
des Außenputzes (bzw. Wandbaustoffen).
Fassadenabschnitte können gebildet werden durch Varietät des Befensterungsmusters.
48
Besondere Anforderungen/Baustaffel I
Schaufenster mit Vitrinenmotov (Umzeichnung), Steinstraße 13, Architekt: Michael Jardin, 1990
Ad § 5 Abs. 4) Neue Schaufenster
Neue Schaufensterformen sollten den Motiven klassischer oder der tradierten Tür-Fenster-Architekturen
folgen. Tradierte Formen in der Altstadt sind das Kolonnaden-, Arkaden- und Vitrinen-Erker-Motiv.
Bis in die 60er Jahre hinein blieben die fensterrahmenden Wandflächen weitgehend intakt erhalten. Erst mit
dem Aufkommen der Kragplatten und Kragkästen ab
Mitte der 60er Jahre fand die völlige Verglasung der
Erdgeschosszonen und somit der Verlust maßstäblicher
Wandgliederungen statt. Ohne jedes Verständnis für
kleinteilige, in sich geschlossene Strukturen wurden
überdimensionierte Kaufhauselemente einfach auf die
historische Vorkriegsarchitektur übertragen. Die Altstadt erhielt ein „modernes” Großstadt-Outfit: Beliebige Gleichmacherei statt unverwechselbare Individualität, Einsatz von durchaus legitimen Mitteln am untauglichen Objekt.
Seit den 80er Jahren ist das Unbehagen der Bürger
an den allenthalben sichtbaren Brutalismen im Städtebau gewachsen und damit auch die Erkenntnis, dass
die großformatige Präsentation der Waren nicht notwendigerweise auch den Umsatz steigern muss. Die
Neugierde des Kunden wird häufig erst durch den
Rahmen eines kleinteiligeren, die Ausstellungsstücke
einfassenden Schaufensters geweckt. Diese Einsicht
machte den Blick auch wieder dafür frei, dass ein Haus
als Einheit geplant und gebaut wurde, ein Auseinanderdividieren in horizontale Schichten weder dem Einzelobjekt noch dem Straßenraum bekommt. Auch die
Verkaufsstrategien haben sich gewandelt: Angenehme,
gemütvolle, gediegene Atmosphäre fördert eher die
Kauflust.
Das Schaufenster der Gegenwart folgt insoweit dem
Leitbild eines „Corporate-Design-Programms” und versucht dem Kunden gegenüber ein positives leistungsfähiges Image des Unternehmens mit der Prägnanz
eines Firmen-Logos zu vermitteln. Weder die Größe
der Schaufläche, noch die Zahl der in ihr ausgestellten
Waren bestimmt hierbei den Werbeappell, sondern einzig und allein die ausdrucksstarke, memetisch wirksame
(= im Gedächtnis haftende) Körpersprache der Schauöffnung. Häufig sind Schaufenster auf den Eingang hin
fokussiert entwickelt, um den psychologischen Zugangswert (Aufforderungscharakter) eines Ladens zu erhöhen.
Corporate Design ist ein Mittel zur Identitätsfindung.
Es ist das geplante, umfassende Design-Programm,
das alle Objekte, Dienstleistungen und Einrichtungen
eines Unternehmens mit einheitlichen - aber nicht unbedingt gleichen - und klaren Gestaltungsmerkmalen
prägt. Corporate-Design ist Identitätsdokument. Es
erschließt neue Möglichkeiten zur Gewinnung von
Vertrauen. Es ist ein „stilles” Werbemittel; seine assoziativen Mittel finden leichter Aufnahme als die schnell
verbrauchte Selbstanpreisung. Zuverlässigkeit, Kompetenz oder Innovationsfähigkeit sieht man, darauf brauchen „Sprüchemacher” nicht dauernd hinzuweisen.
Ein gut gestaltetes Erscheinungsbild unterstützt das
Unternehmen dabei, ein kulturelles Ansehen zu gewinnen und so einen positiven Beitrag zur Alltagsästhetik
von Stadtgestalt zu leisten.
49
Besondere Anforderungen/Baustaffel I
Schaufenster der Postmoderne (Umzeichnung), Steinstraße 25. Architekten: Dieter Weber + Roland Klopsch, 2000
Die Stilgeschichte der Schaufenster in der Werner Altstadt ist im Gutachten zur Denkmalbereichssatzung
(Band II, S. 155ff) näher erläutert und dargestellt. Aus
ihr lassen sich vielgestaltige Anregungen für die Wahl
eines prägnanten Schaufenstermotivs entnehmen.
Das Kolonnadenmotiv
Kolonnade (vom frz. colonne = Säule) bezeichnet die
ein- oder auch mehrreihige Abfolge von Säulen (Säulengang) mit waagerechtem Gebälk (= Architrav). Das
Kolonnaden-Motiv ist bis in das erste Jahrzehnt des 20.
Jhs. für die Gestaltung von Schaufenstern sowohl bei
Neu- als auch bei Umbauten am häufigsten verwendet
worden: Halbsäulen bzw. Pilaster treten zusammen
mit einem Postament und dem mächtig profiliertem
Gebälk leicht vor die Fassadenflucht.
Das Kolonnaden-Motiv bedarf, damit die Erdgeschosszone nicht optisch aufgelöst erscheint, der sicheren Gründung durch einen mächtigen Sockel und der
abschließenden Rahmung durch verstärkte Gebäudeecken. Letzteres kann durch gekuppelte Pfeiler bzw.
Pilaster oder durch einen kräftigen Mauerpfeiler erfolgen. Die Betonung des Ladeneingangs erfolgt durch
Unterbrechung des Architravs (Gebälk).
Schaufenster dieser Art nehmen gelegentlich die repräsentative Wirkung eines Portikus an. Neueste Bauten
der Postmoderne verwenden gern das KolonnadenMotiv: Kräftige Rundpfeiler (ohne Basis und Kapitell) in
mattseidener Farbfassung (bevorzugt blau gestrichen)
rahmen die elegant, zeitlos überdauernd wirkende
Schauzone.
Das Arkadenmotiv
Arkatur (vom lat. arcus = Bogen) ist eine auf Stützgliedern ruhende, fortlaufende Reihe von Bogenstellungen.
Sie erinnert an die Tradition der Kaufläden unter Lauben
und Bogengängen und galt deshalb als eine besonders
repräsentative Form für Einzelhandel oder Läden mit
Spezialangeboten. Beliebt war dieses Motiv zwischen
1898 und 1905. In die meist rahmenlose Wandöffnung
wurde eine aus Eisenwerk hergestellte Arkatur in der
Form des Konsol- bzw. Kragsturz oder Schulterbogens
eingestellt Echte Bogenformen (Korb-, Segment- oder
sogar Halbkreisbogen) sind selten und wenn nur an
gequaderten Massivbauten der Neorenaissance verwendet worden.
Das Erkermotiv
Eine der frühesten Formen der Schauöffnung sind
Glasfensterauslagen, auch als „Erker” bezeichnet wurden. Meist waren sie als vorgehängter Kasten ausgebildet oder entstanden durch Verbinden des Schutzdaches und des Ladentisches mittels Pfosten und Fensterrahmen. Das Erker-Motiv gilt als eine ausdrucksstarke und ästhetisch überzeugende Form des Rückbaus
von Schaufenstern im Verständnis einer CorporateDesign Identity. Ein richtungsweisendes Beispiel gibt
der Umbau einer Schaufensteranlage (Abb). Unter
Besondere Anforderungen/Baustaffel I
Schaufenster des Historismus im Kolonnaden-Motiv
Schaufenster des Historismus im Arkaden-Motiv
Umbau eines Schaufenster des Historimus
im Vitrinen-/Erker-Motiv
50
51
Besondere Anforderungen/Baustaffel I
Schaufenstermotive, Steinstraße 41/Ecke Auf dem Berg, Bauantrag von 1994 und der realisierte Vorschlag, Architekt
Michael Jardin.
Wahrung der originalen Zierstützen sind flache Polygonalerker (Schaukästen als Aufmerksamkeitsbrennpunkte) in die ursprünglichen Wandöffnungen eingefügt. Lösungen dieser Art überzeugen im Unterschied
zu den bloß abgeklebten Schaufenstern durch ihre
Körperlichkeit und im Gegensatz zum Vitrinen-Motiv
durch ihre aufrechtstehende, aktiv wirkende Formatgebung.
gemäßer Gestaltung immer noch richtungsweisend sein
können.
Als klassische Motive für Schauöffnungen an Massivbauten können beispielsweise gelten:
Das Vitrinenmotiv
Bereits in den 50er Jahren begann die Umwandlung
der Erdgeschosszonen durch große Schaufenster in
vitrinenartige Form (vom lat. vitrum = Glas, Schrank
mit Glaswänden, Schaukasten). Dort, wo sie originär
Bestandteil von Neubauten waren, stellen sie heute
noch eine reizvolle, eigenständige Architekturleistung
dar; dort, wo sie in ältere Bauten eingefügt wurden,
blieb durch ihre Flächigkeit die Proportion des Hauses
weitgehend erhalten.
An Altbauten charakteristisch ist der in die Wandöffnung hineingestellte, regelmäßig breitformatige Schaukasten, der leicht gegenüber der Fassadenflucht vorkragt. Diese Art der Gestaltung knüpft an die Tradition der frühen Schauerker an. Dabei blieben die alten
Wandöffnungen einschließlich ihrer Rahmung meist
unverändert und damit auch das ausgewogene Verhältnis von Wandfläche und Wandöffnung.
Auf der Suche nach ausdrucksstarken SchaufensterMotiven muss „das Rad nicht jedesmal neu erfunden“
werden. Die klassische Formensprache vermittelt ein
reiches Repertoire an logoartigen Motiven, die in zeit-
Schauöffnung eines Modeherrengeschäftes in Zürich,
1982
52
Besondere Anforderungen/Baustaffel I
Motiv des Thermenfensters
Das Thermenfenster = ein Halbkreisfenster mit zwei
eingestellten Pfeilern. Thermenfenster stehen traditionell für Freizeit und Erholung (also z.B. für Reisebüros)
und sind fast eine Symbolform für Optikläden, aber
auch Weinhandlungen (→ Kauf-/Gewölbe-Motiv).
Motiv der Serliana
Die Serliana bezeichnet eine dreiteilige Wandöffnung,
deren mittlerer Teil durch einen Bogen (in Abwandlung
auch durch einen Giebel), die beiden äußeren Teile
aber durch ein Gebälk (Architrav) abgeschlossen sind.
Die Form ist für alle Läden geeignet, weil sie an die
traditionelle breitgelagerte Schauöffnung anknüpft,
aber - im Unterschied zu ihr - den Ladeneingang durch
andersartige Bekrönung hervorhebt.
Ädikula-Motiv an einem Wiener Geschäftshaus
Motiv der Ädikula
Die Ädikula ist jede aus Stützgliedern (Säulen, Pfeilern,
Pilastern) und einem Giebel in Dreiecks- oder Segmentbogenform bestehende Rahmung von Wandöffnungen. Sie kann der Öffnung vorgesetzt oder in sie hineingestellt sein. Ädikulen stellen die exklusivste Form
einer Schaufensterform dar, weil sie - in Verbindung mit
den Schauflächen - dem Ladeneingang einen „Portalcharakter“ geben können.
Die Oberlichtbrücke; sie entsteht, wenn das Oberlicht
von der sonstigen Schauöffnung durch einen Mauerwerksteil abgetrennt ist und deshalb (über der Tür angeordnet) als selbständige Wandöffnung in Erscheinung
tritt.
Oberlichtbrücken-Motiv an einem Wiener Geschäftshaus
53
Besondere Anforderungen/Baustaffel I
Motiv der Oberlichtbrücke
Ad § 5 Abs. 4a)
Schaufenster dürfen einschließlich der Ladeneingänge
nicht die gesamte Breite eines Gebäudes (Fassade) einnehmen.
Immer besteht die Gefahr, dass sich die Erdgeschosszone
zu einem gegenüber der darüber liegenden Fassade
selbständigen Gestaltungsbereich entwickelt. Horizontal durchgehende Schaufenster ohne gliedernde vertikale Unterbrechung (Wandpfeiler) und mit Kragplatten
trennen die Erdgeschosse von der Architektur der Obergeschosse. Geschieht dies bei mehreren Gebäuden, so
„schwimmen“ die Fassaden optisch im Straßenbild, die
Raumkante verliert an Boden.
Als Richtwerte können gelten:
• die Mauerpfeiler an den Gebäudeecken sollten
mindestens 0,50 m die Pfeiler zwischen Schaufenstern oder zwischen Schaufenster und Ladeneingang
mindestens eine Breite von 0,377 m haben.
oder:
• die Summe aller tragenden Pfeiler oder Wandflächen
sollte mindestens 1/4 der Fassadenbreite einnehmen.
Ad § 5 Abs. 4b)
Bis zum Straßenboden herabgezogene Glasflächen sind
zu vermeiden. Schaufenster sollten entweder einen Sokkel von mindestens 0,30 m oder eine entsprechend
deutlich wahrnehmbare Schutzvorrichtung erhalten.
Gebäudesockel (= Außenwandzone in der Regel bis
Oberkante Fußboden Erdgeschoss) haben als „unterer
Absatz eines Bauwerks“ zweierlei Bedeutung: Ein Sockel
soll durch seine Stärke eine Gebäudewand abschließen,
zugleich aber auch durch seine Material- und Farbgebung einen (optisch verträglichen) Übergang zwischen Boden und Bauwerk herstellen.
Diese Vorschrift des Abs. 4b trägt insbesondere den
Belangen alter Menschen Rechnung. Alte Menschen
besitzen eine nur beschränkte Konturwahrnehmung.
Sie wird benötigt, um die Grenze zwischen zwei nebeneinanderliegenden, kontrastierenden Oberflächen zu
erkennen.
Wenn beispielsweise zwei intensive Farben, wie Rot
und Grün, aneinanderstoßen, wird dieses Problem besonders schwierig. Die Grenze wird visuell instabil, weil
die Intensität der Farben diese als überschneidend er-
kennen lässt, so dass die Grenze, falls man sich auf
diese konzentriert, sich hin und her zu bewegen beginnt.
Die Schwierigkeit wird zur Gefahr, wo alte Menschen
Böden von Wandflächen unterscheiden müssen. Das
Gegenteil des Problems der instabilen Grenze ist das
Verschwinden von Grenzen. Nah verwandte Farben,
wie Blau und Grün, tendieren, bei der altersspezifischen
Wahrnehmungsunschärfe, ineinander überzugehen.
Auch daraus resultiert das Problem des nicht Unterscheidenkönnens von Wand- und Bodenflächen.
Bei der Abstimmung von Sockel- und Gehwegbelägen
vor Schaufenstern gilt der Leitsatz:
• Schaufenstersockel sollten sich in Material und Farbe
deutlich von der Bodenfläche des öffentlichen Raumes unterscheiden.
Für den Bodenbelag und Treppenstufen vor Ladeneingängen müssen alle Farben, die an Eis und Gleiten erinnern (wie helle Grünblautöne mit Glanz) vermieden
werden. Glasartige Böden sind denkbar ungeeignet.
Man kann Glas nicht „fühlen“, d.h. ertasten, auch
wenn man weiß, dass es haltbar ist.
Leitsatz: Das Gesetz der Musterung von Bodenbelägen
(= motorische Leitfunktion) muss dem der angrenzenden
Gebäudesockel (Wandflächen = sensorische Leitfunktion) grundsätzlich widersprechen.
Ad § 5 Abs. 4c)
Seitliche Flächen, Sockel oder Brüstung sowie Sturzfeld
der Schaufenster sollten aus gleichen Wandbaustoffen
bestehen. Die Materialgebung der Wandflächen im
Erdgeschoss kann von jener der Obergeschosse abweichen.
Diese Vorschrift ist selbstverständlich und bedarf keiner
weiteren Erklärungen. Die störende Wirkung kann durch
Rahmung, Wandgliederung oder Farbe gemildert werden, indem die Schauöffnungen optisch aneinander angeglichen werden.
Im übrigen gelten die auch bei Neubauten die Vorschrift
aus der Werbeleitsatzung, wonach Schaufenster weder
zugestrichen oder zugedeckt werden dürfen. Ein Bekleben durch Plakate, deren Gesamtfläche größer als
1/4 der Gasfläche des jeweiligen Fensters beträgt ist
nicht erlaubt.
Ladeneingangspassagen
Der Begriff Passage wird hilfsweise auch für in die Tiefe
entwickelte Ladenzugänge benutzt, soweit diese beiderseits mit den Schaukästen eines oder mehrerer Ladenlokale ausgestattet sind (= Ladenzugangspassage). In
größerer Ausdehnung und mit freistehenden Schaukästen
ausgestattet, werden sie auch als Vitrinenpassage bezeichnet.
Besondere Anforderungen/Baustaffel I
54
Ladenzugangspassage (um 1915). Schaufensteranlage
mit zwei abgerundeten Fenstern. Völlige Verglasung der
Wandfläche durch zurückgesetzte Stützen.
Vitrinenpassage (um 1915). In die Haustiefe
entwickelte, große Schaufensteranlage mit frei
eingestelltem Schaukasten.
In der Werner Altstadt kommen Ladenzugangspassage
vor, deren Breite und Tiefe (bzw. Rücksprung aus der
Bauflucht) das Raumprofil der Straße im Erdgeschoss
differenziert und belebt. Ihre Grundfläche ist meist die
des Rechtecks oder - besonders bei spännerartiger Erschließung von Ladeneinheiten - die des Dreiecks oder
des Trapezes; sie kann aber auch sägezahnartig entwickelt sein
Problematisch erweisen sich aber die in den 70-80er
Jahren beliebten Kragkästen über Ladenzugangspassagen, in deren Schlagschatten nicht nur die Schauöffnungen, sondern auch die Ladenzugangspassagen
„höhlenartig“ verschluckt werden, was ihren psychologischen Zugangswert - insbesondere bei schlechten
Witterungsverhältnissen - auf ein Minimum reduziert.
Im nächtlichen Erscheinungsbild erzeugt diese Konstellation potentielle Angst-Räume, sofern sie nach Ladenschluss nicht durch ein (Scheren-)Gitter oder sonstige
Verwahrung abgeschlossen sind.
Glasvordächer nehmen den Ladeneingangspassagen
ihren tief verschatteten „höhlenartigen“ Charakter und
erhöhen somit den psychologischen Zugangswert eines
Ladenlokals im Straßenbild. Deshalb gilt hier § 5 Abs.
4d als örtliche Bauvorschrift:
In die Tiefe des Erdgeschosses entwickelte Ladenzugangs- und/oder Vitrinenpassagen sind nur zulässig
bei Gebäuden mit Glasvordächern oder temporären
Markisen. Bei massiven Kragplatten oder Kragkästen
sind sie auszuschließen.
Steinstraße 29: Ladeneingangspassagen unter einem
Kragkasten sollten der Vergangenheit angehören, wenn
der Kragkasten nicht durch ein Glasvordach ersetzt wird.
55
Besondere Anforderungen/Baustaffel I
Ad § 5 Abs. 5 Vordächer
Kragplatten und Kragkästen widersprechen der historisch geprägten Eigenart des Altstadtbildes und sind
deshalb unzulässig. Außer Markisen dürfen nur Glasvordächer verwendet werden; sie sind auf die Schaufensterformate abzustimmen und entsprechend zu gliedern. An Sichtfachwerkbauten sind Vordächer nur als
Wetterdächer über Hauseingängen und auf die Fensterformate abgestimmte Markisen oder Schwebedächer
zulässig.
Vordächer schützen Laden- und Hauseingänge, insbesondere Schaufenster vor Regen und Sonne. Sie
geben der Erdgeschosszone einen körperhaften oberen
Abschluss und betonen die Haus- und Ladeneingänge
in der Bauflucht, schirmen sie gegen den „Druck“ des
Straßenraumes ab und sind zugleich offen. Solche aus
der Traufleiste historisch entwickelte „Wetterdächlein“
über Türen und Fenstern hat es schon in älterer Zeit gegeben, meist in der Konstruktion des sog. Klebedaches.
Kragplatten über Schaufenstern sind erst in der Nachkriegszeit üblich geworden. Früher hatten ausfahrbare
Markisen ihre Aufgabe als Sonnenschutz übernommen.
In den 70er und 80er Jahren setzt sich der Kragkästen
durch, dessen Ansichtshöhe gelegentlich sogar seine
Auskragungstiefe erreichen kann. Dazu kommen Zwitterformen. Das sind solche, die sich aus der Kombination
von Kragplatte und vorgeschalteter Markise zusammensetzen oder noch viel störender aus Kragkasten und an
ihnen montierter Markise. Zu unterscheiden sind ausfahrbare und starre Markisen, letztere in den Formen
des Korb, Kasten- oder Raupendaches. Seltener finden
sich transparente Glasdächer mit filigranen Stahlträgerkonstruktionen.
Rechtsprechungshinweise zur „Verunstaltungsfähigkeit“ von Kragplatten und Kragkästen: VGH BaWü
U.v. 8. 10.1962 BaWüVBl. 1963, 43; U.v. 13.5.1961
ESVGH 10, 199; U.v. 13.9.1966 BRS 17, 86. Über Markisen: VGH Kassel U.v. 17.12.1958 DVBl. 1959. 827;
Mit Ziegeln überdeckte Traufleiste als Vorläufer der
Kragplatte
VGH BaWü U.v. 30.10.1981 BWVPr. 1982, 89 = DBBl.
1982, 1151; OVG Lüneburg U.v. 5.9.1985 BRS 44,
124.
Kragplatten
Kragstein heißt der Stein, der, wie der Kragen über seinen Träger (Hals), aus der Mauer hervortritt. Kragdach
ist insoweit ein Vordach, das an einem Ende eingespannt und am anderen frei ausladend entwickelt ist
und zwar in Form einer Platte, die sowohl nach vorn
wie nach hinten geneigt oder auch als bogenförmige
Schale geformt sein kann. Entwickelt hat sich die Kragform aus mit Ziegeln bedeckten, über Wandöffnungen
angeordneten Traufleisten, die als ein „Pseudo“-Vordach die Funktion des Regenschutzes übernehmen
sollten. Kragdächer, auch solche in Schalenform, waren
über Hauseingängen besonders in den 20er Jahren beliebt.
Soweit erkennbar, sind Kragplatten in jüngster Zeit
an Neu- und Umbauten nicht mehr errichtet worden;
sie sollten jedenfalls ausgeschlossen werden.
Kragplatten an Fachwerkbauten sind ein grober Unfug. Hier sollten traditionelle Wetterdächer über Haus-
Typisches Klebedach über einem Schaufenster der späten 20er Jahre
56
Besondere Anforderungen/Baustaffel I
Frühe Kragplatten in Schalenform über Hauseingänge (um 1905)
eingängen zugelassen werden, wenn sie in maßstäblicher Größe den stehenden Formaten Hauseingänge
angepasst sind. Ihre Ausladung darf nicht mehr als
0,80 m und ihre Ansicht nicht mehr als 0,15 m betragen.
Kragkästen
Kragkasten ist ein trägerfreier, aus der Fassade vorragender Bauteil, dessen Ansichtshöhe zwecks Anbringung von (Leucht-)Transparenten der Außenwerbung
seine Auskragungstiefe erreicht und häufig sogar übersteigt. Kragkästen sind eine Erfindung des Brutalismus
der 70er Jahre. Seinerzeit als Ausdruck eines „modernen“ City-Outfits verstanden, können sie gewaltige
Ausmaße annehmen: Ansichtshöhen von bis zu 3 m
bei einer Ausladung von 2 m und Länge von über 10
m sind keine Seltenheit. Häufig sind unter ihnen noch
bewegliche Markisen angebracht, was den Passantenblick auf die Fassade völlig versperrt. Jedenfalls stellt
ein Kragkasten innerhalb einer kleinteilig vertikalen Fassadengliederung einen unverträglichen Eingriff dar.
Derartige Bombarden widersprechen der historischen
Eigenart und Kultur der Werner Altstadt. Im übrigen
gelten Kragkästen dann als besonders problematisch,
wenn sie über die gesamte Gebäudebreite oder gar
über mehrere Gebäude in gleicher Form, Ausladung
und Höhe durchlaufen, den Blick auf die Obergeschosse
versperren und darüber hinaus das historisch überkommene Parzellenmuster maskieren.
Der folgende Leitsatz bedarf angesichts der rücksichtslosen Brutalität von Kragkästen im Straßenbild
insoweit keiner weiteren Begründung:
Bombastischer Kragkasten (Ausladung 2,00 m, Höhe 3,00 m) von 1979
57
Besondere Anforderungen/Baustaffel I
Parzellenübergreifender Kragkasten im Umbauentwurf Bonenstraße 34-32 von 1974 (Umzeichnung)
Kragkasten im Umbauentwurf Markt 16-18 von 1986 (Umzeichnung)
58
Besondere Anforderungen/Baustaffel I
Vorhandene Kragkästen geniessen Bestandsschutz. Es
gilt aber der Leitsatz:
Bei genehmigungspflichtigen Maßnahmen im Sinne
von § 3 dieser Satzung sind bestehende Kragkästen zu
beseitigen und ggfs. durch Glasvordächer zu ersetzen.
Der Werner Architekt Michael Jardin hat gezeigt, dass
prismatische, nach vorne spitz zulaufende, kragkastenartige Vordächer einen verträglichen Umbau darstellen
können, wenn sie harmonisch in das Schaufenstertableau kombiniert sind (vgl. Steinstraßen 13). Solche
Formen können abweichend vom Kragkastenverbot
zulässig sein.
Ad § 5 Abs. 5a-b Glasvordächer und Markisen
a) Die Mindesthöhe von Glasvordächern und Markisen über Gehweg bzw. Straßenoberfläche beträgt
2,50 m bei einer höchstzulässigen Auskragungstiefe
von 1,20. Bei beweglichen Markisen ist eine Auskragungstiefe bis zu 2,00 m gestattet;
b) Glasvordächer aus getöntem Glas sind zulässig.
Ornamentglas, grellfarbiges und/oder spiegelndes Glas
darf nicht verwendet werden.
Unzulässige Kragkasten-Bombarde
Glasvordächer werden erst im späten 19. Jh. üblich.
Das für diese Zeit insbesondere über Ladeneingängen
typische Vordach hat die Form eines gewöhnlichen
oder nach beiden Seiten abgewalmten Pultdaches. Als
Muster zur konstruktiven Durchbildung eines Glasdaches (um 1900)
59
Besondere Anforderungen/Baustaffel I
Aufwendige Glasdachkonstruktion von 1990. Die Auskragungstiefe beträgt 1,20 m, über dem Ladeneingang um
0,40 m erweitert. Die Stirnblende des Glasdaches (zur Aufnahme von Werbeschriften) beträgt 0,35 m, die Schrägansicht des Daches beträgt 0,45 m, der lichte Abstand zur Gehwegfläche 3,00 m. Problematisch hier die bis zum
Gurtgesims hochgeführten Konstruktionsstreben.
Gläserne einfache Pultdachform an einem Gebäude der Postmoderne von 1992
Sparren dienen T-Eisen, als Pfetten, auf denen jene
lagern, kleine U-Eisen; die Firstpfette kann ein Winkeleisen sein. Im Falz der Sparren liegen die Glastafeln und
werden festgekittet. Die Pfetten des Daches werden
durch konsolartige Träger gestützt, die insbesondere
im Späthistorismus als dekoratives Gitter- und Rankenwerk ausgebildet werden.
In nennenswertem Umfang treten Glasvordächer in
der Werner Altstadt erst Ende der 80er Jahre auf. Man
hatte erkannt, dass transparente Glasdächer als Sonnenund Wetterschutzelemente in filigraner Stahlkonstruktion sich angemessener in die historische Bausubstanz
einfügen als massive Kragplatten oder Kragkästen.
Die Grundform des Glasvordaches variiert zunächst: es
ist das einfache Pultdach oder das (seitlich) gewalmte
Pultdach. Realiter aber setzen sich besondere Varianten
durch:
Besondere Anforderungen/Baustaffel I
60
Das einfache (sprossenlose) Pultdach als gliedernde Einfügungsart in die Öffnungstektonik des Erdgeschosses stellt
die beste Lösung für ein Glasdach dar.
Pultdächer mit seitlicher, vorderer und hinterer Blende sind
unzulässig, weil sie durch ihre Mächtigkeit der transparenten
Leichtigkeit des Glasvordaches widersprechen.
Die Ausladungstiefe von Glasdächern darf variieren. Der
Tiefensprung ist zulässig, er sollte dann aber motiviert
sein, z.B. durch die größte Tiefe über Ladeneingängen.
Glasdächer mit seitlicher Blende sind zulässig. Trotzdem
sind einfach Pultdachformen anzustreben.
Jeder Höhenversatz eines Glasdaches wirkt unruhig und konfligiert im Regelfall mit der Horizontalität von Gesimsen. Er
ist insoweit unzulässig.
Glasdach mit seitlicher und hinterer Blende. Problematisch
hier die bis zum Gurtgesims hochgeführten Konstruktionsstreben.
61
•
•
•
•
das geknickte Pultdach mit seitlichen Blenden,
das geknickte Pultdach mit vorderer (Stirn-)Blende,
das geknickte Pultdach mit hinterer (Wand-)Blende,
die Kombination mit seitlicher, vorderer und /oder
hintererBlende.
Offensichtlich gestaltgebend war beim geknickten Pultdach immer die Überlegung, Werbetransparente an
ihm anbringen zu können. Hier nun die Leitsätze:
Glasvordächer wirken am besten, je einfacher die Grundform in Erscheinung tritt. Das ist beim einfachen Pultdach der Fall, das nur aus einer Scheibe und Stützkonstruktion bestehend den Charakter eines „Schwebedaches“ annehmen kann.
Pultdächer mit seitlicher, vorderer und hinterer Blende
widersprechen durch ihre Mächtigkeit der transparenten
Leichtigkeit des Glasvordaches. Sie sind deshalb zu vermeiden.
Die Ausladungstiefe von Glasdächern darf variieren.
Der Tiefensprung sollte dann aber motiviert sein, z.B.
durch die größte Tiefe über Ladeneingängen.
Jeder Höhenversatz eines Glasdaches wirkt unruhig
und konfligiert im Regelfall mit der Horizontalität von
Gesimsen.
Abgewalmte Pultdächer (mit trapezförmiger Ansicht)
sind zu vermeiden. Werden sie mit Stirnblenden verbunden, so erinnern solche „Haubendächer“ an Abzugs- bzw. Kaminhauben mit Entsorgungscharakter.
Besondere Anforderungen/Baustaffel I
Bastardformen sind unzulässig, z.B. die Kombination
von Blechkästen und aufliegender Glasscheibe.
Glasdächer sollten nicht zu hoch angeordnet werden,
weil sie dann wirkungslos bleiben. Ihre lichte Höhe
sollte zwischen Straßenbodenniveau und Unterkante
Trauflinie des Glasdaches mindestens 2,25 m betragen.
Die Auskragungstiefe des Glasdaches gegenüber
der Fassade richtet sich nach den örtlichen Verhältnissen. Sie sollte zwischen 1,00 bis 1,20 m betragen.
Die Farbfassung der Trägerkonstruktion ist traditionell schwarz, in der Nachkriegszeit auch goldeloxiert,
in der Postmoderne gern tiefblau.
Ad § 5 Abs. 5c-d Markisen
Markisen sind ein nach der Marquise Pompadour benanntes, bewegliches, d.h. aufrollbares Sonnendach
aus einem kräftigen, dichten Körpergewebe aus Leinen,
Baumwolle oder Kunststoff. Neben den beweglichen
Markisen (Rollmarkisen) gibt es sie auch in halbstarrer,
d.h. kippbarer Form (sog. Raupendach) sowie als unbewegliche (starre) Markise in Korb-, Tonnen-, Haubenoder Baldachinformen.
Rollmarkisen sind die tradionelle Form des Schutzes
über sonnenempfindlichen Ladenlokalen (z.B. Metzgereien, Drogerien, auch Buchhandlungen oder Textilund Lederwarengeschäften). Sie fügen sich gut in die
Tektonik historistischer Fassaden ein: Ihre leichte und
temporäre Erscheinung bildet einen klaren Kontrast
Ausschließlich bewegliche Markisen (sog. Rollmarkisen) haben das Bild von Geschäftsstraßen bis in die unmittelbare
Nachkriegszeit geprägt
Besondere Anforderungen/Baustaffel I
62
Raupendächer als halbstarre Markisen. Sie finden sich
in der Altstadt in vielgestaltigen Formen mit weißer
Textilbespannung
sind farblich auf die Fassade abzustimmen. Grelle und
aufdringliche Farben (wie grelles Orangerot, giftiges
Grün, süßliches Rosa oder Violett) nicht nicht zulässig.
Gute Einfügung von starren Markisen in die Öffnungstektonik
des Erdgeschoss ein Wohn-Geschäftshauses
Leitsatz: Das traditionelle Auslegermaß für Rollmarkisen beträgt 1,40-160 m. Markisen müssen mit einer
lichten Durchgangshöhe von mindestens 2,25 m über
Oberkante Gehweg-/Straßenbelag angebracht werden.
Starre Markisen widersprechen zwar dem temporären
Wesen von Markisen, sollten aber wegen ihrer werbewirksamen Eignung zugelassen werden. Sie sollten sich
dann aber in die Schauöffnungen proportional angemessen eingliedern, flach gehalten und nicht die Mächtigkeit eines Kragkastens erreichen.
d) Starre Markisen in Kasten-, Korb- oder Baldachinform sind nur in kleinen Formaten über Schaufenstern
und Ladeneingängen zulässig. Sie dürfen Architekturteile (wie Pfeiler und Gesimse) nicht überschneiden.
An Fachwerkbauten sind sog. Schwebedächer zu bevorzugen.
Maßstäbliche Anpassung von Baldachinformen an die
stehenden Formate der Schaufenster
zur massiven Fassadenstruktur und kennzeichnet sie
damit als Hinzufügung, die nicht Teil der dauerhaften
Architektur ist, sondern der jeweiligen Zeitauffassung
entsprechend verändert werden kann.
Die Forderung nach einziehbaren und verdeckt angebrachten Markisen ist insoweit zu rechtfertigen:
c) Rollmarkisen sollten eine Textilbespannung oder
textilähnliche, nicht glänzende Oberfläche haben. Sie
An Sichtfachwerkbauten sind Markisen in Form des
Tonnendaches sind eine missglückte Form; andere, ebenfalls störende Form sind Haubendächer, überhaupt
Formen, die an Kaminabzugshauben erinnern. Die bestmögliche Lösung sind sog. halbstarre Schwebe- oder
Segeldachformen.
Schwebe- oder Segeldächer sind in einem Gelenkrahmen befestigte (Milch-)Glastafeln, die von unten
anstrahlbar, leicht über den Wandöffnungen zu schweben scheinen. Ihre Position zur Fassade kann temporär
variabel eingestellt werden. In der Altstadt Unna (vgl.
Abb. nächste Seite) gehören sie - sowohl an Massiv- als
auch Fachwerkbauten angebracht - zu den überzeu-
63
Besondere Anforderungen/Baustaffel I
genden Beispielen einer modernen Schutzdachgestaltung.
Ausschluss von Vordach-Kombinationen
Als grob verunstaltungsfähig müssen Rollmarkisen gelten, die unterhalb oder an der Stirnseite von Kragplatten
oder Kragkästen (vgl. Abb. S. 65) angebracht sind.
Solche Kombinationen sind insoweit nicht mehr gestattet:
e) Wahlweise darf an einem Gebäude nur ein (oder
mehrere kleine) Glasvordach oder eine (oder mehrere
kleine) Markise angebracht werden. Alle Kombinationen
- auch solche mit Kragplatten oder Kragkästen - sind
nicht erlaubt.
Umbauentwurf der Ladenzone, Magdalenenstraße 1 von
1981
Unerwünscht sind starre Markisen, die den Charakter eines (zerstückelten)Kragkastens erreichen.
Die Anbringung von starren Markisen an Fachwerkhäusern
ist immer problematisch. Eine gute Lösung stellen sog.
Schwebedächer dar (Altstadt Unna).
Besondere Anforderungen/Baustaffel I
Einfügung von starren Markisen in Hauben- und Tonnenform in ein Fachwerkgefüge, Bonenstraße 4
Gegenbeispiel: Einfügung von halbstarren Markisen in Form des variabel einstellbaren sog. Schwebeoder Segeldaches.
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65
Besondere Anforderungen/Baustaffel I
Verbessertes Beispiel: Durch Wechsel in der Formatgestik der Schwebedächer kann der Eingang betont werden. Im
übrigen können Schwebedächer das Holzwerk überschneiden.
Als grob verunstaltungsfähig müssen Rollmarkisen gelten, die unterhalb oder an der Stirnseite von Kragplatten oder
Kragkästen angebracht sind. Solche Kombinationen sind insoweit nicht mehr gestattet.
Besondere Anforderungen/Baustaffel I
§ 5 Abs. 6 Wandbaustoffe
Die Fassaden dürfen nur bestehen aus Bruchstein- oder
Quadermauerwerk, aus Naturschiefer, rauhen oder
glatten Verputz und Sichtmauerwerk. Abweichend
sind für Außenwände im Erdgeschoss mit Geschäftsoder Büronutzungen, für Stützen auch Verkleidungen
mit Naturstein oder Kunststein mit Natursteinvorsatz
zulässig.
Ergänzend zu dieser Vorschrift gelten die allgemeinen
Anforderungen an Wandbaustoffe des § 4 Abs. 2 dieser Satzung (u.a. Ausschluss von Schieferersatz und
sonstigen Materialimitationen, Beschränkung von Sichtbetonflächen). Zur Materialgestaltung des Erdgeschosses bei Ladenlokalen vgl. § 5 Abs. 4 und § 7 Abs. 3
dieser Satzung.
Die Vorschrift entspricht den in den Altstadt seit alters
her tradierten Wandbaustoffen, wobei die zulässigen/
unzulässigen Außenputzarten in den allgemeinen Anforderungen in § 4 Abs. 2 dieser Satzung näher beschrieben sind. Offen geblieben ist aber die Farbe des
zulässigen Sichtmauerwerks, deren in der Altstadt tradierten Verbände im übrigen in der Denkmalbereichssatzung (Gutachten Band II, S. 82) näher dokumentiert
sind.
Die traditionellen Verlegearten des (hellgrauen) Naturschiefers sind in der Denkmalbereichssatzung (Gutachten, Band II, S. 78) dargelegt und dokumentiert. Beispielgebende Bedeutung haben hier die Gebäude Bonenstraße 28 und 16.
Im übrigen ist bei den Wandbaustoffen ihre Naturfarbe
oder ihr Farbauftrag im Hinblick auf eine geleitete Gestaltung des Material-Farbklimas der Altstadt von ganz
besonderer Bedeutung.
§ 5 Abs. 6a-b Farbe
Farbe im öffentlichen Raum ist keine individuelle Geschmacksfrage, weil sie ein Element visueller und psychisch wirksamer Ordnung ist. Sie wirkt als optisch klärendes Element bei der Wahrnehmung von Werkstoff,
Fläche, Körper, Raum und Licht. Farben sind von raumbegleitender Wirkung und können daher, mit optischer
Betonung orientierungswirksam eingesetzt, die emotionale Einstimmung auf einen Ort verstärken.
Mit Farbe muss deshalb behutsam umgegangen
werden. Sie darf nicht Selbstzweck sein, sondern sollte
dienende Funktionen ausüben. Durch die egozentrische
Anwendung von Farben ist es möglich, die Dinge und
den Menschen negativ zu beeinflussen, ohne dass man
sich dieser Einwirkung entziehen kann. Denn: rücksichtslose Farbe verunklärt die Wahrnehmungsfähigkeit
von Werkstoff, Fläche, Körper, Raum und Licht und
beeinträchtigt dadurch das physische und psychische
Wohlbefinden.
66
Allgemeine Farbanforderungen
An allgemeinen Anforderungen für die Farbgestaltung
von Fassaden und sonstigen Wandflächen gilt als Vorschrift:
a) Dunkle und/oder verschmutzte Wandflächen, Brandwände, Brandgiebel bzw. Fassaden, die vom öffentlichen Verkehrsraum aus sichtbar sind, sind mit einem
aufhellenden Anstrich zu versehen.
Leitsatz: Dies gilt nicht für Werkstein- bzw. Natursteinmauerwerk, das aus baupflegerischen Gründen
(u.a. mit Öl- und Kunstharzfarbe) niemals überstrichen,
sondern nur gereinigt werden darf.
b) Folgende Farbtöne dürfen bei flächigem Wandanstrich nicht verwendet werden:
a) reines Weiß oder sehr helle Farbtöne (Remissionswerte von 80-100)
b) reines Schwarz oder sehr dunkle Farbtöne (Remissionswerte von 0-15).
Die Remissionswerte sind aus den Farbtontabellen der
Farbhersteller zu entnehmen. Sie geben als Rückstrahlungswerte den Grad der Reflektion des einfallenden
Lichtes wieder und sind damit ein Kriterium, allzu dunkle
Anstriche wegen der Gefahr einer optischen Lochwirkung und allzu helle Anstriche wegen der Gefahr
einer Blendwirkung und damit in beiden Fällen eines
Bruchs im Straßenbild zu vermeiden.
Im übrigen hat eine werkgerechte Farbgestaltung die
je nach Farbanstrich unterschiedliche Aufheizung der
Fassaden zu berücksichtigen. An wolkenlosen Sonnentagen treten nämlich bei einer Lufttemperatur von
26 Grad Celsius an den Außenwänden verschiedener
Farben unter im übrigen gleichen Bedingungen folgende
Temperaturen auf: weiß = 33 Grad C; gelb = 40 Grad
C; rot = 47 Grad C; braun = 50 Grad C; blau = 53 Grad
C; grün = 55 Grad C und schwarz = 65 bis 80 Grad C.
Es sind daher weniger die Niederschläge, die die
aufhitzungsgefährdeten Westseiten vorzeitig zerstören,
sondern die extremen Temperaturdifferenzen, die
innerhalb weniger Stunden bis zu 60 Grad C ausmachen
können. Schon allein deshalb sollte man an den West/Südseiten von Gebäuden dunkle Farbtöne vermeiden.
Farben an Neubauten
Bei Neubauten gilt der „Mut zur Farbe“. Hier gilt zunächst der Grundsatz einer farblichen Übereinstimmung
von primären und sekundären Quellen der Gestaltwirksamkeit eines Bauwerks. Primäre Gestaltquelle ist
das, worin etwas Körperliches endet, d.h. die nutzungsgeleitete Baumasse und ihre tektonische Körpersprache.
Als sekundäre Quelle der Gestaltwirksamkeit gilt das,
was den Baukörper (bloß) begleitet, also Wandbaustoff
und Farbe. Beides muss miteinander harmonieren, damit es einen Sinn ergibt. Die Farbe muss Dienerin der
67
Besondere Anforderungen/Baustaffel I
Die Variietät der Ziegelfarben darf nicht zu kontrastreich ausfallen. Ein buntscheckiges Erscheinungsbild. Die
Grundstimmung der Fassade darf nicht in zu dunklen (in rot-braun-grauen) Farbtönen ausfallen.
Anzustreben sind helle, freundliche Ziegelfarben, deren
Verfugung sich - wie hier - der Sandsteinfarbe annähert.
Unterschiedliche Farben des Sichtmauerwerks an einem
Gebäude sind unzulässig.
Traditionelle Farbtöne des Sichtmauerwerks in größter
Variietät in allen Rottönen können als Vorbild gelten.
Architektur sein, sie gewinnt ihren Eigenwert ausschließlich durch ihre Bindung an einen architektonischen
Träger. Deshalb müssen Sockel, Fassadenflächen und
Detail aufeinander abgestimmt sein und zur Farbe des
Dachdeckungsmaterial harmonieren.
im Gebiet 2 als graugelb, im Gebiet 3 als dunkelrot und
im Gebiet 4 ohne näher bestimmten Farbton vorgeschrieben. Als Folge ist nunmehr - dreißig Jahre hiernach
- für die Altstadt ein äußerst buntscheckiges Klima an
Sichtmauerwerksfarben zu verzeichnen, in das es nunmehr - nach Maßgabe denkmalpflegerischer Bemühungen - eine Ordnung zu bringen ist.
So zeigt die Farbskala des historischen Sichtmauerwerks eine große Breite an mittleren Rotanteilen - nicht
Farbe der Wandziegel
In der Gestaltungssatzung von 1973 wurde die Farbe
des Sichtmauerwerks im Schutzgebiet 1 als rotbraun,
68
Besondere Anforderungen/Baustaffel I
Sockel/Details
Fassade/Hauptfläche
1. Goldocker
2. Lichter Ocker
3. Beigebraun
4. Schilfgrün
5. Olivgelb
6. Umbra
Farbkartei: Empfohlene Wandfarben von Putzflächen
(Drucktechnisch bedingte Farbabweichungen sind möglich)
Fassadentektonik
69
zu blass und auch nicht extrem rot (Ochsenblutfarben).
Eine Changierung ist durchaus wünschenwert, wenn
nur die Extremwerte vermieden werden. Hinweise auf
angestrebte Farbklima geben der postmoderne Bau
Steinstraße 25 und das „Steinhaus-Center“ am Moormann-Platz. Bei beiden Neubauten der jüngeren Zeit
wird vor allem auch die Farbe der Verfugung; im ersten
Fall eine Farbe, die den Sandsteindekors angenähert
ist, im zweiten weiß als Farbe, die auch bei den gliedernden Sichtbetonteilen vorherrscht.
Gelbes Sichtmauerwerk ist unhistorisch und nicht erlaubt, ebenso das Weiß von Kalksandsteinen (Klosterstraße 14). Die Körperlichkeit der Einzelbauwerken wird
erheblich beeinträchtigt, wenn unterschiedliche Farben
des Sichtmauerwerks wechseln (vgl. Steinstraße 2224).
Farben an Putzbauten
Bei Putzbauten sollte gelten, dass sich solche Bauten in
ihrer Farbgebung von denen mit Sichtmauerwerk (auf
der Rot-Skala) deutlich unterschieden sollten, es kommen insofern Farben auf der Ocker-, beigebraunen,
schilfgrünen, olivgelben- oder umbrafarbenen Skala in
Betracht. Im übrigen muss gelten, dass nach Wahl
einer diesbezüglichen Grundfarbe eine Ton-in-TonFarbge-bung von Sockel/Details, Hauptfläche der Fassade
oder betonten Hervorhebung von Details in Frage
kommt.
Im übrigen sollte die Farbgebung am gesamten Baukörper einheitlich (nicht aber monoton) gewählt werden. Entscheidend für die Auswahl der Farbe ist die
Beachtung der Hell-Dunkel-Kontraste, d.h., die Farbhelligkeitsstufe muss zu den Nachbarbauten und den
Farbhelligkeiten der Architekturdetails in einem deutlich
wahrnehmbaren Kontrast stehen. Fenster- und Türumrahmungen bzw. -rahmen, Markisen und andere
Details können bei der hellen, leicht ins grau gehenden
Farbpalette für die Fassaden eine stärkere Farbigkeit
bekommen (als Beispiel kann das Gebäude Westmauer
12/Rückseite Burgstraße 23 gelten).
Ansonsten können folgende Regeln gelten:
• niemals pralinenfarbene Bonbonieren (mit violett
aufgemischten Farben) für Fassaden verwenden,
• keine cremefarbene (mit weiß aufgehellte), an Eidotter oder Zitronenfalter erinnernde Dessertfarben,
• Fensterlaibungen dürfen niemals schwarz gestrichen
werden.
Schließlich ist ist zu beachten, dass die Farbintensität an
baulichen Anlagen durch das verwendete Material,
den Farbauftrag und die individuelle Arbeitstechnik
ganz wesentlich beeinflusst werden kann. Probeanstriche in Abstimmung mit der Farbgebung der Nachbarbauten und Prüfung durch Ortsbesichtigung mit
den Malern sind deshalb zu empfehlen.
Leitsatz: Zur Orientierung bei der Farbgebung von Putzbauten gilt die beigelegte Farbkartei.
Besondere Anforderungen/Baustaffel I
Ad § 5 Abs. 7 Fensterglas
Für die Fensterverglasung ist in der Regel Klarglas zu
verwenden. Strukturgläser, Buntgläser (außer bei Rekonstruktionen von Farbgläsern an historischen Bauten), sogenannte Antikverglasungen sind nicht zulässig.
Ausgenommen sind Sonderverglasungen wie Butzenscheiben, Bleiverglasungen im Erdgeschoss von Gaststätten, Cafés.
Sog. Pseudoantikverglasungen der Wandöffnungen
können - wie die Stadtbildanalyse der Werner Altstadt
zeigt - das Erscheinungsbild einer Fassade nachteilig
verändern. Da dies durchaus häufig ist, bedarf es einer
örtlichen Bevorschrift zum Schutz vor Verunstaltung.
Die älteste Form des Fensterglases ist die geblasene
Butzenscheibe, eine runde Scheibe von 10 - 15 cm
Durchmesser mit einer Erhöhung in der Mitte, dem
Butzen oder Nabel. Die Butzenscheibe entsteht aus
einer mit der Pfeife geblasenen Kugel, die an einem
Hefteisen befestigt und danach von der Pfeife gesprengt
wird. Durch rasches Drehen wird sie zu einer flachen
Scheibe ausgeschleudert, deren Rand umgebogen wird.
Seit alters üblich ist das Tafelglas, ein Flachglas, das
in Form eines endlosen Bandes maschinell durch Ziehverfahren hergestellt und durch Zuschneiden in Tafeln
zerlegt wird. Es hat beiderseits feuerblanke Oberflächen,
ist praktisch eben und gleichmäßig dick, kann aber
charakteristische, auf die Art der Herstellung zurückführbare mehr oder minder wahrnehmbare Streifen,
vorzugsweise in der Ziehrichtung haben. Dieser Nachteil
kann durch das geschliffene und polierte starke Spiegeloder Kristallglas vermieden werden; es gewährt eine
völlig klare Durchsicht und ist deshalb auch das teuerste.
Gegenüber diesen seit alters her gebräuchlichen Glassorten gelten al grob verunstaltungsfähig das Opakglas
und die sog. Antikverglasung:
• das Antikglas wird sowohl als Maschinenantikglas
wie auch als Handantikglas hergestellt. Es ist gelblichgrün getönt und noch etwas durchsichtig und enthält
Schlieren und Blasen;
• das sog. „Pseudo-“Antikglas wird in einer gewölbten Form hergestellt. In Art einer an Wespenstiche erinnernden Schwellung kann es eine Fassade „optisch
zerschlagen“;
• das Opakglas ist ein undurchsichtiges, starkes Glas
von einer Mindeststärke von 5-7 mm und wird in verschiedenen Farben, auch als weißes Milchglas geliefert.
a) Die Verwendung unterschiedlicher Glasarten an
Fenstern der Obergeschosse (z.B. Klarglas oberhalb
des Kämpfers, Mattglas unterhalb des Kämpfers) ist
unzulässig.
Diese Vorschrift versteht sich von selbst, ebenso wie
der kategorische Ausschluss von Glasbausteinen, insbesondere an Fachwerkbauten:
70
Besondere Anforderungen/Baustaffel I
b) Glasbausteine dürfen in den von öffentlichen Verkehrsflächen aus sichtbaren Gebäudewänden nicht verwendet werden.
Glasbausteine sind hohle oder massive Glaskörper, die
mit Mörtel zu Wänden zusammengesetzt werden.
Glasbausteine sollten das Errichten lichtdurchlässiger
Wände auch dort ermöglichen, wo nach den bauordnungsrechtlichen Bestimmungen keine Fenster zugelassen waren. Sie sind seit den 80er Jahren des 19. Jh.
anzutreffen. Die älteste Form der Glasbausteine ist ein
sechseckiger, allseitig geschlossener Hohlkörper, ähnlich
einer Bienenwabe. Glasbausteine werden heute in den
verschiedensten Formen, meist quadratisch oder rund,
hergestellt und ergeben infolge ihrer Konstruktion ein
allseitig zerstreutes Licht, sind durchschimmernd, aber
nicht durchsichtig, wärmeschützend und widerstandsfähig gegen Hagel etc.
Glasbausteine gelten im gegenwärtigen Verständnis
als „lichtdurchlässige Teile einer Außenwand“, nicht
aber als Fenster im Sinne der Anforderungen an Aufenthaltsräume. Man findet sie an Bauten der Altstadt dort,
wo sie eigentlich nichts zu suchen haben: neben Haustüren, als Fassadenfenster oder oberhalb von Schaufenstern oder sonst als Glasbausteinfelder, die als untergeordnete Architekturteile eine sehr laute Dominanz
erhalten.
Butzenscheiben
Auch kleine Anlagen oder Einrichtungen können eine
große Wirkung haben, wenn sie sich wiederholen.
Sofern vermeidbare Faktoren eine zusätzliche störende
Wirkung ausüben, müssen sie, eben weil sie vermeidbar
sind , zum Schutz des Orts- und Straßenbildes vermieden
werden (BVerwG B.v. 10.12.1979 BRS 35, 133). Dazu
gehört die störende Anordnung von schräg über die
Fassade verlaufenden Regenfallrohren (vgl. § 5 Abs.
2e dieser Satzung) aber auch die
Ad § 5 Abs. 8 Entlüftungs- und Abgasöffnungen
Für Räume mit Gasfeuerung kann wegen des hohen
Sauerstoffverbrauchs eine ständig wirkende Lüftung
verlangt und u.U. durch den Einbau von Ventilatoren
erzwungen werden. Ähnliches gilt für Gaststättenräume
u.ä. Für die dann auf der Fassade in Erscheinung tretenden Be- und Entlüftungsgitter sollte verlangt werden:
Erforderliche Entlüftungs- und Abgasöffnungen sowie
sonstige Installationen dürfen keine Gliederungen der
Fassade überschneiden und müssen sich farblich den
umliegenden Flächen anpassen.
Alarmanlagen
Die in den letzten Jahrzehnten populär gewordenen
Alarmanlagen haben vielfach ein buntlackiertes Gehäuse, das irgendwo an der Außenwand (störend an
Erkern oder an der Stirnseite von Kragplatten) befestigt
wird. Da ihr Aussehen nicht mit sonstigen Fassadenteilen harmoniert, sollte das Gehäuse möglichst unauffällig an der Fassade, auf keinen Fall an tektonisch
Störende Pseudoantik-Verglasungen
wirksamen Gliederungselementen angebracht werden.
Alarmanlagen auf Kragplatten oder Kragkästen sollten
jedenfalls ausgeschlossen werden.
Freileitungen
Bei den Freileitungen ist zu unterscheiden zwischen
den Niederspannungsleitungen öffentlicher Maßnahmenträger (Post, EVU) und den Verkabelungen etwa
für (private) Anlagen der Lichtwerbung. Beide Arten
von Freileitungen können, auch wenn sie auf Fassaden
störend in Erscheinung treten, in einem Geschäftsgebiet
nicht ausgeschlossen werden. Allerdings kann auf eine
störende Häufung und/oder auf den verwahrlosten
Zustand von Verkabelungen hingewiesen und verlangt
werden, dass sich die Leitungen zurückhaltend in das
Fassadenbild einfügen müssen.
71
Besondere Anforderungen/Baustaffel II (§ 6)
Ad § 6 Abs. 1 Örtlicher Geltungsbereich
Der örtliche Geltungsbereich der Baustaffel II erfasst
alle Baudenkmäler und die erhaltenswerte Bausubstanz
im Denkmalbereich der Altstadt Werne. Ihre Auflistung
ist in der Karte 3 wiedergegeben, die als Anlage 3 Bestandteil dieser Satzung ist.
Folgenden Gebäuden kommt im örtlichen Geltungsbereich Gestaltungs- und Schutzsatzung Altstadt Werne
das Prädikat des Baudenkmals zu (Stand 12.5.2000):
• Am Neutor: Nr. 4.(1911);
• Am Steinhaus: Nr. 2 (Fachwerkhaus/Gadem);
• Bonenstraße: Nr. 3 (1905/07), 28 (1720 erwähnt),
14-16 (um 1600), 8 (vor 1904);
• Burgstraße: Nr. 1 (frühes 19. Jhs. oder älter), 3
Fachwerkhaus des 17. Jhs.), 13 (Fachwerkhaus im
Kern 2. Hälfte 16. Jh.), 15 (Fachwerkhaus spätes
18. Jh.);
• Kirchhof: Nr. 1 (Kath. Pfarrkirche St. Christophorus), 2 (1560/1610), 2a (16. Jh.), 3 (16. Jh.), 4
(1573), 5 (16. Jh.), 6 (vermutlich 16. Jh.), 10 (um
1600), 11 (spätes 16. Jh.), 12 (um 1380), 13 (erstmals 1650 erwähnt), 15 (1562), 16 (16. Jh.);
• Kleine Burgstraße: Nr. 12 (Ackerbürgerhaus, Mitte
19. Jh.), 4 (Ackerbürgerhaus 19. Jh.);
• Klosterstraße: Nr. 8 (Fachwerkhaus vermutlich
16. Jh.);
• Markt: Nr. 1 (vor 1891), 2 (vgl. Klosterstraße 8),
4 (vor 1906), 5 (vermutlich frühes 19. Jh.), 8 (18.
Jh.), 9 (Altes Rathaus), 10 (18. Jh.), 24 (1907);
• Moormann-Platz: Nr. 24 (= Bonenstraße 28); 8
(Altes Steinhaus),
• Roggenmarkt: Nr. 12 (frühes 18. Jh.), 8 (2. Hälfte
18. Jh.), 4 (vermutlich 19. Jh. mit 1920 erneuerter
Fassade), 24 (1486, das wohl älteste Haus der Altstadt),
• Steinstraße: Nr. 23 (um 1560), 39 (frühes 19. Jh.),
40 (Mitte 19. Jh), 38 (1901), 12-14 (1927);
• Südmauer: Nr. 5 (Klosteranlage), 27 (2. Hälfte
19. Jh.), 29 (Mitte 19. Jh.), 31 (Mitte 19. Jh.), 41
(vermutlich 19. Jh.), 50 (1. Hälfte 19. Jh.);
• Westmauer: Nr. 15 (19. Jh.?); 19 (Mitte 19. Jh.).
Folgenden Gebäuden kommt im örtlichen Geltungsbereich der Gestaltungs- und Schutzsatzung Altstadt
Werne das Prädikat der erhaltenswerten Bausubstanz
zu (Stand 2002):
• Am Neutor: Nr. 2;
• Am Steinhaus: Nr. 10, 8;
• Bonenstraße: Nr. 1, 5, 13, 29, 31, 33, 40, 38, 36,
34, 32, 30, 18, 12, 4, 2;
• Bült: Nr. 3, 5, 7, 9, 40, 38, 34, 30, 28, 26, 12;
• Burgstraße: Nr. 5, 9, 11, 17, 19-21, 23, 25, 27,
29, 22, 14, 12, 2;
• Kirchhof: Nr. 7, 8, 9, 17, 18, 19, 20;
• Kleine Burgstraße: Nr. 10, 2, 1, 5, 7, 9;
• Klosterstraße: Nr. 12;
• Konrad-Adenauer-Straße: Nr. 4;
• Magdalenenstraße: Nr.1, 3, 2;
• Markt: Nr. 3, 6, 7, 11, 14, 18, 20-22, 25;
• Ostmauer: Nr. 18, 12, 6;
• Roggenmarkt: : Nr. 18, 16, 10, 6, 2, 3, 5, 7, 9, 11,
32;
• Schlot: Nr. 10.
Die Ermächtigung zum Erlass von sog. Schutzsatzungen
nach § 86 Abs. 1 Nr. 2 BauO NW unterscheidet sich
von den sog. Gestaltungssatzungen des § 86 Abs. 1 Nr.
1 BauO NW dadurch, dass keine baugestalterischen
Absichten in Bezug auf die baulichen Anlagen vorliegen
müssen. Der Erscheinungsbildschutz der vorhandenen
Bauten und nicht die Gestaltung ist Ziel der örtlichen
Bauvorschrift. Während Nr. 1 ein dynamisches Element
beinhaltet will Nr. 2 ermöglichen, das Vorhandene zu
bewahren (Kommentar zur BauO NW, April 2000);
letzteres ist identisch mit den Zielen der Denkmalbereichssatzung.
Die Ermächtigung ist durch den Schutzzweck begrenzt. Was zum Schutz nicht erforderlich ist, darf
nicht durch örtliche Bauvorschrift angeordnet werden.
Vielmehr kommt es hier auf die Aufnahme des Bestandes
und die Prüfung der vorhandenen Bauten, auf ihre
vom Gesetz geforderte Bedeutung an. Sodann ist zu
ermitteln, ob der Bestand einen Schutz erfordert und
wie dieser zu bewirken ist (so auch OVG NRW U.v.
29.1.1999 BauR 2000, 92). Das ist im Gutachten zur
Denkmalbereichssatzung (Band II) detailliert nachgewiesen.
Ad § 6 Abs. 2 Ausstattungsgebot
Bei Umbauten (Instandsetzung und Modernisierung)
sind die in § 3 der Denkmalbereichssatzung näher beschriebenen historisch wertvollen oder charakteristischen Erscheinungsbildträger hinsichtlich der Bauteile
und Materialität der Gebäude zu wahren. Bei Entfernung müssen sie nicht durch gleichartige, wohl aber
völlig gleichwertige Elemente ersetzt werden.
Diese Vorschrift ist von zentraler Bedeutung. Sie betrifft
die in der Denkmalbereichssatzung ausgewiesene schützenswerte und erhaltenswerte Bausubstanz, deren historisch bedeutende und charakteristischen Erscheinungsbildträger (dokumentiert für die erhaltenswerte Bausubstanz im Gutachten S. 187ff) durch eine örtliche
Bauvorschrift ergänzt wird.
72
Besondere Anforderungen/Baustaffel II
Baudenkmäler der Altstadt Werne
Bei der örtlichen Bauvorschrift handelt es sich um eine
eigenständige bauordnungsrechtliche Vorschrift, die
sich mit jener des Denkmalschutzes insofern deckt, da
beide Rechtsnormen auf die Wahrung des äußeren Erscheinungsbildes gerichtet sind, das auch bei einer Ersetzung des Originalzustandes durch eine gleichwertige
Form gewahrt bleibt, während aber bei einem Bau-
denkmal gerade der Originalität (Schutz der Bausubstanz) eine entscheidende Bedeutung zukommt.
Vorbild für eine derartige Regelung gab erstmals § 73
Abs. 1 Nr. 2 BauO BaWü (Novelle 1983), der den Gemeinden die Ermächtigung gab durch örtliche Bauvorschriften besondere Anforderungen zu erlassen:
73
Besondere Anforderungen/Baustaffel II
Erhaltenswerte Bausubstanz der Altstadt Werne
„an die Erhaltung schützenswerter Bauteile einzelner
Gebäude, soweit dies zum Schutz bestimmter Straßen,
Plätze oder Ortsteile von geschichtlicher, künstlerischer
oder städtebaulicher Bedeutung oder zum Schutz von
Kultur- und Naturdenkmalen erforderlich ist.“
Anlass zu dieser Ermächtigung war die Erfahrung, dass
bei Umbauten von Gebäuden vielfach wertvolle oder
charakteristische Ausstattungsbestandteile des Gebäudes beseitigt wurden. Mit einem Erhaltungsgebot durch
örtliche Bauvorschrift soll die Gemeinde die Voraus-
74
Besondere Anforderungen/Baustaffel II
Gebäude und ihre Grundstücke der Baustaffel II
setzungen dafür schaffen können, dass solche Ausstattungselemente erhalten bleiben, insbesondere bei Umbauten nicht beseitigt werden.
Beim Umfang eines solchen Erhaltungsgebotes sind
jedoch die Beschränkungen zu beachten, die sich aus
der Zielsetzung der Landesbauordnung („im Rahmen
des Gesetzes“) ergeben. Durch örtliche Bauvorschrift
kann nur die Gestaltung im Sinne des äußeren Erscheinungsbildes geregelt werden. Es gehört nicht zur Zielsetzung des Bauordnungsrechts, den Erhalt der originalen Bauteile sicherzustellen. Das kann nur durch
75
Listeneintragung eines Gebäudes als Baudenkmal erfolgen.
Die Bauherrenschaft kann deshalb, auch wenn eine
entsprechende örtliche Bauvorschrift mit Erhaltungsgeboten besteht, bei Umbaumaßnahmen die originalen
Bauteile und Ausstattungselementen beseitigen oder
zerstören (sofern nicht denkmalschutzrechtliche Vorschriften des Substanzschutzes entgegenstehen; sie
muss sie aber dann, wenn nicht durch völlig gleiche, so
doch in ihrem Erscheinungsbild völlig gleichwertige
Gestaltungselemente ersetzen.
In Wirklichkeit handelt es sich deshalb auch nicht um
Erhaltungsgebote, sondern um örtliche Bauvorschriften
mit einem entsprechenden Ausstattungsgebot. Enthält
der Bauantrag nicht die entsprechenden Ausstattungselemente, so widersprechen die Umbaumaßnahmen
öffentlich-rechtlichen Vorschriften und sind nicht genehmigungsfähig.
Eine öffentlich-rechtliche Vorschrift mit Erhaltungsregelungen für schützenswerte Bauteile steht einem
vollständigen Abbruch des gesamten Gebäudes und
damit der Zerstörung der Ausstattungselemente nicht
entgegen. Die Erhaltung eines Gebäudes kann nicht
mit den Mitteln des Bauordnungsrechtes, sondern nur
über das Denkmalschutzrecht nach § 3 DSchG NW
(Baudenkmal) oder aber über eine Erhaltungssatzung
nach § 172 BauGB gefordert werden.
Eine örtliche Bauvorschrift mit Erhaltensregelung
hat jedoch auch für den Fall Bedeutung, dass das Gebäude ganz beseitigt wird. Will der oder die Eigentümerin ihr Grundstück erneut bebauen, so kann sie
dies nur unter Beachtung der Ausstattungsgebote der
örtlichen Bauvorschrift. Das ergibt sich daraus, dass es
sich in Wirklichkeit nicht um eine echte Erhaltungsforderung hinsichtlich der originalen Bauteile handelt,
sondern um ein Ausstattungsgebot, das alle Baumaßnahmen in seinem Geltungsbereich umfasst, Neubaumaßnahmen wie Umbaumaßnahmen. Maßgebend ist
dabei jeweils, dass nicht der Originalzustand, aber das
äußere Erscheinungsbild - und zwar im Sinne des Erscheinungsbildschutzes der Denkmalbereichssatzung
- erhalten bleibt.
Reichweite des Ausstattungsgebots
Die örtlichen Bauvorschriften erfassen nur jene Sachverhalte der Denkmalbereichssatzung soweit sie einer
bauordnungsrechtlichen Einflussnahme zugänglich sind.
Das betrifft das in der Denkmalbereichssatzung angesprochene Schutzgut
Demnach unterliegen einem Erscheinungsbildschutz
folgende Sachverhalte:
1. Die Giebelständigkeit und Traufständigkeit baulicher Anlagen und deren charakteristische Verteilung
im Altstadtbild.
Die schützenswerten Erscheinungsbildträger sind nach
Straßen und Plätzen spezifiziert - beschrieben und dokumentiert im Gutachten, S.69ff.
Besondere Anforderungen/Baustaffel II
2. Die Bauart nach Art des Zusammenfügens einzelner Baustoffe und Bauteile zu einem Konstruktionsgefüge unterschieden nach
• Skelettbauten in Form des Sichtfachwerks, auch
Fachwerkbauten mit verputzter, verklinkerter oder verschieferter Fassade,
• Massivbauten mit Naturstein, Backstein bzw. Ziegelvorblendsteinen, verputzter Fassade, z.T. auch mit
Sichtbeton-Elementen.
Die schützenswerten Erscheinungsbildträger sind nach
Straßen und Plätzen einschließlich der sie prägenden
Wandbaustoffe im Gutachten, S. 71ff beschrieben und
dokumentiert.
3. Elemente der Bebauung unterschieden nach
• die Form des Schrägdaches als Satteldach, an Fachwerkbauten auch mit Dachüberstand, durch das Walmund Mansarddach, letzteres auch mit Ausbildung eines
Drempels, sowie des Flachdaches;
• Ortgang- und Schildgiebel, letzterer in Form des
Treppen-, Drei- und Zweistaffelgiebels, an Zwerchhäusern auch als Voluten-, Knick- und geschweifter
Giebel mit Aufsatz und Schulter ausgebildet;
• aus der Fassade aufsteigende Zwerchhäuser und
Zwerchgiebel, Dachgauben in Form der Lukarne, der
Spitz-, Pult-, Schlepp-, Walm- und Tonnengaube;
• Wandgliederungen in Form von Überhängen und
Vorkragungen an Fachwerkbauten sowie durch Risalite
und Erker in Form des Kasten-, flachbogigen Rundund Polygonalerkers, letzterer auch turmartig bekrönt,
sowie des Austritt- und Fenstererkers;
• die Fassadentektonik in Form von Lisenen und Pilaster sowie durch Haupt-, Gurt-, Sohlbank- und Kämpfergesimse;
• Fassadenzierden in Form von ein- und mehrbahnigen Friesen, Reliefs und Stuckapplikationen; bei
Fachwerkbauten auch Knaggen und Schnitzwerk,
• Haustüren als Rahmen-Füllungs- und aufgedoppelte Türen, mit vitriertem, ornamentiertem, mit Eisengittern versehenen Türöffnungen sowie Haustore (Deelentore) an den ehemaligen Ackerbürgerhäusern;
• die Fensterarchitektur in Form von einbahnigen
oder gekuppelten Fenstern mit hochrechteckigen Formaten, geraden oder bogigen oberem Abschluss, profilierte Rahmung und Bekrönung, Fensterteilung in
Form des Kreuzstock-, Pfosten- und Galgenfensters
mit oder ohne Sprossen;
• hohe Gebäudesockel, Außentreppen als Freitreppe oder in die Hauseingang eingezogene Treppen
sowie Einfriedigungsmauern.
Die schützenswerten Erscheinungsbildträger der ortsbildprägenden Bausubstanz sind im Gutachten, S.127ff
beschrieben und dokumentiert.
Beispiel: Ausstattungsgebot für Gesimse
Gesimse haben eine maßstabsgebende Wirkung. An
den historisch überkommenen Bauten stellen sie als Abschlüsse oder Teilungen eine spürbare Entsprechung
76
Besondere Anforderungen/Baustaffel II
zwischen großem Bauwerk und dem Einzelmenschen
her. Selbst mächtige Massivbauten, die scheinbar dem
Maßstab des Einzelnen entzogen und dem freien Spiel
der größeren Abmessung zugänglich sind, zeigen eine
Gliederung in (Gurt-)Gesimse, die auf der bloßen Wand
das Stockwerk als Gehäuse menschlicher Lebensvollzüge zu erkennen gibt.
An Bauten der Nachkriegszeit sind Gesimse ab 1950
aufgrund neuerer Bautechniken systematisch nicht mehr
ausgeführt worden. Heute wird die praktische Bedeutung von Gesimsen, nämlich Schutz darunter liegender
Wände vor Feuchtigkeitseinflüssen, durch einfache
Blechverwahrung (gekehlte Wassernase oder Tropfleiste) erreicht.
An historischen Bauten wichtig ist, dass die raumprägende und maßstabsstützende Bedeutung der Gesimse erkannt und bei Fassadenänderungen entspre-
Kartierung von Regentrielern und Verschmutzungen an Putzfassaden, hervorgerufen durch Abschlagen der Gesimse
Fensterbank- und Gurtgesimsprofile
Kropf
Wiederkehr
Totlauf
Profilverläufe von Gesimsen
Haupt- oder Dachgesimsprofile
An Gebäudeecken sollten Gesimse nicht „totlaufen“,
sondern über Eck „verköpft“ werden bzw. bei einspringenden Ecken „wiederkehren“. Das Hilfsmittel,
Fasssadenprofile über Eck (im Bauwichbereich) nur
durch einen Farbstreifen anzudeuten, kann gegenüber ihrem Totlaufen, nur als zweitschlechteste Lösung angesehen werden.
77
chend gewürdigt wird. Für sie gilt ein Ausstattungsgebot: Gesimse sind in ihrem Erscheinungsbild zu wahren. Bei Entfernung müssen sie durch völlig gleichwertige Gestaltungselemente ersetzt werden. Abgeschlagene Gesimse sollten wiederhergestellt werden.
An denkmalgeschützten Gebäuden hat die Instandsetzung von Gesimsen in alter Handwerkstechnik zu
erfolgen. Für die Wiederherstellung von Gesimsen an
erhaltenswerten Bauten bietet die Baustoffindustrie
Formteile aus Polystyrol-Hartschaum mit witterungsbeständiger, hoch vergüteter mineralischer, faserarmierter Beschichtung an. Die Gesimsprofile (CapatectFassadenprofile) können auch nach Angaben des Architekten/Architektin in Sonderanfertigung hergestellt werden; das betrifft insbesondere die seitliche Kantenbearbeitung an Gebäudeecken.
Beispiel: Ausstattungsgebot für Fenster
Besondere Sorgfalt erfordert die Modernisierung von
Wandöffnungen und Fenstern an Bauten mit Stilmerk
Eine grobe Verunstaltung stellt der Einbau rechteckiger
Fensterformen in bogige Wandöffnungen dar, bei denen
das Bogenfeld und zusätzliche Teile der Wandlichte vermauert, verklebt oder verbrettert werden.
Besondere Anforderungen/Baustaffel II
malen. An Massivbauten ist zunächst die Wahrung der
historisch überkommenen Proportionierung des Befensterungsmusters in der Fassade zu beachten:
• die Abnahme der Fensterhöhe (niemals der Fensterbreite mit Ausnahme der Dachfenster) in der Achsenabfolge der Stockwerke von unten nach oben;
• die Breite des Fensterschaftes (= Mauerfläche zwischen zwei Fenstern), sie darf in einer Fensterachse nicht
variieren;
• bogige Fensterabschlüsse dürfen in der Fensterlichte nicht begradigt werden (vgl. Abb. unten).
Am Steinbau besitzt die Fensterumrahmung eine fassadengliedernde Wirkung, als sie Übergänge von Wandfläche und Wandöffnung markiert und dem Wandrelief
sowie der Fensterteilung einen deutlichen Abschluss
gibt. Diese Wirkung wird besonders betont, wenn die
Rahmung (also das seitliche Fenstergewände, der obere
Fensterabschluss und die untere Fensterbank) materialmäßig (meist Werkstein, aber auch aus nachahmendem
Kunststein oder Stuckgipselementen) vom sonstigen
„Verkrüppeltes Fensterformat“ durch Einbau eines sichtbaren Rolladenkastens. Diese Form der Verunstaltung gilt
als besonders störend.
78
Besondere Anforderungen/Baustaffel II
Wandbaumaterial (z.B. Ziegel) abweicht und auch sonst
erhaben ausgebildet ist.
Am Altbau aller Stilepochen kommt der Fensterumrahmung eine besonders prägende Bedeutung zu. Veränderungen an derartigen Konstruktionen können das
Gleichgewicht, das sich in der Fassade eingestellt hat,
verändern und zu Kräfteumlagerungen führen, die sich
in Rissen auswirken. Wird gar die Rahmung ganz entfernt, etwa durch Rückbau der Wandöffnung oder
wärmedämmende Fassadenverkleidungen, so muss
dies zwangsläufig zur visuellen Verelendung der Fassade
führen.
Die Rahmung der Fensteröffnung erfolgt nach der
Außenseite der Mauer hin entweder durch Profilieren
der Fensterkante oder dadurch, dass ein Streifen der
Wandfläche (= Fasche) rings um die Öffnung von der
Fläche abgesetzt und zum Gewände gezogen wird.
Dies kann durch Wechsel des Materials geschehen
Rahmung der Neorenaissance mit Eckzierden (Ohrung)
(z.B. Steingewände im Putzbau), durch unterschiedliche
Oberflächenstruktur (z.B. rauhe Putzflächen und glattere Fensterrahmung) oder auch nur durch Farbe. Die
Rahmung kann gegenüber der Wandfläche vertieft
liegen (besonders beim Putzbau), häufiger ist sie erhaben ausgebildet.
Im Hinblick auf Umbauten oder Modernisierungen der
Fassade sind zur Wahrung straßenbildtypischer Wandöffnungen folgende Leitsätze zu beachten:
• Wandöffnungen sollten in den Obergeschossen
eine gegenüber der Fassadenfläche plastisch oder mate-
Fensterrahmung durch Formteile aus Polystyrol-Hartschaum mit witterungsbeständiger, hoch vergüteter mineralischer, faserarmierter Beschichtung (Capatect-Fassadenprofile)
0.10 0.30 m
Erhaben ausgebildete, d.h. leicht
vorspringende Fensterumrahmung
Profiliert ausgebildete, z.T. vertieft
liegende Fensterumrahmung
Material- und farbmäßig abgesetzte
Fensterumrahmung (= Fasche)
79
rialfarbmäßig abgesetzte Umrahmung haben (Werksteinrahmen oder Putzfaschen), und zwar meist in
einer Breite von 10 - 30 cm;
• Werden diese Umrahmungen aus einem anderen
Material als die Wandfläche hergestellt, so sollten sie
zwischen 2 und 4 cm vor die Wandfläche vorstehen.
Bei Sohlbänken ist ein stärkeres Vorkragen bis 12 cm
zulässig.
• Bei Werksteinumrahmungen ist ein dem Gesamtbild des Gebäudes angepasster Stein zu verwenden.
Die Ausbildung in Kunststein (Betonwerkstein) kann
nur gestattet werden, wenn dieser feinkörnig über Natursteinmehl hergestellt wird.
An Neubauten sind geputzte oder auch farblich gegenüber der Wandfläche abgesetzte, bandartige Umrandungen der Wandöffnungen (= Faschen) wünschenswert. Überhaupt kann an den bis auf Rohbauzustand
„entdekorierten“ Fassaden das Mittel der Putz- oder
Farbfasche zu einer attraktiven Wiederbelebung führen.
Die Wiederherstellung historischer Rahmungen kann
auch durch Kunststoff-Profile erfolgen.
Am Fachwerkbau bestimmt das konstruktive Gefüge
das Fensterformat. Soweit dieses durch Gefachgrößen
vorgegeben, sind auch quadratische Fensterformate
zulässig und ebenso - in Abweichung von klassischen
Regeln - die Vernachlässigung von Fensterachsen. Hier
führt das Fenster ein Eigenleben, allenfalls ist auf die
Wahrung symmetrischer Eigenarten des Fachwerkgefüges Rücksicht zu nehmen.
Für Fachwerkfassaden oder solche mit verputztem
Fachwerk kann gelten:
• Fenster dürfen nicht bündig mit der Außenfront
gesetzt werden. Die Vorderkante des Fensterstockes
ist hinter die Außenflucht (mind. in der Hälfte der
Wandstärke) zu setzen.
Besondere Anforderungen/Baustaffel II
Störender Eingriff in das konstruktive Gefüge durch Entfernung der für den Ständerbau prägenden Ständer sowie Einbau unmaßstäblich gegliederter Fenster.
Wahrung des Fachwerkcharakters unter Beibehaltung des
Fachwerkgefüges und Gliederung der Fenster in der für
historische Fachwerkbauten typischen Kreuzteilung. Bei
schmalen Gefachgrößen kann ausnahmsweise auf die
Kämpferteilung zurückgegriffen werden.
Gegen die Wandfläche zurückgesetzte Fenster betonen
die Lochwirkung und setzen durch die Schattenbildung
der Gewände Akzente. Bündig zur Wandfläche eingesetzte Fenster können an schutz- und erhaltenswerten Gebäuden den historischen Anschauungswert
der Fassade schlagartig verändern. Das gilt auch für die
im Gutachten zur Denkmalbereichssatzung näher beschriebenen Arten der Fensterteilung.
Beim Austausch von Fenstern ist folgendes zu beachten.
An Holzfenstern prägt der Fensterstock die Art der
Fensterteilung und diese - neben dem Fensterformat den Charakter eines Gebäudes. Der Stock selbst kann
senkrecht (= Setzholz oder Pfosten), waagerecht (=
Losholz oder Kämpfer) oder auch kreuzförmig, d.h. als
Kreuzstock, ausgebildet sein, an dem die Fensterflügel
oder die feste Verglasung anschlagen bzw, in einem
Falz einschlagen.
Wichtig beim (hölzernen) Stockfenster ist die Wahrung folgender Regeln:
Die Hierarchie einer stockwerksbezogenen Fensterteilung muß unbedangt gewahrt bleiben, Kirchhof 2
Besondere Anforderungen/Baustaffel II
80
Klassische Kreuzteilung mit hervortretenden Kämpfer
Profillose Kreuzteilung an einem Kunststoff-Fenster
• der Stock muss als Futterrahmen gegenüber den
(festen oder beweglichen) Fensterflügeln deutlich ablesbar als Schattenkante in Erscheinung treten;
• bei Kreuzstockfenstern muss das Losholz, der
Kämpfer, gegenüber dem Setzholz, dem Pfosten, deutlich ablesbar hervortreten.
• An Massivbauten können andere Werkstoffe als
Holz, wie Aluminium und Kunststoff, verwendet werden, wenn dadurch die gleiche optische Wirkung wie
bei den historisch überlieferten Fensterrahmen erreicht
wird. Die Verwendung von glänzenden oder goldeloxierten Rahmen ist nicht gestattet.
Das Holzfenster kommt dem alten Originalfenster aus
gestalterischer Sicht am nächsten. Es hat eine gute
Wärmedämmung, gewährleistet den notwendigen minimalen Luftaustausch und seine Anschaffungskosten
sind relativ niedrig. Es bedarf aber eines gewissen Instandhaltungsaufkommens, das sich bei sachgemäßer
Behandlung jedoch in Grenzen hält.
An Fachwerkbauten sind außer Holz alle anderen
Materialien auszuschließen, da durch unterschiedliche
Materialausdehnungen bauphysikalische Schäden und
Heizverluste auftreten können:
• Fensterrahmen sind bei Fachwerkbauten in Holz
auszuführen. Die Grundfarbe ist weiß. Eichenholz sollte
nicht überstrichen werden. Die Fensterrahmen dürfen
nicht zweifarbig gestrichen werden. Die Fenster eines
Hauses sind farblich gleichartig zu behandeln.
Die technischen Beschläge des Fensters sollten so einfach wie möglich sein, d.h. einfache Dreh- bzw. Klappbeschläge. Kippbeschläge, mit denen das Fenster in
den Raum gekippt wird, verfälschen den Eindruck historischer Bausubstanz.
Das Kunststoff-Fenster hat ebenfalls eine hohe Wärmedämmung. Instandhaltungskosten fallen kaum an, der
Anschaffungspreis ist aber oft höher als bei Holzfenstern.
Zudem sind die Profilbreiten meist ungünstig für eine
originalgerechte Wiederherstellung. Die Fenster wirken
breit und zu flächig.
Das Aluminiumfenster hat zwar schmalere Profile,
besitzt aber häufig eine nur mangelhafte Wärmedämmfähigkeit. Hinzu kommen die hohen Anschaffungskosten.
In der Straßen- und Hauskartei der charakteristischen
Erscheinungsbildträger (Gutachten zur Denkmalbereichssatzung, S. 181-198) sind auch jene Gebäudeteile
vermerkt, die keinen Schutz genießen. Das betrifft insbesondere Erdgeschosse an Wohn-Geschäftsbauten,
deren Ladenlokale durch häufigen Nutzungswechsel
„aus-“ oder „umgeräumt“ worden sind und insoweit
keinem Erscheinungsbildschutz unterliegen. Für derartige Fälle gilt:
Ad § 6 Abs. 3 Umbau bestehender Schaufenster
Bei den im Erdgeschoss ausgeräumten, d.h. nicht erhaltenswerten Wand- und Schaufensterflächen gilt
§ 5 Abs. 4, 5 und 6 dieser Satzung.
Die Auflistung der ausgeräumten Erdgeschosse der erhaltenswerten Bausubstanz ist im Gutachten zur Denkmalbereichssatzung (S. 187 ff) enthalten.
Als Schaufenster gelten nur solche Fenster, die von
vornherein dazu bestimmt sind, hinter ihnen ausgestellte
81
Besondere Anforderungen/Baustaffel II
richtig
falsch
Ein ungünstiger Eindruck entsteht, wenn Stützen unter
Fensterachsen (Wandöffnungen) der Obergeschosse stehen
(rechts). Aus ablesbar konstruktiven Gründen sollten
Stützen (mittig) unter Mauerschäften (Wandflächen) angeordnet werden (links).
Waren dem Passanten zur Betrachtung anzubieten.
Fenster von Wohnräumen können nach herrschender
Rechtsprechung nicht als Schaufenster aufgefasst werden.
Leitsatz: Die Gestaltung von Schaufenstern hat drei
Aspekte zu berücksichtigen:
1. pflegliche Rücksichtnahme auf den Baustil der Fassade bzw. die Körpersprache von Architektur,
2. Betonung des unverwechselbaren Charakters der
Ladenlokalnutzung,
3. Wahl eines prägnanten Schaufenstermotivs unter
Berücksichtigung von 1. und 2 (vgl. § 5 Abs. 4 dieser
Satzung).
Als unvereinbar mit dem Stil eines Gebäudes können
gelten:
• sockellose Schaufenster,
• mit der Fassadentektonik unvereinbare („verwilderte“) Stützenstellungen,
• eine proportionsverletzende und/oder ambivalente
Formatgestik der Schauöffnung,
• starke unterschiedliche Öffnungsformate benachbarter Ladenlokale in einem Gebäude,
• verklebte Sturzzonen über Schauöffnungen,
• dunkle Wandbaustoffe an Schaufensterumrahmung,
• nostalgische Imitate rahmender Wandflächen (Fachwerkimitation, Scheunen- und Grottencharaktere),
• wandbündig gesetzte Glasflächen mit tapetenartiger
Wirkung,
• verspiegelte Stützen bzw. Pfeiler im Ladeninnern,
• stark glänzende, flambierte oder stark gesprenkelte
Wandbaustoffe.
• Bei Fachwerkbauten sind Schaufenster in die vorhandenen Holzkonstruktionen einzuordnen und den
Maßverhältnissen des Gebäudes anzupassen.
Ziel der nachfolgenden örtlichen Bauvorschriften ist es
im Falle von Baudenkmälern und bei erhaltenswerter
Bausubstanz - unter Wahrung der ursprünglichen Stützensysteme - das Ladengeschoss wieder zum Bestandteil der Gesamtfassade zu machen und so Bezüge zu
den Obergeschossen herzustellen. Als Bauvorschrift
gilt:
a) Pfeilerstellung und Anordnung der Mauerflächen
sollte in Abstimmung mit der Fassadengliederung der
Obergeschosse erfolgen.
Aus ablesbar konstruktiven Gründen sollten die tragenden Stützensysteme diesen Regeln folgen. Als Leitsatz
gilt:
Hinter Glas (bei Altbauten im Ladeninnern) stehende
Stützen dürfen nicht verspiegelt werden.
Geboten ist die folgende Vorschrift:
b) Glasflächen dürfen nicht bündig (tapetenartig)
mit Pfeiler- oder Wandflächen angeordnet werden;
sie sind deutlich zurückzusetzen. Vortretende Glasflächen sind nur bei Vitrinenausbildung zulässig.
Formatgestik von Schaufenstern
Rechtecke besitzen nicht nur einen mathematisch fassbaren Wert (Verhältnis von Höhe : Breite), sondern
auch einen gestischen Ausdruckswert:
Herrscht die Vertikalrichtung vor, entsteht die Illusion
einer steigenden (aktiv wirkenden) Bewegung; größere
Horizontalausdehnung dagegen vermittelt den Eindruck
des (passiven) Lastens, und annähernd gleiche Höhe
82
Besondere Anforderungen/Baustaffel II
steigend
lagernd
neutral
Formatgestik von Schaufenstern
falsch
Ambivalente Formatgestik der Schauöffnungen bei
Ambivalente Formate sollten der Vergangenheit angehören. Deshalb der Leitsatz:
Ungegliederte Wandöffnungen können durch Rückbau
auf ursprüngliche Höhen oder durch Einbau von Zwischenpfeilern nach Maßgabe der „Gestik von Flächenwerten“ in Schaufensterformate geteilt werden.
richtig
Glasflächen sollten deutlich zurückgesetzt werden. Vortretende Glasflächen sind nur bei Vitrinenausbildung zulässig.
Wichtig ist, dass am Gebäude die Formatgestik der
Schauöffnungen nicht wechseln sollte. Das kann bei
zwei oder mehreren Ladenlokalen bei unterschiedlichen
Gestaltauffassungen der Einzelhändler der Fall sein.
Die störende Wirkung kann durch Rahmung, Wandgliederung oder Farbe gemildert werden, indem die
Schauöffnungen optisch aneinander angeglichen werden.
Rückbau meint die Wiederherstellung des ursprünglichen Schaufensterhöhe. Meist hat man in der Nachkriegszeit die Schaufenster zwecks Schaffung einer störungsfreien Werbezone auf ihre (ursprüngliche) Kämpferhöhe verringert, wodurch störende Proportionsverschiebungen im Erdgeschoß und somit der gedsamten Fassade
entstanden.
Divergierende Formatgestik der Schauöffnungen
Wichtig ist darüber hinaus die Einbettung der Schauöffnung in die rahmenden Wandflächen, die stets einen
einheitlichen Wandbaucharakter ausweisen sollten. Hier
die entsprechende Vorschrift:
und Breite (exakt gegeben im Quadrat) erzeugt die
Wirkung des ruhigen Strehens. Dieser „gestische Gehalt“ von Flächenwerten, die sich zu einem vielfältigen Wechselspiel von Streben und Lasten, Ruhe und
Bewegung zusammenfügen können, bestimmt wesentlich den ästhetischen Eindruck eines Bauwerks; darüber
hinaus aber auch den Aufforderungswert einer Schauöffnung zum Betrachten, Besehen und Einsehen.
c) Seitliche Flächen, Sockel oder Brüstung sowie
Sturzfeld der Schaufenster sollten aus gleichen Wandbaustoffen bestehen. Die Materialgebung der Mauerflächen im Erdgeschoss kann von jener der Obergeschosse
abweichen.
83
Besondere Anforderungen/Baustaffel II
§ 6 Abs. 4 Farbe
Die Farbe muss dem jeweiligen architektonischen Charakter des Bauwerks entsprechen. Das ist der Fall,
wenn der Zusammenhang von Konstruktion, Fläche,
Körperlichkeit und den je Baustil unterschiedlichen
Gliederungselementen durch die Farbgebung gewahrt
bleibt.
Farbgestaltung von Fachwerkbauten
Bei Sichtfachwerk muss der regionalen (westfälischen)
Farbtradition Rechnung getragen werden.
Traditionell ist in Westfalen schwarzes, seltener tiefbraunes Holzwerk gegen weißen Anstrich der Putzgefache
allgemein üblich. Die Gefache dürfen nicht in einer abweichenden Buntfarbe gestrichen werden Die Gefachfüllung kann auch aus ungetöntem Zielmauerwerk bestehen. Das Schnitzwerk wird immer kräftig farbig abgesetzt.
Schwierig ist die Beurteilung neuerer Sichtfachwerkbauten am Roggenmarkt, deren Holz in heller Lasur an
Möbelstücke erinnert. Historisch angemessen ist dies
nicht. Offensichtlich wollte der Architekt deutlich zeigen: Dies ist modernes Fachwerk, das sich vom alten
deutlich unterscheidet! Es ist also abzuwägen zwischen
einer regional gebundenen Auffassung und einer modernen, die sich - ortlos - überall verwirklicht.
mus. Das ist der Fall, wenn gegen die folgenden Leitsätze verstoßen wird:
Leitsatz: Die tektonische Wandgliederung (Fensterrahmung, Lisenen, Gesimse u.a.) darf nicht dunkler als die
sie tragenden Wandflächen gestrichen werden. Dieser
allgemeine Grundsatz gilt für Putzbauten des Historismus, für den Reformstil sind Abweichungen zulässig.
Ein Putzbau des Historismus, der stets als Massivbau in
Erscheinung treten sollte, wird nämlich durch die schwer
wirkende (dunklere) Farbfassung der Bauglieder zu
einem Skelettbau (Beispiel Steinstraße 17). Das aber
bedeutet eine erhebliche Veränderung des Hauscharakters und die Zerstörung der originalen gestalterischen
Idee.
Eine grobe Verunstaltung liegt ferner vor, wenn die
Einheit einer Fensterarchitektur durch eine unterschiedliche Farbfassung zerstückelt wird:
Leitsatz: Die Fensterarchitektur (Umrahmung und Verdachung) muss stets als Einheit aufgefasst und entsprechend auch einheitlich behandelt werden.
Farbgestaltung von Massivbauten
Bei Massivbauten liegt eine unangemessene Farbgestaltung insbesondere vor an Putzbauten des Historis-
Dieser wohl wichtigere Grundsatz betrifft die gestalterische Absicht profilierender Fassadentektonik. Denn
alle körperlich wirksamen Gliederungen, ob von Wandflächen (Gesimse) oder Wandöffnungen (Rahmungen),
gewinnen ihren ästhetischen Wert allein aus ihrer
Funktion als Schattenspender. Ihr dunkler Anstrich und
Stilistisch falsche Farbgestaltung
Stilistisch richtige Farbgestaltung
Besondere Anforderungen/Baustaffel II
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A = stilistisch richtige Farbfassung einer späthistoristischen Fassade mit einer hell
gegen die Wandfläche abgesetzten
Fensterarchitektur, die dadurch
auch die Profile durch Schattenwurf
stärker zur Geltung bringt.
B = stilistisch falsche Farbfassung, bei der die Fassadentektonik (Fensterarchitektur und
Gesimse) dunkel gegen die Wandfläche abgesetzt sind, wodurch der
Massivbau den Charakter eines Skelettbaus erhält. Der Schattenwurf
wird von der dunkelfarbigen Fassung „verschluckt“.
C = grob verunstaltete Farbfassung, bei der die Einheit der
Fensterarchitektur (seitliche Gewände, Rahmung, Ohrung und
Fensterverdachung, hier bestehend
aus Dreiecks- und Segmentgiebel
sowie Konsolen, durch Farbkontraste optisch „zerrissen“ wird.
85
Besondere Anforderungen/Baustaffel II
noch mehr der unterschiedliche Farbanstrich ihrer Teile
„absorbiert“ das wichtige Licht-Schattenprofil.
Stilistische Anforderungen an die Farbgestaltung
Zur Farbbehandlung denkmalgeschützter Putzbauten
ist ein Gutachten der Denkmalpflege anzufordern. Hierbei liefert zuallererst der Befund und die Stilrichtung,
der ein Gebäude angehört, Anhaltspunkte für die
Farbgestaltung. Für einen geschulten Malermeister ist
dies keine große Mehrarbeit. Es kann damit ein Bezugsrahmen abgesteckt werden, der dann - bezogen
auf die städtebauliche Situation und das Einzelobjekt zu füllen wäre.
Die Ergebnisse sollten in einem Farbarchiv zusammengefasst werden, das sinnvollerweise im amt für
Denkmalpflege geführt werden könnte. Im Farbarchiv
sollten die ermittelten Farbbefunde mit Farbangaben
nach einem wissenschaftlich aufgestellten und farbmetrisch vermessenen und firmenunabhängigen Farbsystem erfolgen. Hier wäre zunächst die DIN 6164 - die
deutsche Farbennorm - zu nennen. Ein wissenschaftlich
erstelltes und farbmetrisch vermessenes Farbsystem
gibt auch die RAL mit der Übersichtskarte RAL-F2 mit
Farbregister mit 1412 verschiedenen Farbtönen, die in
einer systematischen Beziehung stehen.
Stilistisch falsche Übermalung einer Ziegelfassade
Farbe an Bauten der Neogotik
Ursprünglich eine kühle, stärker differenzierte Farbskala:
Gelb, Grün, Rot. Backsteinbauten in kräftigem Rot und
weiß verfugt (= ornamentale Wirkung). Selten auch
Verwendung des glasierten (grünlichen und gelblichen)
Ziegelmaterials. Gurt-, Haupt- und Überschlaggesimse,
Fenstersohlbänke auch Musterbildungen werden mit
anders gefärbten Steinen hervorgehoben. Sie und Werksteine dürfen nicht überstrichen werden; das gilt auch
für das Ziegelmauerwerk selbst (vgl. Burgstraße 17 mit
ochsenblutfarbenen Überstrich).
sterbekleidung, Gesimse, Lisenen u.ä. Architekturglieder
erhalten einen helleren Anstrich als der Wandton. Starke
Farbkontraste unbedingt vermeiden (z.B. kräftiges Gelb
der Wandflächen gegen blendendes Weiß der Stuckzierden); am besten wirkt das von Weiß aufgehellte
Grau. Bei Buntfarben darf der Weißanteil nicht zu stark
ausfallen, da sonst die Fassaden eine cremefarbene Anmutung erhalten (sog. Desertfarben vgl. Markt 1)
Farbe an Bauten der Neorenaissance
In geschlossener Bauweise gewinnt die einzelne Schauseite an Bedeutung gegenüber den städtebaulichen
Zusammenhängen (Ensemblewirkung) . In diesem Sinne
kommt der Farbe ein qualitatives Gewicht am Baukörper
(Form und Fassade) zu, deren stadträumlicher Wert
aber trotzdem berücksichtigt werden muss (gutes Beispiel Markt 4). Die Farbe am Einzelbauwerk darf sich
nicht verselbständigen, da sie als ein integrierter Bestandteil des Straßenbildes aufgefasst werden sollte.
Ein zu starker Kontrast stört oder zerstört den Zusammenhang der Teile und das Ganze. Erhaltene (gusseiserne) Schaufenstergerüste mit Dekor dürfen nicht in
der Fassadenfarbe überstrichen werden (vgl. Markt 5).
• Die farbliche Gestaltung des Einzelgebäudes ist auf
den Gesamtcharakter des Straßenbildes abzustimmen.
Das räumlich-farbige Milieu darf durch einen starken
Farbwechsel der Fassaden und durch eine ganz verschiedenartige ornamentale Behandlung nicht zerstückelt werden. Eine ruhige, verbindende Farbgebung
und Ornamentierung kann dazu beitragen, das Gesamtbild einer bereichsweise einheitlichen Raumwirkung wieder anzunähern.
Farbe an Bauten des Neobarock
Wohn-Geschäftshäuser gewöhnlich mit zweifarbigem
Putz in durch Zusatz von weiß aufgehellten Grau-,
Grün-, Blau-, Gelb- und Rottönen. Sockel immer dunkler
mit Aufhellung der Fassade von unten nach oben. Fen-
In gegenwärtiger Farbauffassung können Bauten des
Historismus nach Maßgabe folgender Leitsätze gestaltet
werden:
Dieser Leitsatz bedarf der Konkretisierung, wobei der
historisch überkommene Baustil einen Rahmen setzt,
der durch eine freie Farbgestaltung an erhaltenswerten
Massivbauten nicht überschritten bzw. verletzt werden
darf.
• Fassadengliederungen sollten um so weniger farbig
abgesetzt werden, je stärker die Schauseiten der Flächig-
Besondere Anforderungen/Baustaffel II
keit entbehren und mit plastischen Gliederungen und
Schmuckformen reich verziert sind. Eher zurückhaltende Töne entsprechen dem Charakter dieses Typs.
• Die Farbbehandlung der Gliederung (Gesimse, Lisenen, Fensterumrahmungen u.a.) richtet sich nach der
Art und dem Wert ihrer Ausbildung:
a) Schwere, weit ausladende Gliederungen (z.B.
Erker) dürfen vom Farbton der Mauerfläche nicht abgesetzt werden, um sie nicht besonders durch Farbe zu
betonen.
b) Kräftige Gliederungen in Form und Proportion
können durchaus in einer matteren und helleren Abtönung zur Grundfläche des Gebäudes oder in hellem
Grau leicht gebrochen abgesetzt werden. Das Grau
kann auch nach einer anderen Farbe gebrochen werden
(z.B. rötlich = warm oder bläulich = kalt bei gelber
Grundfarbe).
Keinesfalls ist zu empfehlen, die Gliederungen in einer
sehr intensiven Farbe zu streichen, wenn der Grundton
des Hauses bereits sehr lebhaft farbig ist. Gegen diesen
Grundsatz wird häufig verstoßen.
• In der Regel sollten die Gliederungen matter getönt
werden als die Wandflächen. Der hellere Anstrich hat
immer den Gliederungen zu gelten. Eine Ausnahme
kann dann gemacht werden, wenn die Fläche eines
Bauwerks gar nicht oder matt (grau) gestrichen wird;
dann kann sie durch lebhaften Anstrich der Gliederung
nur gewinnen.
• Plastische Fassadengliederungen dürfen durch Farbe
nicht zerstört werden, insbesondere die durch Vorund Rücksprünge hervorgerufenen Effekte des Lichtund Schattenwurfs. Zu starke Hell-Dunkel-Kontraste
oder Farbkontraste zwischen Grundfarbe und farbig
abgesetzten Architekturgliedern lassen diese nur noch
als Farbornamente wirken.
• Fehlen plastische Architekturgliederungen (z.B. Fensterumrahmungen), so ist gelegentlich eine einfache
(monochrome = einfarbige) Aufteilung der Wandfläche
zulässig (z.B. durch dunkle Umrahmung der Fenster =
Farbfasche oder durch einen Trennungsstreifen zwischen den Geschossen = in Anlehnung an ein Gurtgesims). Doch sollte man sich dabei auf weniges beschränken.
• Ob Flachreliefstrukturen einfarbig oder mehrfarbig
gestrichen werden, ist im Einzelfall zu prüfen. In den
meisten Fällen ist einfarbiger Anstrich zu empfehlen.
Die plastische Qualität wirkt am klarsten bei einer
weißen Grundfarbe.
• Im Bereich von Geschäften und Läden kann die
Sockelfarbe bis zum 1. Obergeschoss hochgezogen
werden (als Gegenfarbe zur Grundfarbe des Gebäudes,
86
doch nicht zu kontrastreich und/oder zu dunkel).
Damit wird ein zusammenbindender Hintergrund für
die Buntheit der Werbung, Information und Schaufenster geschaffen. Gleichzeitig wird damit der Fußgängerbereich bis zur Blickhöhe akzentuiert.
Farbe an Bauten des Jugendstils
Für die Bauten mit Jugendstilelementen kennzeichnend
ist der asymmetrische Fassadenaufbau und die Vorliebe
für Pflanzen- und Tierornamente als Dekorteile. Die
Fassaden dieser Stilrichtung wirken zart, flächig und
dynamisch; eine späte Richtung lehnt sämtliche Dekorteile aus Putz ab. Der Reiz natürlicher Werkstoffe wird
als Gestaltungsmittel wiederentdeckt und einfallsreich
kombiniert.
• An Fassaden mit Jugendstilelementen zu bevorzugen
ist eine helle und zarte Farbgebung. Die Farben dürfen
weder süßlich noch aufdringlich wirken. Dekorteile sind
in einer Ton-in-Ton-Farbgebung zu gestalten (z.B.
Wandfarbe in mittlerem Blauton, die flächigen Schmuckformen in dunklerem Blau oder umgekehrt).
Gliederungen dürfen weder im Fassadenton überstrichen, noch als einzelnes Schmuckelement völlig
zusammenhanglos farblich hervorgehoben werden.
a) Entweder kann die Wandfläche, z.B. in einem
mittleren Blauton gestrichen werden, wenige flächige
Schmuckformen in dunklerem Blau derselben Farbmischung abgesetzt und die übrigen Flächen (oder
auch Erker) in einem klaren Weiß gehalten werden.
b) Ebenso kann der Untergrund dunkel gehalten
und der Dekor durch eine helle Farbe derselben Farbmischung hervorgehoben werden.
c) Für die Entscheidung der Farbfassung von Dekorteilen nach a) oder b) ist die Gesamtkonzeption der
Fassade von Bedeutung.
Niedrige Sockel sind bei Jugendstilbauten durchaus
üblich. Schon aus praktischen Gründen (Verschmutzung) liegt die Verwendung der dunkelsten Farbe für
den unteren Teil des Gebäudes nahe. Darüber hinaus
entspricht es auch allgemeinen architektonischen Empfinden, wonach der Sockel und insoweit gründende
Teil der Fassade durch die dunklere Farbe entsprechend
betont wird.
Bauten des Reformstils
Der farbenfreudige Bruno Taut gibt in seinen Baubeschreibungen (Moderne Bauformen Jg. 12, 1913,
Heft 3, S.121-22) folgende Angaben: Farbiger Putz
unter Verwendung von mattglasierten Tonplatten im
Erdgeschoss und Terrakottaplatten im Fries des letzten
Obergeschosses, Dachdeckung mit grünglasierten
Falzziegeln über einem weßgestrichenem Gesims (Haus
Kottbusser Damm 90-92, Berlin); Gelber farbiger Putz
unter Verwendung von hellrot gestrichenen
Gliederungen (Villa Reibedanz, Berlin). Für ihn gilt im
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Besondere Anforderungen/Baustaffel II
Stilistisch angemessene Farbgestaltung an Bauten des Reformstils
Grundsatz: „Vereinfache die Formen, um mit Erfolg
farbig wirken zu können.“
In Werne dominiert (wie sonst auch in der Hellwegzone) eine helle, kühle, wenig differenzierte Farbskala:
Hellgrau oder Hellgelb als Steinfarbe (gutes Beispiel
Bonenstraße 36, Burgstraße 14. Die Farbe wird als
Hilfsmittel des körperlich Messbaren, nicht als malerischer Wert angesehen. Wie im Klassizismus Betonung
eines Materialstils (Th.Fischer, P.Behrens): Steinfarbigkeit, Grundton blass, Fenstergewände, Lisenen, Gesimse
noch heller, die wenigen Zierteile aber farbig auf dunklerem Grund abgesetzt (gutes Beispiel Magdalenenstraße 1/Ecke Kleine Burgstraße).
Gelegentlich kommt eine traditionalistische (dem
Hei-matstil angenäherte) Variante vor: Erdfarben wie
dunk-les Gelb, Ocker, Braun (vgl. die Obergeschosse
Am Neutor 2), Olivgrün (vgl. Steinstraße 32).
Auf keinem Fall dürfen Reformstilfassaden mit ihren
flächigen Schichtungen und geometrisch fokussierten
Zierden einheitlich weiß (in der Farbe der neuen Sachlichkeit) gestrichen werden; die dann auf der fein komponierten Fassadentektonik den Charakter eines
„Leichentuches“ zu verbreiten vermag. An erhaltenswerten Bauten kann durchaus eine kräftige Farbgestaltung in (post-)moderner Auffassung vertreten werden
(gutes Beispiel Steinstraße 34).
Farbe an Bauten der 20er Jahre (Expressionismus)
Für Bauten des Expressionismus gilt allgemein: abgetönte stumpfe Farben wie Ledergelb, Orange, Flaschen-
grün und Braun-Violett. Eine solche Farbskala hat sich
am Erker des Hauses Steinstraße 2 erhalten. Bauten
dieser Stilrichtung erreichen die Altstadt aber erst Mitte
der 20er Jahre (richtungsweisendes Beispiel Steinstraße
12-14) mit einem lebhaftes Farbspiel der Ziegel und
weißem
Putz
der
Obergeschosse
mit
Flachdachabschluss (letzterer schon unter dem Einfluss
der Neuen Sachlich-keit)
An Putzbauten unterscheiden die in den 20er Jahren
entwickelten Farbleitsätze zwischen „Richtfarben“ und
„Wechselfarben“. Als „Richtfarben“ können die Farben
jener Baustoffe gelten, die keinen Anstrich erhalten,
etwa Materialfarben des Daches (Pfannen, Biberschwänze, Falzziegel und Schiefer), ggf. auch des Sokkels (Werk- oder Ziegelstein). Von den „Richtfarben“
sollte man bei der Wahl der „Wechselfarben“, eben
des Farbputzes und Anstrichs, ausgehen. Diese Abstimmung sollte jedoch nicht durch bloße Kopie der
„Richtfarbe“, sondern durch Wahl eines anderen, zurückhaltenden Tones geschehen.
Bauten der Nachkriegsarchitektur (50er und 60er Jahre)
Die 50er Jahre verändern die Gestalt und die Farbigkeit
der historischen Bauten. Stuckfassaden werden entdekoriert und erhalten wie die Neubauten graubraunen
Kieskratzputz. Mehrfarbige Wandflächen sind verpönt.
Man assoziiert in der Farbgebung den Baustoff.
An Bauten der 50er Jahre sind die Fensterfaschen und
die Balkonverkleidung Farbträger. Die Farbgebung der
Besondere Anforderungen/Baustaffel II
Wandflächen ist einheitlich matt (Erdfarben-Skala) zu
gestalten. Farbkontraste (Buntheit) sowie intensiv wirkende einfarbige Behandlungen und Leuchteffekte
sind unzulässig.
Ab 1960 wird die Einzelarchitektur (Stahlbeton-Skelettbauweise) Träger einer besonderen Farbigkeit aufgefasst. Bei Wohnhauszeilen wird Farbe zur Gliederung
des Einzelhauses mit Mitteln des Anstrich verwendet.
Bei Geschäftsbauten kann die Farbe den Baukörper mit
farbigem Mosaik - insbesondere im Erdgeschoss - betonen, ist also gefärbter Baustoff. Man verwendet Farbe
auch als Signatur. Künstlerisch-farbliche Gestaltung
wird zum Element der Orientierung; sie ist Wegweiser.
Farbe an Bauten der 70er und 80er Jahre (Brutalismus)
Ab 1970 wird die Einzelarchitektur mit besonderer
Zweckbestimmung und spezifischer Grundrissgestaltung Träger einer eher zurückhaltenden Farbigkeit.
Farbe wird zur horizontalen) Gliederung großmaßstäblicher Baukörper oder zur (vertikalen) Betonung der
Treppentürme eingesetzt. Farbe ist gefärbter Baustoff,
und man verwendet Farbe als Element der Orientierung
auf das Einzelbauwerk, weniger im Hinblick auf stadträumlich integrierte Wirkungen. Sofern Sichtmauerwerk zur Anwendung kommt, dann in einer dem Sichtbeton angepassten Graustufe. (Beispiel Bonenstraße
41).
Ad § 7 Abweichungen
Von den Vorschriften dieser Satzung kann die Bauaufsichtsbehörde im Einvernehmen mit der Stadt Werne
Abweichungen zulassen, wenn die in § 4 formulierten
allgemeinen Anforderungen an die Gestaltung baulicher Anlagen erfüllt bleiben.
Über Abweichungen von Bestimmungen örtlicher Bauvorschriften entscheidet die allein dafür zuständige
Behörde. Rechtsgrundlage ist § 73 BauO NW; deren
Voraussetzungen müssen erfüllt sein, auch wenn von
örtlichen Bauvorschriften abgewichen werden soll. Die
Abweichung muss also unter Berücksichtigung des
Zwecks der jeweiligen Anforderung unter Würdigung
der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sein.
Über Abweichungen wird nach Ermessen entschieden. Die Abweichung, nicht jedoch deren Versagung,
erfordert das Einvernehmen der Gemeinde. Fehlt das
Einvernehmen der Gemeinde und gilt es auch nicht als
erteilt, darf die Abweichung nicht, auch nicht durch die
Widerspruchsbehörde, zugestanden werden.
Zur Gewährung von Abweichungen vgl. auch § 8 der
Werbeleitsatzung (Band III).
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